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German Pages 343 [369] Year 2019
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 409 Herausgegeben von
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Sebastian Rosentritt
Die Gefahrtragung im europäischen und internationalen Kaufrecht CISG, INCO-Terms, Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, Verbraucherrechterichtlinie und deutsches Recht in vergleichender Perspektive
Mohr Siebeck
Sebastian Rosentritt, geboren 1985; Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg; Wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäisches Wirtschaftsrecht, Internationales Privat- und Prozessrecht sowie Rechtsvergleichung der Universität Würzburg; Referendariat am OLG Bamberg und in München; seit 2016 Rechtsanwalt.
Zugl.: Würzburg, Julius-Maximilians-Universität, Diss., 2017. ISBN 978-3-16-155802-3 / eISBN 978-3-16-155803-0 DOI 10.1628/978-3-16-155803-0 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Böblingen aus der Times New Roman gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2016/2017 von der juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Januar 2017 beendet und vor Drucklegung noch geringfügig geändert. Änderungen der gesetzlichen Vorschriften wurden bis April 2018 berücksichtigt. Die Arbeit entstand im Wesentlichen während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäisches Wirtschaftsrecht, Internationales Privat- und Prozessrecht sowie Rechtsvergleichung der Universität Würzburg. Dem Lehrstuhlinhaber, meinem verehrten Doktorvater Herrn Prof. Dr. Oliver Remien, danke ich für die inspirierende und wohlwollende Begleitung dieser Arbeit. Er hat mir stets die wissenschaftliche Freiheit gewährt und mich mit wertvollen Anmerkungen und Hinweisen unterstützt. Ich bin ihm für die Betreuung der Arbeit und die schöne und lehrreiche Zeit an seinem Lehrstuhl sehr verbunden. Frau Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Besonderer Dank gilt meinen lieben Eltern, denen ich diese Arbeit widme. Sie haben mich stets ermutigt und auf großartige Weise unterstützt. Die Anfertigung dieser Arbeit haben sie erst ermöglicht. München, im Juni 2018
Sebastian Rosentritt
Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI
Erster Teil: Einführung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 § 2 Wettbewerb der Rechtsordnungen und dispositives Recht . . . . . . . . . . . . .5 § 3 Grundlagen der Gefahrtragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12
Zweiter Teil: Leistungsgefahr und Preisgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22 § 4 Bedeutung von Leistungsgefahr und Preisgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22 § 5 Die Regelung der Leistungsgefahr in den Regelwerken . . . . . . . . . . . . . . .28
Dritter Teil: Übergang der Preisgefahr bei verschiedenen Abwicklungsformen des Kaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 § 6 Typenbildung und Abgrenzung von verschiedenen Abwicklungsformen des Kaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 § 7 Platzkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68 § 8 Fernkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .96 § 9 Versendungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .127 § 10 Verkauf reisender Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .187 § 11 Kauf von an drittem Ort eingelagerter Ware oder herzustellender Ware 211 § 12 Zusammenfassung dritter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .217
VIII
Inhaltsübersicht
Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .220 § 13 Die Säumnis des Käufers bei der Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .220 § 14 Vertragswidriges Verhalten des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .256
Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .289 § 15 Gefahrtragung bei digitalen Inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .289 § 16 Gefahrtragung und Widerrufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .307
Sechster Teil: Schlussbetrachtung und Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .315 § 17 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .315 § 18 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .318 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .321 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .323 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .325 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .341
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI
Erster Teil: Einführung und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 I. Europäische Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 II. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 § 2 Wettbewerb der Rechtsordnungen und dispositives Recht . . . . . . . . . . . . .5 I. Einfluss der Verbraucherrechte-RL auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6 II. Das „Opt-out-Modell“ des UN‑Kaufrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 III. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht als „Opt-in-Modell“ . . . . . . . .8 IV. Dispositives Recht und Incoterms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9 1. Dispositiver Charakter der einzelnen Gefahrtragungsregeln . . . . . . .9 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9 b) Ausnahmen aufgrund des Verbraucherschutzes . . . . . . . . . . . . . .9 2. Verwendung von Handelsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 § 3 Grundlagen der Gefahrtragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12 I. Rechtsgeschichtlicher Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 II. Rechtsvergleichender Überblick über den Niederschlag verschiedener Prinzipien in neuzeitlichen Kodifikationen . . . . . . . . . .17 1. Periculum est emptoris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 2. Res perit domino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 3. Traditionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 III. Anforderungen an moderne Gefahrtragungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . .19
Zweiter Teil: Leistungsgefahr und Preisgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22 § 4 Bedeutung von Leistungsgefahr und Preisgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22 I. Leistungs-/Sachgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22 II. Gegenleistungs-/Preisgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 1. Begriff der Preisgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
X
Inhaltsverzeichnis
2. Umfang der vom Begriff der Preisgefahr erfassten Risiken . . . . . . .24 a) Meinungsstand zum Umfang der von der Preisgefahr erfassten Risiken in den Regelwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26 III. Verhältnis von Preisgefahr und Leistungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . .27
§ 5 Die Regelung der Leistungsgefahr in den Regelwerken . . . . . . . . . . . . . . .28 I. Ausdrückliche Regelung der Leistungsgefahr im BGB . . . . . . . . . . . .29 1. Die Leistungsgefahr folgt der Preisgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30 2. Autonome Auslegung des § 243 II BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31 4. Kein Übergang der Leistungsgefahr bei mangelhafter Gattungsware? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32 II. Regelwerke ohne ausdrückliche Regelung der Leistungsgefahr . . . . . .33 1. Diskussion zur Leistungsgefahr im UN‑Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . .35 a) Koppelung der Leistungsgefahr an die Preisgefahr . . . . . . . . . . . .35 b) Lieferpflichten des Verkäufers als Regelung der Leistungsgefahr 36 c) Tragweite der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 d) Bewertung der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 2. Lösung bekannter Probleme im GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Die Bedeutung des Art. 98 GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . .42 b) Auseinanderfallen des Zeitpunkts der Lieferung und des Übergangs der Kaufpreisgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .43 aa) Probleme bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag bei Verträgen mit Verbraucherbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .43 bb) Nichtübernahme durch den Verbraucher in den Fällen der Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . .47 cc) Platzkauf gem. Art. 93 I lit. (b) ii), 94 I lit. (c) GEK‑Vorschlag mittels die Ware vertretender Dokumente . . .48 dd) Leistungsgefahr bei Lieferung an einem anderen Ort als dem Sitz des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51 d) Tragung der Leistungsgefahr durch den Käufer in anderen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53
Dritter Teil: Übergang der Preisgefahr bei verschiedenen Abwicklungsformen des Kaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 § 6 Typenbildung und Abgrenzung von verschiedenen Abwicklungsformen des Kaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 I. Tatsächliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 II. Typenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56
Inhaltsverzeichnis
XI
1. Platzkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58 2. Fernkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 3. Versendungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62 a) Wer organisiert den Transport? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64 b) Selbstständiger Beförderer oder auch Eigentransport? . . . . . . . . .64 c) Übergabe an Beförderer oder Käufer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65 4. Verkauf reisender Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .66 5. Kauf eingelagerter oder herzustellender Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . .67 III. Nutzen der Typenbildung für Untersuchung der Preisgefahr . . . . . . . .67
§ 7 Platzkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68 I. UN‑Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68 1. Vorliegen eines Platzkaufs im UN‑Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . .68 2. Systematische Stellung des Gefahrübergangs beim Platzkauf . . . . .70 3. Zeitpunkt des Gefahrübergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .70 II. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72 1. Bereitstellung der Ware am Geschäftssitz des Verkäufers . . . . . . . . .73 2. Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74 3. Gefahrübergang beim Unternehmerkaufvertrag durch Annahme der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .75 4. Platzkauf beim Verbrauchervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .78 a) Vorliegen eines Platzkaufs beim Verbraucherkaufvertrag . . . . . . .78 b) Gefahrübergang beim Verbraucherkaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . .79 c) Wird durch den Änderungsvorschlag des ELI eine Verbesserung erreicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80 III. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82 1. Holschuld des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .82 2. Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84 3. Übergabe der Kaufsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84 a) Abdingbarkeit der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84 aa) Individualvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84 bb) Abbedingung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . .85 b) Anforderungen an die Übergabe i. S. d. § 446 S. 1 BGB . . . . . . . .86 IV. Handelsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .88 1. EXW – ab Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .88 a) Auslegungsschwierigkeiten bei der Art der Lieferung . . . . . . . . .88 b) Gefahrübergang mit Bewirkung der Lieferung . . . . . . . . . . . . . . .89 2. FCA – frei Frachtführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .90 V. Wertende Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91 1. Systematik der Gefahrtragungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91 2. Verhältnis des Platzkaufs zu anderen Abwicklungsformen . . . . . . . .92 3. (Ent)Kopplung von Lieferung und Gefahrtragung . . . . . . . . . . . . . .93 4. Über- bzw. Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .94 5. Das Risiko des Verladevorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .94
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6. B2C‑Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .95 7. Abdingbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .95
§ 8 Fernkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .96 I. UN‑Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .96 1. Zeitpunkt der Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .97 a) Erfüllbarkeit bei fehlender Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .98 b) Nichteinhaltung der Lieferzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .99 2. Zur Verfügung stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .100 3. Kenntnis des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .100 4. Konkretisierung der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .101 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105 II. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105 1. Vorliegen eines Fernkaufs und Gefahrübergang beim Fernkauf . . . .105 2. Umsetzungsbedarf durch die Verbraucherrechte-RL? . . . . . . . . . . . .106 III. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .108 1. Verbraucherkaufvertrag und Gefahrübergang gem. Art. 142 I GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .110 2. Unternehmerkaufvertrag und Gefahrübergang . . . . . . . . . . . . . . . . .110 a) Gefahrübergang beim Fernkauf auch nach Art. 143 I GEK‑Vorschlag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .110 b) Art. 144 II GEK‑Vorschlag als Regelung des Annahmeverzugs? .112 c) Fälligkeit der Sachleistung im GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . .114 d) Bereitstellung zur Verfügung des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . .116 e) Kenntnis des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .117 f) Zuordnung der Ware zum Vertrag, Art. 141 GEK‑Vorschlag . . . .118 g) Änderungsvorschläge von Lehne/Berlinguer und des ELI . . . . . .119 IV. Handelsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119 1. Incoterms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119 a) D‑Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119 b) Klauseln anderer Gruppen bei entsprechender Ausgestaltung . . .122 2. Die Klausel „frei Haus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .122 V. Wertende Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123 1. Systematik und Zeitpunkt des Gefahrübergangs . . . . . . . . . . . . . . . .123 2. Anordnung der Abwicklung als Fernkauf bei B2C‑Verträgen und die Möglichkeit abweichender Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . .124 3. Früherer Gefahrübergang im deutschen Recht beim B2B‑Geschäft . 125 4. Verbesserungen im GEK‑Vorschlag im Vergleich zum CISG . . . . . .125 5. Vorteile der deutschen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126 § 9 Versendungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .127 I. Vorliegen eines Versendungskaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .128 1. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .128 a) Wann kommt es zum Versendungskauf? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .128
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aa) Verpflichtung zur Beförderung als Regelung des Versendungskaufs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .129 bb) Anwendbarkeit des Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag und Einschluss der Beförderung auch bei B2C‑Verträgen . . . . . . .130 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .132 b) Person des Beförderers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .132 2. UN‑Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133 a) Erfordernis der Beförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133 b) Person des Beförderers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .134 c) Abschluss des Beförderungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136 3. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137 a) Versendungsverlangen des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137 b) Transportperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .138 4. Versendungskauf nach der Verbraucherrechte-RL . . . . . . . . . . . . . .140 II. Gefahrübergang bei Verbraucherkaufverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141 1. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141 a) Grundsatzregelung des Art. 142 I GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . .141 b) Ausnahmeregelung des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag und Korrektur aus Wertungsgesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141 aa) Abstellen auf die Übergabe an den Beförderer . . . . . . . . . . . .141 bb) Überprüfung der Wertung des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag . .143 cc) Lösung des angeblichen Wertungswiderspruchs durch Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .145 c) Relevanz des Konkretisierungserfordernisses beim Versendungskauf mit einem Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . .146 2. Risikoübergang nach der Verbraucherrechte-RL . . . . . . . . . . . . . . . .147 a) Zeitpunkt des Gefahrübergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .147 aa) Grundsatz und Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .147 bb) Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .147 b) Folgen des fehlenden Konkretisierungserfordernisses . . . . . . . . .149 3. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .151 a) Zeitpunkt des Gefahrübergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .151 b) Die Umsetzung des Art. 20 Verbraucherrechte-RL in § 474 IV BGB a. F. (§ 475 II BGB n. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . .151 c) Abdingbarkeit der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .153 aa) Rechtslage vor der Umsetzung der Verbraucherrechte-RL . . .153 bb) Eigene Stellungnahme zum Charakter des § 474 II 2 BGB a. F. (§ 475 III 2 BGB n. F.) . . . . . . . . . . . . . . .154 cc) Rechtslage nach Umsetzung der Verbraucherrechte-RL . . . . .155 4. Der Kauf im Versandhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .156 a) Problemstellung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .156 aa) Frage der Leistungsgefahr bei Verbrauchsgüterkäufen . . . . . .157 bb) Relevanz hinsichtlich des Preisgefahrübergangs . . . . . . . . . . .157 b) Vergleichbare Problematik in den anderen Regelwerken . . . . . . .160
XIV
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III. Gefahrübergang bei Unternehmerkaufverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . .161 1. UN‑Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161 a) Versendungskauf ohne bestimmten Übergabeort gem. Art. 67 I 1 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161 b) Bestimmter Übergabeort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .163 c) Konkretisierungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .163 2. Versendungskauf zwischen Unternehmern nach dem GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .165 a) Unterscheidung nach dem Ort der Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . .165 b) Konkretisierungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .166 c) Vertragsgemäße Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .166 3. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168 a) Gefahrübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168 b) Absenden vom Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .169 c) Konkretisierungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170 4. Parteivereinbarungen und Handelsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .171 a) Unterscheidung der Klauselgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .172 b) Die Regelungen zum Gefahrübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .174 aa) Modernisierungen zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs . . . . .174 bb) Unterschiedliche Zeitpunkte des Gefahrübergangs . . . . . . . . .175 IV. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177 1. Vorliegen eines Versendungskaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177 a) Person des Beförderers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177 b) Begriff des Versendungskaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177 2. Gefahrübergang bei Verbraucherkaufverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . .178 a) Übergabe und Besitzerlangung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178 b) Grundregel: Transportgefahr trägt der Unternehmer . . . . . . . . . . .180 c) Tragung der Transportgefahr durch den Verbraucher . . . . . . . . . .180 d) Konkretisierungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .180 3. Gefahrübergang bei Unternehmerkaufverträgen . . . . . . . . . . . . . . . .181 a) Tragung der Transportgefahr durch den Käufer . . . . . . . . . . . . . .181 b) Bestimmung des Absendeortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .182 c) Die den Gefahrübergang bewirkende Handlung . . . . . . . . . . . . . .182 d) Detaillierte Regelungen in den F- und C‑Klauseln der Incoterms 183 e) Konkretisierungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .183 4. Überzeugende Regelungen aus Wertungsgesichtspunkten? . . . . . . .184
§ 10 Verkauf reisender Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .187 I. UN‑Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188 1. Regelungsgegenstand und Zeitpunkt des Gefahrübergangs . . . . . . .188 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188 b) Gefahrübergang mit Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188 c) Rückwirkender Gefahrübergang „falls die Umstände diesen Schluß nahelegen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .188
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aa) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .189 bb) Zum rückwirkenden Gefahrübergang führende Umstände . . .190 d) Der die Dokumente über den Beförderungsvertrag ausstellende Beförderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .191 2. Die Ausnahmevorschrift des Art. 68 S. 3 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . .192 a) Wirksamkeit eines Vertrags bei anfänglicher Unmöglichkeit . . . .193 b) Offenbarungspflicht des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .193 aa) Kenntnis und fahrlässige Unkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .193 bb) Geltungsbereich des Art. 68 S. 3 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . .194 cc) Reichweite der Belastung des Verkäufers gem. Art. 68 S. 3 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195 3. Konkretisierungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .196 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .196 II. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .197 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .197 2. Zeitpunkt des Gefahrübergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .198 a) Grundregel des Art. 146 II 1 GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . .198 b) Ausnahme des Art. 146 II 2 GEK‑Vorschlag und Regel-Ausnahme-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .199 3. Die Ausnahmevorschrift des Art. 146 III GEK‑Vorschlag . . . . . . . . .201 a) Anforderungen an die Bösgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .201 b) Anwendungsbereich der Bösgläubigkeitsvorschrift . . . . . . . . . . .201 c) Umfang der Belastung des Verkäufers bei teilweiser Bösgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .202 4. Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .203 III. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .204 1. Keine direkte Anwendung des § 447 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .204 2. Abstellen auf eine Versandverfügung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .204 3. Anwendung des § 446 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .205 4. Rückwirkender Gefahrübergang durch Vertragsauslegung . . . . . . . .205 IV. Handelsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .206 1. Rückwirkender Gefahrübergang vor den Incoterms 2010? . . . . . . . .206 2. Regelung des Verkaufs schwimmender Ware in den Incoterms 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .207 a) Gesonderte Regelung in den Liefervorschriften . . . . . . . . . . . . . .207 b) Gefahrübergang mit Verschaffung der auf dem Schiff befindlichen Ware oder rückwirkend mit Übergabe an den Beförderer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .208 aa) Gefahrübergang erst mit Verschaffung der Ware? . . . . . . . . . .208 bb) Auslegung ergibt rückwirkenden Gefahrübergang . . . . . . . . .208 V. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .209
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§ 11 Kauf von an drittem Ort eingelagerter Ware oder herzustellender Ware . . 211 I. Kauf von an drittem Ort eingelagerter Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .211 1. Die Besonderheiten bei der Anwendung der Gefahrtragungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .211 a) UN‑Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .211 aa) Vom Lagerhalter ausgestellte Papiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . .212 bb) Vom Verkäufer ausgestellte Papiere oder papierlose Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .213 b) GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .213 c) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .214 2. Bewertung der Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .215 II. Kauf von an drittem Ort herzustellender Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . .215 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .216 § 12 Zusammenfassung dritter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .217
Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .220 § 13 Die Säumnis des Käufers bei der Abnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .220 I. Die Säumnis des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .221 1. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .221 a) Nichterfüllung der Verpflichtung zur Übernahme . . . . . . . . . . . . .222 aa) Unterlassen von Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . .222 bb) Nichtzahlung des Kaufpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .224 cc) Keine Säumnis des Verbrauchers bei Ablehnung vertragswidriger Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .224 b) Entschuldigung gem. Art. 88 GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . .225 aa) Hindernis außerhalb des Einflussbereichs der Partei . . . . . . . .225 bb) Hindernis war nicht in Betracht zu ziehen . . . . . . . . . . . . . . . .226 cc) Überwindung des Hindernisses oder der Folgen konnte nicht erwartet werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .226 dd) Folgen für den Gefahrübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .227 c) Hypothetische Inbesitznahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .227 aa) Fehlende Bestimmung des Lieferzeitpunktes . . . . . . . . . . . . .228 bb) Hypothetische Inbesitznahme bei Wegfall eines vorübergehenden Hindernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .228 cc) Bestimmung der hypothetischen Inbesitznahme bei unterlassenen Mitwirkungspflichten kaum möglich . . . . . . . .229 dd) Folgen für den Verkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .229 2. Verbraucherrechte-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .229 a) Entwicklung und Entwurfsfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .229 b) Keine Gefahrübergang bei Annahmeverzug in der verabschiedeten Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .231
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II. Gefahrübergang durch Annahmeverzug bei Verbraucher- und Unternehmerverträgen im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .231 1. Voraussetzungen des Annahmeverzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .232 2. Rechtsfolgen im Hinblick auf die Gefahrtragung . . . . . . . . . . . . . . .234 III. Die Säumnis des unternehmerischen Käufers in GEK‑Vorschlag, CISG und Handelsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .235 1. UN‑Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .235 a) Systematische Stellung des Art. 69 I Alt. 2 CISG . . . . . . . . . . . . .235 b) Voraussetzungen des Gefahrübergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .236 aa) Zurverfügungstellung der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .236 bb) Vertragsverletzung durch Nichtabnahme . . . . . . . . . . . . . . . . .236 (1) Verletzung von Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . .237 (2) Fehlende Akkreditivstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .238 (3) Anwendung des Art. 69 I Alt. 2 CISG beim Versendungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .239 c) Zeitpunkt des Gefahrübergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .239 d) Erhaltungsmaßnahmen des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .240 2. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .241 a) Bereitstellung der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .241 b) Kenntnis des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .242 c) Hypothetischer Übernahmezeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .243 aa) Gefahrübergang bei unterlassenen Mitwirkungshandlungen .243 bb) Unwägbarkeiten bei der Bestimmung des Zeitpunkts . . . . . . .245 d) Zurückbehaltungsrecht des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .246 3. Handelsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .247 a) Säumnis durch Unterlassen im Fall von Mitwirkungspflichten . .248 b) Erweiterung des Risikos für den Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .248 IV. Besonderheit beim Konkretisierungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . .250 V. Wertende Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .251 1. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .251 2. Verbraucherrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .252 a) Keine Vorgaben aus der Verbraucherrechte-RL . . . . . . . . . . . . . .252 b) Entlastungsmöglichkeit und verschuldensunabhängige Haftung .252 c) Unterlassene Mitwirkungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .253 d) Lieferung vertragswidriger Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .253 3. Unternehmerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .254 a) Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .254 b) Ausschlussgründe des Gefahrübergangs in Unternehmerverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .254 c) Unterlassene Mitwirkungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .254 4. Erhaltungspflicht des die Sachherrschaft weiterhin ausübenden Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .255
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§ 14 Vertragswidriges Verhalten des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .256 I. Verhältnis von Haftung und Gefahrtragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .256 1. Das Verhältnis von Haftung und Gefahrtragung in CISG und GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .256 a) Reichweite des Art. 66 CISG a. E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .257 b) Anwendung des Art. 140 GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .258 aa) Die Reichweite des Art. 140 Hs. 2 GEK‑Vorschlag . . . . . . . . .258 bb) Wirkung des Art. 140 GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .259 2. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .261 II. Zufälliger Untergang der Ware bei Vertragsverletzungen des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .261 1. UN‑Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .262 a) Gefahrtragung bei Ausübung der Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . .262 b) Einschränkungen der Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .264 c) Gefahrtragung vor Ablauf einer Nachfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . .266 d) Vertragsaufhebung aufgrund einer Nichtlieferung . . . . . . . . . . . .268 e) Gefahrtragung im Falle der Nachbesserung beim Verkäufer . . . .269 2. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .270 a) Gefahrübergang auf den Käufer auch bei mangelhafter Ware . . .270 b) Gefahr des zufälligen Untergangs trägt der Verkäufer . . . . . . . . .271 c) Erweiterte Tragung des wirtschaftlichen Risikos durch den Verkäufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .271 d) Gefahrentlastung des Verkäufers bei Untergang nach Kenntnis des Käufers vom Rücktrittsgrund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .273 3. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .274 a) Systematik und Gefahrverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .274 b) Unterscheidung zwischen Untergang und Beschädigung bei der Gefahrverteilung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .275 c) Höhe des Wertersatzes und die Ausnahme aus Billigkeitsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .276 aa) Wertersatz gem. Art. 173 I, II GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . .276 bb) Ausschluss der Wertersatzpflicht gem. Art. 176 GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .277 cc) Bewertung der Vorschriften zur Gefahrverteilung . . . . . . . . . 279 d) Gefahrtragung bei Untergang infolge der Vertragswidrigkeit . . . .280 e) Wertungswiderspruch im Falle der Ersatzlieferung . . . . . . . . . . .281 f) Lösung der im UN‑Kaufrecht problematischen Konstellationen .282 aa) Lieferung vertragswidriger Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .282 bb) Gefahrtragung bei verspäteter Lieferung . . . . . . . . . . . . . . . . .283 g) Vorschläge zur Änderung des Rückabwicklungsregimes in der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .284 4. Wertende Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .285 a) Verschiedene Systeme der Gefahrverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . .285 b) Kriterien für die sachgerechte Gefahrverteilung . . . . . . . . . . . . . .285
Inhaltsverzeichnis
XIX
c) Unterschiede in der Gefahrverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .287 d) Schwächen der Regelung des GEK‑Vorschlags . . . . . . . . . . . . . .287 e) Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .287
Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .289 § 15 Gefahrtragung bei digitalen Inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .289 I. Techniken des Zugriffs auf digitale Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .289 II. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .290 1. Sonderregelung bei Verbraucherverträgen für digitale Inhalte ohne materiellen Datenträger in Art. 142 II GEK‑Vorschlag . . . . . . .290 a) Gefahrübergang durch Kontrollerlangung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .290 aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .290 bb) Unterscheidung zwischen Speicherung und bloßem Zugriff . 291 cc) Kontrollerlangung in Downloadfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .293 b) Die Anwendung des Art. 142 III GEK‑Vorschlags in Fällen der Nichtübernahme durch den Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .294 aa) Nichtübernahme bei digitalen Inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . .294 bb) Fiktiver Zeitpunkt der Kontrollerlangung . . . . . . . . . . . . . . . .296 cc) Konkretisierungerfordernis bei digitalen Inhalten . . . . . . . . . .296 c) Keine Sondervorschrift in den Regelungen zum Gefahrübergang nach dem Änderungsvorschlag des ELI . . . . . . .296 2. Keine Sondervorschriften im unternehmerischen Verkehr . . . . . . . .297 a) Download . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .298 b) E‑Mail-Versand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .299 3. Lieferung vertragswidriger digitaler Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .300 III. Verbraucherrechte-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .301 IV. UN‑Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .301 1. Anwendbarkeit des UN‑Kaufrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .301 2. Gefahrübergang und digitale Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .302 V. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .304 VI. Wertende Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .305 § 16 Gefahrtragung und Widerrufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .307 I. Unabhängigkeit von Widerrufsfrist und Gefahrübergang . . . . . . . . . . .308 II. Fehlende Regelung in der Verbraucherrechte-RL . . . . . . . . . . . . . . . . .308 III. Schutz des Widerrufsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .310 1. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .310 2. Schutz im Fall der Säumnis bei der Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . .311 3. Umfang der Haftung des Verbrauchers gem. Art. 45 III GEK‑Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .312 4. Bewertung und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .313
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Sechster Teil: Schlussbetrachtung und Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .315 § 17 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .315 § 18 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .318 Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .321 Entscheidungen deutscher Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .321 Entscheidungen schweizerischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .322 Entscheidungen österreichischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .322 Entscheidungen italienischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .322 Entscheidungen niederländischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .322 Entscheidungen belgischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .322 Entscheidungen ungarischer Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .322 Entscheidungen des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .322 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .323 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .325 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .341
Abkürzungsverzeichnis a. E. am Ende a. F. alte Fassung ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch AcP Archiv für civilistische Praxis AG Amtsgericht AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen Am.J. Comp.L. American Journal of Comparative Law AT Allgemeiner Teil AW‑Prax Zeitschrift für Außenwirtschaft in Recht und Praxis B2B Business to Business B2C Business to Consumer BB Betriebs-Berater BeckOK BGB Beck’scher Online Kommentar BGB BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BGHZ Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen BRAK Bundesrechtsanwaltskammer BT Besonderer Teil BT‑Drucks. Deutscher Bundestag, Drucksache bzw. beziehungsweise CESL Common European Sales Law CFR Cost and Freight CIF Cost Insurance Freight CIP Carriage Insurance Paid CISG United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods Columb.J. Transnat.L. Columbia Journal of Transnational Law CPT Carriage Paid To DAF Delivered At Frontier DB Der Betrieb DCFR Draft Common Frame of Reference DDP Delivered Duty Paid DDU Delivered Duty Unpaid DEQ Deliverd Ex Quay DES Delivered Ex Ship DRiZ Deutsche Richterzeitung ECRL Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäfts-
XXII
Abkürzungsverzeichnis
verkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) EKG Haager Einheitliche Kaufgesetze ELI European Law Institute endg. endgültig ERPL Europäische Zeitschrift für Privatrecht EU Europäische Union euvr Zeitschrift für Europäisches Unternehmens- und Verbraucherrecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EXW Ex Works FAS Free Alongside Ship FCA Free Carrier Fn. Fußnote FOB Free On Board FS Festschrift GEK‑Vorschlag Anhang I: Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, in: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM(2011) 635 endgültig GPR Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GS Gedächtnisschrift HGB Handelsgesetzbuch Hrsg. Herausgeber i. d. R. in der Regel i. S. d. im Sinne des i. V. m. in Verbindung mit ICC International Chamber of Commerce IHR Internationales Handelsrecht Incoterms International Commercial Terms IPR Internationales Privatrecht JBl Juristische Blätter JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung LG Landgericht LMK Kommentierte BGH‑Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring Loy. L. A. Int’l & Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Comp. L. Rev. Review m. E. meines Erachtens MDR Monatszeitschrift für Deutsches Recht mglw. möglicherweise MünchKomm Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch MünchKommHGB Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch MünchKommInsO Münchener Kommentar zur Insolvenordnung n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift OLG Oberlandesgericht
OLGE OR PECL PEL‑S
Abkürzungsverzeichnis
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Rechtsprechung der Oberlandesgerichte schweizerisches Obligationsrecht Principles of European Contract Law Principles of European Law, Study Group on a European Civil Code, Sales PICC Principles for international commercial contracts PWW Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RG Reichsgericht RGZ Sammlung der Entscheidungen des RG in Zivilsachen RIW Recht der internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer SGA Sales of Goods Act u. a. unter anderem UCC Uniform Commercial Code UNCITRAL United Nations Commission on International Trade Law UNIDROIT Institut international pour l’unification du droit privé VO‑GEK‑Vorschlag Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM(2011) 635 endgültig WiRechtlBl Wirtschaftsrechtliche Blätter WM Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschaft- und Bankrecht ZGS Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht, Zeitschrift für das Schweizerische Recht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZJS Zeitschrift für das Juristische Studium ZRG Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht
Erster Teil
Einführung und Grundlagen § 1 Einführung I. Europäische Entwicklungen Am 23. Juni 2011 stimmte das Europäische Parlament der mit dem Ministerrat erzielten Einigung über die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher zu, am 25. Oktober 2011 wurde das institutionelle Verfahren beendet und die Richtlinie 2011/83/EU1 erlassen. Mit dieser Richtlinie wurden die bestehenden Richtlinien 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz und 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zu einer einzigen Richtlinie zusammengefasst. Die Richtlinien 93/13/EG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen und 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter bleiben entgegen den ursprünglichen Absichten der EU‑Kommission bestehen.2 Allerdings sieht die Verbraucherrechte-RL in ihren Art. 17 ff. auch Vorschriften insbesondere für Kaufverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern vor, so auch mit Art. 20 eine Vorschrift zum Risikoübergang. Auf dem Gebiet des Europäischen Privatrechts ist damit ein neuer und bedeutender Rechtsakt hinzugekommen – und eben auch eine Regelung des „Risikoübergangs“. Doch auf dem Gebiet des Vertragsrechts blieb die Verbraucherrechte-RL nicht die einzige Aktivität im europäischen Kontext und weitere Rechtssetzungsbemühungen folgten. Am 11. Oktober 2011 hatte die Kommission einen Vorschlag für ein fakultatives Gemeinsames Europäisches Kaufrecht3 vorgelegt und damit eine neue Stufe in der Entwicklung des Europäischen Privatrechts erklommen. Zum Ziel dieses Vorschlags wurde erklärt, er solle einerseits den Binnenmarkt weiter fördern, vor allem auch den Verbrauchern und kleineren und mittleren Unternehmen den Marktzugang erleichtern, sowie andererseits für Verbraucher ein hohes 1 Im
RL.
Folgenden als Verbraucherrechterichtlinie bezeichnet, abgekürzt Verbraucherrechte-
2 Philipp, EuZW 2011, 534. 3 Vorschlag für eine Verordnung
des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, COM (2011) 635.
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Erster Teil: Einführung und Grundlagen
Schutzniveau garantieren. Gemäß Art. 4 VO‑GEK‑Vorschlag sollte das Gemeinsame Europäische Kaufrecht jedoch nur für grenzüberschreitende Kaufverträge gewählt werden können. Nachdem der Vorschlag einige Zeit umfangreich diskutiert worden war, hat das Europäische Parlament den Vorschlag nach erster Lesung mit Änderungsvorschlägen weitergeleitet.4 Nach einigem Widerstand durch Unternehmer- und Verbraucherverbände zog die Europäische Kommission den Vorschlag im Dezember 2014 zurück und kündigte einen Alternativvorschlag an.5 Am 09. Dezember 2015 veröffentlichte die Europäische Kommission dann zwei Richtlinienvorschläge, den Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte6 sowie den Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und andere Formen des Fernabsatzes von Waren7. Diese sind nun weit weniger umfangreich und umfassen materiebezogen nicht mehr das gesamte schuldrechtliche Spektrum des Kaufrechts. Insbesondere für die Frage nach der Gefahrtragung im Verlauf der Abwicklung eines Kaufvertrags halten die Richtlinienvorschläge keine Regelungen vor. Die Gesetzgebungsaktivitäten auf europäischer Ebene geben Anlass, sich mit den Inhalten kaufrechtlicher Regelungen eingehender auseinanderzusetzen, weil die Parteien eines Kaufvertrags im Bereich des Kaufrechts mit mehreren Kodifikationen in Berührung kommen können. Da sind für grenzüberschreitende Kaufverträge die Vorschriften des UN‑Kaufrechts8, welches von einer Mehrzahl der EU‑Staaten ratifiziert wurde. Neben internationales Einheitsrecht treten selbstverständlich die nationalen Rechtsordnungen, im Bereich des Kaufrechts im deutschen Recht die Vorschriften des BGB, welche durch das am 13. Juni 2014 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der VerbraucherrechteRL an die Vorgaben der Richtlinie angepasst wurden.
II. Problemstellung Als Gefahrtragung bezeichnet man ganz allgemein die Frage nach dem wirtschaftlichen Risiko der zufälligen Beschädigung oder des zufälligen Unter4 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments v. 26.2.2014 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht KOM(2011) 0635 – C7-0329/2011 – 2011/0284(COD) (P7_TAPROV(2014)0159). 5 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen KOM(2014) 910 final, Annex 2, Nr. 60. 6 Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on certain aspects concerning contracts for the supply of digital content, COM (2015) 634. 7 Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on certain aspects concerning contracts for the online and other distance sales of goods, COM (2015) 635. 8 Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980.
§ 1 Einführung
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gangs des Vertragsgegenstands zwischen Vertragsabschluss und Erfüllung des Vertrages.9 Der Gefahrübergang als solcher stellt eine Veränderung im Kaufrechtsverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer dar, die sich – früher oder später – in der Abwicklung eines jeden Kaufvertrages vollzieht.10 Der Gefahrübergang findet zwar im Vollzug eines jeden Kaufvertrags irgendwann statt, der Kern der Frage wird aber rechtlich nur relevant, wenn die Ware von einem Zufallsereignis erfasst wird.11 Es stellt gerade in der Praxis des grenzüberschreitenden Warenverkehrs indes eine alltägliche Problematik dar, dass Ware nach Abschluss des Kaufvertrags verloren geht oder sonst abhandenkommt, beschädigt oder zerstört wird.12 Auf dem Gebiet der Gefahrtragung wird man sodann jedoch mit zwei Begriffen konfrontiert, die sich sachlich unterscheiden: Sachgefahr und Preisgefahr. In rechtsvergleichendem Kontext spielt jedoch die Preisgefahr eine ungleich größere Rolle, vielfach bestehen ausdrückliche Vorschriften ausschließlich zur Preisgefahr. In dieser Arbeit werden die unterschiedliche Bedeutung von Sachund Preisgefahr sowie die Regelung der Sachgefahr umfassend im zweiten Teil behandelt. Im Folgenden wird dann auf verschiedene Probleme der Preisgefahr eingegangen. Für die Parteien eines Kaufvertrags ist die verbindliche Klärung des Komplexes Gefahrtragung in mehrfacher Hinsicht im Rahmen eines Vertragsschlusses von Bedeutung. Im Zeitraum der Vertragsanbahnung sind für die Parteien unter anderem die Höhe des Kaufpreises und der Durchführungskosten entscheidende Fragen. Eine tragfähige Kalkulation ist aber nur möglich, wenn feststeht, wer die Kosten für die zufällige Beschädigung ab und bis zu welchem Zeitpunkt zu tragen hat. Auch können weitere Kosten entstehen, da der Abschluss einer Transportversicherung zu erwägen ist, um ein übernommenes Risiko abzusichern.13 Bei der Durchführung des Vertrags kommt es dann zur ursprünglichen Bedeutung der Gefahrtragungsregeln, wenn die Ware zwischen Vertragsschluss und Erfüllung untergeht oder beschädigt wird, ohne dass eine der Parteien hierfür verantwortlich ist. Es ist nun zu entscheiden, ob der vereinbarte Kaufpreis zu zahlen ist oder der Verkäufer keinen Kaufpreis erhält. Auch wenn der Verlust durch eine Versicherung gedeckt ist, verlieren die Gefahrtragungsregeln nicht ihre Bedeutung. Sie dienen jetzt der Entscheidung der Frage, wer die Last trägt, die Durchsetzung einer Forderung gegen den Versicherer 9 Staudinger/Magnus, Vorbem. zu Art. 66 ff. CISG, Rn. 1; Lindacher, in: Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 165; Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 43; Soergel/Huber, Vor § 446, Rn. 2. 10 Ernst, FS Huber, S. 213. 11 Ernst, FS Huber, S. 213. 12 Graf von Bernstorff, RIW 2012, 657. 13 Vgl. Al-Debʾi, Überseekauf und Abladegeschäft, S. 74.
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Erster Teil: Einführung und Grundlagen
zu besorgen, auf die finanzielle Befriedigung durch den Versicherer warten zu müssen und die beschädigten Güter zu entsorgen.14 Auch im Rahmen der Haftung des Verkäufers für Vertragswidrigkeiten ist die genaue Festlegung des Zeitpunkts des Gefahrübergangs entscheidend. Der Verkäufer haftet in der Regel nur für Vertragswidrigkeiten, welche schon bei Gefahrübergang vorliegen, vgl. Art. 36 I CISG, § 434 BGB, Art. 105 I GEK‑ Vorschlag. Bestehen Zweifel, ob ein Mangel bei Gefahrübergang vorliegt, hilft möglicherweise eine gesetzliche Beweislastumkehr weiter, welche das Vorliegen eines Mangels bei Gefahrübergang vermutet. Eine solche ist in § 477 BGB, der Art. 5 III Verbrauchsgüterkaufrichtlinie15 umsetzt, angeordnet und in Art. 105 II GEK‑Vorschlag vorgesehen. Auch für die genaue Bestimmung dieser Frist ist aber der Zeitpunkt des Gefahrübergangs als Fristbeginn maßgebend. Alle angesprochenen Regelwerke16, also die Verbraucherrechte-RL, der GEK‑Vorschlag, das CISG und als nationale Rechtsordnung das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch und auch die für den internationalen Handelsverkehr bedeutsamen Incoterms, halten zumindest für die Frage nach der Bestimmung des Zeitpunkts des Gefahrübergangs Normen bereit. Diese Regelungen zur Thematik der Gefahrtragung sollen analysiert und verglichen werden, um hierdurch festzustellen, inwiefern sie in der Lage oder geeignet sind, bestimmte Problemstellungen in Zusammenhang mit der Gefahrtragung zu lösen. Die detaillierte Betrachtung des Untersuchungsgegenstands wird zunächst in eine überblicksartige Darstellung der Grundlagen der Gefahrtragung eingebettet. Hierbei wird eine rechtsgeschichtliche und eine weitschweifendere rechtsvergleichende Betrachtung der Gefahrtragung vorgenommen. Dies dient einem ersten Einblick in verschiedene Prinzipien der Gefahrtragung und zeigt mögliche Anknüpfungspunkte für den Zeitpunkt des Übergangs der Gefahr auf. Im dritten Teil der Arbeit sollen die Regelungen zur Preisgefahr anhand der Methode der Mikrovergleichung bei verschiedenen Abwicklungsformen des Kaufs untersucht werden. Kaufverträge können auf unterschiedliche Weise abgewickelt werden. So kann der Käufer die Ware beim Verkäufer abholen oder dieser kann sie dem Käufer an einen bestimmten Ort liefern. Es kann hierzu auch ein Beförderer eingeschalten werden oder gar sich auf dem Weg befindli14 Bericht des Generalsekretärs Yearbook III (1972), S. 32, in: Honnold, Documentary History of the Uniform Law for International Sales. 15 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter. 16 Aufgrund der unterschiedlichen Rechtsaktqualität, die den Untersuchungsgegenständen dieser Arbeit (Bürgerliches Gesetzbuch, UN‑Kaufrecht, Verbraucherrechte-RL, GEK‑Vorschlag und Incoterms) zukommt, wird im Folgenden der Begriff „Regelwerke“ als Oberbegriff herangezogen.
§ 2 Wettbewerb der Rechtsordnungen und dispositives Recht
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che Ware veräußert werden. Durch die Untersuchung der Regelungen bezogen auf eine bestimmte Abwicklungsform wird eine problembezogene Darstellung gewährleistet. Anschließend soll die Problematik des Gefahrübergangs bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien behandelt werden. Die Untersuchung schließt mit einer Betrachtung zweier Einzelproblematiken. Dort soll die Geeignetheit herkömmlicher und moderner Gefahrtragungsregeln für die virtuelle Welt beleuchtet werden. Außerdem wird auf das Verhältnis von Widerrufsrechten eines Verbrauchers und den Regelungen zum Gefahrübergang eingegangen. Teilweise ist bei den Untersuchungen auch auf Vorgängerregelungen oder Entwürfe Bezug zu nehmen, soweit sich aus der Entstehungsgeschichte sachdienliche Hinweise ergeben. Es kann ein Gewinn an Erkenntnis daraus folgen, dass bereits existierende Regelungen zum Teil identisch übernommen, zum Teil aber wieder abgeändert wurden.
§ 2 Wettbewerb der Rechtsordnungen und dispositives Recht Die verglichenen Regelwerke stehen in einem ganz unterschiedlichen Verhältnis zueinander. Daher ist zunächst zu klären, inwieweit sie in einem Wettbewerb stehen oder sich gegenseitig beeinflussen. Natürlich gibt es Verträge, die klar dem Gesetzesrecht einer Rechtsordnung, möglicherweise dem deutschen Recht, unterstehen, weil es von vornherein an Berührungspunkten zu anderen Rechtsordnungen fehlt. Da aber viele Vorschriften dispositives Recht darstellen, können die Parteien die gesetzlichen Vorschriften abbedingen und durch eigene Vereinbarungen ersetzen. Die Parteien werden sich überlegen, ob die gesetzlichen Vorschriften den Besonderheiten ihrer konkreten Situation gerecht werden. Bei internationalen Verträgen entscheidet grundsätzlich das Kollisionsrecht darüber, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Das im Bereich des Schuldvertragsrechts vereinheitlichte europäische Kollisionsrecht lässt es den Vertragsparteien gem. Art. 3 I Rom I‑VO aber unbenommen, das auf ihren Vertrag anwendbare Recht zu wählen. Wird eine solche Rechtswahl nicht getroffen, findet auf einen Kaufvertrag – vorbehaltlich des Eingreifens spezieller Normen – das Recht des Staates Anwendung, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dem hiernach anzuwendenden Recht sind auch die Gefahrtragungsregeln zu entnehmen, vgl. Art. 12 I lit. c) Rom I‑VO. Dem Kollisionsrecht vorrangig ist möglicherweise anwendbares internationales Einheitsrecht zu berücksichtigen, im Bereich des Kaufrechts in erster Linie das UN‑Kaufrecht. Diskussionsstoff bietet die Frage, inwiefern sich das Gemeinsame Europäische Kaufrecht in das System des Internationalen Privatrechts einfügen und
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Erster Teil: Einführung und Grundlagen
unter welchen Voraussetzungen es zur Anwendung kommen würde, was hier nur kurz dargestellt wird. Die unterschiedlichen Rechtsquellen und ihr Verhältnis zueinander sollen systematisch dargestellt werden, um zu zeigen, wie die hier untersuchten Regelwerke konkurrieren, auch wenn es darum geht, geeignete Gefahrtragungsregeln bereitzustellen.
I. Einfluss der Verbraucherrechte-RL auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten Was die Verbraucherrechte-RL angeht, so tritt diese nicht in Konkurrenz zu den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, löste aber möglicherweise einen Umsetzungsbedarf in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aus, Art. 288 III AEUV. Sie sorgte jedenfalls dafür, dass der deutsche Gesetzgeber Vorschriften des BGB ändern und richtlinienkonform ausgestalten musste. Hierbei ist zu beachten, dass nun gem. Art. 4 Verbraucherrechte-RL der Ansatz der Vollharmonisierung gewählt wurde. Dies erfolgt in Abkehr zu vielen anderen Richtlinien auf dem Gebiet des Privatrechts.17 Gerade auf dem Gebiet des Kaufrechts wurde in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bislang im Wege der Mindestharmonisierung versucht, die Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten anzugleichen. Dadurch blieb es den Mitgliedstaaten unbenommen, auch strengere Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers zu erlassen, als dies in der Richtlinie vorgesehen war, Art. 8 II Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Die Richtlinie schrieb lediglich ein Mindestmaß an Verbraucherschutz vor. Durch das Prinzip der Vollharmonisierung in der neuen Verbraucherrechte-RL wird nun den Mitgliedstaaten untersagt, in den geregelten Bereichen von den Bestimmungen der Richtlinie abweichende innerstaatliche Rechtsvorschriften aufrechtzuerhalten oder solche zu erlassen, Art. 4 Verbraucherrechte-RL. Daher müssen die Mitgliedstaaten in den von der Richtlinie geregelten Gegenständen der Gefahrtragung ihre innerstaatlichen Vorschriften derart gestalten, dass sie für den Verbraucher weder ungünstiger noch günstiger sind. Die Mitgliedstaaten sind nicht zur Schaffung eines höheren Verbraucherschutzniveaus als in der Richtlinie vorgegeben befugt.18 Die in der Richtlinie enthaltene Regel ist somit nicht nur das Minimum, sondern gleichzeitig auch das Maximum dessen, was der Verbraucher hier erwarten darf.19 Auch wenn man sich entgegen dem ursprünglichen Vorschlag zur Verbraucherrechte-RL nicht dazu durchringen konnte, die Verbrauchsgüterkaufrichtli17 Ganz neu ist dieses Prinzip freilich nicht, bislang folgten v. a. die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG und die Time sharerichtlinie 2008/122/EG diesem Ansatz. 18 Schwab, EuZW 2009, 873; Tacou, ZRP 2009, 141. 19 Micklitz/Reich, EuZW 2009, 280.
§ 2 Wettbewerb der Rechtsordnungen und dispositives Recht
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nie vollständig in der neuen Horizontalrichtlinie aufgehen zu lassen, und die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie damit grundsätzlich erhalten bleibt,20 so wurde im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs gerade für den Gefahrübergang eine Vorschrift erlassen, vgl. Art. 20 Verbraucherrechte-RL. Der veränderte rechtspolitische Ansatz der Vollharmonisierung führte also gerade im Bereich der Gefahrtragung beim Kaufvertrag mit Beteiligung eines Verbrauchers zu Anpassungen in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen.21 Dies ist auch im Hinblick darauf interessant, dass die EU beinahe zeitgleich den Vorschlag für eine Verordnung für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht veröffentlicht hat. Dieses würde mit seinem „Opt-in-Ansatz“22 in besonderem Maße in Konkurrenz zu den mitgliedstaatlichen Vorschriften treten – eben diesen Rechtsordnungen, in welchen durch die Verbraucherrechte-RL nun auch im Bereich der Gefahrtragung Normen vollharmonisiert sind.
II. Das „Opt-out-Modell“ des UN‑Kaufrechts Bei internationalen Verträgen, die Berührungspunkte zu mehr als einer Rechtsordnung aufweisen, kann das UN‑Kaufrecht anwendbar sein. Ist der Anwendungsbereich eröffnet, ist dem UN‑Kaufrecht als vereinheitlichtem Sachrecht Vorrang vor dem Kollisionsrecht und einer hierdurch zur Anwendung berufenen Rechtsordnung zu gewähren. Das UN‑Kaufrecht wird nach Art. 1 CISG auf Kaufverträge angewendet, wenn die Vertragsparteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben und diese Staaten entweder Vertragsstaaten sind oder die Regeln des IPR zu dem Recht eines Vertragsstaates führen. Das CISG gilt immerhin in 89 Vertragsstaaten.23 Von den EU‑Mitgliedstaaten sind lediglich Großbritannien, Portugal, Irland, Malta und Zypern dem Übereinkommen nicht beigetreten. Liegen die Voraussetzungen des Art. 1 CISG nicht vor, gilt für den Vertrag durch Kollisionsrecht zur Anwendung berufenes autonomes nationales Recht. Selbst wenn aber die Voraussetzungen für die Anwendung des UN‑Kaufrechts grundsätzlich vorliegen, können die Parteien dies ablehnen und ein anderes Recht wählen, Art. 6 CISG. Ebenfalls könnten die Parteien nach Art. 6 CISG grundsätzlich das UN‑Kaufrecht als auf ihren Kaufvertrag anwendbares Recht akzeptieren, aber einzelne Regelungen ausschließen. Das UN‑Kaufrecht verfolgt damit einen „Opt-out-Ansatz“. Die Regelungen des Übereinkommens kommen grundsätzlich zur Anwendung, es sei denn 20 Zu den geringfügigen Änderungen siehe Art. 33 Verbraucherrechte-RL. 21 Die Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten geht bis zum 13. Dezember
2013, Art. 28 I Verbraucherrechte-RL. 22 Siehe dazu näher § 2 III. 23 ; am 29.3.2018.
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Erster Teil: Einführung und Grundlagen
die Vertragsparteien schließen die Anwendung ausdrücklich aus.24 Der Gefahrübergang wird im CISG in den Art. 66 ff. geregelt.
III. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht als „Opt-in-Modell“ Ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht würde nun ein weiteres Regelwerk auf europäischer Ebene anbieten. Es sieht vor, nur auf grenzüberschreitende Verträge Anwendung zu finden, Art. 4 I VO‑GEK‑Vorschlag. Eine Entscheidung, die nicht unkritisch gesehen wird.25 Allerdings ist noch zu beachten, dass es sich gem. Art. 4 II, III VO‑GEK‑Vorschlag bei grenzüberschreitenden Verträgen nicht um solche handeln muss, die ausschließlich Berührungspunkte mit EU‑Staaten aufweisen. Es ist schon ausreichend, wenn ein Unternehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU‑Mitgliedstaat hat oder sich die Anschrift des Verbrauchers, Liefer- oder Rechnungsanschrift in einem EU‑Mitgliedstaat befindet. Damit käme für grenzüberschreitende Verträge ein neues Vertragsrecht hinzu. Im Gegensatz zum UN‑Kaufrecht sollte dies aber nur auf ausdrücklichen Wunsch der Parteien Anwendung finden. Es handelt sich also um ein „Opt-inModell“, Art. 3 VO‑GEK‑Vorschlag. Die Vertragsparteien könnten sich mit Abschluss des Vertrags entscheiden, dass auf ihren Vertrag die Regelungen des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts Anwendung finden. Die kollisionsrechtliche Einordnung der Wahl des GEK wäre kompliziert und es gibt diesbezüglich viel Streit.26 Da sich das UN‑Kaufrecht und das Gemeinsame Europäische Kaufrecht in ihren Anwendungsbereichen überschneiden würden, bestünde für grenzüberschreitende Kaufverträge mit europäischer Beteiligung oftmals eine echte Konkurrenz zwischen den beiden Regelwerken. Der Gefahrübergang wird im GEK‑Vorschlag in den Art. 140 ff. geregelt. Ob alleine die Vorschriften zur Gefahrtragung Anlass zu einer Entscheidung für oder gegen eines der Regelwerke bieten, müssen die Parteien entscheiden. 24 Zu den genauen Anforderungen an die „Ausdrücklichkeit“ vgl. mit weiteren Nachweisen Ferrari, in: Schlechtriem/Schwenzer, Art. 6, Rn. 18 ff.; so soll bspw. die bloße Wahl deutschen Rechts nicht zum Ausschluss des Übereinkommens führen, da dieses letztlich Teil der deutschen Rechtsordnung ist, OLG Dresden 27.12.1999, CISG-online 511; anders jedoch, wenn das nicht vereinheitlichte Recht eines Vertragsstaates gewählt wird, vgl. OLG Linz 23.01.2006, CISG-online 1377; Tribunale di Padova 11.01.2005, CISG-online 967; OLG Rostock 10.10.2001, CISG-online 671; OLG Frankfurt a. M. 30.08.2000, CISG-online 594. 25 Busch, EuZW 2011, 657; Herresthal, EuZW 2011, 10; Basedow, ZEuP 2004, 3; Heiss/ Downes, ERPL 2005, 702; Grundmann, FS Jayme, S. 1273; Leible, BB 2008, 1473; Leible, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, S. 33; Ackermann, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, S. 55. 26 Zu Streitfragen und verschiedenen vertretenen Lösungsansätzen vgl. nur Lehmann, in: Gebauer, Gemeinsames Europäisches Kaufrecht – Anwendungsbereich und kollisionsrechtliche Einbettung, S. 67 ff.; Wojcik, in: Gebauer, Gemeinsames Europäisches Kaufrecht – Anwendungsbereich und kollisionsrechtliche Einbettung, S. 51 ff.
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IV. Dispositives Recht und Incoterms 1. Dispositiver Charakter der einzelnen Gefahrtragungsregeln a) Grundsatz Gleichgültig, ob die Vertragsparteien ihren Vertrag durch eine Rechtswahl dem (harmonisierten) deutschen Recht, dem UN-Kaufrecht oder dem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht unterstellen, bleibt es ihnen unbenommen, einzelne Vorschriften auszuschließen oder abzuändern. Für das deutsche Recht ergibt sich das aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und dem Wesen gerade des Schuldrechts, das bis auf wenige zwingende Vorschriften grundsätzlich dispositive Vorschriften enthält.27 Das UN‑Kaufrecht lässt abweichende Vereinbarungen gem. Art. 6 CISG zu, auch der Verordnungsvorschlag lässt, soweit in den jeweiligen Bestimmungen nichts anderes bestimmt ist, den Ausschluss der Anwendung von einzelnen Bestimmungen zu, Art. 1 II GEK‑Vorschlag. Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs kann von den Parteien daher grundsätzlich völlig gegensätzlich zu den gesetzlichen Regelungen bestimmt werden. Etwas anderes gilt nur für Gefahrtragungsregeln zwingenden Charakters, wie bei der Verbraucherrechte-RL und dem GEK‑Vorschlag hinsichtlich Verbrauchern.
b) Ausnahmen aufgrund des Verbraucherschutzes Ein zwingender Charakter ist vor allem im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs denkbar und bedarf jeweils genauerer Überprüfung. Im UN‑Kaufrecht gibt es keine Ausnahmen vom Grundsatz der Abdingbarkeit der Vorschriften. Das liegt am persönlichen Anwendungsbereich, wonach das CISG für Unternehmergeschäfte konzipiert ist. Art. 2 lit. a) CISG schließt den Kauf von Ware, die für den persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in Familie und Haushalt gekauft ist, vom Übereinkommen aus. Es besteht daher ein geringeres Bedürfnis, eine Vertragspartei zu Lasten der Privatautonomie zu schützen. Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht schreibt sich die Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus auf die Fahnen, vgl. Art. 1 III VO‑GEK‑ Vorschlag. In Art. 142 GEK‑Vorschlag wird der Übergang der Preisgefahr beim Verbraucherkaufvertrag geregelt. Ob der GEK‑Vorschlag bei den Gefahrtragungsvorschriften tatsächlich ein vergleichsweise hohes Verbraucherschutzniveau bietet, bleibt noch zu untersuchen. Jedenfalls dürfen die Parteien beim Verbraucherkaufvertrag die vorgeschriebenen Gefahrtragungsregeln nicht zum Nachteil des Verbrauchers ausschließen, von ihnen abweichen oder ihre Wir27 Zur Abdingbarkeit des § 446 BGB BGH 29.01.1982, NJW 1982, 1278; Palandt/Weidenkaff, § 446, Rn. 3; Graf von Bernstorff, RIW 2010, 673; Graf von Bernstorff, RIW 2012, 661.
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Erster Teil: Einführung und Grundlagen
kung ändern, Art. 142 V GEK‑Vorschlag. Die Gefahrtragungsregeln beim Verbraucherkaufvertrag haben somit halbzwingenden Charakter. Der Verbraucher wird als potentiell schwächere Vertragspartei damit vor Vereinbarungen geschützt, nach denen er die Preisgefahr bereits wesentlich früher tragen müsste. Im deutschen Recht geht die Gefahr beim Versendungskauf gem. § 447 BGB grundsätzlich mit der Übergabe an die Transportperson über. Vor Umsetzung der Verbraucherrechte-RL galt diese Vorschrift gem. § 474 II 2 BGB a. F. beim Verbrauchsgüterkauf nicht, so dass nach der Grundregel des § 446 BGB die Gefahr auch beim Versendungskauf erst nach dem Transport mit Übergabe oder Annahmeverzug auf den Verbraucher überging. Der deutsche Gesetzgeber führte § 474 II BGB a. F. im Zuge der Schuldrechtsreform 2002 ein. Der Verbraucher sollte so vor einer frühen Gefahrtragung geschützt werden. Im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechte-RL wurde § 474 BGB neu gefasst und gem. § 474 IV BGB sollte § 447 BGB beim Verbrauchsgüterkauf nur dann Anwendung finden, wenn der Käufer den Beförderer beauftragt hat und der Unternehmer die Person des Beförderers dem Käufer nicht zuvor benannt hat. Inzwischen enthält § 475 II BGB n. F. diese Regelung. Zu klären bleibt, inwiefern den Regelungen abschließender Charakter beizumessen war und ist.28
2. Verwendung von Handelsklauseln Offenbar besteht im Bereich der Gefahrtragung ein besonderes Bedürfnis nach einem individuellen Zuschnitt der Regelungen oder der Abkehr von gegebenen gesetzlichen Bestimmungen. Von der Abdingbarkeit der gesetzlichen Vorschriften wird mit langer Tradition gerade im internationalen Handel vielfach Gebrauch gemacht.29 Die Parteien können die Bedingungen für die Abwicklung ihres Geschäfts frei vereinbaren. Häufig greifen die Parteien aber auf spezielle standardisierte Handelsklauseln zurück.30 Durch das Bedürfnis gerade des internationalen Handelsverkehrs nach Schnelligkeit und Rechtssicherheit entstanden kurze Formulierungen und Abkürzungen, die einem Codewort vergleichbar das Pflichtenprogramm der Vertragsparteien bestimmten.31 Auch die Vereinbarung solcher Klauseln ist formlos möglich.32 Bei solchen Handelsklauseln ist zu unterscheiden zwischen unvereinheitlichten internationalen Klauseln und aus entwickelten Klauselwerken stammenden, vereinheitlichten Klauseln. Bei den üblichen Handelsklauseln ist zwischen Zahlungsklauseln, Befreiungsklauseln und Lieferklauseln zu unterschei28 Siehe
hierzu eingehend beim Versendungskauf, § 9 II.3.c). Krückmann, Gewährschaft, Gefahrtragung und der Entwurf eines einheitlichen Kaufgesetzes, S. 51. 30 Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 13. 31 Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 31. 32 BGH 07.11.2012, BB 2013, 271. 29 Vgl.
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den.33 Mit Blick auf die Gefahrtragung sind die im Klauselwerk Incoterms34 standardisierten Lieferbedingungen interessant. Lieferbedingungen haben u. a. die Bestimmung des Lieferortes, die Festlegung des Lieferzeitpunkts und die Verteilung bestimmter Kosten zum Gegenstand. „Der wohl wichtigste Regelungsinhalt von Lieferbedingungen dürfte allerdings der Komplex der Gefahrtragung sein“.35 Die Incoterms sind eine Publikation der Internationalen Handelskammer mit Sitz in Paris. Es handelt sich um eine Zusammenfassung der im internationalen Handel am häufigsten verwendeten Lieferklauseln, die vor dem Hintergrund der verschiedenen Rechtsordnungen in der Welt zum Zwecke der Normierung internationaler Handelsbräuche und zur Sicherstellung einer einheitlichen Auslegung herausgegeben wurde.36 Die erstmalige Veröffentlichung der Incoterms fand bereits 1936 statt.37 Um der sich ständig verändernden Handelspraxis Rechnung zu tragen, wurden die Incoterms 1952, 1967, 1976, 1980, 1990, 2000 und schließlich 2010 fortentwickelt.38 Für die vereinheitlichten Klauseln soll auch eine einheitliche Auslegung der Begrifflichkeiten erzielt werden, indem die Bedeutung der Klauseln anhand der Anwendungshinweise der Internationalen Handelskammer zu ermitteln ist.39 Die einheitliche Auslegung bietet den Vorteil, die durch unterschiedliche Handelsgewohnheiten und Unkenntnis rechtlicher Bestimmungen anderer Staaten entstehenden Missverständnisse zu vermeiden, wodurch Zeit und Kosten gespart werden können.40 Die Incoterms 2010 betreffen ausdrücklich nicht den ganzen Kaufvertrag und ersetzen diesen nicht, sondern regeln nur bestimmte Punkte.41 Andere wichtige Aspekte des Kaufvertrags bestimmen sich nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht.42 Mit Blick auf den Gefahrübergang ist hier zu beachten, dass die Parteien im Falle der Vereinbarung einer Klausel zwar den Zeitpunkt des Gefahrübergangs festlegen, die Wirkung des Gefahrübergangs sich aber aus dem anwendbaren Recht ergibt.43 33 Renck, Der Einfluß der Incoterms 1990 auf das UN‑Kaufrecht, S. 5; Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 31 ff. 34 Dieser Arbeit liegen die Incoterms® 2010 der International Chamber of Commerce (ICC) zugrunde. 35 Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, S. V. 36 Renck, Der Einfluß der Incoterms 1990 auf das UN‑Kaufrecht, S. 5; Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 31. 37 Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, S. VII. 38 Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 71. 39 BGH 07.11.2012, BB 2013, 271, 273, m. w. N. auch zur ausländischen Rechtsprechung. 40 Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, S. V. 41 Vgl. zum Zusammenspiel mit dem UN‑Kaufrecht Coetzee, Journal of Law and Commerce 32 (2013), S. 6 ff. 42 Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 42. 43 Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 162.
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Erster Teil: Einführung und Grundlagen
Die Incoterms 2010 setzen sich aus 11 Einzelklauseln zusammen, die systematisch in vier Gruppen (E-, F-, C-, D‑Klauseln) untergliedert sind. Die Klauseln einer Gruppe beginnen immer mit demselben Buchstaben. Der Reihenfolge der Gruppen nach nehmen die Pflichten des Verkäufers zu und die des Käufers ab,44 so dass E‑Klauseln eher als verkäuferfreundlich und D‑Klauseln als tendenziell käuferfreundlich einzustufen sind. Die Einzelklauseln der Incoterms 2010 sollen in dieser Arbeit im Zusammenhang mit der jeweils zugrunde liegenden Abwicklungsform des Kaufs dargestellt werden. So kann aufgezeigt werden, inwiefern gesetzliche Regelung und Incoterms einander entsprechen, voneinander abweichen oder sich gar beeinflusst haben.
§ 3 Grundlagen der Gefahrtragung Für die Bestimmung des Zeitpunktes des Übergangs der Gefahr sollte zunächst einmal die Interessenlage der Parteien ein wesentlicher Faktor sein. Schließlich sind die Gefahrtragungsregeln letztlich Teil des Schuldrechts. Dieses ist ganz entscheidend vom Grundsatz der Privatautonomie geprägt und dient dem gerechten Ausgleich der Parteiinteressen. Haben die Parteien den Eindruck, dass die gesetzlichen Regelungen ihren Interessen nicht entsprechen, so werden sie möglicherweise auf Individualvereinbarungen zurückgreifen oder vorformulierte Klauseln wie die Incoterms für die Abwicklung ihres Geschäfts wählen. Ein Ausgleich der Interessen ist wichtig und schwierig, weil die Parteien gegenläufige Interessen haben. Denn grundsätzlich wird der Verkäufer Interesse daran haben, das Risiko des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Beschädigung möglichst frühzeitig auf den Käufer übergehen zu lassen, während der Käufer die Gefahr gerne möglichst lange beim Verkäufer belassen würde. Wie zwischen diesen Positionen ein Ausgleich erzielt wird, soll zunächst in einer rechtsgeschichtlichen Analyse dargestellt werden. Auch lohnt ein kurzer Blick auf Rechtsordnungen, die nicht zum engeren Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit zählen. Ziel ist eine Darstellung der verschiedenen Möglichkeiten bzw. Anknüpfungspunkte für Gefahrtragungsregeln. Anschließend soll beurteilt werden, welchen Kriterien Gefahrtragungsregeln genügen sollen, um den jeweiligen Interessen gerecht zu werden.
44 Al-Debʾi,
Überseekauf und Abladegeschäft, S. 28.
§ 3 Grundlagen der Gefahrtragung
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I. Rechtsgeschichtlicher Überblick Die wohl ursprünglichste Gefahrtragungsregel stammt aus dem klassischen römischen Recht45, die Regel periculum est emptoris: Die Gefahr trägt der Käufer. Nach dieser Grundregel ging die Gefahr grundsätzlich mit Vertragsschluss auf den Käufer über, weil dann der Kaufvertrag perfekt war.46 Gefahr in diesem Sinne bedeutet aber jedenfalls nur die wirtschaftliche Gefahr der Kaufpreiszahlung, mithin die Preisgefahr.47 Periculum est emptoris bedeutet, dass der Käufer die Kaufsache nicht erhält, dem Verkäufer aber dennoch die actio venditi – mit dieser Klage begehrt der Verkäufer die Bezahlung des Kaufpreises48 – erhalten bleibt.49 Zeitweise war allerdings umstritten, ob periculum est emptoris im klassischen Recht überhaupt als Grundregel fungierte oder ob im klassischen Recht die Gefahr vielmehr prinzipienlos und kasuistisch verteilt wurde50 oder Übergabe und Annahmeverzug den Gefahrübergang begründeten51. Die wohl inzwischen h. M. bestreitet die Existenz des periculum est emptoris als Grundsatz jedoch nicht bzw. nicht mehr.52 Eine Gefahrtragung durch den Käufer ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist der frühestmögliche Gefahrübergang. Schließlich kann vor dem Vertragsschluss eine Gefahr noch gar nicht verteilt werden, geschweige denn übergehen, da noch gar keine rechtliche Beziehung zwischen Verkäufer und Käufer besteht. Diese auf den ersten Blick sehr käuferfeindliche Risikoverteilung 45 Teilweise wird auch angenommen, dass die Regel periculum est emptoris ihren Ursprung im hellenischen Recht hatte, vgl. hierzu Haymann, ZRG 41 (1920), S. 172 ff.; Betti, ZRG 82 (1965), S. 12. 46 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 38; in verschiedenen Ausnahmefällen trat die Perfektion des Kaufvertrags und damit Gefahrübergang erst nach Vertragsschluss ein, so beim aufschiebend bedingten oder befristeten Kauf, beim Kauf aus einem konkreten Vorrat, beim Kauf mit Preisbestimmung pro Maßeinheit und beim Wahlkauf, vgl hierzu Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 38; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 41, Rn. 21; Bauer, Periculum emptoris, S. 27 ff.; ebenso beim Weinkauf mit Degustationsvorbehalt, Bauer, Periculum emptoris, S. 48 ff.; Ernst sieht hierin keine Ausnahmen von der Regel periculum est emptoris, sondern betont, dass bei diesen Abwicklungsformen eben vor der Perfektion noch gar kein Kauf vorlag, Ernst, Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, S. 71. 47 Zur Unterscheidung zwischen Preis- und Leistungsgefahr siehe unten § 4. 48 Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 41, Rn. 19. 49 Ernst, Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, S. 1; demgegenüber sprach man von periculum venditoris, wenn dem Verkäufer die actio venditi nicht erhalten blieb. 50 So jedenfalls Rabel, ZRG 42 (1921), S. 543; diese Auffassung wiedergebend Ernst, Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, S. 35; auch Cortesi, Die Kaufpreisgefahr, S. 16. 51 Haymann, ZRG 41 (1920), S. 185, im Übrigen sehr ausführlich zur Widerlegung der periculum est emptoris als Grundregel. 52 Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 41, Rn. 21; Harke, Römisches Recht, § 8, Rn. 3; Cortesi, Die Kaufpreisgefahr, S. 16; Peters, Periculum est emptoris, S. 222; Seckel/Levy, ZRG 47 (1927), S. 177, 178.
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Erster Teil: Einführung und Grundlagen
scheint einen Interessenausgleich gar nicht stattfinden zu lassen und dem Austauschverhältnis der Parteien – ein charakteristisches Merkmal des Kaufvertrags – zuwiderzulaufen.53 Bei Betrachtung der Interessenabwägung im klassischen Recht muss aber auch die strenge custodia-Haftung beachtet werden, eine Art Garantiehaftung des Verkäufers mit typisiertem Verschulden,54 wonach der Verkäufer ab Vertragsschluss so gestellt wird, als hätte er die Kaufsache vom Käufer entliehen.55 Der Verkäufer haftet danach nicht nur für den Fall des Verschuldens, sondern auch, wenn die Kaufsache ohne sein Verschulden untergeht, der Schadensablauf aber typischerweise von ihm zu vertreten ist (casus minor).56 Die Fälle „niederen Zufalls“ wurden demnach von den Gefahrtragungsregeln ausgenommen, indem die für die Anwendung der Gefahrtragungsregeln erforderliche Befreiung des Verkäufers von der Leistungspflicht hier nicht bejaht wurde.57 Der Verkäufer wurde von seiner Leistungspflicht nur frei, wenn der Untergang oder die Beschädigung der Sache auf sog. „höherem Zufall“ (vis maior) beruhte.58 Nur beim „höheren Zufall“ – was wohl der höheren Gewalt entspricht – gelangte man zur Anwendung der strengen Gefahrtragungsregeln und wurde der Käufer mit der Tragung der Gefahr ab Vertragsschluss belastet. Der Anwendungsbereich für den vermeintlich käuferfeindlichen frühen Gefahrübergang war also – verglichen mit den heutigen Gefahrtragungsregeln – recht klein. Man berücksichtigte die Interessen der Parteien also durch eine Eingrenzung des Zufallsbegriffs. Die dogmatischen Begründungen für die Gefahrtragung des Käufers sind einerseits nicht einheitlich, andererseits auch nicht immer exakt auseinanderzuhalten. Sie gehen häufig ineinander über. Zu bedenken ist aber, dass diese dogmatischen Begründungen nicht von den klassischen Juristen selbst herrühren, sondern diese abstrakten Erwägungen über den vermeintlichen Rechtsgrund erst wesentlich später angestellt wurden.59 Als Hauptströmungen können die Entäußerungs- und die Verschuldenstheorie angesehen werden – dazu sogleich. Vielfach wird die periculum est emptoris-Regel aber auch einfach mit der Orientierung des klassischen Rechts am Barkauf begründet.60 Dies ist nachvollziehbar, denn wenn der Austausch Ware gegen Geld direkt bei Vertragsschluss vorgenommen wird, erscheint es auch sinnvoll, den Käufer sofort mit der Gefahr zu belasten. Rechtstheoretisch 53 Harke,
Römisches Recht, § 8, Rn. 3. Periculum emptoris, S. 253. 55 Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 41, Rn. 21. 56 Harke, Römisches Recht, § 8, Rn. 5; Bauer, Periculum emptoris, S. 253. 57 Ernst, Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, S. 2. 58 Ernst, Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, S. 2; Harke, Römisches Recht, § 8, Rn. 5; Bauer, Periculum emptoris, S. 253. 59 Ernst, Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, S. 2. 60 Kaser, ZRG 96 (1979), S. 114; Harke, Römisches Recht, § 8, Rn. 10; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 41, Rn. 21. 54 Bauer,
§ 3 Grundlagen der Gefahrtragung
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scheint dieser Befund jedoch keinen Erkenntnisgewinn zu liefern. Da die Parteien beim Barkauf mehrere Sachverhaltselemente gleichzeitig verwirklichen, lässt sich die Gefahrtragungsregel verschiedenartig begründen. Die Verschuldenstheorie wird häufig auf Ihering zurückgeführt.61 Die Prägung dieser Theorie folgt in erster Linie aus der aufgeworfenen Frage, wer die Schuld an der fehlenden Tradition trägt, und daraus, dass derjenige, der den Aufschub des Vollzugs verschuldet, den Schaden zu tragen hat.62 Eine gewisse Grundorientierung am Barkauf kann dem auch nicht abgesprochen werden. So geht man eben davon aus, dass grundsätzlich ein Geschäft sofort vollzogen wird. Ist dies nicht der Fall, so liegt dies an der Nichtabholung des Käufers. Würde die Sache direkt übergeben, so wäre der Käufer auch Eigentümer geworden und die Gefahrbelastung jedenfalls gerechtfertigt.63 Die Entäußerungstheorie wurde von Windscheid gedanklich begründet.64 Der Kauf sei demnach auf Entäußerung der Kaufsache gerichtet, so dass im Verhältnis der Parteien zueinander die Kaufsache auch ohne Tradition dem Vermögen des Käufers zugeordnet wird.65 Diese Auffassung wird dem unmittelbaren Verständnis, das die Klassiker vom Kaufvertrag hatten, gerecht. Selbst wenn der Käufer noch nicht Eigentümer war, so war er doch schon befugt, über die Kaufsache Dispositionen zu treffen. Ein ausführlicher Begründungsansatz soll hier nicht vorgenommen werden. Letztlich ist entscheidend, dass das klassische Recht zwar nicht dem Konsensualprinzip folgte, der Vertragsschluss aber auch mehr als das bloße Eingehen von Verpflichtungen war. Zum Eigentumsübergang war nicht lediglich der Vertragsschluss erforderlich, sondern darüber hinaus noch die Tradition der Kaufsache. Durch den Kaufvertragsschluss wurde aber schon eine unmittelbare Zuordnung der Sache in das Vermögen des Käufers vorgenommen.66 Problematisch ist an diesem sog. Vertragsprinzip, dass der Vertragsschluss meist schwerer feststellbar sein dürfte als beispielsweise die Ablieferung der Sache.67 Gerade bei vom Barkauf abweichenden Erscheinungsformen ergeben 61 Filios, Die Gefahrtragung beim Kauf im Rahmen des Synallagmas, S. 12; Cortesi, Die Kaufpreisgefahr, S. 33; a. A. wohl Ernst, Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, S. 77. 62 Ihering, in: Iherings Jahrbücher Band III, S. 464. 63 Ernst, Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, S. 78. 64 Filios, Die Gefahrtragung beim Kauf im Rahmen des Synallagmas, S. 12; Cortesi, Die Kaufpreisgefahr, S. 24; Ernst, Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, S. 75. 65 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, S. 423. 66 Vgl. Ernst, Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, S. 73, 75; dieser kommt daher zu dem Schluss, dass die verschiedenen Theorien womöglich gar keine abweichenden Begründungsansätze darstellen, sondern diese Unterschiedlichkeit lediglich auf unglücklicher Begriffswahl beruht, S. 78, 80. 67 Bucher, ZGS 1970/1, 283; Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 10.
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Erster Teil: Einführung und Grundlagen
sich Schwierigkeiten. Auf Kritik stößt auch, dass der Käufer nach dem Vertragsprinzip den Kaufpreis zahlen muss, obwohl er teilweise weder Besitz noch Eigentum an der Sache erhält.68 Dies lässt sich mit dem synallagmatischen Prinzip, welches den Kaufvertrag prägt, nicht in Einklang bringen.69 Die Regel periculum est emptoris aus dem klassischen Recht blieb auch im Lauf der Geschichte einflussreiches Vorbild oder zumindest Ausgangspunkt von Regelungen zur Gefahrtragung. Im oströmischen Corpus Iuris unter Justinian wurde die Konzeption im Wesentlichen übernommen, wenn auch das Gleichgewicht des klassischen Rechts zwischen den Vertragsparteien verschoben wurde, weil die verschuldensunabhängige Haftung des Verkäufers für den Untergang der Sache durch das Erfordernis des subjektiven Verschuldens ersetzt wurde.70 Diese Fassung der Gefahrtragungsregeln im Corpus Iuris war für die Entwicklung der kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen entscheidend.71 In der mittelalterlichen Rechtswissenschaft wurden die Gefahrtragungsregeln des Corpus Iuris übernommen und systematisiert.72 Erstmals setzten die Juristen sich ausdrücklich mit der Problematik des Beschaffungsrisikos, mithin der Leistungsgefahr, auseinander, was wohl an der Loslösung vom Stückschuldcharakter des römischen Rechts lag.73 Bei den etwas später aufkommenden Naturrechtsdenkern74 fand eine kritische Auseinandersetzung mit der frühen Gefahrtragung durch den Käufer im römischen Recht statt und die Gefahrtragungsregeln wurden am Rechtsprinzip res perit domino75 ausgerichtet.76 Danach soll der Käufer die Gefahr erst ab Erlangung der Eigentümerstellung tragen.77 Es kommt dann natürlich stark darauf an, welche Erfordernisse für die Übereignung einer Sache aufgestellt werden. Erwirbt der Käufer schon mit dem Vertragsschluss das Eigentum an der Sache,78 so ergibt sich rein praktisch kein Unterschied zum Prinzip periculum est emptoris. Der Unterschied zur römisch-rechtlichen Gefahrverteilung zeigt sich nur bei aufgeschobenem Eigen68 Filios, Die Gefahrtragung beim Kauf im Rahmen des Synallagmas, S. 20. 69 Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerika-
nischen und im UN‑Kaufrecht S. 10; Filios, Die Gefahrtragung beim Kauf im Rahmen des Synallagmas, S. 20; dieses synallagmatische Prinzip existierte im klassischen Recht aber noch nicht als dogmatische Kategorie, siehe Bauer, Periculum emptoris, S. 253. 70 Bauer, Periculum emptoris, S. 255. 71 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 39. 72 Bauer, Periculum emptoris, S. 257. 73 Bauer, Periculum emptoris, S. 98, 99, 257. 74 Etwa Grotius, De iure belli ac pacis. 75 Beim Prinzip des res perit domino handelt es sich entwicklungsgeschichtlich nicht um eine Regel, die zur Bestimmung des Gefahrübergangs herangezogen wurde; der ursprüngliche Anwendungsbereich betraf den Untergang der Pfandsache beim Gläubiger, vgl. Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 67. 76 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 40. 77 Grotius, De iure belli ac pacis, Buch II, Kap. XII, XV, 1. 78 So Grotius, De iure belli ac pacis, Buch II, Kap. XII, XV, 1.
§ 3 Grundlagen der Gefahrtragung
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tumsübergang.79 Allerdings wurde auch zu dieser Zeit schon die Gefahrtragung durch den Verkäufer bis zur Übergabe der Sache thematisiert.80 Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Prinzipien mündete letztlich in eine erstmalige Anknüpfung des Gefahrübergangs an die Übergabe der Sache. Von den neuzeitlichen Kodifikationen folgte erstmals das Preußische Allgemeine Landrecht diesem Traditionsprinzip.81 Dies wurde damit begründet, dass die klassisch römisch-rechtliche Regel gegen das von Naturrechtsdenkern herausgearbeitete Prinzip des casum sentit dominus verstoße, es mit dem synallagmatischen Charakter des Kaufvertrags unvereinbar und dem Käufer gegenüber mangels Vorkehrungsmöglichkeiten unbillig sei.82
II. Rechtsvergleichender Überblick über den Niederschlag verschiedener Prinzipien in neuzeitlichen Kodifikationen Schon aus der geschichtlichen Entwicklung werden somit die drei wesentlichen bisher für die Gefahrtragung herangezogenen Prinzipien deutlich. Daher soll eine kurze Betrachtung erfolgen, ob und in welcher Form diese Prinzipien auch in neuzeitlichen Kodifikationen noch Verwendung finden.
1. Periculum est emptoris Das schweizerische Obligationenrecht folgt immer noch dem Grundsatz periculum est emptoris, Art. 185 OR. Dies wird aber auch innerhalb der Schweiz zum Teil sehr kritisch gesehen.83 Insbesondere werden die Probleme bei der Bestimmbarkeit des Zeitpunktes, die mangelnde konsequente Durchführbarkeit und die damit notwendig verbundene Existenz vieler Ausnahmeregelungen sowie das Konfliktpotential über ein etwaiges Verschulden des Verkäufers als Kritikpunkte angeführt.84 Freilich gilt der Vertragsschluss nur für den Stückkauf als Zeitpunkt des Gefahrübergangs, Art. 185 I OR. Für den Gattungskauf wird auf das Ausscheiden der Ware oder – beim Versendungskauf – auf die Abgabe zur Versendung abgestellt, Art. 185 II OR. Zur Regelung des Art. 185 OR soll es aber nicht aufgrund der besonderen Eignung dieses Prinzips gekommen sein, sondern sie stellt letztlich einen Kompromiss dar, der sich aufgrund widerstreitender (landsmannschaftlicher) Interessen im Bundesstaat er79 Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 41, Rn. 23. 80 Grotius, De iure belli ac pacis, Buch II, Kap. XII, XV,
1. Römisches Privatrecht, § 41, Rn. 23. 82 Dernburg, Lehrbuch des Preußischen Privatrechts und der Privatrechtsnormen des Reichs, Zweiter Band, S. 361, 362; vgl. in der modernen Literatur auch Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 41, Rn. 19¸ Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 41. 83 Vgl. hierzu nur schweizerisches Bundesgericht 18.4.1958, BGE 84 II, 158; Bucher, ZGS 1970/1, 282, 294; Cortesi, Die Kaufpreisgefahr, S. 179. 84 Bucher, ZGS 1970/1, 283 f. 81 Kaser/Knütel,
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Erster Teil: Einführung und Grundlagen
gab.85 Da man dem deutschen Traditionsprinzip schon bei der Übereignung folgte, ließ man die Gefahr beim Stückkauf in Anlehnung an französische Vorstellungen bereits mit Vertragsschluss übergehen.86 Auch im deutschen Recht folgen einzelne Vorschriften dem Prinzip periculum est emptoris. So geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung beim Erbschaftskauf gem. § 2380 BGB bereits mit Vertragsschluss auf den Erwerber über. Auch bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks trägt der Erwerber bereits mit Zuschlag die Gefahr, § 56 ZVG.
2. Res perit domino Im französischen Code civil verwirklichte man dagegen das auf die Naturrechtsdenker zurückgehende Prinzip res perit domino, Art. 1138 Cc. Da durch Art. 1583 Cc das Konsensualprinzip verwirklicht wird, dem Kaufvertrag also eigentumsübertragende Kraft zukommt, beschränkt sich beim Stückkauf der praktische Unterschied zum römisch-rechtlichen Prinzip auf Fälle mit vereinbartem aufgeschobenem Eigentumsübergang. Beim Gattungskauf stößt dieses Prinzip freilich an Grenzen. Obwohl eine nicht individualisierte Sache nicht übereignet werden kann, fehlt eine ausdrückliche Regelung im Code civil. In der französischen Rechtsprechung und Literatur indes besteht Einigkeit hinsichtlich des Erfordernisses der Individualisierung, wenn auch in Detailfragen Unsicherheiten bestehen.87 Auch das englische Recht (Sect. 20 (1) SGA) und der amerikanische Uniform Sales Act (Sect. 22) lassen die Gefahr mit dem Eigentum auf den Käufer übergehen, was grundsätzlich mit dem Vertragsschluss erfolgt.88 Allerdings wurde der amerikanische Uniform Sales Act mittlerweile durch den Uniform Commercial Code ersetzt.
3. Traditionsprinzip Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der amerikanische Uniform Commercial Code, welcher zum Ziel hatte, moderne Handelstransaktionen zu regeln,89 in den §§ 2-509 und 2-510 UCC die Gefahrtragung unabhängig von 85 Vgl.
hierzu die teils auch verschiedenen Ausführungen bei Bucher, ZGS 1970/1, 289; sowie Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 56. 86 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 56. 87 Mit vielen Nachweisen Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 45; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 10. 88 Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 8 f.; umfassend Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 14 ff., mit Nachweisen zur Kritik der englischen Literatur bezüglich des Festhaltens am Eigentumsprinzip S. 12. 89 Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 56.
§ 3 Grundlagen der Gefahrtragung
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der Eigentumsübertragung regelt und stattdessen dem Traditionsprinzip folgt. Dem Traditionsprinzip folgen auch das österreichische ABGB,90 das deutsche BGB sowie das UN‑Kaufrecht und auch schon dessen Vorläufer, das Haager Einheitliche Kaufgesetz (EKG).
III. Anforderungen an moderne Gefahrtragungsregeln Aus dem rechtsgeschichtlichem und rechtsvergleichendem Überblick lassen sich als Anknüpfungspunkt für die Festlegung des Gefahrübergangs im Wesentlichen drei Zeitpunkte herausstellen: der Vertragsschluss zwischen den Parteien, die Übertragung des Eigentums an der Kaufsache sowie die Übergabe der Kaufsache. Für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses könnte eine dadurch möglichst zügig zu erreichende Abwicklung des Geschäfts sprechen.91 So wurde angeführt, der frühe Übergang der Gefahr sei letztlich der Preis für die „Faulheit“ des Käufers, die Sache an sich zu nehmen, was letztlich eine Art Obliegenheit sei.92 Einer solchen Argumentation kann eine gewisse Anlehnung an die Verschuldenstheorie Iherings nicht abgesprochen werden.93 Diese Überlegungen scheinen aber gerade für eine Kodifikationsbemühung, welche ein größeres Territorium abdeckt, möglicherweise mehrere Staaten umfassen soll, ungeeignet. Die größere räumliche Distanz führt für die Vertragsparteien zu einer Unzumutbarkeit, jedes Geschäft sofort abzuwickeln. Dies ist im internationalen Handel nicht denkbar. Jedenfalls für das CISG und auch den GEK‑Vorschlag sollte somit eine solche Gefahrtragungsregel nicht in Betracht gezogen werden, da so eine ausgeglichene Verteilung der Interessen undenkbar erscheint. Durch die Knüpfung der Gefahrtragung an den Eigentumsübergang wird dem Prinzip res perit domino gefolgt. Hieran wird kritisiert, dass auf eine an sachlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Regelung verzichtet wird und Eigentumsübergang und Gefahrübergang sachlich ganz unterschiedliche Problembereiche regeln.94 Die Eigentumsfrage spielt nämlich zwischen den Parteien eine untergeordnete Rolle und betrifft eher Dritte bei der Frage nach Kreditsicherungsrechten,95 wohingegen die Frage der Gefahrtragung nur inter partes Probleme aufwirft und zu Regelungsbedarf führt.96 Ein erstaunliches Ergebnis er90 Mit den Nachweisen zur insoweit h. A. in der Literatur und der Judikatur vgl. nur Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 65, 66; Rabl selbst äußert sich hingegen zweifelnd ob einer solchen Grundsatzentscheidung, vgl. Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 67 ff., 424. 91 von Hoffmann, Passing of Risk, S. 270. 92 Giger, Berner Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht VI, 2/1, Art. 185 Rn. 24; von Hoffmann, Passing of Risk, S. 270. 93 Siehe zur Verschuldenstheorie Iherings die Ausführungen bei § 3 I. 94 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 67. 95 Wieling, AcP 169 (1969), 154. 96 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 67.
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Erster Teil: Einführung und Grundlagen
gäbe sich auch im Falle des Eigentumsvorbehalts. Solche Abwicklungsformen werden regelmäßig gewählt, um dem Käufer die Finanzierung zu ermöglichen. In diesem Fall wäre aber nun der Verkäufer unverhältnismäßig lange mit der Gefahr belastet. Ungeeignet ist eine Bewirkung des Gefahrübergangs durch die Übertragung des Eigentums auch, soweit Regelwerke den Eigentumsübergang ausdrücklich nicht regeln. Das UN‑Kaufrecht und das Gemeinsame Europäische Kaufrecht regeln die Übertragung des Eigentums nicht. Würde der Gefahrübergang sich nun nach dem Eigentumsübergang richten, wäre eine einheitliche Bestimmung des Gefahrübergangs gar nicht denkbar. Der Gefahrübergang würde sich dann aus dem autonomen Recht ergeben. Den Gefahrübergang an die tatsächliche Inbesitznahme durch den Käufer zu knüpfen, erscheint geeigneter. Zum einen spricht die bessere Beweisbarkeit des Zeitpunktes hierfür. Die Transparenz eines Zeitpunktes sollte ein wichtiges Kriterium für die Bestimmung des Zeitpunktes darstellen. Denn hierdurch lassen sich Streitigkeiten vermeiden oder zumindest verkürzen, was letztlich auch im Interesse der Parteien liegt. Zum anderen spricht der synallagmatische Charakter des Kaufvertrags für eine Anknüpfung an die Sachherrschaft. Da die Eigentumsübertragung vor allem im Verhältnis des Käufers zu Dritten eine Rolle spielt,97 lässt sich inter partes mit Verschaffung der Sachherrschaft von Erfüllung sprechen, so dass durch das Traditionsprinzip dem vertraglichen Synallagma Rechnung getragen wird.98 Es sprechen weitere Gründe für eine Verknüpfung von Gefahrübergang und physischer Kontrolle über die Ware. Der die tatsächliche Gewalt über eine Sache Ausübende kann Gefahren für den Bestand der Kaufsache besser einschätzen und daher auch entsprechende Vorkehrungen treffen. So lange der Verkäufer die Sache in seiner Gewalt hat, ist er der Einzige, der Maßnahmen zum Schutz vor Untergang oder Beschädigung treffen kann. Wird die Ware letztlich doch beschädigt, so besteht eine gewisse Vermutung für eine entsprechende Nachlässigkeit bei der Schadensvermeidung.99 Geht man von einem Gefahrübergang zu einem Zeitpunkt aus, zu dem der Verkäufer die Sache noch in seinem Herrschaftsbereich hat, und wird der Käufer im Falle des Untergangs oder der Beschädigung der Ware durch den Verkäufer zur Zahlung aufgefordert, so wird er häufig behaupten, dass der Schaden durch Nachlässigkeit auf Verkäuferseite entstanden sei. Insofern steigt durch einen Gefahrübergang vor der tatsächlichen Besitzübertragung das Konfliktpotential, während es umgekehrt durch einen späteren Gefahrübergang abnimmt.100 Weiterhin ist zu bedenken, dass in der Praxis häufig versucht wird, die Risiken einer Beschädigung, eines Untergangs oder eines Verlusts durch eine Versicherung abzufedern. Insofern ist entscheidend, welche Partei Versicherungen kostengüns97 Wieling, AcP 169 (1969), 154. 98 Hager, Die Gefahrtragung beim
Kauf, S. 69. Hoffmann, Passing of Risk, S. 269. 100 Vgl. von Hoffmann, Passing of Risk, S. 269. 99 von
§ 3 Grundlagen der Gefahrtragung
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tiger abschließen kann und für welche Partei es auch zumutbar erscheint, sich bezüglich der Abwicklung mit einem Versicherer auseinanderzusetzen.101 Es besteht auch ein Zusammenspiel zwischen einer eindeutigen Regelung, welche in einfacher Weise Klarheit über die Gefahrverteilung gibt, und der Versicherbarkeit. Denn wenn sich die Gefahrverteilung klar ergibt, erleichtert dies der gefahrbelasteten Partei den Versicherungsschutz.102 Eine besonders transparente Regelung und damit letztlich die Erlangung von Rechtsklarheit sollte aber auch, vom Kriterium des Versicherungsschutzes abgesehen, eine Anforderung sein, der sich moderne Kodifikationsbemühungen stellen. Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass sich die Praktikabilität einer Gefahrtragungsregelung vor allem aus der Klarheit und Transparenz der Regelung ergibt, welche in der Folge zur besseren Versicherbarkeit von Schäden führt und zur Streitvermeidung unter den Vertragsparteien beiträgt.
101 Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 10; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 16 ff., wonach aber die bessere Versicherungsmöglichkeit als Kriterium für die Gefahrverteilung umstritten sein soll; von Hoffmann, Passing of Risk, S. 269. 102 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 207.
Zweiter Teil
Leistungsgefahr und Preisgefahr § 4 Bedeutung von Leistungsgefahr und Preisgefahr Befasst man sich rechtsvergleichend mit dem Thema der Gefahrtragung, so fällt aus Sicht eines durch die deutsche Rechtsdogmatik geprägten Juristen zunächst die Unterscheidung der Rechtsinstitute Leistungs- bzw. Sachgefahr einerseits und Gegenleistungs- bzw. Preisgefahr andererseits auf, welche aber im internationalen Vergleich keineswegs zwingend ist.1 Die Sachgefahr wird auch als Leistungsgefahr bezeichnet, die Preisgefahr als Gegenleistungsgefahr.2 Rechtsvergleichend ist zudem zu beachten, dass der Begriff der Sachgefahr schon im deutschsprachigen Raum unterschiedlich und nur in Deutschland synonym zur Leistungsgefahr verstanden wird.3 In Österreich regelt der Begriff der Sachgefahr die Frage, „wer unabhängig von einer vertraglichen Bindung den wirtschaftlichen Nachteil trägt, der durch eine Schädigung oder Zerstörung der Sache im weitesten Sinne entsteht“,4 was gemäß dem Prinzip casum sentit dominus dann der Eigentümer einer Sache ist.
I. Leistungs-/Sachgefahr Beim Kaufvertrag ist, wie auch bei den anderen gegenseitigen Verträgen, zwischen Sach- und Preisgefahr zu unterscheiden.5 Als Sachgefahr bezeichnet man das Risiko, dass die Erbringung der Sachleistung unmöglich wird.6 Es geht um die Regelung der Frage, ob bei einer durch ein zufälliges Leistungshindernis auftretenden Erschwerung der Leistung des Sachschuldners dieser den Mehraufwand zu erbringen hat oder der Gläubiger sein Forderungsrecht verliert und der Schuldner damit von seiner Leistungspflicht befreit wird.7 Trägt 1 So unterscheiden bspw. das UN‑Kaufrecht und das englische Recht nicht zwischen Leistungs- und Gegenleistungsgefahr, vgl. Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 1; zum UN‑Kaufrecht siehe sogleich. 2 Vgl. nur Hüffer, JuS 1988, 123. 3 Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 5, 6. 4 Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 4. 5 Hüffer, JuS 1988, 123. 6 Reinicke/Tiedtke, Rn. 148. 7 MünchKomm/Ernst, § 275, Rn. 25; Lorenz, AcP 212 (2012), S. 821.
§ 4 Bedeutung von Leistungsgefahr und Preisgefahr
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der Verkäufer noch die Leistungsgefahr, bedeutet dies für ihn, dass er die Leistungshandlung bis zum Eintritt des Leistungserfolgs wiederholen muss.8 Da noch keine Unmöglichkeit der Erbringung des Leistungserfolgs vorliegt, muss der Verkäufer eine neue Sache aufwenden oder auftreiben, selbst wenn eine zur Erfüllung taugliche Sache untergegangen ist oder beschädigt wurde. Da eine solche Beschaffungspflicht nur beim Gattungskauf in Frage kommt, spielt die Leistungsgefahr hier eine entscheidende Rolle.9 Komplexer ist die Situation beim Stückkauf. Hier ist zu differenzieren. Liegen Beschädigungen an der Sache vor, so hat der Verkäufer bis zur Schwelle eines gänzlichen Ausschlusses der Leistungspflicht Mehranstrengungen bspw. in Form von Reparaturen zu erbringen. Dies gilt zumindest in Regelwerken, die eine Mängelgewährleistung bzw. einen Nacherfüllungsanspruch vorsehen. Denn der Verkäufer hat dann mangels gänzlichen Ausschlusses der Leistungspflicht weiterhin die Leistung zu erbringen und im Rahmen der Mängelrechte den Nacherfüllungsanspruch zu erfüllen. Liegen irreparable Beschädigungen vor, ist aber der Anspruch des Gläubigers auf die Leistung noch nicht ausgeschlossen, so trägt der Verkäufer auch hier die Gefahr von Mehranstrengungen, wenn man im Falle des Kaufs austauschbarer Sachen das Recht bzw. die Möglichkeit einer Ersatzlieferung mit einer gleichartigen und gleichwertigen Sache annimmt10. In diesen Fällen ergibt sich insoweit kein Unterschied zum Gattungskauf. Anders ist hingegen die Rechtslage im Falle des Sachuntergangs des Leistungsobjektes beim echten Spezieskauf, bei dem die Erfüllung tatsächlich auf diese eine Sache beschränkt ist. Eine anderweitige Beschaffung ist hier logisch und begrifflich undenkbar. Ebenso ist es zu beurteilen, wenn nach Konkretisierung einer Gattungszu einer Stückschuld das Leistungsobjekt untergeht und der Leistungsanspruch des Gläubigers erlischt. Da der Käufer seinen Anspruch auf die Sache verliert, bedeutet die Tragung der Sachgefahr für ihn, dass er den Gegenstand, über den er einen Kaufvertrag geschlossen hat, nicht erhält. Hierbei ist klarzustellen, dass auch die Ausgestaltung der Mängelrechte mit etwaigem Anspruch auf Ersatzlieferung bei vertretbaren Sachen an diesem Befund nichts ändert. Denn diese werden überhaupt nicht relevant, da es mangels Leistungspflicht nie zur Übergabe einer mangelhaften Sache und damit zur Anwendbarkeit der kaufrechtlichen Gewährleistung kommt. Da beim Stückkauf eine Beschaffungspflicht, d. h. eine Wiederholung der Leistungshandlung nach dem Untergang der Sache nicht denkbar ist, trägt der Verkäufer keine Sachgefahr im kaufrechtlichen Sinn. Der Käufer trägt die Leistungsgefahr für die Fälle des Untergangs des Leis8 Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 1. 9 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 225; Al-Debʾi,
Überseekauf und Abladegeschäft, S. 76. 10 So zum deutschen Recht große Teile der Rspr. und der Literatur; vgl. nur BGH 07.06.2006, NJW 2006, 2839; MünchKomm/Westermann, § 439, Rn. 12 m. w. N.; anders hier dagegen zum UN‑Kaufrecht vgl. MünchKomm/P. Huber, Art. 46, Rn. 38.
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Zweiter Teil: Leistungsgefahr und Preisgefahr
tungsobjektes hier also letztendlich bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Daher kann man beim Stückkauf streng genommen nicht von einem Übergang auf den Käufer im eigentlichen Sinn sprechen. Zusammengefasst kann damit von einer zwischen Schuldner und Gläubiger geteilten Leistungsgefahr gesprochen werden, indem bis zur Grenze des Ausschlusses der Leistungspflicht der Schuldner und anschließend der Gläubiger die Gefahr trägt.11
II. Gegenleistungs-/Preisgefahr 1. Begriff der Preisgefahr Die Preisgefahr beschäftigt sich mit der Frage des Einflusses der Unmöglichkeit der Sachleistung auf die Verpflichtung des Vertragspartners zur Erbringung der Gegenleistung; im Kaufrecht also die Verpflichtung des Käufers, den Kaufpreis zu bezahlen.12 Trägt der Verkäufer die Preisgefahr, so versteht man darunter das Risiko, dass er nicht nur den Leistungsgegenstand verliert, sondern wirtschaftlich gesehen auch das Surrogat der Gegenleistung.13 Geht die Gefahr auf den Käufer über und trägt er die Preisgefahr, so besteht für ihn das Risiko, den Kaufpreis zu bezahlen, obwohl er die Sache gar nicht oder zumindest nicht unbeschädigt erhält.
2. Umfang der vom Begriff der Preisgefahr erfassten Risiken a) Meinungsstand zum Umfang der von der Preisgefahr erfassten Risiken in den Regelwerken Der genaue Umfang der vom Gefahrtragungsbegriff erfassten Risiken stand bei den Arbeiten zum CISG nicht im Mittelpunkt.14 Einig ist man sich darüber, dass der zufällige Untergang und die zufällige Beschädigung erfasst sind sowie die Gleichstellung von Diebstahl, Vandalismus, Notentladungen oder Fehlern des Transporteurs.15 Umstritten ist, ob auch hoheitliche Eingriffe in den Bestand oder die Handelbarkeit der Ware nach dem CISG über das Institut der Gefahrtragung zu lösen sind. Einige sehen die Risiken einer Beschlagnahme der Waren oder eines Export- oder Importverbots von Art. 66 ff. CISG erfasst.16 So 11 So zum deutschen Recht MünchKomm/Ernst, 12 Reinicke/Tiedtke, Rn. 147.
§ 275, Rn. 26.
13 Staudinger/Otto, Neubearb. 2009, § 326, Rn. A 8. 14 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 66,
Rn. 3. Art. 66, Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 66, Rn. 5; Staudinger/Magnus, Art. 66, Rn. 6 m. w. N. 16 Schiedsgericht der ungarischen IHK 10.12.1996, CISG-online 774; MünchKomm/P. Huber, Art. 66, Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 66, Rn. 6; Schlechtriem/Schwen15 MünchKomm/P. Huber,
§ 4 Bedeutung von Leistungsgefahr und Preisgefahr
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hat ein ungarisches Schiedsgericht das von der UN gegen das ehemalige Yugoslawien verhängte Embargo als einen Akt höherer Gewalt betrachtet, der zu Lasten desjenigen ging, der die Gefahr nach Art. 67 CISG trug.17 Eine Vielzahl an Stimmen sieht hoheitliche Eingriffe nicht von den Gefahrtragungsnormen erfasst und bezieht nur faktische Sachbeeinträchtigungen mit ein.18 Die Folgen solcher Eingriffe von außen in den Vertrag müssten dann auf andere Weise als über die Normen der Gefahrtragung auf die Parteien verteilt werden. Zum exakten Umfang des Gefahrbegriffs im GEK‑Vorschlag lassen sich keine weiteren Hinweise finden als die beinahe Wortgleichheit der Vorschriften des Art. 140 GEK‑Vorschlags und des Art. 66 CISG. So besteht auch hier Einigkeit, dass dem Untergang oder der Beschädigung ein sonstiger Verlust der Ware, etwa wegen eines Diebstahls oder eines Fehlers des Transporteurs, gleichzustellen ist.19 Erhält der Käufer die Ware infolge einer hoheitlichen Maßnahme wie einer Beschlagnahme nicht, wird vorgeschlagen, diese Problematik vorrangig den Regelungen des Vertrags zu entnehmen, möglicherweise im Wege ergänzender Vertragsauslegung, andernfalls auch das Risiko solcher Hoheitsakte über die Regeln der Preisgefahr zu verteilen.20 Der Gefahrbegriff der Incoterms soll auch nicht physische Einflussfaktoren auf die Sache, wie eine Beschlagnahme oder die grundsätzliche Unmöglichkeit der Verschaffung des Besitzes durch den Verkäufer, erfassen.21 Die Beschaffung von Einfuhr- und Ausfuhrgenehmigungen wird nicht durch die Bestimmungen zum Gefahrübergang geregelt, sondern die Incoterms 2010 weisen diese Risiken einer Partei zu, vgl. B 2 der jeweiligen Klauseln.22 Dabei ist die Beschaffung grundsätzlich dem Käufer auf eigene Gefahr zugewiesen, der Verkäufer hat den Käufer hierbei lediglich zu unterstützen, wobei auch dies auf dessen Gefahr hin geschieht. Lediglich im Rahmen der DDP‑Klausel ist die Beschaffung dem Verkäufer zugewiesen, wobei der Käufer den Verkäufer auf dessen Verlangen hin zu unterstützen hat. Man verteilt also das Risiko eines Export-/Importverbots, das aufgrund einer fehlenden Genehmigung erlassen wurde, nicht unmittelbar über die Regelung zer/Hachem, Art. 66, Rn. 7, 8; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 66 CISG, Rn. 5; U. Huber, RabelsZ 43 (1979), 501; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 66, Rn. 4; Soergel/Lüderitz/ Budzikiewicz, Art. 66, Rn. 3; auch schon Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 2. Band, S. 307. 17 Schiedsgericht der ungarischen IHK 10.12.1996, CISG-online 774. 18 So noch Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 66, Rn. 4; BeckOK BGB/Saenger, Art. 66, Rn. 2; MünchKommHGB/Benicke, Art. 66, Rn. 4; Piltz, Internationales Kaufrecht, § 4, Rn. 186; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 253; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 15; Schlechtriem/Butler, UN Law on International Sales, Rn. 223. 19 Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 141; Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 470; wohl auch Schulze/Zoll/Watson, Art. 140, Rn. 6. 20 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 470, 471. 21 Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 10,11. 22 Piltz/Bredow, Incoterms, F-352.
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Zweiter Teil: Leistungsgefahr und Preisgefahr
zum Gefahrübergang, sondern weist es einer Partei (außer bei Verwendung der DDP‑Klausel stets dem Käufer) direkt zu. Bei E-, F- und C‑Klauseln würde durch den bereits vor dem Transport liegenden Gefahrübergang, aber auch nach den Regeln zum Gefahrübergang, meist der Käufer mit der Gefahr belastet. Bei den D‑Klauseln, in denen das Risiko derartiger Einflüsse aufgrund ihrer Eigenschaft als Ankunftsverträge hauptsächlich im Gefahrenbereich des Verkäufers liegen würde,23 ist zudem geregelt, dass im Falle der Nichtbeschaffung solcher Genehmigungen die Gefahr infolge einer Säumnis des Käufers auf diesen übergeht, vgl. B 5.24 Im deutschen Recht wird die Gefahr des Untergangs wirtschaftlich verstanden, so dass von einem Untergang auszugehen ist, wenn die Ware für den Käufer nicht nutzbar ist, also bei physischer Zerstörung, aber auch Diebstahl oder Beschlagnahme.25
b) Bewertung Bei der Frage, wie die Last hoheitlicher Eingriffe zu verteilen ist und ob dies anhand der Gefahrtragungsregeln zu erfolgen hat, gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Teilweise wird die Erfassung hoheitlicher Eingriffe abgelehnt und eine Risikozuweisung an denjenigen befürwortet, der den besseren Zutritt zur erlassenden Hoheitsstelle hat.26 Man könnte die Problematik hoheitlicher Eingriffe auch differenzierend lösen und nicht pauschal festlegen, ob hoheitliche Eingriffe dem Regime der Gefahrtragung zuzuschlagen sind. Hiernach könnte man bei beschlagnahmter Ware beispielsweise danach fragen, ob sich durch die Beschlagnahme ein spezifisches Risiko der Transportgefahr realisiert, und falls man dies bejaht, die Beschlagnahme auch den Regeln zum Gefahrübergang unterstellen.27 Eine Entscheidung der Frage hat sich an den Kriterien zu orientieren, die den Gefahrtragungsregeln im Sinne der Erzielung eines gerechten Interessenausgleichs zugrunde liegen. Bei der Verteilung zufälliger Risiken sind diese Kriterien in besonderem Maße zu achten. Am Traditionsprinzip ausgerichtete Gefahrtragungsregeln orientieren sich stark am Prinzip der Gefahrbeherrschung, so dass Beschlagnahmen, die grundsätzlich von der Sachherrschaft völlig unabhängig sind, eigentlich nicht der typischen Regelungsmaterie entsprechen.28 Auch die Versicherbarkeit der Ware ist hiermit verbunden, gegen 23 Der Gefahrübergang findet hier erst 24 Hierzu eingehend unten § 13 III.3.
am Ankunftsort statt.
25 Anders hinsichtlich der Beschlagnahme noch RG 23.11.1922, RGZ 106, 16; so aber dann RG 16.10.1926, RGZ 114, 405; ebenfalls Staudinger/Beckmann, § 446, Rn. 34; MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 11; Palandt/Weidenkaff, § 446, Rn. 6; Beitzke, MDR 1947, 281. 26 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 252. 27 Vgl. RG 16.10.1926, RGZ 114, 407; BGH 05.12.1990, NJW 1991, 915; Wertenbruch, JuS 2003, 632; a. A. diesbezüglich Beitzke, MDR 1947, 282, wonach die allgemeine Beschlagnahme generell dem Gefahrbegriff zugeordnet ist. 28 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 252.
§ 4 Bedeutung von Leistungsgefahr und Preisgefahr
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die Risiken einer Beschlagnahme besteht aber meist keine Möglichkeit der Erlangung eines Versicherungsschutzes.29 Soweit möglich sollte daher für eine Zuweisung der Risiken eines hoheitlichen Eingriffs die Parteivereinbarung geachtet und notfalls ergänzend ausgelegt werden.30 Die Regelungen der Incoterms sind hier interessengerecht. Allerdings werden auch nur die Beschaffung und das diesbezügliche Risiko von Aus- und Einfuhrgenehmigungen, Zollformalitäten und anderen behördlichen Genehmigungen in den Klauseln geregelt. Das von den Gefahrtragungsregelungen der Incoterms erfasste Risiko von Beschlagnahmen, die aus anderen Gründen als den genannten fehlenden Genehmigungen resultieren, ist ebenfalls nicht ausdrücklich einer Partei zugewiesen. Falls sich aus der vertraglichen Vereinbarung der von den Parteien bei Kenntnis der Sachlage vorliegende Wille und die typischerweise vorgenommene Risikozuweisung nicht ermitteln lassen, sollte man jedoch die Regelungen des Gefahrübergangs verwenden.31 Hoheitliche Eingriffe, die nicht aus objektiven Gründen, sondern aus besonderem Anlass gegen eine bestimmte Person vorgenommen werden, sollten den Regeln des Gefahrübergangs jedoch nicht unterfallen.32 Die Gefahr sollte dann konsequenterweise von der jeweils betroffenen Person zu tragen sein, da sich hier kein Risiko eines zufälligen Untergangs der Ware realisiert. Vielmehr kann man darüber diskutieren, ein „Vertretenmüssen“ der jeweiligen Person anzunehmen und derartige Gefahren nicht als „zufällig“ zu betrachten.
III. Verhältnis von Preisgefahr und Leistungsgefahr Da sich die Preisgefahr mit der Frage beschäftigt, ob der Käufer die Gegenleistung schuldet, obwohl er die Leistung vom Verkäufer nicht erhält, ist die Tragung der Leistungsgefahr durch den Käufer die notwendige Voraussetzung für den Übergang der Preisgefahr.33 Aus diesem Verhältnis von Leistungs- und Gegenleistungsgefahr resultiert, dass die Leistungsgefahr spätestens mit der Preisgefahr auf den Käufer über29 Schlechtriem/Butler, UN Law on International Sales, Rn. 223; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 15; so auch Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 66, Rn. 4. Das wird zwar auch in der neueren Auflage so gesehen, inzwischen soll die fehlende Versicherbarkeit aber kein entscheidendes Kriterium mehr sein, vgl. Schlechtriem/ Schwenzer/Hachem, Art. 66, Rn. 7. 30 So auch BeckOK BGB/Saenger, Art. 66, Rn. 2; MünchKommHGB/Benicke, Art. 66, Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 66, Rn. 4; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 15. 31 So wohl auch Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 470. 32 So auch Beitzke, MDR 1947, 283. 33 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 225; Al-Debʾi, Überseekauf und Abladegeschäft, S. 75; Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 424.
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Zweiter Teil: Leistungsgefahr und Preisgefahr
geht und lediglich ein früherer Übergang denkbar ist.34 Möglich ist somit, dass die Beschaffungspflicht des Verkäufers endet, also die Leistungsgefahr auf den Käufer übergeht, und erst zu einem späteren Zeitpunkt, welcher separat von der Leistungsgefahr geregelt ist, die Preisgefahr auf den Käufer übergeht. So kann der Verkäufer einer Gattungssache durch Erfüllung seiner Verpflichtung, bspw. durch Konkretisierung, von seiner Leistungspflicht freiwerden, der Käufer aber erst mit dem Zeitpunkt der Übergabe die Preisgefahr aufgebürdet bekommen. Geht die Ware vor der Übergabe unter, schuldet der Käufer keinen Kaufpreis, der Verkäufer jedoch auch keine weitere Leistungshandlung. Der letztmögliche Zeitpunkt des Übergangs der Leistungsgefahr fällt mit dem Übergang der Preisgefahr zusammen. Dies ist der Fall, wenn das Ende der Beschaffungspflicht des Verkäufers an die gleiche vorzunehmende Handlung geknüpft ist wie der Übergang der Preisgefahr. Undenkbar ist es, dass die Leistungsgefahr nach der Preisgefahr übergeht. Denn solange noch eine Beschaffungspflicht besteht, kann die Leistung nicht unmöglich geworden sein. Da folglich der Verkäufer noch zur Sachleistung verpflichtet ist, läuft der Käufer nicht Gefahr, den Kaufpreis zu zahlen, ohne eine Gegenleistung dafür zu erhalten. Wäre der Verkäufer bis zu einem späteren Zeitpunkt als dem des Übergangs der Preisgefahr verpflichtet, die Waren zu beschaffen, so würde die Vorschrift über den Übergang der Preisgefahr konterkariert. Sie liefe letztlich leer, da auch bei einem Untergang einer erfüllungstauglichen Sache nach dem normierten Zeitpunkt des Preisgefahrübergangs der Käufer vom Verkäufer eine andere erfüllungstaugliche Sache erhielte.
§ 5 Die Regelung der Leistungsgefahr in den Regelwerken Im Folgenden soll untersucht werden, wie sich der Übergang der Leistungsgefahr in BGB, UN‑Kaufrecht und dem Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht vollzieht. Wie schon erwähnt, kann man von einem Übergang der Leistungsgefahr vom Verkäufer auf den Käufer nur sprechen, soweit es um Gattungsschulden geht. Bei Stückschulden realisiert sich die Leistungsgefahr mit dem Eintritt der jeweiligen Voraussetzungen der Unmöglichkeit beim Käufer. Auch bei Gattungsschulden sind nun aber, in Zusammenhang mit der Unmöglichkeit der Leistung, verschiedene Konstellationen zu unterscheiden: Geht die gesamte Gattung unter oder ein gesamter Vorrat, auf den die Schuld des Verkäufers beschränkt war, ergeben sich keine Unterschiede zur Stückschuld; die eigentliche Frage des Übergangs der Leistungsgefahr wird relevant, wenn eine
34 Hager,
Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 225.
§ 5 Die Regelung der Leistungsgefahr in den Regelwerken
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bestimmte Sache einer Gattung oder eines Vorrats untergeht, mit der der Verkäufer erfüllen wollte.35 Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Unmöglichkeit geregelt ist, ist hier nicht Untersuchungsgegenstand. Es geht um die Folgen des Untergangs oder der Beschädigung einer vom Verkäufer zur Erfüllung bestimmten Sache. Hier ist zu klären, ab welchem Zeitpunkt bei Gattungsschulden der Untergang der vom Verkäufer bestimmten Sache als Unmöglichkeit der Leistung zu qualifizieren und hierdurch die Reichweite der Beschaffungspflicht des Verkäufers festgelegt ist.
I. Ausdrückliche Regelung der Leistungsgefahr im BGB Auch wenn man es anhand der sprachlichen Fassung des BGB nicht erkennen kann, regelt das deutsche Recht sowohl Sachgefahr als auch Preisgefahr selbstständig und unabhängig voneinander. In den §§ 243 II, 300 II BGB ist das Ende der Beschaffungspflicht und damit der Übergang der Leistungsgefahr geregelt. Anhand des bloßen Wortlauts lässt sich dem BGB jedoch nicht entnehmen, um welchen der beiden Gefahrbegriffe es sich in den jeweiligen Gefahrtragungsnormen handeln soll. Teilweise wird behauptet, die fehlende terminologische Unterscheidbarkeit von Leistungs- und Gegenleistungsgefahr im BGB liege daran, dass der dahinter stehende begriffliche Unterschied bei Verabschiedung des BGB nicht erkannt wurde.36 Es scheint jedoch so, als habe man den Unterschied sehr wohl erkannt und bewusste Regelungen getroffen. Zunächst wurde nämlich daran gedacht, die Leistungsgefahr an den Übergang der Preisgefahr zu knüpfen.37 Die Beschaffungspflicht des Verkäufers würde also just in dem Moment enden, in dem auch der Käufer das Risiko der Kaufpreiszahlung ohne Erhalt einer Leistung übernimmt. Im Fortgang der Beratungen setzte sich dann aber die Fassung einer anderen Vorschrift durch, des heutigen § 243 II BGB. Denn eine Regelung, welche das Ende der Beschaffungspflicht ausdrücklich an den Übergang der Preisgefahr knüpft, kann bei einseitigen Verträgen nicht angewendet werden. Schließlich findet hier ein Übergang der Preisgefahr gerade nicht statt.38 Da dies das einzige Motiv für eine Abkehr von einer schon nach dem Wortlaut strengen Koppelung von Leistungs- und Preisgefahr im BGB war, könnte daraus aber geschlossen werden, dass man für einen Kaufvertrag weiterhin von einem Ende der Beschaffungs35 Bach/Stieber, 36 So zumindest
IHR 2006, 65, 66. Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 1. 37 So die Vorgängernorm des § 243 II BGB, § 214 E I, vgl. Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, § 243 A. I. 1. 38 Mugdan, Materialien zum BGB, S. 505, 506; Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, § 243 B. II. 2.; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 227.
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pflicht erst mit Übergang der Preisgefahr ausging.39 Genau diese Entstehungsgeschichte liefert Anlass für einen Streit über die Voraussetzungen der gem. § 243 II BGB erforderlichen Konkretisierung, der bis ins gemeine Recht zurückreicht.40
1. Die Leistungsgefahr folgt der Preisgefahr Dieses Ergebnis der entstehungsgeschichtlichen Untersuchung kann man zur Auslegung des § 243 II BGB heranziehen, zur Klärung der Frage, wann der Schuldner das „seinerseits Erforderliche getan“ hat und damit die Konkretisierung eingetreten ist. Erst dann wird die Gattungsschuld zur Stückschuld und der Untergang oder die Beschädigung der konkretisierten Sache führen dazu, dass der Gläubiger seinen Anspruch auf die Leistung verliert. Geht man von der Entstehungsgeschichte aus, könnte man nämlich nun annehmen, das „seinerseits Erforderliche“ sei mit der gleichen Handlung getan, die auch den Übergang der Preisgefahr bewirkt.41 Entsprechend den Motiven zur Schaffung des § 243 II BGB wurde also die weitere Koppelung der Leistungsgefahr an die Preisgefahr beim Kaufvertrag vertreten.42 Hierfür spricht v. a. die dann zwischen § 243 II BGB und § 300 II BGB mögliche klare Abgrenzung bzw. die eigenständige Bedeutung des § 300 II BGB.43 Kann der Gattungsschuldner wegen fehlender Mitwirkung des Gläubigers das seinerseits Erforderliche nicht tun und kann deshalb eine Konkretisierung nach § 243 II BGB nicht stattfinden, so greift § 300 II BGB ein und die Konkretisierung tritt ein, sobald der Gläubiger in Annahmeverzug gerät.44
2. Autonome Auslegung des § 243 II BGB Diese Ansicht wird von der heute h. M. allerdings nicht mehr geteilt.45 Zunächst ist jedoch zu bedenken, dass die vom Verkäufer vorzunehmende Leistungshandlung maßgeblich von der vereinbarten Art des Schuldverhältnisses bestimmt wird. Es kommt also darauf an, ob eine Holschuld, Bringschuld oder Schickschuld vereinbart wurde. Nur bei der Holschuld führen letztlich die An39 So
auch Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 227.
40 MünchKomm/Emmerich, § 243, Rn. 23. 41 Im deutschen Recht gem. §§ 446, 447 BGB der Übergabe der Sache an den Käufer oder
Beförderer bzw. der Eintritt des Gläubigerverzugs. 42 U. Huber, FS Ballerstedt, S. 330; von Caemmerer, JZ 1951, 744; vgl. ausführlich Ernst, GS Knobbe-Keuk, S. 80. 43 MünchKomm/Emmerich, § 243, Rn. 25. 44 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 227; von Caemmerer, JZ 1951, 744. 45 MünchKomm/Emmerich, § 243, Rn. 25 ff.; Fikentscher/Heinemann, Rn. 253, 255; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 25 II b); Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, AT, Rn. 205 f.; Westermann/Bydlinski/Weber, Rn. 3/8 ff.; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 291 ff.; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 224.
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sichten zu verschiedenen Ergebnissen. Bei der Bringschuld hat der Schuldner das seinerseits Erforderliche getan, wenn er die Ware tatsächlich am Sitz des Gläubigers angeboten hat. Die Schickschuld erfordert vom Schuldner eine Auslieferung an die Transportperson. Bei der Holschuld tritt die Konkretisierung mit der Aussonderung der Ware durch den Verkäufer und einer entsprechenden Unterrichtung an den Käufer ein. Bei der Holschuld wirkt sich daher die h. M. insofern aus, als der Übergang der Leistungsgefahr möglicherweise dem der Preisgefahr vorgelagert ist, wenn dem Käufer eine gewisse Abholfrist eingeräumt ist.46 Denn nach der h. M. tritt der Übergang sofort mit der Aussonderung und der Mitteilung ein. Nach der älteren Ansicht kommt es auf die Übergabe der Ware an, wobei der Käufer durch die Abholfrist die Ware erst entsprechend später übernehmen wird bzw. der Annahmeverzug erst nach dem Ende der Abholfrist eintritt. Bei der Bringschuld wirken sich die beiden unterschiedlichen Meinungen praktisch nicht aus. Zwar ist nach der herrschenden Auffassung ein Anbieten des Verkäufers am Wohnsitz des Käufers erforderlich,47 wohingegen die ältere Meinung eine Übergabe fordert. Sollte allerdings die Übergabe scheitern, wird dies an der fehlenden Mitwirkung des Käufers liegen, so dass auch die Leistungsgefahr ohnehin nach § 300 II BGB übergeht. Vereinbaren Käufer und Verkäufer eine Schickschuld, so findet der Übergang der Leistungsgefahr nach beiden Auslegungsmethoden statt, sobald der Verkäufer die Ware ordentlich abschickt.
3. Bewertung Zwar ist der älteren Auffassung darin zuzustimmen, dass der Anwendungsbereich des § 300 II BGB demnach größer wäre, jedoch decken sich auch nach der heute h. M. die Anwendungsbereiche von § 243 II BGB und § 300 II BGB nicht ganz. § 300 II BGB behält eine eigenständige Bedeutung, wenn der Gläubiger die Annahme im Voraus verweigert, der Schuldner dennoch ein wörtliches Angebot abgibt und die Ware aussondert.48 Zwar wäre bei einer Holschuld in dieser Konstellation durch die Aussonderung schon nach § 243 II BGB ein Übergang der Leistungsgefahr zu bejahen, jedoch nicht bei einer Bring- oder Schickschuld. In diesem Fall tritt also der Annahmeverzug schon vor der Konkretisierung und dem Gefahrübergang nach § 243 II BGB ein, so dass § 300 II BGB eine eigenständige Bedeutung behält.
46 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 229. 47 Vgl. statt vieler MünchKomm/Emmerich, § 243,
Rn. 26; Palandt/Grüneberg, § 243, Rn. 5. 48 Fikentscher/Heinemann, Rn. 253; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 25 II b).
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4. Kein Übergang der Leistungsgefahr bei mangelhafter Gattungsware? Eine weitere interessante Frage bezüglich der Leistungsgefahr stellt sich im deutschen Recht in Zusammenhang mit mangelhafter Gattungsware.49 Es geht um die Frage der Abwälzung der Leistungsgefahr vom Verkäufer auf den Käufer. Stimmen in der Literatur möchten für den Fall, dass dem Käufer bei einer der Gattung nach bestimmten Kaufsache mangelhafte Ware geliefert wird, keine Konkretisierung nach § 243 II BGB eintreten lassen, da es sich hierbei nicht um eine Sache „mittlerer Art und Güte“ handele.50 Der Auffassung ist in dieser Allgemeinheit nicht zuzustimmen, da sie Dinge vermischt. Richtigerweise ist zu differenzieren. Man sollte die Lieferung bzw. Annahme einer mangelhaften Sache durch den Käufer von dem Fall unterscheiden, dass der Verkäufer einseitig gem. § 243 BGB konkretisieren möchte. Würde man der genannten Auffassung folgen, ginge die Leistungsgefahr im Falle der Lieferung und Annahme mangelhafter Gattungsware noch nicht auf den Käufer über. Da aber ein Übergang der Leistungsgefahr Voraussetzung für den Übergang der Preisgefahr ist,51 könnte auch die Preisgefahr nicht auf den Käufer gem. § 446 S. 1 BGB übergehen. Problematisch ist dies vor allem in Zusammenhang mit der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten. Die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten müsste dem Käufer eigentlich verwehrt bleiben, da ein Gefahrübergang überhaupt nicht stattgefunden hat, somit die Sache auch nicht bei Gefahrübergang i. S. d. § 434 I BGB mangelhaft sein konnte. Dieses Dilemma möchte man dann offenbar durch den Kunstgriff der hypothetischen Übergabe bzw. einen fiktiven Gefahrübergang lösen.52 Dieser Auffassung tritt v. a. Ernst entgegen.53 Die Ansicht verkenne, dass § 243 II BGB ausschließlich die Frage regelt, wie der Verkäufer von sich aus, also ohne Zutun des Käufers, die Schuld auf eine Sache beschränken kann und somit die Leistungsgefahr übergehen lässt.54 Nimmt der Käufer jedoch eine ihm angebotene Sache als Erfüllung an, so tritt schon dadurch eine zwischen den Parteien einvernehmliche Konkretisierung ein, andere Ware kann der Käu49 Auf diese Problematik hinsichtlich der 50 So MünchKomm/Westermann, § 446,
Preisgefahr wird unter § 14 näher eingegangen. Rn. 9; dieses Problem wird sonst teilweise in Zusammenhang mit der fehlenden Konkretisierung als Voraussetzung für den Übergang der Preisgefahr nach § 446 S. 1 BGB erörtert, so Oetker/Maultzsch, § 2, Rn. 144; Fahl, DRiZ 2004, 58 ff.; es stellt sich meiner Einschätzung nach aber schon vorgelagert, als Voraussetzung dafür, dass überhaupt die Leistungsgefahr übergeht. Schließlich stellt dies eine Voraussetzung für die Frage nach der Preisgefahr dar. 51 Siehe § 4 III. 52 Fahl, DRiZ 2004, 62; Oetker/Maultzsch, § 2, Rn. 144; Huber, NJW 2002, 1005. 53 Ernst, FS Huber, S. 218 ff.; zum alten Schuldrecht wurde von Kirchhof, NJW 1970, 2053 und Köhler, JuS 1979, 499 vertreten, dass Konkretisierung auch mit mangelhafter Gattungsware möglich sei. 54 Ernst, FS Huber, S. 218.
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fer von da an nur noch im Wege der Ersatzleistung verlangen.55 Schließlich ist es dem Käufer auch unbenommen, die Annahme der Ware als Erfüllung zu verweigern und so den Übergang der Leistungsgefahr (und auch der Preisgefahr) abzuwehren. Ein Annahmeverzug, mit entsprechender Folge des Leistungs- und Preisgefahrübergangs gem. §§ 300 II, 446 S. 3 BGB, tritt aufgrund der Mangelhaftigkeit gerade nicht ein, vgl. § 294 BGB („so, wie sie zu bewirken ist“). Zustimmung verdient diese Argumentation gerade vor dem Hintergrund des Zusammenspiels von Leistungsgefahr, Preisgefahr und Sachmängelhaftung. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, dem Käufer einen Rückforderungsanspruch gem. §§ 326 IV, 346 BGB zuzubilligen, wenn die mangelhafte Sache lange nach Ablauf der Sachmängelfristen durch ein zufälliges Ereignis zerstört würde.56 Dies wäre möglich, da mit der Argumentation derer, die eine Konkretsisierung mittels mangelhafter Gattungssache ablehnen, weder die Leistungs- noch die Preisgefahr übergegangen ist und der Verkäufer somit weiterhin die Gefahr des zufälligen Untergangs trägt. Faktisch würden so, durch ein Berufen des Käufers auf die Mangelhaftigkeit der Kaufsache, gerade die Fristen für die Geltendmachung der Mängelrechte ausgehebelt.57 Daher ist der Auffassung beizupflichten, die die Leistungsgefahr auch im Falle der Annahme einer sachmängel behafteten Gattungssache auf den Käufer übergehen lässt. Hierfür spricht auch, dass eine Ablehnung des Übergangs der Leistungsgefahr bei Übergabe einer mangelhaften Gattungssache letztlich zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Gattungs- und Stückschuld beim Übergang der Preisgefahr führt. Anders ist der hiervon zu unterscheidende Fall der einseitigen Konkretisierung des Verkäufers gem. § 243 II BGB mittels einer mangelhaften Gattungssache zu bewerten. Hier ist der obigen Auffassung zuzustimmen und eine Konkretisierung abzulehnen. Denn es wäre nicht gerechtfertigt, wenn der Verkäufer durch Aussonderung der mangelhaften Ware an seinem Sitz bereits die Leistungsgefahr auf den Käufer abwälzen könnte und dieser damit seinen Erfüllungsanspruch verlöre. Der Verkäufer trägt hier also noch die Leistungsgefahr.
II. Regelwerke ohne ausdrückliche Regelung der Leistungsgefahr Im autonomen deutschen Recht findet eine Unterscheidung zwischen Preisund Leistungsgefahr im Gesetz statt. Lediglich auf den ersten Blick und anhand der synonym verwendeten Begrifflichkeit kann eine Unterscheidung zwischen den beiden Gefahrbegriffen Schwierigkeiten bereiten. Beim Blick in das UN‑Kaufrecht und den GEK‑Vorschlag fällt ebenfalls keine am Wortlaut der 55 Ernst, 56 Ernst,
FS Huber, S. 218. FS Huber, S. 219. 57 Ernst, FS Huber, S. 219.
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Normen festzumachende Differenzierung zwischen Leistungs- und Preisgefahr auf. Auch eine Definition des Gefahrbegriffs findet sich in beiden Regelwerken nicht. Wie man allerdings schon am Beispiel des deutschen Rechts sehen kann, sollte man daraus nicht voreilig schließen, dass diese nicht unterschiedlich geregelt werden. Der Gefahrübergang ist in Kapitel IV des Warenkaufteils des CISG geregelt. Hier normiert Art. 66 CISG jedoch, dass der Untergang oder die Beschädigung der Ware nach Übergang der Gefahr auf den Käufer diesen nicht von der Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises befreit. Damit wird deutlich, dass das UN‑Kaufrecht hier nur das Risiko der Kaufpreiszahlung, nämlich die Preisgefahr, regelt.58 Das UN‑Kaufrecht kennt als Gefahrtragungsbegriff also nur die Preisgefahr. Diesem Vorbild folgt auch der Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, vgl. Art. 140 GEK‑Vorschlag. Die Verbraucherrechte-RL trifft lediglich eine die Gefahrtragung betreffende Regelung, Art. 20 Verbraucherrechte-RL. Dies stellt eine Regelung für die Preisgefahr beim Versendungskauf dar. Eine unmittelbare Regelung der Leistungsgefahr findet sich daher auch hier nicht. Allerdings muss natürlich mittelbar auch im CISG und im GEK‑Vorschlag die Reichweite der Beschaffungspflicht des Verkäufers, mithin das aus deutscher Sicht als Leistungsgefahr bezeichnete Risiko, bestimmt werden. Jedoch kommen CISG und GEK‑Vorschlag mit einem Gefahrbegriff aus, dem der Preisgefahr. Eine mittelbare Regelung des Übergangs der Leistungsgefahr kann rechtssystematisch auf verschiedene Weise gelingen. Die Reichweite der Beschaffungspflicht könnte den vom Verkäufer zu unternehmenden Anstrengungen zu entnehmen sein, richtet sich also nach den Liefervorschriften im Pflichtenkatalog des Verkäufers.59 Der Verkäufer trägt also die Leistungsgefahr bis zur vollständigen Erfüllung seiner Lieferpflicht. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Leistungsgefahr an die Preisgefahr zu koppeln.60 Die Beschaffungspflicht des Verkäufers würde also erst enden, wenn der Käufer auch bereits das wirtschaftliche Risiko an der Sache trägt. Da der Übergang der Leistungsgefahr dem der Preisgefahr logischerweise vorgeschaltet und allenfalls noch ein gleichzeitiger Übergang denkbar ist, würde eine solche Koppelung der Leistungsgefahr an die Preisgefahr den letztmöglichen Zeitpunkt für den Übergang der Leistungsgefahr wählen.
58 Staudinger/Magnus, Vorbem zu Art. 66 ff. CISG, Rn. 1; MünchKomm/P. Huber, Art. 66 CISG, Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 66, Rn. 2; Art. 69, Rn. 10; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 1. 59 Vgl. zu dieser Möglichkeit Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 10. 60 Auch das österreichische Recht kennt keine ausdrückliche Regelung der Leistungsgefahr; als Fazit einer umfangreichen Untersuchung befürwortet Rabl für das österreichische Recht ebenfalls eine Koppelung der Leistungs- an die Preisgefahr, vgl. Rabl, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 388 ff., 433.
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1. Diskussion zur Leistungsgefahr im UN‑Kaufrecht Im UN‑Kaufrecht ist zunächst schon die Frage problematisch, ob es überhaupt die Unmöglichkeit eines Erfüllungsanspruchs gibt. Zwar soll hier nicht detailliert darauf eingegangen werden, eine ausdrückliche Regelung findet sich aber nicht für die Unmöglichkeit des Erfüllungsanspruchs. Der Regelung des Art. 79 I CISG kann dies jedenfalls nicht entnommen werden, da dieser ausweislich des Art. 79 V CISG auf Schadensersatzansprüche beschränkt ist.61 Auch wenn der rechtsdogmatische Weg uneinheitlich begründet wird, so ist man sich doch zumindest in der deutschsprachigen Literatur darüber einig, dass der Grundsatz impossibilium nulla est obligatio auch im UN‑Kaufrecht gilt und der Erfüllungsanspruch somit unmöglich werden kann.62 Dementsprechend ist dann auch in der deutschsprachigen Literatur stark umstritten, welcher dogmatischen Möglichkeit das UN‑Kaufrecht für die Regelung des Übergangs der Leistungsgefahr im Falle von Gattungsschulden folgt, welchen Vorschriften also die Reichweite der Beschaffungspflicht des Verkäufers zu entnehmen ist.
a) Koppelung der Leistungsgefahr an die Preisgefahr Ein Großteil der Literatur vertritt die Auffassung, dass die Leistungsgefahr der Preisgefahr folgt, d. h. dass sich der Übergang der Leistungsgefahr analog zu den Vorschriften der Preisgefahr vollzieht.63 Doch folgt dieser gleichzeitige Übergang von Leistungs- und Preisgefahr nicht ausdrücklich aus den Art. 66 ff. CISG, sondern er soll sich aus den Vorschriften zur Sachmängelhaftung ergeben. Gem. Art. 36 I CISG haftet der Verkäufer für jede Vertragswidrigkeit, die im Zeitpunkt des Übergangs der Preisgefahr auf den Käufer besteht. Hier wird wieder auf den in den Art. 66 ff. CISG geregelten Gefahrübergang Bezug genommen. Bis zu diesem Zeitpunkt des Gefahrübergangs muss der Verkäufer also für eine beschädigte Sache Ersatz beschaffen, vgl. Art. 46 II CISG. Wird die Sache nach dem sich aus den Art. 67 bis 69 CISG ergebenden Zeitpunkt beschädigt, muss der Verkäufer die Sache nicht mehr ersetzen, trägt also die Leistungsgefahr nicht mehr.64 Das Einstehen des Verkäufers für Beschädigungen der Ware ist als Grundsatzentscheidung a mino61 Ferrari/Mankowski,
Int. Vertragsrecht, Art. 66 CISG, Rn. 26. zu den verschiedenen konstruktiven Ansätzen Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 66 CISG, Rn. 28, 29; oder auch Bach/Stieber, IHR 2006, 60 ff. 63 MünchKomm/P. Huber, Art. 66, Rn. 15; Piltz, Internationales Kaufrecht, § 4, Rn. 271; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 62; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 10; Achilles, Art. 31, Rn. 14; U. Huber, RabelsZ 43 (1979), 413 (458); Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 1; Bach/Stieber, IHR 2006, 66; wohl auch Reinhart, Art. 66, Rn. 1. 64 Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 53. 62 Vgl.
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ri ad maius65 auf den vollständigen Untergang der Ware zu übertragen.66 Das die Lieferung betreffende Pflichtenprogramm des Verkäufers ergibt sich aus Art. 31 CISG. Nimmt man also an, dass der Übergang der Leistungsgefahr an den Preisgefahrübergang gekoppelt ist, ist der Verkäufer, trotz Erfüllung seiner Lieferpflicht nach Art. 31 CISG, im Falle eines Untergangs der Ware vor Preisgefahrübergang zur erneuten Lieferung verpflichtet. Bei Annahme eines Gleichlaufs von Leistungs- und Preisgefahr trägt somit der Verkäufer das Risiko, dass die von ihm bestimmte Gattungsware zwischen Vertragsschluss und Übergang der (Preis-)Gefahr untergeht oder beschädigt wird.67
b) Lieferpflichten des Verkäufers als Regelung der Leistungsgefahr Viele Stimmen der Literatur befürworten den Ansatz des Übergangs der Leistungsgefahr nach den allgemeinen Vorschriften, also nach den Vorschriften über die Lieferung gem. Art. 31 ff. CISG.68 Somit würde der Verkäufer von seiner Beschaffungspflicht frei, sobald er dieser Lieferverpflichtung nachgekommen ist. Dies soll allerdings nur für den vollständigen Untergang oder Verlust der Ware gelten, während bei bloßer Beschädigung entsprechend der ersten Auffassung Art. 36 I CISG i. V. m. Art. 67 – 69 CISG entscheidend sein sollen.69
c) Tragweite der Diskussion Beide Strömungen sind stark vertreten, so dass eine eindeutig herrschende Auffassung wohl nicht ausgemacht werden kann. Zunächst ist festzuhalten, dass die unterschiedlichen Auffassungen selten auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, insofern erlangt der Streitentscheid nur in wenigen Fällen praktische Bedeutung. Die Diskussion ist daher in erster Linie aus erkenntnistheoretischer Sicht interessant. Da Lieferpflicht und Gefahrübergang weitgehend parallel verlaufen, wird man in den meisten Fällen zu einem gleichzeitigen Übergang von Leistungs- und Preisgefahr kommen. Allerdings ist dies eben nicht zwingend der Fall. Häufigster Fall des Auseinanderfallens von Leistungsgefahr- und Preisgefahrübergang wäre der Platzkauf nach Art. 31 lit. c) CISG,
65 Zur
Zulässigkeit eines solchen Schlusses in der juristischen Methodenlehre vgl. Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 211; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 68, 69. 66 Bach/Stieber, IHR 2006, 66. 67 Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 66, Rn. 1; Staudinger/Magnus, Vorbem zu Art. 66 ff. CISG, Rn. 9. 68 So offenbar Staudinger/Magnus, Vorbem zu Art 66 ff. CISG, Rn. 9; auch Honsell/ Schönle/Th. Koller, Art. 66, Rn. 2; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 193; Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 65, 66; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz, Art. 66, Rn. 1; mglw. Herber/Czerwenka, Art. 66, Rn. 2; ausdrücklich Brunner, Art. 66, Rn. 10; Maskow, in: Enderlein/Maskow/Strohbach Art. 66, Ziff. 1. 3. 69 Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 193.
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bei dem sich der Übergang der Preisgefahr nach Art. 69 I CISG vollzieht.70 Hier würde die Beschaffungspflicht des Verkäufers mit Zurverfügungstellung der Ware enden, während die Preisgefahr erst mit Übernahme durch den Käufer übergeht, Art. 69 I Alt. 1 CISG, oder bei nicht rechtzeitiger Übernahme, wenn der Käufer durch die Nichtabnahme eine Vertragsverletzung begeht, Art. 69 I Alt. 2 CISG. Entnimmt man die Reichweite der Beschaffungspflicht also der Lieferverpflichtung des Verkäufers gem. Art. 31 lit. c) CISG und geht die Ware nach Zurverfügungstellung, aber vor Übergang der Preisgefahr nach Art. 69 I CISG unter, so muss der Verkäufer zwar keine erneuten Anstrengungen hinsichtlich der Beschaffung der Ware unternehmen, erhält mangels Übergang der Preisgefahr aber auch nicht den Kaufpreis. Zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt des Leistungsgefahrübergangs kommen die beiden Ansichten jedoch auch bei einem Verkauf von herzustellender oder aus einem bestimmten Bestand zu entnehmender Ware, die sich nach Art. 31 lit. b), 69 II CISG an einem dritten Ort befindet.71 Auch in diesem Fall handelt es sich um eine Holschuld des Käufers.72 Der Verkäufer erfüllt seine Lieferpflicht hier durch Zurverfügungstellung der Ware an dem bestimmten Ort, sobald die Ware dadurch abholbereit ist.73 Vom Gesetz wird dies zwar nicht ausdrücklich normiert, nach überwiegender Meinung ist jedoch zur Erfüllung der Lieferverpflichtung weiterhin eine Benachrichtigung des Käufers über die Zurverfügungstellung erforderlich, zumindest wenn kein fester Abholtermin vereinbart ist.74 Für diese Benachrichtigung des Käufers durch den Verkäufer gilt die allgemein im UN‑Kaufrecht normierte Absendetheorie gem. Art. 27 CISG. Danach trägt der Empfänger bei ordnungsgemäßer Versendung das Zugangsrisiko. Angewandt auf das Beispiel heißt das, dass die Benachrichtigung des Käufers mit Absendung gem. Art. 27 CISG fingiert wird. Für den Übergang der Preisgefahr nach Art. 69 II CISG ist jedoch positive Kenntnis von der Zurverfügungstellung erforderlich. Damit kann sich im Ergebnis während des Versendungszeitraums ein Auseinanderfallen von Leistungsgefahrübergang und Preisgefahrübergang ergeben. Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass beide Auffassungen zur Reichweite der Beschaffungspflicht im CISG nur bei vollständigem Untergang der Ware in den Fällen der Art. 31 lit. c), 69 I CISG und Art. 31 lit. b), 69 II CISG zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Dieses Auseinanderfallen von Leistungsgefahrübergang und Preisgefahrübergang wäre dann die Folge der regelungstechnischen Entkopplung von Gefahrübergang und Lieferung, welche im 70 Vgl. hierzu Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 409; Brunner, Art. 66, Rn. 10. 71 Vgl. Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 48. 72 Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 45. 73 Herber/Czerwenka, Art. 31, Rn. 7. 74 Enderlein, in: Enderlein/Maskow/Strohbach Art. 31, Ziff. 9; Ferrari/Saenger, Int. Vertragsrecht, Art. 31 CISG, Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 51.
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CISG, im Unterschied zum EKG, vorgenommen wurde.75 Dort wurde der Gefahrübergang ausdrücklich an die Lieferung gekoppelt, indem Art. 97 I EKG normiert, dass die Gefahr auf den Käufer übergeht, sobald die Lieferung der Sache erfolgt ist.
d) Bewertung der Diskussion Für die Regelung der Leistungsgefahr in Zusammenhang mit der Lieferpflicht wird der unmittelbare Sachzusammenhang, in dem diese beiden Fragen stehen, angeführt.76 Der Wortlaut des Art. 66 CISG betont lediglich die Pflicht, den Kaufpreis zu zahlen, regelt also lediglich das wirtschaftliche Risiko. Es spricht nichts dafür, dass hier zudem die Reichweite der Bemühungen des Verkäufers geregelt ist. Eine Auswirkung auf die Leistungsgefahr ist anhand des Wortlauts des Art. 66 CISG nicht zu erkennen. Allerdings ist dies nur ein schwaches Argument, da niemand behauptet, die Leistungsgefahr sei dem Wortlaut der Art. 66 ff. CISG zu entnehmen. Man könnte auch ein gesetzessystematisches Argument dafür anführen, die Leistungsgefahr in den Art. 31 ff. CISG geregelt zu sehen. So steht Art. 36 CISG im Abschnitt „Lieferung vertragswidriger Ware“, während die Art. 31 ff. CISG mit „Lieferung“ überschrieben sind. Man hat also von einer systematischen Trennung der Verkäuferpflichten auszugehen: zum einen die Lieferung als solche, zum anderen die Lieferung vertragsgemäßer Ware. Nun die Regelung der Leistungsgefahr gänzlich der Folgerung aus Art. 36 I CISG zu entnehmen, scheint gegen die vom Normgeber beabsichtigte Trennung zu verstoßen und den Anwendungsbereich des Art. 36 I CISG i. V. m. Art. 66 ff. CISG unzulässig auszudehnen.77 Allerdings bleibt es trotz dieser Argumentation dabei, dass die Leistungsgefahr für den vollständigen Untergang den Art. 31 ff. CISG zu entnehmen ist, während der Zeitpunkt des Leistungsgefahrübergangs bei Beschädigung der Sache nach Art. 36 CISG i. V. m. Art. 67–69 CISG zu bestimmen wäre. Hierbei ist zu bedenken, dass es keinen sachlich gerechtfertigten Grund für die unterschiedliche Behandlung von Beschädigung und vollständiger Zerstörung gibt.78 Es erscheint wenig systematisch, wenn der Übergang der Leistungsgefahr für den Untergang der Ware sich aus den Lieferpflichten ergibt, während der Übergang für eine Beschädigung der Ware in Art. 36 I CISG i. V. m. Art. 67–69 CISG geregelt ist. Zudem treten durch eine solche Differenzierung Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Begrifflichkeiten „Beschädigung“ und „Zerstörung“ auf. Eine klare Grenze, wann von der Zerstörung der Sache auszugehen ist und wann von einer blo75 Vgl. Art. 97 EKG; siehe hierzu auch Stötter, Internationales Einheits-Kaufrecht, Art. 97;
Dölle/Neumayer, Art. 97, Rn. 2. 76 Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 193; auch Sevón, Lausanner Kolloquium, S. 193. 77 Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 56. 78 So auch Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 62; Piltz, Internationales Kaufrecht, § 4, Rn. 289.
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ßen Beschädigung, scheint undenkbar. Allein dieser Gesichtspunkt birgt schon Konfliktpotential für die Parteien. So wird sich jede Partei auf den gerade für sie günstigen Standpunkt stellen. Aus dem Blickwinkel der Schnelligkeit des Handelsverkehrs und der Rechtssicherheit ist dies eine unglückliche Situation. Die Vorgängerregelung zur Gefahrtragung in Art. 97 EKG und die nunmehr erfolgte Trennung von Lieferung und Gefahrtragung im CISG kann von beiden Meinungen als Argument nutzbar gemacht werden. So kann man argumentieren, die Verfasser der Konvention hätten sich bewusst von der Lösung des EKG, also des Gefahrübergangs mit Lieferung gem. Art. 97 EKG, abgewandt,79 weshalb ein Auseinanderfallen von Leistungsgefahr und Preisgefahr in einigen Fällen eben hinzunehmen sei. Der Schluss, dies spreche für eine Regelung der Leistungsgefahr anhand der Lieferung in den Art. 31 ff. CISG, scheint jedoch voreilig. Denn letztlich kann diese Entkoppelung von Lieferung und Gefahrtragung auch nur bedeuten, dass eben die Preisgefahr nicht mehr mit der Lieferung verknüpft sein soll, während man an die Leistungsgefahr gar nicht explizit dachte. Dies legt vor allem der Hintergrund nahe, dass die Unterscheidung zwischen Preis- und Leistungsgefahr vielen Rechtsordnungen gar nicht geläufig ist.80 Auch im EKG erfasste der Begriff „Gefahrtragung“ nur die Preisgefahr.81 Diese Trennung von Lieferung und Gefahrübergang scheint daher als Argument nicht geeignet zu sein, da man hieraus nicht mit Sicherheit schließen kann, dass die Verfasser der Konvention die Leistungsgefahr anhand des Lieferbegriffs geregelt wissen wollten. Im Gegenteil ließe sich daraus nämlich auch ein Argument für die Gegenseite gewinnen. Gerade vor dem Hintergrund der Vorgängerregelung des Art. 97 I EKG, durch welche letztlich Leistungs- und Preisgefahr im Zusammenhang mit der Lieferverpflichtung geregelt waren, wird deutlich, dass man die Gefahrtragungsregelungen, und zwar alle denkbaren und daher auch die Leistungsgefahr, von der Lieferpflicht des Verkäufers gelöst hat. Für einen Übergang der Leistungsgefahr analog zur Preisgefahr spricht auch, dass der Verkäufer beim Platzkauf ab Zurverfügungstellung der Ware an seiner Niederlassung nach Art. 31 lit. c) CISG bis zur tatsächlichen Übernahme der Ware durch den Käufer die tatsächliche Sachherrschaft innehat. Die Gerechtigkeitserwägung, dem Verkäufer bis zu diesem Moment die Preisgefahr aufzubürden, kann genauso für die Leistungsgefahr angeführt werden. Da sich die Ware in seinem Herrschaftsbereich befindet, ist er besser als der Käufer in der Lage, sie vor etwaigen Gefahren zu schützen. Diese Erwägung verliert nicht dadurch an Bedeutung, dass es sich bei der Gefahrtragung um die Verteilung zufälliger Risiken handelt. Die Frage, welche Ereignisse sich als Zufall darstellen, ist nur eine des Umfangs des Anwendungsbereichs der Haftung des Verkäufers, d. h. 79 Schlechtriem, Einheitliches UN‑Kaufrecht, S. 78; Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 59, 63. 80 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Vorbemerkungen zu Artt. 66–70 CISG, Rn. 20. 81 Dölle/Neumayer, Art. 96, Rn. 2.
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es ist durchaus berechtigt, dem Verkäufer zwar kein Verschulden zu unterstellen, aber dennoch den Sphärengesichtspunkt der Gefahrbeherrschung heranzuziehen. Denn der Verkäufer kann die Sache am besten vor Schaden bewahren. Zwar wird er in den Fällen des Platzkaufes durch diese Auffassung länger mit der Gefahr belastet,82 im Falle von Schäden an der Ware die Mehranstrengungen zu tragen, um dennoch erfüllen zu können. Allerdings ist eben zu berücksichtigen, dass ihn dieses Risiko bei den Beschädigungen de lege lata ohnehin trifft, vgl. Art. 36 CISG. Die Mehrbelastung für den Verkäufer für die Fälle des Unterganges der Ware rechtfertigt sich auch dadurch, dass es so eine klare Regelung gibt. Die Alternative wäre nicht erstrebenswert. Man müsste dann für die Fälle des Untergangs beim Platzkauf andere Regelungen heranziehen als für alle anderen Fälle. Dies ist mit Blick auf rechtssystematische Gesichtspunkte zumindest zweifelhaft. Das Abgrenzungsproblem zur Beschädigung würde sich darüber hinaus auch nicht erledigen. Aus Gründen der Rechtsklarheit und der Vermeidung von Auslegungsfragen (Beschädigung oder Zerstörung) sowie dem Erfordernis einer leicht anwendbaren Regelung erscheint die Lösung eines Übergangs der Leistungsgefahr analog zu den Vorschriften der Preisgefahr geeigneter zu sein.
2. Lösung bekannter Probleme im GEK‑Vorschlag Der Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht befasst sich in Kapitel 14 mit dem Gefahrübergang. Art. 140 GEK‑Vorschlag stellt jedoch klar, dass in diesem Kapitel – jedenfalls ausdrücklich – ebenfalls nur Regelungen zur Preisgefahr getroffen sind.83 Art. 140 GEK‑Vorschlag, wie auch die übrigen Vorschriften des Kapitels zum Gefahrübergang, weisen eine sehr große Ähnlichkeit zu den Regeln der Kaufpreisgefahr im CISG auf. Es ist deutlich zu erkennen, dass das UN‑Kaufrecht dem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht als Vorbild gedient hat. Daher stellt sich natürlich die Frage, in welcher Form sich der Übergang der Leistungsgefahr vollzieht. Fraglich ist zunächst, ob der GEK‑Vorschlag eine ausdrückliche Regelung zu dieser Frage enthält. Mit dem Komplex der Unmöglichkeit befasst sich Art. 110 III GEK‑Vorschlag, der den Ausschluss des Forderungsrechts des Käufers regelt. Darin könnte man ansatzweise eine Regelung der Leistungsgefahr erblicken, die Frage, ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt eine Gattungsschuld unmöglich werden kann, wird hier aber nicht beantwortet.84 Von Lorenz wird erwogen, letztlich aber abgelehnt, die Regelung des Art. 141 GEK‑ Vorschlag, der das Konkretisierungserfordernis bestimmt, als Regelung der Leistungsgefahr, d. h. als Festsetzung der Reichweite der Beschaffungspflicht, 82 Siehe oben § 5 II.1.c). 83 So auch Lorenz, AcP 212 84 Lorenz,
(2012), S. 822; Schulze/Zoll/Watson, Art. 140, Rn. 2. AcP 212 (2012), S. 822.
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zu begreifen.85 Die ablehnende Haltung darauf zu stützen, dass eine einseitige „Identifizierung“ der Ware nicht ausreichen könne,86 erscheint jedoch zweifelhaft. Denn letztlich ermöglicht ja gerade § 243 II BGB dem Schuldner auch eine einseitige Bestimmung. Vermutlich ist auch unter „Identifizierung“ weniger zu verstehen als unter „Konkretisierung“ i. S. d. § 243 II BGB, da hier ja weitere Anforderungen als in Art. 141 GEK‑Vorschlag normiert sind, insbesondere was die Anforderungen an die Sache angeht. Systematisch überzeugt die Heranziehung des Art. 141 GEK‑Vorschlag jedenfalls nicht. Die Norm steht in Kapitel 14, welches sich ausdrücklich nur mit der Preisgefahr auseinandersetzt. In Art. 141 GEK‑Vorschlag wird ausdrücklich ausschließlich die für den Übergang der Preisgefahr erforderliche Voraussetzung geregelt, dass der Käufer diese lediglich für Güter tragen kann, die auch dem konkreten Vertragsverhältnis zugeordnet sind. Der Wortlaut gibt für eine Beschränkung des Schuldverhältnisses nach erfolgter Konkretisierung auf diese Sache ebenfalls nichts her. Mangels ausdrücklicher Regelung muss also auch im Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht geklärt werden, ob man den Umfang der Beschaffungspflicht des Verkäufers den Regelungen über die Lieferung (Art. 93–98 GEK‑ Vorschlag) entnimmt oder die Leistungsgefahr der Preisgefahr folgen lässt87. Auch im GEK‑Vorschlag ist die Haftung des Verkäufers für Vertragswidrigkeiten bis zum Zeitpunkt des Preisgefahrübergangs in Art. 105 I GEK‑Vorschlag geregelt. Hierauf lässt sich somit stützen, dass jedenfalls im Falle der zufälligen Beschädigung vor Gefahrübergang i. S. d. Kapitels 14 der Schuldner bis zum Übergang der Kaufpreisgefahr weiter haftet, d. h. ein Beschaffungsrisiko trägt. Für eine Beschädigung der Ware kann daher von der Koppelung der Leistungsgefahr an die ausdrücklich geregelte Preisgefahr ausgegangen werden. Denkbar wäre jedoch weiterhin, dass man die Beschaffungspflicht im Falle eines zufälligen Untergangs der Sache den Vorschriften über die Lieferung, Art. 93 ff. GEK‑Vorschlag, entnimmt. Die Erfüllung der Lieferpflicht würde also darüber entscheiden, ob der Verkäufer von seiner Beschaffungspflicht frei wird. Die an den Verkäufer gestellten Anforderungen hinsichtlich der Lieferung der Ware sind in Kapitel 10 Abschnitt 2 geregelt. Entnähme man diesem Abschnitt die Bestimmung auch der Leistungsgefahr, würde der Verkäufer mit Erbringung der in Art. 93 ff. GEK‑Vorschlag geregelten Anstrengungen von seiner Beschaffungspflicht frei. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang die Art. 93, 94 GEK‑Vorschlag. Art. 93 GEK‑Vorschlag bestimmt mangels anderweitiger Vereinbarung den Ort der vorzunehmenden Lieferungshandlung und ist damit auch für die Art der Schuld maßgebend. In Art. 94 GEK‑Vorschlag ist die vorzunehmende Lieferungshandlung beschrieben. 85 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 822. 86 So Lorenz, AcP 212 (2012), S. 822.
87 So auch erwogen von Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 317; zustimmend Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 247.
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a) Die Bedeutung des Art. 98 GEK‑Vorschlag Ein möglicher Ansatzpunkt für die Bestimmung der Leistungsgefahr könnte Art. 98 GEK‑Vorschlag sein. Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht enthält im Abschnitt über die Lieferverpflichtung des Verkäufers die Vorschrift des Art. 98 GEK‑Vorschlag, wonach die Wirkungen der Lieferung in Bezug auf den Gefahrübergang in Kapitel 14 geregelt sind. Eine derartige Vorschrift enthalten weder das CISG noch andere Kodifikationsbemühungen auf dem Gebiet des Europäischen Privatrechts. Die genaue Bedeutung des Art. 98 GEK‑Vorschlag ist fraglich und lohnt weiterer Betrachtung. Art. 98 GEK‑Vorschlag ließe sich als eine beinahe bedeutungslose Norm begreifen,88 deren Regelungsgehalt einzig wäre, dass die Lieferung nichts mit der Preisgefahr zu tun hat. Die Regelung würde dann eben die bloße Entkopplung von Lieferung und Preisgefahrübergang klarstellen89 – eine Regelung, die also noch einmal die schon für das CISG in Abkehr zum EKG getroffene Systementscheidung hervorhebt, die Preisgefahr nicht an die Lieferung anzuknüpfen. Hierfür spricht die Bedeutung des Begriffs „Gefahrübergang“ in Kapitel 14 GEK als Kaufpreisgefahr. Aber warum sollte man eine getroffene Systementscheidung einfach in einer eigenständigen Norm bekannt geben – zumal nicht einmal das CISG seiner Abkehr von der Lösung des EKG eine eigene Norm widmete? Auch wird beim Blick in die Gefahrtragungsnormen des Kapitels 14 ohnehin schnell klar, dass die Preisgefahr von der Lieferung unabhängig ist. Eine Verwechslungsgefahr besteht zwischen diesen Rechtsinstituten auch nicht. Einer Klarstellung bedarf es also nicht, Art. 98 GEK‑Vorschlag würde aber dennoch eine bloße Mitteilungsfunktion zukommen. Dies spricht eher für eine anderweitige Bedeutung des Art. 98 GEK‑Vorschlag. Will man ein modernes Regelwerk schaffen, welches durch kurze, präzise und besonders klare Regelungen besticht, lässt sich eine solche bloße Mitteilung schwerlich erklären. Die Norm wäre bei derartiger Bedeutung in der Tat schlicht überflüssig. Da der Rechtsanwender wohl immer geneigt wäre, dieser Norm eine Bedeutung beizumessen, würde die Norm zusätzlich für Verwirrung sorgen. Denkbar wäre aber auch eine Bedeutung in Zusammenhang mit der Leistungsgefahr. Da sich die Normgeber des Zusammenhangs zwischen Lieferung und Beschaffungspflicht bewusst waren, könnten sie in Art. 98 GEK‑Vorschlag darauf verwiesen haben, dass die Erbringung der Lieferung nicht das Ende der Beschaffungspflicht bestimmt. Die Norm hätte die eigenständige Aussage, dass
88 So BRAK, Stellungnahme Nr. 15/2012, S. 14, wonach die Vorschrift dementsprechend gestrichen werden sollte; ebenfalls Lehne/Berlinguer, Berichtsentwurf, S. 82; die Vorschrift regele das Offensichtliche und sei daher nicht notwendig. 89 So Schulze/Zoll, Art. 98, Rn. 2.
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die Leistungsgefahr nicht an den Lieferbegriff anknüpft, sondern an die Preisgefahr gekoppelt ist.90 Hierfür könnte sprechen, dass man den aus dem CISG bekannten Streit der Regelung der Leistungsgefahr aufgegriffen und entschieden hat. Aus der sog. tool-box, dem Draft Common Frame of Reference, lassen sich keine Erkenntnisse über den genauen Aussagegehalt des Art. 98 GEK‑Vorschlag gewinnen, da sich eine vergleichbare Regelung nicht findet. Auch in anderen Textstufen in der Entwicklung des Europäischen Privatrechts sind derartige Regelungen nicht ersichtlich. Somit scheint eine Auslegung des Art. 98 GEK‑Vorschlag anhand der Entstehungsgeschichte nicht möglich. Geht man davon aus, dass Art. 98 GEK‑Vorschlag die Koppelung der Leistungsgefahr an die Preisgefahr bewirkt, so wäre diese Regelung jedenfalls dergestalt zu begrüßen, dass eine aus dem CISG bekannte Streitfrage gelöst würde. Die Norm hätte einen eigenständigen Bedeutungsgehalt und würde letztlich für Klarheit sorgen – auch wenn anzumerken ist, dass man sie dann noch deutlicher hätte fassen können. Falls man einen derartigen Aussagegehalt des Art. 98 GEK‑Vorschlag verneint und auch Art. 105 I GEK‑Vorschlag i. V. m. Art. 140 ff. GEK‑Vorschlag nicht entnimmt, dass die Beschaffungspflicht bei vollständigem Untergang der Ware erst mit dem Übergang der Preisgefahr auf den Käufer endet, so ergäbe sich die Reichweite der Beschaffungspflicht aus Art. 93 ff. GEK‑Vorschlag.
b) Auseinanderfallen des Zeitpunkts der Lieferung und des Übergangs der Kaufpreisgefahr Zu klären bleibt, welche Vorschriften geeigneter sind, um die Reichweite der Beschaffungspflicht zu bestimmen. Dabei ist entscheidend, ob sich für das Ende der Beschaffungspflicht in zeitlicher Hinsicht unterschiedliche Ergebnisse finden lassen, je nachdem ob man die Leistungsgefahr den Regelungen der Preisgefahr oder denen der Lieferverpflichtung entnimmt.
aa) Probleme bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag bei Verträgen mit Verbraucherbeteiligung Möchte man die Leistungsgefahr mit der Erfüllung der Lieferverpflichtung des Verkäufers übergehen lassen, so muss zunächst einmal klar sein, wie der Verkäufer beim jeweiligen Vertrag seine Verpflichtung zu erfüllen hat, d. h. an welchem Ort die Lieferung zu erfolgen hat und welche Lieferhandlung durch die Vorschrift über die Art der Lieferung vorgeschrieben ist.
90 So auch erwogen von Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 317; dies in Frage stellend und wohl ablehnend Lorenz, AcP 212 (2012), S. 723, 822.
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Zweiter Teil: Leistungsgefahr und Preisgefahr
Hier ergeben sich aber bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag Probleme. Nach Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag ist „im Falle eines Verbraucherkaufvertrags oder eines Vertrags über die Bereitstellung digitaler Inhalte, bei dem es sich um einen Fernabsatzvertrag oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag handelt oder in dem sich der Verkäufer verpflichtet hat, für die Beförderung bis zum Käufer zu sorgen“, die Lieferung durch Übertragung des Besitzes an den Waren beziehungsweise durch die Übertragung der Kontrolle über die digitalen Inhalte am Aufenthaltsort des Verbrauchers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu bewirken. Es ist nicht klar ersichtlich, ob sich die Auflistung der drei Alternativen, also der Verträge in der Abschlusssituation des Fernabsatzes oder außerhalb von Geschäftsräumen oder mit der vom Verkäufer übernommenen Verpflichtung der Beförderung zum Käufer, nur auf die Bereitstellung digitaler Inhalte bezieht oder auch auf den Verbraucherkaufvertrag. Dadurch ist nicht klar, ob auch beim B2C‑Vertrag über Waren ein Fernabsatz- oder außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag oder ein Vertrag mit Beförderungsverpflichtung vorliegen muss, um als Erfüllungsort den Aufenthaltsort des Verbrauchers nach Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag anzunehmen. Weitere Unsicherheiten ergeben sich dann beim Vertrag über die Bereitstellung digitaler Inhalte, wenn der Verkäufer eine Beförderungsverpflichtung zum Käufer eingegangen ist. Hier ist zweifelhaft, ob der Käufer zwingend ein Verbraucher sein muss. Der Wortlaut scheint dies nicht zu verlangen. Denn während beim Fernabsatzvertrag und bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen gem. Art. 2 lit. (p), (q) VO‑GEK‑Vorschlag schon qua Definition ein Verbraucher beteiligt sein muss, scheint dies bei der Beförderungsverpflichtung digitaler Inhalte nicht der Fall zu sein. Da allerdings als Lieferort der Aufenthaltsort des Verbrauchers genannt wird, erscheint es durchaus sinnvoll, lediglich Verträge mit Verbraucherbeteiligung erfasst zu sehen.91 Aus diesen Unklarheiten, vor allem aus der Frage, ob sich die drei Alternativen auf die Bereitstellung digitaler Inhalte beschränken oder auch auf den Verbraucherkaufvertrag bezogen sind, ergeben sich verschiedene Auslegungsmöglichkeiten. Denkbar ist, dass Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag nur Verbraucherkaufverträge und Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte erfasst, die (also sowohl Verbraucherkaufverträge als auch Verträge über digitale Inhalte) in Form eines Fernabsatzvertrags oder eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags oder mit einer Beförderungsverpflichtung für den Verkäufer geschlossen wurden.92 Für ein solches Verständnis spricht auch die Entstehungs91 Remien, 92 So
in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 312, Fn. 9. Schulze/Zoll, Art. 93, Rn. 1, 2.
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geschichte der Vorschrift. In Art. 96 I lit. (a) der Feasibilty Study93 bezog sich die Einschränkung lediglich auf Verbraucherverträge, weil digitale Inhalte noch nicht in die Textfassung aufgenommen wurden. Auch der Änderungsvorschlag des European Law Institute (ELI) enthält dieses Verständnis der Vorschrift, indem er in Art. 86 I lit. (a) lediglich auf die Verbraucherverträge Bezug nimmt und vorab in Art. 85 II die entsprechende Anwendung der Vorschriften auch für Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte bestimmt.94 Geht man von diesem Verständnis aus, wäre Buchstabe (b) des Art. 93 I GEK‑Vorschlag grundsätzlich auch auf Verbraucherverträge anwendbar, nämlich auf solche, die nicht in der in Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag beschriebenen Abschlusssituation oder mit der Beförderungsverpflichtung durch den Verkäufer abgeschlossen wurden. Der Verbraucherkaufvertrag ohne die in Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag beschriebenen Merkmale wäre dann unter Art. 93 I lit. (b) GEK‑Vorschlag zu subsumieren. Ein Streitpunkt wäre dann noch die Frage, ob auf den Verbraucherkaufvertrag nur Art. 93 I lit. (b) ii) GEK‑Vorschlag anwendbar ist, weil alle Verbraucherkaufverträge mit Bezug zur Beförderung schon unter Art. 93 I lit. (a) GEK‑ Vorschlag subsumierbar sind,95 oder ob auch Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag auf Verbraucherkaufverträge mit Bezug zur Beförderung angewandt werden kann.96 Für die Öffnung des Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag auch für Verbraucherkaufverträge sprechen Unterschiede im Wortlaut, wonach es bei Art. 93 I lit. (a) Alt. 3 GEK‑Vorschlag einer Verpflichtung zur Beförderung bedarf, während bei Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag der Einschluss der Beförderung ausreicht. Besteht also keine unmittelbare Verpflichtung des Verkäufers zur Beförderung der Ware zum Verbraucher zu sorgen, sondern war man sich lediglich über das Erfordernis der Beförderung einig, so würde Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag eingreifen. Gegen die Anwendung des Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag auf Verbraucherverträge spricht, dass der Unterschied zwischen Einschluss und Verpflichtung zur Beförderung wohl nur schwer feststellbar ist. Man muss sich auch fragen, ob es überhaupt einen Unterschied gibt oder ob nicht das Erfordernis der Beförderung zu einer Verpflichtung des Verkäufers führt. Allerdings ließe sich möglicherweise auch annehmen, dass mit der vom Verkäufer übernommenen Verpflichtung, für die Beförderung zum Käufer zu sorgen, eine Bringschuld des Verkäufers gemeint ist, wohingegen der bloße Ein93 A European
contract law for consumers and businesses: Publication of the results of the feasibility study carried out by the Expert Group on European contract law for stakeholders’ and legal practitioners’ feedback. 94 Vgl. ELI, Statement CESL, S. 86, 234. 95 So Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 313. 96 So wohl Schulze/Zoll, Art. 93, Rn. 14 a. E.
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Zweiter Teil: Leistungsgefahr und Preisgefahr
schluss der Beförderung in den Vertrag die Vereinbarung einer Schickschuld bedeutet. Vorgeschlagen wird aber, dass die Verpflichtung, für die Beförderung zum Verbraucher zu sorgen, sowohl eine eigene Verpflichtung des Verkäufers zur Beförderung erfasst, als auch die Ausführung der Beförderung durch eine dritte Person.97 Bezieht man aber die Beförderung durch Dritte auch in Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag ein, dann wird die Unterscheidung zwischen Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag und Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag sehr schwierig. Eine zweite Möglichkeit der Auslegung des Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag wäre, dass die Auflistung der verschiedenen Abschlusssituationen (Fernabsatz, Haustürgeschäft, Beförderungsverpflichtung durch den Verkäufer) sich nur auf die Bereitstellung digitaler Inhalte und nicht auch auf Verbraucherkaufverträge bezieht.98 Für ein solches Verständnis ist die sprachliche Fassung der Norm ausschlaggebend, nach der das Relativpronomen („…, dem …“) im Singular verwendet wird.99 Es dürfte sich damit seinem Sinn nach nur um eine Einschränkung für den Vertrag über die Bereitstellung digitaler Inhalte handeln. Bei dieser Leseart könnte man nochmals zwei verschiedene Möglichkeiten in Betracht ziehen. Entweder man geht davon aus, dass die gesonderte Auflistung der Bereitstellung digitaler Inhalte für verschiedene Verbrauchervertragsarten lediglich formalen Charakter hat, weil ohnehin schon alle Verbraucherverträge generell erfasst sind und auch bei den aufgelisteten Verträgen jeweils eine Verbraucherbeteiligung vorliegt. Man müsste bei dieser Auslegung wohl von einer Verbraucherbeteiligung auch bei der Beförderungsverpflichtung für die digitalen Inhalte ausgehen. Dann bleibt für Art. 93 I lit. (b) GEK‑Vorschlag bei Verbraucherverträgen ohnehin kein Raum mehr. Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag erfasst dann alle Verbraucherverträge. Hiergegen spricht, dass dann die formulierte Einschränkung bei den digitalen Inhalten keinen eigenen Sinn hätte. Man hätte dann generell Verbraucherkaufverträge und/oder Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte mit Verbraucherbeteiligung nennen können. Eine andere Möglichkeit ist es, davon auszugehen, dass Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag alle Verbraucherkaufverträge über Waren100 und zusätzlich, bei den Verträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte, nur die aufgelisteten Abschlussformen erfasst. (Bei der letzten Alternative wäre dann wieder strittig, ob hierbei auch noch eine Verbraucherbeteiligung vorliegen muss, wie bereits oben beschrieben). 97 Schulze/Zoll, Art. 93,
Rn. 10. wohl auch verstanden von Lorenz, AcP 212 (2012), S. 717, 718, der für diese Form der Auslegung auch die französische Sprachfassung ins Feld führt. 99 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 718. 100 Dies legt Art. 2 lit. (k), (l) GEK‑Vorschlag nahe. 98 So
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Auch wenn man von zwingender Verbraucherbeteiligung bei der Beförderungsverpflichtung ausgeht, könnte der Buchstabe (b) des Art. 93 I GEK‑Vorschlag weiterhin bei Verträgen mit Verbraucherbeteiligung Anwendung finden. Raum für Verbraucherverträge in Art. 93 I lit. (b) GEK‑Vorschlag wäre bei dieser Auslegung nur noch bei Verträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte, die nicht im Wege des Fernabsatzes, nicht außerhalb von Geschäftsräumen und ohne Beförderungsverpflichtung für den Verkäufer geschlossen werden. Also beispielsweise ein Verbraucherkaufvertrag über die Bereitstellung digitaler Inhalte, der in einem Geschäft des Verkäufers geschlossen wird. Indem sich der Anwendungsbereich nicht exakt bestimmen lässt, ist für Verträge im B2C‑Bereich nicht genau bestimmbar, wie nun die Lieferverpflichtung genau ausgestaltet ist. Sieht man die Leistungsgefahr in den Liefervorschriften geregelt, ergeben sich bei den schwer zuordenbaren Verträgen neben den die Lieferung betreffenden Unsicherheiten auch Unsicherheiten bezüglich des Umfangs der Beschaffungspflicht, was kein wünschenswertes Ergebnis ist. Bei den Vorschriften zur Preisgefahr gibt es bei den Verbraucherverträgen weniger Unsicherheit, da hier die Verbraucherverträge in Art. 142 I GEK‑Vorschlag einheitlich behandelt werden und die Gefahr mit Besitz- bzw. Kontrollerlangung übergeht. Durch die bei den Liefervorschriften bestehenden Unklarheiten wäre überdies nicht klar, in welchen Abwicklungsformen es nun zu einem Auseinanderfallen von Leistungs-und Preisgefahr kommt.
bb) Nichtübernahme durch den Verbraucher in den Fällen der Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag Beim Verbraucherkaufvertrag geht die Preisgefahr nach Art. 142 I GEK‑Vorschlag mit Erlangung des Besitzes101 auf den Verbraucher über. Dies korrespondiert auch mit den Lieferverpflichtungen des Verkäufers bei einem Vertrag gem. Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag. Danach erfüllt der Verkäufer seine Lieferverpflichtung durch die Übertragung des Besitzes an den Verbraucher an dessen Aufenthaltsort zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Ein vom Übergang der Preisgefahr abweichender Zeitpunkt würde sich für den Übergang der Leistungsgefahr für die unter Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag fallenden Verträge bei vertragsmäßiger Abwicklung also nicht ergeben. Fragen wirft jedoch der Fall der Nichtübernahme durch den Verbraucher auf. Die Kaufpreisgefahr geht nach Art. 142 III GEK‑Vorschlag auf den Verbraucher über, sobald er seine Verpflichtung zur Übernahme der Waren nicht erfüllt und diese Nichtübernahme auch nicht nach Art. 88 GEK‑Vorschlag entschuldigt ist. Die Lieferverpflichtung könnte der Verkäufer aber erst nach dem Zeitpunkt des 101 Die Wahl des sachenrechtlich besetzten Begriffs „Besitz“ erscheint in einem Regelwerk, welches ausschließlich Kaufvertragsrecht zum Gegenstand hat, nicht gelungen; näher dazu siehe unten § 7 II.4.b).
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Zweiter Teil: Leistungsgefahr und Preisgefahr
Übergangs der Preisgefahr erfüllen, nämlich mit Verschaffung des Besitzes.102 Lässt man nun die Leistungsgefahr analog zur Preisgefahr übergehen, ergibt sich kein Problem. Richtet sich die Beschaffungspflicht aber nach den Art. 93 ff. GEK‑Vorschlag, so endet die Beschaffungspflicht dennoch erst mit der Übertragung des Besitzes an den Verbraucher, Art. 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag. Dies würde dazu führen, dass die für den Unternehmer sicherlich günstige Regelung des Art. 142 III GEK‑Vorschlag leer liefe. Denn da der Verkäufer auch nach der unentschuldigten Nichtübernahme durch den Verbraucher gem. Art. 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag zur Beschaffung einer neue Sache verpflichtet bliebe, trüge der Verbraucher letztlich doch nicht das wirtschaftliche Risiko des Untergangs der Sache. Zu einem Übergang der Preisgefahr könnte es faktisch nicht kommen, da der Übergang der Leistungsgefahr und die eintretende Unmöglichkeit Voraussetzung für den Übergang der Preisgefahr ist. Dem Verkäufer bliebe nur die Möglichkeit die nicht übernommene Ware gem. Art. 97 II GEK‑Vorschlag zu hinterlegen oder anderweitig abzusetzen. So könnte er seine Lieferverpflichtung doch erfüllen und von der Beschaffungspflicht frei werden. Es scheint aber kein ausgeklügeltes System zu sein, eine Beschaffungspflicht über den Moment des Übergangs der Kaufpreisgefahr hinaus zu normieren. Letztlich spricht diese Überlegung dafür, Art. 98 GEK‑Vorschlag als Verweisung für die Leistungsgefahr auf die Vorschriften des Kapitels 14 zu verstehen.
cc) Platzkauf gem. Art. 93 I lit. (b) ii), 94 I lit. (c) GEK‑Vorschlag mittels die Ware vertretender Dokumente Fraglich sind die genauen Anforderungen im Fall eines Geschäfts, bei dem die Ware zunächst nicht als solche übergeben werden soll, sondern gem. Art. 94 I lit. (c) Alt. 3 GEK‑Vorschlag die Abwicklung mittels eines die Ware vertretenden Dokuments durchgeführt wird. Hier fordert die deutsche Fassung in den Liefervorschriften ausdrücklich, dass es zur Übergabe der Dokumente kommen muss. Dies weicht von den ebenfalls in Art. 94 I lit. (c) GEK‑Vorschlag normierten Anforderungen für Waren und digitale Inhalte ab. Bei diesen fordert Art. 94 I lit. (c) GEK‑Vorschlag nämlich lediglich die Bereitstellung der Ware, was von Seiten des Verkäufers jedenfalls einen geringeren Aufwand bedeuten sollte. Durch das Erfordernis der Übergabe der Dokumente ergibt sich kein Unterschied zum Zeitpunkt des Übergangs der Preisgefahr in Art. 143 I GEK‑Vorschlag, da auch nach dieser Vorschrift die Übergabe der Dokumente erforderlich ist. Nach der deutschen Sprachfassung des GEK‑Vorschlags macht es also bei der Abwicklung mittels Waren vertretender Dokumente im Ergebnis keinen Unterschied, ob man den Übergang der Leistungsgefahr den Vorschriften über die Lieferung oder den Vorschriften über den Preisgefahrübergang entnimmt. 102 Zum Übergang der Preisgefahr vor Erfüllung der Lieferverpflichtung in einem ähnlichem Fall in etwas anderem Zusammenhang auch Lilleholt, ERPL 2011, S. 926.
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In der englischen Fassung ist jedoch von „making available“ die Rede, was grundsätzlich auch für alle Gegenstände, also Waren, digitale Inhalte und Waren vertretende Dokumente ausreichend ist. Die in der deutschen Fassung existierende Unterscheidung zwischen Waren und digitalen Inhalten einerseits und Waren vertretenden Dokumenten andererseits findet in der englischen Sprachfassung nicht statt. Dem mit der englischen Textfassung arbeitenden Rechtsanwender fällt somit kein Unterschied auf. Auch wenn man „making available“ mit „verschaffen“ durchaus noch adäquat übersetzen kann, so muss es jedenfalls für alle Gegenstände einheitlich übersetzt werden. Dabei kann hier nicht von einem Erfordernis des tatsächlichen Verschaffens auch für Waren und digitale Inhalte ausgegangen werden, wie auch die norminterne Abstufung des Art. 94 GEK‑Vorschlag zeigt. Es sollte in der englischen Fassung ebenfalls vom Erfordernis einer „Bereitstellung“, im Gleichlauf mit der Ware als solcher, ausgegangen werden. Die unterschiedlichen Sprachfassungen stellen an dieser Stelle einen nicht aufzulösenden Widerspruch dar. Folgt man der englischen Sprachfassung und zieht für die Bestimmung der Leistungsgefahr die Liefervorschriften heran, würden Leistungsgefahr und Preisgefahr bei Erfüllung mittels die Waren vertretender Dokumente auseinanderfallen, da nach der englischen Fassung der Liefervorschriften eine Bereitstellung ausreicht, während die Preisgefahr erst mit der Annahme der die Waren vertretenden Dokumente durch den Käufer übergeht. In der deutschen Sprachfassung würden dagegen aufgrund des Erfordernisses der Übergabe der Dokumente Leistungs- und Preisgefahr gleichlaufen, auch wenn die Liefervorschriften die Leistungsgefahr regeln.
dd) Leistungsgefahr bei Lieferung an einem anderen Ort als dem Sitz des Verkäufers In den Vorschriften zum Übergang der Preisgefahr findet sich die Vorschrift des Art. 144 II GEK‑Vorschlag. Diese bestimmt den Übergang der Preisgefahr, wenn Ware an einem anderen Ort als dem Geschäftssitz des Verkäufers bereitgestellt wurde.103 Die Regelung des Art. 144 II GEK‑Vorschlag ist sprachlich unklar formuliert. Denn hier wird nur vorausgesetzt, dass „die Waren oder digitalen Inhalte dem Käufer an einem anderen Ort als einem Geschäftssitz des Verkäufers zu seiner Verfügung bereitgestellt“ sind. Indem die Norm ihrem Wortlaut nach nur auf die tatsächliche Bereitstellung abstellt, fehlt eine Bezugnahme darauf, 103 Art. 144 II
GEK‑Vorschlag unterscheidet sich von Art. 144 I GEK‑Vorschlag deutlich durch das Erfordernis „an einem anderen Ort als dem Geschäftssitz des Verkäufers“. Hierdurch wird klar, dass Art. 144 I GEK‑Vorschlag in erster Linie die Vorschrift des Art. 143 I GEK‑Vorschlag ergänzt. Er regelt den Fall der aufgrund eines Fehlverhaltens des Käufers gescheiterten Übergabe am Verkäufersitz. Art. 144 II GEK‑Vorschlag betrifft somit eine Abwicklung an einem anderen Ort als dem Verkäufersitz.
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Zweiter Teil: Leistungsgefahr und Preisgefahr
an welchem Ort der Verkäufer vertraglich verpflichtet war, die Waren zur Verfügung des Käufers bereitzustellen.104 Um festzustellen, ob sich eine Abweichung des Zeitpunkts für den Übergang der Leistungsgefahr ergibt, je nachdem ob man die Liefervorschriften oder die Gefahrtragungsvorschriften zur Bestimmung heranzieht, ist es erforderlich, überhaupt eine Regelung mit der entsprechenden Lieferverpflichtung, die Waren an einem anderen Ort als dem Geschäftssitz des Verkäufers bereitzustellen, zu finden. Gerade eine derartige Regelung, also eine Regelung, die den Fall des Art. 144 II GEK‑Vorschlag abbildet, fehlt aber in den Liefervorschriften. Der GEK‑Vorschlag enthält in den Liefervorschriften keine Norm, welche eine Lieferverpflichtung an einen anderen Ort als den des Verkäufersitzes vorsieht. Eine solche findet sich im UN‑Kaufrecht zumindest in Art. 31 lit. b) CISG.105 Art. 144 II GEK‑Vorschlag ist letztlich beim Fernkauf und beim Kauf eingelagerter Ware heranzuziehen. Eine solche Abwicklung kann sich nur aus einer Parteivereinbarung ergeben und ergibt sich nicht aus den Liefervorschriften. Da es aber beim Fernkauf und beim Kauf eingelagerter Ware keine entsprechenden Liefervorschriften gibt, ist auch ein Unterschied zwischen Liefer- und Gefahrtragungsvorschriften nicht feststellbar. Da sich Fernkauf oder der Kauf eingelagerter Ware nur aus einer entsprechenden Parteivereinbarung ergeben, müsste man die Bestimmung der Leistungsgefahr auch der Parteivereinbarung entnehmen. Ob den Parteien aber bekannt ist, dass sie mit der bloßen Formulierung der Abwicklung auch die Leistungsgefahr regeln, darf bezweifelt werden. Die Vereinbarung wäre danach auszulegen, ob sie auch den Übergang der Leistungsgefahr erfasst. Möglicherweise hatten die Parteien jedoch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gar nicht die Vorstellung, den Umfang der Beschaffungspflicht mitzubestimmen. Ebenso werden derartige Vereinbarungen möglicherweise nicht exakt die Lieferverpflichtung regeln, sondern möglicherweise nur den Lieferort. Dann fiele es jedoch schwer, anhand dieser Parteivereinbarung das genaue zeitliche Ende der Beschaffungspflicht zu bestimmen. Entnimmt man die Leistungsgefahr dem Art. 144 II GEK‑Vorschlag, so können die Parteien, bei fehlender Regelung der Beschaffungspflicht in ihrer Vereinbarung, auf eine gesetzliche Regelung zurückgreifen. 104 Dagegen heißt es in Art. 69 II CISG ausdrücklich, dass „der Käufer die Ware an einem anderen Ort als einer Niederlassung des Verkäufers zu übernehmen“ hat. Hier ist wesentlich deutlicher, dass eine Verpflichtung des Käufers zur Übernahme an einem anderen Ort als dem Verkäufersitz auch besteht. Nach dem Wortlaut des Art. 144 II GEK‑Vorschlag könnte diese Bereitstellung an einem anderen Ort als dem Verkäufersitz jedoch aus willkürlichen Gründen erfolgt sein, ohne dass der Käufer eine entsprechende Verpflichtung zur Übernahme an einem anderen Ort hat. 105 Zum Kauf eingelagerter Ware und den Besonderheiten, siehe unten § 11 I.
§ 5 Die Regelung der Leistungsgefahr in den Regelwerken
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c) Stellungnahme Die Vorschrift des Art. 98 GEK‑Vorschlag mag bei erster Lektüre des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts überflüssig erscheinen.106 Die Frage nach der genauen Bedeutung oder vielmehr die Frage, ob der Norm überhaupt eine Bedeutung zukommt, ist schwer zu beantworten. Insbesondere die Intention der Verfasser ist unklar. Zu befürworten ist ein Verständnis von Art. 98 GEK‑Vorschlag, wonach er für die Frage der Leistungsgefahr auf die Vorschriften des Kapitels 14 verweist. In diesem Fall ist die Reichweite der Beschaffungspflicht des Verkäufers nicht den Vorschriften über die Lieferung in den Art. 93 ff. GEK‑ Vorschlag zu entnehmen. Ein solches Verständnis gäbe der Vorschrift zum einen eine Bedeutung, zum anderen aber würde sie doch die soeben gezeigten Unstimmigkeiten in Zusammenhang mit der Anwendung des Normtextes vermeiden. Die Fragen, die sich in Zusammenhang mit den Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag für den Anwendungsbereich bei B2C‑Verträgen stellen, bleiben so zumindest für die Frage der Beschaffungspflicht folgenlos. Die Regelungen der Preisgefahr sind im Anwendungsbereich für den Verbraucherkaufvertrag klarer gefasst, so dass dem Erfordernis der Rechtssicherheit Rechnung getragen würde, soweit man die Leistungsgefahr analog zur Preisgefahr übergehen lässt. Besonders wichtig erscheint zudem die Beseitigung der offenbar ungenauen Übersetzung des Art. 94 I lit. (c) GEK‑Vorschlag im Hinblick auf die Lieferverpflichtung bei Erfüllung mittels Waren vertretenden Dokumenten. Mag dieses Problem zwar noch bei der genauen Bestimmung der Lieferverpflichtung für die Parteien eine Rolle spielen, so kommt es bei derartigem Verständnis jedenfalls bei der Reichweite der Beschaffungspflicht des Verkäufers zu keinen Problemen. Die Unausgereiftheit des Regelwerkes zeigt sich auch bei der Nichtannahme beim Verbraucherkaufvertrag. Hier wird die Beschaffungspflicht des Verkäufers im Falle einer Nichtabnahme durch den Käufer über den eigentlich schon für den Preisgefahrübergang vorgesehenen Zeitpunkt ausgedehnt. Damit würde die Regelung zur Preisgefahr für diesen Fall aber bedeutungslos. Ein weiteres Argument für die Regelung der Leistungsgefahr in den Art. 140 ff. GEK‑Vorschlag kann man im Konkretisierungserfordernis sehen. Während dies in Art. 141 GEK‑Vorschlag ausdrücklich angeordnet ist, fehlt ein derartiges Erfordernis bei den Vorschriften über die Lieferung.107 In den in Art. 94 I lit. (c) GEK‑Vorschlag geregelten Fällen ist aber beispielsweise bei Bereitstellung einer Sammelladung an den Käufer eine Konkretisierung nötig, 106 So sehen das auch Lehne/Berlinguer, Berichtsentwurf, S. 82; die Vorschrift regele das Offensichtliche und sei daher nicht notwendig. 107 Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 314.
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Zweiter Teil: Leistungsgefahr und Preisgefahr
um den Übergang der Leistungsgefahr der jeweiligen Ware mit Sicherheit zu bestimmen. Sollte man daher der Regelung des Art. 98 GEK‑Vorschlag nicht die hier vorgesehene Bedeutung beimessen, so sollte man dennoch einen an den Preisgefahrübergang gekoppelten Übergang der Leistungsgefahr befürworten108. Sonst ist im Bereich der Gefahrtragung ein stimmiges Arbeiten mit dem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht kaum möglich. Die fehlende Koordinierung der Vorschriften von Lieferung und Gefahrübergang führt sonst zu kaum auflösbaren Situationen im Bereich der Gefahrtragung. Denn durch die fehlende Abstimmung kann es vorkommen, dass zwar die Preisgefahr übergeht, der Verkäufer aber immer noch seine Lieferverpfichtung zu erfüllen hat.109 Würde man nun die Leistungsgefahr den Liefervorschriften entnehmen, würden die Vorschriften zur Preisgefahr ausgehebelt. Gegen eine Koppelung der Leistungs- an die Preisgefahr werden rechtspolitische Bedenken aufgrund des damit verbundenen späten Gefahrübergangs beim Verbrauchsgüterkauf erhoben, weshalb der Verkäufer zu stark belastet sei.110 Es ist natürlich richtig, dass dann ein Auseinanderfallen von Leistungsund Preisgefahr nicht möglich ist, der Verbraucher also im Falle einer auf dem Transport abhanden gekommenen Gattungsware nicht nur den Kaufpreis noch nicht zahlen muss, sondern auch nochmals Erfüllung verlangen kann.111 Dies ist aber ein Ergebnis, dass nicht nur bei Verbrauchsgüterkäufen erzielt wird. Auch beim Fernkauf zwischen Unternehmern tritt dieses Ergebnis auf.112 Wenn dies aber selbst bei B2B‑Geschäften ein mögliches Ergebnis ist, sollte dies auch beim schutzbedürftigeren Verbraucher möglich sein. Zudem muss man sich für den Fall, dass man die Leistungsgefahr nicht den Art. 140 ff. GEK‑Vorschlag entnimmt, fragen, welche Normen die Leistungsgefahr sonst bestimmen sollen.113 Hierfür kommen nur die Vorschriften über die Lieferung in Frage. Ebenso hätte der Verkäufer hier bei vielen B2C‑Geschäften eine sehr weitreichende Beschaffungspflicht nach Art. 93 I lit. (a), 94 I (a) GEK‑Vorschlag. Auch hier hätte der Verkäufer die Ware bei Verlust auf dem Transport erneut zu leisten. Die Übereinstimmung von Leistungs- und Preisgefahr ist auch vor dem Hintergrund des synallagmatischen Charakters des Kaufvertrags sinnvoll. Beim Tausch von Ware gegen Geld bestimmen die Vorschriften zur Preisgefahr, wann 108 So jedenfalls auch Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im 109 Mit dieser Feststellung, allerdings nicht auf die Leistungsgefahr
GEKR, S. 247. bezogen, auch ELI,
Statement CESL, S. 234. 110 So Lorenz, AcP 212 (2012), S. 823; wohingegen dies im UN‑Kaufrecht eine angemessene Lösung darstellen soll. 111 So das Beispiel bei Lorenz, AcP 212 (2012), S. 823. 112 Auch wenn der Übergang der Preisgefahr hier zeitlich etwas früher eintritt, nämlich bereits mit Bereitstellung der Ware und nicht erst mit Besitzerlangung des Käufers; vgl. Art. 69 II CISG, Art. 144 II GEK‑Vorschlag. 113 Diesbezüglich hält Lorenz, AcP 212 (2012) keine Vorschläge bereit.
§ 5 Die Regelung der Leistungsgefahr in den Regelwerken
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sich der Verkäufer den Kaufpreis verdient hat. Da Leistung und Gegenleistung in einem Austauschverhältnis stehen (do ut des), widerspricht es auch nicht den Interessen, bis zur Vornahme dieser Handlung von einer Beschaffungspflicht auszugehen.
d) Tragung der Leistungsgefahr durch den Käufer in anderen Fällen Geht im Falle einer Gattungsschuld die Sache unter, die der Verkäufer für die Erfüllung bestimmt hat, sollte man die Frage nach dem Ende der Beschaffungspflicht mittels der leicht handhabbaren Lösung in den Vorschriften zur Preisgefahr beantworten. Dieser Weg kann jedoch nicht die Lösung für solche Fälle darstellen, in denen die gesamte Gattung, der ganze Vorrat einer Vorratsschuld oder das konkrete Kaufobjekt bei der Stückschuld vor dem Zeitpunkt des Preisgefahrübergangs untergeht. Ein Fortschritt des GEK‑Vorschlags zum CISG ist die nunmehr ausdrücklich geregelte Frage der Unmöglichkeit des Erfüllungsanspruchs. Der Verkäufer kann die Erfüllung seiner Pflicht in solchen Fällen nach Art. 110 III GEK‑ Vorschlag verweigern. Insofern muss für diesen Fall gelten, dass die Zeitpunkte des Übergangs von Leistungsgefahr und Preisgefahr dann auseinanderfallen. Es kann damit festgehalten werden, dass der Übergang der Leistungsgefahr auch bei Gattungsschulden früher als der Übergang der Preisgefahr stattfindet, wenn dem Verkäufer die Erbringung der Leistung infolge vorheriger Konkretisierung auf eine Sache gem. Art. 110 III GEK‑Vorschlag unmöglich ist. Hieraus folgt aber nur die Unmöglichkeit für Stückschulden und im Falle einer Gattungsoder Vorratsschuld der Untergang der gesamten Gattung bzw. des gesamten geschuldeten Vorrats.
III. Zusammenfassung Ein derartiger Streit, welchen Normen nun die Leistungsgefahr zu entnehmen ist, kann im deutschen Recht aufgrund der gesonderten Regelung der Leistungsgefahr in den §§ 243 II, 300 II BGB nicht entstehen. Ob allerdings im deutschen Recht bei der Gattungsschuld auch praktisch ein gesonderter Übergang von Preis- und Leistungsgefahr anzunehmen ist, war zumindest trotz der gesonderten Regelung umstritten. Dies hängt letztlich davon ab, welche Erfordernisse man an die Tatbestandsvoraussetzungen des § 243 II BGB stellt.114 Die ältere Ansicht zum Übergang der Leistungsgefahr im BGB sorgte für eine Koppelung der Leistungsgefahr an die Preisgefahr. Die Leistungsgefahr ging also mit Übergabe oder Annahmeverzug über. Für diese im deutschen Recht kaum noch vertretene Lösung sprechen in CISG und GEK‑Vorschlag mangels gesonderter 114 Vgl.
oben § 5 I. 2.
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Zweiter Teil: Leistungsgefahr und Preisgefahr
Regelung der Leistungsgefahr die besseren Argumente. Die Eindeutigkeit der Regelung zur Sachmängelhaftung lässt hier zumindest für den Fall der zufälligen Beschädigung kein anderes Ergebnis zu. Es ist in allen untersuchten Regelwerken der Fall des Platzkaufs, der zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, sobald die Leistungsgefahr gesondert geregelt ist oder man sie besonders geregelt sehen möchte. Nach älterer Meinung zum deutschen Recht und der hier vertretenen Auffassung zu CISG und GEK‑Vorschlag geht die Leistungsgefahr bei der Holschuld erst mit der Übergabe oder dem Annahmeverzug über. Nach der h. M. zum BGB und der anderen Auffassung zu den Regeln des CISG geht jedoch die Leistungsgefahr schon vor der Preisgefahr über, wenn der Verkäufer die Ware ausgesondert und dies dem Käufer mitgeteilt hat. Im UN‑Kaufrecht spricht die einheitliche Beurteilung von Beschädigung und Zerstörung der Ware dafür, die Leistungsgefahr der Preisgefahr folgen zu lassen. Im Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht ist dies auch deshalb zu befürworten, um zu vermeiden, dass sich regelungstechnische Schwachstellen auf die Bestimmung der Leistungsgefahr auswirken. Geht man davon aus, dass eine eindeutige und stringente Regelung zur Streitvermeidung zwischen den Parteien beiträgt, so ist ein derartiges Verständnis zu befürworten. Auch mit Blick auf die Interessenlage der Parteien ergibt sich für CISG und GEK‑Vorschlag nichts anderes. Betrachtung verdienen hier die Fälle, in denen Leistungs- und Preisgefahr auseinanderfallen würden, der Verkäufer bei Geltung der Vorschriften des Preisgefahrübergangs also die Leistungsgefahr länger tragen müsste. In den Fällen des Verbraucherkaufs im GEK‑Vorschlag spricht schon der Verbraucherschutz in Form eines besser geschützten Erfüllungsanspruchs und damit des Leistungsinteresses des Verbrauchers für eine längere Gefahrtragung des Verkäufers. Aber auch für die Fälle des Unternehmerkaufs ist in GEK‑Vorschlag und CISG die in wenigen Fällen dann längere Tragung der Leistungsgefahr durch den Verkäufer interessengerecht. Zwar besteht hier kein Schutzbedürfnis des Käufers. Jedoch spricht die Klarheit der Regelungen dafür. Denn in beiden Regelwerken wird es sonst zu Abgrenzungsproblemen zwischen Beschädigung und Untergang der Ware kommen. Weiterhin bleibt zu fragen, warum die längere Tragung der Leistungsgefahr durch den Verkäufer für die Beschädigung der Sache interessengerecht sein soll, während sie es für den Untergang nicht ist. Auch in den Fällen der Beschädigung kann es zu für den Verkäufer teueren Ersatzbeschaffungen kommen. Im GEK‑Vorschlag sind die undurchsichtigen Regelungen zur Lieferung für die Parteien ein größeres Problem als die etwas ausgeweitete Übernahme der Leistungsgefahr durch den Verkäufer.
Dritter Teil
Übergang der Preisgefahr bei verschiedenen Abwicklungsformen des Kaufs § 6 Typenbildung und Abgrenzung von verschiedenen Abwicklungsformen des Kaufs I. Tatsächliches Die Parteien wickeln Kaufverträge in tatsächlicher Hinsicht in ganz unterschiedlicher Weise ab. Ein Schuldverhältnis kann zu mehreren Orten Beziehungen mit rechtlicher Bedeutung haben und so hat Rabel bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen auf eine Unterscheidung hingewiesen, die auf der Seite des Verkäufers die verschiedenen Orte seiner Tätigkeit in Betracht zieht: den Ort, an dem die der Gattung nach bestimmte Sache auszuscheiden ist; an dem sie für die Übergabe an den Käufer bereitzuhalten ist; an dem die Sache aufzubewahren ist; an dem die Sache herzustellen ist; an dem sie erstmals einer Transportperson auszuhändigen ist; an dem sie späterhin zu verladen ist.1 Der Käufer kann den Verkäufer in dessen Ladengeschäft aufsuchen, sich für eine bestimmte Sache entscheiden und diese nach Kaufvertragsschluss sofort mitnehmen. Es ist aber nicht erforderlich, dass sich der Käufer vor Ort entscheidet. Käufer und Verkäufer können auch vom jeweiligen Sitz aus kommunizieren und einen Kaufvertrag über bestimmte Ware schließen, die der Käufer anschließend beim Verkäufer abholen soll. Aus Sicht des Verkäufers kann in diesen Fällen von einem Platzkauf gesprochen werden, da der Kaufvertrag an seinem Sitz abgewickelt wird.2 Käufer und Verkäufer können sich aber auch auf Gegenteiliges verständigen. So kann der Käufer von Möbeln mit einem Möbelhaus auch vereinbaren, dass ihm die von ihm ausgesuchten Möbel vom Verkäufer nach Hause zu liefern sind. Oder ein Baustoffhändler verpflichtet sich gegenüber einem Backsteine kaufenden Bauunternehmer dazu, diese Backsteine nicht an den Sitz des Bauunternehmers zu liefern, sondern direkt an die Baustelle, auf der diese Backsteine verwendet werden sollen. Aus der Sicht des Verkäufers erbringt er die vertragscharakteristische Leistung nun in der Ferne, so 1 Rabel, 2 Näher
Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, S. 321 f. dazu sogleich § 6 II.1.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
dass man dies als Fernkauf bezeichnen kann.3 Möglicherweise bietet der Verkäufer eine eigene Anlieferung jedoch auch nicht an; um den Bedürfnissen seiner Kunden gerecht zu werden, schaltet er aber auf deren Wunsch auch selbstständige Transportpersonen zur Beförderung der Ware ein, denen er die Ware an seinem Sitz zur Versendung übergibt. Oder der Verkäufer möchte sich auch nicht um die Organisation eines Transportes kümmern und überlässt dies dem Kunden, sagt aber zu, dem beauftragten Beförderer die Ware bei Abholung auszuhändigen oder vielleicht sogar die Kosten der Beförderung zu übernehmen. Die Ware wird also versandt. Es geht um einen Versendungskauf.4 Ebenso kann es vorkommen, dass ein Käufer die Ware, die gerade zu ihm befördert wird, bereits an einen anderen Käufer weiterverkauft. Möglicherweise kann ein Rohstoffhändler aus Deutschland, der Rohöl aus Venezuala gekauft hat, das gekaufte Rohöl bereits zu einem guten Preis an einen Abnehmer auf Island verkaufen, während sich der das Rohöl transportierende Öltanker noch im Atlantik befindet und nun direkt auf Island Kurs nimmt. Der deutsche Rohstoffhändler verkauft dann reisende Ware.5 Auch gibt es Fälle, in denen sich der Kaufgegenstand weder beim Verkäufer befindet noch mittels eines Beförderers versandt wird, sondern der Verkäufer die Ware erst noch an einem dritten Ort herstellen lässt oder sie an einem dritten Ort einlagert und der Käufer sie dort abholen soll. So hat ein Kies verkaufender Baustoffhandel möglicherweise an seinem Sitz nicht mehr die entsprechende Menge, bietet einem Bauunternehmen aber an, die entsprechende Menge in zwei Tagen in einer an einem anderen Standort betriebenen Kiesgrube abzuholen, wo die entsprechende Menge Kies gerade abgebaut wird. Oder ein französicher Agrarhändler bietet einem deutschen Käufer an, dass dieser das nachgefragte Saatgut sofort an einem Lagerhaus in Deutschland abholen kann, wo eine entsprechende Menge der nachgefragten Saat für den Verkäufer verwahrt wird. Dies sind Sonderkonstellationen, deren begriffliche Einordnung klarzustellen sein wird.6
II. Typenbildung Die ganz überwiegende Mehrheit der Gefahrtragungsregeln befasst sich mit dem Übergang der Preisgefahr.7 Um die Regelungen des Preisgefahrübergangs zu vergleichen, ist eine typisierende Betrachtung der im Handel auftretenden verschiedenartigen Abwicklungsformen des Kaufs angezeigt. Die Typenbil3 Näher 4 Näher
dazu sogleich § 6 II.2. dazu sogleich § 6 II.3. 5 Näher dazu sogleich § 6 II.4. 6 Näher dazu sogleich § 6 II.2 a. E. und eingehend § 6 II.5. 7 Zur Preisgefahr und Leistungsgefahr oben § 4 III; zum unterschiedlichen Zeitpunkt des Übergangs der Preisgefahr bei den einzelnen Abwicklungsformen siehe § 7–§ 11.
§ 6 Typenbildung und Abgrenzung von verschiedenen Abwicklungsformen
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dung folgt den Unterschieden in tatsächlicher Hinsicht und berücksichtigt die unterschiedlichen Regelungsansätze der Preisgefahr in den hier untersuchten Regelwerken. Denn während das deutsche Recht eine allgemeine Norm zum Preisgefahrübergang (§ 446 BGB) bereitstellt und lediglich eine Norm, die an eine spezielle Abwicklungsform (§ 447 BGB) anknüpft, und auch die Verbraucherrechte-RL lediglich eine Vorschrift für eine bestimmte Abwicklungsform (Art. 20 Verbraucherrechte-RL) vorgibt, enthalten CISG und GEK‑Vorschlag ungleich mehr Vorschriften zum Gefahrübergang und bieten damit mehrere Lösungen an. Das deutsche Recht folgt hinsichtlich des Regelungsansatzes, wie viele andere civil law-Länder, eher einem generalisierenden Ansatz im Sinne einer abstrakteren Regelungsweise8, einer Art Schlüsselkonzept,9 wobei dem BGB eben das Traditions- oder Übergabeprinzip zugrunde liegt. Zwar folgt auch das CISG im Ausgangspunkt dem Übergabeansatz,10 das Regelungskonzept der Art. 66 ff. CISG weist dennoch eine andere Struktur auf als viele nationale civil law-Rechtsordnungen, indem es einem weiter typisierenden Ansatz folgt, dessen Ursprung eher im common law begründet ist.11 Da die Parteien insbesondere im internationalen Warenverkehr zwischen verschiedenen Formen des Güterumsatzes wählen können und die Gefahrtragungsregeln dann diesen Abwicklungsformen angepasst werden müssen, wurden im CISG für einzelne, in der Praxis häufig vorkommende Ausformungen internationaler Käufe bestimmte Gefahrtragungsregeln niedergeschrieben.12 Man hält also für im internationalen Handel auftauchende Abwicklungsformen von Kaufverträgen entsprechende Gefahrtragungsnormen vor und folgt damit einer praxisbezogeneren Regelungskonzeption. Diesem Prinzip folgt nun auch der GEK‑ Vorschlag. Noch detaillierter werden die Abwicklungsformen in den Incoterms unterschieden, in denen jede einzelne Liefer- und Abwicklungsklausel jeweils gesondert den Gefahrübergang bestimmt.13 Die Voraussetzungen und der Zeitpunkt des Gefahrübergangs variieren in den Regelwerken also je nach der Abwicklungsform. Um die Geeignetheit der Gefahrtragungsregeln zu überprüfen, ist eine Typenbildung und Abgrenzung von verschiedenen Abwicklungsformen vorzu-
8 Roth, Am.J. Comp.L. 27
(1979), 294. Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 187, dort „key concepts“. 10 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Vorbemerkungen zu Artt. 66–70 CISG, Rn. 16; Coetzee, Journal of Law and Commerce 32 (2013), 11. 11 Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 187. 12 Posch, in: Doralt, Das UNCITRAL‑Kaufrecht im Vergleich zum österreichischen Recht, S. 165 f. 13 Siehe nur die A 5 Bestimmungen der jeweiligen Incoterms; siehe auch Goode, Commercial Law, S. 868 f. 9 Vgl.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
nehmen. Die in UN‑Kaufrecht und GEK‑Vorschlag enthaltenen Gefahrtragungsnormen geben hierzu einen Leitfaden an die Hand. Bei der Einordnung sind auch die Liefervorschriften der Regelwerke, die mit dem Gefahrübergang nicht unmittelbar in Verbindung stehen, zu beachten. Sie spielen eine entscheidende Rolle auch für den Gefahrübergang, da die Vorschriften über die Lie ferung mangels konkreter Parteivereinbarung die Abwicklungsform bestimmen.14 Bei der Typenbildung bietet sich eine Orientierung an den Gefahrtragungsnormen in UN‑Kaufrecht und GEK‑Vorschlag an. Keines der Regelwerke bietet jedoch Definitionen für die Begriffe der verschiedenen Abwicklungsformen an. Die im wissenschaftlichen Diskurs für die verschiedenen Abwicklungsformen verwendeten Begriffe sind jedoch nicht aus sich heraus so klar und universell eindeutig, dass man ihre exakte Bedeutung voraussetzen könnte. Darüber hinaus werden die Begriffe teilweise auch unterschiedlich verwendet. Die Sichtweise und die Verpflichtung des Verkäufers sind der Ausgangspunkt der Terminologie. Er erbringt die vertragscharakteristische Leistung, indem er die Übergabe der Kaufsache schuldet. Deshalb soll folgendermaßen unterschieden werden:
1. Platzkauf Als Grundtyp des Kaufvertrages kann der sog. Platzkauf bezeichnet werden.15 Hinsichtlich der Terminologie bestehen jedoch Ungereimtheiten. Ganz überwiegend spricht man in der sich mit grenzüberschreitenden Kaufverträgen befassenden Literatur vom Platzkauf, wenn sich der Lieferort für die Ware am Sitz des Verkäufers befindet, der Käufer die Ware also dort entgegenzunehmen hat.16 Teilweise wird der Begriff des Platzkaufes jedoch auch mit anderer Bedeutung verwendet. Dann wird darunter verstanden, dass der Kauf an Ort und Stelle abgewickelt wird17 oder es sich um den Kauf innerhalb einer Ortschaft
14 Schulze/Zoll, Art. 93,
Rn. 4.
15 So auch Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 73. 16 Vgl. Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 200; Hager, Die Gefahrtragung
beim Kauf, S. 73; Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 398; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 23; Posch, in: Doralt, Das UNCITRAL‑ Kaufrecht im Vergleich zum österreichischen Recht, S. 171; Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 120; zur Verwendung im anglo-amerikanischen Rechtsraum Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 117; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 7; MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 4 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 3; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN‑Kaufrecht, Rn. 550; jurisPK‑BGB/Leible/Müller, § 446, Rn. 9; BeckOK BGB/Saenger, Art. 69, Rn. 2. 17 So BeckOK BGB/Spickhoff, VO (EG) 593/2008 Art. 4, Rn. 8.
§ 6 Typenbildung und Abgrenzung von verschiedenen Abwicklungsformen
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handelt18. In vermeintlich modernen wirtschafts- oder rechtswissenschaftlichen Lexika im Internet findet sich der Platzkauf ähnlich definiert.19 In diesem Sinne wird der Begriff des Platzkaufs jedoch hier nicht verwendet. Hier wird der Begriff mit dem im o. a. überwiegenden Schriftum vorherrschenden Verständnis – der Abwicklung am Verkäufersitz – verwendet. Beim Platzkauf liegt demnach eine Holschuld vor,20 bei der sowohl Leistungsort als auch Erfolgsort am Sitz des Verkäufers liegen. Verkauft also ein Verkäufer mit Sitz in Mailand Ware an einen Käufer in Würzburg und ergibt sich aus den Parteivereinbarungen des Kaufvertrages oder den anwendbaren Liefervorschriften, dass der Würzburger Käufer die Ware am Sitz des Verkäufers in Mailand abzuholen hat, liegt ein Platzkauf vor. Ebenso liegt der Fall, wenn der Käufer direkt zum Verkäufer kommt, der Kaufvertrag abgeschlossen wird und der Käufer die Ware gleich mitnimmt. Entscheidend ist mithin die Erfüllung der schuldrechtlichen Verpflichtung am Sitz des Verkäufers, wobei eine Beförderung21 nicht Vertragsinhalt wird. In der englischsprachigen Literatur zum englischen Recht oder zum UN‑ Kaufrecht entspricht das hier vorliegende Verständnis der Abwicklungsform, bei der von „taking over goods at seller’s place of business“ gesprochen wird.22 Die englischsprachige Literatur zum Überseekauf differenziert aber häufig feiner zwischen Lieferungs- und Gefahrtragungsfragen, indem man diese Fragen anhand einzelner Incoterms erörtert.23 Bei Verwendung der Klausel EXW hat der Käufer die Ware am bestimmten Ort abzuholen.24 Ist dies der Ort des Verkäufers, handelt es sich um einen Platzkauf.
18 So Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 11; auch Jauernig/Berger, § 447, Rn. 6; teilweise wird beim Kauf innerhalb einer Ortschaft auch vom „Platzgeschäft“ gesprochen, so Looschelders, Schuldrecht BT, Rn. 192; auch Kötz, Vertragsrecht, Rn. 841, beide erwähnen in diesem Zusammenhang, dass bei Vorliegen einer Schickschuld § 447 BGB Anwendung finden soll. 19 , zuletzt abgerufen am 29. 3. 2018; , zuletzt abgerufen am 29.3.2018. 20 MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 3; MünchKommHGB/Benicke, Art. 69, Rn. 2; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN‑Kaufrecht, Rn. 550. 21 Zur Abgrenzungsfrage bei der vom Käufer organisierten Beförderung siehe sogleich bei § 6 II.3. 22 Vgl. etwa Bridge, The Sale of Goods, 6.08; Benjamin’s Sale of Goods, 8-019; Honnold/ Flechtner, Art. 69, Rn. 374; Sekretariatskommentar, Art. 81 Nr. 2. 23 Vgl. etwa Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, S. 7 ff., 77 ff., 85 ff.; Benjamin’s Sale of Goods, part seven, 18-001 ff.; Bridge, The Sale of Goods, 4.22. 24 Vgl. etwa Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, S. 11.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
2. Fernkauf Eine andere im internationalen Handel auftretende Form des Kaufs ist der sog. Fernkauf25 („destination contract“26, „vente à destination“27). Er ist nicht mit der im deutschen und europäischen Verbraucherkaufrecht vorzufindenden Form des Fernabsatzkaufes zu verwechseln. Auch beim Fernkauf sind die Verwendungsweisen der Begriffe nicht immer einheitlich. Hier besteht auch bei unterschiedlicher Verwendung jedoch die Gemeinsamkeit, dass man vom Fernkauf spricht, wenn Liefer- und Übernahmeort der Ware ein anderer Ort als die Niederlassung des Verkäufers ist.28 Dies ist allen Verwendungsweisen gemein. Konsequenterweise sind dann drei verschiedene Möglichkeiten der Abwicklung denkbar: Lieferung am Sitz des Käufers, Lieferung an einem sonstigen dritten Ort und der Kauf eingelagerter oder herzustellender Ware mit Übernahme durch den Käufer am Sitz des Lagerhalters oder Herstellers (nicht des Verkäufers).29 Der Begriff des Fernkaufs wird unterschiedlich verwendet, die Nutzung ist unübersichtlich. Teilweise wird der Begriff dergestalt verwendet, dass er alle der drei genannten Formen erfasst.30 Andere bezeichnen als Fernkauf die Lieferung des Verkäufers an den Käufersitz oder an einen dritten Ort, der weder 25 Zur Verwendung des Begriffs siehe Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 202; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 101; Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 399; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 23; Posch, in: Doralt, Das UNCITRAL‑Kaufrecht im Vergleich zum österreichischen Recht, S. 171; Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 120; zur Verwendung im anglo-amerikanischen Rechtsraum Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 47, 64; mit dem Verständnis der Lieferung von Waren am Bestimmungsort BGH 04.04.1979, NJW 1979, 1784; MünchKommHGB/Benicke, Art. 69, Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 6; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN‑Kaufrecht, Rn. 553; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 18; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 19; MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 8; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 18; BeckOK BGB/Saenger, Art. 69, Rn. 8. 26 Goode, Commercial Law, S. 867; Goodfriend, Columb.J. Transnat.L. 22 (1984), S. 597; Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 65; Posch, in: Doralt, Das UNCITRAL‑Kaufrecht im Vergleich zum österreichischen Recht, S. 171; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 101; Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 195. 27 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 101; Posch, in: Doralt, Das UNCITRAL‑ Kaufrecht im Vergleich zum österreichischen Recht, S. 171. 28 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 19; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 202; Posch, in: Doralt, Das UNCITRAL‑Kaufrecht im Vergleich zum österreichischen Recht, S. 171. 29 Siehe nur MünchKommHGB/Benicke, Art. 69, Rn. 5; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 19; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/ Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 18. 30 So bei Posch, in: Doralt, Das UNCITRAL‑Kaufrecht im Vergleich zum österreichischen Recht, S. 171.
§ 6 Typenbildung und Abgrenzung von verschiedenen Abwicklungsformen
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Käufer- noch Verkäufersitz ist und benennen die Lieferung eingelagerter oder herzustellender Ware als gesonderte Kategorie.31 Teilweise unterscheiden die Autoren in diesem Zusammenhang auch alle drei der genannten (Unter-)Abwicklungsformen. Als Fernkauf wird dann die Lieferung des Verkäufers an einen von Käufer- und Verkäufersitz unabhängigen dritten Ort beschrieben, wohingegen die Lieferung an den Sitz des Käufers als Bringschuld bezeichnet ist und der Kauf eingelagerter oder herzustellender Ware eben als solcher.32 Aufgrund dieser verschiedenen Verwendung könnte man geneigt sein, vom Fernkauf im weiteren und im engeren Sinne zu sprechen. Der Fernkauf im weiteren Sinne würde dann alle drei o. g. Abwicklungsmöglichkeiten erfassen, der Fernkauf im engeren Sinn nur die Lieferung der Ware an einen dritten Ort. Die Gemeinsamkeit der drei Abwicklungsformen ist, dass jeweils Leistungsort und Erfolgsort zusammenfallen und sich nicht am Verkäufersitz befinden. Der Begriff des Fernkaufs wird hier jedoch nicht im ganz engen Sinn verstanden und für die Fälle der Lieferverpflichtung des Verkäufers zum Sitz des Käufers oder zu einem dritten Ort verwendet.33 Hierzu ist erforderlich, dass den Verkäufer zum jeweiligen Ort eine Bringschuld trifft und gerade keine Schickschuld, die für den Versendungskauf charakteristisch ist. Welche Art der Schuld vorliegt und ob eine Bringschuld des Verkäufers gewollt ist, hat durch genaue Auslegung der von den Parteien übernommenen Verpflichtungen zu erfolgen. Beim Fernkauf liegen Leistungsort und Erfolgsort am vereinbarten Lieferort. Soll sich also der Verkäufer seiner Lieferverpflichtung erst an dem von den Parteien bestimmten Ort (Käufersitz oder dritter Ort) entledigen können und soll dort auch der Bestimmungsort der Ware liegen, liegt eine Bringschuld des Verkäufers zu diesem Ort vor. Hier liegen Leistungsort und Erfolgsort. Wurden weder Verkäufer-, noch Käufersitz als Lieferort vereinbart, schuldet der Verkäufer die gesamte Beförderung zu diesem Ort und es liegt eine Bringschuld des Verkäufers bis zum vereinbarten Ort vor.34 Etwas anderes kann sich erge31 Choi,
Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 47; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 202; Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 399; MünchKommHGB/ Benicke, Art. 69, Rn. 5; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN‑Kaufrecht, Rn. 553; Witz/ Salger/Lorenz/Witz, Art. 69, Rn. 9. 32 So Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 19; MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 8; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/ Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 6; BeckOK BGB/Saenger, Art. 69, Rn. 8; nicht eindeutig bei Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 18 deutet auf eine Unterscheidung zwischen Fernkauf und Bringschuld hin, während Rn. 22 darauf hindeutet, dass der Begriff des Fernkaufs sowohl die Lieferung am Käufersitz als auch an einem vereinbarten dritten Ort umfasst. 33 So eben auch Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 47; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 202; Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 399; MünchKommHGB/Benicke, Art. 69, Rn. 5. 34 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 67 CISG, Rn. 3.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
ben, wenn an diesem dritten Ort die Übergabe an einen Beförderer geschuldet wird.35 Die Verwendung des Begriffes Fernkauf im engen Sinn, also der Lieferung der Ware zu einem von Käufer- und Verkäufersitz unabhängigen dritten Ort,36 ist m. E. nicht erforderlich und zielführend. Die Konsequenz wäre, den Fall der Lieferpflicht zum Käufersitz als Bringschuld zu bezeichnen. Jedoch liegt eben auch in den Fällen der Lieferung zu einem dritten Ort eine Bringschuld vor, wenn dort der Käufer die Ware zu übernehmen hat. Den beiden Fällen ist also die Bringschuld zum Bestimmungsort gemein, sei er Käufersitz oder ein dritter Ort. Demgegenüber rechtfertigt sich die Abgrenzung des Fernkaufs zum Kauf von an drittem Ort eingelagerter oder herzustellender Ware aus dem dort fehlenden Erfordernis einer Bringschuld. Denn wenn sich die Ware bereits an diesem Ort befindet, kann den Verkäufer gerade keine Bringschuld mehr treffen, es liegt eine Holschuld des Käufers an diesem Ort vor. Aus systematischen Gesichtspunkten ist es m. E. daher gerechtfertigt, die Fälle der Bringschuld zusammenzufassen.37 Beim Fernkauf liefert der Verkäufer also an den Käufersitz oder einen dritten Ort und hat dorthin jeweils eine Bringschuld.
3. Versendungskauf Häufig erfordern gerade grenzüberschreitende Kaufverträge die Beförderung der Ware. Hierbei ist der Versendungskauf38 („shipment contract“39, „vente à expedition“40) eine praktisch bedeutsame Kaufabwicklungsform. Der Versendungskauf ist nicht vom Begriff eines Fernkaufs im weiten Sinne erfasst, der in tatsächlicher Hinsicht jedoch ebenfalls die Beförderung der Ware erfordert. Ein für Fern- und Versendungskäufe übergeordneter Begriff kann im sog. Distanzkauf41 gesehen werden,42 als Abwicklungsform, bei der die Ware 35 Dann entsteht ein Abgrenzungsproblem zum Versendungskauf, dazu sogleich bei § 6 II.3. 36 So die in Dritter Teil Fn 32 Genannten. 37 Wie die in Dritter Teil Fn. 31 Genannten. 38 Zum Begriff vgl. nur Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 9; MünchKommHGB/Benicke, Art. 67, Rn. 2; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 5; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 67 CISG, Rn. 1; BeckOK BGB/Saenger, Art. 67, Rn. 1; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 1; Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 146; Niggemann, in: Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 80; Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 47, 64; in der Rspr. siehe OLG Köln 09.07.1997, CISG-online 495; BGH 04.04.1979, NJW 1979, 1783 f. 39 Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 65; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 79. 40 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 79. 41 Der Begriff des Distanzkaufs ist jedoch nicht mit dem Begriff des „vente à distance“ zu verwechseln, der im französischen Recht für Fernabsatzkäufe steht. 42 So überzeugend Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 79; auch Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 2. Band, S. 325; hingegen sehen Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 67, Rn. 4; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN‑Kaufrecht, Überschrift vor Rn. 539; Beck-
§ 6 Typenbildung und Abgrenzung von verschiedenen Abwicklungsformen
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nach dem Vertrag über eine gewisse Distanz reist. Demgegenüber hat eine Beförderung beim Platzkauf (für den Verkäufer) nach dem Vertrag überhaupt keine Bedeutung, die Parteien treffen keine Vereinbarungen über einen (von einem durch den Verkäufer oder einen Beförderer) durchzuführenden Transport. Auch die genaue Verwendung und Abgrenzung des Versendungskaufs ist nicht überall gleich und wirft daher Probleme auf. Teilweise werden hierfür mehr oder weniger Voraussetzungen aufgestellt und der Begriff dementsprechend eingeengt. Es sind daher zunächst die klaren Erfordernisse aufzustellen und sodann Abgrenzungsprobleme darzulegen. Beim Versendungskauf erfordert der Kaufvertrag die Beförderung der Ware.43 Erforderlich ist, dass die Lieferung durch Übergabe an den Beförderer geschuldet ist, der Transport durch einen Beförderer durchgeführt wird und weder eine reine Hol- noch eine reine Bringschuld, mithin eine Schickschuld vereinbart ist.44 Der Versendungskauf ist also grundsätzlich durch das Vorliegen einer Schickschuld45 gekennzeichnet, bei der Leistungsort und Erfolgsort voneinander abweichen. Der Leistungsort liegt i. d. R. am Sitz des Verkäufers, es kann aber auch ein anderer Ort vereinbart werden, an dem die Ware dem Beförderer zu übergeben ist.46 Der Erfolgsort liegt dann an dem Ort, an dem die Ware dem Käufer vom Beförderer ausgehändigt wird. Dies wird i. d. R. der Sitz des Käufers sein. Da bei der Schickschuld der Leistungsort am gleichen Ort liegt wie bei der Holschuld (i. d. R. Verkäufersitz) und mit dem abweichenden Erfolgsort nur ein weiterer Ort hinzukommt, wird die Schickschuld vereinzelt auch als OK BGB/Saenger, Art. 67, Rn. 1 im Begriff des Distanzkaufs offenbar ein Synonym zum Versendungskauf; bei Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, S. 141 wird der Begriff dagegen in einer Bedeutung verwendet, die der hier für Fernkauf verwendeten Bedeutung entspricht; wiederum etwas anders, aber wohl ähnlich wie Hager, sprechen Schlechtriem/Schwenzer/ Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 18, Fn. 25 dann von einem Distanzkauf, „wenn Verkäufer und Käufer an verschiedenen Orten ihren Sitz haben und der Kaufvertrag nicht bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile über an Ort und Stelle präsente Ware abgeschlossen wird“. 43 Honnold/Flechtner, Art. 67, Rn. 364; Achilles, Art. 67, Rn. 2; BeckOK BGB/Saenger, Art. 67, Rn. 2; Brunner, Art. 67, Rn. 2; Ferrari/Mankowski, Int Vertragsrecht Art. 67 CISG, Rn. 3; Herber/Czerwenka, Art. 67, Rn. 3; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 194; Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 9. 44 MünchKommHGB/Benicke, Art. 67, Rn. 2; BeckOK BGB/Saenger, Art. 67, Rn. 1; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 2. 45 Der Versendungskauf ist weiterhin der Hauptanwendungsfall der Schickschuld; andere Anwendungsfälle der Schickschuld sind im deutschen Recht noch das Rücksenden der Ware durch den Verbraucher nach Ausübung seines Widerrufsrechts gem. § 355 III BGB sowie, als sog. qualifizierte Schickschuld, die Geldschuld, so immer noch MünchKomm/Krüger § 269, Rn. 7; § 270, Rn. 1, 17; die Geldschuld wird aber nach der Entscheidung des EuGH 03.04.2008 – Rs. C-306/06 (01051 Telecom GmbH/Deutsche Telekom AG), NJW 2008, 1935 auch teilweise als qualifizierte Bringschuld behandelt, vgl. statt vieler Palandt/Grüneberg, § 270, Rn. 1. 46 UN‑Kaufrecht und der GEK‑Vorschlag halten für den Fall der Übergabe an einem bestimmten Ort eigene Gefahrtragungsnormen vor, vgl. Art. 67 I 1, 2 CISG sowie Art. 145 II, III GEK‑Vorschlag.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
Unterfall der Holschuld bezeichnet.47 Der Unterschied zum Fernkauf besteht im Vorliegen einer Schickschuld, dem Auseinanderfallen von Leistungsort und Erfolgsort sowie darin, dass der Verkäufer seine Lieferpflicht mit der Übergabe an die Transportperson erfüllt.
a) Wer organisiert den Transport? Diskutiert wird, ob ein Versendungskauf zwingend die Organisation der Beförderung durch den Verkäufer erfordert. Nach einer Auffassung soll es sich lediglich dann um einen Versendungskauf handeln, wenn die Beförderung vom Verkäufer zu organisieren ist.48 Für eine große Anzahl an Stimmen ist jedoch die Frage, wer den Transport organisieren soll, nicht entscheidend und sie nehmen einen Versendungskauf auch dann an, wenn die Parteien sich darauf einigen, dass der Käufer den Transport organisieren soll.49 Durch letztere Auffassung bestehen Abgrenzungsschwierigkeiten mit dem Platzkauf, wenn der Käufer den Transport durch einen Beförderer veranlasst, da hier letztlich eben auch eine Holschuld vorliegen kann. Da eine große Anzahl an Stimmen auch bei einem vom Käufer organisierten Transport von Versendungskäufen ausgeht, soll die Streitfrage in dieser Arbeit für die Einordnung einer solchen Abwicklungsform als Versendungskauf zunächst gleichgültig sein. Entscheidend ist, dass der Verkäufer seine Lieferpflicht nach der Parteivereinbarung durch Übergabe der Ware an den Beförderer erfüllt. Diese Fälle werden hier unter der Abwicklungsform des Versendungskaufs thematisiert. Es wird gerade auch Aufgabe der Gefahrtragungsregeln sein, die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen Platzkauf und Versendungskauf in den Fällen der Transportorganisation durch den Käufer zu entschärfen und möglicherweise einen einheitlichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs zu bestimmen.
b) Selbstständiger Beförderer oder auch Eigentransport? Weiterhin ist umstritten, welche Anforderungen an die Person des Beförderers zu stellen sind, ob dieser eine selbstständige Transportperson sein muss50 oder 47 So 48 So
nur Fikentscher/Heinemann, Rn. 282. Achilles Art. 31, Rn. 3; Herber/Czerwenka, Art. 31, Rn. 4; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 108; Piltz, in: Kröll/Mistelis/Viscasillas, Art. 31, Rn. 13; Piltz, Internationales Kaufrecht, § 4, Rn. 19; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 13. 49 So Brunner, Art. 31 Rn. 5; Enderlein, in: Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 31, Anm. 5; Ferrari/Saenger, Int. Vertragsrecht Art. 31 Rn. 4; Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 111; Reinhart, Art. 31, Rn. 5; Sekretariatskommentar Art. 29 Nr. 5 ff.; Honnold/Flechtner, Art. 31, Rn. 208; MünchKomm/Gruber, Art. 31, Rn. 15; Soergel/Lüderitz/Schüßler-Langeheine, Art. 31, Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 31, Rn. 16. 50 So zum UN‑Kaufrecht Honnold/Flechtner, Art. 67, Rn. 369.1; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 67, Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 67, Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 22; Schlechtriem/Schwenzer/ Widmer, 5. Auflage, Art. 31, Rn. 19; Staudinger/Magnus, Art. 31, Rn. 13; Herber/Czerwenka,
§ 6 Typenbildung und Abgrenzung von verschiedenen Abwicklungsformen
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ob angestellte Personen aus dem Lager des Verkäufers genügen51. Hier treten Abgrenzungsprobleme zum Fernkauf auf, wenn der Versendungskauf den Transport durch eigene Leute des Verkäufers einschließt. Auch diese Streitfrage ist für die Einordnung des Versendungskaufs nicht zu entscheiden. Vielmehr ist dann innerhalb der gegenständlichen Regelungen zu untersuchen, ob die jeweilige Gefahrtragungsnorm anzuwenden ist oder nicht. Im Rahmen dieser Arbeit ist das entscheidende Kriterium für die Behandlung dieser Frage in Zusammenhang mit dem Gefahrübergang beim Versendungskauf, wo der zwischen den Parteien vereinbarte Leistungsort liegt, an welchem Ort mithin der Verkäufer seine Lieferpflicht schuldet. Ist nach der Vereinbarung die Erfüllung der Lieferpflicht am Sitz des Verkäufers vorzunehmen, werden diese Fälle im Rahmen dieser Arbeit unter dem Begriff des Versendungskaufs diskutiert, auch wenn, wie gerade zum deutschen Recht vielfach diskutiert wird, der Transport mittels eigenen Personals erfolgt.
c) Übergabe an Beförderer oder Käufer? Eine weitere Abgrenzungsfrage zwischen Versendungskauf und Fernkauf stellt sich unter Umständen in den Fällen der Lieferung des Verkäufers an einen dritten Ort. Denn in diesen Fällen kann es nicht nur vereinbart sein, dass die Ware dort dem Käufer zu übergeben ist, sondern häufig ist die Ware an diesem dritten Ort von einem Beförderer entgegenzunehmen52. Soll ein deutscher Verkäufer die Ware für einen russischen Käufer nach Hamburg liefern, so ist danach zu unterscheiden, ob zu der Bringschuld des Verkäufers bis zu dem bestimmten Ort der Übergabe an den Beförderer – Hamburg – noch eine Schickschuld hinzutritt. Hat der Verkäufer nach der Vereinbarung dort an einen Beförderer zu liefern, der die Ware bspw. nach Russland zu verschiffen hat, so sind diese Fälle unter den Versendungskäufen zu behandeln.53 Findet hingegen die Übergabe an den Käufer statt, liegt ein Fernkauf vor.54 Entscheidend für die Einordnung als Versendungskauf ist also, ob der Vertrag den Verkäufer zu einer Übergabe an den Beförderer verpflichtet,55 im Vertrag also auch eine Schickschuld vereinbart ist. Art. 31, Rn. 4; MünchKomm/Gruber, Art. 31, Rn. 16; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 10; zweifelhaft Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 108; zum deutschen Recht Wertenbruch, JuS 2003, 628; Kornblum, S. 136; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 85; Heilmann, Mängelgewährleistung im UN‑Kaufrecht, S. 229 f. 51 RG 19.09.1919, RGZ 96, 259; OLG Nürnberg 24.11.1967, BB 1968, 355; BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 9; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 16; Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 14; Oetker/Maultzsch, S. 141; Reinicke/Tiedtke, Rn. 169; Ernst, ZIP 1993, 488; Hüffer, JuS 1988, 130; Mansel/Stürner, JuS 2006, 610. 52 Bspw. Fälle der F- und C‑Klauseln der Incoterms oder Art. 67 I 2 CISG. 53 Honnold/Flechtner, Art. 31, Rn. 208; Bianca/Bonell/Lando, Art. 31, Anm. 2. 4. 54 So insgesamt Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 202, Fn. 62. 55 Erauw, Journal of Law and Commerce 25 (2005/06), 211; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 67 CISG, Rn. 3.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
4. Verkauf reisender Ware Ein Verkauf reisender Ware liegt vor, wenn sich die Ware zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits auf dem Transportmittel befindet.56 Diese Abwicklungsform weist damit Parallelen sowohl zum Kauf eingelagerter Ware als auch zum Versendungskauf auf. Denn wie beim Kauf eingelagerter Ware befindet sich die Ware an einem Ort, der weder Käufersitz noch Verkäufersitz ist. Die Umstände des Vertrages erfordern zudem wie beim Versendungskauf ebenfalls eine (Weiter-)Beförderung der Ware,57 die aber bereits organisiert ist. Der Unterschied zum Kauf eingelagerter Ware besteht jedoch darin, dass beim Verkauf reisender Ware Leistungsort (Transportmittel) und Erfolgsort (Bestimmungsort des Transportmittels) – wie beim Versendungskauf – auseinanderfallen, während sie beim Kauf von an drittem Ort eingelagerter Ware gerade an diesem dritten Ort zusammenfallen.58 Die gesonderte Behandlung des Verkaufs reisender Ware im Verhältnis zum Versendungskauf in puncto Gefahrtragung liegt auf der Hand: Im Zeitpunkt des Verkaufs hat auch der Verkäufer keine Sachherrschaft mehr und damit keine Möglichkeit, sich selbst von der Schadensfreiheit der Sache zu überzeugen. Denn der Leistungsort ist im Gegensatz zum Versendungskauf eben nicht der Sitz des Verkäufers, sondern das mit der Ware beladene Transportmittel. Für die Einordnung als Verkauf reisender Ware ist es ohne Bedeutung, ob sich die Ware gerade auf der Beschaffungsstrecke des Verkäufers befindet. Zudem ist nicht relevant, ob die Ware nach dem Kaufvertragsschluss umgeleitet wird. Lässt sich also ein Hamburger Weinhändler von einem chilenischen Erzeuger chilenischen Rotwein liefern und veräußert er diesen noch während des Seetransportes an einen Kunden in Hamburg, der diesen dann in Hamburg entgegennehmen soll, so handelt es sich um einen Verkauf reisender Ware. Genauso liegt aber ein Fall reisender Ware vor, wenn dieser Kunde nun in Oslo sitzt und der Hamburger Händler den Transporteur anweist, er solle die Ware direkt nach Oslo liefern. Auch wenn der Hamburger Händler sich die Ware zunächst nach Hamburg liefern ließe, sie anschließend an einen Kunden in Oslo liefern wollte, während des Transports nach Oslo die Ware aber an einen Kunden nach Reykjavík verkauft und umleitet, liegt ein Verkauf reisender Ware vor. Entscheidend ist also, dass sich die Parteien über die Veräußerung auf dem Transport befindlicher Ware einig sind und keine Gestaltung gewählt haben, nach der die Lieferung als Bringschuld bis zum Käufer ausgestaltet ist.
56 Karollus, 57 Karollus,
UN‑Kaufrecht, S. 109. UN‑Kaufrecht, S. 109. 58 Vgl. dazu sogleich § 6 II.5.
§ 6 Typenbildung und Abgrenzung von verschiedenen Abwicklungsformen
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5. Kauf eingelagerter oder herzustellender Ware Die Abholung von Ware durch den Käufer an einem dritten Ort, an dem die Ware herzustellen oder eingelagert ist, stellt in gewisser Weise eine Abwandlung des Platzkaufs dar. Die Gemeinsamkeit des Fernkaufs und des Kaufs herzustellender oder eingelagerter Ware ist die Lieferung an einem Ort, der nicht der Sitz des Verkäufers ist. Der Zusammenhang mit dem Fernkauf besteht darüber hinaus dadurch, dass der Begriff des Fernkaufs teilweise auch als Oberbegriff für den Kauf herzustellender oder eingelagerter Ware verwendet wird.59 Klarzustellen ist, dass der Zusammenhang nur besteht, wenn es sich um an einem von Käufer- und Verkäufersitz verschiedenen dritten Ort herzustellende oder eingelagerte Ware handelt. Maßgeblich für die hier gesonderte Behandlung ist, dass der Käufer die Ware an diesem Ort abzuholen hat. Nicht unter den Begriff des Kaufs eingelagerter oder herzustellender Ware fallen demnach Fälle, bei denen an einem dritten Ort herzustellende oder eingelagerte Ware vom Verkäufer an den Sitz des Käufers geliefert wird (dann Fernkauf) oder sie von einem Beförderer vom dritten Ort zum Käufer geliefert wird (dann Versendungskauf)60, was jedoch selbstverständlich möglich ist. Die gemeinsame Behandlung von herzustellender und eingelagerter Ware mag auf den ersten Blick überraschen und man mag möglicherweise geneigt sein, sie als residuelle Kategorie zu bezeichnen. Die Gemeinsamkeiten sind jedoch die Aufbewahrung der Ware an einem dritten Ort und die Holschuld des Käufers.61 Weiterhin ist zu bedenken, dass es im UN‑Kaufrecht in Art. 31 lit. b) CISG gerade eine Liefervorschrift gibt, die beide Formen in einer Vorschrift bündelt.
III. Nutzen der Typenbildung für Untersuchung der Preisgefahr Auf Grundlage dieser Typenbildung wird nun die Preisgefahr, d. h. insbesondere die Anwendung der verschiedenen Vorschriften und die sich hieraus ergebenden Voraussetzungen und Zeitpunkte des Gefahrübergangs bei Platzkauf (unten § 7), Fernkauf (unten § 8), Versendungskauf (unten § 9), Verkauf reisender Ware (unten § 10) und dem Kauf von an einem dritten Ort eingelagerter oder herzustellender Ware (unten § 11) untersucht.
59 Vgl. Posch, in: Doralt, Das UNCITRAL‑Kaufrecht im Vergleich zum österreichischen Recht, S. 171. 60 Dazu siehe oben § 6 II.3. 61 Der Unterschied zum Platzkauf ist also, dass die Holschuld beim Platzkauf am Sitz des Verkäufers besteht.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
§ 7 Platzkauf Die Bezeichnung des Platzkaufs als Grundtypus im Rahmen der Abwicklung eines Kaufvertrags62 kann vor allem daran festgemacht werden, dass die einen Platzkauf anordnende Regelung meist eine Grund- oder Auffangregel für den Gefahrübergang in dem jeweiligen Regelwerk darstellt.63
I. UN‑Kaufrecht Zunächst unterscheidet das UN‑Kaufrecht den Fall der Erfüllung am Sitz des Verkäufers gem. Art. 69 I CISG klar von der Erfüllung an einem anderen Ort, Art. 69 II CISG. Es findet sich somit in Art. 69 I CISG eine ausdrückliche Regelung des Gefahrübergangs für den Platzkauf, welche sich auch in den Voraussetzungen für den Gefahrübergang von anderen Abwicklungsformen unterscheidet.
1. Vorliegen eines Platzkaufs im UN‑Kaufrecht Das Vorliegen eines Platzkaufs kann sich im UN‑Kaufrecht aus einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien ergeben. Häufig wird hier neben einer ausdrücklichen Abrede auch auf Incoterms zurückgegriffen. Hier ist vor allem an die Klausel EXW (Ex Works: ab Werk) zu denken.64 Fehlt es an einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien über den Lieferort, so ergeben sich die Modalitäten für die Abwicklung des Kaufvertrags aus den Normen des Übereinkommens. Für die Bestimmung des Lieferortes sind die Vorschriften über die Lieferung der Ware entscheidend, Art. 31 ff. CISG. Eine Regelung des Platzkaufs findet sich in Art. 31 lit. c) CISG, wonach der Verkäufer die Ware an seinem Sitz zur Verfügung zu stellen hat. Auch aus Art. 31 lit. b) CISG kann sich aber ein Platzkauf ergeben, wenn die Ware am Sitz des Verkäufers lagert oder hergestellt wird und die Parteien dies bei Vertragsschluss wussten. Hat der Verkäufer mehrere Niederlassungen, so ist Erfüllungsort die Niederlassung mit der engsten Beziehung zum Vertrag, Art. 10 lit. a) CISG; fehlt eine Niederlassung, so ist Erfüllungsort der gewöhnliche Aufenthalt des Verkäufers, Art. 10 lit. b) CISG.65 Umstritten ist das Verhältnis der Vorschriften innerhalb des Art. 31 CISG, insbesondere die Rangfrage von Art. 31 lit. a) und c) CISG. 62 Vgl.
schon oben Dritter Teil Fn. 15. es sich in den einzelnen Rechtsordnungen um eine Grundregel oder eine Auffangregel handelt, ist teilweise strittig. 64 Wobei dann im Regelfall auch deren Regelung für den Gefahrübergang Anwendung finden. 65 So auch schon im UNCITRAL‑Entwurf eines Übereinkommens über internationale Warenkaufverträge, vgl. U. Huber, RabelsZ 43 (1979), 452. 63 Ob
§ 7 Platzkauf
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Ein Teil der Stimmen in der Literatur nimmt den Versendungskauf gem. Art. 31 lit. a) CISG als Regelfall an, so dass der Platzkauf zur subsidiären Auffangregel wird.66 Teilweise geht man aufgrund der systematischen Stellung des Art. 31 lit. a) CISG als Regelfall gar von einer gesetzlichen Vermutung einer Versendungspflicht aus.67 Andere weisen auf den rein praktisch gesehen subsidiären Charakter des Platzkaufs hin, da bei den grenzüberschreitenden Verträgen des UN‑Kaufrechts meist eine Beförderung notwendig wird und dann Art. 31 lit. a) CISG anzuwenden sei.68 Jedenfalls soll der Lieferort nur am Verkäufersitz liegen, wenn die Art. 31 lit. a), b) CISG nicht einschlägig sind. Andere gehen hingegen vom Platzkauf gem. Art. 31 lit. c) CISG als regelungstechnischem Grundsatz aus.69 Die Lieferverpflichtung ist im UN‑Kaufrecht dann grundsätzlich als Holschuld ausgestaltet.70 Alleine das häufige praktische Bedürfnis einer Beförderung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Parteien die Beförderung der Ware vereinbaren müssen oder die Beförderung sich zumindest aus Handelsbrauch oder Gepflogenheiten ergeben muss, denn eine grundsätzliche Pflicht des Verkäufers, für die Beförderung zu sorgen, kennt das UN‑Kaufrecht gerade nicht.71 Eine gesetzliche Vermutung für eine Versendungspflicht scheint daher zu weit zu gehen, selbst wenn man Art. 31 lit. a) CISG als Regelfall ansehen möchte. Hierfür spricht auch der Wortlaut des Art. 31 lit. a), der verlangt, dass der Kaufvertrag eine Beförderung der Ware erfordert. Dies kann nichts anderes als eine im Vertrag selbst verankerte Verpflichtung bedeuten und eben keine gesetzliche Vermutung. Für den Platzkauf dürfte im UN‑Kaufrecht selbst bei Anerkennung des Art. 31 lit. c) CISG als Grundregel eher ein geringerer Anwendungsbereich verbleiben, da die Parteien eines grenzüberschreitenden Kaufvertrags häufig eine Beförderung vertraglich vereinbaren werden. Greift Art. 31 lit. c) CISG ein, so bestimmt sich der Übergang der Kaufpreisgefahr nach Art. 69 I CISG.72 66 Soergel/Lüderitz/Schüßler-Langeheine, Art. 31, Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 18; Achilles, Art. 31, Rn. 3; wohl auch Piltz, Internationales Kaufrecht, § 4, Rn. 43. 67 So Soergel/Lüderitz/Schüßler-Langeheine, Art. 31, Rn. 5. 68 Ferrari/Saenger, Int. Vertragsrecht, Art. 31 CISG, Rn. 1; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 31, Rn. 3; Soergel/Lüderitz/Schüßler-Langeheine, Art. 31, Rn. 5. 69 OLG Köln 16.07.2001, CISG-online 609; LG Aachen 14.05.1993, CISG-online 86; MünchKomm/Gruber, Art. 31, Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 31, Rn. 8; Reinhart, Art. 31, Rn. 9; Herber/Czerwenka, Art. 69, Rn. 2; Niggemann, in: Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 79; auch Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 31, Rn. 3. 70 Niggemann, in: Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 79. 71 Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 17. 72 Lindacher nimmt offenbar an, dass die Gefahrtragungsregel des Art. 69 I CISG nicht nur beim sog. Platzkauf anzuwenden ist, sondern auch in der Fallgestaltung, dass Erfüllungsort die Niederlassung des Käufers, die Verkäuferschuld also reine Bringschuld ist, vgl. Lindacher, in: Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 170. Dieser Auffassung steht aber der diesbezüglich deutliche Wortlaut des Art. 69 I, II CISG entgegen. Denn auch bei der
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
2. Systematische Stellung des Gefahrübergangs beim Platzkauf Die Vorschrift zum Gefahrübergang beim Platzkauf in Art. 69 I Alt. 1 CISG stellt im System der Gefahrtragungsvorschriften des Kapitels IV eine subsidiäre Grundregel dar.73 Dies folgt aus einer Gesamtschau der Formulierungen in Art. 69 CISG. Schon Art. 69 I CISG selbst beschränkt seinen Anwendungsbereich, indem er nur in einem nicht durch Art. 67, 68 CISG geregelten Fall eingreifen soll. Liegen die in den Art. 67, 68 CISG beschriebene Abwicklungsformen des Kaufvertrags vor, so bestimmen sich Voraussetzungen und Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorrangig hiernach. Zudem folgt der subsidiäre Charakter aus dem Wortlaut des Art. 69 II CISG. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass Art. 69 I CISG nur angewendet werden soll, wenn der Käufer die Ware beim Verkäufer abholen muss.74 Hat die Übernahme an einem anderen Ort als dem Verkäufersitz zu erfolgen, so ist dem Art. 69 II CISG Vorrang zu gewähren. Trotz dieser Regelungstechnik der Art. 67 ff. CISG darf nicht die Bedeutung des Art. 69 I CISG als Grundregel verkannt werden, welche solange Geltung beansprucht, als nicht der Tatbestand einer spezielleren Regelung erfüllt ist.75
3. Zeitpunkt des Gefahrübergangs Hat der Käufer die Ware am Sitz des Verkäufers abzuholen, so geht die Kaufpreisgefahr grundsätzlich über, sobald der Käufer die Ware übernimmt, Art. 69 I Alt. 1 CISG. Das UN‑Kaufrecht knüpft den Übergang der Preisgefahr somit an den Übergang der tatsächlichen Sachherrschaft76 und folgt dem Traditionsprinzip. Um den Verkäufer aber nicht unverhältnismäßig zu belasten, wird der Zeitpunkt des Gefahrübergangs auf den Käufer vorgezogen, falls der Käufer die Ware nicht rechtzeitig übernimmt. Der Gefahrübergang bei Nichtabnahme gem. Art. 69 I Alt. 2 CISG wird im Teil des vertragswidrigen Verhaltens des Käufers näher betrachtet.77 Für die Bestimmung des genauen Zeitpunkts des Gefahrübergangs sind die Anforderungen an die „Übernahme“ zu untersuchen. Letztlich wird schon anhand der Begrifflichkeit „übernimmt“ in Art. 69 I Alt. 1 CISG deutlich, dass hier auch eine Handlung des Käufers zu erfolgen hat.78 Dies signalisiert auch das reinen Bringschuld hat der Käufer die Ware an einem anderen Ort als der Niederlassung des Verkäufers zu übernehmen, so dass der Anwendungsbereich des Art. 69 II CISG eröffnet ist. 73 Brunner, Art. 69, Rn. 1; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 203; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 5; Piltz, Internationales Kaufrecht, § 4, Rn. 287; Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 69, Rn. 4; Schlechtriem/Butler, UN Law on International Sales, Rn. 232. 74 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 5. 75 Lindacher, in: Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 169. 76 Schlechtriem/Butler, UN Law on International Sales, Rn. 232. 77 Siehe dazu unten § 13. 78 Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 28.
§ 7 Platzkauf
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Vorliegen einer Holschuld und trägt diesem Schuldcharakter Rechnung.79 Die Übernahme i. S. d. Art. 69 I Alt. 1 CISG bedeutet die Erfüllung der dem Käufer gem. Art. 60 lit. b) CISG auferlegten Verpflichtung.80 Der Gefahrübergang wird mit der körperlichen Annahme bewirkt,81 so dass der Käufer die tatsächliche Herrschaft über die Ware erhält.82 Da von nun an der Käufer die Sachherrschaft innehaben soll, ist ein Wechsel der Sachherrschaft notwendiger Bestandteil der Übernahme.83 Durch diese Anknüpfung wird gewährleistet, dass der Verkäufer die Gefahr nicht länger trägt, als er auch die Kontrolle über die Ware hat.84 Auch die Übernahme durch Erfüllungsgehilfen des Käufers, eigene Leute oder Frachtführer, bewirkt den Gefahrübergang.85 Der Gefahrübergang ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Käufer die Ware lediglich in Gewahrsam hat, weil er zur Erhaltung verpflichtet und gleichzeitig zur Zurückweisung der Ware berechtigt ist. Hierbei erfolgt die Übernahme nicht als Erfüllungsleistung.86 Ungeregelt ist hingegen die praktisch bedeutsame Frage, wer das Verlade risiko am Sitz des Verkäufers trägt. Gerade hierbei kommt es häufig zu zufälligen Beschädigungen oder Verschlechterungen der Ware, wodurch sich die Frage nach der Gefahrtragung stellt. Eine geeignete Lösung kann hier mithilfe des beim Platzkauf vorliegenden Schuldcharakters entwickelt werden. Da eine Holschuld des Käufers vorliegt, ist es nur konsequent, diesem auch das Risiko der Verladung aufzuerlegen.87 Daran ließe sich mit Blick auf den Wortlaut „Übernahme“ i. S. d. Art. 69 I Alt. 1 CISG zweifeln. Da eben eine „Übernahme“ durch den Käufer verlangt wird und keine bloße „Zurverfügungstellung“ des Verkäufers, könnte man geneigt sein, das Verladerisiko dem Verkäufer zuzuweisen. Schließlich deutet eine „Übernahme“ auch größere Anstrengungen durch den Verkäufer an, als wenn er die Ware dem Käufer bloß zur Verfügung stellen müsste. Da der Verkäufer bei der Holschuld aber nicht das Verladen 79 Schlechtriem/Butler,
UN Law on International Sales, Rn. 232. Koller, Art. 69, Rn. 7; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 31, Rn. 3. 81 Rechtbank Arnhem 17.07.1997, CISG-online 548; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz, Art. 69, Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 9; Herber/Czerwenka, Art. 69, Rn. 2; Rudolph, Art. 69, Rn. 3. 82 Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 69, Rn. 7; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 6. 83 MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 4; Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 69, Rn. 7; Piltz, Internationales Kaufrecht, § 4, Rn. 287. 84 Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz, Art. 69, Rn. 2. 85 Achilles, Art. 69, Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 9; Herber/Czerwenka, Art. 69, Rn. 2; Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 69, Rn. 7; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 69, Rn. 6; MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 4; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 6. 86 Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 10; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 7; Achilles, Art. 66, Rn. 2; Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 69, Rn. 8. 87 So auch Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 69, Rn. 7; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 9; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 69, Rn. 6; MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 4. 80 Honsell/Schönle/Th.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
schuldet, wäre es widersprüchlich, ihn die Kaufpreisgefahr hierfür tragen zu lassen. Der Verkäufer schuldet letztlich nur die Bereitstellung der Ware88 und hat im weiteren Verlauf in eigenem wirtschaftlichem Interesse bis zum Übernahmezeitpunkt die Gefahren von der Ware abzuwehren. Die Kaufpreisgefahr geht daher mit Beginn des Verladevorgangs über.89 Grundsätzlich ist gem. Art. 69 III CISG auch die Individualisierung der Ware nötig, um den Übergang der Preisgefahr auf den Käufer zu bewirken. Die Ware muss dem Vertrag eindeutig zugeordnet werden können, damit die Preisgefahr durch die Regelungen zum Gefahrübergang eindeutig einer Partei zugewiesen werden kann. Es ist nicht gerechtfertigt, die Gefahr für Teile einer Gattungsware bereits auf den Käufer übergehen zu lassen, wenn diese Ware nicht dem Vertrag zwischen Käufer und Verkäufer zugeordnet werden kann. Das Erfordernis der Individualisierung der Ware wird jedoch beim Gefahrübergang für den Fall des Annahmeverzugs gem. Art. 69 I Alt. 2 CISG bedeutsamer als beim Gefahrübergang durch die Übernahme. Erfordert nämlich der Gefahrübergang beim Platzkauf die körperliche Entgegennahme der Ware, so ergeben sich keine Probleme für die Konkretisierung der Ware.90 Das Erfordernis der Konkretisierung ist sogar irrelevant, da die Übernahme der Ware zwangsläufig eine Zuordnung zum konkreten Vertrag zur Folge hat.91 Letztlich wird schon am Wortlaut des Art. 69 II CISG deutlich, dass die Konkretisierung lediglich für den Fall des Annahmeverzugs und nicht für die Übernahme eine Rolle spielt, da die Norm an das Merkmal der Zurverfügungstellung und nicht an das Merkmal der Übernahme anknüpft.92
II. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht Auch im Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht erfährt der Übergang der Kaufpreisgefahr beim Platzkauf eine gesonderte Regelung in Art. 143 I GEK‑Vorschlag. Zwar ist Art. 143 GEK‑Vorschlag recht allgemein mit „Zeitpunkt des Gefahrübergangs“ überschrieben,93 in der Gesamtschau der Vorschriften des Ge88 Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 69,
Rn. 6.
89 MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 4. 90 Piltz, Internationales Kaufrecht, § 4, Rn. 276. 91 Imberg,
Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 127. 92 Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 127. 93 In einem Änderungsvorschlag bei Lehne/Berlinguer, Berichtsentwurf, S. 93, wird vorgeschlagen Art. 143 mit „Gefahrübergang bei einem Vertrag zwischen Unternehmern“ zu überschreiben. Am sachlichen Anwendungsbereich des Art. 143 I GEK‑Vorschlag für den Platzkauf soll und würde sich hierdurch aber nichts ändern. Der Änderungsvorschlag sieht lediglich vor, die Vorschriften der Art. 144–146 GEK‑Vorschlag in weitere Absätze des Art. 143 zu integrieren und somit lediglich eine Vorschrift für den Gefahrübergang bei einem Vertrag zwischen Unternehmern vorzuhalten.
§ 7 Platzkauf
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fahrübergangs beim Vertrag zwischen Unternehmern wird jedoch der Bezug des Art. 143 I GEK‑Vorschlag auf den Platzkauf deutlich.94 Beim Verbraucherkaufvertrag gibt es keine eigenständige Gefahrtragungsvorschrift zum Platzkauf.95
1. Bereitstellung der Ware am Geschäftssitz des Verkäufers Vorab ist darzulegen, in welchen Fällen der Käufer die vom Verkäufer an dessen Geschäftssitz bereitgestellte Ware abzuholen hat, mithin ein sog. Platzkauf vorliegt. Wann ein Platzkauf vorliegt, bestimmen die Vorschriften über die Lieferung, Art. 93, 94 GEK‑Vorschlag. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut gehen Vereinbarungen der Parteien den Vorschriften über Ort und Art der Lieferung vor, Art. 93, 94 GEK‑Vorschlag. Der Fall des Platzkaufs stellt hier einen Auffangtatbestand dar. Gem. Art. 93 I lit. (b) ii) GEK‑Vorschlag ist der Ort der Lieferung immer dann der Sitz des Verkäufers, wenn kein unter Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag fallender Vertrag vorliegt und der Kaufvertrag keine Beförderung einschließt. Es handelt sich dann um eine Holschuld des Käufers.96 Eine Klärung der Rangfrage zwischen Art. 93 I lit. (b) i) und Art. 93 I lit. (b) ii) GEK‑Vorschlag ist nicht zweifelsfrei durchführbar. Allerdings ist nach Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag erforderlich, dass der Kaufvertrag die Beförderung einschließt. Dies stellt eine Anforderung an den vereinbarten Vertragsinhalt dar und damit ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal. Daher sollte man bei Fehlen einer die Beförderung betreffende Abrede von einer Holschuld des Käufers am Sitz des Verkäufers ausgehen. Ginge man von einer Vermutung des Versendungskaufs aus, soweit die Ware generell transportiert werden muss, käme man praktisch immer zur Anwendung des Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag. Denn das Gemeinsame Europäische Kaufrecht ist gem. Art. 4 I VO‑GEK‑Vorschlag nur bei grenzübergreifenden Verträgen anwendbar und eine Holschuld läge nur bei ausdrücklichem Ausschluss der Beförderung vor. Für eine so extensive Ausdehnung des Versendungskaufs gibt es keine Anhaltspunkte und sie ist auch nicht zum Schutz des Käufers nötig. Der Verbraucher ist über Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag schon geschützt. Auch im DCFR ist die Lieferverpflichtung bei fehlender ausdrücklicher Vereinbarung als Holschuld ausgestaltet, Art. III. – 2: 101 DCFR. Ein Versendungskauf liegt vor, wenn die Parteien übereinstimmen, dass die Ware von einer dritten Partei vom Verkäufer zum Käufer befördert wird.97 Man erwartet für die Annahme des Versendungskaufs also 94 Siehe auch Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 142. 95 Inwiefern beim Verbrauchervertrag nach dem GEK‑Vorschlag ein Platzkauf einschlägig sein kann, hängt vom Verständnis und der Auslegung des Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag ab; vgl. hierzu schon § 5 II.2.b)aa) sowie sogleich § 7 II.4. 96 Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 313. 97 Siehe v. Bar/Clive, Principles, Definition and Model Rules of European Private Law, DCFR Full Edition Vol 2, S. 1260.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
eine ausdrückliche Vereinbarung. Bei fehlender Vereinbarung über die Beförderung ist vom Vorliegen eines Platzkaufs auszugehen.
2. Regelungssystematik Die ausdrückliche Regelung eines Gefahrübergangs beim Platzkauf erfolgt im 3. Abschnitt in Kapitel 14 zum Gefahrübergang. Dieser 3. Abschnitt hat ausschließlich Unternehmerverträge zum Gegenstand. Ist am Vertrag ein Verbraucher beteiligt, richtet sich der Gefahrübergang nach der halbzwingenden Vorschrift des Art. 142 GEK‑Vorschlag. Art. 143 I GEK‑Vorschlag beschreibt anhand seiner Tatbestandsmerkmale nicht den Platzkauf als solchen. Vielmehr stellt er eine allgemeine Vorschrift zum Gefahrübergang beim Vertrag zwischen Unternehmern dar. Art. 143 I GEK‑Vorschlag ist die Grundregel, wonach beim B2B‑Geschäft die Gefahr mit Annahme der Ware übergeht.98 Art. 143 II GEK‑Vorschlag verweist auf die vorrangig zu prüfenden Art. 144–146 GEK‑Vorschlag. Während die Art. 145, 146 GEK‑Vorschlag eine Beförderung der Ware verlangen, regelt Art. 144 GEK‑Vorschlag die Fälle des Annahmeverzugs (Art. 144 I GEK‑Vorschlag) und die Abwicklung an einem anderen Ort als dem Sitz des Verkäufers (Art. 144 II GEK‑Vorschlag). Daher verbleibt für Art. 143 I GEK‑Vorschlag als Anwendungsbereich die Abwicklungsform des Platzkaufs. Weiter ist er als allgemeine Auffangregel heranzuziehen. Die Vorschrift des Art. 143 II GEK‑Vorschlag ist regelungssystematisch überflüssig, da der lex specialis-Charakter der übrigen Vorschriften hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt.99 Der Gefahrübergang beim Unternehmerkauf vollzieht sich also zum Zeitpunkt der Annahme durch den Käufer, wenn nicht die Ausnahmen der nächsten Artikel einen anderen Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestimmen, Art. 143 II GEK‑Vorschlag. Hier wird daher zum Ausdruck gebracht, dass man grundsätzlich von einer Holschuld, also einer Handlung des Käufers ausgeht. Regelungstechnisch beschränkt sich der Unterschied zum UN‑Kaufrecht darauf, dass Art. 143 I GEK‑ Vorschlag als Grundregel vorangestellt wird, was bei Art. 69 I CISG nicht der Fall ist. Die Subsidiaritätsklausel befindet sich in Art. 143 II GEK‑Vorschlag in einem eigenen Absatz, wohingegen sie in Art. 69 I CISG negatives Tatbestandsmerkmal ist. Etwas deutlicher stellt das Gemeinsame Europäische Kaufrecht heraus, dass auch der Fernkauf vorrangig zu prüfen ist, indem die Subsidiaritätsklausel ausdrücklich auf diese Vorschrift verweist. Im UN‑Kaufrecht ergibt sich die Eigenschaft des Art. 69 I CISG als subsidiäre Grundregel auch gegenüber dem Fernkauf aus dem Wort „jedoch“ in Art. 69 II CISG. 98 Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 142. 99 Herresthal, in: Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales europäisches Kaufrecht, S. 138.
§ 7 Platzkauf
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3. Gefahrübergang beim Unternehmerkaufvertrag durch Annahme der Ware Beim Platzkauf geht die Preisgefahr nach Art. 143 I GEK‑Vorschlag über, sobald der Käufer die Waren oder digitalen Inhalte angenommen hat. Eine Definition für die Begrifflichkeit der „Annahme“ („take delivery“) findet sich im gesamten Text des Vorschlags nicht. Im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Lieferung wird deutlich, dass die Gefahr zu einem späteren Zeitpunkt übergeht als der Verkäufer seine Lieferverpflichtung erfüllt hat („Bereitstellung“).100 Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte bzw. verwandte Regelwerke des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts fällt die Abkehr vom Begriff der „Übernahme“ der Ware auf. Sowohl nach der Feasibility Study (Art. 144 I FS)101, als auch in Art. IV. A. –5: 102 DCFR und Art. 5: 103 (1) PEL‑S geht die Gefahr über, sobald der Käufer die Ware übernimmt („take over“).102 Der Änderungsvorschlag des ELI hält hingegen am Erfordernis der Annahme fest, vgl. Art. 100 I („when the buyer takes delivery“).103 Bedeutend ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Begriff der Übernahme auch in den Gefahrtragungsregelungen des GEK‑Vorschlags auftaucht, nämlich in Zusammenhang mit dem Annahmeverzug, vgl. Art. 144 I GEK‑Vorschlag. Vor diesem Hintergrund müsste eine systematische Auslegung einen Unterschied des Bedeutungsgehalts von „Annahme“ und „Übernahme“ ergeben.104 Teilweise wird davon ausgegangen, dass die „Annahme“ weiter zu verstehen ist als die „Übernahme“.105 Vom Wortsinn her scheint es kein zwingender Schluss zu sein, dass die „Annahme“ die „Übernahme“ umfasst. Auch worin ein konkreter Unterschied zu den anderen in Zusammenhang mit der Gefahrtragung verwendeten Begrifflichkeiten bestehen soll, erschließt sich nicht zwingend.106 Für den Zeitpunkt des Gefahrübergangs müsste ein weites Verständnis 100 Demgegenüber geht Lilleholt davon aus, dass der Zeitpunkt des Gefahrübergangs nie nach dem der Lieferung liegt, was nicht zutreffend ist, vgl. Lilleholt, ERPL 2011, S. 924 ff. Von dieser Prämisse ausgehend, stellt er die Notwendigkeit eigenständiger Gefahrtragungsregeln in Frage und erwägt stattdessen kleinere Anpassungen bei den Regelungen zur Lieferung. Neben der unrichtigen Prämisse sprechen gegen ein solches Vorgehen auch die Erfahrungen zum EKG, als der Gefahrübergang an die Lieferung gekoppelt war. Bei der Schaffung des CISG hat man sich dann bewusst gegen diese Lösung entschieden, vgl. hierzu umfangreich Bericht des Generalsekretärs Yearbook III (1972), S. 32 ff., in: Honnold, Documentary History of the Uniform Law for International Sales. 101 Fassung vom 19. August 2011. 102 Vgl. auch Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 143. 103 ELI, Statement CESL, S. 91, 248. 104 So auch Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, S. 174, Rn. 33. 105 Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 143. 106 Zweifelnd ob des Verhältnisses von „angenommen“ zu anderen Begrifflichkeiten, auch Faust, in: Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales europäisches
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
der Annahme bedeuten, dass ein Mehr an Handlungen des Käufers zu fordern ist, der Gefahrübergang somit zeitlich weiter nach hinten verlagert werden könnte. Die Begründung für eine weite Auslegung wird offenbar in Art. IV. A. – 3: 104 DCFR gesehen.107 Dort heißt es: “The buyer fulfils the obligation to take delivery by: (a) doing all the acts which could reasonably be expected in order to enable the seller to perform the obligation to deliver; and (b) taking over the goods, or the documents representing the goods, as required by the contract.“ Es wird also deutlich, dass die Annahme der Ware einerseits die Übernahme erfordert, andererseits auch zur Vornahme aller weiteren Handlungen verpflichtet, welche erforderlich sind, um dem Verkäufer die Lieferung zu ermöglichen. Die Annahme stellt demnach ein Mehr an Käuferhandlungen verglichen mit der Übernahme dar. Zu bedenken ist allerdings, dass diese Vorschrift im Kapitel über die Verpflichtung des Käufers steht und daher auch eine solche Verpflichtung normiert, also zumindest nicht ausdrücklich mit dem Gefahrübergang in Zusammenhang steht. Eine dem Art. IV. A. – 3: 104 DCFR entsprechende Norm zur Annahme durch den Käufer findet sich im Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht in Art. 129 GEK‑Vorschlag. Auch hiernach ist erforderlich, dass sowohl die Übernahme vorliegt, als auch alle Handlungen durch den Käufer vorgenommen werden, die erwartet werden können, um dem Verkäufer die Erfüllung der Lieferverpflichtung zu ermöglichen. Art. 129 GEK‑Vorschlag steht aber ebenfalls im Kapitel über die Verpflichtungen des Käufers. Es ist zweifelhaft, ob die Verfasser hierdurch Anforderungen für den Bereich der Gefahrtragung schaffen wollten. Bedeutet die Übernahme die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft, so sind die zusätzlichen Voraussetzungen zur Annahme in Art. 129 lit. a) GEK‑Vorschlag für die Frage des Gefahrübergangs nicht weiter relevant. Denn was sollte nach der Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Käufer noch den Übergang der Preisgefahr nach Art. 143 I GEK‑Vorschlag hindern. Eine fehlende Mitwirkung kann dem Käufer nicht mehr vorgeworfen werden. Zudem wäre es einem gerechten Interessenausgleich geradezu gegenläufig, bei unterlassenen Mitwirkungshandlungen des Käufers den Gefahrübergang nach Art. 143 I GEK-Vorschlag abzulehnen, so dass weiterhin der Verkäufer die Preisgefahr trüge. Dies wäre konträr zum eigentlichen System des Gefahrübergangs, da der Käufer die Gefahr ja gerade schon vor einer Übernahme tragen soll, wenn diese in den Fällen des Annahmeverzugs an seiner fehlenden Mitwirkung scheitert, vgl. Art. 144 I GEK‑Vorschlag. Kaufrecht, S. 273; zweifelnd ob eines substantiellen Unterschieds der Annahme zur Inbesitznahme, Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 479. 107 Vgl. Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 143, Fn. 147.
§ 7 Platzkauf
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Die Verwendung des Wortes „angenommen“ in Art. 143 I GEK‑Vorschlag scheint deshalb unglücklich, da es letztlich keine weitergehenden Voraussetzungen als die Übernahme der Ware festsetzen kann. Es ist kein Grund für das Abstellen auf die Annahme mit einer Art. 129 GEK‑Vorschlag entsprechenden Bedeutung zu erkennen. Fragen bezüglich der Terminologie „Annahme“ ergeben sich auch im Hinblick auf den Vergleich mit der Gefahrtragungsnorm bei Verbraucherverträgen. Dort ist in Art. 142 I GEK‑Vorschlag von der Besitzerlangung des Verbrauchers die Rede. Verglichen mit der Terminologie „Besitzerlangung“ in Art. 142 I GEK‑Vorschlag müsste man bei der Übernahme des Art. 143 I GEK‑Vorschlag wohl eher von einem noch früheren Gefahrübergang als der Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft ausgehen können.108 Denn mit der Besitzerlangung wird das Erfordernis der tatsächlichen physischen Beherrschbarkeit doch deutlicher dargestellt. Im Umkehrschluss müsste das dann bedeuten, dass die Annahme ein Weniger an Sachherrschaft gegenüber der Besitzerlangung darstellt. Auch dies lässt sich aber keinesfalls belegen. Die uneinheitliche Terminologie bei Unternehmer- und Verbraucherverträgen wird daher zum Teil auch deutlich kritisiert und darauf verwiesen, dass in Art. IV. A. – 5:102 (1) DCFR und Art. IV. A. – 5: 103 (1) DCFR bei Unternehmer- und Verbraucherverträgen noch die einheitliche Terminologie „take over the goods“ verwendet wurde.109 Man könnte aber die unterschiedliche Formulierung auch deshalb verwendet haben, weil Art. 143 I GEK‑Vorschlag auch den Gefahrübergang bei der Abwicklung mittels Waren vertretender Dokumente regelt, was bei Verbrauchergeschäften nicht vorkommen dürfte.110 Das Abstellen auf die bloße Annahme durch den Käufer signalisiert die Möglichkeit des Verkäufers, auch durch die Übergabe von Waren vertretenden Dokumenten den Gefahrübergang herbeiführen zu können.111 Dies erklärt die terminologische Unterscheidung zu den Vorschriften des Verbrauchervertrags. Damit dürfte jedenfalls als Grund für die terminologische Unterscheidung ausscheiden, dass hierdurch auf eine unterschiedliche Herrschaftsbeziehung des Käufers zur Sache hingewiesen werden soll.
108 Dies
vermutet zumindest Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 479, was natürlich mit Blick auf den Anwendungsbereich der Vorschriften sinnvoll erscheint, da Art. 142 GEK‑Vorschlag den Verbrauchervertrag betrifft, wohingegen Art. 143 I GEK‑Vorschlag für Unternehmerverträge gilt. Da der Verbraucher geschützt werden soll, wäre eine längere Gefahrtragung des Verkäufers verglichen mit der Situation beim Unternehmerkaufvertrag naheliegend. 109 Lorenz, AcP 212 (2012), 430. 110 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 479. 111 Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 142; v. Bar/Clive, Principles, Definition and Model Rules of European Private Law, DCFR Full Edition Vol 2, S. 1377; Graf von Bernstorff, AW‑Prax 2012, 264.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
Als gesichert muss wohl gelten, dass der Gefahrübergang auf den Käufer gem. Art. 143 I GEK‑Vorschlag jedenfalls mit der Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft im Sinne einer körperlichen Entgegennahme der Ware bzw. der die Ware vertretenden Dokumenten bewirkt wird.112 Denn selbst wenn das Gemeinsame Europäische Kaufrecht hier eine andere Terminologie als das UN‑ Kaufrecht verwendet, so kann eine gewisse Verwandtschaft und die Verfolgung des Traditionsprinzips nicht geleugnet werden.
4. Platzkauf beim Verbrauchervertrag a) Vorliegen eines Platzkaufs beim Verbraucherkaufvertrag Fraglich ist, ob nach dem GEK‑Vorschlag die Abwicklung eines Verbrauchervertrags in Form des Platzkaufs in Betracht kommt, also eine Verpflichtung des Verbrauchers, die Ware beim Verkäufer abzuholen. Es ist nicht klar, inwieweit die den Platzkauf anordnende Vorschrift des Art. 93 I lit (b) ii) GEK‑Vorschlag auch bei Verträgen mit Verbraucherbeteiligung Anwendung findet. Hier stellt sich das bereits beschriebene Problem des unklaren Anwendungsbereichs der Vorschrift des Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag,113 der als Abwicklungsform jedenfalls nicht den Platzkauf bestimmt. Man könnte nämlich darüber nachdenken, alle Verbraucherkaufverträge über Waren unter diese Vorschrift zu fassen. Mit der überwiegenden Meinung114 sollte jedoch davon ausgegangen werden, dass die Vorschrift lediglich bei B2C‑Verträgen, in Form von Fernabsatz- oder bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen oder soweit sich der Verkäufer zur Beförderung zum Käufer verpflichtet hat, anzuwenden ist. Einigkeit besteht darüber, dass bei Einbeziehung der Beförderung in den Vertrag mit Verbraucherbeteiligung jedenfalls nicht Art. 93 I lit. (b) ii) zur Anwendung gelangt.115 Allerdings bleibt auch bei unter Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag subsumierbaren B2C‑Verträgen der Platzkauf grundsätzlich möglich. Art. 93 GEK‑ Vorschlag lässt diese Möglichkeit durch eine entsprechende Vereinbarung offen. Art. 93 GEK‑Vorschlag ist auch bei Verbraucherverträgen nicht als zwingendes Recht ausgestaltet.116 Bei einer entsprechenden Vereinbarung läge also, auch bei einem grundsätzlich unter Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag fallenden Verbraucherkaufvertrag, ein Platzkauf vor. 112 So auch Lorenz, AcP 212 (2012), S. 830; Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, S. 173, Rn. 32. 113 Siehe dazu bereits oben in Zusammenhang mit der Leistungsgefahr § 5 II.2.b)aa). 114 Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 312; Schulze/Zoll, Art. 93, Rn. 1, 2. 115 Nach Remien kommt dann immer Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag zur Anwendung, siehe Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 313; nach Zoll kommt je nach konkreter Vereinbarung entweder Art. 93 I lit. (a) oder Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑ Vorschlag zur Anwendung, vgl. Schulze/Zoll Art. 93, Rn. 10, 14. 116 Schulze/Zoll, Art. 93, Rn. 6.
§ 7 Platzkauf
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Der B2C‑Vertrag ist damit in seiner Grundform, also soweit der Lieferort nicht anderweitig bestimmt werden kann bzw. die Voraussetzungen des Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag oder auch des Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag117 nicht vorliegen, als Platzkauf abzuwickeln. Der Verkäufer erfüllt seine Lieferpflicht, indem er die Ware oder digitalen Inhalte an seinem Geschäftssitz für den Verbraucher bereitstellt.
b) Gefahrübergang beim Verbraucherkaufvertrag Im Rahmen der Gefahrtragungsregeln findet jedoch beim Platzkauf mit Verbraucherbeteiligung nicht Art. 143 I GEK‑Vorschlag Anwendung, sondern Art. 142 I GEK‑Vorschlag. Dieser kann gem. Art. 142 V GEK‑Vorschlag nicht zum Nachteil des Verbrauchers abbedungen werden. Die Preisgefahr geht damit frühestens auf den Verbraucher über, sobald er Besitz an der Ware erhält. Problematisch ist, ob im Erfordernis der Besitzerlangung andere Anforderungen zu sehen sind als in der Annahme der Ware, die beim Unternehmerkauf entscheidend ist.118 Für den Gefahrübergang ist anhand der Kaufsache zu differenzieren. Handelt es sich hierbei um Waren oder digitale Inhalte, welche auf einem materiellen Datenträger bereitgestellt werden, so ist Art. 142 I GEK‑Vorschlag einschlägig. Die Preisgefahr geht erst dann auf den Verbraucher über, sobald dieser Besitz an dem Gegenstand erlangt hat, Art. 142 I GEK‑Vorschlag. Bei einem Vertrag über die Bereitstellung digitaler Inhalte, welche sich nicht auf einem materiellen Datenträger befinden, ist Art. 142 II GEK‑Vorschlag anzuwenden. Der Verkäufer kann die Preisgefahr erst auf den Käufer abwälzen, sobald dieser die Kontrolle über die digitalen Inhalte hat.119 Problematisch erscheint die Anknüpfung an die sachenrechtlich geprägte Terminologie des Besitzes. Hierdurch soll aber gerade nicht auf die Vielfältigkeit der möglichen Besitzformen verwiesen werden, wie etwa die im BGB vorkommenden Besitzformen des mittelbaren Besitzes oder des Erbenbesitzes.120 Denn bei diesen Formen besteht ja gerade ein in tatsächlicher Hinsicht gelockertes Verhältnis des Besitzers zur Sache, was beim Verbraucherkaufvertrag nicht zum Gefahrübergang führen soll. Vielmehr muss der Begriff des Besit-
117 So Schulze/Zoll, Art. 93, Rn. 14. 118 Auf die Annahme der Ware, jedoch
mit einer Verbindung zu den Liefervorschriften („takes delivery, within the meaning of Article 86“), stellt grundsätzlich der ELI-Änderungsvorschlag auch beim Verbraucherkauf ab, vgl. dort Art. 99 I; vgl. ELI, Statement CESL, S. 91, 247; siehe dazu aber eingehend sogleich § 7.II.4.c). 119 Auf die Besonderheiten bei Gefahrtragungsregeln für digitale Inhalte ohne materiellen Datenträger wird gesondert eingegangen, vgl.§ 15. 120 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 478.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
zes nach Art. 4 VO‑GEK‑Vorschlag autonom ausgelegt werden.121 Der Blick in die englische Sprachfassung des Art. 142 I GEK‑Vorschlag zeigt, dass es auf die tatsächliche Sachherrschaft des Verbrauchers ankommt. Dort ist von „has acquired the physical possession of the goods“ die Rede.122 Demnach ist hier nur die aus dem BGB bekannte Form des unmittelbaren Besitzes Anhaltspunkt. Ob die Begriffe jedoch deckungsgleich sind, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Denn die Verwendung verschiedener Begriffe in den Gefahrtragungsnormen lässt freilich eine genaue Bestimmung der Anforderungen an den jeweiligen Anknüpfungspunkt schwierig erscheinen.123 Die in der Sache angelegten Unterschiede der verschiedenen Begrifflichkeiten sind nicht klar. Bezogen auf Gesichtspunkte des Verbraucherschutzes müsste eine Auslegung ergeben, dass die Besitzerlangung in Art. 142 I GEK‑Vorschlag der zeitlich späteste Zeitpunkt verglichen mit den anderen in den Art. 140 ff. GEK‑Vorschlag angesprochenen Zeitpunkten ist.124 Da allerdings auch Gefahrtragungstatbestände im B2B‑Bereich an die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft anknüpfen, ist eine weitere zeitliche Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt als die Annahme in Art. 143 I GEK‑Vorschlag kaum nachzuvollziehen. Der Grund für die zu Art. 143 I GEK‑Vorschlag abweichende Formulierung soll daher darin zu sehen sein, dass beim Verbraucherkaufvertrag die Übergabe von Waren vertretenden Dokumenten nicht genüge.125 Weitere sachliche Unterschiede zu den B2B‑Verträgen dürften tatsächlich nicht in Frage kommen. Beim Verbraucherkaufvertrag gilt damit das Traditionsprinzip, indem für den Übergang der Preisgefahr die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Verbraucher gefordert wird.
c) Wird durch den Änderungsvorschlag des ELI eine Verbesserung erreicht? Eine Änderung für die Grundnorm zum Gefahrübergang beim Verbraucherkaufvertrag enthält der Änderungsvorschlag des ELI. Dort wird in Art. 99 I ELI-Änderungsvorschlag nicht mehr auf die Erlangung des physischen Besitzes abgestellt, sondern auf die Annahme der Lieferung („when the consumer takes delivery, within the meaning of Article 86“).126 Damit wird eine gewis121 So zur Begriffsbestimmung des Besitzes in Art. 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 314. 122 Siehe dazu auch Schulze/Zoll/Watson, Art. 142, Rn. 3; Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 201. 123 Faust, in: Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales europäisches Kaufrecht, S. 272, 273; Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 142. 124 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 479. 125 Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 142; siehe auch schon oben Dritter Teil Fn. 110, wonach eine solche Abwicklung beim Verbrauchervertrag ohnehin kaum vorkommen dürfte. 126 ELI, Statement CESL, S. 91, 247.
§ 7 Platzkauf
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se Parallelität zum Gefahrübergang beim Unternehmerkauf hergestellt, einerseits zur Gefahrtragungsnorm beim Unternehmerkaufvertrag des ursprünglichen Vorschlags, Art. 143 I GEK‑Vorschlag („when the buyer takes delivery“), andererseits zur Gefahrtragungsnorm des Unternehmerkaufs im eigenen Änderungsvorschlag, Art. 100 I („when the buyer takes delivery“). Auffällig ist dann jedoch der Zusatz in der vorgeschlagenen Verbrauchervorschrift „within the meaning of Article 86“.127 Die Bedeutung dieses Zusatzes ist nicht ganz klar. Ausweislich der Begründung sei dies notwendig, um Vereinbarungen über die Lieferung auch Einfluss auf den Gefahrübergang zu gewähren, da es nicht sinnvoll sei, Vereinbarungen über die Lieferung zuzulassen, dann aber dennoch den Gefahrübergang zu verneinen.128 Die Gefahrtragungsvorschrift soll auch nach dem ELI-Änderungsvorschlag noch zwingend sein. Zwar ist eine Art. 142 V GEK‑Vorschlag vergleichbare Regelung nicht mehr enthalten. Man hat jedoch den halbzwingenden Charakter der speziellen Verbraucherregelungen vor die Klammer gezogen und in Art. 10 III angeordnet.129 Art. 86 des ELIÄnderungsvorschlags lässt aber Vereinbarungen über die Lieferung zu („Unless agreed otherwise“). Wenn aber Vereinbarungen über die Lieferung auch Einfluss auf den Gefahrübergang haben sollen, so hätte man den Zusatz „within the meaning of Article 86“ nicht benötigt. Die Begründung des Änderungsvorschlags geht also ins Leere. Man hätte es dann einfach bei „takes delivery“ belassen können, jede Liefervereinbarung hätte gewissermaßen automatisch Einfluss auf die Gefahrtragungsregelung genommen. Zudem erscheint es widersprüchlich den halbzwingenden Charakter anzuordnen, wenn man eine flexible Regelung der Gefahrtragung möchte. Durch den lediglich in der Verbraucherregelung angefügten Zusatz und die Feststellung, dass dieser nicht nötig gewesen wäre, um Liefervereinbarungen umfassenden Einfluss zu verschaffen, liegt der Schluss nahe, dass hierdurch vielmehr eine Absicherung für den Verbraucher vorgeschlagen werden soll. Diese könnte dergestalt funktionieren, dass, gleichgültig welche Vereinbarungen hinsichtlich der Lieferung getroffen wurden, der Gefahrübergang ausschließlich dann stattfinden kann, wenn die Lieferung, so wie sie nach Art. 86 vorgesehen war, angenommen wurde. Dann hätte man aber entgegen der Begründung eben doch die Situation, dass eine Abweichung von Lieferung und Gefahrübergang erfolgt. Der Verkäufer könnte dann eben doch schon (entsprechend der Vereinbarung) geliefert haben, die Gefahr aber dennoch noch nicht auf den Verbraucher übergegangen sein. Außerdem spricht gegen eine Sichtweise, die Gefahr starr mit Annahme der Lieferung entsprechend der Vorschrift des 127 Artikel 86 des ELI-Änderungsvorschlags stellt die Vorschrift über die Art und Weise der Lieferung dar. 128 ELI, Statement CESL, S. 91, 247, rechte Spalte Anmerkung (1). 129 ELI, Statement CESL, S. 248, rechte Spalte Anmerkung (6), wobei der Hinweis auf Art. 9 (3) offenbar einen redaktionellen Fehler darstellt; S. 52, 149, 150.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
Art. 86 übergehen zu lassen, dass gerade Art. 86 Vereinbarungen zulässt („Unless agreed otherwise“). Wenn also auf die Annahme der Lieferung nach Art. 86 verwiesen wird, wird zugleich auf mögliche Vereinbarungen Bezug genommen. Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass eine unterschiedliche Bedeutung der Terminologie „Annahme“ verglichen mit der Vorschrift zum Unternehmerkauf vorliegen muss, da sich andernfalls die Abweichung im Wortlaut bzw. der Zusatz nicht erklären lassen. Für einen Gleichlauf mit Liefervereinbarungen ist dieser Zusatz aber nicht nötig. Wenn aber gerade der Verbraucher im Hinblick auf den Gefahrübergang geschützt werden soll, so lässt sich das Ziel der Begründung, ein Gleichlauf von Lieferung und Gefahrübergang, nicht erreichen. Zudem wird ja gerade auch auf den ersten Halbsatz des Art. 86 Bezug genommen, der wiederum Vereinbarungen zulässt. Die vorgeschlagenen Änderungen des ELI sind daher widersprüchlich und führen nicht zu Klarheit für den Rechtsanwender – auch wenn der grundsätzliche Ansatz der Vereinheitlichung der Terminologie begrüßenswert ist.
III. Deutsches Recht Im deutschen Recht bestimmt sich der Gefahrübergang beim Platzkauf nach § 446 BGB. Die Gefahr geht mit Übergabe der Kaufsache auf den Käufer über. Gem. § 446 S. 3 BGB steht der Annahmeverzug des Käufers der Übergabe gleich. Dies ist jedoch erst bei der Frage nach dem vertragswidrigen Verhalten des Käufers vertiefend zu behandeln.130
1. Holschuld des Käufers Das deutsche Recht normiert den Wohnsitz bzw. die gewerbliche Niederlassung des Verkäufers als Leistungsort für das Schuldverhältnis, soweit sich nicht aus einer entsprechenden Parteivereinbarung oder aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses, etwas anderes entnehmen lässt, § 269 I, II BGB. Vorrangig zu beachten ist also stets eine explizite Parteivereinbarung. Liegt eine solche nicht vor, kann man möglicherweise stillschweigend eine konkludente Parteivereinbarung aus der Natur des Schuldverhältnisses entnehmen, indem man auf die Verkehrssitte, Handelsbräuche oder örtliche Gepflogenheiten achtet.131 Liegen auch diesbezüglich keine Anhaltspunkte vor, greift subsidiär der Verkäufersitz, § 269 I BGB. Aus der Bestimmung des Verkäufersitzes als Leistungsort lässt sich jedoch noch keine genaue Festlegung der Abwicklung des Kaufvertrags und der Liefermodalitäten ableiten. Denn Leistungsort i. S. d. § 269 I BGB ist nur der Ort, an dem die Leistungshandlung vor130 Siehe
dazu § 13. Schuldrecht I, AT, Rn. 249.
131 Joussen,
§ 7 Platzkauf
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zunehmen ist.132 Mit dieser Formulierung wird zwar eine Bringschuld ausgeschlossen, nicht jedoch eine Schickschuld, bei der der Leistungsort ebenfalls am Schuldnersitz liegt.133 Ob es sich um eine Holschuld oder eine Schickschuld handelt, ist jeweils im Einzelfall zu ermitteln.134 Die vom Verkäufer im Rahmen des § 433 BGB geschuldete Leistungshandlung ist jedoch nicht die Versendung der Ware, es sei denn, dies ist gesondert vereinbart. Der überwiegende Teil der Lehre geht daher im Zweifelsfall richtigerweise vom Vorliegen einer Holschuld aus.135 Für die Annahme einer Schickschuld ist wohl zumindest ein Versendungsverlangen des Käufers erforderlich. An dieses sind jedoch keine sonderlich hohen Anforderungen zu stellen, so dass es auch konkludent erklärt werden kann.136 Da dann eine Parteivereinbarung vorliegt, greift § 269 BGB nicht ein. Das deutsche Recht unterscheidet bei den Liefermodalitäten nicht zwischen Verbraucher- und Unternehmerverträgen. Demnach ist auch ein Verbraucherkaufvertrag grundsätzlich als Holschuld und damit als Platzkauf abzuwickeln. Allein aus der Beteiligung eines Verbrauchers ergibt sich noch kein anderer Ort aus den Umständen des Vertrages oder der Natur des Schuldverhältnisses. Die grundsätzliche Abwicklung als Holschuld hat sich auch durch Art. 18 I Verbraucherrechte-RL nicht geändert.137 Nach Art. 18 I Verbraucherrechte-RL liefert der Unternehmer die Waren, indem er den physischen Besitz an den Waren oder die Kontrolle über die Waren dem Verbraucher unverzüglich, jedoch nicht später als dreißig Tage nach Vertragsabschluss, überträgt. Die Regelung des Art. 18 I Verbraucherrechte-RL betrifft damit in erster Linie die Lieferzeit. Zudem verlangt sie vom Verkäufer als Art der Schuld die Übertragung des physischen Besitzes an der Ware. Man sollte jedoch nicht davon ausgehen, dass hierdurch eine Bringschuld für alle Verbraucherverträge angeordnet werden soll. Dies ergibt schon deshalb keinen Sinn, da die Gefahrtragungsvorschrift des Art. 20 Verbraucherrechte-RL, die von einem Versendungskauf ausgeht, keinen Anwendungsbereich bei Verbraucherverträgen mehr finden würde, wenn alle Verbraucherverträge als Bringschuld abzuwickeln wären.
132 MünchKomm/Krüger, 133 MünchKomm/Krüger,
§ 269, Rn. 2. § 269, Rn. 2; Bamberger/Roth/Unberath, § 269, Rn. 4; Joussen,
Schuldrecht I, AT, Rn. 250. 134 MünchKomm/Krüger, § 269, Rn. 2; Bamberger/Roth/Unberath, § 269, Rn. 4. 135 Fikentscher/Heinemann, Rn. 279, wonach im Umkehrschluss aus den Schickschuldvorschriften der §§ 270, 447 BGB die Holschuld den Regelfall darstellt; von einer Holschuld im Regelfall gehen sonst auch aus Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, AT, Rn. 168; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 272; Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, § 12, Rn. 16; Wertenbruch, JuS 2003, 625. 136 LG Köln 07.06.1989, NJW‑RR 1989, 1458. 137 Schwab/Giesemann, EuZW 2012, 256 gingen daher zu Recht nur von geringfügigen Änderungen im deutschen Recht aus.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
2. Regelungssystematik Im deutschen Recht bestehen lediglich zwei Vorschriften zum Übergang der Preisgefahr im Kaufrecht, §§ 446, 447 BGB. Hierbei stellt § 446 BGB die allgemeinere Vorschrift dar, während § 447 BGB lediglich für den Fall des Ver� sendungskaufs gilt. Somit richtet sich auch beim Platzkauf der Gefahrübergang nach der Vorschrift des § 446 S. 1 BGB. Die beiden Normen zum Übergang der Preisgefahr bei Kaufverträgen sind jedoch in Zusammenhang mit den Vorschriften zur Preisgefahr im allgemeinen Teil des Schuldrechts zu sehen, § 326 BGB. Hierbei modifizieren die §§ 446, 447 BGB ausschließlich die Regelung des § 326 I 1 BGB,138 wonach der Schuldner seinen Anspruch auf die Gegenleistung verliert, wenn er nach § 275 I bis III BGB nicht zu leisten braucht.
3. Übergabe der Kaufsache Der Gefahrübergang beim Platzkauf findet gem. § 446 I BGB mit der Übergabe statt. Dieser Anknüpfungspunkt des Gefahrübergangs gilt für auch für den Verbrauchsgüterkauf. Da Art. 20 Verbraucherrechte-RL aufgrund des sachlichen Anwendungsbereichs, wonach nur Versendungskäufe erfasst werden, nicht für den Platzkauf einschlägig ist, entstand kein Anpassungsbedarf des deutschen Rechts.139
a) Abdingbarkeit der Regelung aa) Individualvereinbarung § 446 BGB und der damit verbundene Übergang der Preisgefahr auf den Käufer im Zeitpunkt der Übergabe sind auch beim Verbrauchsgüterkauf dispositiv.140 Denn § 446 BGB ist in §§ 475, 476 BGB nicht aufgelistet, so dass auch eine für den Verbraucher nachteilige Vereinbarung beim Platzkauf getroffen werden kann. Da der Platzkauf von Art. 20 Verbraucherrechte-RL sachlich nicht erfasst ist, wirkt sich der in Art. 25 Verbraucherrechte-RL angeordnete zwingende Charakter auch künftig nicht auf die deutsche Regelung aus, so dass der dispositive Charakter des § 446 S. 1 BGB für den Platzkauf bestehen bleibt. Dies ist auch sachgerecht, da die Parteien so den Zeitpunkt des Gefahrüberganges an den tatsächlichen Gegebenheiten ausrichten können.
138 Reinicke/Tiedtke,
Rn. 155. Entwurf-Verbraucherrechte-RL betraf dagegen nicht ausschließlich den Versendungskauf, sondern stellte eine allgemeine Regelung dar. Die Gefahr sollte beim Verbraucherkauf mit Erwerb des Besitzes übergehen. 140 BGH 15.01.2014, NJW 2014, 1086; MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 14; Palandt/Weidenkaff, § 446, Rn. 3; PWW/D. Schmidt, § 446, Rn. 5; NomosKommentar/Büdenbender, BGB Schuldrecht/1, § 446, Rn. 21. 139 Art. 23
§ 7 Platzkauf
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bb) Abbedingung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Während individualvertraglich also selbst beim Verbraucherkauf eine Abbedingung des § 446 BGB möglich ist, stellt sich die Frage nach der Abdingbarkeit durch AGB. Der BGH hatte über die Wirksamkeit einer AGB des OnlineShops eines Möbelhauses zu entscheiden141: „§ 4. Versand; Gefahrübergang; Versicherung. (1) Wir schulden nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen und sind für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich.“ Da diese Klausel auch Fälle der Bringschuld erfasse, nämlich wenn der Verkäufer die gekauften Möbel beim Käufer aufzubauen hat, stelle die Klausel, nach der der Verkäufer nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen schuldet, eine unangemessene Benachteiligung des Kunden i. S. d. § 307 I 1, II Nr. 1 und 2 BGB ohne sachlichen Grund dar, da zum Nachteil des Kunden vom Leistungsort des § 269 BGB und der Regelung des § 446 BGB abgewichen wird, nach der die Gefahr nicht schon mit Übergabe an die Transportperson, sondern erst mit der Übergabe an den Käufer übergehe.142 Der BGH erwähnt nur, dass ein sachlicher Grund nicht vorliege, eine weitere Begründung liefert er nicht. Zwar handelte es sich bei dieser Entscheidung gerade nicht um einen Bezug zum Platzkauf bzw. der Holschuld. Sie zeigt jedoch, dass der BGH die in AGB getroffene Vereinbarung an den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung misst. Natürlich ist beim Platzkauf für eine Abbedingung zum Nachteil des Käufers ohnehin weniger Raum, da der Käufer die Gefahr mit Übergabe am Verkäufersitz bereits relativ früh zu tragen hat. Wird beim Platzkauf von § 446 S. 1 BGB formularmäßig abgewichen, stellt sich die Frage, ob der Gefahrübergang mit Übergabe einen wesentlichen Grundgedanken des § 446 BGB darstellt und im Falle des Bejahens, ob die Klausel mit diesem Grundgedanken zu vereinbaren ist. Die Verbindung von tatsächlicher Sachherrschaft und Gefahrtragung aus Gründen der Möglichkeit der besseren Gefahrenabwehr sowie die Gefahrtragung desjenigen, dem die Nutzen gem. § 446 S. 2 BGB gebühren, darf als wesentlicher Grundgedanke des § 446 BGB angesehen werden.143 Verlagert der die AGB verwendende Verkäufer den Gefahrübergang beim Platzkauf daher auf einen Zeitpunkt vor, in welchem er noch die tatsächliche Sachherrschaft innehat und auch zur Nutzungsziehung berechtigt ist, setzt er wohl die eigenen Interessen über Gebühr auf Kosten des anderen Vertragsteils durch.144 Konsequenterweise hat das OLG Celle im Falle einer Pferdeauktion, bei der der Kaufvertrag direkt zwischen Einlieferer und Bietendem zustande kam, der Einlieferer das Pferd bereits dem Auktionshaus 141 BGH 142 BGH
06.11.2013, NJW 2014, 454. 06.11.2013, NJW 2014, 456. 143 Ebenso Staudinger/Beckmann, § 446, Rn. 42. 144 Staudinger/Beckmann, § 446, Rn. 42.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
übergeben hatte und der Bietende es sogleich mitnehmen konnte, die formularmäßige Festsetzung des Gefahrübergangs auf den Zeitpunkt des Zuschlags für zulässig erachtet.145 Die Verlagerung der Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Pferdes auf den Zeitpunkt des Zuschlages spiegle die Einfluss- und Risikosphären der Parteien angemessen wider.146 Diese Wertungen zugrunde legend dürfte dann in den Fällen des Kunstauktionshandels, wo der Vertrag zwischen Kunsthaus und Bietendem zustande kommt und nach vielen Klauseln ebenfalls der Gefahrübergang auf den Moment des Zuschlags festgesetzt wird, anders zu entscheiden sein, da das verkaufende Kunsthaus noch im Besitz der Gegenstände ist und der Erwerber häufig gerade noch nicht darauf einwirken kann.147
b) Anforderungen an die Übergabe i. S. d. § 446 S. 1 BGB Unter der Übergabe ist die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes i. S. d. § 854 BGB zu verstehen, also die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache.148 Der Grund für die Gefahrtragung ab dem Zeitpunkt der Übergabe ist neben der besseren Beherrschbarkeit auch in § 446 S. 2 BGB zu sehen.149 Dem Käufer gebühren nämlich ab der Übergabe auch die Nutzungen an der Sache, ebenso hat er die Lasten zu tragen. Durch die Übergabe erfüllt der Verkäufer eine Verpflichtung aus § 433 I 1 BGB. Daher ist es auch erforderlich, dass die Übergabe zum Zwecke der Erfüllung erfolgt.150 Durch dieses Erfordernis soll aber lediglich der Gefahrübergang für den Fall verhindert werden, dass der Verkäufer dem Käufer die Sache gefälligkeitshalber überlässt.151 Die Gefahrtragungsnormen des BGB nehmen keine ausdrückliche Zuweisung des Risikos einer Verladung der Ware vor. Eine sachgerechte Lösung lässt sich beim Platzkauf aber auch im deutschen Recht durch Berücksichtigung der Tatsache finden, dass eine Holschuld vorliegt. Muss der Käufer bereits bereit145 OLG 146 OLG
Celle 22.11.2010, NJW‑RR 2011, 133. Celle 22.11.2010, NJW‑RR 2011, 133. 147 Staudinger/Beckmann, § 446, Rn. 42, verweist hier insbesondere auch darauf, dass Kunstauktionen häufig nicht mehr durch anwesende Saalbieter erfolgen, sondern Gebote schriftlich, telefonisch oder über das Internet stattfinden. 148 BGH 01.02.1982, NJW 1983, 627 f.; BGH 24.11.1995, NJW 1996, 587; BeckOK BGB/Faust, § 446, Rn. 6; Erman/Grunewald, § 446, Rn. 5; Jauernig/Berger, § 446, Rn. 6; MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 7; Staudinger/Beckmann, § 446, Rn. 16, 17; Reinicke/ Tiedtke, Rn. 156; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 73; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 26. 149 Umfangreiche Nachweise zu weiteren Begründungsansätzen der ratio legis des § 446 bei Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 23, 24. 150 RG 13.10.1914, RGZ 85, 322; Staudinger/Beckmann, § 446, Rn. 16; MünchKomm/ Westermann, § 446, Rn. 7. 151 KG 03.05.1910, OLGE 22, 211; Staudinger/Beckmann, § 446, Rn. 16; MünchKomm/ Westermann, § 446, Rn. 7; mit weiteren Nachweisen vgl. Filios, Die Gefahrtragung beim Kauf im Rahmen des Synallagmas, S. 73, 74.
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stehende Ware noch verladen, so sollte man aufgrund des Schuldcharakters die Gefahr bereits mit Beginn des Verladevorgangs übergehen lassen.152 Erforderlich ist nicht unbedingt, dass die Ware dem Käufer höchstpersönlich übergeben wird. Die Übergabe an Vertreter, Gehilfen oder Angehörige des Käufers reicht jedenfalls dann aus, wenn diese Besitzdiener gem. § 855 BGB sind.153 Schwierigkeiten bereitet die Frage des Gefahrübergangs bei Veräußerungen, in deren Verlauf der Käufer zunächst gar nicht unmittelbarer Besitzer der Kaufsache werden soll.154 Dies ist der Fall, wenn die Parteien ein Besitzkonstitut (§ 930 BGB) vereinbaren, beispielsweise wenn der Verkäufer die Sache noch einige Zeit für den Käufer verwahren soll oder der Verkäufer eines Investitionsgutes die Sache direkt wieder vom Käufer mietet. Außerdem kann eine Sache veräußert werden, die sich im Besitz eines Dritten befindet, indem der Veräußerer seinen Herausgabeanspruch gegen den Dritten an den Käufer abtritt (§ 931 BGB). In diesen Fällen ist bezüglich des Gefahrübergangs sorgsam vorzugehen und zu differenzieren. Zunächst ist denkbar, dass die Parteien bei derartigen Veräußerungen zumindest konkludent die in § 433 BGB auferlegten Verpflichtungen geändert haben, so dass der Verkäufer lediglich Übereignung und Verschaffung des mittelbaren Besitzes oder Abtretung des Herausgabeanspruchs schuldet.155 Liegt eine solche (stillschweigende) Änderung der kaufvertraglichen Pflichten vor, so erfüllt der Verkäufer mit Vornahme der entsprechenden Handlung jegliche Verpflichtung gem. § 362 I BGB, die Frage der Gefahrtragung wird somit nicht relevant.156 Kann von einer solchen Änderung des § 433 BGB nicht ausgegangen werden, muss überprüft werden, ob die Parteien die Wirkung des § 446 S. 1 BGB ändern wollten, so dass der Käufer die Gefahr eben nicht erst mit der Übergabe tragen sollte, sondern schon mit Erlangung des mittelbaren Besitzes oder des Herausgabeanspruchs.157 Eine solche Abänderung wird wohl teilweise schon in der vertraglichen Vereinbarung dieser Art der Besitzverschaffung oder bei nachträglichem Einverständnis durch den Käufer gesehen.158 Teilweise wird für den Gefahrübergang auf den Käufer über die vertragliche Vereinbarung hinaus verlangt, dass der Käufer mit Erlangung des Besitzkonstituts die Nutzungen der Sache erhält.159 Eine entsprechende Voraus152 BeckOK BGB/Faust, Rn. 6; MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 7; Staudinger/ Beckmann, § 446, Rn. 17. 153 Staudinger/Beckmann, § 446, Rn. 19; zur Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn diese Personen Besitzmittler sind, siehe sogleich. 154 Diskutiert bei Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 76 ff; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 27 f.; MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 7. 155 Vgl. Reinicke/Tiedtke, Rn. 157; MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 7. 156 MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 7. 157 Mit Verweis auf den dispositiven Charakter der Vorschrift Reinicke/Tiedtke, Rn. 157. 158 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 76; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 27. 159 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II/1, § 42 II a); MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 7; Staudinger/Beckmann, § 446, Rn. 20.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
setzung generell für die Abbedingung des § 446 S. 1 BGB aufzustellen, geht jedoch zu weit. Schließlich ist § 446 BGB eben dispositives Recht. Jedoch ist es sachgerecht, bei Vorliegen der Nutzungsmöglichkeit durch den Käufer eine stillschweigende Änderung des § 433 BGB anzunehmen oder eine konkludente Änderung des § 446 S. 1 BGB anzuerkennen.
IV. Handelsklauseln 1. EXW – ab Werk Ein Platzkauf als Abwicklungsform kann sich aus einer Vereinbarung von Incoterms der E‑Gruppe ergeben, also der Klausel EXW (Ex-Works/Ab Werk). Die Klausel EXW ist eine sog. reine Abholklausel.160 Vereinbaren die Parteien in ihrem Kaufvertrag die Klausel EXW, so hat der Käufer die Sache an der Niederlassung bzw. dem Werk des Verkäufers abzuholen.161 Der Lieferort entspricht somit dem sich aus Art. 31 lit. b) und lit. c) CISG ergebendem Ort und es liegt eine Holschuld seitens des Käufers vor.162
a) Auslegungsschwierigkeiten bei der Art der Lieferung Mehr Probleme als die Festlegung des Lieferortes bereitet jedoch die Art der Lieferung. Der Verkäufer kommt seiner Lieferpflicht nach, indem er die Ware an seinem Gelände für den Käufer zur Verfügung stellt („placing them at the disposal of the buyer“).163 Über den genauen Umfang der Lieferverpflichtung besteht jedoch offenbar keine Einigkeit.164 Diesbezüglich bestehen schon seit der Fassung der Incoterms 2000 sprachliche Unschärfen.165 So wird teilweise angenommen, dass das Zurverfügungstellen tatsächlich einer Übergabe entspricht, wie sie in Art. 31 lit. a) CISG vollzogen werden muss.166 Hierunter wäre auch der Leistungserfolg, nämlich eine Inbesitznahme zu verstehen. Dieses Auslegungsergebnis beruht auf einer Textpassage in der Einführung der Incoterms 2000, wonach der Incoterms-Ausdruck „zur Verfügung stellen“ konform zur Terminologie des UN‑Kaufrechts „Übergabe der Ware“ zu verstehen sei.167 160 Pamp, in: Oetker, § 346 HGB, Rn. 74; Zwilling-Pinna, BB 2010, 2982; Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 118; Graf von Bernstorff, RIW 2010, 677. 161 Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, 2-002. 162 Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 103. 163 Vgl. EXW A 4; Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 259. 164 Vgl. einerseits Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 102, 103; andererseits Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 284, 171 ff.; Piltz, RIW 2000, 487. 165 Vgl. Piltz, RIW 2000, 487 f. 166 Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 102. 167 Ziff. 6 der Einleitung der Incoterms 2000.
§ 7 Platzkauf
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Die wohl überwiegende Meinung verlangt einen derartigen Leistungserfolg nicht168 und sieht die Lieferhandlung bei geeigneter Kennzeichnung und Konkretisierung am vereinbarten Lieferort entsprechend dem Wortsinn als bewirkt an. Die Formulierung in den Einführungen der Incoterms 2000 soll ein Versehen darstellen und der Terminus „zur Verfügung stellen“ gerade ein Weniger an Leistungshandlung als eine Übergabe der Ware signalisieren.169 Ein solches Auslegungsergebnis wird auch durch die Tatsache gestützt, dass der Verkäufer bei Verwendung einer EXW‑Klausel ausdrücklich nicht den Verladevorgang schuldet.170 Durch eine solche Auslegung wird der Lieferzeitpunkt nach vorne verlagert, ist mithin zeitlich früher anzusiedeln als wenn man eine Übergabe fordert.
b) Gefahrübergang mit Bewirkung der Lieferung Eine unterschiedliche Auslegung hinsichtlich der Art der Lieferung wirkt sich auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs aus, da die Gefahr nach der EXW‑Klausel mit Lieferung übergeht, also wenn der Verkäufer die Ware am vereinbarten Lieferort für den Käufer zur Verfügung stellt.171 Auch für die Argumentation hinsichtlich der Gefahrtragung während des Verladevorgangs ist diese Diskussion wichtig. Denn verlangt man eine tatsächliche Übergabe durch den Verkäufer, spricht mehr dafür, auch das Risiko des Verladevorgangs noch in der Sphäre des Verkäufers zu sehen. Aus den Übersichtstabellen der Incoterms lässt sich der genaue Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht bestimmen.172 Hier ist für den Gefahrübergang nur der Lieferort angegeben, so dass die Übersichtstabellen lediglich eine Bestimmung des Ortes des Gefahrübergangs ermöglichen. Die Incoterms 2010 wurden zwar verglichen mit den Incoterms 2000 auch im Bereich der Gefahrtragung der EXW‑Klausel redaktionell überarbeitet,173 die genannten Unklarheiten bei der genauen Bestimmung des Zeitpunkts wurden aber nicht beseitigt. Allerdings sind in den Einführungsbemerkungen zur Terminologie auch nicht mehr 168 Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, 2-002; Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 284, 173; Piltz, RIW 2000, 487; Baumbach/Hopt/Hopt, 2. Teil: Handelsrechtliche Nebengesetze, Incoterms und andere Handelskaufklauseln, Rn. 35; AlDebʾi, Überseekauf und Abladegeschäft, S. 234; Coetzee, Incoterms as a form of standardisation in international sales law, S. 251, Fn. 118; Coetzee, Journal of Law and Commerce 32 (2013), 13; Ramberg, J., Journal of Law and Commerce 25 (2005/06), 219, 220; Raymond, in: Kröll/Mistelis/Viscasillas, Art. 69, Rn. 8; Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, EXW, Rn. 15; Benjamin’s Sale of Goods, 21-002. 169 Piltz, RIW 2000, 487. 170 Vgl. EXW A 4; Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 259. 171 Vgl. EXW A 5. 172 Siehe die Tabellen bei Graf von Bernstorff, RIW 2010, 677; Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 125. 173 Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 287.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
derartig missverständliche Ausführungen enthalten wie in der vorherigen Fassung.174 Fest steht, dass Lieferzeitpunkt und Zeitpunkt des Gefahrübergangs übereinstimmen, da A 5 ausdrücklich auf den Lieferzeitpunkt gemäß A 4 verweist. Ginge man nun von einem weiten Begriff des Zurverfügungstellens aus, dann würde der Gefahrübergang erst mit der Übergabe vollzogen. Es wäre für den Gefahrübergang nach der EXW‑Klausel also eine Verschaffung der tatsächlichen Sachherrschaft erforderlich. Allein die eindeutige Zuweisung des Verladerisikos in die Sphäre des Käufers kann wohl noch nicht ausreichen, um das Erfordernis einer Übergabe zu entkräften. Es kann jedoch als Indiz herangezogen werden. Als Argument lässt sich aber auch B 4 der EXW‑Klausel heranziehen. Denn B 4 normiert die Pflicht des Käufers, die Ware zu übernehmen. Dies spricht dafür, dass man die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft als Pflicht des Käufers ansieht. Auch ein Vergleich des Pflichtenprogramms unter A 4 mit der FOB- und den C‑Klauseln zeigt, dass dort die Pflichten des Verkäufers weiter reichen.175 Insgesamt ist daher mit der h. M. davon auszugehen, dass eine Übergabe vergleichbar Art. 31 lit. a) CISG nicht Voraussetzung für den Gefahrübergang bei Verwendung der EXW‑Klausel ist.176 Die Gefahr geht über, sobald die Ware am Sitz des Verkäufers zur Verfügung gestellt wird, eine Abholung durch den Käufer also möglich ist. Der Verkäufer ist verpflichtet, den Käufer über die Tatsache der abholbereiten Ware zu informieren. Für das beim Platzkauf bekannte und praxisrelevante Problem des Verladerisikos hält die EXW‑Klausel dagegen die ausdrückliche Bemerkung in den Anwendungshinweisen bereit, dass der Verkäufer die Ware nicht auf ein abholendes Transportmittel verladen muss. Damit ist es nicht vertretbar, die Gefahr erst nach dem Verladevorgang auf den Käufer übergehen zu lassen.
2. FCA – frei Frachtführer Teilweise wird angenommen, ein Platzkauf ließe sich nicht nur bei Vereinbarung der Klausel EXW erreichen, sondern auch durch Verwendung der FCA‑ Klausel (Free Carrier), indem man als Lieferort den Sitz des Verkäufers vereinbart.177 Bei der FCA‑Klausel ist gemäß A 3 und B 3 ein Beförderungsvertrag grundsätzlich nicht vom Verkäufer, sondern vom Käufer abzuschließen, so dass 174 Vgl. 175 Vgl.
Dritter Teil Fn. 167. auch Piltz, RIW 2000, 487. 176 A. A. Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 162. 177 So jedenfalls Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 72; hierbei ist jedoch zu beachten, dass es zum UN‑Kaufrecht str. ist, ob nicht auch dann ein Versendungskauf vorliegt, wenn sich der Käufer verpflichtet hat, die Beförderung zu organisieren, vgl. hierzu oben Dritter Teil Fn. 48, 49. Folgt man der wohl überwiegenden Meinung ist hier wohl nicht von einem Platzkauf auszugehen.
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§ 7 Platzkauf
sich auch hier eine Holschuld des Käufers ergibt.178 Verlangt der Käufer jedoch, der Verkäufer solle den Beförderungsvertrag abschließen, oder entspricht dies der Handelspraxis, so kann der Verkäufer den Beförderungsvertrag auf Gefahr und Kosten des Käufers abschließen, vgl. A 3a. Sollte entgegen der üblichen Vorgehensweise ein solcher Fall vorliegen und im Falle der Verwendung der FCA‑Klausel der Verkäufer den Beförderungsvertrag schließen, würde es sich nicht mehr um einen Platzkauf, sondern einen Versendungskauf handeln.179 Wird ein FCA‑Geschäft als Platzkauf abgewickelt, vollzieht sich der Gefahrübergang gem. A 5 wiederum mit der Lieferung der Ware. Welche Voraussetzungen an die Art der Lieferung geknüpft sind, wird danach unterschieden, welcher Lieferort gewählt wurde. Liegt der Lieferort am Sitz des Verkäufers, ist die Lieferung erst abgeschlossen, wenn die Ware auf das vom Käufer bereitgestellte Beförderungsmittel verladen wurde. Der Zeitpunkt der Lieferung und damit auch des Gefahrübergangs ist damit – verglichen mit der EXW‑Klausel – zeitlich nach hinten verlagert. Es ergibt sich ein späterer Gefahrübergang als bei Verwendung der EXW‑Klausel. Auch hier ist das Risiko beim Verladevorgang damit ausdrücklich zugewiesen. Die Gefahr geht auf den Käufer erst über, sobald die Ware auf dem von ihm bereitgestellten Transportmittel verladen ist.
V. Wertende Zusammenfassung 1. Systematik der Gefahrtragungsnormen Festgestellt werden kann zunächst, dass das UN‑Kaufrecht und das Gemeinsame Europäische Kaufrecht eine Gefahrtragungsregel für den Platzkauf vorhalten (Art. 69 I CISG, Art 143 I GEK‑Vorschlag). Zwar ist jeweils im Tatbestand nicht positiv die Lieferung am Sitz des Verkäufers vorausgesetzt, dies ergibt sich jedoch aus dem Umkehrschluss der anderen Normen zur Gefahr tragung.180 Das deutsche Recht geht regelungssystematisch etwas allgemeiner vor (§ 446 BGB), es gibt weniger Vorschriften zur Gefahrtragung. Auch in CISG und GEK‑Vorschlag ist allerdings die für den Platzkauf einschlägige Norm der Gefahrtragung als allgemeine Gefahrtragungsnorm bzw. Auffangtatbestand ausgestaltet. Die Anwendbarkeit der Vorschriften ergibt sich aus negativen Tatbestandsmerkmalen, nämlich dem Nichtvorliegen speziellerer Tatbestände, welche andere Abwicklungsformen des Kaufs beschreiben.181 Diese Regelungssystematik hat aber keine Auswirkung auf die Qualität der Normen an sich. Letztlich wird es unter allen drei Regelwerken keine Abwicklungs178 Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, 179 Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, 180 Dazu
181 Dazu
oben § 7 I. 2; § 7 II.2. oben § 7 III.2.
Rn. 72. Rn. 72.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
form geben, die nicht unter eine Gefahrtragungsnorm subsumierbar ist, da die Normen entweder – wie im deutschen Recht – sehr allgemein gehalten oder als Auffangtatbestand ausgestaltet sind.
2. Verhältnis des Platzkaufs zu anderen Abwicklungsformen Das Vorliegen eines Platzkaufs und damit die Anwendung der Gefahrtragungsvorschrift hierzu ergeben sich jeweils aus den Vorschriften zur Lieferung der Ware. Diese lassen sich im deutschen Recht dem Allgemeinen Teil des Schuldrechts entnehmen. Dies ist verständlich, da sich das BGB im Gegensatz zu CISG und GEK‑Vorschlag nicht ausschließlich mit einem Vertragstypus befasst. Dort finden sich die Liefervorschriften jeweils im Pflichtenprogramm des Verkäufers.182 Im UN‑Kaufrecht herrscht Uneinigkeit über das Verhältnis des Platzkaufs zu anderen Abwicklungsformen. Obwohl häufig im internationalen Handel eine Beförderung der Ware erforderlich ist, sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass für das Vorliegen eines Versendungskaufs diese Beförderung auch vertraglich vereinbart werden muss. Eine Vermutung für den Versendungskauf im Falle einer erforderlichen Beförderung findet keine Anhaltspunkte im UN‑Kaufrecht. Ohne entsprechende Abrede über eine Beförderung kann dem Verkäufer eine weitergehende Lieferpflicht als die Zurverfügungstellung der Ware gem. Art. 31 lit. c) CISG nicht zugemutet werden. Es liegt dann ein Platzkauf vor.183 Ebenso sollte auch im Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht entschieden werden. Auch hier ließe sich aufgrund der Ähnlichkeit der Regelungen eine solche Diskussion führen. Allerdings ist der Wortlaut bezüglich der Abrede über eine Versendung im GEK‑Vorschlag etwas deutlicher. Hier wird verlangt, dass der „Vertrag keine Beförderung einschließt“, Art. 93 I lit. (b) ii) GEK‑Vorschlag. Dies stellt eine gewisse Verdeutlichung zum bloßen Erfordernis einer Beförderung in Art. 31 lit. a) CISG dar.184 Eine Klärung der Rangfrage löst nicht das eigentliche Problem. Entscheidend ist, dass bei fehlender Einigung über die Beförderung geklärt wird, wie die Lieferung zu erfolgen hat. Das vermögen beide Regelwerke zu leisten, indem sie – jedenfalls nach hier vertretener Meinung – dann einen Platzkauf anordnen.185 Das BGB ist bei der Regelung des Leistungsortes gem. § 269 BGB weniger deutlich. Eine Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag, Art. 31 lit. a) CISG vergleichbare Regelung der Schickschuld ist nicht aufgeführt. Es wird bei fehlender Parteivereinbarung zwar der Sitz des Verkäufers als Leistungsort bestimmt. Hierdurch gelingt aber noch keine Abgrenzung von Hol- und Schickschuld, so dass die Abwicklung als Platzkauf nicht zwingend anzunehmen ist. Die h. M. 182 Dazu 183 Dazu
oben § 7 III.1. oben § 6 II.1 und § 7 I. 1. 184 Dazu oben § 7 II.1. 185 Dazu oben § 7 I. 1; § 7 II.1.
§ 7 Platzkauf
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geht bei gänzlich fehlender Vereinbarung zwar vom Vorliegen einer Holschuld aus, da die Annahme einer Schickschuld ein Versendungsverlangen erfordert.186 Dies ist nach dem Wortlaut im Gegensatz zu den reinen Kaufrechtskodifikationen aber nicht zwingend. Denn hier ist bei gänzlich fehlender Vereinbarung die Schickschuld schon deshalb ausgeschlossen, weil sie eigenständig normiert ist und die tatbestandliche Voraussetzung des Beförderungserfordernisses nicht vorliegt. Folgt man auch im deutschen Recht der h. M., ergeben sich freilich kaum Unterschiede zwischen den Kodifikationen. Gemeinsam ist BGB, CISG und GEK‑Vorschlag, dass Parteivereinbarungen über die Liefermodalitäten Vorrang vor den gesetzlichen Regelungen haben. Dies gilt in BGB und GEK‑Vorschlag auch für Verbraucherkaufverträge. Im Handelsverkehr werden solche Parteivereinbarungen häufig durch Verwendung der Incoterms getroffen. Hier sind die Liefervorschriften für den Gefahrübergang noch entscheidender als bei den gesetzlichen Bestimmungen. Denn anders als bei den gesetzlichen Bestimmungen geben sie nicht nur die Abwicklungsform vor und führen damit lediglich zum Anwendungsbereich einer bestimmten Gefahrtragungsnorm, sondern sie geben auch den Gefahrübergang vor.187
3. (Ent)Kopplung von Lieferung und Gefahrtragung Bei den Klauseln der Incoterms hat eine Entkopplung von Lieferung und Gefahrübergang – anders als in den Kaufrechtskodifikationen – noch nicht stattgefunden.188 Die A 5-Regelungen für den Gefahrübergang verweisen auf die A 4-Vorschriften für die Lieferung. Die Gefahr geht mit bewirkter Lieferung auf den Käufer über. Nach den Incoterms ist also der Gefahrübergang noch an die Lieferung gekoppelt. Dies ist deshalb beachtlich, da das CISG eine solche Entkopplung in bewusster Abweichung vom EKG vorgenommen hat.189 Die Gefahr geht bei Verwendung der EXW‑Klausel schon über, sobald die Ware vom Verkäufer dem Käufer zur Verfügung gestellt wird. Der Käufer muss also noch nicht – wie nach Art. 69 I Alt. 1, 143 I GEK‑Vorschlag und § 446 S. 1 BGB – die tatsächliche Sachherrschaft erlangen.190 Bei Verwendung der FCA‑ Klausel mit dem Sitz des Verkäufers als vereinbartem Lieferort geht die Gefahr dagegen später über, der Verkäufer übernimmt im Rahmen der FCA‑Klausel gar das Risiko des Verladevorgangs. Gesichert ist somit, dass der Zeitpunkt des Gefahrübergangs nach CISG, GEK‑Vorschlag und BGB jedenfalls später ist als bei Verwendung der EXW‑Klausel. 186 Dazu 187 Dazu
oben § 7 III.1. oben § 7 IV. 188 Coetzee, Journal of Law and Commerce 32 (2013), 7, was von dieser auch im Interesse der Rechtssicherheit begrüßt wird. 189 Vgl. Zweiter Teil Fn. 75. 190 Coetzee, Journal of Law and Commerce 32 (2013), 13.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
4. Über- bzw. Annahme Die Regelungen von CISG und GEK‑Vorschlag sind sich sehr ähnlich. Voraussetzung ist die Über- bzw. Annahme durch den Käufer. Nach deutschem Recht trägt der Käufer die Gefahr ab dem Moment der Übergabe.191 Systematisch knüpfen damit CISG und GEK‑Vorschlag den Gefahrübergang an eine Käuferpflicht (Über- bzw. Annahme), während das BGB an eine Verkäuferpflicht (Übergabe) knüpft. Rein praktisch ergibt sich hier aber kein Unterschied. Sowohl nach UN‑Kaufrecht als auch nach deutschem Recht ist nach allgemeiner Auffassung die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Käufer entscheidend.192 Obwohl das Gemeinsame Europäische Kaufrecht eine große strukturelle und inhaltliche Ähnlichkeit zu den Gefahrtragungsvorschriften des CISG aufweist, verwendet es für den Zeitpunkt des Gefahrübergangs einen anderen Terminus („Annahme“). Für den Moment des Gefahrübergangs dürfte sich aus dieser Terminologie kein Unterschied ergeben. Gerade deshalb ist es bedauerlich, dass eine andere Begrifflichkeit gewählt worden ist. Dies wirft unnötige Fragen auf – auch vor dem Hintergrund, dass die „Annahme“ im GEK‑ Vorschlag in verschiedenen Zusammenhängen auftaucht.193 Für den Rechtsanwender vereinfacht sich der Zugang zu den Vorschriften so jedenfalls nicht, was sich auf die Praxistauglichkeit des optionalen Instruments auswirkt.
5. Das Risiko des Verladevorgangs Was das Risiko eines notwendig werdenden Verladevorgangs betrifft, so ist eine entsprechende Diskussion zum GEK‑Vorschlag noch nicht geführt. Im deutschen Recht sowie im UN‑Kaufrecht ist dieser Vorgang nicht ausdrücklich geregelt, es entspricht jedoch der h. M., dieses Risiko dem Käufer zuzuweisen.194 Dies wird aus dem Vorliegen einer Holschuld beim Platzkauf gefolgert. Auch das Gemeinsame Europäische Kaufrecht enthält keine ausdrückliche Regelung zu diesem praxisrelevanten Problem. Es gibt jedoch keine Argumentationsgrundlage, hier eine andere Lösung als im UN‑Kaufrecht oder im deutschen Recht zu befürworten. Die drei untersuchten Rechtsordnungen kommen zum gleichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs beim Platzkauf, wenn auch unter Verwendung unterschiedlicher Terminologie. Geht man, wie hier vertreten, davon aus, dass beim Platzkauf in CISG, GEK‑Vorschlag und BGB der Verladevorgang in den Risikobereich des Käufers fällt, ist bei Verwendung der FCA‑Klausel mit Benennung des Verkäufersitzes195 ein späterer Gefahrübergang möglich 191 Dazu 192 Dazu
oben § 7 III.3. oben zum UN‑Kaufrecht § 7 I. 3; zum GEK‑Vorschlag§ 7 II.3; zum deutschen Recht § 7 III.3.b). 193 Dazu oben § 7 II.3. 194 Dazu oben zum UN‑Kaufrecht § 7 I. 3; zum deutschen Recht § 7 III.3.b). 195 Vgl. FCA A4 Abs. 2 lit. a.
§ 7 Platzkauf
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(Verladung auf Transportmittel) und der Gefahrübergang in CISG, GEK‑Vorschlag und BGB genau zwischen den beiden Zeitpunkten von EXW (Bereitstellung am Verkäufersitz) und FCA anzusiedeln.196 Für die Parteien besteht beim Platzkauf die Möglichkeit, den Zeitpunkt des Gefahrübergangs durch Verwendung der Incoterms zu verschieben. Mit der Klausel EXW wird der Zeitpunkt nach vorne verlagert, während durch die Klausel FCA ein späterer Gefahrübergang stattfindet.
6. B2C‑Verträge B2C‑Verträge sind bei Fehlen gesonderter Vereinbarungen sowohl im deutschen Recht als auch nach dem GEK‑Vorschlag grundsätzlich als Platzkäufe abzuwickeln. Nach dem GEK‑Vorschlag ist der Anwendungsbereich für den Platzkauf aber geringer, da bei Fehlen anderweitiger Vereinbarungen die unter Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag fallenden Verträge als Fernkäufe abgewickelt werden.197 Für den Zeitpunkt des Gefahrübergangs wirkt sich eine mögliche Wahl des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts jedoch zunächst nicht aus, da im deutschen Recht die allgemeine Gefahrtragungsnorm des § 446 S. 1 BGB auf die Übergabe abstellt und nach dem GEK‑Vorschlag alle Verbraucherkaufverträge dem Regime des Art. 142 GEK‑Vorschlag unterstellt sind, bei dem es nach Abs. 1 grundsätzlich auf die Besitzerlangung ankommt. Übergabe und Besitzerlangung sollten sich aber entsprechen.198
7. Abdingbarkeit Ein Unterschied besteht jedoch im dispositiven Charakter. Nach deutschem Recht bleibt auch eine für den Verbraucher nachteilige Vereinbarung möglich,199 während Art. 142 V GEK‑Vorschlag für den Verbraucher nachteilige Vereinbarungen nicht zulässt. Im GEK‑Vorschlag findet sich also ein höherer Grad des Verbraucherschutzes, der zu Lasten der Privatautonomie geht. Den Gefahrübergang betreffende Vereinbarungen können in Abreden zu sehen sein, nach denen nicht sofort der unmittelbare Besitz übertragen werden soll. Zwar genügen vereinbarte Besitzkonstitute, wie im deutschen Recht nach §§ 930, 931 BGB, nicht den Anforderungen für einen an die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft geknüpften Gefahrübergang in den untersuchten Regelwerken. Sie führen aber unter Umständen zu einer Abbedingung der Regelungen.200 Hierfür spielt es auch keine Rolle, ob das Sachenrecht, wie in 196 Zu den Incoterms oben 197 Dazu oben § 7 II.4.a).
§ 7 IV.
198 Zum deutschen Recht § 7 III.3.b); 199 Dazu oben § 7 III.3.a).
zum GEK‑Vorschlag § 7 II.4.b).
200 Soweit von Ewert daher behauptet wird, nach dem UN‑Kaufrecht bleibe unbeantwortet, ob bei Vereinbarung einer anderen Übergabeform der Gefahrübergang eintreten kann, da
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
CISG und GEK‑Vorschlag,201 ausgeklammert ist. Dies liegt an den größtenteils als dispositives Recht ausgestalteten Gefahrtragungsnormen. Einzig beim Verbraucherkaufvertrag nach dem GEK‑Vorschlag wird dies also nicht mehr zum Nachteil des Verbrauchers möglich sein.
§ 8 Fernkauf Ein Kaufvertrag wird nach hier zugrunde liegendem Verständnis als Fernkauf202 abgewickelt, wenn der Verkäufer die Ware an einen Ort liefert, an dem er keine Niederlassung betreibt. Dieser Ort kann sowohl der Sitz des Käufers sein als auch ein beliebig von den Parteien vereinbarter Ort.203 Der Verkäufer hat die Ware zu befördern, die Lieferverpflichtung ist bis zu diesem Ort als Bringschuld ausgestaltet.204 Leistungsort und Erfolgsort liegen bei dieser Abwicklungsform somit am vereinbarten Bestimmungsort.
I. UN‑Kaufrecht Für den Gefahrübergang beim Fernkauf ist die Regelung des Art. 69 II CISG einschlägig. Wird die Ware vom Verkäufer an einen Ort geliefert, an dem der Verkäufer keine Niederlassung betreibt, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 69 II CISG vor. Eine Verpflichtung des Verkäufers zu einer Bringschuld der Ware an einen von seiner Niederlassung verschiedenen Ort lässt sich den Liefervorschriften der Art. 31 ff. CISG nicht entnehmen. Aus ihnen kann sich also keine ausdrückliche Anordnung für eine Lieferpflicht des Verkäufers an einen anderen Ort als seinen Sitz ergeben. Fehlt es somit an einer Vereinbarung über den Lieferort zwischen den Parteien, kann eine Bringschuld des Verkäufers und damit ein Fernkauf nicht angenommen werden. Allerdings ist die ausdrückliche Vereinbarung eines anderen Lieferorts möglich, vgl. Art. 31 Hs. 1 i. V. m. Art. 6 CISG. Hier können die Parteien die Lieferung gem. Art. 4 CISG eigentumsrechtliche Fragen offenbleiben, vgl. Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 28, trifft dies m. E. nicht zu. Zwar wird nicht ausdrücklich beantwortet, ob die Vereinbarung einer anderen Übergabeform unmittelbar nach den Gefahrtragungsnormen zu einem Gefahrübergang führen kann, was aber ohnehin aufgrund der dort gestellten Anforderungen zu verneinen sein dürfte. Eine, auch konkludente, Abbedingung bleibt aber natürlich möglich. 201 Vgl. Art. 4 lit. b) CISG und Erwägungsgrund 27 GEK‑Vorschlag. 202 Zum Begriff siehe oben § 6 II.2 Fernkauf. 203 Zur teilweise vorgenommenen strikteren Unterscheidung, die zwischen Fernkauf als Lieferung der Ware an einen Ort, der weder Käufer- noch Verkäufersitz ist, und Bringschuld als Lieferung an den Sitz des Käufers differenziert, vgl. die in Dritter Teil Fn. 32 Gennanten. 204 Vgl. BeckOK BGB/Saenger, Art. 69 CISG, Rn. 8; MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 3; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 67 CISG, Rn. 3; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN‑Kaufrecht, Rn. 553.
§ 8 Fernkauf
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der Ware an den Sitz des Käufers oder einen beliebigen anderen Ort vereinbaren. Art. 69 II CISG kann tatbestandlich auch einschlägig sein, wenn sich die Verpflichtung des Käufers aus Art. 31 lit. b) CISG ergibt und der Ort, an dem sich die Ware befindet oder herzustellen war, keiner Niederlassung des Verkäufers entspricht. Die hierbei zu beachtenden Besonderheiten werden im Gliederungspunkt über den Kauf eingelagerter und herzustellender Ware thematisiert. Ist zwischen den Parteien eine Bringschuld an einen bestimmten Ort vereinbart, kommt es entgegen vereinzelten Stimmen nicht wie beim Platzkauf auf die Übernahme der Ware durch den Käufer gem. Art. 69 I CISG an.205 Gefahrübergang findet nach Art. 69 II CISG statt, „sobald die Lieferung fällig ist und der Käufer Kenntnis davon hat, dass ihm die Ware an diesem Ort zur Verfügung steht“. In zeitlicher Hinsicht bedeutet das eine Vorverlagerung, also einen früheren Gefahrübergang, verglichen mit dem Abstellen auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Übernahme.206 In Art. 69 II CISG ist eine gewisse Abkehr vom strengen Traditionsprinzip zu sehen. Denn die tatsächliche Sachherrschaft hat der Käufer zu diesem Zeitpunkt noch nicht inne. Er wird vielmehr in die Lage versetzt, sie baldmöglichst auszuüben. Begründet wird diese Abweichung vom Traditionsprinzip damit, dass auch der Verkäufer die Ware nicht mehr in seinem eigentlichen Herrschaftsbereich hat.207 Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs hängt von der genaueren Bestimmung der Merkmale Fälligkeit, Zurverfügungstellung der Ware und Kenntnis des Käufers hiervon ab.
1. Zeitpunkt der Fälligkeit Der Fälligkeitszeitpunkt ist gem. Art. 69 II CISG ausdrücklich für den exakten Zeitpunkt des Gefahrübergangs entscheidend. Die Fälligkeit der Sachleistung, also der Lieferung der Ware, richtet sich nach Art. 33 CISG. Wurde vertraglich ein Zeitpunkt (lit. a) oder ein Zeitraum (lit. b) bestimmt, so bereitet die Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts keine Probleme. Wurde ein Zeitraum vereinbart, so hat mangels anderweitiger Vereinbarung der Verkäufer das Be205 Für die Anwendung des Art. 69 I CISG im Falle einer Bringschuld an den Sitz des Käufers offenbar U. Huber, RabelsZ 43 (1979), 456; für eine Anwendung des Art. 69 I CISG auch Staub/Koller, Vorbem § 373 HGB, Rn. 721; die ganz h. M. nimmt jedoch auch für den Fall der Bringschuld an den Sitz des Käufers die Gefahrtragungsnorm des Art. 69 II CISG an, so MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 8; Staudinger /Magnus, Art. 69, Rn. 18; Schlechtriem/ Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 18; MünchKommHGB/Benicke, Art. 69, Rn. 5; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 69, Rn. 9; Herber/Czerwenka, Art. 69, Rn. 6 f.; Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 69, Rn. 16; Brunner, Art. 69, Rn. 5; Honnold/Flechtner, Art. 69, Rn. 377; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 202; Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 118. 206 Honnold/Flechtner, Art. 69, Rn. 377; Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 129. 207 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 18.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
stimmungsrecht, wann er innerhalb dieses Zeitraums die Ware liefert.208 Stellt er die Ware dem Käufer innerhalb dieses Zeitraums zur Verfügung, so muss er ihn zur Bewirkung des Gefahrübergangs nach Art. 69 II CISG nur noch von der Zurverfügungstellung in Kenntnis setzen.
a) Erfüllbarkeit bei fehlender Vereinbarung Bei Fehlen einer die Lieferzeit betreffenden vertraglichen Vereinbarung hat die Lieferung gem. Art. 33 lit. c) CISG innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsschluss zu erfolgen („within a reasonable time after the conclusion of the contract“). Was als angemessen angesehen wird, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls.209 Problematisch für den genauen Zeitpunkt des Gefahrübergangs ist vor allem, ob generell eine sofortige Lieferung nach Vertragsschluss durch den Verkäufer möglich ist. Dies ist richtigerweise eine Frage der Erfüllbarkeit.210 Ein sofortiges Lieferungsrecht des Verkäufers wird von der überwiegenden Meinung bejaht.211 Teilweise wird ein generelles sofortiges Lieferungsrecht im Falle des Art. 33 lit. c) CISG verneint, es soll sich lediglich aus dem konkreten Fall ergeben können.212 Zwar spricht der Wortlaut dafür, dem Verkäufer eine sofortige Erfüllbarkeit lediglich aufgrund besonderer Umstände in Einzelfällen zuzugestehen. Liegen solche Umstände nicht vor, so hätte der Verkäufer die angemessene Frist bis zur Lieferung abzuwarten. Allerdings ist zu bedenken, dass das Erfordernis der angemessenen Frist eher dem Schutz des Verkäufers dient. Dieser soll davor bewahrt werden, unmittelbar in Verzug zu geraten, falls eine vertragliche Absprache über den Lieferzeitpunkt fehlt. In Zusammenhang mit dem in Art. 69 II CISG normierten Erfordernis der Fälligkeit für den Gefahrübergang stellt sich die Lage nun aber umgekehrt dar. Es sollte sich nicht die Frage stellen, ob der Anspruch auf Lieferung schon fällig ist, sondern ob er erfüllbar ist. Gesteht man dem Verkäufer das generelle Recht zu, sofort zu liefern, so kann er den Gefahrübergang frühzeitig herbeiführen. Müsste er dagegen erst eine angemessene Frist verstreichen lassen, so könnte er den Gefahrübergang durch das sofortige Zurverfügungstellen der Ware nicht herbeiführen. Das Fristerfordernis wäre also ein Nachteil für ihn. Ein solches Ergebnis gibt zwar der Wortlaut des Art. 33 lit. c) CISG her, eine teleologische 208 Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 33,
Rn. 9. van Koophandel, Kortrijk 03.10.2001, CISG-online 757; Ferrari/Saenger, Int. Vertragsrecht, Art. 33 CISG, Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 33, Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 33, Rn. 22; MünchKomm/Gruber Art. 33, Rn. 11. 210 So nur MünchKommHGB/Benicke, Art. 69, Rn. 10. 211 Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 33, Rn. 18; Reinhart, Art. 33, Rn. 4; MünchKomm/Gruber, Art. 33, Rn. 12; Staudinger/Magnus, Art. 33, Rn. 21; Ferrari/Saenger, Int. Vertragsrecht, Art. 33 CISG, Rn. 6. 212 Piltz, Internationales Kaufrecht, § 4, Rn. 56; Schackmar, Die Lieferpflicht des Verkäufers in internationalen Kaufverträgen, S. 169. 209 Rechtbank
§ 8 Fernkauf
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Auslegung kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Denn das Fristerfordernis dient dem Schutz des Verkäufers vor dem Lieferverzug und soll wohl keinen Schutz des Käufers vor einem frühzeitigen Gefahrübergang darstellen. Daher sollte man dem Verkäufer ein generelles Recht zur sofortigen Lieferung nach Vertragsschluss zugestehen. Der Schutz des Käufers wird in Art. 69 II CISG durch die erforderliche Kenntnis gewährleistet. Ein weiterer Schutz des Käufers durch die Tatsache, dass man tatsächlich die Fälligkeit des Anspruchs i. S. d. Art. 33 lit. c) CISG abwartet, ist nicht sachgerecht und von Art. 69 II CISG mit der geforderten Fälligkeit auch nicht bezweckt. Festzuhalten ist daher, dass ein Gefahrübergang schon vor der Fälligkeit der Lieferung in Betracht kommt, wenn nämlich in den Fällen des Art. 33 lit. c) CISG Erfüllbarkeit zu bejahen ist.
b) Nichteinhaltung der Lieferzeit Fraglich ist der Zeitpunkt des Gefahrübergangs gem. Art. 69 II CISG, wenn die Ware zeitlich abweichend vom Fälligkeitszeitpunkt zur Verfügung gestellt wird. Hier kommt entweder eine frühzeitige oder eine verspätete Lieferung in Betracht. Beim Lieferverzug kann die Gefahr aber noch nicht gem. Art. 69 II CISG übergehen, da die Ware dem Käufer im Fälligkeitszeitpunkt gerade noch nicht zur Verfügung steht.213 Bei verfrühter Lieferung, wenn gem. Art. 33 lit. a) ein Zeitpunkt der Lieferung im Vertrag bestimmt ist, scheitert der Gefahrübergang nach dem Wortlaut des Art. 69 II CISG an der zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorliegenden Fälligkeit. Die Frage muss auch hier sein, ob der Verkäufer seine Lieferpflicht bereits erfüllen und dies zum Gefahrübergang führen kann. Dies ist in dieser Konstellation jedoch abzulehnen, da die Interessenlage der Parteien anders liegt und ein frühzeitiger Gefahrübergang hier nicht sachgerecht ist. Denn durch die genaue Festlegung des Lieferzeitpunktes hat der Käufer Dispositionen getroffen. Es ist nicht sachgerecht, dass er nun durch eine verfrühte Lieferung „überrascht“ wird und die Gefahr übernimmt. Problematisch ist der Fall der Bereitstellung der Ware vor Fälligkeit, sofern der Käufer die Ware auch vor dem Fälligkeitszeitpunkt übernimmt.214 Eigentlich spielt ja die tatsächliche Übernahme für den Gefahrübergang nach dem Wortlaut des Art. 69 II CISG gerade keine Rolle.215 Jedoch hat der Käufer ab diesem Zeitpunkt jedenfalls die Sachherrschaft inne, so dass ein Gefahrübergang analog Art. 69 I CISG als gerechtfertigt angesehen wird.216 Es ließe sich 213 Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 129. 214 Vgl. hierzu Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑ Kaufrecht, S. 129. 215 Sevón, Lausanner Kolloquium, S. 205. 216 Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 129, wonach in diesem Fall eine interne Regelungslücke vorliegen soll, die gem. Art. 7 II CISG zu schließen sei.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
hier zudem argumentieren, dass Art. 69 II CISG ja schon grundsätzlich eine Vorverlagerung des Gefahrübergangs auf den Käufer regeln möchte. Daher verstößt die hier vorgenommene Vorverlagerung durch die Anwendung des Art. 69 I CISG (Abstellen auf tatsächliche Übernahme) nicht gegen den Regelungszweck und die Intention des Art. 69 II CISG. Ein Gefahrübergang vor dem Zeitpunkt der Fälligkeit bei tatsächlicher Übernahme durch den Käufer ist daher zu befürworten.
2. Zur Verfügung stellen Die Preisgefahr kann erst übergehen, sobald der Verkäufer die Ware dem Käufer zur Verfügung gestellt hat. Beim Fernkauf hat der Verkäufer die Ware am vereinbarten Ort anzudienen, indem er sie zur körperlichen Übernahme bereitstellt.217 Wurde vom Verkäufer eine Montageverpflichtung übernommen, so muss diese erfolgt sein.218 Aus diesen Erfordernissen lässt sich schließen, dass die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft dem Käufer am vereinbarten Ort ohne weiteres möglich sein muss. Es dürfen keine Hindernisse für eine tatsächliche Übernahme mehr vorliegen.
3. Kenntnis des Käufers Der Käufer muss von der Andienung der Ware durch den Verkäufer Kenntnis haben, Art. 69 II CISG. Entsprechend dem eindeutigen Wortlaut ist positive Kenntnis zu fordern, grob fahrlässige Unkenntnis ist nicht ausreichend.219 Bei der Kenntnis des Käufers handelt es sich um ein subjektives Element, wodurch das für die Gefahrtragung wichtige Element der Rechtssicherheit beeinträchtigt wird. Hinzu kommt, dass es sich um eine sehr strenge subjektive Voraussetzung handelt und ein entsprechender Beweis schwer zu führen sein dürfte. Zumal diejenige Partei den Gefahrübergang zu beweisen hat, die sich auf ihn bezieht und daraus Rechte herleiten möchte.220 Diese Gefahren wurden jedoch in der Literatur erkannt und gewisse Voraussetzungen angenommen, unter denen es dem Käufer nicht möglich sein soll, sich auf fehlendes positives Wissen zu berufen. Ist dem Käufer eine Mitteilung über die Zurverfügungstellung der Ware 217 OLG Hamm 23.06.1998, CISG-online 434; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 22; MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 12; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 23; bei der Anwendung des Art. 69 II CISG im Falle des Kaufs eingelagerter Ware sollen die Anforderungen etwas anders sein, vgl. hierzu unten § 11 I. 218 MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 12; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 22. 219 MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 13; Staudinger/Magnus Art. 69, Rn. 23; Ferrari/ Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 25. 220 Vgl. nur OLG Hamm 23.06.1998, CISG-online 434; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 25; Herber/Czerwenka, Art. 69 Rn 5; Achilles, Art. 69, Rn 7; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 22.
§ 8 Fernkauf
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derart zugegangen, dass vernünftigerweise mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist, so soll die erforderliche positive Kenntnis vorliegen.221 Bei Versendung einer Mitteilung über die Zurverfügungstellung ergeben sich mit Blick auf das Versenderisiko der Mitteilung weitere Fragen zum Zeitpunkt der Kenntnis. Grundsätzlich weist das UN‑Kaufrecht das Versenderisiko beim Versand einer Mitteilung dem Empfänger zu, Art. 27 CISG. Mit dem Absenden der Mitteilung gilt diese beim Empfänger als eingegangen. Hiervon weicht Art. 69 II CISG jedoch ab, indem er positive Kenntnis von der Zurverfügungstellung der Ware erfordert. Für die Anwendung des Art. 27 CISG bleibt daher kein Raum mehr,222 da insofern durch Art. 69 II CISG „in diesem Teil des Übereinkommens ausdrücklich etwas anderes bestimmt wird“, vgl. Art. 27 CISG. Es kommt daher auf einen tatsächlichen Zugang einer entsprechenden Mitteilung an, etwas abgemildert dadurch, dass dieser zu bejahen ist, sobald vernünftigerweise mit einer Kenntnisnahme des Käufers zu rechnen ist. Teilweise wird angenommen, es mache kaum einen praktischen Unterschied, ob die Gefahr gem. Art. 69 I Alt. 1 CISG mit Übernahme übergeht oder gem. Art. 69 II CISG an das einseitige Zurververfügungstellen der Ware angeknüpft wird, da die Gefahr ohnehin spätestens durch den Annahmeverzug gem. Art. 69 I Alt. 2 CISG übergeht.223 Dem ist nur zuzustimmen, wenn der Käufer nach entsprechender Mitteilung die Ware sofort zu übernehmen hätte. Wird ihm darin jedoch eine gewisse Abholfrist gewährt, so tritt der Annahmeverzug und damit Gefahrübergang gem. Art. 69 I Alt. 2 CISG nicht ein, wohl aber aufgrund der Kenntnis des Käufers von der bereitstehenden Ware der Gefahrübergang nach Art. 69 II CISG.224
4. Konkretisierung der Ware Das in Art. 69 III CISG geregelte Erfordernis der Konkretisierung gilt auch und gerade für Art. 69 II CISG. Dies macht schon der Wortlaut des Art. 69 III CISG deutlich, der sich auf das Zurverfügungstellen der Ware und damit eine Voraussetzung des Gefahrübergangs nach Art. 69 II CISG bezieht. Die Gefahr kann gem. Art. 69 II, III CISG erst auf den Käufer übergehen, wenn die Ware dem Vertrag auch eindeutig zugeordnet werden kann,225 also eindeutig ist, für wel221 MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 13; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 23; Ferrari/ Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 25; Achilles, Art. 69, Rn 5. 222 Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 23; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 26. 223 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 101. 224 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 6; a. A. offenbar Gillette/Walt, Sales Law, S. 249, wonach der Gefahrübergang gem. Art. 69 II CISG dann erst am Ende der Abholfrist stattfinden soll. 225 Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 133.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
che Ware der Käufer nun die Preisgefahr tragen soll. Beim Gefahrübergang nach Art. 69 II CISG kommt dem Erfordernis der Individualisierung der Ware eine größere Bedeutung zu als bei der beim Platzkauf gem. Art. 69 I Alt. 1 CISG erforderlichen Übernahme. Die Bedeutung dürfte in der Praxis dennoch geringer sein als beim Gefahrübergang durch Annahmeverzug beim Platzkauf gem. Art. 69 I Alt. 2 CISG. Denn beim Fernkauf hat der Verkäufer die Ware am vereinbarten Ort anzubieten, während sie sich beim Annahmeverzug beim Platzkauf noch in seinem Herrschaftsbereich befindet.226 Dies verdeutlicht folgendes Beispiel: Verkauft ein Weingut aus Würzburg 20 Kisten Silvaner an einen Käufer, der die Kisten abzuholen hat, seiner Verpflichtung jedoch nicht rechtzeitig nachkommt, so kommt dem Individualisierungserfordernis des Art. 69 III CISG für den Gefahrübergang entscheidende Bedeutung zu, denn die 20 Kisten Silvaner lagern noch in den Räumlichkeiten des Weinguts mit einer großen Anzahl anderer Silvaner-Kisten. Wohingegen für den Fall, dass das Weingut dem Käufer die Lieferung an seinen Wohnsitz schuldet, der Verkäufer die 20 Kisten Silvaner ohnehin in seinen Lieferwagen geladen hat und sich damit meist zwangsläufig eine Zuordnung zum Vertrag ergibt. Wird also ein Kaufvertrag über klar abgrenzbare Ware als Fernkauf durch Lieferung an den Sitz des Käufers abgewickelt, wird dem Konkretisierungserfordernis meist ohnehin genügt sein. Sollte der Verkäufer bei Lieferung an einen dritten Ort Ware für mehrere Käufer bereitstellen, so ist dem Erfordernis der Individualisierung genügt, sofern die verschiedenen Warenladungen für den jeweiligen Käufer gekennzeichnet sind, vgl. Art. 69 III CISG i. V. m. Art. 67 II CISG. Dies folgt letztlich daraus, dass Art. 69 III CISG zwar die Beispiele des Art. 67 II CISG nicht mehr aufzählt, jedoch gleich zu verstehen ist.227 In Art. 67 II CISG wird die Individualisierung durch an der Ware angebrachte Kennzeichen beispielhaft aufgeführt. Im Falle einer Lieferung für mehrere Käufer an einen Ort kann die Gefahr daher nur auf die einzelnen Käufer übergehen, wenn die Ware für die jeweiligen konkreten Käufer gekennzeichnet ist. Problematisch wird das Individualisierungserfordernis beim Verkauf von Ware, die Teil eines Massenguts ist und mit anderen Teilen vermischt oder vermengt ist. So sind beispielsweise beim Verkauf einer gewissen Menge Rohöl, die in einem größeren Behälter gelagert ist, in welchem sich noch weiteres, nicht für den Käufer bestimmtes Rohöl befindet, die Anforderungen an das Konkretisierungserfordernis fraglich.228 Gemäß Art. 69 III CISG müsste der für den Käufer bestimmte Teil der Ware am Bestimmungsort individualisier226 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch,
5. Auflage, Art. 69, Rn. 8.
227 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 24. 228 Vgl. zu diesem Beispiel MünchKomm/P. Huber,
Art. 69, Rn. 15; Schlechtriem/ Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 8; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 30.
§ 8 Fernkauf
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bar sein, um den Übergang der Preisgefahr zu bewirken.229 Hier ist eine Individualisierung jedoch praktisch nicht bis zur tatsächlichen Übernahme durch den Käufer möglich. Es bliebe somit beim zeitlich späteren Gefahrübergang im Moment der Übernahme.230 Der Verkäufer würde also einen längeren Zeitraum mit der Preisgefahr belastet, als dies beim Fernkauf eigentlich der Fall wäre. Zur Lösung dieser Konfliktsituation wird teilweise vorgeschlagen, die vom Verkäufer zur Bewirkung des Gefahrübergangs erforderliche Leistung auf eine Grobausscheidung der Ware und damit auf einen bestimmten Vorrat zu beschränken und eben nicht erst die vollständige Übernahme durch den Käufer zu verlangen.231 Diese Auffassung entspricht der Regelung des Vorläufers des UN‑Kaufrechts, Art. 98 III EKG232. Hat der Verkäufer dann den bestimmten Vorrat zur Verfügung gestellt und geht dieser Vorrat anschließend unter, so trüge der Käufer bereits die Preisgefahr und müsste entsprechend den gesamten Kaufpreis zahlen.233 Es ist aber noch zu fordern, wie schon in Art. 98 II EKG234 normiert und in einer Entscheidung vom RG235 verlangt, dass der Verkäufer dem Käufer die Ausscheidung anzeigt236. Schwieriger zu lösen war aber auch schon nach Art. 98 III EKG die Frage, wie die Gefahr zu verteilen ist, wenn lediglich ein Teil des Vorrats untergeht, aus dem der für den Käufer bestimmte Teil entnommen werden sollte. Hier sollte das Risiko dann anteilsmäßig vom Käufer zu tragen sein.237 Der Käufer dürfte also nur noch einen bestimmten Bruchteil der gekauften Menge erhalten, wäre aber verpflichtet, den vollen Kaufpreis zu zahlen und so den Schaden anteilig zu tragen. Diese Auffassung findet aber keinen unmittelbaren Anhalt im Wortlaut der Vorschrift des Art. 69 III CISG. Daher ließe sich argumentieren, dass, hätte der Konventionsgeber eine solche Lösung der anteiligen Belastung der Käufer befürwortet, er schließlich nur die Vorgängerregelung des Art. 98 III EKG hätte beibehalten müssen. Teilweise wird auch das Vorliegen einer Bring229 Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 133. 230 Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 133. 231 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 8. 232 Art. 98 III EKG: Sind die Gattungssachen so beschaffen, dass der Verkäufer nicht einen Teil derselben aussondern kann, solange der Käufer nicht zur Abnahme bereit ist, so genügt es, dass der Verkäufer alle Handlungen ausgeführt hat, die erforderlich sind, um dem Käufer die Möglichkeit zur Abnahme zu geben. 233 Dölle/Neumayer, Art. 98, Rn. 16. 234 Art. 98 II EKG: Betrifft der Kaufvertrag Gattungssachen, so geht wegen der dem Käufer zur Last fallenden Verzögerung die Gefahr nur dann auf diesen über, wenn der Verkäufer offensichtlich für die Vertragserfüllung vorgesehene Sachen ausgesondert und den Käufer durch eine Anzeige davon unterrichtet hat. 235 RG 29.03.1904, RGZ 57, 404. 236 Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 31; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 18; Ferrari/ Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 31; Art. 67 CISG, Rn. 38. 237 Dölle/Neumayer, Art. 98, Rn. 18, 19.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
schuld bis zum vereinbarten Lieferort gegen die Lösung des Problems über eine anteilige Belastung der Käufer angeführt, da der Verkäufer eben bis zur endgültigen Konkretisierung der Ware noch nicht geliefert hat.238 Daher wird dem Verkäufer auch im Falle vermischter Sammelladungen teilweise keine Erleichterung hinsichtlich des Konkretisierungserfordernisses zugestanden.239 Zur Lösung des Problems sind die Bedürfnisse des Handelsverkehrs zu berücksichtigen. Der Käufer von Füll- und Schüttgut sollte wissen, das eine gänzliche Individualisierung seiner Teilladung unüblich und auch unökonomisch ist. Lässt man eine Individualisierung im Sinne einer Grobausscheidung durch eine Verladeanzeige ausreichen, in welcher die Anteile des Käufers an der Gesamtmenge deutlich zum Ausdruck kommen, so besteht auch keine Manipulationsgefahr.240 Man sollte daher mit der überwiegenden Meinung eine Gefahrgemeinschaft aller Käufer der Sammelladung annehmen, so dass bei vollständigem Untergang die Käufer den Schaden gemeinschaftlich und bei teilweisem Untergang die Käufer den Schaden entsprechend ihren Anteilen an der Gesamtladung zu tragen haben.241 Auch die eine Individualisierung mittels Verladeanzeige ablehnende Auffassung nimmt einen Gefahrübergang ohne ausdrückliche Konkretisierung an, wenn sich ein dahingehender Parteiwille erkennen lässt, insbesondere weil der Käufer der Sammelladung zugestimmt hat242 oder sie die wirtschaftlich einzig sinnvolle Transportart ist.243 Damit wird auch nach dieser Auffassung in der Praxis regelmäßig ein Gefahrübergang mit Zurverfügungstellung der Sammelladung am Bestimmungsort anzunehmen sein. Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Käufer die wirtschaftlich günstigere Form des Transports beim Kaufpreis zugute kommt.244
238 Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 133. 239 Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 67, Rn. 30 f.; BeckOK BGB/Saenger, Art. 67, Rn. 5; Art. 69, Rn. 4; Honnold/Flechtner, Rn. 56.3, 371, 378; Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 133. 240 Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 24; Art. 67, Rn. 31; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 67 CISG, Rn. 38. 241 MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 18; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 24; Art. 67, Rn. 31; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 67 CISG, Rn. 38; Schlechtriem/Schwenzer/ Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 8; zu dieser Lösung im englischen Recht zu SGA 1979, section 20A auch Benjamin’s Sale of Goods, 6-006; a. A. inzwischen Schlechtriem/ Schwenzer/Hachem, Art. 67, Rn. 34; zu einem detaillierten Rechenbeispiel und den verschiedenen Möglichkeiten als Realausgleich oder Ausgleich in Geld siehe Wegner, Überseekauf im Agrarhandel, S. 332 ff. 242 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 67, Rn. 34; BeckOK BGB/Saenger, Art. 67, Rn. 5; MünchKommHGB/Benicke, Art. 67, Rn. 20; Honnold/Flechtner, Art. 67, Rn. 371. 243 BeckOK BGB/Saenger, Art. 67, Rn. 5; MünchKommHGB/Benicke, Art. 67, Rn. 20. 244 Wegner, Überseekauf im Agrarhandel, S. 330.
§ 8 Fernkauf
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5. Zusammenfassung Beim Fernkauf geht im UN‑Kaufrecht die Preisgefahr im Gegensatz zum Platzkauf nicht erst mit der Übernahme, sondern bereits mit Zurverfügungstellung über, auf die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft kommt es nicht an. Diese diesbezügliche Entlastung des Verkäufers kann als Ausgleich dafür angesehen werden, dass beim Fernkauf der Verkäufer die Gefahr des Transports übernimmt. Fragen ergeben sich bei der Bestimmung des Tatbestandsmerkmals der Fälligkeit, insbesondere ist nach einer zeitlich früheren Erfüllbarkeit und deren Auswirkung auf den Gefahrübergang zu fragen. Hier spricht nichts dagegen, dem Verkäufer eine sofortige Lieferung nach Vertragsschluss zuzugestehen und ihn nicht zum Abwarten einer angemessenen Frist zu verpflichten. Dies ermöglicht ihm mit Blick auf die Gefahrtragung eine zeitige Abwälzung auf den Käufer, ohne ihn zu einer sofortigen Lieferung zu verpflichten. Dem Käufer entstehen dadurch keine untragbaren Nachteile, da er durch die erforderliche Kenntnis Dispositionen zur Übernahme der Ware treffen kann. Vereinbaren die Parteien einen Fälligkeitszeitpunkt und liefert der Verkäufer die Ware vor diesem Zeitpunkt an den Käufer, der die Ware bereits tatsächlich übernimmt, so sprechen teleologische Erwägungen dafür, den Übergang der Gefahr zu bejahen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist zu befürworten, dass der Käufer sich nicht auf fehlende positive Kenntnis berufen kann, sobald ihm eine Mitteilung über die Bereitstellung der Ware zugegangen ist und vernünftigerweise mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Das Konkretisierungserfordernis des Art. 69 III CISG sollte beim Verkauf von vermischten oder vermengten Massenladungen dergestalt verstanden werden, dass für den Gefahrübergang eine Grobausscheidung und eine entsprechende Anzeige des Verkäufers genügt und für den Fall des teilweisen Untergangs der Ware eine Gefahrengemeinschaft der Käufer mit dem Ergebnis anteiliger Haftung anzunehmen ist.
II. Deutsches Recht 1. Vorliegen eines Fernkaufs und Gefahrübergang beim Fernkauf Im deutschen Recht gibt es in § 447 BGB eine spezielle Gefahrtragungsnorm für den Versendungskauf, für die Fälle einer Bringsschuld existiert keine dem UN‑Kaufrecht vergleichbare gesonderte Gefahrtragungsnorm. Eine Gefahrtragungsnorm, die im Tatbestand ausdrücklich an den Fall der Lieferung an einen anderen Sitz als den des Verkäufers anknüpft, enthält das BGB nicht. Wird der Kaufvertrag als Fernkauf abgewickelt, so liegen die Voraussetzungen des § 447 BGB nicht vor. Der Gefahrübergang vollzieht sich damit nach § 446 BGB. Auch eine Lieferverpflichtung des Verkäufers an einen anderen Ort als seinen Sitz, als Bringschuld ausgestaltet, findet sich nicht ausdrücklich im allgemeinen Teil des Schuldrechts. Sie kann sich also lediglich aus einer entspre-
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
chenden Abrede der Parteien ergeben, vgl. § 269 BGB. In § 269 III BGB ist sogar noch eine gesetzliche Auslegungsregel enthalten. Hiernach kann allein aus dem Umstand, dass der Verkäufer die Kosten für eine Versendung der Ware übernimmt, nicht von einer Bringschuld ausgegangen werden. Die Kosten einer entsprechenden Versendung sind gem. § 448 I BGB normalerweise dem Käufer zugewiesen. Durch diese Auslegungsregel verschiebt sich das Verhältnis bei Distanzkäufen zugunsten der Schickschuld und damit des Versendungskaufs. Fernkäufe sind bei Distanzgeschäften seltener anzunehmen als Versendungskäufe. Für eine Ausgestaltung als Fernkauf müssen weitere Umstände als lediglich die Kostenübernahme des Verkäufers hinzukommen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache gem. § 446 S. 1 BGB zu übergeben, um die Preisgefahr auf diesen abzuwälzen. Bevor der Käufer nicht die tatsächliche Sachherrschaft innehat oder in Annahmeverzug gerät, hat er den Kaufpreis nicht oder nicht vollständig zu zahlen, wenn er die Ware anschließend gar nicht oder lediglich beschädigt erhält. Da hier eine Bringschuld des Verkäufers vorliegt, sollte man das Risiko einer Ver- oder Abladung konsequenterweise dem Verkäufer auferlegen. Damit wird die auch beim Platzkauf anhand des Schuldcharakters geführte Auslegung beibehalten. Diesbezüglich findet auch keine Unterscheidung zwischen Verbraucher- und Unternehmergeschäften statt.
2. Umsetzungsbedarf durch die Verbraucherrechte-RL? Fraglich ist, ob im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechte-RL Anpassungsbedarf im deutschen Recht entstanden ist. Als Vorschrift zum Gefahrübergang lässt Art. 20 Verbraucherrechte-RL die Gefahr erst mit Besitzerlangung übergehen. Selbst wenn man die Vorschrift also auch auf den Fernkauf anwenden würde,245 würde es hinsichtlich des Zeitpunkts des Gefahrübergangs nicht zu Änderungen kommen, da das Übergabeerfordernis in § 446 S. 1 BGB der Besitzerlangung im Sinne der Verbraucherrechte-RL im Wesentlichen entspricht. Nimmt man aber an, dass sich der Anwendungsbereich des Art. 20 Verbraucherrechte-RL auch auf den Fernkauf erstreckt,246 dann hieße das weitergedacht, dass auch für den Fernkauf der zwingende Charakter der Vorschrift gilt. Bislang geht man im deutschen Recht von einer anderen Situation aus. Da § 446 S. 1 BGB grundsätzlich dispositiv ist, steht es den Parteien auch frei, zusätzlich zur Vereinbarung einer Bringschuld eine Erleichterung hinsichtlich des Gefahrübergangs zu treffen, indem sie den Gefahrübergang vorverlagern und nicht die strengen Voraussetzungen der Übergabe erforderlich machen. Dies gilt nicht nur für B2B‑Verträge, sondern auch, wenn ein Verbraucher als Käufer auftritt und auch zu Lasten des Verbrauchers.247 Zwar kann beim Verbraucher-Ver245 Dies erwägt wohl Lorenz, AcP 212 (2012), 246 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 828, 829. 247 BGH
S. 828, 829; dazu aber sogleich.
15.01.2014, NJW 2014, 1086; MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 14; Pa-
§ 8 Fernkauf
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sendungskauf über die Möglichkeit einer von § 446 BGB abweichenden Parteivereinbarung gestritten werden.248 Gleichgültig wie man sich hinsichtlich dieser Streitfrage entscheidet, sollte es aber nicht so weit führen, dass man bei jeder Art des Verbrauchsgüterkaufs, also auch bei einem vereinbarten Fernkauf, die Regelung des § 446 BGB als zwingendes Recht ansieht. Die Verbraucherrechte-RL ändert an diesem Ergebnis nichts, sofern sich Art. 20 der Richtlinie nur auf Versendungskäufe bezieht und nur diesbezüglich eine Vollharmonisierung eintritt. Auch die in Art. 25 Verbraucherrechte-RL angeordnete Unabdingbarkeit der Richtlinie beansprucht dann lediglich für den Versendungskauf Geltung. Es ist nun also zu prüfen, welchen exakten sachlichen Anwendungsbereich der europäische Gesetzgeber der Norm des Art. 20 Verbraucherrechte-RL beimessen wollte. Auf den ersten Blick liegt eine Beschränkung auf den Versendungskauf nahe.249 Hierfür spricht zum einen der Wortlaut des Art. 20 Verbraucherrechte-RL, der voraussetzt, dass der Unternehmer die Sache „versendet“. Ein gewichtiges Argument für die Beschränkung auf den Versendungskauf ist auch in der Entstehungsgeschichte der Norm zu sehen. So sah die Regelung des Risikoübergangs im Entwurfsstadium noch keine Einschränkung auf die Versendung der Ware vor und stellte eine allgemeine Regelung zum Gefahrübergang dar. Art. 23 I Verbraucherrechte-RL-Entwurf ordnete an, dass die Gefahr beim Verbrauchervertrag generell erst mit Besitzerwerb übergeht. Die Entwurfsregelung hätte also alle Abwicklungsformen des Kaufs europarechtlich überlagert. Die in Art. 43 Verbraucherrechte-RL-Entwurf angeordnete Unabdingbarkeit hätte damit in jedem Fall auch den Fernkauf betroffen. Es wäre also beim Fernkauf weder eine von § 446 S. 1 BGB abweichende gesetzliche Regelung, noch eine von einer gesetzlichen Regelung zum Nachteil des Verbrauchers abweichende Parteivereinbarung möglich gewesen. Andererseits wird nun offenbar auch bei der letztlich verabschiedeten Richtlinie teilweise davon ausgegangen, dass Art. 20 Verbraucherrechte-RL immer dann gelten soll, wenn der Transport vom Unternehmer durchgeführt oder organisiert wird, mithin bei Bring- und Schickschulden.250 Unter die Bringschulden würde dann der Fernkauf fallen. Für einen solchen Regelungswillen des europäischen Gesetzgebers könnte der Erwägungsgrund 55 der VerbraucherrechteRL sprechen. Hier ist davon die Rede, dass die Bestimmung lediglich nicht für Verträge gelten sollte, bei denen der Verbraucher die Ware selbst abzuholen oder einen Beförderer zu beauftragen hat. Man könnte dies wörtlich so verlandt/Weidenkaff, § 446, Rn. 3; PWW/D. Schmidt, § 446, Rn. 5; NomosKommentar/Büdenbender, BGB Schuldrecht/1, § 446, Rn. 21. 248 Vgl. dazu eingehend § 9 II.3.c). 249 So wohl Schwab/Giesemann, EuZW 2012, 256. 250 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 828, 829.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
stehen, dass Art. 20 Verbraucherrechte-RL demnach nur für die Fälle des Platzkaufs keine Regelung enthalten soll. Betrifft die Vorschrift zum Risikoübergang, Art. 20 Verbraucherrechte-RL, ihrem sachlichen Anwendungsbereich nach nur den Versendungskauf, gibt es für den Fernkauf keinerlei Änderungsbedarf im deutschen Recht. In den deutschen Umsetzungsbemühungen des Bundesministeriums für Justiz251 und der Bundesregierung252 wurde deutlich, dass man auch dort von einer ausschließlichen Geltung des Art. 20 Verbraucherrechte-RL für den Versendungskauf ausgeht, indem sich § 474 IV sowohl des Referenten- als auch des Regierungsentwurfs ausdrücklich nur auf die Anwendung des § 447 BGB und damit auf den Versendungskauf bezog. So stellt sich auch die letztlich verabschiedete Fassung dar. § 474 IV BGB a. F. (§ 475 II BGB n. F.) enthält Anpassungen nur für die Anwendung des § 447 BGB beim Verbraucher-Versendungskauf. Auch die Materialien zur Gesetzgebung machen deutlich, dass eine Erstreckung auf Fälle der Bringschuld überhaupt nicht diskutiert wurde.253 Die Beschränkung auf den Versendungskauf ist vorzugswürdig. Die Ausführungen in Erwägungsgrund 55 der Verbraucherrechte-RL zielen nicht auf eine Bringschuld ab, sondern gehen lediglich vom Versendungskauf aus, bei dem es – nach Art. 20 S. 2 inzwischen eben auch nach der Verbraucherrechte-RL – in Betracht kommt, die Gefahr vor dem Transport auf den Verbraucher übergehen zu lassen. Die Ausführungen verweisen auf die beim Versendungskauf typischen potentiellen Streitigkeiten um den Zeitpunkt der Beschädigung. Die Ausführungen in Erwägungsgrund 55 zum Platzkauf, der ausdrücklich nicht erfasst ist, zeigen gerade, dass der Gefahrübergang nicht in allen Konstellationen zwingend erst mit Inbesitznahme durch den Verbraucher möglich sein soll. Anderweitige Liefervereinbarungen, wie eben die Verpflichtung des Verbrauchers zur Abholung, sollen immer noch möglich sein. Die in der Richtlinie angeordneten Gefahrtragungsnormen wollen hierfür keine Regelung vorhalten.
III. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht Die Abwicklung eines Kaufvertrags als Fernkauf, also die Lieferung der Ware an einen anderen Ort als den Sitz des Verkäufers, wobei sich jedoch die Lieferverpflichtung des Verkäufers bis zu diesem Ort als Bringschuld darstellt, er-
251 Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie, zur Änderung des Verbrauchsgüterkaufrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung, vom 19.09.2012. 252 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung, vom 19.12.2012. 253 BT‑Drucks. 17/12637, S. 36, 70.
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gibt sich im Anwendungsbereich des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts in zweierlei Hinsicht. So können Verbraucherkaufverträge als Fernkauf abgewickelt werden. Denn Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag bestimmt mangels anderweitiger Vereinbarung den Lieferort im Falle eines Verbraucherkaufvertrags oder eines Vertrags über die Bereitstellung digitaler Inhalte, bei dem es sich um einen Fernabsatzvertrag oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag handelt oder in dem sich der Verkäufer verpflichtet hat, für die Beförderung bis zum Käufer zu sorgen, als den Aufenthaltsort254 des Verbrauchers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.255 Dass es sich hierbei mangels anderweitiger Vereinbarung um eine Bringschuld handelt, ergibt sich aus Art. 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag, wonach der Verkäufer den Besitz an den Waren beziehungsweise die Kontrolle an den digitalen Inhalten zu übertragen hat.256 Natürlich müssen die hier erfassten Verbraucherkaufverträge nicht als Fernkauf abgewickelt werden. Den Parteien steht es gem. Art. 93 I GEK‑Vorschlag frei, einen anderen Ort als den Aufenthaltsort des Verbrauchers zu bestimmen. Zudem bleibt es ihnen auch unbenommen, die Art der Lieferverpflichtung am Aufenthaltsort des Verbrauchers anderweitig auszugestalten, vgl. Art. 94 I GEK‑Vorschlag. Auch bei Kaufverträgen, die nicht als Verbraucherkaufvertrag zu qualifizieren sind, kommt eine Abwicklung als Fernkauf in Betracht. Hier enthält das Gemeinsame Europäische Kaufrecht für den Übergang der Preisgefahr die Spezialvorschrift des Art. 144 II GEK‑Vorschlag. Diese gem. Art. 143 II GEK‑Vorschlag gegenüber Art. 143 I GEK‑Vorschlag vorrangige Regelung geht davon aus, dass die Waren an einem anderen Ort als dem Geschäftssitz des Verkäufers bereitgestellt sind. Der Anwendungsbereich der Vorschrift erfordert damit in sachlicher Hinsicht das Vorliegen eines Fernkaufs. Ein solcher liegt zwar gem. Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag bei den dortigen Verbraucherkaufverträgen vor. Hier ist jedoch der persönliche Anwendungsbereich der für den Fernkauf speziellen Gefahrtragungsvorschrift des Art. 144 II GEK‑Vorschlag nicht eröffnet. Der Gefahrübergang bestimmt sich beim Verbraucherkaufvertrag nach Art. 142 I GEK‑Vorschlag.
254 Die Nennung des Aufenthaltsortes wird kritisiert, da hierunter dem Wortsinne nach der
konkrete Aufenthaltsort des Verbrauchers zu verstehen sein könnte, was dann von Zufälligkeiten abhinge, bspw. bei einer Bestellung mittels Smartphone; daher sollte der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts genutzt werden; vgl. Verbraucherschutzministerkonferenz, Stellungnahme, S. 33. 255 Zu den Auslegungsschwierigkeiten bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag und der damit verbundenen Unsicherheit, ob sich die Einschränkung nur auf die Bereitstellung digitaler Inhalte bezieht oder auch auf den Verbraucherkaufvertrag, siehe schon § 5 II.2.b)aa). 256 Zum Charakter der Verpflichtung als Bringschuld Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 313.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
1. Verbraucherkaufvertrag und Gefahrübergang gem. Art. 142 I GEK‑Vorschlag Handelt es sich bei den Vertragsparteien um einen Unternehmer und einen Verbraucher gem. Art. 2 lit. (e), (f) VO‑GEK‑Vorschlag und liegen weiterhin die Voraussetzungen von Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag vor, so hat, mangels anderweitiger Bestimmung der Lieferpflicht, der Verkäufer dem Käufer an dessen Aufenthaltsort den Besitz an den Waren zu übertragen bzw. die Kontrolle über die digitalen Inhalte zu verschaffen. Bei Verbraucherverträgen führt die Abwicklung als Fernkauf im Bereich der Gefahrtragung nicht zu Besonderheiten. Die Gefahrtragungsnorm des Art. 142 I GEK‑Vorschlag gilt auch bei der Abwicklung als Fernkauf, also der Bringschuld,257 da sie nicht an die sachlichen Unterschiede in der Abwicklung des Kaufvertrags anknüpft, sondern an die persönlichen Voraussetzungen des Verbraucherkaufvertrags. Es entspricht dem Wesen der Bringschuld, dass der Käufer die Gefahr auf dem Transport noch nicht trägt, sondern die Gefahr erst am Sitz des Käufers übergeht. Gemäß Art. 142 I GEK‑Vorschlag geht die Gefahr dann dort mit Besitzerlangung über.
2. Unternehmerkaufvertrag und Gefahrübergang Den Gefahrübergang für den Fernkauf zwischen Unternehmern bestimmt die Vorschrift des Art. 144 II GEK‑Vorschlag,258 so dass die Gefahr auf den Käufer übergeht, sobald die Lieferung fällig ist und der Käufer Kenntnis davon hat, dass die Waren „zu seiner Verfügung bereitgestellt“ sind. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Gefahrübergangs entsprechen damit denen des Art. 69 II CISG. Unterschiede bei der exakten Festlegung des Zeitpunktes für den Gefahrübergang können jedoch entstehen, falls sich aus den einzelnen Bestimmungen für Fälligkeit, Kenntnis des Käufers und Bereitstellung der Ware Unterschiede zum UN‑Kaufrecht ergeben.259
a) Gefahrübergang beim Fernkauf auch nach Art. 143 I GEK‑Vorschlag? Es wurde bereits festgestellt, dass die Vorschrift des Art. 144 II GEK‑Vorschlag als Anwendungsvoraussetzung die Abwicklung als Fernkauf erfordert,260 da 257 So
auch Lorenz, AcP 212 (2012), S. 829. auch Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 485; Schulze/Zoll/Watson, Art. 145, Rn. 8; Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 143; Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 195; zu den abweichenden Ansichten sogleich § 8 III.2.b). Zu der Frage, ob sich der Gefahrübergang beim Fernkauf auch nach Art. 143 I GEK‑Vorschlag vollziehen kann, siehe sogleich § 8 III.2.a). 259 Dazu sogleich § 8 III.2.c)–§ 8 III.2.f). 260 Siehe eben oben vor § 8 III.1. 258 So
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die Ware an einem anderen Ort als dem Geschäftssitz des Verkäufers bereitgestellt sein muss. Es stellt sich aber auch die umgekehrte Frage, ob die Gefahr in allen Fällen des Fernkaufs nach Art. 144 II GEK‑Vorschlag übergeht oder ob beim Fernkauf nicht auch Art. 143 I GEK‑Vorschlag einschlägig sein kann und die Gefahr damit erst mit Übernahme durch den Käufer übergeht. Diese Frage wurde – soweit ersichtlich – bislang nicht diskutiert. Das überwiegende Schrifttum stellt lediglich fest, dass in den Fällen des Fernkaufs Art. 144 II GEK‑Vorschlag einschlägig ist.261 Im Ergebnis wird festzustellen sein, dass diese Feststellung richtig ist und die Gefahr in den Fällen des Fernkaufs lediglich nach Art. 144 II GEK‑Vorschlag übergeht, aufgrund des dispositiven Charakters der Vorschriften allerdings vorbehaltlich einer abweichenden Parteivereinbarung. Die vorliegende Fragestellung drängt sich aber auf, da der GEK‑Vorschlag dieses Ergebnis nicht deutlich zum Ausdruck bringt. Dies liegt an der ungenügenden Formulierung des Art. 144 II GEK‑Vorschlag, der zur Bestimmung des Anwendungsbereichs nur die Formulierung enthält, „Sind die Waren […] dem Käufer an einem anderem Ort als dem Geschäftssitz des Verkäufers zur Verfügung bereitgestellt worden[…]“. Art. 144 II GEK‑Vorschlag stellt eben nicht klar, dass sich der Verkäufer in allen Fällen der Lieferung an einen dritten Ort bereits durch die Bereitstellung der Gefahr entledigen kann. Die englische Fassung schafft ebenfalls keine Klarheit, da sie an derselben Formulierungsschwäche leidet.262 Die Fragestellung sei durch folgenden Beispielsfall verdeutlicht: Ein Frankfurter Baustoffhändler und ein Hamburger Käufer vereinbaren die Lieferung einer LKW‑Ladung Kies an einen bestimmten Ort in Hamburg. Ist nun zum Übergang der Gefahr erforderlich, dass der Käufer die Ware dort in Besitz nimmt oder reicht ein bloßes Abkippen der Ladung (Zurverfügungstellung) am vereinbarten Ort? In diesem Fall liegt keine ausdrückliche Vereinbarung vor, dass der Käufer die Waren zu übernehmen hat, weiterhin ergibt die Lieferverpflichtung seitens Verkäufers auch lediglich eine Verpflichtung zur Bereitstellung, vgl. Art. 94 I lit. (c) GEK‑Vorschlag. Dass, soweit keine ausdrückliche Verpflichtung zur Übergabe vereinbart ist, lediglich Art. 144 II GEK‑Vorschlag den Gefahrübergang bestimmt, ergibt sich aber durch Auslegung. Die Vorschrift ist Art. 69 II CISG nachgebildet263 – was jedoch nicht gänzlich gelungen ist. Dieser erfasst alle Fälle, in denen „der Käufer die Ware an einem anderen Ort als einer Niederlassung des Verkäufers zu übernehmen“ hat und formuliert damit den Anwendungsbereich wesentlich deutlicher. Haben Verkäufer und Käufer im Beispielsfall also vereinbart, dass der Käufer die Ware in Hamburg zu übernehmen hat, entledigt sich der Verkäufer nach Art. 69 II CISG der Preisgefahr 261 Vgl.
die unter Dritter Teil Fn. 258 Genannten.
262 Art. 144 II GEK‑Vorschlag in der englischen Sprachfassung: „If the goods […] are pla-
ced at the buyer’s disposal […]“. 263 Schulze/Zoll/Watson, Art. 144, Rn. 2; Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 174, Rn. 34 „Parallelvorschrift“.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
selbst dann durch bloße Zurverfügungstellung der Ware, soweit nicht eine den Gefahrübergang betreffende, abweichende Parteivereinbarung vorliegt. Es ist zu befürworten, dass Art. 144 II GEK‑Vorschlag ebenso zu verstehen ist und damit alle Fälle erfasst, bei denen der Verkäufer an den Käufersitz oder einen dritten Ort liefert und die Parteien keine anderweitige ausdrückliche Gefahr tragungsvereinbarung treffen. Auch die Verfasser des GEK‑Vorschlags dürften dieses Verständnis zugrundegelgt haben, denn die Lieferverpflichtung wird ohnehin gem. Art. 94 I lit. (c) in der Regel durch Bereitstellung und nicht erst durch Übergabe erfüllt264. Wird dann an einem vom Verkäufersitz abweichenden Ort die Ware bereitsgestellt, ist Art. 144 II GEK‑Vorschlag der Auffangregelung des Art. 143 I GEK‑Vorschlag vorrangig, vgl. Art. 143 II GEK‑Vorschlag. Die Lieferpflicht, die Ware „bereitzustellen“, erklärt möglicherweise die fehlende Ungenauigkeit in der Formulierung des Art. 144 II GEK‑Vorschlag. Man ging also wohl davon aus, dass bei Lieferung an einem vom Verkäufersitz unterschiedlichen Ort (mit Bereitstellung an diesem Ort), immer Art. 144 II GEK‑Vorschlag greift. Die Ungenauigkeit der Formulierung ist misslich und kann auch zu dem Verständnis führen, dass die Gefahr im Beispielsfall nur dann mit dem Abkippen der Ladung übergeht, wenn dies auch ausdrücklich vereinbart wurde, sonst erst gem. Art. 143 I GEK‑Vorschlag mit Übernahme. Vereinbaren die Parteien ausdrücklich die Übernahme der Ladung Kies, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob dies als Abbedingung der Gefahrtragungsvorschrift des Art. 144 II GEK‑Vorschlag zu verstehen ist oder lediglich als Abbedingung der Liefervorschrift („Bereitstellung“) des Art. 94 I lit. (c) GEK‑Vorschlag. Die Parteien können natürlich vereinbaren, dass die Gefahr auch an einem vom Verkäufersitz abweichenden Ort erst mit „Übernahme“ i. S. d. Art. 143 I GEK‑Vorschlag auf den Käufer übergehen soll. Aufgrund des hier vertretenen Verständnisses des grundlegenden Eingreifens von Art. 144 II GEK‑Vorschlag in allen Fällen der Lieferung an einen vom Verkäufersitz abweichenden Ort, sollte ein solches Auslegungsergebnis aber die Ausnahme darstellen.
b) Art. 144 II GEK‑Vorschlag als Regelung des Annahmeverzugs? Teilweise wird im Schrifttum auch davon ausgegangen, Art. 144 GEK‑Vorschlag träfe generell, also in beiden Absätzen, Regelungen zum Annahmeverzug.265 Lorenz sieht die Norm offenbar als Regelung für Fälle an, in denen der Annahmeverzug eintritt, wenn die Ware bei einem Dritten zur Abholung bereitgestellt ist.266 Ein solcher Regelungsgehalt vermag nicht zu überzeugen.267 264 Siehe Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 486. 265 So offenbar Lorenz, AcP 212 (2012), S. 830, 831; wohl auch Faust, in: Remien/Herr-
ler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 173, Rn. 33. 266 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 830, 831. 267 So wohl auch Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 195.
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Hiergegen spricht schon die klar erkennbare Verwandtschaft mit Art. 69 II CISG. Zudem ist in Art. 144 II GEK‑Vorschlag ein früherer Gefahrübergangszeitpunkt als in Art. 144 I GEK‑Vorschlag angeordnet.268 Sind nämlich die Waren an einem anderen Ort als dem Sitz des Verkäufers bereitgestellt, kommt es auf den Zeitpunkt der (potentiellen) Annahme durch den Käufer gar nicht mehr an. Es ist daher nicht nötig, eine Regelung des Gefahrübergangs für den Annahmeverzug zu treffen, wenn die Ware an einem anderen Sitz als dem des Verkäufers bereitgestellt wird. Der Tatbestand der Nichtannahme durch den Käufer ist in diesem Fall für den Übergang der Gefahr auf den Käufer nicht mehr relevant. Dies verdeutlicht folgendes Beispiel: Liefert ein Getreidehändler seine Ware für eine Großbäckerei vereinbarungsgemäß an ein von einem Dritten betriebenes Getreidelager, so geht die Gefahr dort auf die Großbäckerei mit Vornahme der Handlungen des Art. 144 II GEK‑Vorschlag über. Es ist für den Getreidehändler gleichgültig, ob die Großbäckerei die Ware dort zu einem vereinbarten Termin abholt oder nicht, da sie durch Art. 144 II GEK‑Vorschlag jedenfalls die Gefahr auf die Bäckerei abwälzen kann. Wäre vereinbart, dass die Bäckerei die Ware dort am nächsten Tag abholen soll, so könnte der Gefahrübergang gem. Art. 144 I GEK‑Vorschlag (Annahmeverzugsregelung) erst einen Tag später stattfinden, wenn die Großbäckerei in Annahmeverzug gerät. Bei Art. 144 II GEK‑Vorschlag muss der Getreidehändler die Gefahr hingegen ohnehin nicht bis zum nächsten Tag tragen. Auch Faust möchte Art. 144 GEK‑Vorschlag gänzlich als Regelung zum Annahmeverzug verstehen. Diese müsse den Annahmeverzug betreffen, da die Ware in den dort geregelten Fällen bereitgestellt wird und der Käufer sie nicht annimmt, da sonst die Gefahr ja bereits mit der Annahme nach Art. 143 I GEK‑ Vorschlag übergehen würde.269 Hier wird aber m. E. ebenfalls übersehen, dass es auf diese mögliche Annahme bei Art. 144 II GEK‑Vorschlag überhaupt nicht ankommt. Dies verdeutlicht schon der Zeitpunkt des Gefahrübergangs, der im Gegensatz zu Art. 144 I GEK‑Vorschlag nicht erst auf den Zeitpunkt der potentiellen Annahme festgesetzt wird, sondern bereits im Moment der Bereitstellung liegt. Möglicherweise liegt die Ursache dieses Verständnisses in der in Art. 123 I lit. (b) GEK‑Vorschlag geregelten Pflicht zur Annahme für den Käufer. Diese kann aber nicht unmittelbar in Zusammenhang mit dem Übergang der Gefahr betrachtet werden. Natürlich ist der Käufer auch bei einer Bringschuld zur Annahme verpflichtet, diese kann aber eben auch nach dem Zeitpunkt der Bereitstellung und des damit verbundenen Gefahrübergangs erfolgen.
268 vgl. § 13 III.2. 269 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer,
S. 173, Rn. 33.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
Eine andere Ursache für eine Einordnung der beiden Absätze des Art. 144 GEK‑Vorschlag als Regelungen zum Annahmeverzug kann in der etwas undeutlichen Formulierung des Art. 144 II GEK‑Vorschlag gesehen werden. Beim Vergleich mit der Parallelvorschrift des Art. 69 II CISG fällt nämlich auf, dass in Art. 144 II GEK‑Vorschlag kein Verweis auf eine entsprechende vertragliche Verpflichtung enthalten ist, die Ware an einem anderen Ort als der Niederlassung des Verkäufers bereitzustellen, so dass dieser Ort auch vom Verkäufer in Eigenregie ausgewählt sein könnte. Während es in Art. 69 II CISG heißt, „Hat jedoch der Käufer die Ware an einem anderen Ort als einer Niederlassung des Verkäufers zu übernehmen, […]“, heißt es in Art. 144 II GEK‑Vorschlag lediglich, „Sind die Waren […] an einem anderen Ort als einem Geschäftssitz des Verkäufers zu seiner Verfügung bereitgestellt worden, […]“. Man könnte also davon ausgehen, dass die Regelung des Art. 144 II GEK‑Vorschlag einfach Fälle der Lieferung an einen anderen Ort als den Geschäftssitz des Verkäufers erfasst und dort den Gefahrübergang im Falle der Nichtannahme regelt. Es fehlt ein Hinweis im Tatbestand, dass es sich um die Regelung einer Bringschuld des Verkäufers zu einem vereinbarten Ort handelt. Diese sprachliche Unschärfe ändert aber nichts daran, dass die Gefahrtragungsregelung des Art. 144 II GEK‑Vorschlag schon sinngemäß keinen Fall des Annahmeverzugs betrifft, da es auf den potentiellen Übernahmezeitpunkt nicht mehr ankommt. Es ist die gesetzgeberische Entscheidung, beim Fernkauf zwischen Unternehmern die Gefahr noch früher übergehen zu lassen als beim Annahmeverzug, indem die Regelung von der Voraussetzung des potentiellen Annahmezeitpunktes unabhängig ist, der Gefahrübergang somit schon vor diesem Zeitpunkt stattfinden kann. Diese Entscheidung liegt aber eben auch Art. 69 II CISG zugrunde, welcher sich auf den Fernkauf bezieht. Der Regelungsgehalt der Norm bezieht sich daher nicht auf einen Fall des Annahmeverzugs, sondern auf den Fernkauf und den Kauf eingelagerter Ware.
c) Fälligkeit der Sachleistung im GEK‑Vorschlag Liegt kein Kaufvertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher vor, so ist gem. Art. 95 I GEK‑Vorschlag die Ware bei Fehlen einer Vereinbarung unverzüglich nach Vertragsschluss zu liefern. Der Fälligkeitszeitpunkt weicht damit vom Zeitpunkt des Art. 33 lit. c) CISG („innerhalb einer angemessenen Frist“) ab, wobei sich aber die genaue Bestimmung der Unverzüglichkeit nicht aus dem GEK‑Vorschlag entnehmen lässt.270 Man kann aber anhand des Wortlauts wohl von einer deutlichen Abweichung zum CISG ausgehen.271 Zur näheren Bestimmung der Zeitspanne wird Verschiedenes vertreten. So wird einerseits davon ausgegangen, die Zeitspanne der unverzüglichen Lie270 Remien, 271 So
in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 315. auch Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 315.
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ferung liege eher über der 30-tägigen Lieferfrist des Verbraucherkaufvertrags gem. Art. 95 II GEK‑Vorschlag.272 Lorenz geht hier davon aus, dass der Verbraucher gegenüber einem Unternehmer eher besser als schlechter gestellt werden soll, so dass „unverzüglich“ einen längeren Zeitraum meinen muss als beim Verbrauchervertrag.273 Zoll geht hingegen davon aus, dass man sich an den 30 Tagen für den Verbraucherkauf orientieren und diese Frist auch als Richtwert für B2B‑Geschäfte ansehen soll, Umstände des Einzelfalls können Abweichungen nach oben und unten rechtfertigen.274 Ob diese Ansätze zur Konkretisierung des Fälligkeitszeitpunktes allerdings zutreffend sind, erscheint zumindest zweifelhaft. Die Prämisse, der Verbraucher sei besser zu stellen als der Unternehmer, so dass bei B2C‑Geschäften der Fälligkeitszeitpunkt früher liegt, ist in diesem Kontext fragwürdig. Gerade vor dem Leitbild und dem Zweck der Schnelligkeit und Leichtigkeit des Handelsverkehrs erscheint es durchaus sinnvoll, eher kürzere Lieferfristen im unternehmerischen Verkehr zu bestimmen. Das Ziel des Verbraucherschutzes wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass beim Kaufvertrag zwischen Unternehmern eine kürzere Lieferfrist besteht. Die Übernahme der Legaldefinition für die Unverzüglichkeit aus § 121 I BGB, „ohne schuldhaftes Zögern“, kommt aufgrund des Gebotes der autonomen Auslegung275 in Art. 4 I GEK‑Vorschlag nicht in Betracht. Es ist zu prüfen, ob eine autonome Auslegung wesentliche Unterschiede zu einem dem deutschen Recht entsprechenden Verständnis ergibt. Hierbei ist bemerkenswert, dass auch bei der autonomen Auslegung anderer Akte des EU‑ Sekundärrechts, in denen „unverzügliches“ Handeln gefordert war, beispielsweise Art. 35 EuInsVO276 oder Art. 11 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr277, oder darauf beruhender Rechtsnormen278, die autonome Auslegung eine Bedeutung „ohne schuldhaftes Zögern“ hervorbrachte. Zwar ist auch bei Unverzüglichkeit zugunsten des Verkäufers ein einige wenige Tage dauernder Zeitraum denkbar, es kommt aber gerade nicht auf eine Angemessenheit an, die von vielen Umständen abhängig sein kann. Man muss davon ausgehen, dass jemand, der innerhalb einer angemessenen Frist liefern muss, wohl auch noch die Freiheit hat, die Lieferung etwas hinauszuzögern, was demjenigen, der ohne schuldhaftes Zögern seine Pflicht erfüllen muss, nicht vergönnt 272 Lorenz, 273 Lorenz,
AcP 212 (2012), S. 721. AcP 212 (2012), S. 721. 274 Schulze/Zoll, Art. 95, Rn. 8. 275 Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 315. 276 Zu Art. 35 EuInsVO, MünchKommInsO/Reinhart, Art. 35 VO (EG) 1346/2000, Rn. 9. 277 Zu Art. 11 I der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), Grabitz/Hilf/Marly, Art. 11 ECRL, Rn. 6. 278 Zur autonomen Auslegung des darauf beruhenden § 312g BGB MünchKomm/Wendehorst, § 312g, Rn. 99.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
ist. Auch die englischen Textfassung spricht für einen früheren Fälligkeitszeitpunkt des GEK‑Vorschlags verglichen mit dem CISG. Während es im GEK‑ Vorschlag „without undue delay“ lautet, verwendet Art. 33 lit. c) CISG in der englischen Fassung die Formulierung „within a reasonable time“. Daher kann man nicht von einer gleichlaufenden Bestimmung der Fälligkeit in CISG und GEK‑Vorschlag ausgehen. Insgesamt ist daher für den Liefer- bzw. Fälligkeitszeitpunkt nach Art. 95 I GEK‑Vorschlag nicht die Maßgeblichkeit oder Verlängerung der in Art. 95 II GEK‑Vorschlag für den B2C‑Vertrag normierten 30-Tages-Frist zu befürworten, sondern der Zeitpunkt sollte früher angesiedelt werden, als dies nach dem CISG der Fall ist. Es ist daher zu befürworten, das Merkmal „unverzüglich“ entsprechend der Bedeutung „ohne schuldhaftes Zögern“ im deutschen Recht zu verstehen. Durch diese strenge Bestimmung der Fälligkeit, läuft der Verkäufer Gefahr, schnell in Lieferverzug zu geraten. Im Hinblick auf den Gefahrübergang ergeben sich für den Verkäufer aber hieraus keine Nachteile. Denn er ist nun schnellstmöglich in der Lage, die Ware zur Verfügung des Käufers bereitzustellen, ihn in Kenntnis zu setzen und damit die Preisgefahr übergehen zu lassen. Eine dem CISG vergleichbare Diskussion hinsichtlich der Erfüllbarkeit, d. h. ob der Verkäufer sofort liefern darf, erübrigt sich damit. Ist der Verkäufer in der Lage, die Ware sofort bereitzustellen und kommt er dem auch nach, so entspricht dies einer unverzüglichen Lieferung. Man kann ihm dann nicht vorwerfen, er hätte für die Fälligkeit der Leistung noch einen kurzen Zeitraum verstreichen lassen müssen. Insoweit ergibt sich auch aus dem autonomen Verständnis der Unverzüglichkeit nichts anderes. Stellt der Verkäufer die Ware vor einem vereinbarten Fälligkeitstermin dem Käufer zur Verfügung und übernimmt der Käufer die Ware tatsächlich, so sollte man den Gefahrübergang bejahen.279
d) Bereitstellung zur Verfügung des Käufers Art. 144 II GEK‑Vorschlag („zu seiner Verfügung bereitgestellt“) wählt hier eine ähnliche Formulierung wie Art. 69 II CISG („zur Verfügung steht“). Man mag rätseln, ob „bereitstellen“ überhaupt passend formuliert ist und warum man vom Wortlaut des CISG abgewichen ist. Dies ist einerseits umso erstaunlicher, da GEK‑Vorschlag und CISG in der englischen Fassung gleich formuliert sind („placed at […] disposal“). Damit wird aber andererseits auch deutlich, dass die Bedeutung gleich sein sollte. Kritische Stimmen in der Literatur zur Formulierung „bereitstellen“ finden sich nicht. Mit der Formulierung „bereitstellen“ wird aber auch an eine in Art. 94 I lit. (c) GEK‑Vorschlag vorgesehene Lieferverpflichtung angeknüpft. Eine exakte Definition findet sich im GEK‑Vorschlag 279 Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 195; vgl. zum CISG Dritter Teil Fn. 216.
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nicht. Da es aber sachlich keine Gesichtspunkte gibt, die dafür sprechen, von anderen Voraussetzungen als im UN‑Kaufrecht auszugehen, sollte man auf die dazu entwickelten Grundsätze zurückgreifen. Der Verkäufer hat die Ware demnach am vereinbarten Ort anzudienen, indem er sie zur körperlichen Übernahme bereitstellt.280 Bezüglich des Ortes, an dem die Ware bereitgestellt werden soll, wäre aber noch eine Klarstellung wünschenswert.281 Es sollte deutlich gemacht werden, dass die Bereitstellung an dem betreffenden Ort der vertraglichen Vereinbarung entspricht und die Gefahr nicht mit Bereitstellung an jedem beliebigen Ort übergehen kann.282 Der Text des Verordnungsvorschlags könnte zu der Vermutung verleiten, der Verkäufer könnte den Gefahrübergang herbeiführen, indem er die Ware dem Käufer an einem beliebigen Ort nach Fälligkeit zur Verfügung stellt und den Käufer dann hiervon in Kenntnis setzt. Die Gefahr kann nach dem Sinn und Zweck natürlich nur übergehen, wenn der Ort der tatsächlichen Bereitstellung dem in der Lieferabrede vereinbarten Ort entspricht.
e) Kenntnis des Käufers Gem. Art. 144 II GEK‑Vorschlag ist erforderlich, dass der Käufer Kenntnis von der zu seiner Verfügung bereitgestellten Ware hat. Man könnte hinterfragen, ob die Formulierung „und der Käufer Kenntnis davon erhält, dass ihm die Waren oder digitalen Inhalte an diesem Ort zu seiner Verfügung bereitgestellt worden sind“ hier nicht missverständlich ist. Die Verwendung des Perfekts („bereitgestellt worden“) scheint nahezulegen, dass der Verkäufer den Käufer in jedem Fall nach der Bereitstellung noch informieren muss. Im Fall eines vorab fest vereinbarten und eingehaltenen Liefertermins ist dies allerdings eine unnötige Formalie. Der Wortlaut ist im Hinblick auf die Erforderlichkeit der positiven Kenntnis des Käufers unmissverständlich. Gegensätzlich zum UN‑Kaufrecht ist in der geforderten positiven Kenntnis auch keine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen des Regelwerks zu sehen, soweit es auf den Zeitpunkt beim Versand von Mitteilungen ankommt. Verwendet der Verkäufer zur Anzeige der bereitstehenden Waren eine Mitteilung, so wird diese ohnehin gem. Art. 10 III GEK‑Vorschlag erst wirksam, wenn sie dem Käufer zugeht. Hier gehen also Verzögerungen bei einer etwaigen Versendung einer Anzeige nicht zulasten des 280 Zum CISG so OLG Hamm 23.06.1998, CISG-online 434; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 22; MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 12; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 23. 281 Siehe hierzu auch schon die Ausführungen oben bei § 8 III.2.a) und § 8 III.2.b) zu der Problematik, den Anwendungsbereich für die Vorschrift des Art. 144 II GEK‑Vorschlag klar zu bestimmen. 282 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 174, Rn. 34.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
Käufers, sondern von vornherein zulasten des Verkäufers. Dies scheint im Hinblick auf die Wahlmöglichkeit, die dem Verkäufer bei der Inkenntnissetzung des Käufers bleiben, auch grundsätzlich interessengerechter zu sein als im UN‑ Kaufrecht. Auf Art. 10 GEK‑Vorschlag kommt es für die Bestimmung der positiven Kenntnis natürlich nicht unmittelbar an. Nicht geklärt ist aber, ob man beim Vorliegen gewisser Voraussetzungen eine Kenntnis des Käufers anzunehmen bzw. zu vermuten hat. Hier empfiehlt es sich, eine Verbindung zu Art. 10 GEK‑Vorschlag herzustellen und positive Kenntnis entsprechend dem CISG zu vermuten, sobald eine Mitteilung gem. Art. 10 IV GEK‑Vorschlag zugegangen ist und der Käufer vernünftigerweise von ihr Kenntnis nehmen kann.
f) Zuordnung der Ware zum Vertrag, Art. 141 GEK‑Vorschlag In der Regel sollte beim Fernkauf das in Art. 141 GEK‑Vorschlag normierte Konkretisierungserfordernis keine Probleme bereiten. Denn durch die Bereitstellung für den Käufer am vereinbarten Ort sind die Waren als diejenigen identifiziert, die dem Vertrag nach geliefert werden sollen. Problematisch wird dies jedoch – wie auch im UN‑Kaufrecht – sobald die für den Käufer vorgesehene Ware Teil einer Sammelladung ist und erst durch die tatsächliche Übernahme des Käufers aus der Masse herausgelöst wird. Bei strikter Anwendung des Art. 141 GEK‑Vorschlag scheidet ein vorzeitiger Gefahrübergang durch Bereitstellung der gesamten Sammelladung aus. Es wird daher angenommen, dass sich in einem solchen Fall der Gefahrübergang zulasten des Verkäufers zeitlich verschiebt, er die Preisgefahr mangels Konkretisierung somit länger zu tragen hat.283 Zutreffend wird angemerkt, dass Art. 141 GEK‑Vorschlag schließlich kein zwingendes Recht sei und die Parteien daher das Konkretisierungserfordernis durch Vereinbarung aufweichen können.284 Man könnte es daher als sachgerecht empfinden, den Verkäufer länger mit der Preisgefahr zu belasten, soweit er es versäumt, auf eine entsprechende Vereinbarung eines weniger strengen Konkretisierungserfordernisses hinzuwirken. Aus Gründen des Interessenausgleichs spricht wenig gegen einen vorgezogenen Gefahrübergang beispielsweise mit Bereitstellung der gesamten Ladung oder auch einer Konkretisierung bereits durch eine entsprechende Mitteilung der Lieferung als Sammelladung.285 Dann sollte man aber auch den Gepflogenheiten des Handelsverkehrs Rechnung tragen und sich der auch zum CISG überwiegend vertretenen Auffassung zur Lösung der Sammelladungsproblematik anschließen.286 Es ist ohnehin in der Regel anzunehmen, dass der Käufer 283 So
auch zum GEK‑Vorschlag Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 476. 284 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 477. 285 Mit dem Hinweis auf Manipulationsmöglichkeiten seitens des Verkäufers aber BeckOK BGB/Saenger, Art. 67 CISG, Rn. 5. 286 Vgl. § 8 I. 4, dort Dritter Teil Fn. 236.
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über die Modalitäten der Versendung im Bilde ist. Hat der Käufer Kenntnis von diesen Umständen, kann man auch eine entsprechende konkludente Vereinbarung annehmen und die Konkretisierung bereits mit Bereitstellung der Gesamtladung als bewirkt betrachten. Soweit in einer Verladeanzeige die anteilsmäßige Aufteilung der Gesamtladung festgelegt ist, ist die Mißbrauchsgefahr gebannt. Die Käufer einer Sammelladung bilden in diesen Fällen eine Gefahrengemeinschaft.287
g) Änderungsvorschläge von Lehne/Berlinguer und des ELI In einem Änderungsvorschlag von Lehne/Berlinguer soll die Regelung des Art. 144 II GEK‑Vorschlag künftig unter Art. 143 II 2 geführt werden, inhaltliche Änderungen hat man dort aber nicht vorgeschlagen.288 Demgegenüber wurde eine Art. 144 II GEK‑Vorschlag vergleichbare Regelung in die Änderungsvorschläge des ELI nicht aufgenommen, eine Begründung hierfür fehlt.289 Nach dem ELI-Änderungsvorschlag würde die Gefahr beim Fernkauf gem. Art. 100 I mit der Annahme auf den Käufer („when the buyer takes delivery“) übergehen. Dies würde einen zeitlich späteren Gefahrübergang bedeuten als er nun in Art. 144 II GEK‑Vorschlag bestimmt ist. Der Verkäufer hätte die Gefahr nach dem ELI-Änderungsvorschlag zusätzlich in der Zeitspanne zwischen Bereitstellung (soweit auch die übrigen Voraussetzungen des Art. 144 II GEK‑Vorschlag erfüllt sind) und der Annahmehandlung des Käufers zu tragen.
IV. Handelsklauseln 1. Incoterms a) D‑Klauseln Im Rahmen der D‑Klauseln ist die Verpflichtung des Verkäufers erst am Ankunftsort zu erfüllen, so dass sich bei Vereinbarung derartiger Klauseln Ankunftsverträge ergeben.290 „Das Musterbeispiel des Fernkaufs ergibt sich bei Verwendung der Incoterms-Klausel DDP.“291 Die Klausel DDP (Delivery Duty Paid) bürdet dem Verkäufer die maximale Anzahl an Leistungspflichten auf,292 indem er die Ware auf eigene Kosten und Gefahr im Bestimmungsland dem Käufer zur Verfügung zu stellen hat und auch die Erledigung aller Ausfuhr- und 287 So
auch die h. M. zum CISG vgl. Dritter Teil Fn. 241.
288 Lehne/Berlinguer, Berichtsentwurf, S. 93, 94. 289 Vgl. Art. 100 ELI, Statement CESL S. 91, 92, 248,
249. 07.11.2012, BB 2013, 272; Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 126. 291 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 19. 292 Auch bezeichnet als „most onerous arrangement for the seller“, bei Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, 2-045. 290 BGH
120
Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
Einfuhrmodalitäten sowie Abgaben in seinen Pflichtenbereich fallen.293 Entsprechend ihrer Einordnung als Fernkauf kann man die DDP‑Klausel als Gegenstück zur EXW‑Klausel sehen.294 Der Verkäufer übernimmt durch Vereinbarung der Klausel DDP eine Verpflichtung zur Bringschuld.295 Im Bereich der D‑Klauseln wurden die Incoterms bei der Überarbeitung der Incoterms 2000 für die Neufassung der Incoterms 2010 umfangreichen Änderungen unterzogen. Die D‑Klauseln der Incoterms 2000 enthielten fünf Klauseln, nämlich „ab Schiff“ (DES), „ab Kai“ (DEQ), „geliefert Grenze“ (DAF), „geliefert unverzollt“ (DDU), „geliefert verzollt“ (DDP). Die in den Incoterms 2010 insgesamt erfolgte Reduktion von 13 auf 11 Klauseln wurde erreicht, indem in der D‑Gruppe die Klauseln DAP („geliefert Ort“) und DAT („geliefert Terminal“) an die Stelle der Klauseln DAF, DES, DEQ und DDU traten.296 Statt bisher fünf D‑Klauseln enthalten die Incoterms 2010 damit nur noch drei D‑Klauseln. Bei den D‑Klauseln kann zu der Bringschuld des Verkäufers noch eine Holschuld des Käufers treten, so dass die Klauseln i. d. R. kombinierte Bring- und Holschulden begründen,297 da der Käufer die Ware an dem benannten Bestimmungsort abzuholen hat. Ist natürlich der benannte Bestimmungsort bei den Klauseln DDP oder DDU der Sitz des Käufers, kommt keine Holschuld mehr dazu. Ist der benannte Bestimmungsort nicht der Sitz des Käufers ergibt sich auch für die weitreichendste Verpflichtung des Verkäufers bei Verwendung der Klausel DDP ab dem genannten Bestimmungsort eine Holschuld des Käufers. Denn die größtmögliche Belastung für den Verkäufer bei Verwendung der DDP‑Klausel ergibt sich nicht aus der Liefer- oder Gefahrtragungspflicht, sondern aufgrund der Pflicht zur Tragung auch der Zollkosten.298 Charakteristisch für Klauseln der D‑Gruppe ist es, dem Verkäufer alle Kosten und – gegensätzlich zu den C‑Klauseln – auch alle Risiken bis zum Eintreffen der Kaufsache am jeweiligen Bestimmungsort aufzuerlegen.299 Die Preisgefahr geht dementsprechend bei allen D‑Klauseln mit dem Abschluss der vom Verkäufer nach A 4 geschuldeten Lieferhandlung über, vgl. A 5 D‑Klauseln. Als Lieferhandlung schuldet der Verkäufer bei allen D‑Klauseln die Zurverfügungstellung der Ware. Die Zurverfügungstellung hat dann an den sich aus benutzter D‑Klausel und vereinbartem Bestimmungsort ergebenden Orten zu erfolgen, 293 Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, 2-045; Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, DDP, Rn. 1. 294 Piltz, RIW 2000, S. 486. 295 BGH 07.11.2012, BB 2013, 271. 296 Graf von Bernstorff, RIW 2010, 676. 297 Vgl. auch Lindacher, in: Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 172. 298 Zur Tragung der Kosten bei der DDP‑Klausel vgl, Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, 2-045. 299 Piltz, RIW 2000, S. 486; zu den Incoterms 2010 vgl. Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 126.
§ 8 Fernkauf
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beispielsweise bei der DES‑Klausel durch Zurverfügungstellung der Ware an Bord des Schiffes am üblichen Löschort.300 Was den Begriff der Zurverfügungstellung angeht, so ist diese grundsätzlich erreicht, sobald der Käufer die Ware in Besitz nehmen oder über sie verfügen kann.301 Wann dies allerdings der Fall ist, hängt auch von der konkret benutzten Klausel der D‑Gruppe ab. So müssen bei allen Klauseln auch die Dokumente vorhanden sein, die der Käufer zur Übernahme benötigt. Eine Verfügbarkeit der Ware ist sonst nicht sichergestellt. Bei der DAF‑Klausel muss die Ware zudem an der Grenze exportbereit abgefertigt sein.302 Ist die Ware entsprechend der DDP‑Klausel verzollt an den genannten Bestimmungsort zu liefern, so müssen zudem alle Formalitäten der Einfuhr erfüllt sein.303 Mit Ausnahme der DEQ‑ Klausel ist der Verkäufer nicht für eine Entladung der Ware am Bestimmungsort verantwortlich.304 Für den Gefahrübergang kann das nur bedeuten, dass ein Verladerisiko zu Lasten des Käufers geht. Betreffend der Systematik bei Lieferung und Gefahrübergang ergab sich beim Übergang von den Incoterms 2000 auf die Incoterms 2010 keine Änderung. Der Gefahrübergang vollzieht sich mit Abschluss der vom Verkäufer geschuldeten Lieferhandlung am benannten Bestimmungsort, vgl. A 5. Bei Verwendung der DAT‑Klausel hat der Verkäufer die Ware vom ankommenden Beförderungsmittel zu entladen, vgl. A 4 DAT, was dann insofern an die DEQ‑Klausel der Incoterms 2000 angelehnt ist. Bei Verwendung der Klauseln DAP und DDP hat der Verkäufer die Ware nur am Bestimmungsort auf dem ankommenden Beförderungsmittel entladebereit zur Verfügung zu stellen. Bei den Klauseln DAT und DAP ist die Beschaffung von Einfuhrgenehmigungen Sache des Käufers, während es bei der DDP‑Klausel grundsätzlich im Aufgabenbereich des Verkäufers liegt und lediglich bei Bedarf Unterstützungshandlungen vom Käufer erwartet werden. Teilweise nimmt man an, wenn die Zurverfügungstellung der Ware nur die Möglichkeit der Übernahme, nicht aber die tatsächliche Übernahme erfordere, sei der Zeitpunkt des Gefahrübergangs bei Wahl einer D‑Klausel identisch mit dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs nach CISG und GEK‑Vorschlag.305 Tatsächlich kann dies so sein, ist jedoch nicht zwingend der Fall. Denn die In300 Bredow/Seiffert,
Incoterms 2000, DES, Rn. 6. Incoterms 2000, DAF, Rn. 8; zum anderen Verständnis, nach welchem, wie auch schon beim Platzkauf diskutiert, eine Übergabe zu fordern ist, vgl. Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 164. 302 Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, DAF, Rn. 8. 303 Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, DDP, Rn. 6. 304 Piltz, RIW 2000, S. 487; Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, DEQ, Rn. 10. 305 vgl. zum UN‑Kaufrecht Lindacher, in: Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 172; a. A. Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 164, der insofern von einem Gefahrübergang erst ab Übergabe ausgeht und daher einen späteren Gefahrübergang nach den D‑Klauseln annimmt. 301 Bredow/Seiffert,
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
coterms verzichten auf weitere Tatbestandsmerkmale, wie die Fälligkeit und die Kenntnis des Käufers. So geht die Gefahr nach Verwendung einer D‑Klausel auch auf den Käufer über, wenn er keine Kenntnis von der bereitstehenden Ware hat.306 Die Fälle eines auch praktisch früheren Gefahrübergangs nach den Incoterms verglichen mit CISG und GEK‑Vorschlag sollten dennoch selten bleiben, da der Käufer in der Regel am vereinbarten Zeitpunkt auch Kenntnis von der zur Verfügung gestellten Ware hat. Vorteil der Incoterms im Allgemeinen ist, dass durch eine genauere Festlegung von Pflichten, beispielsweise bezüglich der Abwicklung von Ein- und Ausfuhrmodalitäten, deren ordnungsgemäße Erledigung in den Begriff der Zurverfügungstellung einbezogen ist. Hier gelingt dann eine genauere Bestimmung des Zeitpunkts des Gefahrübergangs. Insofern mindern die Parteien das Konfliktpotential.
b) Klauseln anderer Gruppen bei entsprechender Ausgestaltung Fraglich ist, ob auch bei Verwendung von Klauseln aus anderen Gruppen Verträge vergleichbar einem Fernkauf abgewickelt werden. Eine entsprechende Konstellation soll sich bei Verwendung der FOB‑Klausel ergeben, wenn der benannte Bestimmungsort der Sitz des Käufers ist, „FOB buyer’s city“.307 Dies ist zwar bei Vereinbarung einer der FOB‑Klausel eher unüblich, da hier der Verkäufer grundsätzlich seine Verpflichtungen im Exportland erfüllt.308 Bei der FOB‑Klausel ist der Verschiffungshafen als Lieferort vorgesehen. Aufgrund der Privatautonomie ist aber auch eine Vereinbarung FOB am Bestimmungsort prinzipiell möglich, so dass der Verkäufer erst im Bestimmungshafen von seiner Lieferpflicht befreit wird. Die Gefahr dürfte dann übergehen, sobald die Ware auf dem Schiff im Bestimmungshafen zur Verfügung gestellt ist. Bei Verwendung der gewöhnlichen FOB‑Klausel liegt dagegen keine dem Fernkauf vergleichbare Abwicklung des Kaufvertrags vor.
2. Die Klausel „frei Haus“ Unklar gestaltet sich die Auslegung und damit auch die Bestimmung des Gefahrübergangs bei den Klauseln „frei Haus“ und „frei Bestimmungsort“. Wenn 306 Ramberg, J., Journal of Law and Commerce 25 (2005/06), 307 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, Art. 69, Rn. 6;
219, 221. Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 128; Schlechtriem/Butler, UN Law on International Sales, Rn. 234; wohl auch Jauernig/Berger, § 447, Rn. 8. 308 Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 120; daher fallen Verträge mittels F‑Klauseln grundsätzlich unter die Absendeverträge und sind beim Versendungskauf zu thematisieren; vgl. hierzu ebenso Erauw, in: Kröll/Mistelis/Viscasillas, Art. 67, Rn. 32; Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 67, Rn. 14, 40; BeckOK BGB/Saenger, Art. 32, Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 38, Rn. 52; Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 104; OLG Hamm 12.11.2001, BeckRS 2002, 01791; a. A. Piltz/Bredow, Incoterms, F-153,168.
§ 8 Fernkauf
123
man hierin neben der Transportkostenregelung auch eine Vereinbarung über die Lieferverpflichtung sieht,309 liegt eine Bringschuld vor. Dann kommt es zur Anwendung der entsprechenden Gefahrtragungsvorschrift des jeweils anzuwendenden Rechts.310 Dies wäre dann im UN‑Kaufrecht Art. 69 II CISG, nach dem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht Art. 144 II GEK‑Vorschlag.
V. Wertende Zusammenfassung 1. Systematik und Zeitpunkt des Gefahrübergangs Vergleicht man den Übergang der Preisgefahr für den Fernkauf, so finden sich Unterschiede in den untersuchten Regelwerken. Die deutsche Rechtsordnung lässt die Gefahr in zeitlicher Hinsicht spät übergehen, indem es auch beim Fernkauf gem. § 446 S. 1 BGB an die Übergabe der Kaufsache und damit an die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft anknüpft. Dies gilt für alle Kaufverträge unabhängig von den persönlichen Voraussetzungen der Beteiligten, also für B2B‑Verträge, wie für B2C‑Verträge.311 Dem gegenüber steht das UN‑Kaufrecht, welches gem. Art. 69 II CISG dem Käufer die Preisgefahr bereits aufbürdet, sobald die Lieferung fällig ist und der Käufer Kenntnis hat, dass die Ware am vereinbarten Ort zur Verfügung steht.312 Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht mit seinem verglichen mit dem CISG umfassenderen persönlichen Anwendungsbereich differenziert zwischen B2B- und B2C‑Verträgen. Für den Kaufvertrag zwischen Unternehmern folgt es im Wesentlichen der Lösung des CISG, kleinere Unterschiede ergeben sich bei Detailfragen.313 Beim B2C‑Vertrag geht die Gefahr gem. Art. 142 I GEK‑ Vorschlag auf den Verbraucher über, sobald er Besitz an den Waren erlangt hat. Indem es auch hier auf die Verschaffung der tatsächlichen Sachherrschaft ankommt, entspricht das Erfordernis weitgehend der Übergabe des § 446 S. 1 BGB.314
309 So wohl OLG Köln 08.01.1997, CISG-online 217; OLG Karlsruhe 20.11.1992, NJW‑ RR 1993, 1316, 1317 = CISG-online 54; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer, Art. 31 Rn. 76 m. w. N.; a. A. wohl BGH 11.12.1996, NJW 1997, 870, 871 hier wurde die Klausel allerdings in Verbindung mit Preisen genannt („Preise frei Haus“), so dass der BGH eine Festlegung lediglich der Transportkosten für vertretbar hielt und möglicherweise noch eine Regelung hinsichtlich der Gefahrtragung, nicht jedoch des Lieferortes; kann man hierin jedoch auch eine Vereinbarung hinsichtlich der Gefahrtragung sehen, so ergibt sich der Gefahrübergang dennoch am Sitz des Käufers; bezüglich des Gefahrübergangs wohl anders Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 18. 310 MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 10. 311 Dazu oben § 8 II.1. 312 Dazu oben § 8 I. 313 Dazu oben § 8 III.2. 314 Dazu oben § 8 III.1.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
2. Anordnung der Abwicklung als Fernkauf bei B2C‑Verträgen und die Möglichkeit abweichender Vereinbarungen Den Verbraucherkaufvertrag gestaltet das Gemeinsame Europäische Kaufrecht in gewissen Abschlusssituationen als Fernkauf aus, der Verkäufer hat eine Bringschuld. Von dieser Gestaltung sind jedoch abweichende Vereinbarungen denkbar, da die Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag keine zwingenden Vorschriften sind. Im deutschen Recht sind Fernabsatzvertrag und Haustürgeschäft nicht grundsätzlich als Fernkauf ausgestaltet, die Abwicklung des Verbraucherkaufvertrags richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, wonach ein Fernkauf gesondert vereinbart werden muss. Ist die Abwicklung als Fernkauf auch bei den betroffenen Verbraucherkaufverträgen nicht zwingend, so ist jedoch die Gefahrtragungsregelung des Art. 142 I GEK‑Vorschlag beim Verbraucherkaufvertrag gem. Art. 142 V GEK‑ Vorschlag halbzwingendes Recht. Die Gefahr kann damit frühestens mit Besitzerlangung übergehen, ein späterer Gefahrübergang, der den Verbraucher weiter entlastet, ist gem. Art. 142 V GEK‑Vorschlag dagegen möglich. Während der GEK‑Vorschlag also hinsichtlich des Zeitpunktes des Gefahrübergangs keine strengeren Maßstäbe anlegt, ist er jedoch insofern strenger ausgestaltet, dass dieser Zeitpunkt im GEK‑Vorschlag halbzwingendes Recht ist. Auch mittels einer ausdrücklichen Vereinbarung mit dem Verbraucher kann sich der Unternehmer daher nicht zu einem früheren Zeitpunkt von der Preisgefahr befreien.315 Deutsches Recht und GEK‑Vorschlag gestalten also einige Verbraucherverträge bei fehlender anderweitiger Bestimmung über den Leistungsort anders aus – im GEK‑Vorschlag ist der Anwendungsbereich des Fernkaufs größer – sehen jedoch grundsätzlich den gleichen Zeitpunkt für den Gefahrübergang vor. Das deutsche Recht gewährt jedoch dem Unternehmer bei Verbraucherverträgen mehr Gestaltungsspielraum beim Vertragsschluss. Natürlich gewährt damit der GEK‑Vorschlag formal den höheren Verbraucherschutz. Die unflexible Handhabung führt jedoch dazu, dass die Parteien auch bei einem entsprechenden Bedürfnis für einen früheren Gefahrübergang in der konkreten vertraglichen Situation keine anderweitige Regelung treffen können, was zu einer ablehnenden Haltung der Verkäuferseite gegenüber dem GEK‑Vorschlag oder letztlich zu anderweitigen Nachteilen für den Verbraucher führen kann. Einer Mißbrauchsgefahr durch formularmäßige Abbedingung der Schutzvorschriften zulasten der Verbraucher hätte man immer noch auf Ebene der Klauselkontrolle begegnen können.
315 Dazu
oben § 8 III.1.
§ 8 Fernkauf
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3. Früherer Gefahrübergang im deutschen Recht beim B2B‑Geschäft Der nach CISG und GEK‑Vorschlag beim B2B‑Geschäft vorliegende frühe Gefahrübergang mag etwas überraschen, wenn man das Wesen des Fernkaufs betrachtet. Der Verkäufer übernimmt hier die umfangreichsten Verpflichtungen verglichen mit anderen Abwicklungsformen. Die Überwindung einer räumlichen Distanz, welche er beim Platzkauf gar nicht schuldet, erfolgt unter seiner Regie und auf sein Risiko. Der Gefahrübergang als solcher ist hingegen verglichen mit dem Platzkauf gelockert.316 Das deutsche Recht lässt die Gefahr dann konsequent auch erst übergehen, sobald der Käufer die Sachherrschaft über die Ware erlangt hat. So würde anscheinend auch der ELI-Änderungsvorschlag entscheiden, indem er für den Fernkauf keine gesonderte Gefahrtragungsnorm vorhält, Gefahrübergang also erst mit Annahme eintreten soll. Andererseits kann man den frühen Gefahrübergang in CISG und GEK‑Vorschlag auch als Ausgleich und Entlastung des Verkäufers für die zusätzlich von ihm übernommenen Verpflichtungen sehen. Alle drei Regelwerke regeln nicht ausdrücklich die Lieferverpflichtung des Verkäufers beim Fernkauf. Da ein solcher also ohnehin vereinbart werden muss, kann es für die Parteien sinnvoll sein, auch eine Vereinbarung über den Gefahrübergang zu treffen. Eine solche kann mittels Incoterms erfolgen, wobei sich ein Fernkauf aus den D‑Klauseln ergibt. Diese bestimmen auch den Gefahrübergang ausdrücklich. Der Gefahrübergang ist hierbei jeweils direkt an die Erfüllung der Lieferverpflichtung des Verkäufers geknüpft. Diese verlangt die Zurverfügungstellung der Ware am Bestimmungsort, so dass auch hier eine Ähnlichkeit zu den Bestimmungen in CISG und GEK‑Vorschlag besteht. Aufgrund fehlender weiterer Voraussetzungen (Fälligkeit und Kenntnis), ist nach den Incoterms dennoch der zeitlich früheste Gefahrübergang möglich.317
4. Verbesserungen im GEK‑Vorschlag im Vergleich zum CISG Voraussetzungen des Gefahrübergangs nach CISG und GEK‑Vorschlag sind jeweils Zurverfügungstellung der Ware, Fälligkeit, Kenntnis und Konkretisierung, Art. 69 II CISG, Art. 144 II GEK‑Vorschlag. Unterschiede für die Bestimmung des Zeitpunkts des Übergangs der Preisgefahr zeigen sich vor allem bei der Fälligkeit der Sachleistung. Hier gehen CISG und GEK‑Vorschlag von anderen Zeitpunkten aus. So verlangt Art. 33 lit. c) CISG bei Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung die Lieferung „innerhalb einer angemessenen Frist“, während Art. 95 I GEK‑Vorschlag von einer unverzüglichen Fälligkeit nach Vertragsschluss ausgeht.318 Die „angemessene Frist“ des Art. 33 lit. c) CISG bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der GEK‑Vorschlag de316 Zum UN‑Kaufrecht § 8 I; 317 Dazu oben § 8 IV. 1.a). 318 Zum
zum GEK‑Vorschlag § 8 III.2.
UN‑Kaufrecht § 8 I. 1.a); zum GEK‑Vorschlag § 8 III.2.c).
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
finiert den Begriff der Unverzüglichkeit nicht, so dass eine exakte Bestimmung erst durch autonome Auslegung erzielt werden kann. Man darf wohl davon ausgehen, dass eine „unverzügliche“ Lieferung früher zu erfolgen hat als die Lieferung innerhalb einer angemessenen Frist im CISG. Geht man aber mit der h. M. zum UN‑Kaufrecht davon aus, dass ein generelles Recht des Verkäufers zur sofortigen Lieferung besteht, kann der Verkäufer den Gefahrübergang zeitgleich zum Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht herbeiführen. Bezüglich der Auswirkungen auf die Gefahrtragung ist die Fälligkeitsvorschrift des Art. 95 GEK‑ Vorschlag zu begrüßen, da sich die Frage der Erfüllbarkeit hier nicht stellt, der Verkäufer den Gefahrübergang also schnellstmöglich herbeiführen kann. Der Gefahrübergang ist im GEK‑Vorschlag sehr früh angesetzt, er ist aber besser bestimmbar als im CISG und bringt Rechtssicherheit für die Parteien.
5. Vorteile der deutschen Regelung Beim Fernkauf steht also auf einer Seite das streng dem Traditionsprinzip folgende deutsche Recht mit einer den Verkäufer stärker belastenden Regelung, auf der anderen Seite das CISG, welches für den Verkäufer günstiger ist. Der GEK‑Vorschlag ist dann beim B2C‑Vertrag aufgrund der zwingenden Regelung strenger als das deutsche Recht und folgt beim B2B‑Vertrag dem CISG. Im Hinblick auf Rechtssicherheit ist jedoch die deutsche Regelung zu bevorzugen. Sie kommt ohne subjektive Voraussetzungen aus und der Begriff der Übergabe ist klarer zu bestimmen als die Zurverfügungstellung der Ware. Die Anknüpfung an die Übergabe bietet weniger Konfliktpotential für die Vertragsparteien. Daher kann man sich fragen, ob die Orientierung des Art. 144 II GEK‑ Vorschlag für B2B‑Geschäfte an der Regelung des Art. 69 II CISG sinnvoll ist. Zur Beurteilung dieser Frage ist auch die Entstehungsgeschichte des Art. 69 II CISG heranzuziehen. Eine derartige Norm fand sich in der Vorgängerregelung des EKG nicht.319 Art. 69 II CISG wurde auf den Vorschlag Norwegens im Rahmen der Vorarbeiten von UNCITRAL aufgenommen.320 Die Einführung wurde aber in erster Linie für den Fall des Kaufs eingelagerter Ware vorgesehen,321 der ebenfalls unter Art. 69 II CISG zu subsumieren ist. Für diese Abwicklungsform bietet sich die Regelung eines frühzeitigen Gefahrübergangs an, da der Verkäufer Ware, die sich nicht in seinem Herrschaftsbereich befindet, nicht versichert bzw. sich hierfür zumindest nicht in einer günstigeren Position befindet.322 319 Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 5. 320 Yearbook of the United Nations Commission
on International Trade Law, 1977, Volume VIII, S. 125, 126; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, Art. 69, Rn. 1; Staudinger/ Magnus, Art. 69, Rn. 5. 321 Vgl. Yearbook of the United Nations Commission on International Trade Law, 1977, Volume VIII, S. 126, Nr. 58. 322 Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 118, 119.
§ 9 Versendungskauf
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Dies trifft eben für den Fall des Kaufs der eingelagerten Ware zu, gilt aber nicht für die Fälle des Fernkaufs. Denn hier befindet sich die Ware im Herrschaftsbereich des Verkäufers, so dass er die Ware versichern kann. Durch die bessere Versicherbarkeit der Ware besteht daher kein unbedingtes wirtschaftliches Bedürfnis, dem Verkäufer die frühzeitige Entlastungsmöglichkeit zu bieten. Für den Fernkauf ist damit der Übergang der Preisgefahr auf den Käufer vor Übernahme der Ware nicht erforderlich.
§ 9 Versendungskauf Der Versendungskauf ist wie auch der Fernkauf eine Form des Distanzkaufs.323 Die Gefahrtragung spielt bei Distanzkäufen eine bedeutende Rolle, da für den Bestand oder die Unversehrtheit der Ware durch den erforderlichen Transport erhöhte Risiken bestehen.324 Der Versendungskauf spielt als Abwicklungsform eines Kaufvertrags im modernen Warenhandel die größte Rolle.325 Dies liegt zum einen daran, dass in der globalisierten Welt die Distanzkäufe zunehmen und zum anderen daran, dass dem Versendungskauf im Verhältnis zum Fernkauf aufgrund der Liefervorschriften eine gewisse Vorrangstellung zukommt, der Versendungskauf mithin die Regel bei den Distanzkäufen ist.326 Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist hier zunächst darzustellen, wann nach den untersuchten Regelwerken eine Abwicklung des Vertrages als Versendungskauf erfolgt (I.), wozu die Vorschriften der Lieferung zu untersuchen sind. Hier ist insbesondere auch zu erörtern, wie und ob die einzelnen Regelwerke besondere Voraussetzungen für das Vorliegen eines Versendungskaufs normieren, die dann letztlich darüber entscheiden, ob es überhaupt zur Anwendung der speziellen Gefahrtragungsnormen für den Versendungskauf kommt. Anschließend wird der Gefahrübergang beim Versendungskauf für Verbraucherkaufverträge (II.) und für Unternehmerkaufverträge (III.) erörtert. Die getrennte Darstellung ist notwendig, weil es eine Vielzahl an Regelungsbemühungen zum Versendungskauf gibt und einige der untersuchten Regelwerke nur Regelungen entweder für B2B- oder für B2C‑Geschäfte vorsehen. 323 Zum
Begriff vgl. schon oben Dritter Teil Fn. 42. Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 78; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 33. 325 Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 108. 326 Vgl. bei den hier untersuchten Rechtsordnungen zum deutschen Recht die Auslegungsregel des § 269 III BGB, trotz des Grundsatzes des § 448 I BGB; zum UN‑Kaufrecht Art. 31 lit. a) CISG; zum Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag; zudem Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 79; zu einem älteren rechtsvergleichenden Überblick vgl. hierzu Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 2. Band, S. 325. 324 Hager,
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
I. Vorliegen eines Versendungskaufs Wann von einem Versendungskauf auszugehen ist, scheint nicht deckungsgleich geregelt zu sein. Zwar enthalten die Regelwerke gesonderte Vorschriften für den Gefahrübergang beim Versendungskauf,327 die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der jeweiligen Vorschriften scheinen sich aber nicht zu entsprechen. Hier stellt sich vor allem die Frage, wann eine Beförderung als vereinbart gilt und wie diese Beförderung im Rahmen der vertraglichen Pflichten zu charakterisieren ist. Auch die Frage, welche Personen taugliche Beförderer sind, um die Regelungen zum Gefahrübergang beim Versendungskauf anzuwenden, ist entscheidend.
1. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht Im Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht befasst sich Art. 145 GEK‑Vorschlag ausdrücklich mit dem Gefahrübergang im Falle einer Beförderung der Waren, doch gilt er nur für B2B‑Verträge.328 Art. 145 I GEK‑Vorschlag hat die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs zum Ziel329 und setzt „Kaufverträge, die eine Beförderung der Waren einschließen“, voraus. Damit ist klar, dass Art. 145 GEK‑Vorschlag für den Gefahrübergang beim Versendungskauf gilt und er den Einschluss der Beförderung in den Kaufvertrag als sachliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Regelungen zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs in Abs. 2 und Abs. 3 bestimmt. Die Vorschrift des Art. 145 I GEK‑ Vorschlag wird im Hinblick auf die Überschrift des Art. 145 GEK‑Vorschlag auch für entbehrlich gehalten, da die Voraussetzung der Beförderung bereits der Überschrift zu entnehmen ist.330
a) Wann kommt es zum Versendungskauf? Es stellt sich die Frage, wann Kaufverträge die „Beförderung der Waren einschließen“ und damit nach dem GEK‑Vorschlag ein Versendungskauf vorliegt. Eine Definition oder Konkretisierung dieses Erfordernisses des Einschlusses
327 Art. 145 I GEK‑Vorschlag, Art. 67 CISG, Art. 20 Verbraucherrechte-RL, § 447 BGB. 328 Entsprechend den Änderungsvorschlägen von Lehne/Berlinguer, Berichtsentwurf,
S. 94, sollen alle in Art. 145 GEK‑Vorschlag getroffenen Regelungen künftig in Art. 143 IIa geführt werden. Zwar findet dort eine Umstellung der bisherigen Satzteile statt, inhaltlich entspricht die vorgeschlagene Änderung aber der jetzigen Regelung. Die Umformulierung darf zudem nicht als besonders übersichtlich bezeichnet werden; die Änderungsvorschläge von Lehne/Berlinguer und ELI entsprechen sich, so dass diese Ausführungen ebenso auf den Vorschlag des ELI zutreffen, vgl. Art. 100, ELI, Statement CESL S. 91, 248, 249. 329 Schulze/Zoll/Watson, Art. 145, Rn. 3. 330 Herresthal, in: Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales europäisches Kaufrecht, S. 138.
§ 9 Versendungskauf
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der Beförderung findet sich nicht.331 Auch die Frage, ob es sich hierbei um eine vertragliche Haupt- oder Nebenpflicht des Verkäufers handeln muss, wird nicht beantwortet. Was der Einschluss der Beförderung sein soll, bleibt also zunächst einmal unklar. Insofern könnten die Vorschriften über die Lieferung Klarheit schaffen, wenn dort beantwortet würde, wann eine Beförderung in den Kaufvertrag eingeschlossen ist.
aa) Verpflichtung zur Beförderung als Regelung des Versendungskaufs? Art. 93 I GEK‑Vorschlag über den Ort der Lieferung sorgt nicht für Klarheit, sondern für deutlich mehr Fragen. Einmal findet sich in Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑ Vorschlag eine Liefervorschrift, die auch erfordert, dass „der Kaufvertrag die Beförderung der Waren […] einschließt“ („the contract of sale involves carriage of the goods“). Daneben gibt es für gewisse Verbraucherverträge noch eine zweite Vorschrift, die eine Beförderung zum Gegenstand hat. Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag regelt den Kaufvertrag „in dem sich der Verkäufer verpflichtet hat, für die Beförderung bis zum Käufer zu sorgen“ („the seller has undertaken to arrange carriage to the buyer“). Gibt es im GEK‑Vorschlag also zwei verschiedene Formen des Versendungskaufs, den „Einschluss der Beförderung“ und die „Verpflichtung, für die Beförderung zum Käufer zu sorgen“? Entsprechend den Problemen zur Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs des Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag332 könnte man dazu geneigt sein, die „Verpflichtung, für die Beförderung zum Käufer zu sorgen“, als Versendungskaufregelung für B2C‑Geschäfte anzusehen und den „Einschluss der Beförderung“ als B2B‑Regelung.333 Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich jedoch mit dem sachlichen Anwendungsbereich der „tatbestandlich höchst unklaren“334 Vorschrift des Art. 93 I lit (a) GEK‑Vorschlag auseinandersetzen. Die entscheidende Frage ist zunächst: Stellt die Regelung des Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag mit der Formulierung der „Verpflichtung, für die Beförderung zum Käufer zu sorgen“, eine Bringschuld335 oder einen Versendungskauf dar, bei dem nach hier zugrundeliegenden Verständnis336 jedoch eine Schickschuld 331 Dies wird aufgrund der häufig verschiedenen Formulierungen in Zusammenhang mit beförderter Ware zu Recht kritisiert, vgl. BRAK, Stellungnahme 15/2012, S. 13. 332 Siehe dazu schon oben § 5 II.2.b)aa. Es stellt sich die Frage, ob die Lieferortbestimmung in Art. 93 I lit. a) GEK‑Vorschlag bei einem „Vertrag, bei dem sich der Verkäufer verpflichtet hat, für die Beförderung bis zum Käufer zu sorgen“, auch Verträge zwischen Unternehmern erfasst. 333 Dies wäre dann der Fall, wenn Art. 93 I lit. (a) ausschließlich Verträge zwischen Unternehmern erfasst. 334 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 717. 335 Mit dieser Frage auch Lorenz, AcP 212 (2012), S. 717; davon ausgehend auch Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 313. 336 Vgl. dazu § 6 II.3.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
vorliegen muss? Denn nur wenn dies auch als Regelung eines Versendungskaufs anzusehen ist, kommt es zu einem Abgrenzungsproblem beim Versendungskauf zwischen der „Verpflichtung, für die Beförderung zum Käufer zu sorgen“ und dem „Einschluss der Beförderung“. Man mag zunächst aufgrund der Formulierung „für die Beförderung bis zum Käufer zu sorgen“ von einer Regelung eines Versendungskaufs ausgehen. Dies legt die Verwandtschaft zum CISG und die in Art. 32 CISG gleichlautende Formulierung nahe, die eindeutig nur für Versendungskäufe gilt.337 Lorenz verweist zurecht darauf, dass die Regelung der Parallelvorschrift des Art. 32 CISG, Art. 96 GEK‑Vorschlag, überflüssig ist, wenn Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag die Bringschuld regelt.338 Nach Art. 96 I GEK‑ Vorschlag hat der Verkäufer alle zur Beförderung erforderlichen Verträge zu schließen, wenn er „nach dem Vertrag verpflichtet ist, für die Beförderung der Waren zu sorgen“. Diese Verpflichtung hat der Verkäufer bei der Bringschuld selbstverständlich ohnehin.339 Zoll geht davon aus, dass Art. 93 I lit. (a) GEK‑ Vorschlag sowohl eine eigene Verpflichtung des Verkäufers, für die Beförderung zum Käufer zu sorgen, meint, als auch, mit der Beförderung einen selbstständigen Beförderer zu beauftragen.340 Letzteres spräche klar für eine Regelung des Versendungskaufs. Allerdings liegt in Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag der Leistungsort gerade am Sitz des Verbrauchers, dies kennzeichnet aber die Bringschuld, nicht die Schickschuld. Auch eine Beförderung durch Dritte kann dann eben nicht als Schickschuld verstanden werden, wenn der Leistungsort erst am Käufersitz liegt, da der Verkäufer dann erst dort von seiner Leistungspflicht frei wird. Deshalb ist Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag als eine Regelung der Bringschuld aufzufassen,341 nicht als eine Regelung des Versendungskaufs.
bb) Anwendbarkeit des Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag und Einschluss der Beförderung auch bei B2C‑Verträgen Wenn ein Vertrag, bei „dem sich der Verkäufer verpflichtet hat, für die Beförderung bis zum Käufer zu sorgen“, aber keinen Versendungskauf regelt, so stellt sich anschließend die Frage, ob es nach den Liefervorschriften des GEK‑Vorschlags überhaupt im B2C‑Geschäft zu einem Versendungskauf kommen kann. Es muss also gefragt werden, ob Art. 93 I lit. (b) i) GEK-Vorschlag mit dem Erfordernis des „Einschlusses der Beförderung“ auch beim Verbraucherkaufvertrag einschlägig sein kann.342 Geht man davon aus, dass sich die Auflistung 337 So Lorenz, AcP 212 (2012), S. 718; 338 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 719. 339 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 719. 340 Schulze/Zoll, Art. 93, Rn. 10.
BeckOK BGB/Saenger Art. 32, Rn. 9.
341 So auch das Verständnis von Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 313; Lorenz, AcP 212 (2012), S. 718 f. 342 Zu den Auslegungsschwierigkeiten in Zusammenhang mit Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag siehe schon § 5 II.2.b)aa).
§ 9 Versendungskauf
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der drei Alternativen in Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag, also der Verträge in der Abschlusssituation des Fernabsatzes oder außerhalb von Geschäftsräumen oder mit der vom Verkäufer übernommenen Verpflichtung der Beförderung zum Käufer, nur auf die Bereitstellung digitaler Inhalte bezieht, wofür spricht, dass es wohl kaum die Absicht der Entwurfsverfasser war, alle Verbrauchergeschäfte als Bringschuld auszugestalten,343 so wird klar, dass jedenfalls die Vorschrift des Art. 93 I lit. (b) GEK‑Vorschlag auch auf den Verbraucherkaufvertrag anwendbar ist344. Ob nun aber für B2C‑Geschäfte nur noch die Vorschrift des Art. 93 I lit. (b) ii) GEK‑Vorschlag345 oder auch Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag mit dem „Einschluss der Beförderung“ in Betracht kommt346, ist unklar und bedarf daher der Auslegung. Gibt es also Verträge, nach denen die Ware befördert werden soll, die zwar eine Beförderung „einschließen“, nicht jedoch „zur Beförderung verpflichten“? Hierfür spricht, dass mit der Formulierung der „Verpflichtung zur Beförderung“ gerade die Bringschuld geregelt werden soll.347 Der Wortsinn legt dies auch nahe, wenn auch der Wortlaut mit Blick auf die Verwandtschaft zum CISG etwas anderes vermuten lässt. Es ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt, im B2C‑Geschäft generell eine Schickschuld auszuschließen. Es wird vorgeschlagen, die unklaren Liefervorschriften auch anhand der Gefahrtragungsnormen der Art. 142 IV, 145 GEK‑Vorschlag auszulegen.348 Zieht man Art. 142 IV GEK‑Vorschlag als Gefahrtragungsnorm für B2C‑Geschäfte heran, so wird deutlich, dass dies eine Regelung mit „Einschluss der Beförderung“ ist. „Einschluss“ meint hier, dass sich die Parteien über das Erfordernis einer Beförderung einig sind und vereinbart haben, dass der Verkäufer die Ware dem Beförderer auszuhändigen hat, da der Verkäufer eine eigene Beförderung eben nicht angeboten hat. Dies stellt dann gerade einen Fall dar, in dem der Verkäufer nicht „verpflichtet“ ist, für die Beförderung zum Käufer zu sorgen, sondern die Lieferung durch Übergabe an den Beförderer am Verkäufersitz erfolgen soll. Dabei handelt es sich um eine Schickschuld. Eine solche Auslegung anhand des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag erscheint auch vor der Wertung gerechtfertigt, dass Art. 142 IV GEK‑Vorschlag und Art. 145 I GEK‑Vorschlag jeweils die Transportgefahr auf den Käufer verlagern, so dass auch das Erfordernis des „Einschlusses der Beförderung“ beiden Konstellationen gleichermaßen zugrundezulegen ist. Neben den Fällen, die in den Anwendungsbereich des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag fallen, könnte Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag auch bei Angebot eines selbstständigen entgeltlichen Liefer343 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 718. 344 Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein
einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 313.
345 So wohl Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 313. 346 Schulze/Zoll, Art. 93, Rn. 14. 347 Siehe soeben § 9 I. 1.a)aa). 348 Remien, in: Schmidt-Kessel,
Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 313; ders., in Schmidt-Kessel, Der Entwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, Kommentar, Art. 93, Rn. 4.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
dienstes in einem Kaufhaus349 angewendet werden. Wenn die Parteien vereinbaren, dass der Verkäufer seine Lieferverpflichtung durch Übergabe an einen in seinem Kaufhaus angebotenen entgeltlichen Lieferdienst erbringt, liegt hier gerade bei einem B2C‑Geschäft ein „Einschluss der Beförderung“ i. S. d. Art. 93 I lit. (b) (i) GEK‑Vorschlag vor.
cc) Zwischenergebnis Das schwierig zu bestimmende Merkmal des „Einschlusses der Beförderung“ sollte also alle Fälle der Schickschuld erfassen. Die Lieferung erfolgt dann gem. Art. 94 I lit. (b) GEK‑Vorschlag „durch Übergabe der Waren an den ersten Beförderer zur Versendung an den Käufer“. Entsprechend den Grundsätzen der Schickschuld liegt der Leistungsort am Ort der Übergabe an den Beförderer, Erfolgsort ist der Ort der Aushändigung der Ware an den Käufer. Ein Versendungskauf ergibt sich damit nicht aus der Vorschrift des Art. 93 I lit. (a) GEK‑ Vorschlag, da dort gerade eine Bringschuld normiert wird, indem der Lieferort auf den Aufenthaltsort des Verbrauchers festgesetzt wird. Auch bei B2C‑Geschäften ist jedoch eine Abwicklung als Versendungskauf denkbar, da Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag nicht alle B2C‑Geschäfte erfasst und sich mittels der Auslegung auch anhand der Gefahrtragungsnorm des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag Konstellationen des „Einschlusses der Beförderung“ gem. Art. 93 I lit. (b) i) GEK‑Vorschlag ergeben. Es besteht dann eben keine „Verpflichtung für die Beförderung zum Käufer zu sorgen“,350 aber die Verpflichtung, die Beförderung zu veranlassen und es besteht jedenfalls über das Erfordernis der Versendung Einigkeit.
b) Person des Beförderers Weiterhin ist zu fragen, ob an die Person des Beförderers spezielle Anforderungen zu stellen sind, um von einem Versendungskauf nach dem GEK‑Vorschlag auszugehen. Es geht in erster Linie darum, ob die Art. 93 I lit. (b) i), 145 GEK‑ Vorschlag auch anwendbar sind, wenn der Verkäufer den Transport selbst oder von eigenen Leuten durchführen lässt. Bei den Verbraucherverträgen wird dieses Problem nicht relevant. Der GEK‑Vorschlag enthält keine näheren Angaben zur Person des Beförderers. Art. 2 VO‑GEK‑Vorschlag, der Begriffe definiert, liefert keine Definition für die Begriffe „Verkäufer“ und „Beförderer“. Da Art. 93 I lit. (b) (i) GEK‑ Vorschlag den „Beförderer“ nennt, muss man aber davon ausgehen, dass dies eine andere Person als der „Verkäufer“ ist. So besteht in den bislang wenigen 349 Zu diesem Beispiel Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 313, der in diesem Fall wohl jedenfalls nicht Art. 93 I lit. (a) GEK‑Vorschlag anwenden möchte. 350 So auch Schulze/Zoll, Art. 93, Rn. 14.
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Stimmen auch Einigkeit darüber, eine vom Verkäufer zu trennende, selbstständige Rechtspersönlichkeit als „Beförderer“ zu fordern.351 Bedient sich der Unternehmer eigenen Personals bei der Beförderung, ist demnach mangels Einschaltung eines „Beförderers“ nicht von einem Versendungskauf i. S. d. Art. 93 I lit. (b) i), 145 GEK‑Vorschlag auszugehen.352 Die Konsequenz ist, dass der Unternehmer bei Wahl des optionalen Instruments eine Beförderung nicht durch eigenes Personal ausführen lassen sollte, wenn er den früheren Gefahrübergang nach Art. 145 GEK‑Vorschlag mit Übergabe an den Beförderer erreichen möchte. Fraglich bleibt, ob im Falle der Beförderung durch eigene Leute die Gefahrtragungsvorschrift des Art. 143 I GEK‑Vorschlag oder des Art. 144 II GEK‑Vorschlag anzuwenden ist. War vorher ein Versendungskauf mit einer Beförderung durch Dritte vereinbart, kommt diese Beförderung jedoch nicht zustande und erklärt sich der Verkäufer aufgrund dessen bereit, die Beförderung selbst durchzuführen, so sollte man zumindest die Gefahrtragungsvorschrift des Art. 144 II GEK‑Vorschlag anwenden. Zum einen entspricht die Konstellation dann einem Fernkauf. Zum anderen ist es unbillig, den Verkäufer, der eine umfassendere Lieferpflicht übernimmt, mit dem späteren Gefahrübergang der „Annahme“ des Art. 143 I GEK‑Vorschlag (am Käuferort) zu belasten.
2. UN‑Kaufrecht a) Erfordernis der Beförderung Das UN‑Kaufrecht enthält für den Versendungskauf die spezielle Gefahrtragungsregel des Art. 67 CISG. Grundlegende Anwendungsvoraussetzung für diese Vorschrift und Charakteristikum für den Versendungskauf ist das Erfordernis der Beförderung der Ware nach dem Kaufvertrag. Auch im UN‑Kaufrecht entspricht diese Voraussetzung wörtlich der Definition des Versendungskaufs nach den Liefervorschriften des Art. 31 lit. a) CISG.353 In den Vorschriften über die Lieferung der Ware finden sich jedoch keine Konkretisierungen, wann vom Erfordernis einer Beförderung nach dem Kaufvertrag auszugehen ist. Die Rangfrage der verschiedenen Abwicklungsformen in Art. 31 CISG wurde bereits dargestellt.354 Eine gesetzliche Vermutung, einen Kaufvertrag allein aufgrund der Tatsache, dass die Ware generell eine gewisse 351 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 488; Schulze/ Zoll, Art. 145, Rn. 3; Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 174, Rn. 35; v. Bar/Clive, Principles, Definition and Model Rules of European Private Law, DCFR Full Edition Vol 2, S. 1385; Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 196. 352 Graf von Bernstorff, AW‑Prax 2012, 265. 353 MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 5; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 67, Rn. 4. 354 Siehe oben beim Platzkauf § 7 I. 1.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
Distanz zu überwinden hat, als Versendungskauf abzuwickeln,355 ist abzulehnen.356 Dies legt auch der Wortlaut der Art. 31 lit. a), 67 I CISG nahe, der auf das Erfordernis der Beförderung „nach dem Kaufvertrag“ abstellt. Man verlangt für eine Einbeziehung der Beförderung in den Kaufvertrag aber keine ausdrückliche Parteivereinbarung, sondern lässt eine stillschweigende Parteivereinbarung ausreichen, nach der die Verpflichtung des Verkäufers über die bloße Bereitstellung der Ware hinausgehen soll.357 Die Beförderung der Ware ist jedoch nicht Inhalt der Lieferpflicht, da diese beim Versendungskauf grundsätzlich nur aus der Übergabe der Ware an den Beförderer besteht.358 Die Vertragsparteien müssen im Rahmen der Parteivereinbarung also einen Konsens darüber erzielen, dass die Ware zur Überwindung der Distanz von einem selbstständigen Dritten übernommen wird.359 Ein Konsens über die Beförderung durch einen Dritten soll allerdings vermutet werden können, sofern weder die Abholung durch den Käufer noch eine Anlieferungspflicht des Verkäufers ausdrücklich vereinbart worden seien.360
b) Person des Beförderers Vom Erfordernis der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit des Dritten geht die h. M. aus; ein Transport durch eigene Leute soll daher nicht ausreichen.361 Dies ist sachgerecht, da der Verkäufer die Ware hierbei noch in seiner physischen Gewalt hat und daher Vorkehrungen zum Schutz der Ware besser treffen kann.362 Führt der Verkäufer den Transport dennoch mit eigenen Leuten durch, so sollte sich der Gefahrübergang nach Art. 69 II CISG richten.363 An die Person des Dritten, der die Beförderung durchführt, sind jedoch möglicherweise weitere Anforderungen zu stellen als die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Ein für 355 Soergel/Lüderitz/Schüßler-Langeheine, Art. 31,
Rn. 5.
356 So geht die wohl überwiegende Meinung vom Platzkauf als Regelfall aus, vgl. Münch-
Komm/Gruber, Art. 31, Rn. 2; Staudinger /Magnus, Art. 31, Rn. 8, 13; Reinhart, Art. 31, Rn. 9; Herber/Czerwenka, Art. 69, Rn. 2; Niggemann, in: Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 79; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 31, Rn. 3. 357 MünchKomm/Gruber, Art. 31, Rn. 15. 358 Rudolph, Art. 31, Rn. 3. 359 Staudinger/Magnus, Art. 31, Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 13 ff.; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 67, Rn. 4; Herber/Czerwenka, Art. 31, Rn. 4. 360 Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 67, Rn. 4; wohl auch Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/ Lüchinger, Art. 31, Rn. 18. 361 Honnold/Flechtner, Art. 67, Rn. 369.1; Bianca/Bonell/Nicholas, Art. 67, Anm. 2.2.; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 67, Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 67, Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 19, 22; Staudinger/Magnus, Art. 31, Rn. 13; Herber/Czerwenka, Art. 31, Rn. 4; MünchKomm/Gruber, Art. 31, Rn. 16; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 10; zweifelhaft Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 108. 362 So auch von Hoffmann, Passing of Risk, S. 287. 363 Honnold/Flechtner, Art. 67, Rn. 369.1.
§ 9 Versendungskauf
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die Praxis relevanter Streit besteht hinsichtlich der Frage, ob der Begriff des Beförderers in Art. 67 CISG auch einen Spediteur erfasst oder ob ausschließlich ein Frachtführer als Beförderer angesehen werden kann.364 Dies wird praktisch relevant, wenn beispielsweise ein deutscher Verkäufer einen Vertrag mit einem französischen Käufer schließt, die Beförderung der Ware nach der Vereinbarung der Parteien erforderlich ist und der deutsche Verkäufer entsprechend Art. 32 II CISG die erforderlichen Beförderungsverträge zu schließen hat. Schließt er nun einen Vertrag mit einer deutschen Spedition und übernimmt diese die Ware, so stellt sich die Frage, ob dies einen Versendungskauf i. S. d. Art. 67 CISG mit der für den Verkäufer günstigen Folge darstellt, dass die Gefahr bereits mit Übergabe an die Spedition übergeht. Nach einer Auffassung genügt die Übergabe an den Spediteur nicht, wenn der Spediteur die Ware nicht selbst zu befördern hat, sondern ausschließlich einen Transportvertrag mit einem Transportunternehmen abschließen soll.365 Hierfür mag der Wortlaut der Norm sprechen, indem man den Begriff des Beförderers eng auszulegen hat, im Sinne der Person, die die Beförderung auch tatsächlich durchführt. Das Problem dieser Ansicht ist jedoch, dass eine Differenzierung danach erforderlich wird, ob der Spediteur die Beförderung selbst vornimmt oder nicht. Es kommt dann also auf die Ausgestaltung des zwischen dem Verkäufer und dem Spediteur abgeschlossenen Speditionsvertrags an. Erlangt der Spediteur nämlich die Stellung eines Frachtführers, indem er den Transport aufgrund eines Selbsteintrittsrechts gem. § 458 HGB selbst ausführt oder er diese Stellung gem. § 459 HGB erlangt, so wäre er dann wieder als tauglicher Beförderer i. S. d. Art. 67 I CISG anzusehen.366 Dies könnte dazu führen, dass der Gefahrübergang durch Übergabe der Ware an den Spediteur zunächst nicht vollzogen wird, durch einen späteren Selbsteintritt jedoch rückwirkend doch als vollzogen betrachtet werden müsste. Daher ist zu befürworten, den Spediteur als Beförderer i. S. d. Art. 67 I CISG zu betrachten.367 Die Problematik ist nicht zu vergleichen mit der Beförderung durch eigene Leute des Verkäufers. Der Verkäufer behält nämlich dort weiterhin die physische Kontrolle über die Güter, so dass er Schutzvorkehrungen treffen kann. Bei der Übergabe an einen Spediteur gibt der Verkäufer seine Kontrollmöglichkeiten jedoch ebenso auf wie bei der Übergabe an den Beförderer. 364 Vgl. hierzu die Unterscheidung zwischen Spediteur und Frachtführer im deutschen Recht: Der Frachtvertrag verpflichtet den Frachtführer gem. § 407 I HGB, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern, während beim Speditionsvertrag gem. § 453 I HGB der Spediteur verpflichtet wird, die Versendung des Gutes zu besorgen. 365 Rudolph, Art. 31, Rn. 14; Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 11; Reinhart, Art. 67, Rn. 4; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 67, Rn. 6. 366 MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 67, Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 67, Rn. 15. 367 MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 67, Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 67, Rn. 15.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
c) Abschluss des Beförderungsvertrags Fraglich ist jedoch, ob es für die Annahme eines Versendungskaufs und der daraus resultierenden Anwendung des Art. 67 CISG entscheidend ist, welche Partei die Beförderung zu organisieren oder den Abschluss des Beförderungsvertrags zu verantworten hat.368 So wird teilweise vertreten, dass die Gefahrtragungsvorschrift des Art. 67 CISG nur zur Anwendung gelangen kann, wenn der Verkäufer für die Organisation des Transports zuständig ist.369 Hat der Käufer den Transport zu organisieren, kann man dies auch als Platzkauf betrachten, da der Käufer die Abholung am Verkäufersitz veranlasst. Die wohl überwiegende Meinung verlangt keine Organisation des Verkäufers und nimmt einen Versendungskauf auch an, wenn der Käufer nach der vertraglichen Vereinbarung für den Abschluss des Transportvertrags zuständig ist.370 Dem ist auch zu folgen. Das Übereinkommen geht gerade nicht von einer generellen Pflicht des Verkäufers aus, den Transportvertrag zu schließen und die Organisation zu übernehmen.371 Auch Art. 32 II CISG geht nicht von einer Verpflichtung des Verkäufers aus. Art. 32 II CISG betrifft nur den Fall, in dem sich der Verkäufer zur Organisation des Transports verpflichtet hat.372 Wortlaut und Telos des Art. 31 lit. a) CISG geben aber keine Hinweise auf eine diesbezügliche grundsätzliche Verpflichtung des Verkäufers.373 Dann kann daraus, dass der Käufer den Transport nach der Vereinbarung zu organisieren hat, aber auch nicht geschlossen werden, dass dann generell keine Schickschuld mehr vorliegen soll. Denn der Verkäufer kann sich gerade auf eine Übergabe der Ware an den Beförderer einlassen. Der Streit über die Einordnung als Versendungskauf oder als Platzkauf bei Organisation der Beförderung durch den Käufer wirkt sich aber nicht auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs aus, denn dieser findet jedenfalls am Sitz des Verkäufers statt.
368 Vgl. dazu schon oben § 6 II.3.; dort wurde ausgeführt, dass sowohl die Organisation durch den Verkäufer, als auch die Organisation durch den Käufer im Rahmen des Versendungskaufs thematisiert wird. 369 Achilles, Art. 31, Rn. 3; Ferrari/Saenger, Int. Vertragsrecht Art. 31 Rn. 4; Herber/Czerwenka, Art. 31, Rn. 4; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 108; Piltz, in: Kröll/Mistelis/Viscasillas, Art. 31, Rn. 13; Piltz, Internationales Kaufrecht, § 4, Rn. 19; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/ Lüchinger, Art. 31, Rn. 13. 370 So Brunner, Art. 31 Rn. 5; Enderlein, in: Enderlein/Maskow/Strohbach, Art. 31, Anm. 5; Reinhart, Art. 31, Rn. 5; Sekretariatskommentar, Art. 29 Nr. 5 ff.; Honnold/Flechtner, Art. 31, Rn. 208; MünchKomm/Gruber, Art. 31, Rn. 15; Soergel/Lüderitz/Schüßler-Langeheine, Art. 31, Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 31, Rn. 16. 371 So selbst Schlechtriem/Schwenzer/Widmer/Lüchinger, Art. 31, Rn. 17. 372 MünchKomm/Gruber, Art. 32, Rn. 9. 373 Staudinger/Magnus, Art. 31, Rn. 16.
§ 9 Versendungskauf
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3. Deutsches Recht a) Versendungsverlangen des Käufers Im deutschen Recht bestimmt sich der Gefahrübergang beim Versendungskauf grundsätzlich nach § 447 BGB, wie schon die Überschrift der Norm statuiert. Nach dem Tatbestand des § 447 BGB ist ein Versendungskauf anzunehmen, wenn der Verkäufer die verkaufte Sache auf Verlangen des Käufers nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort versendet. § 447 BGB betont das Charakteristikum des Versendungskaufs, nämlich das Auseinanderfallen von Erfüllungsund Erfolgsort. Die Abwicklung als Versendungskauf könnte sich zunächst aus der Vorschrift über die Bestimmung des Leistungsorts, § 269 BGB, ergeben. Hier enthält Abs. 1 aber lediglich eine Auslegungsregel für den Platzkauf.374 Abs. 3 enthält aber eine Regelung für den Versendungskauf. Diese Vorschrift dient bei einer erforderlichen Versendung der Auslegung für das Verhältnis Bring- und Schickschuld. Obwohl gem. § 448 I BGB grundsätzlich der Käufer die Kosten einer Versendung zu tragen hat, soll gem. § 269 III BGB allein die Tatsache, dass der Verkäufer diese Kosten übernimmt, nicht zum Vorliegen einer Bringschuld führen. Das Gewicht verschiebt sich dadurch zugunsten der Schickschuld und damit zum Vorliegen eines Versendungskaufs. Allein aus der Vorschrift des § 269 BGB lässt sich aber die Abwicklung als Versendungskauf und die Kriterien, wann von einem Versendungskauf auszugehen ist, nicht entnehmen. Erforderlich für die Annahme eines Versendungskaufs ist gem. § 447 BGB, dass die verkaufte Sache „auf Verlangen des Käufers“ vom Erfüllungsort aus versendet wird. Das Erfordernis „auf Verlangen des Käufers“ stellt klar, dass die Parteien die Versendung in ihre vertragliche Vereinbarung aufgenommen haben. Die Versendung muss dem ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Willen des Käufers entsprechen und darf damit nicht ohne oder gegen seinen Willen erfolgen.375 Haben sich die Parteien nun ausdrücklich bei Vertragsschluss über die Versendung geeinigt, liegt eine Schickschuld vor. Diese kann sich aber auch stillschweigend aus einem Handelsbrauch oder der Verkehrssitte ergeben. So ist es bei Distanzgeschäften lange Tradition, dass der Verkäufer die Ware dem Käufer an seinen Wohnsitz oder seine Niederlassung sendet.376 Durch das Abstellen auf das „Verlangen des Käufers“ werden aber auch die Fälle erfasst, in denen für den Käufer zunächst eine Holschuld bestand, der Käufer aber nach 374 Vgl.
oben Dritter Teil Fn. 135.
375 Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 10. 376 RG 01.11.1921, RGZ 103, 129, 130; BGH
05.12.1990, NJW 1991, 915, 916; LG Köln 07.06.1989, NJW‑RR 1989, 1457; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 8; Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 10.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
Vertragsschluss den Wunsch äußert, ihm die Ware zuzusenden.377 Hier sollte man aber nicht den bloß einseitigen Wunsch des Käufers ausreichen lassen, sondern verlangen, dass der Verkäufer sich auch bereit erklärt, die Versendung zu übernehmen, da die ursprüngliche Holschuld nun in eine Schickschuld umgewandelt wird.378
b) Transportperson Die im UN‑Kaufrecht bestehende Unsicherheit, ob als Transporteur ausschließlich der Frachtführer oder auch der Spediteur in Betracht kommt, besteht im deutschen Recht nicht. Der Wortlaut des § 447 I BGB lässt ausdrücklich auch die Übergabe an den Spediteur ausreichen, um den Gefahrübergang herbeizuführen. Fraglich ist jedoch, ob der Anwendungsbereich des § 447 BGB auch eröffnet ist, wenn eigene Leute des Verkäufers als Transportpersonen tätig werden. Die überwiegende Meinung wendet § 447 I BGB auch an, wenn die Ware bei der Schickschuld durch eigene Leute des Verkäufers befördert wird.379 Eine weniger verbreitete Ansicht wendet § 447 I BGB beim Selbsttransport durch den Verkäufer bzw. beim Transport durch eigene Leute nicht an380 und löst damit die Problematik vergleichbar der h. M. zum UN‑Kaufrecht. Aus Sachgesichtspunkten sprechen dieselben Gründe wie beim UN‑Kaufrecht381 auch für diese Mindermeinung zu § 447 BGB. Der Verkäufer behält beim Transport durch eigenes Personal die Einflussmöglichkeiten auf die Ware und ist somit eher zu Schutzvorkehrungen in der Lage. Weiterhin ist auch zu bedenken, dass § 447 BGB als Ausnahmevorschrift zu § 326 I BGB grundsätzlich eng auszulegen ist382 und daher bei der Ausdehnung des Anwendungsbereichs Zurückhaltung geboten ist. In der zum deutschen Recht geführten Diskussion wird zudem vorgebracht, dass der Käufer beim Transport durch eigene Leute des Verkäufers sonst schlechter stehen würde, da er zwar die Gefahr bereits mit Übergabe an die konkrete Transportperson trüge, ihm aber kein eigener Anspruch gegen einen Frachtführer zustünde, wie das gem. §§ 425, 421 I 2 HGB der Fall ist.383 Dies ist in der Tat als Schlechterstellung des Käufers aufzufassen, da der Anspruch gegen den Frachtführer zudem noch als Gefährdungshaftung ausge377 MünchKomm/Westermann, 378 Staudinger/Beckmann,
Rn. 8.
§ 447, Rn. 8; Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 10. § 447, Rn. 10; mglw. a. A. MünchKomm/Westermann, § 447,
379 RG 19.09.1919, RGZ 96, 259; OLG Nürnberg 24.11.1967, BB 1968, 355; BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 9; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 16; Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 14; Oetker/Maultzsch, S. 141; Reinicke/Tiedtke, Rn. 169; Ernst, ZIP 1993, 488; Hüffer, JuS 1988, 130; Mansel/Stürner, JuS 2006, 610. 380 Wertenbruch, JuS 2003, 628; Kornblum, S. 136; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 85; Heilmann, Mängelgewährleistung im UN‑Kaufrecht, S. 229 f. 381 Siehe dazu oben § 9 I. 2.b). 382 Mansel/Stürner, JuS 2006, 609. 383 Wertenbruch, JuS 2003, 629.
§ 9 Versendungskauf
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staltet ist, vgl. §§ 425, 426 HGB. Ansprüche aus einer Drittschadensliquidation über den Verkäufer dürften häufig daran scheitern, dass der Verkäufer aufgrund der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs keinen Anspruch gegen den mit der Ausführung beauftragten Mitarbeiter hat. Allerdings werden diesen Härten für den Käufer von der h. M. deutlich abgefedert. So wird offenbar teilweise eine analoge Anwendung der Frachtführerhaftung für möglich gehalten.384 Weiterhin wird beim Transport durch eigene Leute § 278 BGB angewandt, mit der Folge, dass der Verkäufer gem. § 278 BGB für das Verschulden der eingeschalteten Personen haftet und der Untergang daher in diesen Fällen nicht mehr zufällig i. S. d. § 447 BGB wäre.385 Die Anwendung des § 278 BGB stößt aber teilweise auf systematische Bedenken, da der Verkäufer den Transport nicht schuldet und somit die Tatbestandsvoraussetzung der „Erfüllung seiner Verbindlichkeit“ in § 278 BGB fraglich erscheint.386 Weiterhin sei zu bedenken, dass, würde man den Transport durch eigene Leute aus § 447 BGB herausnehmen, der Verkäufer faktisch wie bei der Bringschuld stünde.387 Im deutschen Recht ginge dann die Gefahr auf den Käufer erst mit der Übergabe gem. § 446 S. 1 BGB über.388 Gegen die Argumentation der Mindermeinung, der selbst transportierende Verkäufer habe die Ware noch in seiner Sphäre, wird vorgebracht, dass § 447 I BGB gar nicht generell auf Sphärengesichtspunkten beruht, weil der Verkäufer auch bei Einschaltung einer selbstständigen Transportperson über vertragliche Weisungsmöglichkeiten noch eine nähere Beziehung zur Ware habe als der Käufer.389 Auch wird vorgebracht, der Verkäufer übernehme die Versendung letztlich im Interesse des Käufers, eine Bringschuld wurde aber gerade nicht vereinbart. Es sei daher unbillig, ihn nun schlechter zu stellen und ihn zu zwingen, eine fremde Transportperson einzuschalten.390 Die Ratio des § 447 BGB sei es, den Verkäufer zu entlasten, daher kann auch aus diesem Gesichtspunkt kein Argument gegen die Zulässigkeit eigenen Personals sprechen.391 Auch wenn die h. M. versucht, die Nachteile für den Käufer abzufedern, überzeugt die Auslegung der h. M. nicht vor dem Hintergrund der an Gefahr tragungsvorschriften zu stellenden sachlichen Kriterien. Mit der h. M. zum UN‑ Kaufrecht und der Mindermeinung im deutschen Recht ist zu konstatieren, dass 384 Oetker, JuS 2001, 837, 828. 385 MünchKomm/Westermann, § 447,
Rn. 16. wohl auch Wertenbruch, JuS 2003, 629. 387 Mansel/Stürner, JuS 2006, 610. 388 Insoweit gibt es mangels verschiedener Alternativen an Gefahrtragungsnormen auch keine dem CISG und GEK‑Vorschlag vergleichbare Möglichkeit, die Gefahr zumindest schon mit Bereitstellung am Erfüllungsort übergehen zu lassen, vgl. die Ausführungen oben bei § 9 I. 1.b) sowie § 9 I. 2.b). 389 BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 9. 390 RG 19.09.1919, RGZ 96, 259. 391 Mansel/Stürner, JuS 2006, 610. 386 So
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
Sphärengesichtspunkte gegen die Einbeziehung eigenen Personals sprechen. Denn eine vertragliche Weisungsmöglichkeit gegenüber einer selbstständigen Person ist nicht vergleichbar mit den Einflussmöglichkeiten auf eigenes Personal. Die Ware wurde dann nicht in den Gewahrsam einer selbstständigen dritten Person überführt.
4. Versendungskauf nach der Verbraucherrechte-RL Ohne ausdrückliche Legaldefinition liegt nach Art. 20 Verbraucherrechte-RL ein Versendungkauf „bei Verträgen, bei denen der Unternehmer die Waren an den Verbraucher versendet“ vor. In der Literatur merkte man an, dass der Wortlaut nicht auf eine die Versendung betreffende vertragliche Vereinbarung abstellt, sondern offenbar auf eine faktische Versendung.392 Die Formulierung ist jedoch unproblematisch und die Richtlinie macht den Mitgliedstaaten durch die Regelung des Art. 20 Verbraucherrechte-RL auch keine Vorgaben für die Fälle der faktischen Versendung. Ein solcher Fall wäre der Fernkauf, der aber richtigerweise gerade nicht von der Richtlinie erfasst wird.393 Eine andere Konstellation einer faktischen Versendung ist der wohl äußerst seltene Fall einer eigenmächtigen Versendung. Eine eigenmächtige Versendung sollte grundsätzlich nicht von Gefahrtragungsvorschriften zum Versendungskauf erfasst werden. Haben Verkäufer und Verbraucher vereinbart, dass der Verbraucher die Ware beim Verkäufer abholen soll, versendet dieser die Ware jedoch versehentlich an den Verbraucher und wurde die Ware während der Beförderung zerstört, so könnte man wegen der fehlenden Bezugnahme auf die vertragliche Vereinbarung der Beförderung darüber nachdenken, Art. 20 Verbraucherrechte-RL anzuwenden. Da aber auch dann die Gefahr erst mit Besitzerlangung des Verbrauchers übergehen würde, kann dahinstehen, ob Art. 20 Verbraucherrechte-RL aufgrund seines Wortlauts auch die eigenmächtige Versendung erfasst. Die anderweitig vielfach diskutierte Frage, welche Personen taugliche Beförderer sind, um von einem Versendungskauf auszugehen, wird von Art. 20 Verbraucherrechte-RL nicht beantwortet, was aber auch nicht nötig ist. Die Gefahr geht ohnehin erst nach dem Transport über und in den Sonderfällen des Satz 2 bestimmt gerade der Käufer den Beförderer. Der in der Verbraucherrechte-RL gewählte Begriff des Versendungskaufs löste im deutschen Recht keinen Umsetzungsbedarf aus, d. h. das § 447 BGB zugrundeliegende Verständnis des Versendungskaufs blieb unberührt.
392 So
Zöchling-Jud, AcP 212 (2012), 568. dazu schon oben § 8 II.2.; a. A. wohl Lorenz, AcP 212(2012), S. 828, 829.
393 Siehe
§ 9 Versendungskauf
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II. Gefahrübergang bei Verbraucherkaufverträgen Der Versendungskauf beim B2C‑Geschäft ist im Hinblick auf die Gefahrtragung häufig Gegenstand von Rechtssetzungsvorhaben. Der deutsche Gesetzgeber führte für diese Materie § 474 II 2 BGB a. F. im Zuge der Schuldrechtsreform ein.394 Auch die Verbraucherrechte-RL enthält mit Art. 20 Verbraucherrechte-RL eine Vorschrift, die sich erneut speziell mit dem Gefahrübergang beim Versendungskauf auseinandersetzt.395 Der Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht greift die Thematik des Gefahrübergangs beim Versendungskauf nocheinmal gesondert in Art. 142 IV GEK‑Vorschlag auf.396 Da das UN‑Kaufrecht B2C‑Geschäfte durch Art. 2 lit. a) CISG weitgehend aus seinem Anwendungsbereich ausschließt, ist das CISG nicht in den Vergleich des Zeitpunktes des Gefahrübergangs bei Verbraucherkaufverträgen einzubeziehen.
1. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht a) Grundsatzregelung des Art. 142 I GEK‑Vorschlag Beim Verbraucherkaufvertrag nach dem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht geht die Gefahr gem. Art. 142 I GEK‑Vorschlag erst mit Besitzerlangung über. Zwar enthält Art. 142 IV GEK‑Vorschlag eine Regelung, die speziell den Versendungskauf betrifft. Diese stellt jedoch nur eine teilweise Ausnahme zur grundsätzlichen Regelung des Art. 142 I GEK‑Vorschlag dar, so dass auch für den Versendungskauf im B2C‑Geschäft Art. 142 I GEK‑Vorschlag anzuwenden ist. Der Verbraucher trägt damit die Preisgefahr erst, sobald er oder ein von ihm bezeichneter Dritter die tatsächliche Sachherrschaft an den Waren erlangt hat.397 Das Transportrisiko wird damit dem Verbraucher abgenommen und dem Unternehmer auferlegt. Der GEK‑Vorschlag hält somit auch für den Versendungskauf zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher am Traditionsprinzip fest.
b) Ausnahmeregelung des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag und Korrektur aus Wertungsgesichtspunkten aa) Abstellen auf die Übergabe an den Beförderer Eine Ausnahmeregelung besteht aber gem. Art. 142 IV GEK‑Vorschlag für den Fall, dass der Verbraucher die Versendung selbst veranlasst, ohne dass der Unternehmer diese Möglichkeit angeboten hat. Bestellt also ein deutscher Ver394 Siehe
dazu schon oben § 2 IV. 1.b). dazu schon oben § 7 III.3 und § 8 II.2. 396 Siehe dazu schon oben § 9 I. 1.a)bb). 397 Zur genauen Bedeutung und Auslegung der Besitzerlangung siehe schon oben beim Platzkauf § 7 II.4.b). 395 Siehe
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
braucher für ein großes Familienfest bei seinem Lieblingsweingut in Italien 50 Kartons verschiedener Weine und vereinbaren die Parteien, dass das Weingut die Kartons an ein vom Verbraucher beauftragtes Transportunternehmen übergibt, da das Weingut keine Transportmöglichkeiten anbietet, so soll Art. 142 IV GEK‑Vorschlag Anwendung finden. In diesem Fall erfordert der Gefahrübergang nicht die Übergabe an den Käufer, sondern die Gefahr geht bereits mit der Übergabe an den Beförderer über. Der GEK‑Vorschlag enthält für den Begriff der Übergabe weder eine Definition noch anderweitige Hinweise zur Bestimmung der näheren Anforderungen. Der Gefahrübergang wird auch beim Unternehmerkaufvertrag an die Übergabe an den Beförderer geknüpft, Art. 145 II, III GEK‑Vorschlag. Hierzu wird vertreten, die Übergabe liege vor, wenn die Ware in die Obhut des Beförderers verbracht wird.398 Gründe für eine andere Bedeutung im Bereich des B2C‑Geschäfts lassen sich nicht finden, da die Ausnahmeregelung gerade den Schutz des Verbrauchers bei Vorliegen des Tatbestandes der Ausnahmeregelung minimieren will. Nach dem Änderungsvorschlag des ELI soll die Vorschrift des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag gestrichen werden.399 Dies sollte allerdings nicht zu einem Wegfall der Anordnung führen, dass die Gefahr in den in Art. 142 IV GEK‑ Vorschlag beschriebenen Konstellationen bereits mit Übergabe an den Beförderer vom Käufer zu tragen ist. Denn in den Vorschriften zur Lieferung wurde in Art. 86 II ELI-Änderungsvorschlag eine Regelung aufgenommen, wonach der Verkäufer seine Lieferverpflichtung auch beim Beförderer erfüllen kann („In points (a) and (c) of paragraph 1, any reference to the consumer or the buyer includes […] the carrier where the consumer arranges the carriage of the goods […] and that choice was not offered by the trader“). Indem die für die Regelung des Gefahrübergangs beim Verbraucherkaufvertrag vorgeschlagene Vorschrift für den Zeitpunkt des Gefahrübergangs dann auf die Annahme nach dem Verständnis der Liefervorschriften abstellt, dürfte sich für den Verbraucher hinsichtlich der Gefahrtragung die gleiche Situation wie nach dem jetzigen GEK‑ Vorschlag ergeben.400 Der Verbraucher soll die Gefahr ab dem Zeitpunkt der Annahme durch den von ihm beauftragten Beförderer übernehmen und damit die Transportgefahr tragen. Ein terminologischer Unterschied besteht lediglich, indem nach dem Änderungsvorschlag auf die Annahme („takes delivery“) abgestellt wird, vgl. Art. 99 I ELI-Änderungsvorschlag. Dies bringt zwar verglichen mit einer bloßen Übernahme umfangreichere Pflichten mit sich,401 stellt aber in 398 Schulze/Zoll/Watson, Art. 145,
Rn. 4.
399 Vgl. ELI, Statement CESL S. 91, 247, 248. 400 Die Zweifel resultieren aus der nicht ganz klaren
Bedeutung des Zusatzes „within the meaning of Article 86“; siehe hierzu schon § 7 II.4.c). 401 Die Annahme besteht auch nach dem ELI-Änderungsvorschlag noch aus der Übernahme und den übrigen erforderlichen Handlungen auf Seiten des Käufers, um dem Verkäufer die Lieferung zu ermöglichen, vgl. Art. 95 ELI-Änderungsvorschlag.
§ 9 Versendungskauf
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der Sache kaum einen Unterschied dar. Der Vorteil des Abstellens auf die Annahme besteht im ELI-Änderungsvorschlag allgemein in einer weitgehend vereinheitlichten Terminologie im Rahmen der Gefahrtragungsvorschriften.
bb) Überprüfung der Wertung des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag Aus Wertungsgesichtspunkten scheint die Regelung des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag auf den ersten Blick überzeugend.402 So kann man es durchaus als interessengerecht erachten, den Verkäufer nicht mit der Transportgefahr zu belegen, wenn er auf den ausgewählten Beförderer keinen Einfluss nehmen kann403 oder er sich sonst lediglich auf eine Holschuld eingelassen hätte. Für die Tragung des Transportrisikos durch den Verbraucher statuiert Art. 142 IV GEK‑Vorschlag zwei Bedingungen: Zum einen muss der Verbraucher die Beförderung veranlassen, zum anderen darf der Verkäufer diese Möglichkeit nicht angeboten haben.404 Soweit sich die Literatur mit dieser Norm befasst, wird häufig die Formulierung des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag bezüglich der zweiten Voraussetzung des „fehlenden Anbietens durch den Unternehmer“ kritisiert, da sie zu schweren Wertungswidersprüchen führen würde, falsche Voraussetzungen normiere und daher zweifelsfrei formuliert werden sollte.405 Am obigen Beispielsfall des deutschen Verbrauchers, der bei seinem Lieblingsweingut in Italien Wein bestellt, lässt sich die Kritik an Art. 142 IV GEK‑Vorschlag aufzeigen. Würde das Weingut dem Verbraucher überhaupt keine Möglichkeit des Transports anbieten und der Verbraucher würde die Beförderung wie in obigem Beispielsfall selbst organisieren, so würde die Gefahr eindeutig nach Art. 142 IV GEK‑Vorschlag bereits mit Übergabe an den Beförderer übergehen. Mit dem Wortlaut des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag könnte man jedoch zu einem anderen Ergebnis kommen, wenn im Beispielsfall das italienische Weingut nun dem Verbraucher eine Beförderung durch ein Transportunternehmen, von dem das Weingut häufiger Weinlieferungen befördern lässt, anbietet, der Verbraucher die Beförderung durch die angebotene Möglichkeit jedoch ablehnt und selbst einen Beförderer auswählt und beauftragt. Da Art. 142 IV GEK‑Vorschlag nach seinem Wortlaut nur angewendet werden soll, wenn die Beförderung vom Verkäu402 Bezeichnet als „logical exception“ bei De Wit, in: Claeys/Feltkamp (Hrsg.), The Draft Common European Sales Law: Towards an Alternative Sales Law? A Belgian Perspective, S. 180. 403 Zu diesem Gedanken vgl. v. Bar/Clive, Principles, Definition and Model Rules of European Private Law, DCFR Full Edition Vol 2, S. 1379. 404 Schulze/Zoll/Watson, Art. 142, Rn. 10. 405 Vgl. hierzu Faust, in: Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales europäisches Kaufrecht, S. 273; Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 175, 176, Rn. 37; Lorenz, AcP 212 (2012), S. 829; Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 487; De Wit, in: Claeys/Feltkamp (Hrsg.), The Draft Common European Sales Law: Towards an Alternative Sales Law? A Belgian Perspective, S. 180.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
fer nicht angeboten wird, wäre die Vorschrift hier aufgrund eines Beförderungsangebots des Weinguts gerade nicht anzuwenden, die Gefahr würde dann nach Art. 142 I GEK‑Vorschlag erst nach dem Transport mit Besitzerlangung durch den Verbraucher übergehen. Die Kritik der Literaturstimmen mag begrifflich erscheinen und ein solches Verständnis ist in der Tat abzulehnen. Zu Recht wird angemerkt, dass es sich nicht erschließe, „warum ein Verbraucher, der eine Beförderung der Ware zu sich arrangiert, obgleich der Unternehmer ebenfalls die Möglichkeit einer Beförderung anbietet, weniger schutzwürdig sein soll als der Verbraucher, der dies tun muss, weil der Unternehmer keine Beförderungsmöglichkeit offeriert“.406 Genau diese Wertung nähme aber Art. 142 IV GEK‑Vorschlag vor. Das Abstellen auf ein Angebot des Verkäufers ist nicht zielführend. Wird dem Verbraucher die Beförderung gar nicht angeboten und arrangiert er sie selbst, ist er vielmehr schutzwürdiger als ein Verbraucher, dem ein Transport angeboten wird, der ihn aber trotz angebotener Möglichkeit anderweitig selbst arrangiert.407 Einem Verkäufer müsste bei derartigem Verständnis geraten werden, auf keinen Fall Transportmöglichkeiten anzubieten, da er bei anderweitiger Beförderungsorganisation durch den Käufer jeweils die Transportgefahr trüge, obwohl der Verkäufer gerade keine Möglichkeit hatte, einen sorgfältigen Beförderer auszuwählen.408 Das sachgerechte Ergebnis muss daher lauten, dass der Verkäufer nur dann die Transportgefahr trägt, wenn der Käufer die vom Verkäufer vorgeschlagene Transportmöglichkeit annimmt. Bietet der Verkäufer nichts an oder organisiert der Verbraucher anderweitig eine Beförderung, so sollte Art. 142 IV GEK‑Vorschlag greifen und der Verbraucher die Gefahr tragen. Anders sollte man die Konstellation lösen, in der ein Verbraucher sich an die vom Verkäufer angebotenen Möglichkeiten hält, aber die Beauftragung des Beförderers selbst vornimmt. Der Verbraucher ist schutzwürdiger als derjenige, der von einem Angebot der Beförderung durch den Verkäufer abweicht und eine eigene Entscheidung bezüglich des Beförderers trifft. Der Verbraucher ist hier vom Vorschlag des Verkäufers beeinflusst. Es kann als bloße Förmlichkeit verstanden werden, wer den Auftrag für die Beförderung erteilt. Schließlich wäre auch bei Beauftragung durch den Verkäufer eine Kostentragung durch den Verbraucher denkbar. Der Verbraucher bedient sich nun eines Beförderers, den er nicht unabhängig ausgewählt hat. Vielmehr hat er sich bei der Auswahl des Beförderers auf die Expertise des in diesen Dingen erfahreneren Verkäufers verlassen. Die Konstellation ist daher so zu verstehen, dass der Verbraucher zwar die Beförderung selbst veranlasst hat, diese Möglichkeit hier aber vom Verkäufer 406 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 487. 407 Faust, in: Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales
europäisches Kaufrecht, S. 273; Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 175, 176, Rn. 37. 408 De Wit, in: Claeys/Feltkamp (Hrsg.), The Draft Common European Sales Law: Towards an Alternative Sales Law? A Belgian Perspective, S. 180.
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auch angeboten wurde. Der Tatbestand des Ausnahmetatbestands Art. 142 IV GEK‑Vorschlag ist nicht erfüllt, so dass der Verbraucher die Preisgefahr erst mit Besitzerlangung gem. Art. 142 I GEK‑Vorschlag trägt.
cc) Lösung des angeblichen Wertungswiderspruchs durch Auslegung Die Bewertung der Intention des Verordnungsgebers, den Verbraucher in bestimmten Fällen des Versendungskaufs mit der Transportgefahr zu belasten, kann zunächst dahingestellt bleiben. Es gilt zunächst, den angeblichen Wertungswiderspruch innerhalb der Ausnahmevorschrift zu beseitigen. Möglicherweise lässt sich der Wertungswiderspruch durch Auslegung lösen. Man könnte diesen Wertungswiderspruch im Wortlaut durch eine entsprechende Auslegung des Wörtchens „diese“ (engl. Fassung: „that“) in Art. 142 IV GEK‑Vorschlag umgehen. „Diese Möglichkeit“ (engl. Fassung: „that choice“) müsste man dann als „genau diese Möglichkeit“ lesen. Hierunter wären dann beispielsweise die Art der Beförderung und die Person des Beförderers zu verstehen. Hat der Verkäufer eine bestimmte Möglichkeit angeboten, arrangiert der Verbraucher den Transport aber selbst, etwa mit einem anderen Transportmittel oder einem anderen Anbieter der Beförderungsleistung, und hat er dementsprechend nicht genau die vom Verkäufer angebotene Möglichkeit angenommen, so geht die Gefahr trotz eines prinzipiell vorliegenden Beförderungsangebots seitens des Verkäufers gem. Art. 142 IV GEK‑Vorschlag bereits mit Übergabe an die Transportperson über. Der Verbraucher ist nicht schutzwürdig, da er den Transport trotz entsprechender Angebote seitens des Verkäufers selbst organisiert hat. Entgegen dem von Faust kritisierten Verständnis trägt der Verbraucher nun trotz eines prinzipiell vorliegenden Angebots das Transportrisiko. Ein solches Verständnis scheint folgerichtig. Denn wählt der Verbraucher das Angebot, hat er den Transport nicht selbst veranlasst. Die Gefahr bleibt beim Verkäufer. Veranlasst der Verbraucher einen anderweitigen Transport selbst, so wurde ihm diese konkrete Möglichkeit nicht angeboten, so dass er die Transportgefahr zu tragen hat. Aus Wertungsgesichtspunkten ist es nicht problematisch, dass ein Verbraucher, dem keine Transportmöglichkeit angeboten wird und der deshalb den Transport selbst organisiert, bereits mit Übergabe an den Beförderer die Gefahr trägt. Nicht überzeugend ist aber, dass ein Verbraucher, dem auch eine Möglichkeit des Transports angeboten wird, der sich aber nicht für die angebotene Lösung entscheidet, sondern einen anderweitigen Transport bevorzugt, in den Vorteil des späten Gefahrübergangs kommt. In diesem Fall muss der Verbraucher aus Gerechtigkeitserwägungen die Transportgefahr tragen. Geht man aber entsprechend der hier vorgeschlagenen Auslegung davon aus, dass diesem Verbraucher die von ihm veranlasste Möglichkeit nicht angeboten worden ist, so trägt er auch die Gefahr auf dem Transport. Durch ein Verständnis der Vorschrift im eben beschriebenen Sinne sind dann alle Verbrau-
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
cher gleichgestellt, die eine Beförderung selbst arrangieren, unter unabhängiger Auswahl des Beförderers (Gefahrübergang bereits mit Übergabe an den Beförderer). Auf das an sich wertungsneutrale Unterscheidungsmerkmal, ob der Verkäufer irgendeine Möglichkeit angeboten hat, käme es für den Gefahrübergang nicht an, wenn diese Möglichkeit nicht ergriffen wurde. Der die Beförderung ohne Rückgriff auf das Angebot des Unternehmers selbst arrangierende Verbraucher lässt sich auf eine Abwicklung ein, die der Holschuld vergleichbar ist, so dass die Tragung des Transportrisikos sachgerecht erscheint. Der im Wortlaut bestehende Wertungswiderspruch wird auch im ELI-Änderungsvorschlag nicht beseitigt, vgl. Art. 86 II, 99 I ELI-Änderungsvorschlag.409
c) Relevanz des Konkretisierungserfordernisses beim Versendungskauf mit einem Verbraucher Im Rahmen der Vorschriften zur Gefahrtragung hat man das Konkretisierungserfordernis der Ware als Voraussetzung für den Gefahrübergang vor die Klammer gezogen, indem man es in Art. 141 GEK‑Vorschlag in den allgemeinen Bestimmungen normiert hat. Beim Versendungskauf zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher erlangt dies aber nur teilweise praktische Relevanz. Soweit sich der Gefahrübergang nach Art. 142 I GEK‑Vorschlag mit Erlangung des Besitzes durch den Verbraucher vollzieht, kommt dem Konkretisierungserfordernis, wie auch bei Platz- und Fernkauf, nur eine sehr geringe Bedeutung zu. Denn sobald der Verbraucher die tatsächliche Sachherrschaft an der Ware erhält, liegt regelmäßig auch eine Konkretisierung i. S. d. Art. 141 GEK‑Vorschlag vor. Art. 141 GEK‑Vorschlag wirkt sich dann nicht auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs aus. Auch bei einem der Vorschrift des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag unterfallenden Versendungsgeschäft mit vom Verbraucher veranlasster Beförderung ist das Konkretisierungserfordernis in aller Regel unproblematisch. Zwar erlangt Art. 141 GEK‑Vorschlag im Allgemeinen bei Versendungskäufen größere Bedeutung, da der Gefahrübergang bereits mit Übergabe an die Transportperson stattfindet.410 Denn gem. Art. 141 GEK‑Vorschlag kann der Gefahrübergang nicht stattfinden, bevor die Ware nicht eindeutig als diejenige identifiziert ist, die nach dem Vertrag zu liefern ist. Ist die Ware also noch nicht einem konkreten Vertrag zugeordnet, verlagert Art. 141 GEK‑Vorschlag den Zeitpunkt des Gefahrübergangs zeitlich so weit nach hinten, bis die Konkretisierung erfolgt ist, notfalls bis zur Konkretisierung durch Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft. Bei der vom Käufer selbst veranlassten Versendung ist die vom Transporteur übernommene Ware aber in aller Regel gerade dem Vertrag des Käufers zugeordnet, der diesen Transport hierfür veranlasst hat. Lediglich in exotisch erscheinenden Fällen einer von meh409 Vgl.
ELI, Statement CESL S. 86, 91, 235, 247. Rn. 3.
410 Schulze/Zoll/Watson, Art. 141,
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reren Verbrauchern selbstorganisierten Sammelladung gleichartiger Ware kann es vorkommen, dass die dem einzelnen Verbraucher zugewiesene Ware noch nicht identifiziert ist.411 Ist die beschädigte Teilladung der Sammelladung noch nicht dem konkreten Käufer zuzuordnen, kann ein Gefahrübergang zum Zeitpunkt des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag ausgeschlossen werden. Für die bereits diskutierten Fälle vermischten oder vermengten Massenguts412 sollten allerdings auch bei Verbraucherverträgen die gleichen Grundsätze gelten wie beim Unternehmervertrag, d. h. es sollte als Konkretisierung eine Grobausscheidung mit Übernahme des Massenguts durch den Beförderer ausreichen und im Falle eines teilweisen Untergangs oder einer teilweisen Beschädigung zur anteiligen Belastung der Käufer kommen.413 Der den Transport selbst organisierende Käufer weiß um die Modalitäten des Transports und ist insofern nicht schutzwürdig.
2. Risikoübergang nach der Verbraucherrechte-RL a) Zeitpunkt des Gefahrübergangs aa) Grundsatz und Ausnahme Mit Art. 20 Verbraucherrechte-RL enthält die einzige Gefahrtragungsnorm der Richtlinie Regelungen für den Versendungskauf.414 Nach der Verbraucherrechte-RL geht die Gefahr beim Versendungskauf auf den Käufer erst über, wenn er oder eine beauftragte Person an der Sache Besitz erlangt, Art. 20 S. 1 Verbraucherrechte-RL. Eine Ausnahme gilt, wenn die Option der Beförderung nicht vom Verkäufer angeboten wurde und der Käufer einen Beförderer beauftragt hat. Dann geht die Gefahr im Zeitpunkt der Übergabe an die Beförderungsperson über, Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL. Die Ausnahme für den Fall einer Beauftragung des Beförderers durch den Verbraucher fand sich im ursprünglichen Entwurf für die RL noch nicht, findet sich jedoch – wie eben besprochen – beinahe wortgleich in Art. 142 IV GEK‑Vorschlag. Auch in der Richtlinie überzeugt der Wortlaut dieser Ausnahmeregelung nicht und könnte daher bei streng begrifflicher Auslegung zu missverständlichen Wertungswidersprüchen führen, die jedoch ebenso durch Auslegung zu lösen sind.415
bb) Terminologie Gerade im Rahmen der Verbraucherrechte-RL ist nun verwunderlich, dass der europäische Gesetzgeber in den zwei Sätzen des Art. 20 Verbraucherrechte-RL zwei unterschiedliche Begriffe verwendet, indem er in Satz 1 auf die Inbesitz411 Schulze/Zoll/Watson, Art. 141,
Rn. 3. dazu oben § 8 I. 4. 413 Vgl. hierzu schon zum UN‑Kaufrecht § 8 I. 4 und zum GEK‑Vorschlag § 8 III.2.f). 414 Siehe oben § 9 I. 4. 415 Vgl. hierzu schon die Erörterung im Rahmen des GEK‑Vorschlags bei § 9 II.1.b). 412 Vgl.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
nahme durch den Verbraucher abstellt und in Satz 2 auf die Übergabe an den Beförderer. Auch insofern ergibt sich der gleiche Befund zu Art. 142 I, IV GEK‑ Vorschlag416, doch findet sich in der Richtlinie die abweichende Terminologie direkt im nächsten Satz. Man könnte geneigt sein, eine andere Bedeutung anzunehmen. Eine grundsätzlich andere Bedeutung und damit eine Rechtfertigung der unterschiedlichen Terminologie lässt sich jedoch nicht finden. Da auch der GEK‑Vorschlag die Terminologie der Besitzerlangung verwendet, sollte man davon ausgehen können, dass die Bedeutung der Begriffe deckungsgleich ist. Dann ist unter der Besitzerlangung auch in der Richtlinie die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft zu verstehen. Zur Verwirrung für den Rechtsanwender trägt bei, dass in Art. 18 I Verbraucherrechte-RL, der die Lieferung zum Gegenstand hat, wiederum andere Begrifflichkeiten verwendet werden. Dort ist die Rede vom „physischen Besitz an den Waren“ oder der „Kontrolle über die Waren“. Man sollte demnach erwarten dürfen, dass der bloße „Besitz“ in Art. 20 S. 1 Verbraucherrechte-RL weitergehend ist als der „physische Besitz“ und es somit auch nach der Richtlinie andere Besitzformen als den physischen Besitz gibt. Die Erlangung eines anderweitigen Besitzes als des physischen Besitzes wäre dann für den Übergang der Gefahr ausreichend. Man könnte nun annehmen, dass es sich hierbei um Besitzformen handelt, bei denen der Käufer zwar noch nicht die tatsächliche Gewalt innehat, wohl aber bereits in die Lage versetzt wurde, die Gewalt über die Sache auszuüben. Ein solcher Sachverhalt soll aber unter den Begriff der „Kontrolle über die Waren“ fallen. Erwägungsgrund 51 konkretisiert diesen Begriff. Danach soll der Verbraucher die Kontrolle über die Waren haben, wenn er Zugang zu den Waren zum Zweck der Nutzung als Eigentümer oder die Möglichkeit zur Weiterveräußerung hat, wobei explizit die Beispiele des Erhalts eines Schlüssels oder der Besitz der Eigentumsdokumente genannt werden. Aus diesen Erläuterungen ließen sich verschiedene Schlüsse ziehen. Man könnte davon ausgehen, dass der in Art. 20 S. 1 Verbraucherrechte-RL angesprochene Besitz weder den physischen Besitz noch die Erlangung der Kontrolle bedeutet. Es könnte aber auch erwogen werden, die beiden in Art. 18 Verbraucherrechte-RL angesprochenen Formen des Besitzes als Untergruppen zu sehen, die der in Art. 20 S. 1 Verbraucherrechte-RL verwendete Begriff des Besitzes mitumfasst. Der Besitz wäre dann als Oberbegriff für den physischen Besitz und die Erlangung der Kontrolle zu sehen. Beim Blick in die englische Sprachfassung zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Hier wird sowohl in Art. 18 Verbraucherrechte-RL, als auch in Art. 20 Verbraucherrechte-RL auf „physical possession“ abgestellt. Hiernach gibt es also keine Unterscheidung zwischen „Besitz“ und „physischem Besitz“. Ein Verständnis des „Besitzes“ als Oberbegriff kann damit ausgeschlossen werden. Es liegt daher das Verständnis nahe, 416 Dazu
schon oben § 9 II.1.b)aa).
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den Gefahrübergang erst dann als bewirkt i. S. d. Art. 20 Verbraucherrechte-RL anzusehen, wenn der Verbraucher die tatsächliche Gewalt über die Ware innehat. Unmittelbare Erläuterungen zur Gefahrtragungsregel des Art. 20 Verbraucherrechte-RL finden sich in Erwägungsgrund 55. Hier versucht der Richtliniengeber die Begrifflichkeit der Inbesitznahme näher zu bestimmen. Der Verbraucher soll demnach in den Besitz der Waren gelangt sein, wenn er sie erhalten hat. Für die konkrete Bestimmung der Voraussetzungen der Inbesitznahme ist eine solche Definition kaum hilfreich, da sich nun die Frage stellt, wann von einem Erhalt auszugehen ist. Die Problematik der fehlenden exakten Begriffsbestimmung wird dadurch entschärft, dass der Normtext ausdrücklich auch einem vom Verbraucher benannten Dritten ausreichen lässt, der die Waren erhält. Die Frage, wie im Fall der Inbesitznahme durch Dritte zu verfahren ist, also die Behandlung von Rechtsinstituten wie Besitzdienerschaft oder eines antizipierte Besitzkonstituts, stellt sich damit nicht. Da aber die Einbeziehung von Dritten hier explizit angesprochen ist, bleibt es wiederum fraglich, auf welche anderen Besitzformen als den physischen Besitz sich die Verbraucherrechte-RL in Art. 20 S. 1 noch beziehen könnte.
b) Folgen des fehlenden Konkretisierungserfordernisses Die Richtlinie bestimmt kein Konkretisierungserfordernis als Voraussetzung für den Gefahrübergang. Das sollte auch kein Problem sein, soweit die Gefahr erst mit Besitzerlangung des Käufers übergeht, da dann regelmäßig Konkretisierung bereits zu bejahen ist. Auch für den Fall, dass der Verbraucher den Beförderer beauftragt, ohne dass diese Option vom Verkäufer angeboten wurde, und die Gefahr damit gem. Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL mit Übergabe an den Beförderer übergeht, ergeben sich in der Regel keine Probleme.417 Für die zugegeben seltenen Fälle der vom Verbraucher selbst organisierten Versendung von Sammelladungen und Massengut, in denen das Konkretisierungserfordernis Bedeutung erlangt, muss jedoch die Frage gestellt werden, wie sich die fehlende Anordnung eines Konkretisierungserfordernisses auswirken soll. Denn versendet der Verkäufer an mehrere Käufer zunächst gemeinsam auf Veranlassung dieser Käufer, so kann bei Teilbeschädigung der Gesamtladung die beschädigte Teilladung keinem Vertrag zugeordnet werden. Das Konkretisierungserfordernis war auch in der Entwurfsregelung des damaligen Art. 23 nicht enthalten. Es ließe sich darüber nachdenken, ob eine Richtlinie eine derart detaillierte Regelung überhaupt erfordert, da sie ohnehin erst noch in nationales Recht umzusetzen ist. Allerdings wird gem. Art. 4 Verbraucherrechte-RL aber gerade der Ansatz der Vollharmonisierung verfolgt, 417 Siehe
oben zum GEK‑Vorschlag § 9 II.1.c).
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
so dass auch für den Verbraucher günstigere Regelungen nicht möglich sind. Daher lässt sich die Frage aufwerfen, ob nicht aus der Tatsache der Nichtregelung der Konkretisierung im Umkehrschluss positiv geregelt ist, dass die Konkretisierung der Ware gerade keine Voraussetzung für den Gefahrübergang sein soll. Man könnte erwägen, ein Konkretisierungserfordernis, gerade für den Fall der hier in Rede stehenden Versendungen von Massengut oder Sammelladungen, beim Gefahrübergang gem. Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL als verbraucherschützende Norm aufzufassen. Denn durch das Konkretisierungserfordernis ginge die Gefahr bei nicht zugeordneten Sammelladungen noch nicht mit Übergabe an die Transportperson über, sondern erst durch Ausgliederung der für den jeweiligen Verbraucher bestimmten Teilladung aus der Gesamtladung. Das Konkretisierungserfordernis begünstigt also den Verbraucher in diesen Fällen. Nach dem Ansatz der Vollharmonisierung dürften die Mitgliedstaaten bei derartigem Verständnis keine Regelungen enthalten, nach denen die Gefahr beim Versendungskauf zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher erst mit Konkretisierung übergeht. Ob man nun aber wirklich aus der Nichtregelung der Konkretisierung innerhalb der Richtlinie positiv den Schluss ziehen kann, dass die Gefahr auch ohne eine entsprechende Identifizierung der Ware überzugehen hat, ist stark zu bezweifeln. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Richtlinie zu nicht geregelten Fragen keine bestimmten Erfordernisse aufstellt. Eine solche Interpretation aus dem Umkehrschluss der Nichtregelung scheint dem Gedanken des Gesetzgebers zuwiderzulaufen, lediglich die geregelten Fragen in den Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Zudem ist der Zweck des Konkretisierungserfordernisses nicht die Besser- oder Schlechterstellung des Verbrauchers, sondern die Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten. Daher ist nicht davon auszugehen, dass der Richtliniengeber im Umkehrschluss positiv festsetzen wollte, eine Konkretisierung dürfe nicht Voraussetzung des Gefahrübergangs sein. Eine Lösung kann entweder über eine europarechtliche Auslegung erfolgen oder der europäische Gesetzgeber hat die Klärung und Entscheidung dieser Frage dem nationalen Gesetzgeber überlassen, was rein hypothetisch ein unterschiedliches Verbraucherschutzniveau zur Folge haben könnte. Insofern ist eine europarechtliche Auslegung eindeutig zu favorisieren. Jedoch gilt die Voraussetzung der Zuordnung zu einem konkreten Vertrag in allen europäischen Rechtssystemen und Rechtsordnungen,418 so dass ein Harmonisierungsbedarf nach der Richtlinie nicht erforderlich ist und eine rechtsvergleichende europarechtliche Auslegung ohnehin die Anwendung dieses Grundsatzes ergeben würde.
418 Vgl. hierzu die umfassenden Nachweise bei v. Bar/Clive, Principles, Definition and Model Rules of European Private Law, DCFR Full Edition Vol 2, S. 1376.
§ 9 Versendungskauf
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3. Deutsches Recht a) Zeitpunkt des Gefahrübergangs Mit § 447 BGB findet sich im deutschen Recht eine Gefahrtragungsregel speziell für den Versendungskauf. Beim Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufs sind jedoch die hierfür im Zuge der Schuldrechtsreform eingefügten und durch Umsetzung der Verbraucherrechte-RL geänderten Sondervorschriften der §§ 474 ff. BGB zu beachten. Das deutsche Recht wendet beim Vorliegen der Voraussetzungen des Verbrauchsgüterkaufs, § 474 I 1 BGB, die Regelung des § 447 BGB über den Versendungskauf grundsätzlich nicht an, vgl. §§ 475 II („nur dann“), 475 III 2 BGB. Insofern ergibt sich keine Veränderung der Rechtslage durch die Umsetzung der Verbraucherrechte-RL, da schon nach § 474 II 2 BGB a. F. die Vorschrift des § 447 BGB auf Verbrauchergeschäfte nicht anzuwenden war. Eine Anwendung des § 447 BGB kommt nun gem. § 475 II BGB nur dann in Betracht, wenn die in Umsetzung der Verbraucherrechte-RL eingefügten Ausnahmevoraussetzungen des § 475 II BGB vorliegen. Liegen diese nicht vor, vollzieht sich der Übergang der Preisgefahr nach der Grundregel des § 446 S. 1 BGB mit der Übergabe der verkauften Sache an den Verbraucher. Damit wird ein zeitlich früherer Gefahrübergang bereits bei Übergabe an den Beförderer und die Tragung des Transportrisikos durch den Verbraucher vermieden.
b) Die Umsetzung des Art. 20 Verbraucherrechte-RL in § 474 IV BGB a. F. (§ 475 II BGB n. F.) Eine Ausnahme, entsprechend Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL, dass der Verbraucher im Falle der vom Käufer verlangten Versendung die Gefahr schon mit Übergabe an die Transportperson trägt, kannte das deutsche Recht nicht. Nach der bisherigen Rechtslage ging die Gefahr gem. § 446 S. 1 BGB auch in einem solchen Falle erst mit Übergabe der Ware an den Verbraucher über.419 Eine Übergabe an den Beförderer hätte nur dann ausgereicht, wenn man hier einen Platzkauf mit einer Holschuld für den Verbraucher angenommen hätte, nicht hingegen bei Annahme eines Versendungskaufs. Platzkauf und Versendungskauf sind bei vom Käufer veranlasster Abholung durch einen Beförderer natürlich schwierig auseinanderzuhalten.420 Entscheidend ist aber die konkret auszulegende Parteivereinbarung. Ein Versendungskauf ist durch die Schickschuld vom Platzkauf abzugrenzen. Für die Schickschuld ist nicht entscheidend, wer den Beförderungsvertrag abgeschlossen hat, sondern vielmehr die Leistungshandlung kennzeichnend, die mit Übergabe an die Transportperson erfüllt wird.421 419 Schwab/Giesemann, EuZW 2012, 256. 420 Vgl. hierzu oben die Ausführungen zur 421 MünchKomm/Krüger,
Typenbildung und Abgrenzung § 6 II.3. § 269, Rn. 7; vgl. zum CISG oben § 9 I. 2.c).
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie422 hat der Gesetzgeber Änderungen im Bereich des Gefahrübergangs beim Verbrauchsgüterkauf vorgenommen. In § 475 II BGB wird normiert, dass § 447 I BGB beim Verbrauchsgüterkaufvertrag nur dann Anwendung findet, „wenn der Käufer den Spediteur, den Frachtführer oder die sonst zur Ausführung der Versendung bestimmte Person oder Anstalt mit der Ausführung beauftragt hat und der Unternehmer dem Käufer diese Person oder Anstalt nicht zuvor benannt hat“. Die neue Vorschrift orientiert sich damit zwar an den Wertungen des Art. 20 Verbraucherrechte-RL, übernimmt den Wortlaut des Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL aber nicht exakt. Etwas ungenau ist leider die Formulierung, dass „die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung nur dann auf den Käufer übergeht“. Exakter wäre die Formulierung, dass „die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung nur dann zu dem dort bestimmten Zeitpunkt auf den Käufer übergeht“423. Hierdurch würde klargestellt, dass die Voraussetzungen des § 475 II BGB, die Beauftragung des Beförderers durch den Käufer und die Nichtbenennung dieser Person durch den Verkäufer, keine generellen Voraussetzungen für den Gefahrübergang als solchen, sondern nur für den in § 447 I BGB vorgesehen Gefahrübergang sind. Die Neuregelung stellt nicht wörtlich auf die angebotene Option zur Beförderung ab, sondern verlangt, dass der Verkäufer diese Person des Beförderers „nicht benannt“ hat. Damit ist der Wortlaut der deutschen Neuregelung enger als in der Richtlinie. Nach § 475 II BGB trägt der Verbraucher das Transportrisiko, wenn er einen Beförderer beauftragt hat, er zu diesem Beförderer aber keine Empfehlung vom Verkäufer erhalten hat, er ihn also in vollständiger Eigenregie ausgesucht hat. Die deutsche Regelung ist deshalb ausdrücklich zu begrüßen, da sie das nach dem Wortlaut möglicherweise anzunehmende wertungswidersprüchliche Verständnis424 der Richtlinie relativiert. Hat der Verbraucher einen Beförderer beauftragt, kommt es nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 475 II BGB für die Tragung der Transportgefahr nicht darauf an, ob vom Verkäufer in irgendeiner Form auch eine Option zur Beförderung angeboten wurde, sondern ob die konkrete Person „benannt“ wurde. Es ist richtigerweise darauf abzustellen, ob der Verbraucher sich an dieser benannten Option dergestalt orientiert, indem er den Beförderer unter Rückgriff auf den vom Verkäufer gemachten Vorschlag auswählt. Entscheidet er sich für diesen empfohlenen Beförderer, so findet der Transport auf Gefahr des Verkäufers statt.425 Es ist konsequent, diese 422 Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.09.2013 (BGBl. I S. 3642) m. W. v. 13.06.2014. 423 Kursivsetzung als Hervorhebung durch den Verfasser. 424 Siehe hierzu oben § 9 II.2.a)aa) sowie § 9 II.1.b)bb). 425 Siehe zur Wertung und Auslegung im GEK‑Vorschlag oben § 9 II.1.b)bb) und § 9 II.1.b) cc).
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Konstellationen genauso zu behandeln, wie den Fall, in dem der Verkäufer den Beförderer selbst beauftragt. Denn dann reist die Ware ohnehin auf Gefahr des Verkäufers. Nach §§ 475 II, 447 BGB trägt der Verbraucher also immer dann die Gefahr, wenn er einen Beförderer beauftragt, der ihm nicht vom Verkäufer empfohlen wurde. Dies überzeugt wertungsmäßig.426 Diese Umsetzung ist dann nach der m. E. für Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL notwendigen Auslegung427 richtlinienkonform.
c) Abdingbarkeit der Regelungen Zu klären bleibt, inwiefern Unternehmer und Verbraucher Vereinbarungen zum Gefahrübergang beim Versendungsgeschäft treffen können und damit den Zeitpunkt des Gefahrübergangs entsprechend ihrer konkreten Bedürfnisse festlegen können. Um dies zu beurteilen, ist zunächst die Diskussion und Argumentation vor Umsetzung der Verbraucherrechter-RL entscheidend, um die durch die Richtlinie vorgesehenen Veränderungen einzuordnen.
aa) Rechtslage vor der Umsetzung der Verbraucherrechte-RL Zur Rechtslage vor der Umsetzung der Verbraucherrechte-RL ist umstritten, ob nicht § 474 II 2 BGB a. F.428 selbst abdingbar ist und daher eine von § 446 S. 1 BGB abweichende Regelung oder gar eine § 447 BGB entsprechende Regelung vereinbart werden kann. Ob § 474 II 2 BGB a. F. abdingbar ist, ist eine Frage der Interpretation des § 475 I BGB a. F. (§ 476 I BGB n. F.), wonach von gewissen Bestimmungen des Verbrauchsgüterkaufs nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf. Sieht man die Regelung des § 474 II 2 BGB a. F. als dispositiv an, kann man eine dem § 447 BGB entsprechende Regelung auch beim Verbrauchsgüterkauf vereinbaren, der Verbraucher könnte aufgrund der Parteivereinbarung die Preisgefahr ab der Übergabe an die Transportperson tragen.429 Für die Zulässigkeit einer von § 474 II 2 BGB a. F. abweichenden Vereinbarung und damit einer der Regelung des § 447 BGB entsprechenden Vereinbarung für den Verbrauchsgüterkauf spricht die Nichtregelung der Ge426 Vgl. die Ausführungen bei § 9 II.1.b)bb). 427 Siehe hierzu bei § 9 II.1.b)cc). 428 In
der Fassung vom 16.12.2008 bis zum 12.06.2014; die Regelung ist nun in § 475 III 2 BGB enthalten. 429 So MünchKomm/St. Lorenz, § 475, Rn. 5; Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. XXXIV; BeckOK BGB/Faust, § 475, Rn. 5; Oechsler, LMK 2003, 204 f.; Lorenz, ZGS 2003, 423; ders., JuS 2004, 105, 106 f.; Palandt/Weidenkaff, § 474, Rn. 13; Lettl, JuS 2004, 318; Leible, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter Europäischem Einfluss, S. 403 ff., Rn. 145; a. A. Reinicke/Tiedtke, Rn. 734; Das neue Schuldrecht/Haas, Kap. 5, Rn. 452; Oetker/Maultzsch, S. 211; Staudinger/Matusche-Beckmann, § 475, Rn. 9; Soergel/Wertenbruch, § 475, Rn. 61; NomosKommentar/Büdenbender, BGB Schuldrecht/1, § 474, Rn. 23; auch BGH 16.07.2003, NJW 2003, 3341 ging – freilich nur in einem obiter dictum – vom zwingenden Charakter der Regelung aus; später aber BGH 06.11.2013, NJW 2014, 455.
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fahrtragung in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und die damit fehlende Notwendigkeit, diese Anordnung zwingend auszugestalten. Es lässt sich anführen, der deutsche Gesetzgeber wollte nur den Vorschriften zwingenden Charakter zukommen lassen, für welche die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dies bestimmte.430 Art. 7 I Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der durch § 475 I BGB a. F. (§ 476 I BGB n. F.) umgesetzt werden sollte, stellt nur auf die in dieser Richtlinie dem Verbraucher gewährten Rechte ab. Da die Gefahrtragung nicht Regelungsgegenstand der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist, lässt sich eine Abdingbarkeit annehmen. Weiterhin argumentiert man mit der fehlenden Auflistung des § 446 BGB in § 475 I BGB a. F. (§ 476 I BGB n. F.), weshalb die Geltung des § 446 BGB beim Verbrauchsgüterkauf abdingbar sei.431 Wer vom zwingenden Charakter des § 474 II 2 BGB a. F. ausgeht, argumentiert mit dem Wortlaut des § 475 I BGB a. F. (§ 476 I BGB n. F.). Dort wird auf die „Vorschriften dieses Untertitels“ Bezug genommen, von denen nicht abgewichen werden darf. § 474 II 2 BGB a. F. stellt eben eine Vorschrift des Untertitels 3 – Verbrauchsgüterkauf – dar.432 In AGB ist die Abbedingung des § 474 II 2 BGB a. F. und die Vereinbarung einer § 447 BGB vergleichbaren Regelung nach einhelliger Auffassung jedenfalls gem. § 307 II Nr. 1 BGB unwirksam, da § 474 II 2 BGB a. F. eine Leitbildfunktion hinsichtlich des Ausschlusses des § 447 BGB bei Verbrauchsgüterkäufen zukommt.433
bb) Eigene Stellungnahme zum Charakter des § 474 II 2 BGB a. F. (§ 475 III 2 BGB n. F.) Für den zwingenden Charakter spricht insofern, dass § 474 II 2 BGB a. F. (§ 475 III 2 BGB n. F.) eine „Vorschrift dieses Untertitels“ ist. Also kann hiervon nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden, § 475 I BGB a. F. § 474 II 2 BGB a. F. enthält letztlich die Regelung, dass die Gefahr beim Versendungskauf erst mit Übergabe an den Verbraucher übergeht. Da es für den Verbraucher ein Nachteil wäre, wenn er nun die Gefahr bereits mit Übergabe an die Transportperson tragen müsste, dürfte von § 474 II 2 BGB a. F. nicht abgewichen werden. Dies dürfte erst erfolgen, wenn der Verbraucher die Sache beschädigt erhält – da nun bereits der Gefahrübergang stattfand, kann man die Sache auch als mangelhaft bezeichnen – und der Unternehmer nun eine Verein430 RegE, BT‑Drucks 14/6040 S. 244; BeckOK BGB/Faust, § 475, Rn. 5; Oechsler, LMK 2003, 204; MünchKomm/St. Lorenz, § 475, Rn. 5. 431 BeckOK BGB/Faust, § 475, Rn. 5; bezüglich dieses Arguments anderer Auffassung MünchKomm/St. Lorenz, § 475, Rn. 5. 432 Staudinger/Matusche-Beckmann, § 475, Rn. 9; Palandt/Weidenkaff, § 474, Rn. 13. 433 Vgl. nur MünchKomm/St. Lorenz, § 475, Rn. 5; BeckOK BGB/Faust, § 475, Rn. 5; Palandt/Weidenkaff, § 474, Rn. 10; außerdem mit dem Hinweis, dass eine in AGB enthaltene dem § 447 BGB entsprechende Klausel gegen § 4 Nr 11 UWG i. V. m. §§ 474 Abs 2, 447 verstößt, wenn sie gegenüber Verbrauchern verwandt wird, vgl. Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 73.
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barung vorlegt, der Verbraucher möge doch bereits mit Übergabe an die Transportperson die Gefahr tragen. Darauf wird sich der vernünftige Verbraucher jedoch kaum einlassen. Für die andere Meinung spricht jedoch folgendes: § 475 I BGB a. F. (§ 476 I BGB n. F.) spricht von dem Zeitpunkt „vor Mitteilung eines Mangels“. Ein Mangel liegt jedoch gem. § 434 I BGB erst bei einer Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit „bei Gefahrübergang“ vor. Haben die Parteien bei Abschluss des Vertrages vereinbart, dass die Gefahr bereits mit Übergabe an die Transportperson übergehen soll, und wird die Sache dann auf dem Transport beschädigt, so kann gar nicht mehr von einem Mangel i. S. d. Kaufrechts die Rede sein. Denn die Abweichung in der Beschaffenheit der Sache trat erst nach dem (vereinbarten) Gefahrübergang auf. Da Mangelhaftigkeit nun nicht gegeben ist, greift § 475 I BGB a. F. nicht ein. Abweichende Vereinbarungen von § 474 II 2 BGB a. F. sind dann als zulässig zu betrachten. Natürlich stellt eine solche Argumentation in gewisser Weise einen circulus vitiosus dar. Denn ist die Gefahrtragungsvereinbarung unwirksam und geht die Gefahr dann erst mit Übergabe an den Käufer über, so erweist sich eine auf dem Transport beschädigte Sache als mangelhaft. § 475 I BGB a. F. bezieht m. E. deutlich auf die Vorschriften zur Mangelhaftigkeit der Kaufsache, die Gewährleistungsvorschriften. Eine – zumindest später auftretende – Mangelhaftigkeit i. S. d. § 434 I BGB sollte daher Voraussetzung für die Anwendung des § 475 I BGB a. F. sein. Eine Materie wie die Gefahrtragung, welche durch die Festlegung eines Zeitpunkts erst Voraussetzung für die Beurteilung einer Sache als mangelhaft ist, scheint daher nicht in den Kontext des § 475 I BGB a. F. zu passen. Eine Abdingbarkeit des § 474 II 2 BGB a. F. (§ 475 III 3 BGB n. F.) scheint deshalb befürwortenswert.
cc) Rechtslage nach Umsetzung der Verbraucherrechte-RL Der deutsche Gesetzgeber hat bezüglich der Abdingbarkeit keine Klarstellung vorgenommen, formal könnte man den Meinungstreit also nun über die Abdingbarkeit des § 474 IV BGB a. F.434 (§ 475 II BGB n. F.) fortführen. Der Streit über die Abdingbarkeit der Verbraucherschutzregelung dürfte sich aber durch die Umsetzung der Verbraucherrechte-RL erledigt haben.435 Vereinbarungen, die zum Nachteil des Verbrauchers von sich aus der Richtlinie ergebenden Rechten abweichen, sind gem. Art. 25 Verbraucherrechte-RL unwirksam. Art. 25 Verbraucherrechte-RL ordnet damit den halbzwingenden Charakter der Gefahrtragungsnorm des Art. 20 Verbraucherrechte-RL an. Bei einem nicht unter Satz 2 fallenden Versendungskauf darf die Gefahr also auch infolge einer Parteiabrede nicht vor Besitzerlangung durch den Verbraucher auf diesen über434 In der Fassung vom 13.06.2014 bis zum 435 Siehe auch BeckOK BGB/Faust, § 475,
2012, 256.
31.12.2017. Rn. 5; wohl auch Schwab/Giesemann, EuZW
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gehen. Daraus folgt, dass es nach deutschem Recht künftig nicht mehr möglich sein darf, den späten Gefahrübergang auf den Verbraucher vorzuverlagern. Ob der Gesetzgeber zur Erreichung dieses Ergebnisses aber die Vorschrift des § 476 I BGB noch deutlicher hätte fassen müssen, darf bezweifelt werden. Dieses Ergebnis sollte man bereits durch eine richtlinienkonforme Auslegung erreichen können. Schon das bisher wohl stärkste Argument der Befürworter einer Abdingbarkeit von § 474 II 2 BGB a. F., die Nichtregelung der Gefahrtragung in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, ist mit Aufnahme des Art. 20 Verbraucherrechte-RL hinfällig. Möglich bleibt allerdings aufgrund des halbzwingenden Charakters des Art. 25 Verbraucherrechte-RL eine Vereinbarung zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, nach der die Preisgefahr auch bei vom Verbraucher beauftragtem Beförderer (ohne entsprechende Option des Unternehmers) erst mit Inbesitznahme durch den Verbraucher übergeht. Durch diese Vereinbarung verzichtet der Verbraucher nicht auf Rechte, die ihm durch diese Richtlinie eingeräumt werden, sondern er erweitert seine Rechte vielmehr. Auch der Ansatz der Vollharmonisierung der Verbraucherrechte-RL sollte einer solchen Vereinbarung nicht entgegenstehen. Denn die Vollharmonisierung verbietet lediglich mitgliedstaatliche Regelungen, die die Rechte des Verbrauchers verglichen mit der Richtlinie erweitern oder einschränken. Das Recht des Verbrauchers, durch Parteivereinbarung einen für ihn günstigeren Zeitpunkt des Gefahrübergangs zu erzielen, wird durch den halbzwingenden Charakter des Art. 25 Verbraucherrechte-RL nicht berührt.
4. Der Kauf im Versandhandel a) Problemstellung im deutschen Recht Fraglich ist, wie ein Kauf im Versandhandel im Hinblick auf den Gefahrübergang zu bewerten ist. Es erscheint ohne Frage zunächst naheliegend, einen Kauf im Versandhandel als Versendungskauf zu betrachten.436 Dennoch gibt es zum deutschen Recht Stimmen, die den Kauf im Versandhandel zumindest im Hinblick auf den Gefahrübergang einer differenzierten Betrachtung unterziehen.437 Es geht um die Frage, ob eine Bring- oder Schickschuld vorliegt und ob beim Kauf im Versandhandel die Gefahrtragungsvorschrift des § 447 BGB zum Versendungskauf angewendet werden soll, was die kritischen Stimmen438 ablehnen. 436 Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1165. 437 So Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1165 ff.;
Thüsing, in: Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB‑Klauselwerke, Teil Klauselwerke, Versandhandel, Rn. 1. 438 Mit unterschiedlicher Begründung LG Schwerin 26.11.1999, NJW‑RR 2000, 868; AG Rastatt 04.10.2001, NJW‑RR 2002, 199; Borges, DB 2004, 1815 ff.; Eckert/Maifeld/Matthiessen, Handbuch des Kaufrechts, Rn 189; Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1169; Thüsing, in: Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB‑Klauselwerke, Teil Klauselwerke, Versandhandel, Rn. 1.
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aa) Frage der Leistungsgefahr bei Verbrauchsgüterkäufen Hinsichtlich des Übergangs der Leistungsgefahr ist entscheidend, ob beim Kauf im Versandhandel eine Bring- oder Schickschuld vorliegt. Soweit hier aufgrund der Besonderheiten des Versandhandels eine Bringschuld angenommen wird,439 bei der auch der Leistungsort am Sitz des Käufers liegt, wäre ein Konkretisierung erst an diesem Ort möglich, so dass bei Zerstörung oder Beschädigung auf dem Transport noch keine Unmöglichkeit gem. § 275 I BGB eintreten und der Verkäufer noch nicht von seiner Leistungspflicht frei würde. Nimmt man hingegen auch beim Verbrauchsgüterkauf im Versandhandel eine Schickschuld an,440 erfüllt der Versandhändler seine Leistungshandlung bereits an seinem Sitz, so dass bei Zerstörung oder Beschädigung auf dem Transport der Erfüllungsanspruch des Käufers unmöglich geworden ist. Auf den Übergang der Preisgefahr beim Verbrauchsgüterkauf hat die Entscheidung der Streitfrage hinsichtlich der Leistungsgefahr trotz des Verhältnisses von Leistungs- und Preisgefahr zueinander441 keine Auswirkungen, da die Preisgefahr hier ohnehin erst gem. § 446 S. 1 BGB mit Übergabe auf den Verbraucher übergeht und daher auch bei Annahme einer Bringschuld bereits Konkretisierung gem. § 243 II BGB eingetreten sein muss. Bei Annahme einer Bringschuld muss der Verkäufer bei Untergang der Ware auf dem Transport mangels Erlöschen des Leistungsanspruchs aus § 433 I 1 BGB mit einer anderen Gattungssache erfüllen und sich so den Kaufpreis, den der Käufer mangels Vorliegen der Übergabe gem. § 446 S. 1 BGB noch nicht schuldet, wirtschaftlich noch verdienen. Bei Annahme einer Schickschuld wird hingegen der Versandhändler zwar von seiner Leistungspflicht gem. § 275 I BGB frei, hat jedoch mangels Übergabe der Ware an den Verbraucher keinen Anspruch auf den Kaufpreis.442
bb) Relevanz hinsichtlich des Preisgefahrübergangs Häufig handelt es sich beim Versandhandel um Verbrauchsgüterkäufe i. S. d. § 474 I 1 BGB. Bei diesen hat die Streitfrage hinsichtlich des Übergangs der Preisgefahr vom Gesetzgeber mit Einführung der Regelungen des §§ 475 III 2 BGB, 475 II BGB an Relevanz eingebüßt, da § 447 BGB im Regelfall nicht mehr anzuwenden ist, sich der Preisgefahrübergang damit gem. § 446 S. 1 439 So – freilich zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung – OLG Stuttgart 23.10.1998, NJW 1999, 1577; AG Rastatt 04.10.2001, NJW‑RR 2002, 199; Palandt/Grüneberg, § 269, Rn. 12; mit dem Verweis auf § 474 IV BGB (a. F.) MünchKomm/Krüger, § 269, Rn. 20. 440 BGH 06.11.2013, NJW 2014, 455; BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 5; Lorenz, ZGS 2003, 422. 441 Vgl. hierzu schon oben § 4 III. 442 Zur Frage, ob der Konkretisierung Bindungswirkung zukommt oder sie vom Verkäufer wiederholt werden kann, um sich den Kaufpreisanspruch zu verdienen, vgl. Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 43.
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BGB mit Übergabe vollzieht. Bei B2B‑Geschäften kommt der Bestimmung von Bring- oder Schickschuld mit der Folge der verschiedenen anwendbaren Vorschriften für die Preisgefahr aber größere Bedeutung zu.443 Zur Klärung der Frage ist zunächst wichtig, an welchen Anwendungsvoraussetzungen des § 447 I BGB sich der Streit entzündet. Es geht um die Voraussetzungen, dass die Ware „auf Verlangen des Käufers“ versandt wird444 und zwar an einen Ort, der nicht der Erfüllungsort ist, also eine Schickschuld vorliegt. Nähme man beim Versandhandel eine Bringschuld an,445 wäre schon die letztgenannte Voraussetzung nicht erfüllt, da dann sowohl Erfüllungs-, als auch Erfolgsort am Sitz des Käufers liegen würden. Das Auseinanderfallen von Erfüllungs- und Erfolgsort ist aber gerade Kennzeichen der Schickschuld. Das Vorliegen einer Schickschuld beim Kauf im Versandhandel wird aber teilweise auch in der Literatur bejaht, obwohl die Anwendung des § 447 I BGB abgelehnt wird.446 Eine Bringschuld sollte tatsächlich nur in den seltenen Fällen angenommen werden, wenn der Käufer aufgrund der geschäftlichen Gepflogenheiten damit rechnen kann, dass der Verkäufer den Transport zu ihm auf eigenes Risiko und somit als Hauptleistungspflicht übernimmt.447 In der Regel wird dem Käufer aber klar sein, dass das Versandunternehmen die Ware mittels externer Transportpersonen bzw. -unternehmen, bspw. der Post, versendet.448 Dann scheidet aber durch den am Sitz des Verkäufers liegenden Erfüllungsort eine Bringschuld aus und entsprechend der Vermutungsregelung des § 269 III BGB ist eine Schickschuld anzunehmen.449 Andere Stimmen in der Literatur schließen die Anwendung des § 447 I BGB dann aber aus, da das Merkmal „auf Verlangen des Käufers“ im Versandhandel nicht bejaht werden kann.450 Beim Versandhandel werde die Versendung vielmehr schon kraft seines Geschäftsmodells durch den Verkäufer angeboten.451 Diese Argumentation übersieht aber, dass in diesem Fall durchaus eine Annahme seitens des Käufers des vorab vom Verkäufer angebotenen Versands lie443 Thüsing, in: Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB‑Klauselwerke, Teil Klauselwerke, Versandhandel, Rn. 1. 444 Vereinzelt wird diesem Tatbestandsmerkmal auch keine selbstständige Bedeutung beigemessen, so Hüffer, JuS 1988, 128. 445 So offenbar LG Schwerin 26.11.1999, NJW‑RR 2000, 868; AG Rastatt 04.10.2001, NJW‑RR 2002, 199; Brox, JuS 1975, 7. 446 Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1167; Thüsing, in: Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB‑Klauselwerke, Teil Klauselwerke, Versandhandel, Rn. 1. 447 Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1167. 448 Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1168. 449 So auch BGH 06.11.2013, NJW 2014, 455; BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 5. 450 Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1166, 1169; Thüsing, in: Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB‑Klauselwerke, Teil Klauselwerke, Versandhandel, Rn. 1. 451 Medicus/Petersen, BR, Rn. 275; Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1166; Brox, JuS 1975, 7, der allerdings eine Bringschuld annimmt.
§ 9 Versendungskauf
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gen kann.452 Der mit einem Versandhändler kontrahierende Käufer lässt sich auf die seitens des Verkäufers als Nebenpflicht angebotene Versendung ein, so dass die Versendung letztlich doch auf sein Verlangen hin erfolgt. Aber selbst wenn man nicht das explizit und ausschließlich vom Käufer vorgebrachte Verlangen der Versendung fordert, werden im Hinblick auf dieses Tatbestandsmerkmal Bedenken geäußert. Es wird vorgebracht, dieses Tatbestandsmerkmal könne nur erfüllt werden, wenn für den Käufer auch die Wahlmöglichkeit bestünde, die Ware selbst abzuholen, was bei einem Versandhandel generell nicht der Fall sei.453 Versandunternehmen werden in der Regel keine Ladengeschäfte unterhalten, in denen man die Ware auch abholen kann, zumindest wird dies der Eindruck des Käufers sein, wenn es über Mittel des Fernabsatzes zum Vertragsschluss gekommen ist.454 Nur bei einer entsprechenden Wahlmöglichkeit zwischen Hol- und Schickschuld soll es dem Käufer zumutbar sein, die Gefahren des Transportes, die ihm § 447 I BGB auferlegt, abzuwägen und sie in Kauf zu nehmen.455 Hier wird allerdings hauptsächlich mit der Sichtweise des Verbrauchers argumentiert. Nun hat der Gesetzgeber für diesen aber § 447 I BGB ohnehin weitgehend ausgeschlossen. Bei einem unternehmerischen Käufer wird man wohl keine so hohen Anforderungen zu stellen haben, was eine echte Wahlmöglichkeit angeht. Zudem ist zu beachten, dass, auch wenn Ware ausschließlich im Versandhandel vertrieben wird, der bestellende Kunde die schlüssige Erklärung abgibt, die Sache solle ihm geliefert werden.456 In dieser Erklärung ist dann aber das von § 447 I BGB vorausgesetzte Verlangen des Käufers enthalten. Geht man davon aus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 447 I BGB (insbesondere Schickschuld und Versendung auf Verlangen des Käufers) vorliegen, so wird dennoch bezweifelt, ob der Käufer im Versandhandel von einer § 447 I BGB entsprechenden Risikoverteilung ausgeht.457 Wenn ein Gefahrübergang nach § 447 I BGB aber nicht der Interessenlage der Parteien entspricht, lässt sich auch darüber nachdenken, dass § 447 I BGB im Versandhandel nicht anzuwenden ist, obwohl seine Tatbestandsmerkmale erfüllt wären. Dies würde eine teleologische Reduktion des § 447 I BGB im Versandhandel bedeuten. Hier ist aber zu bedenken, dass der deutsche Gesetzgeber die Thema452 Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 10. 453 Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1168; Thüsing,
in: Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB‑Klauselwerke, Teil Klauselwerke, Versandhandel, Rn. 1. 454 Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1168. 455 Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1168. 456 BGH 16.07.2003, NJW 2003, 3342. 457 Vgl. Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1168; dort wird allerdings vor allem auf die Erwartungshaltung des Verbrauchers abgezielt, da sich das Problem nach der Rechtslage vor der Schuldrechtsreform grundsätzlich auch auf B2C‑Geschäfte bezog; an der Erwartungshaltung des Käufers sollte sich aber durch die Unternehmereigenschaft etwas ändern.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
tik erkannt und diskutiert hat.458 Das Ergebnis war ein Schutz des Verbrauchers vor dem Transportrisiko gerade beim Versandhandel durch § 474 II 2 BGB a. F. (§ 475 III 2 BGB n. F.). Ein weitergehender Schutz des Käufers im Versandhandel ist nicht vorgesehen und m. E. auch nicht erforderlich. Soweit daher vorgeschlagen wird, es sei eine Schickschuld anzunehmen, bei der § 447 I BGB nicht anwendbar sein soll,459 ist dies abzulehnen.460 Der Käufer ist nicht verpflichtet, einen Vertragspartner zu wählen, der ausschließlich den Versand anbietet. Entscheidet er sich für einen Versandhändler als Verkäufer, so erscheint es nicht unlogisch, ihm auch das Transportrisiko aufzuerlegen. Ihm kommen dadurch möglicherweise auch Vorteile zugute, wie ein günstigerer Kaufpreis, den der Versandhändler mangels Unterhaltungskosten von Filialen anbieten kann. Das Argument, die Tragung des Transportrisikos entspreche nicht der Erwartungshaltung des Käufers im Versandhandel, mag für den Verbraucher zutreffend sein, dürfte aber beim Unternehmer nicht greifen.
b) Vergleichbare Problematik in den anderen Regelwerken Im Zusammenhang mit der Problematik des Gefahrübergangs beim Kauf im Versandhandel lohnt sich ein Blick auf die anderen untersuchten Regelwerke. Dort wird die Problematik als solche wohl nicht diskutiert. Soweit es sich um ein B2C‑Geschäft handelt, kommt der GEK‑Vorschlag zum gleichen Ergebnis wie das deutsche Recht. Die Gefahr geht erst auf den Verbraucher über, sobald er den Besitz an der Ware erhält, Art. 142 I GEK‑Vorschlag. Die Ausnahmeregelung des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag greift nicht ein, da der Verbraucher weder die Beförderung selbst veranlasst hat, noch ein entsprechendes Angebot der Beförderungsmöglichkeit durch den Unternehmer vorliegt. Auch die in der Verbraucherrechte-RL vorgesehene Ausnahme des Art. 20 S. 2 greift nicht ein. An der Situation für Verbraucher wird sich also nichts ändern. Beim Unternehmergeschäft dürften die Unterschiede zwischen deutschem Recht einerseits und GEK‑Vorschlag sowie CISG andererseits den Ausschlag geben, dass eine entsprechende Diskussion nicht besteht. Sowohl in Art. 145 I GEK‑Vorschlag als auch in Art. 67 I CISG wird lediglich auf den Einschluss bzw. das Erfordernis der Beförderung Bezug genommen. Die im deutschen Recht hauptsächlich diskutierte Frage, ob es an einem Verlangen der Versen458 Vgl. Ernst, ZIP 1993, 486; Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, S. 235. 459 Jost/Fitzer/Mohn, BB 1997, 1168, 1169; Thüsing, in: Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB‑Klauselwerke, Teil Klauselwerke, Versandhandel, Rn. 1; verwirrend ist bei dieser Ansicht, dass hier dann trotz der Annahme einer Schickschuld, die Abwicklungsform als Fernkauf bezeichnet werden soll, bei der aber wiederum der Leistungsort am Verkäufersitz liegt. 460 So im Ergebnis auch BGH 16.07.2003, NJW 2003, 3341 ff.; BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 5; Palandt/Weidenkaff, § 447, Rn. 5.
§ 9 Versendungskauf
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dung seitens des Käufers fehle, kommt hier nicht auf, da es ein entsprechendes Tatbestandsmerkmal nicht gibt. Das Abstellen auf den Einschluss bzw. das Erfordernis der Beförderung betrifft das im deutschen Recht bestehende Erfordernis einer Schickschuld. Wie bereits diskutiert, sollte aber allein aus der Eigenart des Versandhandels, zumal noch im unternehmerischen Verkehr, nicht auf das Vorliegen einer Bringschuld geschlossen werden. Die Gefahrtragungsnormen des GEK‑Vorschlags und des CISG über den Versendungskauf sind daher auf den Kauf bei einem Versandhändler anwendbar.
III. Gefahrübergang bei Unternehmerkaufverträgen 1. UN‑Kaufrecht a) Versendungskauf ohne bestimmten Übergabeort gem. Art. 67 I 1 CISG Das CISG nimmt eine Unterscheidung danach vor, ob der Absendeort bestimmt ist, an dem die Ware dem Beförderer zu übergeben ist, vgl. Art. 67 I 1, 2 CISG. Danach bestimmt sich der Zeitpunkt bzw. Ort des Gefahrübergangs. Ist der Verkäufer nicht verpflichtet, die Ware an einem bestimmten Ort an den Beförderer zu übergeben, so geht die Gefahr über, sobald die Ware gemäß dem Kaufvertrag dem ersten Beförderer übergeben wird, Art. 67 I 1 CISG. Häufig wird der Ort des Gefahrübergangs dann der Sitz des Verkäufers sein.461 Zwingend ist dies jedoch nicht. Treffen die Parteien keine Vereinbarung über den Ort der Übergabe an den Beförderer und befindet sich die Ware an einem anderen Ort als dem Sitz des Verkäufers, so kann nach der Regelung des Art. 67 I 1 CISG die Gefahr auch an diesem Ort mit Übergabe an den Beförderer übergehen. Die Formulierung in Art. 67 I 1 CISG, die Gefahr geht auf den Käufer über, „sobald die Ware gemäß dem Kaufvertrag“ übergeben wird, deutet nicht etwa auf ein etwaiges Erfordernis der Vertragsgemäßheit der Ware zum Zeitpunkt der Übergabe als Voraussetzung für den Gefahrübergang hin, sondern verdeutlicht, dass die Übergabe an den Beförderer vertraglich vereinbart wurde.462 Unter der Übergabe in Art. 67 I 1 CISG ist die tatsächliche Obhut des Beförderers über die Ware zu verstehen, die i. d. R. durch Aushändigung an diesen bewirkt wird.463 Um die Ware in die Obhut des Beförderers zu geben, ist auch die Verladung auf das Transportmittel zu fordern, so dass der Verladevorgang 461 Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 17; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 8; Ferrari/ Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 67 CISG, Rn. 38. 462 Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 67, Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 67, Rn. 5a; Honnold/ Flechtner, Art. 67, Rn. 369.3; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 67, Rn. 9; Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 67, Rn. 22; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 13; MünchKommHGB/Benicke, Art. 67, Rn. 6; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 67 CISG, Rn. 16. 463 LG Bamberg 23.10.2006, CISG-online 1400; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 15; Bianca/Bonell/Nicholas, Art. 67, Anm. 2.3.
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als solcher noch in den Risikobereich des Verkäufers fällt und die Ware sich erst mit Abschluss dieses Vorgangs in der Obhut des Beförderers befindet.464 Konsequenterweise sind daher Schäden auf dem Transport noch dem Verkäufer und nicht dem Transportrisiko des Käufers zuzuordnen, sofern sie kausal durch eine unsachgemäße Beladungstechnik entstanden sind.465 Für die Übergabe an den Beförderer und die Übernahme durch den Beförderer ist außerdem die eindeutige Zweckbestimmung zu fordern, diese Ware dem Käufer zu übermitteln.466 Wird dieser Zweck während der Beförderung aufgegeben, indem der Verkäufer die Rückholung der Ware vom Beförderer verlangt, so springt die Gefahr rückwirkend auf den Verkäufer zurück.467 Eine rückwirkende Gefahrtragung durch den Verkäufer auf dem gesamten Transport (bis zum Rückruf und danach) ist hier deshalb angezeigt, weil sonst eine Splittung der Transportgefahr eintreten würde, indem der Käufer den ersten Teil der Strecke mit der Gefahr belastet würde und erst ab der Anweisung der Rückholung die Ware auf Gefahr des Verkäufers zurückreist. Hieraus würden wiederum Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des exakten Zeitpunkts der Schadensentstehung resultieren.468 Kommt es zu Zweifelsfragen, welcher Beförderer der „erste“ i. S. d. Art. 67 I 1 CISG ist, insbesondere dadurch, dass mehrere Beförderer auf dem Weg zum Käufer eingeschaltet sind, so sind Parteiabreden zur Auslegung heranzuziehen.469 Wurde beispielsweise eine Abrede über das Transportmittel (Bahn) getroffen, so soll als „erster“ Beförderer nur ein Betreiber dieses entsprechenden Transportmittels in Frage kommen.470 Man sollte jedoch mit einer solchen Auslegung zurückhaltend umgehen, da die Beförderung bis zu diesem Punkt dann im Risikobereich des Verkäufers liegt, was wiederum zu einer Splittung der Transportgefahr führt. Nimmt man also bspw. aus der Abrede über das Transportmittel Bahn durch Auslegung an, dass nur ein Bahnbeförderer „erster“ Beförderer i. S. d. Art. 67 I 1 CISG sein kann, so würde auch die Anlieferung zur Bahn durch einen selbstständigen Beförderer per LKW noch nicht zu einem Gefahrübergang bei Verladung auf den LKW führen. Man untergräbt durch eine solche Auslegung die gerade in Zweifelsfragen für Rechtssicherheit sorgende Vorschrift des Art. 67 I 1 CISG. Eine solche Vereinbarung führt dann zu einem der Gefahrtragungsregel des Art. 67 I 2 CISG ähnlichen Ergebnis. Eine Abgrenzung kann darüber erfolgen, ob es den Parteien durch die Bezeichnung des Transport464 LG Bamberg 23.10.2006, CISG-online 1400; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 67, Rn. 12.
465 LG Bamberg 23.10.2006, CISG-online 1400; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 15. 466 Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 67, Rn. 12; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 16. 467 Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 67, Rn. 14. 468 Vgl. zur Splittung auch Honnold/Flechtner, Art. 67, Rn. 369.2. 469 MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 12. 470 Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 67, Rn. 7.
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mittels auch auf eine bestimmte Übergabestation ankam.471 In diesem Fall wäre dann Art. 67 I 2 CISG anzuwenden.
b) Bestimmter Übergabeort Art. 67 I 2 CISG enthält eine Sonderregelung für den Fall, dass Verkäufer und Käufer einen bestimmten Ort für die Übergabe an den Beförderer vereinbart haben. Die Gefahr geht dann erst auf den Käufer über, wenn die Ware dem Beförderer an diesem Ort übergeben wird, Art. 67 I 2 CISG. Der Verkäufer hat also die Gefahr bis zu diesem bestimmten Ort zu tragen. Ein bestimmter Übergabeort i. S. d. Art. 67 I 2 CISG kann sich nicht aus den Vorschriften über die Lieferung nach Art. 31 lit. a) CISG ergeben, sondern muss durch Parteivereinbarung festgelegt sein.472 Häufiger Fall ist der Überseekauf, bei dem der Verkäufer die Ware zur Verschiffung in einen Hafen zu bringen hat. Bei einem Kaufvertrag zwischen einem Verkäufer mit Sitz in Lyon und einem Käufer mit Sitz in New York, bei dem vertraglich vereinbart wird, dass der Verkäufer die Ware an eine Reederei in Marseille zu liefern hat, trägt also der Verkäufer die Transportgefahr bis Marseille, auch wenn er mit der Lieferung nach Marseille einen selbstständigen Beförderer beauftragt.473 Die entsprechende Parteivereinbarung wird sich häufig aus den Incoterms ergeben. In diesem Fall bestimmt sich der Gefahrübergang aber direkt nach der entsprechenden Klausel, ein Rückgriff auf Art. 67 I 2 CISG ist dann verwehrt.474
c) Konkretisierungserfordernis Ebenso wie für die Fälle des Fernkaufs gem. Art. 69 III CISG ordnet Art. 67 II CISG für den Versendungskauf das Erfordernis der Konkretisierung an. Art. 67 II CISG führt aber noch beispielhaft auf, dass die Konkretisierung „durch an der Ware angebrachte Kennzeichen, durch Beförderungsdokumente, durch eine Anzeige an den Käufer oder auf andere Weise“ erfolgen kann. Das Konkretisierungserfordernis verlagert den Gefahrübergang nach hinten, wenn eine entsprechende Individualisierung durch den Verkäufer, beispielsweise durch Zusendung einer Verladeanzeige, nicht erfolgt ist. Durch das Konkretisierungserfordernis wird sichergestellt, dass dem Käufer nicht nach dem Transport nicht für ihn speziell bestimmte und beschädigte Ware untergeschoben wird.475 Um
471 Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 67,
Rn. 10. Art. 67, Rn. 19; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 31, Rn. 8, Art. 67, Rn. 10; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 14. 473 Vgl. Honnold/Flechtner, Art. 67, Rn. 369.2. 474 Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 21; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 67, Rn. 4. 475 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 67 CISG, Rn. 31. 472 Staudinger/Magnus,
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die Manipulationsmöglichkeiten einzudämmen, ist außerdem eine nach außen erkennbare Konkretisierung zu fordern.476 Wie auch beim Fernkauf im UN‑Kaufrecht sind die Fälle problematisch, in denen eine Individualisierung aufgrund der Natur der verkauften Sache nicht möglich ist, wie etwa bei Füll- und Schüttgut, wenn der jeweilige Käufer nur einen Anspruch auf einen gewissen Teil der Gesamtladung hat.477 Zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs und den Anforderungen an die Konkretisierung werden verschiedene Meinungen vertreten. Nach einer Ansicht soll die Gefahr auch in diesen Fällen mit der Absendung übergehen, auch wenn keine Anzeige zur Versendung der Sammelladung vorgenommen wurde, eine solche Versendung aber nach Handelsbrauch üblich ist.478 Nach anderer Auffassung soll die Konkretisierung erst dann eintreten, wenn sowohl eine Anzeige der Versendung und zusätzlich das Einverständnis des Käufers vorliegen.479 Eine vermittelnde Auffassung sieht die Konkretisierung als erfolgt an, soweit der Verkäufer die Übergabe an den Beförderer dem Käufer mittels einer Anzeige mitteilt.480 Um den Verkäufer keinem zu großen Risiko auszusetzen, kann dieser Meinung beigepflichtet werden. Eine anderweitige Konkretisierung als durch Versenden einer Verladeanzeige kommt für ihn nicht in Betracht. Es gibt aber keinen sachlichen Grund, ihn bei Beförderungsverkäufen gegenüber Verkäufern anderer Waren zu benachteiligen. Gegen einen Gefahrübergang bereits mit Absendung ohne erforderliche Verladeanzeige spricht, dass die Anordnung des Art. 67 II CISG dann ignoriert würde. Folgt man der vermittelnden Auffassung und geht die Ware dann nach Absendung der Verladeanzeige unter, so trifft das verwirklichte Risiko jeden der Käufer gleich bzw. bei teilweisem Untergang anteilig.481 Lässt der Verkäufer sich mit der Versendung der Verladeanzeige an die Käufer etwas Zeit oder verschifft der Verkäufer Ware zunächst ohne einen bestimmten Käufer zu bezeichnen, kann es aber zu einer Splittung der Gefahrtragung in zeitlicher Hinsicht kommen. Der Verkäufer trägt dann die Gefahr bis zur Konkretisierung (gem. Art. 27 CISG Absendung der Anzeige), der Käufer übernimmt die Gefahr ab einem Zeitpunkt während des Transports. Die Problematik der Splittung der Gefahrtragung während des Transports wurde während der Entstehung der Vorschriften offenbar nicht erkannt.482 Man hat sich mit der 476 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 67 477 Vgl. hierzu schon oben § 8 I. 4. 478 Piltz,
CISG, Rn. 29.
Internationales Kaufrecht, Rn 4-277; wohl auch Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 195. Rn. 30 f.; BeckOK BGB/Saenger, Art. 67, Rn. 5.
479 Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 67, 480 Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 31. 481 Ferrari/Mankowski,
Int. Vertragsrecht, Art. 67 CISG, Rn. 38; Schlechtriem/Schwenzer/ Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 67, Rn. 10a; Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 31; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 18; mit diesem Ausgleichsgedanken auch Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 195; so auch die m. E. für den Fernkauf anzuwendende Lösung, siehe § 8 I. 4. 482 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 67, Rn. 10; Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 395.
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Einführung des Art. 67 II CISG gegen eine Rückwirkung des Gefahrübergangs durch Abstellen auf die Übergabe an den Beförderer entschieden, die das EKG als Vorläufer des CISG noch vorsah.483 Eine Splittung der Gefahrtragung in zeitlicher Hinsicht fördert natürlich Streitigkeiten über den genauen Zeitpunkt der Schadensentstehung.
2. Versendungskauf zwischen Unternehmern nach dem GEK‑Vorschlag Bei Art. 145 I GEK‑Vorschlag ist regelungssystematisch zunächst unklar, warum beim Beförderungsvertrag nur von Waren ausgegangen wird und digitale Inhalte unerwähnt bleiben. Die Beschränkung des Wortlauts auf Waren findet sich sowohl bei den Vorschriften über die Lieferung, Art. 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag, als auch bei der Gefahrtragungsnorm des Art. 145 II GEK‑Vorschlag. Bei digitalen Inhalten, die auf einem materiellen Datenträger gespeichert sind, ist aber ein Versendungskauf ebenfalls möglich.484 Eine regelungssystematische Begründung, wonach eine gesonderte Nennung der auf einem materiellen Datenträger gespeicherten digitalen Inhalte nicht nötig sei, da diese ohnehin dem Warenbegriff gem. Art. 2 lit. (h) VO‑GEK‑Vorschlag unterfallen, würde nicht überzeugen. Denn Art. 142 I GEK‑Vorschlag führt auf materiellen Datenträgern gespeicherte digitale Inhalte ebenfalls gesondert auf.
a) Unterscheidung nach dem Ort der Übergabe Auch das Gemeinsame Europäische Kaufrecht unterscheidet wie das UN‑Kaufrecht beim Versendungskauf, ob der Ort, an dem der Verkäufer die Ware dem Beförderer zu übergeben hat, bestimmt ist. Ist dies nicht der Fall, geht die Gefahr zu dem Zeitpunkt auf den Käufer über, zu dem die Ware dem ersten Beförderer übergeben wird, vgl. Art. 145 II GEK‑Vorschlag. Ist hingegen vertraglich ein Ort festgelegt, an dem die Ware dem Beförderer zu übergeben ist, so erfolgt der Gefahrübergang auf den Käufer erst durch Übergabe der Ware an den Beförderer an diesem Ort, Art. 145 III GEK‑Vorschlag. Zwar befinden sich die unterschiedlichen Tatbestände in unterschiedlichen Absätzen, ein weiterer regelungstechnischer Unterschied zum CISG besteht aber nicht. Art. 145 II, III GEK‑Vorschlag weichen, indem sie auf die Übergabe abstellen, auch in terminologischer Hinsicht nicht von Art. 67 I CISG ab. Für die Erfüllung der Voraussetzungen der Übergabe kommt es damit auch auf die Verbringung der Ware in die Obhut des Beförderers an.485 483 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 67, Rn. 10; Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 395. 484 So zutreffend Remien, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 314. 485 So auch Schulze/Zoll/Watson, Art. 145, Rn. 4.
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b) Konkretisierungserfordernis Auch beim Versendungskauf tritt Gefahrübergang gem. Art. 141 GEK‑Vorschlag erst mit Konkretisierung ein. Auch insofern ergeben sich zunächst keine zum UN‑Kaufrecht abweichenden Ergebnisse. Es ist hierdurch eine Splittung der Gefahr während des Transports denkbar, falls eine Sammelladung versandt wird und die Konkretisierung erst durch Kennzeichnung oder Versendung einer Verladeanzeige während des Transportes eintritt. Eine Splittung der Gefahrtragung führt aber zu schwer lösbaren Problemen und Streitigkeiten, wenn die Ware auf dem Transport beschädigt wird, da kaum feststellbar ist, wann diese Beschädigung auf dem Transport eingetreten ist. Ein Problem besteht verglichen mit dem CISG jedoch darin, dass es bei Absendung einer Verladeanzeige gem. Art. 10 III GEK‑Vorschlag hinsichtlich des Zeitpunktes der Wirksamkeit auf den Zugang ankommt.486 Nach dem CISG ist auf die Absendung der Anzeige abzustellen, Art. 27 CISG. Da der Verkäufer eine Absendung häufig unmittelbar nach der Übergabe an den Beförderer tätigen wird, ist die Problematik der Splittung im UN‑Kaufrecht entschärft.487 Im GEK‑Vorschlag kommt die Problematik der Splittung aber verstärkt zum Vorschein.
c) Vertragsgemäße Übergabe Mehrere Auslegungsmöglichkeiten bietet die Formulierung, dass die Gefahr zu dem Zeitpunkt auf den Käufer übergeht, zu dem die Waren „vertragsgemäß“ dem ersten Beförderer zur Versendung an den Käufer übergeben werden. Hierunter wird teilweise verstanden, dass die Waren in vertragsgemäßem Zustand gem. Art. 99 ff. GEK‑Vorschlag sein müssen.488 Die englische Formulierung entspricht der des CISG. Zum CISG wird aber vertreten, dass dieser Verweis lediglich bedeutet, für die Ware müsse die Beförderung im Kaufvertrag vorgesehen sein, nicht hingegen, die Ware müsse vertragsgemäß sein.489 Es dürfte daher wohl auch bei Art. 145 II GEK‑Vorschlag die Übergabe an den Beförderer gemeint sein, welche im Einklang mit der vertraglichen Vereinbarung stehen muss. Die Vertragsgemäßheit der Ware zur Voraussetzung für den Übergang der Preisgefahr zu erklären, ist somit auch im Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht nicht angebracht. 486 Schulze/Schulte-Nölke, Art. 10, 487 Hager,
Rn. 5. in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht,
S. 396. 488 Schulze/Zoll/Watson, Art. 145, Rn. 5. 489 Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 67, Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 67, Rn. 5a; Honnold/Flechtner, Art. 67, Rn. 369.3; Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 67, Rn. 22; MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 13; MünchKommHGB/Benicke, Art. 67, Rn. 6; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 67 CISG, Rn. 16.
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Rechtstechnisch wäre dies auch nicht schlüssig. Zunächst wäre die Frage zu stellen, wann bzw. ob dann überhaupt ein Gefahrübergang stattfindet. Die Rechte des Käufers wegen einer Vertragswidrigkeit der Ware sind aber davon abhängig, dass die Ware zum Zeitpunkt des Übergangs der Gefahr vertragswidrig ist, Art. 105 I GEK‑Vorschlag. Wird einem Beförderer vertragswidrige Ware übergeben und erhält der Käufer diese Ware dann auch in vertragswidriger Form, so wären ihm die Abhilfen nach Art. 106 GEK‑Vorschlag abgeschnitten, soweit man davon ausgeht, dass ein Übergang der Gefahr noch gar nicht stattgefunden hat. Dem Käufer bliebe wohl noch nicht einmal die Möglichkeit, die Kaufpreiszahlung im Umkehrschluss aus Art. 140 GEK‑Vorschlag zu verweigern, da ein solcher ipso jure Wegfall der Gegenleistungsverpflichtung490 im GEK‑Vorschlag wohl nicht anzunehmen ist.491 Ließe man die Gefahr an der vertragswidrigen Ware mit Übergabe an den Beförderer auf den Käufer übergehen, so stünde dem Käufer gegen den Zahlungsanspruch des Verkäufers ein Zurückbehaltungsrecht zu. Denn gem. Art. 106 I lit. (b), 113 GEK‑Vorschlag ist er im Fall der Lieferung von Ware, welche im Moment des Gefahrübergangs vertragswidrig ist, ohnehin berechtigt, seine eigene Leistung zurückzuhalten. Dieses Recht besteht selbst im Falle einer nicht wesentlichen Nichterfüllung, vgl. Art. 113 GEK‑Vorschlag. Würde man einen Gefahrübergang zum Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer annehmen, hätte man zumindest letzteres Problem nicht. Es gibt aber keinen sachlichen Grund, im Falle der Übergabe vertragswidriger Ware an den Beförderer einen verspäteten Gefahrübergang mit Übergabe der Ware an den Käufer anzunehmen. Denn käme die Ware mit derselben Vertragswidrigkeit beim Käufer an, die sie auch schon im Zeitpunkt der Übergabe an den Beförderer hatte, könnte der Käufer die Rechtsbehelfe des Art. 106 GEK‑Vorschlag im Falle eines Gefahrübergangs mit Übergabe an den Beförderer ebenso ausüben wie bei Gefahrübergang durch Übergabe an den Käufer selbst. Der Verkäufer trüge bei Gefahrübergang durch Übergabe an den Käufer länger die Preisgefahr. Erleidet aber die Ware auf dem Transport weitere Schäden, die in keinem Zusammenhang zu der ursprünglichen Vertragswidrigkeit standen, stellt die ursprüngliche Vertragswidrigkeit für sich noch keine sachliche Rechtfertigung für das Tragen der weiteren Transportschäden durch den Verkäufer dar. Denn die Erwägung der Aufbürdung der Transportgefahr für den Käufer beruht auf Prinzipien des Interessensausgleichs und ist grundsätzlich unabhängig von der Frage der Vertragswidrigkeit. Einer Verschiebung des Übergangs der Preisgefahr im Falle der Übergabe vertragswidriger Ware an den Beförderer stehen auch praktische Erwägungen 490 Wie das im deutschen Recht durch § 326 I 1 BGB vorgesehen ist, für mangelhafte Ware allerdings nach § 326 I 2 BGB wiederum ausgeschlossen ist. 491 Vgl. hierzu ausführlich Lorenz, AcP 212 (2012), 824, 825.
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entgegen. Der Verkäufer würde wohl ohnehin immer behaupten, die Vertragswidrigkeit sei auf dem Transport entstanden. Es würde folglich schon bei der Frage, ob der Gefahrübergang aufgrund einer vor Transport vorliegenden Vertragswidrigkeit überhaupt auf den späteren Zeitpunkt der Aushändigung an den Käufer zu verlagern ist, zum Streit zwischen den Parteien kommen. Daher ist ein vertragsgemäßer Zustand der Waren i. S. d. Art. 99 GEK‑Vorschlag als Voraussetzung für den Gefahrübergang nach Art. 145 II GEK‑Vorschlag abzulehnen und lediglich zu fordern, dass die Übergabe an den Beförderer vertraglich vereinbart ist. Neben der vertragsgemäßen Versendung bestimmt Art. 145 II GEK‑Vorschlag auch, dass die Ware dem ersten Beförderer zum Zwecke der Versendung an den Käufer übergeben wird. Daraus ist zu schließen, dass dieser Zweck auch während der Beförderung fortbestehen muss. Wird der Zweck während der Beförderung derart geändert, dass der Verkäufer die Ware zurückbeordert, ist dem Käufer die Tragung der Transportgefahr nicht mehr zuzumuten. Der Verkäufer hat die Gefahr dann rückwirkend für den gesamten Transport zu tragen.
3. Deutsches Recht a) Gefahrübergang Nach dem Wortlaut des § 447 I BGB geht die Gefahr auf den Käufer über, so� bald der Verkäufer die Ware der zur Versendung bestimmten Person „ausgeliefert hat“. Die Auslieferung bedeutet aber nichts anderes als die Übergabe im physischen Sinn an den Beförderer, so dass dieser die Ware in seiner Obhut hat.492 Da die Ware der Kaufgegenstand ist, reicht die Übergabe von Traditionspapieren nicht aus.493 Zudem ist die Übergabe an die Transportperson mit dem Zweck vorzunehmen, dass die Ware an den Käufer versandt wird.494 Hält der Verkäufer anschließend den Transport ohne berechtigte Gründe dauerhaft an, ruft die Ware zurück oder disponiert die Lieferung an einen anderen Käufer, so endet der Zweck der Beförderung an den Käufer und die Gefahr fällt auf den Verkäufer zurück.495 Im Gegensatz zu CISG und GEK‑Vorschlag ist der Versendungszweck aber nicht ausdrücklich geregelt.
492 BGH 05.12.1990, NJW 1991, 915, 916; Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 20; Palandt/Weidenkaff, § 447, Rn. 14; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 14; PWW/D. Schmidt, § 447, Rn. 12. 493 PWW/D. Schmidt, § 447, Rn. 12; Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 20; Palandt/Weidenkaff, § 447, Rn. 14; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 14. 494 Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 20; Palandt/Weidenkaff, § 447, Rn. 14; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 14; BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 11. 495 Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 40.
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b) Absenden vom Erfüllungsort In § 447 I BGB wird durch den Wortlaut „nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort“ nicht nur das Vorliegen einer Schickschuld zur Tatbestandsvoraussetzung gemacht, sondern durch die Bezugnahme auf den Erfüllungsort auch davon ausgegangen, dass der Verkäufer die Ware vom Erfüllungsort aus versendet.496 Fragen hinsichtlich des Gefahrübergangs ergeben sich daher dann, wenn der Versand der Ware von einem anderen Ort als dem Erfüllungsort startet. Denn der das Transportrisiko tragende Käufer hat ein Interesse daran, dass dieses möglichst gering ausfällt und auch im Hinblick auf die zurückzulegende Strecke nicht wesentlich ausgeweitet wird.497 Zudem soll er das Transportrisiko bei Vertragsschluss einschätzen können. Unproblematisch ist natürlich der Fall, dass sich der Käufer mit der Versendung von einem dritten Ort einverstanden erklärt.498 Liegen hierfür keine Anzeichen vor, ist zum einen denkbar, dass die Ware von einem anderen Ort zunächst zum Erfüllungsort, also dem Wohnort oder der Niederlassung des Verkäufers, gebracht wird und von dort aus weiter transportiert wird. Zum anderen kann die Ware von einem anderen Ort als dem Erfüllungsort zum Käufer gesandt werden ohne den Erfüllungsort zu berühren. Weist die von der Ware zurückgelegte Strecke Berührungspunkte mit dem Erfüllungsort auf, besteht Einigkeit, die Gefahr erst am Erfüllungsort übergehen zu lassen.499 Der Transport von einem dritten Ort zum Sitz des Verkäufers als Erfüllungsort fällt typischerweise unter den Beschaffungsvorgang des Verkäufers und damit auch in dessen Risikosphäre. Wird die Ware von einem anderen Ort als dem Erfüllungsort direkt an den Käufer versendet, ohne dass die Ware den Erfüllungsort berührt, bestehen unterschiedliche Auffassungen. Teilweise wird vertreten, die Gefahr gehe grundsätzlich auch bei Versendung von einem dritten Ort mit Übergabe an die Transportperson auf den Käufer über, nur ausnahmsweise nicht, wenn die Versendung vom dritten Ort eine wesentliche Erweiterung des Transportrisikos für den Käufer darstellt.500 Die h. M. möchte allerdings § 447 I BGB für den Fall der Versendung von einem anderen Ort als dem Erfüllungsort nicht anwenden, da die ratio legis der Norm dann nicht mehr gegeben ist.501 496 MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 4; Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 11; Palandt/Weidenkaff, § 447, Rn. 13; PWW/D. Schmidt, § 447, Rn. 8. 497 Pallasch, BB 1996, 1123. 498 BGH 05.12.1990, NJW 1991, 915, 916; Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, S. 169. 499 MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 4; Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 15; PWW/D. Schmidt, § 447, Rn. 8; Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, S. 169. 500 OLG Köln, NJW‑RR 1989, 1458; Wertenbruch, JuS 2003, 627; ähnlich Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 94. 501 BGH 05.12.1990, NJW 1991, 915; Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 15; PWW/
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Eine vermittelnde Auffassung möchte eine flexible Lösung des Problems erreichen.502 So wird der Mindermeinung zugegeben, das Interesse des Gläubigers an einer Versendung vom Leistungsort bestehe ausschließlich in der Kalkulation der Risiken.503 Daher soll eine Gefahrerhöhung festgestellt werden, indem neben den distanzabhängigen Transportrisiken auch die typischen Risiken der jeweiligen Strecke einbezogen werden.504 Unterwirft man letztere Auffassung allerdings Praktikabilitätsüberlegungen und misst sie an den Anforderungen, denen Gefahrtragungsregelungen genügen sollten, so überzeugt sie nicht. Denn der wichtige Faktor der Rechtssicherheit wird vollständig vernachlässigt, wenn noch Streitigkeiten darüber entstehen, ob die eine oder andere Strecke typischerweise gefährlicher ist.505 Auch ist es vor dem Hintergrund der Rechtssicherheit nicht zweckmäßig, vergleichende Distanzberechnungen anzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob die Gefahr nun auch am dritten Ort übergeht oder dann erst mit Übergabe an den Käufer. Durch die Privatautonomie kann hier der größtmögliche Interessensausgleich erzielt werden, der mit der Anforderung der Rechtssicherheit im Einklang steht. Es ist daher der h. M. zu folgen und bei Versendung von einem dritten Ort zu fordern, dass der Verkäufer das Einverständnis des Käufers einholt. Hierdurch wird erreicht, dass der Verkäufer die Gefahr nicht zu Lasten des Käufers erhöhen kann506. Ohne ein entsprechendes Einverständnis sollte der Gefahrübergang noch nicht mit Auslieferung an die Transportperson an einem dritten Ort erfolgen.
c) Konkretisierungserfordernis Ein Konkretisierungserfordernis regelt das deutsche Recht nicht unmittelbar in Zusammenhang mit der Preisgefahr. Dennoch ergibt sich die Voraussetzung der Konkretisierung für den Übergang der Preisgefahr aus dogmatischen Gründen. Denn der Übergang der Leistungsgefahr ist Voraussetzung für einen Übergang der Preisgefahr. Für den Übergang der Leistungsgefahr ist bei einer Gattungsschuld aber die Konkretisierung gem. § 243 II BGB Voraussetzung. Daher kann auch die Preisgefahr erst übergehen, wenn der Verkäufer die Gattungsschuld durch die Aussonderung einer Sache von mittlerer Art und Güte auf eine Sache konkretisiert hat. Fraglich ist, wie die Problematik der Sammelladungen im deutschen Recht zu beurteilen ist. Versendet der Verkäufer eine Sammelladung, so tritt KonkreD. Schmidt, § 447, Rn. 8; Palandt/Weidenkaff, § 447, Rn. 13; Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, S. 167. 502 Pallasch, BB 1996, 1126. 503 Pallasch, BB 1996, 1126. 504 Pallasch, BB 1996, 1125, 1126. 505 Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, S. 169. 506 Zu diesem Kriterium vgl. schon Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1. Band, S. 327.
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tisierung eigentlich erst mit Ausscheidung der Ware an den Käufer ein.507 Dennoch soll die Gefahr richtigerweise bereits mit Übergabe an die Transportperson übergehen,508 zumindest wenn die Versendung als Sammelladung vereinbart oder handelsüblich ist.509 Teilweise wird zusätzlich noch die Absendung einer gesonderten Verladeanzeige gefordert.510 Die Konkretisierung ist dann entweder schon in der Übergabe der Gesamtmenge an den Beförderer zu sehen oder sie soll durch die Verladeanzeige erfolgen. Für den Zeitpunkt der Übergabe an den Beförderer spricht, dass der Verkäufer nicht entgegen der Grundregel des § 447 BGB mit der Transportgefahr belastet wird. Durch die Vereinbarung der Sammelladung oder der Handelsüblichkeit ist dem Käufer dies ausreichend deutlich gemacht. Auch wenn man die Zusendung einer Verladeanzeige fordert, sollte man die Gefahr nicht während des Transports übergehen lassen, sondern bereits vor der endgültigen Konkretisierung im Zeitpunkt der Übergabe an den Beförderer. Damit vermeidet man eine Splittung der Gefahrtragung und beugt Streitigkeiten über den Zeitpunkt der Schadensentstehung vor. Bei teilweiser Beschädigung der Ladung ist dann wie zu CISG und GEK‑Vorschlag eine Gefahrengemeinschaft der Käufer mit anteiliger Haftung anzunehmen.511
4. Parteivereinbarungen und Handelsklauseln Die Vielschichtigkeit der möglichen Waren und die damit verbundene große Variabilität von Verpackungsgegenständen und Beförderungsmitteln kann ergänzende oder ersetzende Vereinbarungen zu den Regelungen des Gefahrübergangs zweckmäßig erscheinen lassen. So kann es bei einer Container-Beförderung sinnvoll sein, den Gefahrübergang erst im Zeitpunkt der Verplombung eintreten zu lassen oder bei besonders empfindlichen Waren wie Hightech-Produkten die Transportgefahr beim Verkäufer zu lassen, um Streitigkeiten über die ordnungsgemäße Verpackung und Beförderung zu vermeiden.512 Neben gänzlich individuellen Vereinbarungen bietet sich für die Parteien eines Kaufvertrags aber der Rückgriff auf die standardisierten Handelsklauseln an, bei denen durch einheitliche Auslegung Streitigkeiten besser umgangen werden können. Gerade im Bereich der Abwicklungsform des Versendungskaufs finden sich hier zahlreiche Klauseln und damit Auswahlmöglichkeiten. Soll nach dem Willen der Parteien ein Versendungskauf stattfinden, der Verkäufer also seine Lieferpflichten mit Übergabe an den Beförderer erfüllen können, kommen im Hinblick auf die Incoterms zwei Klauselgruppen in Betracht, die F‑Klauseln und die C‑Klauseln. Nach diesen Klauseln hat der Verkäufer die 507 Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 42. 508 BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 13.
509 Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 42. 510 MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 15. 511 Staudinger/Beckmann,
§ 447, Rn. 42; BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 13. Rn. 19.
512 Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 67,
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Ware lediglich einem Beförderer zu übergeben, so dass sie sich von den Abholklauseln (EXW) und den Ankunftsklauseln (D‑Gruppe) unterscheiden. Die Wahl von Klauseln der F‑Gruppe und der C‑Gruppe führt mithin zu Absendeverträgen.513 Die Parteien haben bei den Absendeverträgen durch die Vielzahl der existierenden Klauseln eine große Auswahl, um eine Klausel zu finden, die den Besonderheiten des jeweiligen Vertrags gerecht wird.
a) Unterscheidung der Klauselgruppen Die beiden Klauselgruppen unterscheiden sich, auch abgesehen von den unmittelbaren Bestimmungen zur Gefahrtragung, in einigen Details. Gemeinsam ist beiden Klauselgruppen, dass der jeweilige – auch von der konkret verwendeten Klausel abhängige – Ort des Frachtführers bzw. das Schiff im Verschiffungshafen der Übergabeort sein soll, vgl. jeweils A 4 der entsprechenden Incoterms. So ist in den Fällen der häufig verwendeten FOB‑Klausel die Ware auf das Schiff im Verschiffungshafen zu liefern.514 Bei der CIF‑Klausel ist die Lieferung in der Verschiffung der Ware zu sehen.515 Der Bestimmungshafen ist für den Gefahrübergang nicht bedeutsam, er ist lediglich ein Anzeichen, dass der Verkäufer die Kosten des Transportes zu tragen hat.516 Während es nach vielen Stimmen für das Charakteristikum des Versendungskaufs gleichgültig sein soll, wer den Abschluss des Beförderungsvertrages zu besorgen hat,517 und dies im UN‑Kaufrecht aufgrund des Art. 32 II CISG häufig der Verkäufer sein soll, weisen die Klauselgruppen der Incoterms dies ausdrücklich einer Partei zu, vgl. A 3. So sehen die C‑Klauseln der Incoterms eine entsprechende Verpflichtung des Verkäufers vor, während dies bei den F‑Klauseln in den Verantwortungsbereich des Käufers fällt.518 Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen den Klauselgruppen ist die Zuordnung der F‑Klauseln zu den „Einpunktklauseln“ und der Bezeichnung der C‑Klauseln als „Zweipunktklauseln“. Während bei den „Einpunktklauseln“ der Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit dem des 513 Graf
von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 120, 125; Erauw, in: Kröll/Mistelis/Viscasillas, Art. 67, Rn. 32; Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 67, Rn. 14, 40; BeckOK BGB/Saenger, Art. 32, Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 38, Rn. 52; Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 104; OLG Hamm 12.11.2001, BeckRS 2002, 01791; a. A. Piltz/Bredow, Incoterms, F-168. 514 Bridge, The Sale of Goods, 6.10; Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, S. 18, 2-005; Benjamin’s Sale of Goods, 20-012. 515 Benjamin’s Sale of Goods, 19-011; Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, S. 36, 2-020; Wegner, Überseekauf und Agrarhandel, S. 295. 516 Coetzee, Journal of Law and Commerce 32 (2013), 13. 517 Vgl. Dritter Teil Fn. 49. 518 MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 7; vgl. auch Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, S. 18, 2-005; S. 45, 2-028; Benjamin’s Sale of Goods, 19091; 20-042; Coetzee, Journal of Law and Commerce 32 (2013), 15; natürlich sind allerdings auch hier wiederum abweichende Vereinbarungen möglich, mit dem Beispiel von FOB‑Klauseln, nach denen der Verkäufer verpflichtet ist, den Seefrachtvertrag als Stellvertreter des Käufers zu schließen, Wegner, Überseekauf und Agrarhandel, S. 15.
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Kostenübergangs auf den Käufer übereinstimmt, geht bei den C‑Klauseln als „Zweipunktklauseln“ die Gefahr vor den Kosten des Transports auf den Käufer über und der Verkäufer hat verglichen mit den F‑Klauseln höhere Kosten zu tragen.519 Da es sich sowohl bei C- als auch bei F‑Klauseln um Absendeverträge handelt und eine Schickschuld vorliegt, liegt der Erfüllungsort am Absendeort und nicht am Ankunftsort (Erfolgsort).520 Um die für den konkreten Kaufvertrag passende Klausel zu finden, ist zwischen Klauseln der F- und C‑Gruppe aber auch eine Unterscheidung zweckmäßig, die sich nicht auf die Zuordnung zu einer der beiden Klauselgruppen niederschlägt. Die Klauseln sollten auch danach unterschieden werden, für welche Transportarten sie in Frage kommen. Während die Klauseln FAS, FOB, CFR und CIF ausschließlich für See- und Binnenschifffahrtstransporte Verwendung finden können, sind die Klauseln FCA, CPT und CIP für alle Transportarten geeignet, insbesondere daher beim multimodalen Transport.521 Da die Klauseln der F- und C‑Gruppe zu einer Abwicklung als Absendevertrag führen, ist jeweils ein Beförderer in die Abwicklung einbezogen. Welche Anforderungen an die Person dieses Beförderers zu stellen sind, ist unterschiedlich geregelt. Soweit die Incoterms 2010 den Begriff des Frachtführers hierzu verwenden, ist dieser eng zu verstehen, so dass nur die Person erfasst ist, die zur Beförderung selbst verpflichtet ist und Spediteure damit grundsätzlich ausscheiden.522 Abgrenzungsprobleme stellen sich aber nicht bei den Klauseln, die nur zum See- und Binnenschifffahrtstransport verwendet werden können. Die Ablieferung an der Längsseite bzw. an Bord des richtigen Schiffs ist hier ohnehin Voraussetzung. Bei Verwendung der FCA‑Klausel ist die Abgrenzung zwischen Spediteur und Frachtführer meist entschärft, da die Lieferung an den Frachtführer oder eine andere vom Käufer benannte Person zu erfolgen hat, vgl. A 4. Hat also der Käufer einen Spediteur benannt, so ist die Ablieferung bei diesem auch ausreichend. Wurde der Spediteur dagegen nicht vom Käufer benannt, so ist als Voraussetzung für die Anwendung der FCA‑Klausel entscheidend, ob der Spediteur die Funktion eines vertraglichen Frachtführers erfüllt und dadurch diesem gleichgestellt werden kann.523 Bei den Klauseln CPT und CIP ist die Unterscheidung zwischen Spediteur und Frachtführer praktisch von 519 Graf
von Bernstorff, RIW 2010, 677; Weick, ZJS 2012, 587. hierzu Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 103 f.; Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 119 ff.; zu CIF vgl. auch Wegner, Überseekauf und Agrarhandel, S. 311; zu F‑Klauseln vgl. ebenso Erauw, in: Kröll/Mistelis/Viscasillas, Art. 67, Rn. 32; Honsell/ Schönle/Th. Koller, Art. 67, Rn. 14, 40; BeckOK BGB/Saenger, Art. 32, Rn. 9; Staudinger/ Magnus, Art. 38, Rn. 52; OLG Hamm 12.11.2001, BeckRS 2002, 01791; a. A. Piltz/Bredow, Incoterms, F-168. 521 Zwilling-Pinna, BB 2010, 2982; Graf von Bernstorff, RIW 2010, 676; Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 114. 522 Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 159. 523 Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 324. 520 Vgl.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
größerer Bedeutung, da hier die Lieferung an eine andere vom Käufer benannte Person nicht vorgesehen ist, sondern die Lieferung an den ersten Frachtführer erfolgen muss, vgl. A 4. Das Fehlen der Ausnahme einer vom Käufer benannten Person liegt natürlich daran, dass der Beförderungsvertrag im Rahmen der C‑ Klauseln ohnehin vom Verkäufer zu schließen ist, vgl. A 3. Für den Verkäufer ist es also wichtig, einen Frachtführervertrag abzuschließen, um die Wirkungen der jeweiligen Klauseln herbeiführen zu können.
b) Die Regelungen zum Gefahrübergang aa) Modernisierungen zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs Die Weiterentwicklung der Incoterms 2000 zum Klauselwerk 2010 ist auch anhand der Regeln zum Gefahrübergang im Bereich der F- und C‑Klauseln zu erkennen. Teile der F- und C‑Klauseln der Incoterms 2000 unterscheiden sich im wichtigen Bereich des Gefahrübergangs bei der Frage, ob der Gefahrübergang an die vom Verkäufer geschuldete Lieferungshandlung zu knüpfen ist.524 Bei den Klauseln FOB, CFR und CIF, also der Mehrzahl der nur für die Schifffahrt geeigneten Klauseln, hatte der Verkäufer die Ware an Bord des vom Käufer benannten Schiffes im genannten Verschiffungshafen zu liefern.525 Der Gefahrübergang war dagegen zeitlich früher angesetzt und damit von der Lieferung entkoppelt. Er fand bereits mit Überschreitung der Schiffsreling im Verschiffungshafen statt.526 Der Gefahrübergang bei den Klauseln FCA, FAS, CPT und CIP vollzog sich bei den Incoterms 2000 dagegen mit Erfüllung der dem Verkäufer auferlegten Lieferverpflichtung.527 Eine derartige Unterscheidung im Bereich der Gefahrtragung findet sich in den Incoterms 2010 bei den Klauseln der Absendeverträge nicht mehr. Auch die Klauseln FOB, CFR und CIF knüpfen den Gefahrübergang inzwischen an die Erfüllung der Lieferung.528 Ob dies eine systematische Entscheidung für den dann nunmehr durchgängig angeordneten Gleichlauf von Lieferung und Gefahrtragung ist, muss jedoch bezweifelt werden. Vielmehr darf man den Grund für die Neuregelung darin sehen, dass die in den Vorgängerregelungen enthaltene Anknüpfung an das Überschreiten der Schiffsreling als nicht mehr zeitgemäß erachtet wurde.529 Lieferung und Gefahrübergang sind nach der Neuregelung abgeschlossen, wenn die Ware auf dem Schiffsboden abgestellt wurde, was der nunmehr zeitgemäßen Situation entspricht, im Gegensatz zu der etwas antiquierten Vorstellung, dass die Ware 524 Vgl. hierzu Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 163. 525 Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, FOB, Rn. 10; CFR, Rn. 12; CIF,
Rn. 1. Incoterms 2000, FOB, Rn. 15; CFR, Rn. 16; CIF, Rn. 1; Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 163. 527 Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, FCA, Rn. 44; FAS, Rn. 7, 8; CPT, Rn. 16; CIP, Rn. 1; Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 163. 528 Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, jeweils A 5. 529 Graf von Bernstorff, RIW 2010, 676. 526 Bredow/Seiffert,
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die Reling am Haken hängend überschreitet.530 Das Konfliktpotential der vielfach erörterten „Kranschwenkfälle“, wonach die Ware bereits schwebend über dem Schiff hing und anschließend durch eine Windböe wieder über die Reling zurückbefördert und dabei beschädigt wurde, hat sich hierdurch erledigt.531 Es geht bei der Neuregelung daher nicht um den konsequent einzuhaltenden Gleichlauf von Lieferung und Gefahrübergang, sondern diese Tatsache ist vielmehr Folge der Modernisierung der Handelsklauseln, um weiterhin Praxistauglichkeit zu gewährleisten.
bb) Unterschiedliche Zeitpunkte des Gefahrübergangs Zu den Klauseln FCA, FAS, CPT und CIP der Incoterms 2000, die den Gefahrenübergang auch in der älteren Fassung an den Abschluss der Lieferung anknüpfen, wird von Lögering vertreten, die Gefahr gehe mit Übergabe der Ware an den Transporteur über, gleichgültig ob dort die Lieferhandlung als „liefern“ (FCA lit. a, FOB; CIF), „zur Verfügung stellen“ (FCA lit. b, FAS) oder „übergeben“ (CPT, CIP) bezeichnet wird.532 Die „Übergabe“ würde die Erlangung des Besitzes durch den Transporteur erfordern und damit eine Ausdehnung der Gefahrtragung des Verkäufers bedeuten, verglichen mit einer bloßen „Zurverfügungstellung bzw. Bereitstellung“ der Ware am Übergabeort. Der Gleichstellung von Zurverfüngstellung und Übergabe ist jedoch schon zu den Incoterms 2000 nicht zuzustimmen.533 In den Incoterms 2000 wird in der englischen Fassung für die Erfüllung der Lieferverpflichtung bei einer FCA‑Klausel lit. b die Zurverfügungstellung der Ware mit „when the goods are placed at the disposal of the carrier“ beschrieben. Bei einer Lieferung gemäß der Klausel FAS hat der Verkäufer die Ware längsseits des bestimmten Schiffs bereitzustellen („place the goods alongside the vessel“). Bei den Klauseln CPT und CIP ist die Ware nach den Incoterms 2000 jeweils zu „liefern“ („deliver“), vgl. A 4. Soweit hier „liefern“ die Übergabe an den Frachtführer erfordert und damit Gewahrsam des Beförderers bedeutet, ist dem zuzustimmen.534 Dies wird durch 530 Graf
von Bernstorff, RIW 2010, 676.
531 Zwilling-Pinna, BB 2010, 2982. 532 Lögering, CISG und int. Handelsklauseln,
S. 163; siehe zur Auslegungsproblematik auch schon oben § 7 IV. 1.a). 533 Vgl. bereits oben zur Klausel EXW Al-Debʾi, Überseekauf und Abladegeschäft, S. 234; Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 284, 173; Piltz, RIW 2000, 487; Baumbach/Hopt/Hopt, 2. Teil: Handelsrechtliche Neben-gesetze, Incoterms und andere Handelskaufklauseln, Rn. 35; Coetzee, Incoterms as a form of standardisation in international sales law, S. 251, Fn. 118; Ramberg, J., Journal of Law and Commerce 25 (2005/06), 219, 220; Raymond, in: Kröll/ Mistelis/Viscasillas, Art. 69, Rn. 8; Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Pratice of International Trade, 2-002; Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, EXW, Rn. 15; Benjamin’s Sale of Goods, 21-002. 534 Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, S. 55, 2-040; Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, CPT, Rn. 13; CIP, Rn. 1.
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die Fortentwicklung zu den Incoterms 2010 manifestiert, indem die A 4-Pflicht der Klauseln CIP und CPT das Erfordernis der Übergabe deutlich benennt: Der Verkäufer hat die Ware zu liefern, indem er sie an den Frachtführer übergibt („deliver the goods by handing them over“). Für die Klauseln FCA und FAS wurden in den Incoterms 2010 zwar die A 4-Pflichten leicht umformuliert. Was die Art der Lieferung betrifft, blieb es allerdings im Wesentlichen beim bisherigen Wortlaut. Bei Verwendung der FCA lit. a liegt der Lieferort am Verkäufersitz und es wird vom Verkäufer die Verladung auf das Transportmittel gefordert, womit selbstverständlich der Frachtführer Gewahrsam erlangt. Selbiges ergibt sich auch bei der FOB‑Klausel, da durch die geschuldete Verladung der Ware an Bord des Schiffes535 auch Gewahrsam des Schiffsbeförderers begründet wird. Bei Verwendung von FCA lit. b ist die Zurverfügungstellung am Bestimmungsort („placed at the disposal“), bei FAS die Bereitstellung an der Längsseite des Schiffes erforderlich („placing them alongside the ship“). Die Ware muss hier nur dem Frachtführer entladebereit überlassen werden.536 Eine Inbesitznahme kann somit hier nicht gefordert werden. Von einer erweiterten Lieferpflicht durch den Verkäufer kann daher nur im Rahmen der FCA‑Klausel ausgegangen werden, soweit entsprechend der Variante A 4 lit. a der benannte Ort beim Verkäufer liegt und die Ware nach der ausdrücklichen Lieferverpflichtung zu verladen ist.537 Diese Differenzierung innerhalb der FCA‑Klausel rechtfertigt sich natürlich durch den unterschiedlichen Lieferort. Der Verkäufer wird durch FCA lit. a meist letztlich sogar weniger belastet als bei lit. b, da er die Ware nicht noch zum Bestimmungsort liefern muss, sondern die Lieferpflicht bereits an seinem Sitz erfüllt. Daher ist ihm die Aufbürdung der Gefahr während des Verladevorgangs zuzumuten. Zusammenfassend ist festzustellen, dass im Rahmen der Absendeverträge der Verkäufer bei Verwendung der FCA‑Klausel lit. a, der FOB‑Klausel und den C‑Klauseln die Gefahr durch seine weitreichenderen Lieferverpflichtungen länger zu tragen hat als bei den Klauseln FAS und FCA lit. b, bei der die Ware nur entladebereit zur Verfügung zu stellen ist. Diese Differenzierung innerhalb der Incoterms ist sinnvoll und macht gerade die Praktikabilität aus, indem sich die Pflichten und Anforderungen der einzelnen Klauseln leicht unterscheiden.
535 Bridge, The Sale of Goods, 6.10; Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, S. 18, 2-005; Benjamin’s Sale of Goods, 20-012; Coetzee, Journal of Law and Commerce 32 (2013), 12. 536 Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, FCA, Rn. 18c. 537 Vgl. hierzu schon die FCA‑Klausel beim Platzkauf.
§ 9 Versendungskauf
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IV. Zusammenfassung und Bewertung 1. Vorliegen eines Versendungskaufs a) Person des Beförderers Voraussetzung für das Vorliegen eines Versendungskaufs und der entsprechenden Normen zum Gefahrübergang ist in allen untersuchten Regelwerken die Einschaltung einer Person zur Beförderung.538 Die an diese Personen zu stellenden Anforderungen sind jedoch nicht exakt geregelt und bleiben somit der Klarstellung von Rechtsprechung und Schrifttum überlassen. Während die überwiegende Meinung im deutschen Recht den Anwendungsbereich des § 447 I BGB entgegen der hier vertretenen Ansicht auch eröffnet sieht, wenn eigenes Personal des Verkäufers mit der Beförderung beauftragt wird, lehnt die h. M. zum UN‑Kaufrecht dies ab. Gegen die Einbeziehung eigenen Personals spricht der vielen Gefahrtragungsregeln zugrundeliegende Sphärengesichtspunkt. Der Verkäufer hat noch eine verstärkte Kontrolle. Das deutsche Recht mildert diese Bedenken gegen die h. M. durch Ausweitung der Verkäuferhaftung ab, so dass den Interessen des Käufers Rechnung getragen wird. Der GEK‑Vorschlag orientiert sich dem Wortlaut nach am CISG, so dass sich dann wohl auch die dort überwiegend vertretene Auffassung durchsetzen dürfte. Ein deutlicherer Wortlaut hätte hier Zweifelsfragen beseitigen und damit einen beinahe klassischen Meinungsstreit verhindern können, was sicherlich zur Anwendungsfreundlichkeit beitragen würde. Streitfragen ergeben sich auch bei der möglichen Erstreckung auf Spediteure. Hier formuliert das deutsche Recht deutlicher und ordnet die Einbeziehung in den Anwendungsbereich positiv an.
b) Begriff des Versendungskaufs Unterschiede ergeben sich in sachlicher Hinsicht mit Blick auf die Einbeziehung der Beförderungsabrede in den Kaufvertrag. Während das deutsche Recht ein Versendungsverlangen erfordert,539 stellt das UN‑Kaufrecht auf das Erfordernis der Beförderung im Kaufvertrag ab540. Das UN‑Kaufrecht scheint hier auf den ersten Blick geringere Anforderungen zu stellen, im Ergebnis ist ein Unterschied aber kaum spürbar. Beide Regelwerken verlangen von den Parteien letztlich die Erzielung eines Konsens über die Beförderung. Die Verbraucherrechte-RL stellt in sachlicher Hinsicht für eine Definition des Versendungskaufs auf die tatsächliche Versendung ab.541 Im GEK‑Vorschlag ist auch im Bereich 538 Dazu
oben zum GEK‑Vorschlag § 9 I. 1.b); zum UN‑Kaufrecht § 9 I. 2.b); zum deutschen Recht sind die Anforderungen an diese Person str., nach hier vertretener Auffasung aber dritte Person erforderlich, vgl. § 9 I. 3.b). 539 Dazu oben § 9 I. 3.a). 540 Dazu oben § 9 I. 2.a). 541 Dazu oben § 9 I. 4.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
des sachlichen Anwendungsbereichs des Versendungskaufs der Umgang mit Begrifflichkeiten nicht gelungen. So finden sich in diesem Zusammenhang die Formulierungen des „Einschlusses der Beförderung in den Vertrag“ und die „Verpflichtung, für die Beförderung bis zum Käufer zu sorgen“. Im Bereich der B2B‑Geschäfte kommt es nur auf den „Einschluss der Beförderung in den Vertrag“ an, was verglichen mit den Formulierungen im deutschen Recht und im UN‑Kaufrecht keine sachlichen Änderungen bedeutet.542 Beim B2C‑Geschäft kann die Gegenüberstellung von „Einschluss der Beförderung“ und „Verpflichtung für die Beförderung zum Käufer zu sorgen“ zu Missverständnissen führen und dazu verleiten, verschiedene Formen des Versendungskaufs anzunehmen. Es ergeben sich dadurch auf dem Gebiet des Verbraucherversendungskaufs schwer lösbare Fragestellungen. So lässt sich fragen, ob die Verpflichtung des Verkäufers, „für die Beförderung zum Käufer zu sorgen“, überhaupt noch einen Versendungskauf darstellt. Durch Auslegung ist diese Form des Kaufs aber richtigerweise als Bringschuld und daher nicht als Versendungskauf zu identifizieren.543 Weiter muss gefragt werden, ob es beim Verbraucherkauf überhaupt noch einen Versendungskauf gibt. Letztlich ergibt sich aufgrund einer systematischen Auslegung, auch anhand der Gefahrtragungsregel des Art. 142 IV GEK‑ Vorschlag, dass auch bei B2C‑Geschäften ein Vertrag möglich, der die „Beförderung einschließt“ und damit einen Versendungskauf darstellt.544
2. Gefahrübergang bei Verbraucherkaufverträgen a) Übergabe und Besitzerlangung Die untersuchten Regelwerke verwenden bei Verbraucherkaufverträgen unterschiedliche Begrifflichkeiten zur Bestimmung des Zeitpunkts für den Gefahrübergang. Während das deutsche Recht die „Übergabe“ fordert, geht die Gefahr nach GEK‑Vorschlag und Verbraucherrechte-RL grundsätzlich mit Erlangung des Besitzes über.545 Dies führt unweigerlich zu der Frage, ob sich aus der unterschiedlichen Terminologie auch ein zeitpunktbezogener Unterschied ergibt. Durch den Bezug auf die „Besitzerlangung“ stellt sich außerdem die Frage, inwieweit ein sachenrechtlicher Kontext gegeben ist. Es erstaunt, dass gerade die Verbraucherrechte-RL und der GEK‑Vorschlag, die jeweils nur das Kaufrecht zum Gegenstand haben und sachenrechtliche Fragen explizit ausklammern, sich auf eine sachenrechtlich geprägte Begrifflichkeit beziehen. Demgegenüber knüpft das BGB, welches das Sachenrecht umfangreich regelt, an den diesbezüglich neutralen Begriff der „Übergabe“ an. 542 Dazu
oben § 9 I. 1.a)bb). oben § 9 I. 1.a)aa). 544 Dazu oben § 9 I. 1.a)bb) und § 9 I. 1.a)cc). 545 Dazu oben zum GEK‑Vorschlag § 9 II.1.a); zur Verbraucherrechte-RL § 9 II.2.a)aa); zum deutschen Recht § 9 II.3.a). 543 Dazu
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Im Hinblick auf die sachenrechtliche Bedeutung ist interessant, inwieweit sich die Einbeziehung Dritter auf den Gefahrübergang auswirkt. Diese Frage beantworten Verbraucherrechte-RL und GEK‑Vorschlag zwar nicht unmittelbar. Das Problem wird aber gelöst, indem die Einbeziehung von Dritten in Art. 20 S. 1 Verbraucherrechte-RL und Art. 142 I GEK‑Vorschlag ausdrücklich erwähnt wird. Ihre Besitzerlangung ist für den Übergang der Gefahr ebenfalls ausreichend, soweit sie vom Verbraucher bezeichnet wurden.546 Im BGB erreicht man deren Einbeziehung durch das Institut des Besitzdieners. Soweit der Besitzdiener die tatsächliche Sachherrschaft erhält, liegt ebenfalls eine Übergabe vor.547 Wenn auch das sachenrechtliche Problem entschärft werden kann, so ist dennoch anzumerken, dass aus Gründen der Anwendungserleichterung der europäischen Vorschriften eine neutralere Terminologie begrüßenswert wäre. Vor dem Hintergrund der Anwenderfreundlichkeit, wie auch der Bestimmung des genauen Zeitpunkts des Gefahrübergangs, ist der Umgang der europäischen Vorschriften mit Begrifflichkeiten insgesamt als sehr unglücklich zu bewerten. Im Kontext der verwandten Bereiche von Lieferung und Gefahrtragung verwendet die Verbraucherrechte-RL in zwei Normen vier Begriffe („physischen Besitz“, „Kontrolle erlangen“, „Besitz“ und „Übergabe“). Der GEK‑Vorschlag verwendet immerhin noch drei Begrifflichkeiten im Bereich des B2C‑Versendungskaufs („Besitz“ „Kontrolle erlangen“ und „Übergabe“). Hier bezieht sich die Erlangung der Kontrolle aber nur auf nicht auf einem materiellen Datenträger gespeicherte digitale Inhalte und muss daher in diesem Zusammenhang ausgeklammert werden.548 Auch dann bleiben jedoch noch zwei Begrifflichkeiten. In der Verbraucherrechte-RL deutet vieles darauf hin, die Besitzerlangung durch den Verbraucher mit dem Begriff des physischen Besitzes gleichzusetzen. Die Besitzerlangung in Art. 142 I GEK‑Vorschlag bedeutet ebenfalls eine Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Ware, wie die englische Sprachfassung „physical possession“ zeigt.549 Die Begriffe sind daher deckungsgleich. Der Begriff der Übergabe, der für die Ausnahmeregelungen der Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL, 142 IV GEK‑Vorschlag verwendet wird, weist zu diesem Verständnis ebenfalls keine sachlichen Unterschiede auf. Der Rechtsanwender ist geneigt, eine unterschiedliche Bedeutung der Begrifflichkeiten anzunehmen, gerade wenn innerhalb eines Regelwerks unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet werden. Einheitlichkeit in der Wahl der Begrifflichkeiten wäre daher wünschenswert. 546 Dazu 547 Dazu
oben zum GEK‑Vorschlag § 9 II.1.a); zur Verbraucherrechte-RL § 9 II.2.a)bb). schon oben beim Platzkauf § 7 III.3.b). 548 Dass der Begriff „Kontrolle erlangen“ im GEK‑Vorschlag nur für nicht auf einem materiellen Datenträger gespeicherte Inhalte verwendet wird, während er in der Verbraucherrechte-RL für Waren als körperliche Gegenstände verwendet wird, ist freilich auch verwirrend. 549 Vgl. hierzu oben beim Platzkauf § 7 II.4.b).
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
b) Grundregel: Transportgefahr trägt der Unternehmer Dem deutschen Recht, dem GEK‑Vorschlag und der Verbraucherrechte-RL liegen bei der Entscheidung für den Zeitpunkt des Gefahrübergangs beim Verbraucherkaufvertrag die gleichen Grundsätze und Wertungen zugrunde, indem sie als Grundregel die Transportgefahr dem Verkäufer aufbürden. Auch wenn sie unterschiedliche Begrifflichkeiten verwenden, ist hier ein sachlicher Unterschied nicht auszumachen.550
c) Tragung der Transportgefahr durch den Verbraucher Das deutsche Recht kannte eine Ausnahmeregelung, wie sie vom europäischen Gesetzgeber in Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL, Art. 142 IV GEK‑Vorschlag vorgesehen ist, noch nicht. Durch den Ansatz der Vollharmonisierung entstand hier aber Anpassungsbedarf, der vom Gesetzgeber erkannt und in § 474 IV BGB a. F. (§ 475 II BGB n. F.) umgesetzt wurde.551 Die deutsche Vorschrift ist zweifelsfreier formuliert als die entsprechenden europäischen Vorschriften, so dass ein Wertungswiderspruch vermieden wird.552 Das deutsche Recht war ohne die erforderlich werdende Anpassung beim Versendungskauf verbraucherfreundlicher. Ohne die durch die Verbraucherrechte-RL nötig gewordene Änderung wäre das deutsche Recht daher verbraucherfreundlicher als der GEK‑Vorschlag gewesen. Dieser wiederum hätte aus Unternehmersicht beim Versendungskauf einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem deutschen Recht gehabt, der nun aber beseitigt ist. Zur Erreichung des vom GEK‑Vorschlag erstrebten hohen Verbraucherschutzniveaus, trägt die Vorschrift des Art. 142 IV GEK‑Vorschlag nicht bei. Sie führt jedoch zu einem Gleichlauf des Gefahrübergangs mit dem Platzkauf und ist daher vor dem Hintergrund zu begrüßen, dass die schwierige Abgrenzung zwischen Platzkauf und Versendungskauf in den Fällen der Transportorganisation durch den Käufer – ob also Holschuld oder Schickschuld vorliegt553 – im Hinblick auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs irrelevant ist.
d) Konkretisierungserfordernis Was eine Konkretisierung der Ware als Tatbestandsvoraussetzung für den Gefahrübergang betrifft, so wurde vergleichend festgestellt, dass der Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht in Art. 141 eine solche Voraussetzung enthält, während er in der Verbraucherrechte-RL nicht verankert ist. Die Frage der Konkretisierung tritt im Rahmen des Versendungskaufs bei Ver550 Dazu
oben zum GEK‑Vorschlag § 9 II.1.a); zur Verbraucherrechte-RL § 9 II.2.a)aa); zum deutschen Recht § 9 II.3.a). 551 Dazu oben § 9 II.3.b). 552 Zum Wertungswiderspruch im GEK‑Vorschlag und in der Verbraucherrechte-RL siehe § 9 II.1.b)bb), § 9 II.1.b)cc) und § 9 II.2.a)bb); zur Umsetzung im deutschen Recht § 9 II.3.b). 553 Zu dieser Abgrenzungsproblematik siehe schon bei der Typenbildung § 6 II.3.a).
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braucherverträgen auf, soweit noch nicht eindeutig zugeordnete, gleichartige Ware an mehrere Verbraucher befördert wird und die Ausnahmevorschriften des Gefahrübergangs, Art. 142 IV GEK‑Vorschlag, 20 S. 2 VerbraucherrechteRL, eingreifen, wonach der Verbraucher die Transportgefahr tragen soll.554 Das Konkretisierungserfordernis des Art. 141 GEK‑Vorschlag verhindert hier den Gefahrübergang. Die Verbraucherrechte-RL überlässt die Entscheidung darüber den nationalen Rechtsordnungen, was jedoch nicht zu Ergebnissen führt, die den Verbraucher trotz fehlender Konkretisierung mit der Transportgefahr belasten würden, da alle europäischen Rechtssysteme die Voraussetzung der Konkretisierung kennen. Im deutschen Recht ist ein Gefahrübergang der Ware vor eindeutiger Zuordnung zu einem Vertrag grundsätzlich nicht möglich, was zwar nicht ausdrücklich in den Vorschriften zur Preisgefahr geregelt ist, aber sich aus der Voraussetzung der Aussonderung für den Übergang der Leistungsgefahr bei Gattungsware ergibt. Die Preisgefahr kann vorher nicht übergehen, so dass auch hier eine Konkretisierung Voraussetzung für den Übergang der Preisgefahr ist.555 Die Frage wurde aber durch die bisherige Rechtslage auch nicht relevant, da ein frühzeitiger Gefahrübergang nicht vorgesehen war. Durch die Änderungen der Rechtslage dürften in den seltenen Fällen einer vom Verbraucher organisierten Versendung von Massengut für die Konkretisierung dann die Grundsätze gelten, die jetzt auch schon im B2B‑Geschäft gelten. Dann wird man an die Aussonderung auch beim Verbrauchervertrag geringere Anforderungen stellen müssen, soweit die Versendung von Massengut vereinbart wurde oder handelsüblich ist.556
3. Gefahrübergang bei Unternehmerkaufverträgen a) Tragung der Transportgefahr durch den Käufer Alle untersuchten Regelwerke eint im Bereich der Unternehmerkaufverträge die grundsätzliche Zuweisung der Transportgefahr an den Käufer.557 Die Regelung folgt wiederum dem Gedanken, dass der Verkäufer die Gefahr trägt, solange er die Ware in seinem Gewahrsam hat. Befindet sich die Ware bei der mit dem Transport beauftragten Person, so hat der Verkäufer zumindest keine unmittelbare Sachgewalt mehr.
554 Dazu
oben zum GEK‑Vorschlag § 9 II.1.c); zur Verbraucherrechte-RL § 9 II.2.b). oben § 4 III und § 5 I. 2. 556 Siehe hierzu beim Unternehmerkauf § 9 III.3.c). 557 Dazu oben zum UN‑Kaufrecht § 9 III.1; zum GEK‑Vorschlag § 9 III.2; zum deutschen Recht § 9 III.3; zu den Incoterms § 9 III.4. 555 Dazu
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
b) Bestimmung des Absendeortes Beim Versendungskauf unterscheiden CISG und GEK‑Vorschlag tatbestandsmäßig danach, ob der Absendeort bestimmt ist und richten daran die Gefahrtragung aus, vgl. Art. 67 I 1, 2 CISG, Art. 145 II, III GEK‑Vorschlag. Ist der Ort der Übergabe nicht bestimmt, so wird die Ware zwar häufig am Sitz des Verkäufers übergeben werden, zwingend ist dies indes nicht. Die Gefahr kann bei unbestimmtem Absendeort auch an einem dritten Ort übergehen, soweit sie dem Beförderer dort übergeben wird.558 Das deutsche Recht geht von einer Versendung vom Erfüllungsort aus.559 Wird die Ware von einem anderen Ort als dem Erfüllungsort gesendet, soll Gefahrübergang an diesem Ort nur stattfinden, soweit der Käufer sich damit einverstanden erklärt.560 Dies entspricht dann im Ergebnis einer Vereinbarung über den Ort der Versendung und damit den Regelungen der Art. 67 I 2 CISG, 145 III GEK‑Vorschlag. Zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen deutsches Recht einerseits und UN‑Kaufrecht und Gemeinsames Europäisches Kaufrecht andererseits also, wenn ohne eine entsprechende Vereinbarung die Ware dem Beförderer an einem anderen Ort als dem Sitz des Verkäufers übergeben wird. Nach dem deutschen Recht ist ein Gefahrübergang dann abzulehnen, während nach den Kaufrechtsregelungen die Transportgefahr dennoch vom Käufer zu tragen ist, Art. 67 I 1 CISG, Art. 145 II GEK‑Vorschlag. Regelungstechnisch ist fraglich, ob es nötig ist, wie das UN‑Kaufrecht und der GEK‑Vorschlag, eine eigenständige Regelung für einen bestimmten Übergabeort vorzusehen. Gibt es eine Abrede über die Übergabe an einem bestimmten Ort, so ergibt meist schon die Auslegung des Vertrags, dass auch die Gefahr erst an diesem Ort übergehen soll. Es ist allerdings ein Vorteil der Regelungen der Kaufrechtskodifikationen, dass bei unbestimmtem Ort keine Streitigkeiten wie im deutschen Recht darüber entstehen, ob Gefahrübergang nur am Erfüllungsort erfolgen kann.
c) Die den Gefahrübergang bewirkende Handlung Zwar gibt es Unterschiede zwischen den Regelwerken, was den Ort des Gefahrübergangs betrifft. Die den Gefahrübergang bewirkende Handlung ist indes die Gleiche. Auch wenn die Terminologie nicht identisch ist, wird auf die Verbringung der Ware in die Obhut der befördernden Person abgestellt. Zudem ist allen Regelwerken gemein, dass die Ware zum Zwecke der Übersendung an den Käufer übergeben werden muss. Bewirkt der Verkäufer unterwegs eine Zweckänderung, so reist die Ware rückwirkend auf Gefahr des Verkäufers.561 558 Dazu
oben zum UN‑Kaufrecht § 9 III.1.a); zum GEK‑Vorschlag § 9 III.2.a). oben § 9 III.3.b). 560 Str. siehe hierzu aber oben § 9 III.3.b). 561 Dazu oben zum UN‑Kaufrecht § 9 III.1.a); zum GEK‑Vorschlag § 9 III.2.c); zum deutschen Recht § 9 III.3.a). 559 Dazu
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d) Detaillierte Regelungen in den F- und C‑Klauseln der Incoterms Wollen die Vertragsparteien feiner ausdifferenzierte Regelungen, können sie im Bereich des Versendungskaufs auf Incoterms aus zwei Klauselgruppen zurückgreifen. Durch die Fortentwicklung in den Incoterms 2010 ist bei allen Klauseln der F- und C‑Klauseln ein Gleichlauf von Lieferung und Gefahrübergang gegeben.562 Die Lieferverpflichtungen unterscheiden sich hinsichtlich der Reichweite und sind auf die verwendeten Transportmittel zugeschnitten. Eine Übergabe im Sinne einer Inbesitznahme durch den Beförderer, wie es deutsches Recht, UN‑Kaufrecht und GEK‑Vorschlag vorsehen, findet bei den C‑Klauseln sowie der FOB‑Klausel statt. Bei den Klauseln FCA lit. b (an einem dritten Ort) und FAS hat der Verkäufer die Sache zur Ladung bereitzustellen und dadurch weniger Anstrengungen zu unternehmen, um den Gefahrübergang zu bewirken. Allerdings hat er die Ware jeweils an diesen Ort zu befördern. Die mit Art. 67 I 2 CISG vergleichbaren F‑Klauseln regeln den Gefahrübergang hinsichtlich der geschuldeten Handlung exakter als das CISG.563 Durch die Überarbeitung wurden gerade in den C‑Klauseln der Incoterms Auslegungsschwierigkeiten beseitigt.564 Probleme hinsichtlich des Ortes des Gefahrübergangs sollten bei den Klauseln der F‑Gruppe nicht auftreten, da alle Klauseln vorsehen, den Lieferort oder den Verschiffungshafen anzugeben. Bei den Klauseln der C‑Gruppe sind hingegen lediglich Bestimmungsort oder Bestimmungshafen anzugeben.565 Gefahrübergang findet jedoch am Lieferort statt. Den Parteien ist zur Vermeidung von Problemen zu raten, den Lieferort exakt zu bezeichnen.
e) Konkretisierungserfordernis Alle drei Kodifikationen kennen ein Individualisierungserfordernis als Voraussetzung des Übergangs der Preisgefahr. Im GEK‑Vorschlag ist dies regelungstechnisch elegant vor die Klammer gezogen. Im deutschen Recht folgt es aus der Regelung zur Leistungsgefahr. Probleme ergeben sich beim Versendungskauf im Falle von Lieferungen, bei denen Ware bis zur endgültigen Ablieferung schon aufgrund ihrer Natur nicht konkretisiert werden kann, beispielsweise Schüttgut. Bei der Lösung des Problems ist man sich zu allen Kaufrechtsregimen einig, jedenfalls durch Versendung einer Verladeanzeige die Konkretisierung als bewirkt anzusehen und die Gefahr auf den Käufer übergehen zu lassen.566 Die Unterschiede liegen in der Ausgestaltung von Details. Indem das CISG bei Mitteilungen auf den Zeitpunkt der Versendung abstellt, kann zumin562 Dazu oben § 9 III.4.b)aa). 563 Coetzee, Journal of Law and 564 Dazu oben § 9 III.4.b)bb). 565 Weick, ZJS 2012, 587.
Commerce 32 (2013), 12.
566 Dazu oben zum UN‑Kaufrecht § 9 III.1.c); zum GEK‑Vorschlag § 9 III.2.b); zum deutschen Recht § 9 III.3.c).
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
dest bei gleichzeitiger Absendung von Ware und Verladeanzeige eine Splittung der Gefahrtragung vermieden werden. Im deutschen Recht sollte man sich im Interesse der Rechtssicherheit der Meinung anschließen, welche bei Zugang der Mitteilung nach Absendung der Ware einen rückwirkenden Gefahrübergang zulässt. Durch das Abstellen auf den Zugang einer Mitteilung für deren Wirksamkeit gem. Art. 10 III GEK‑Vorschlag droht eine Splittung der Gefahrtragung. Ob der Verordnungsgeber hier eine Gelegenheit verstreichen ließ, Rechtsunsicherheiten zu beseitigen bzw. Streitfragen zu klären, ist dennoch zu bezweifeln. Die Anknüpfung der Wirksamkeit von Mitteilungen an den Zugang beim Empfänger ist jedenfalls generell die sachgerechtere Lösung, zumal der GEK‑ Vorschlag eben auch für Verbrauchergeschäfte gilt. Auch kann nicht jedes potentiell auftretende Problem im Kapitel über den Gefahrübergang rechtspositiv gelöst werden. Die Problematik sollte also durch Auslegung gelöst werden. Hier empfiehlt sich, mit dem Zugang der Verladeanzeige einen rückwirkenden Gefahrübergang anzunehmen, um Beweisprobleme und Rechtsstreitigkeiten über den Zeitpunkt der Schadensentstehung zu vermeiden. Eine Rückwirkung, die den Gefahrtragungsregeln des GEK‑Vorschlags durchaus bekannt ist. Beim Verkauf reisender Ware lässt Art. 146 II 1 GEK‑Vorschlag die Gefahr rückwirkend mit Übergabe an den Beförderer übergehen.
4. Überzeugende Regelungen aus Wertungsgesichtspunkten? Die Tragung der Transportgefahr durch den Käufer gilt im Handelsverkehr weithin als international anerkannt.567 Entstehungsgeschichtlich lässt sich diese Grundsatzentscheidung aus dem wirtschaftlichen Schutz des Handelsstands erklären, in rechtsdogmatischer Hinsicht aus der damals geltenden Grundregel periculum est emptoris, da ein Versand erst nach Vertragsschluss in Betracht kam.568 Da alle untersuchten Regelwerke aber nicht mehr dem Prinzip periculum est emptoris, sondern im Grundsatz dem Traditionsprinzip folgen, ist die Tragung der Transportgefahr durch den Käufers vor diesem Hintergrund zu betrachten. Das unmittelbare Innehaben der Sachgewalt kann dies nur bedingt begründen, da während des Transports weder der Verkäufer noch der Käufer Gewalt über die Ware ausüben kann. Ein Gefahrübergang auf den Käufer mit Übergabe an die Transportperson erschließt sich nur aus der Ausgliederung der Ware aus dem unmittelbaren Herrschaftsbereich des Verkäufers. Eine Lockerung der Einflussmöglichkeit des Verkäufers bedeutet aber nicht zugleich eine gesteigerte Einflussmöglichkeit des Käufers auf die Ware. Soweit die Tragung der Preisgefahr durch den Käufer auf dem Transport kritisiert oder in Frage 567 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 81, Fn. 38 m. w. N.; Schlechtriem/Schwenzer/ Hager/Maultzsch, Art. 67, Rn. 3. 568 Vgl. hierzu Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 102 ff.
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gestellt wird,569 wird argumentiert, das für die Gefahrverteilung wichtige Element der Sachherrschaft spricht gerade für eine Belastung des Verkäufers mit der Transportgefahr.570 Dies ist nicht unbegründet, da die Versendung in seinen Herrschaftsbereich fällt, er somit geeigneter Schäden vorsorgen kann und auch das Verfügungsrecht über die Ware während des Transports weiterhin häufig bei ihm liegt.571 Gegen den Gefahrübergang mit Übergabe an den Beförderer wird auch die einfachere Auseinandersetzung zwischen Verkäufer und Beförderer hinsichtlich der Haftung für die Transportschäden und die fehlende Versicherungspflicht des Verkäufers angeführt.572 Zumindest im deutschen Recht ist eine erleichterte Auseinandersetzung zwischen Verkäufer und Beförderer bei Haftungsfragen aber inzwischen abzulehnen, da § 421 I 2 HGB auch den Empfänger zur Geltendmachung der Ansprüche berechtigt. Was die Versicherungspflicht betrifft, so ist der Verkäufer nicht grundsätzlich zum Abschluss einer Transportversicherung verpflichtet, wie sich im Umkehrschluss aus den Art. 96 III GEK‑Vorschlag, 32 III CISG ergibt. Wird die Tragung der Transportgefahr im B2B‑Geschäft schon teilweise kritisiert, so wird die Abwälzung des Transportrisikos auf einen Verbraucher teilweise als besonders unpassend empfunden.573 Gerade die Tragung der Transportgefahr durch den Verbraucher ordnen Verbraucherrechte-RL und Art. 142 IV GEK‑Vorschlag in den Fällen der Selbstorganisation an. Im Unternehmergeschäft kann angenommen werden, dass auch ohne die Abschlusspflicht einer Transportversicherung durch den Verkäufer regelmäßig ein Austausch der Parteien über eine Transportversicherung stattfinden wird und die Ware wohl versichert wird. Zudem sehen die Art. 96 III GEK‑Vorschlag, 32 III CISG vor, dass dem Käufer die nötigen Auskünfte zum Abschluss einer Versicherung auf dessen Verlangen erteilt werden müssen. Bei Beteiligung eines geschäftlich unerfahreneren Verbrauchers kann dies hingegen nicht zwingend angenommen werden. Wird er nicht vom Unternehmer oder dem von ihm beauftragten Beförderer darauf hingewiesen, so dürfte er sich des Transportrisikos und der Versicherbarkeit nicht unbedingt bewusst sein. Zudem wird es letztlich eine Frage des Wertes der gekauften Ware sein, ob sich eine Versicherung für ihn aus Kostengründen lohnt und ob es für eine derartige Einzelversicherung überhaupt entsprechende Angebote der Versicherer gibt. Im Endeffekt stehen sich bei der Frage, welche Person das Transportrisiko tragen soll, zwei Prinzipien der Gefahrtragung gegenüber. Für die Tra569 Krückmann, Gewährschaft, Gefahrtragung und der Entwurf eines einheitlichen Kaufgesetzes, S. 53 ff.; U. Huber, RabelsZ 43 (1979), 459; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 101 ff. 570 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 105, 106. 571 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 106. 572 U. Huber, RabelsZ 43 (1979), 459. 573 U. Huber, RabelsZ 43 (1979), 459; siehe hierzu schön auch Kötz, Vertragsrecht, Rn. 842.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
gung durch den Verkäufer würde das Prinzip der Beherrschbarkeit sprechen. Zwar hat keine der Parteien mehr unmittelbare Sachherrschaft, der Verkäufer hat aber die größeren Einfluss- und Vorsorgemöglichkeiten. In den Fällen, in denen nach Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL und Art. 142 IV GEK‑Vorschlag der frühe Gefahrübergang auf den Käufer vorgesehen ist, findet zwar die Versendung immer noch im Herrschaftsbereich des Verkäufers statt, er hat aber gerade kein Verfügungsrecht mehr über die Ware während des Transports. Insofern ist die Einflussmöglichkeit des Verkäufers eingeschränkt. Für die Tragung durch den Käufer wird die bessere Beweisführung beim Auftreten der Schäden angeführt.574 Die Tragung der Transportgefahr wird dem Käufer zudem durch Grundsätze der Beweislastverteilung erleichtert. So trägt grundsätzlich der Verkäufer die Beweislast dafür, dass die Ware im Zeitpunkt der Übergabe an den Beförderer in ordnungsgemäßem Zustand ist und auch ordnungsgemäß versandt wird.575 Anderes gilt gem. § 363 BGB nur, wenn der Käufer die Ware als Erfüllung angenommen hat. Dann hat der Käufer die Mangelhaftigkeit der Sache bei Gefahrübergang zu beweisen, nicht nur, wenn er als Kläger im Sachmängelprozess auftritt, sondern auch, wenn er sich gegen eine Kaufpreisklage zur Wehr setzt.576 Unter Berücksichtigung der verschiedenen Prinzipien und Abwägungskriterien ist zusammenzufassen, dass zwar die bessere Beherrschbarkeit des Transports für eine Tragung der Transportgefahr durch den Verkäufer spricht. Dieses Kriterium ist aber gerade in den Fällen des selbstorganisierten Transports beim Verbraucherkauf, in denen nun der Verbraucher die Gefahr tragen soll, deutlich eingeschränkt, so dass sich die Gefahrzuweisung an den Käufer rechtfertigt. Aus Praktikabilitätsgründen ist es aufgrund der besseren Beweisführung ohnehin sinnvoller, die Gefahr dem Käufer zuzuweisen. Die Argumente der besseren Versicherbarkeit und das Nichtvorliegen einer Versicherungspflicht für den Verkäufer können im unternehmerischen Verkehr ebenfalls nicht die Tragung der Gefahr durch den Verkäufer rechtfertigen. In den Fällen der Selbstorganisation des Transports durch den Käufer spielt die Frage der Abgrenzung von Platzkauf und Versendungskauf im Hinblick auf den Gefahrübergang keine Rolle, da jedenfalls der Käufer die Transportgefahr trägt. Der Verkäufer hat zudem bereits am Leistungsort seine Lieferpflicht erfüllt. Die Tragung der Transportgefahr durch den Käufer und die Erweiterung des Risikos in den Ausnahmefällen des Verbraucherkaufes überzeugen daher auch wertungsmäßig.
574 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, Art. 67,
Rn. 3.
575 BGH 05.12.1990, NJW 1991, 916; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 27; Staudin-
ger/Beckmann, § 447, Rn. 48; § 434, Rn. 195; BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 27; zum CISG: MünchKomm/P. Huber, Art. 67, Rn. 21. 576 Staudinger/Beckmann, § 434, Rn. 192.
§ 10 Verkauf reisender Ware
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§ 10 Verkauf reisender Ware Schließen die Parteien einen Kaufvertrag über Ware, die sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf dem Transport befindet, so spricht man vom Verkauf reisender Ware.577 Je nach Transportart spricht man auch vom Verkauf schwimmender578, rollender579 oder fliegender580 Ware. Diese Abwicklungsform weist in praktischer Hinsicht Ähnlichkeit mit dem Versendungskauf auf und wird daher teilweise auch als Unterform betrachtet.581 Gerade im Bereich des Rohstoffhandels entsteht durch sich schnell verändernde Preise an Börse und Warenterminmärkten ein Bedürfnis für den Kauf und Verkauf von Ware während des Transports.582 Häufige Fälle des Verkaufs reisender Ware sind die vom ursprünglichen Käufer vor der Warenankunft weiterverkaufte Ware583 oder die Verschiffung von Ware, bevor eine endgültige Disposition des Verkäufers stattgefunden bzw. der Verkäufer sich eine anderweitige Verfügung vorbehalten hat584. Die Bedeutung des Verkaufs reisender Ware führte dazu, dass man gerade für den internationalen Handel gesonderte Gefahrtragungsvorschriften für diese Abwicklungsform geschaffen hat. Bereits das EKG enthielt mit Art. 99 EKG eine spezielle Vorschrift für schwimmende Ware, auch das UN‑Kaufrecht und der GEK‑Vorschlag enthalten nun gesonderte Regelungen für den Verkauf reisender Ware. Vereinbaren die Parteien beim Verkauf reisender Ware allerdings ausdrücklich eine Bringschuld, ergibt sich schon aus dem dispositiven Charakter der Vorschriften ein abweichender Zeitpunkt des Gefahrübergangs und es verbleibt bei den Regelungen des Fernkaufs.585
577 Vgl. nur MünchKomm/P. Huber, Art. 68, Rn. 1; Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 22; Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 1. 578 Vgl. nur Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 2. Band, S. 344; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 142; Dölle/Neumayer, Art. 99, Rn. 8. 579 Vgl. nur Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 2. Band, S. 343; Achilles, Art. 68, Rn. 2. 580 Vgl. nur Achilles, Art. 68, Rn. 2: Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 7; Herber/Czerwenka, Art. 68, Rn. 2; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 68 CISG, Rn. 5. 581 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 142. 582 Rudolph, Art. 68, Rn. 1; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 69; ZwillingPinna, BB 2010, 2982; Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 200. 583 Vgl. zu den besonders relevanten CIF‑Klauseln Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 2. Band, S. 343; Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, S. 36, 2-020; Benjamin’s Sale of Goods, part seven, 19-011. 584 Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 68, Rn. 4; Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 2. Band, S. 343. 585 Zum Gefahrübergang beim Fernkauf siehe oben § 8.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
I. UN‑Kaufrecht 1. Regelungsgegenstand und Zeitpunkt des Gefahrübergangs a) Anwendungsbereich Das UN‑Kaufrecht regelt den Übergang der Preisgefahr beim Verkauf reisender Ware gesondert in Art. 68 CISG. Der sachliche Anwendungsbereich für den Verkauf reisender Ware ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift („wird Ware, die sich auf dem Transport befindet, verkauft“). Von auf dem Transport befindlicher Ware ist ab dem Zeitpunkt der Übergabe an einen Beförderer auszugehen, die Ware muss also noch nicht verladen sein oder tatsächlich reisen.586
b) Gefahrübergang mit Vertragsschluss Der Gefahrübergang wird beim Verkauf reisender Ware gem. Art. 68 S. 1 CISG grundsätzlich an den Zeitpunkt des Vertragsschlusses über die reisende Ware angeknüpft. Es kommt also zu einer auf dem Transport gesplitteten Gefahrtragung. Aus der Tatsache, dass Verkäufer und Käufer bei sich auf dem Transport befindlicher Ware den Zustand der Ware im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht prüfen können, resultieren Beweisprobleme hinsichtlich des Zeitpunkts einer etwaigen Zerstörung oder Beschädigung der Ware.587 Kommt die Ware beschädigt beim Käufer an, so stellt sich die Frage, ob die Ware auf dem Transport vor oder nach Vertragsschluss beschädigt wurde. Dies verdeutlicht folgender Beispielsfall: Ein deutscher Getreidehändler lässt sich von seinem Lieferanten aus den USA mit dem Schiff Getreide nach Hamburg liefern. Als der Lieferant ihm anzeigt, dass die Ware verschifft wurde und zu einem bestimmten Datum in Hamburg eintreffen wird, verkauft der deutsche Getreidehändler die Ware an einen dänischen Abnehmer. Bei Untersuchung des Getreides nach Ankunft in Hamburg stellt sich heraus, dass ein Teil der Ladung durch eingedrungene Feuchtigkeit unbrauchbar geworden ist. Es wird für die Parteien nun äußerst schwierig festzustellen sein, ob und wenn ja welche Menge des Getreides bereits bei Vertragsschluss unbrauchbar war. Art. 68 S. 1 CISG bedarf daher der Ergänzung.
c) Rückwirkender Gefahrübergang „falls die Umstände diesen Schluß nahelegen“ Gem. Art. 68 S. 2 CISG wird die Gefahr „jedoch bereits im Zeitpunkt der Übergabe der Ware an den Beförderer, der die Dokumente über den Beförderungsvertrag ausgestellt hat, von dem Käufer übernommen, falls die Umstände die586 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 2; Staudinger/ Magnus, Art. 68, Rn. 6; MünchKomm/P. Huber, Art. 68, Rn. 3. 587 Sekretariatskommentar, Art. 80 Nr. 1.
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sen Schluß nahelegen“. Der Gefahrübergang hat dann schon vor Abschluss des Kaufvertrages stattgefunden.588 Die Rückwirkung des Gefahrübergangs und damit die Tragung der Gefahr durch den Käufer auf der gesamten Strecke haben den praktischen Vorteil, dass der Zustand der Ware bei Übergabe an den Transporteur leichter festzustellen ist.589 In obigem Beispiel wird dies deutlich: Bei Kaufvertragsschluss war die Ware bereits verschifft. Stellt man nun auf den Zeitpunkt der Übergabe an den Beförderer ab, liegt ein für den Käufer rückwirkender Gefahrübergang vor. Da das Getreide vor Verschiffung kontrolliert und dokumentiert wurde, können die Parteien feststellen, dass das Getreide bei Verschiffung vertragsgemäß war. Allgemein wird angenommen, dass der Gefahrübergang mit Vertragsschluss nach Satz 1 den Regelfall darstellt und Satz 2 die Ausnahme normiert.590 Das Verhältnis von Satz 1 und Satz 2 des Art. 68 CISG ergibt sich jedoch nicht aus dem Wortlaut, was an der vagen Formulierung des Satz 2 liegt.591 Wenn der rückwirkende Gefahrübergang zwar praktikabler ist, aber nur ausnahmsweise stattfinden soll, ist zu untersuchen, wann „Umstände diesen Schluss nahelegen“.
aa) Entstehungsgeschichte Zur Untersuchung dieser Frage, ist auch ein Blick in die Entstehungsgeschichte der Norm hilfreich.592 In Art. 99 EKG und auch in Art. 80 des UNCITRAL‑ Entwurfs eines Übereinkommens über internationale Warenkaufverträge gab es noch kein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis, sondern ausschließlich die Regelung, dass die Gefahr rückwirkend übergeht.593 Da der Käufer beim rückwirkenden Gefahrübergang die Transportgefahr eine längere Strecke zu tragen hat, waren vor allem importorientierte Staaten für einen Gefahrübergang zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.594 Denn der importierende Käufer übernimmt im Falle einer Rückwirkung des Gefahrübergangs letztlich Risiken, die schon in die Zeit vor Vertragsschluss fallen.595 Entscheidender Kritikpunkt an dem rückwirkenden Gefahrübergang war die Tatsache, dass der Käufer die Gefahr für 588 Ferrari/Mankowski,
Int. Vertragsrecht, Art. 68 CISG, Rn. 11.
589 Sekretariatskommentar, Art. 80 Nr. 1. 590 Vgl. statt vieler nur MünchKomm/P. Huber,
Art. 68, Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 10; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 68 CISG, Rn. 11; BeckOK BGB/ Saenger, Art. 68, Rn. 1. 591 Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 397; MünchKomm/P. Huber, Art. 68, Rn. 8. 592 Vgl. dazu auch Honnold/Flechtner, Art. 68, Rn. 372.1. 593 Vgl. Art. 80 Sekretariatskommentar; hierzu auch U. Huber, RabelsZ 43 (1979), 455; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 1. 594 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 1. 595 Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 1.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
einen Zeitraum übernehmen soll, für den ihm eine Versicherung der Ware in der Regel nicht möglich sein wird.596 Die Vorgängerregelung des Art. 99 EKG beruhte demnach auf der zur Regel erhobenen Annahme des CIF‑Geschäfts, dass die Ware versichert reist.597 Auf der Wiener Konferenz wurde dann aufgrund der konträren Ansichten verschiedener Staaten die jetzige Form des Art. 68 CISG gefasst,598 der mit seinem Regel-Ausnahme-Verhältnis auch als „weicher Kompromiss“ bezeichnet wird599.
bb) Zum rückwirkenden Gefahrübergang führende Umstände Auch aufgrund dieser Entstehungsgeschichte ist damit nach einhelliger Auffassung ein Umstand, der zur Rückwirkung des Gefahrübergangs führen soll, jedenfalls das Bestehen einer Transportversicherung, so dass die Ware ab der Übergabe an den Beförderer Versicherungsschutz genießt.600 Entscheidend ist, dass dem Käufer ein auf dem Transport entstandener Schaden ersetzt wird. Dies kann durch eine direkte Drittbegünstigung im Rahmen des Versicherungsvertrages erreicht werden oder auch durch die bloße Abtretung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag.601 Aus diesem anerkannten Umstand lassen sich die Anforderungen an andere mögliche Umstände, die für eine Rückwirkung des Gefahrübergangs sprechen sollen, ableiten. Es ist erforderlich, dass dem Käufer, der die Gefahr nun eine längere Strecke zu tragen hat, das wirtschaftliche Risiko abgenommen wird.602 Teilweise wird vertreten, eine Rückwirkung sei generell anzunehmen, wenn sich der Zeitpunkt der Schadensentstehung nicht feststellen lässt.603 Hieran wird kritisiert, dass dann in den meisten Fällen der Käufer mit der Gefahr belastet wird, da sich der exakte Zeitpunkt der Beschädigung nur äußerst selten wird feststellen lassen.604 Die rückwirkende Gefahrtragung in den Fällen des nicht feststellbaren Schadenszeitpunktes darf allerdings 596 Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 397. 597 Heilmann, Mängelgewährleistung im UN‑Kaufrecht, S. 271. 598 Vgl. mit weiteren Nachweisen zur Entstehung Grewal, 14 Loy. L. A. Int’l & Comp. L. Rev. 93 (1991), S. 98; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 1–3; Schlechtriem/ Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 1. 599 Lindacher, in: Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 173. 600 Honnold/Flechtner, Art. 68, Rn. 372. 2; Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 11; Ferrari/ Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 68 CISG, Rn. 14; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 68, Rn. 6; MünchKomm/P. Huber, Art. 68, Rn. 8; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 9; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 4; Lindacher, in: Hoyer/ Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 173; Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 397; Rudolph, Art. 68, Rn. 5. 601 Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 11; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 68 CISG, Rn. 14; Rudolph, Art. 68, Rn. 5. 602 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 68 CISG, Rn. 15. 603 So Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 68, Rn. 14 ff. 604 MünchKomm/P. Huber, Art. 68, Rn. 8.
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richtigerweise auch nur dann angenommen werden, wenn für die reisend verkaufte Ware Versicherungsschutz besteht.605 Damit ergibt sich dann aber kein praktischer Unterschied zu der Auffasung, die ausschließlich die Transportversicherung für den rückwirkenden Gefahrübergang fordert. Nicht überzeugend wäre es, die Gefahr generell bei nicht aufklärbarem Schadenszeitpunkt rückwirkend übergehen zu lassen. Denn bei einer solchen Vorgehensweise hätte der Verkäufer ein nicht zu unterschätzendes Interesse, den Zeitpunkt der Schadensentstehung nicht mit aufzuklären. Eine generelle Rückwirkung im Falle des Auftretens einer Beschädigung ist also abzulehnen. Eine Rückwirkung ist aufgrund der Entstehungsgeschichte und der Interessenlage bei bestehender Transportversicherung anzunehmen. Andere Umstände, bei denen ein rückwirkender Gefahrübergang anzunehmen wäre, müssten ebenfalls zu einer wirtschaftlichen Entlastung des Käufers führen. Aus praktischer Sicht dürfte die Ausnahme des rückwirkenden Gefahrübergangs die Regel sein, da der Transport der Ware beim Handelskauf meist versichert sein dürfte.606
d) Der die Dokumente über den Beförderungsvertrag ausstellende Beförderer Soll die Gefahr rückwirkend übergehen, kommt es auf den Zeitpunkt der Übergabe an den Beförderer an, der die Dokumente über den Beförderungsvertrag ausgestellt hat, Art. 68 S. 2 CISG. „Dokumente über den Beförderungsvertrag“ bedeutet nicht die in Art. 58 CISG bezeichneten Dokumente, die zur Verfügung über die Ware berechtigen, sondern diejenigen Dokumente, die den Frachtvertrag beweisen und damit Grundlage des Kaufvertrags zwischen den Parteien geworden sind.607 Verglichen mit dem Gefahrübergang beim Versendungskauf fällt auf, dass nicht auf die Übergabe an den ersten Beförderer abgestellt wird, sondern es auf die Ausstellung von Dokumenten ankommt. Voraussetzung für den Gefahrübergang ist, dass der Beförderer überhaupt Dokumente über die Beförderung ausgestellt hat.608 Hat ein Beförderer keine Dokumente ausgestellt, kann jedenfalls durch Übergabe an diesen kein Gefahrübergang bewirkt werden. Grund für das Abstellen auf einen Beförderungsdokumente ausstellenden Beförderer ist die Beweisbarkeit des Frachtvertrags für den Käufer, da er letztlich das Bestehen des Frachtvertrages für die Regressnahme bei der Versicherung nachweisen muss.609 Die Formulierung des Art. 68 S. 2 CISG bietet dennoch Auslegungsspielraum. Ein Streitpunkt besteht, wenn mehrere Beförderer 605 So wohl auch Honsell/Schönle/Th. Koller, 606 BeckOK BGB/Saenger, Art. 68, Rn. 1. 607 Rudolph,
Art. 68, Rn. 16.
Art. 68, Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 4a; MünchKomm/P. Huber, Art. 68, Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 12; Schlechtriem/Butler, UN Law on International Sales, Rn. 231; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 68, Rn. 8. 608 MünchKomm/P. Huber, Art. 68, Rn. 9. 609 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 12.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
hintereinander tätig werden und jeder dieser Beförderer Dokumente ausstellt, die den Frachtvertrag nachweisen. Hier stellt sich bei rückwirkendem Gefahrübergang die Frage, ob die Gefahr mit der Übergabe an den ersten Beförderer der Kette übergeht610 oder ob es auf den jeweiligen Beförderer ankommt, während dessen Transport die Ware verkauft wird611. Eine Lösung anhand des Wortlauts des Art. 68 S. 2 CISG erscheint schwierig. Grund für den rückwirkenden Gefahrübergang ist allgemein die wesentlich leichtere Feststellung von etwaigen Schäden zum Zeitpunkt der Übergabe. Würde man nun bei mehrgliedrigen Transporten auf die Übergabe an den konkreten Beförderer abstellen und wird die Ware beispielsweise in Containern transportiert, so wird nicht bei jeder weiteren Verladung der Zustand kontrolliert und dokumentiert werden. Stellt man also auf den konkreten Beförderer ab, hat man häufig das gleiche Problem wie beim Gefahrübergang mit Vertragsschluss. Stellt also der erste Beförderer der Kette Dokumente über die Beförderung aus, so ist für den Gefahrübergang gem. Art. 68 S. 2 CISG auf die an diesen ersten Beförderer erfolgte Übergabe abzustellen. Stellt der erste Beförderer keine Dokumente aus, jedoch weitere Beförderer der Kette, so sollte auf den ersten Beförderer abgestellt werden, der Dokumente über die Beförderung ausstellt. Eine interessante Frage ist zudem, ob die Rückwirkung des Gefahrübergangs bereits mit dem bloßen Abschluss des Kaufvertrags zwischen den Parteien erfolgen kann oder ob hierzu die tatsächliche Aushändigung der durch den Beförderer ausgestellten Dokumente an den Käufer durch den Verkäufer notwendig ist.612 Aufgrund der Wertung des Art. 67 I 3 CISG, wonach ein Zurückbehaltungsrecht des Verkäufers an Dokumenten, die zur Verfügung über die Ware berechtigen, kein Hindernis für den Gefahrübergang darstellen soll, ist hier auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen.613
2. Die Ausnahmevorschrift des Art. 68 S. 3 CISG Art. 68 S. 3 CISG enthält für den Gefahrübergang eine Ausnahmevorschrift, wonach der Untergang oder die Beschädigung zu Lasten des Verkäufers gehen, wenn er bei Abschluss des Kaufvertrags wusste oder wissen musste, dass die Ware untergegangen oder beschädigt war und er dies dem Käufer nicht offenbart hat.
610 So MünchKomm/P. Huber, Art. 68, Rn. 9; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 4a; Staudinger/ Magnus, Art. 68, Rn. 12. 611 So Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 68 CISG, Rn. 17; wohl auch Rudolph, Art. 68, Rn. 6. 612 Vgl. hierzu Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 68, Rn. 8. 613 So auch Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 68, Rn. 8.
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a) Wirksamkeit eines Vertrags bei anfänglicher Unmöglichkeit Dieser Regelung ist zunächst die für den Gefahrübergang bei reisender Ware wichtige Grundsatzentscheidung des UN‑Kaufrechts zu entnehmen, dass ein Kaufvertrag auch über bereits untergegangene Ware geschlossen werden kann. Der Kaufvertrag soll also auch bei anfänglicher Unmöglichkeit der Leistung nicht nichtig, sondern grundsätzlich wirksam sein.614 Zwar fällt die Frage der Gültigkeit eines Vertrags gem. Art. 4 lit. a) CISG grundsätzlich nicht unter das Übereinkommen. Bei der Frage der Gültigkeit eines auf eine unmögliche Leistung gerichteten Vertrags bleibt aber der Weg in die Wirksamkeitsbestimmungen der nationalen Rechtsordnungen dennoch gesperrt.615 Diese Frage entscheidet das UN‑Kaufrecht selbst.
b) Offenbarungspflicht des Verkäufers Der weitaus wichtigere Regelungsgehalt des Art. 68 S. 3 CISG ist aber eine dem Verkäufer möglicherweise auferlegte Offenbarungspflicht und die Folgen, falls er dieser Pflicht nicht nachkommt. Bei der Anwendung dieser Vorschrift bestehen aber gleich hinsichtlich mehrerer Punkte Auslegungsschwierigkeiten.
aa) Kenntnis und fahrlässige Unkenntnis Voraussetzung für diese Offenbarungspflicht ist zunächst, dass der Verkäufer vom Untergang oder der Beschädigung wusste oder wissen musste. Der Blick auf den Wortlaut legt aus Sicht der deutschen Rechtsordnung nahe, Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis als Voraussetzung für die Offenbarungspflicht anzunehmen.616 Die überwiegende Meinung lässt jedoch zu Recht auch einfache Fahrlässigkeit ausreichen, um eine Offenbarungspflicht anzunehmen.617 Das Übereinkommen verwendet „musste“ oder „müssen“ mit dieser Bedeutung auch in Art. 38 III, 39 I CISG, während er grobe Fahrlässigkeit mit „nicht in Unkenntnis sein konnte“ in Art. 35 III, 40, 42 CISG umschreibt.618 Die einfache Fahrlässigkeit und damit „Wissen-müssen“ liegt entsprechend Art. 25 CISG
614 MünchKomm/P. Huber,
Art. 68, Rn. 4; Rudolph, Art. 68, Rn. 3; Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 22. 615 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 22. 616 So auch Reinhart, Art. 68, Rn. 4; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 199; MünchKommHGB/ Benicke, Art. 68, Rn. 9. 617 Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 116; Geist, WiRechtlBl 1988, 352; Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 68, Rn. 21; MünchKomm/P. Huber, Art. 68, Rn. 10; Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 21. 618 Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 21.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
vor, wenn eine vernünftige Person der gleichen Art unter gleichen Umständen diese Tatsachen auch gewusst hätte.619
bb) Geltungsbereich des Art. 68 S. 3 CISG Umstritten ist zudem, ob sich Art. 68 S. 3 CISG nur auf den rückwirkenden Gefahrübergang nach Art. 68 S. 2 CISG bezieht oder auch auf den Gefahrübergang mit Vertragsschluss gem. Art. 68 S. 1 CISG. Ein Teil des Schrifttums möchte Art. 68 S. 3 CISG auch auf den Gefahrübergang zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gem. Art. 68 S. 1 CISG anwenden.620 Ein Gefahrübergang mit Vertragsschluss käme dann bei beschädigter Ware nicht in Betracht, sofern der Käufer bei Vertragsschluss und damit bei eigentlichem Gefahrübergang bereits Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von der Beschädigung hatte. Vorliegende Mängel bei Gefahrübergang sind jedoch – unabhängig von etwaiger Kenntnis des Verkäufers – rechtsdogmatisch über das Regime der Gewährleistung gem. Art. 35 ff. CISG zu lösen. Daher nimmt die überwiegende Auffassung auch an, dass sich der Verbleib der Gefahr beim Verkäufer gem. Art. 68 S. 3 CISG nur auf den rückwirkenden Gefahrübergang des Art. 68 S. 2 CISG bezieht.621 Die Situation ist hier eine andere. Hier würden sonst Schäden, die in den Gefahrtragungsbereich des Käufers fallen, auch wirtschaftlich bei diesem verbleiben, obwohl der Verkäufer von diesen bereits gewusst hatte. Diese Problematik ließe sich nicht über Haftungsfragen des Verkäufers lösen, da der Verkäufer grundsätzlich nicht für Schäden nach Gefahrübergang haftet. Teilweise wird vorgeschlagen, die Streitfrage differenzierend zu lösen.622 Bei vollständigem Untergang der Ware soll Art. 68 S. 3 CISG den durch Satz 1 angeordneten Gefahrübergang mit Vertragsschluss verhindern, während im Fall der bloßen Beschädigung der Gefahrübergang gem. Art. 68 S. 1 CISG dennoch stattfindet und die Beschädigung letztlich über das Haftungsregime auszugleichen ist.623 Diese Ansicht führt jedoch zu schwierigen Abgrenzungsfragen, wann von vollständigem Untergang oder bloßer Beschädigung auszugehen ist. Eine derartige Differenzierung ist auch nicht nötig, weil der Verkäufer auch beim Untergang der Ware haftet. Auch für den Fall, dass die Ware bei Vertragsschluss vertragswidrig war, der Verkäufer diesbezüglich bösgläubig war und die Ware nach 619 Choi,
Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 116. 620 Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 68, Rn. 25 f.; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 200; Reinhart, Art. 68, Rn. 4. 621 Honnold/Flechtner, Art. 68, Rn. 372.2; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 16; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 16; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 5; MünchKomm/P. Huber, Art. 68, Rn. 10; Herber/Czerwenka, Art. 68, Rn. 7; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 68 CISG, Rn. 21; BeckOK BGB/Saenger, Art. 68, Rn. 4; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 68, Rn. 11; Rudolph, Art. 68, Rn. 8. 622 Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 17. 623 Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 17, 18.
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Vertragsschluss zufällig untergeht oder weiter beschädigt wird,624 erscheint es überzeugend, es beim Gefahrübergang im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu belassen und einen späteren zufälligen Untergang dem Käufer wirtschaftlich zuzuweisen. Eine potentielle weitere Belastung des Verkäufers mit der Gefahr für andere zufällige schädigende Ereignisse ist trotz seines Wissens um bereits eingetretene Schäden nicht gerechtfertigt. Auch in diesem Fall ist es also interessengerecht, den Gefahrübergang mit Vertragsschluss dennoch zuzulassen. Die Frage der Zuweisung der nach Gefahrübergang eingetretenen Beschädigung lässt sich über die ausdifferenzierten Regeln zur Haftung interessengerechter lösen. Gefahrtragungsregeln sollten in erster Linie für eine klare Risikozuweisung in wirtschaftlicher Hinsicht sorgen.
cc) Reichweite der Belastung des Verkäufers gem. Art. 68 S. 3 CISG Interessant ist die Reichweite der Risikobelastung des Verkäufers, wenn er einen Teil der Schäden bei Vertragsschluss kannte oder kennen musste, die verkaufte Warenladung jedoch auch zu diesem Zeitpunkt weitere Beschädigungen aufwies oder bereits untergegangen war, wovon der Verkäufer nichts wusste oder wissen musste. Im obigen Beispielsfall des verschifften Getreides, welches versichert reist und daher ein rückwirkender Gefahrübergang grundsätzlich in Betracht kommt, müsst man also nun annehmen, dass der Verkäufer bei Vertragsschluss zwar von der bereits eingetretenen Feuchtigkeit weiß, was er aber dem Käufer noch nicht mitteilt. Als er die Ware verkauft, weiß er aber nicht, dass inzwischen auch ein Teil des Getreides von einem Schädling befallen wurde, der mit der eingedrungen Feuchtigkeit jedoch in keinem Zusammenhang steht. Die wohl überwiegende Meinung spricht sich dafür aus, nur die Schäden gem. Art. 68 S. 3 CISG beim Verkäufer zu belassen, bei denen Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis vorliegt.625 Das würde also bedeuten, dass grundsätzlich ein rückwirkender Gefahrübergang stattfindet, ausgenommen des von Feuchtigkeit unbrauchbar gewordenen Getreides. Hierfür wird als Hauptargument der jetzige Wortlaut der Norm („der Untergang oder die Beschädigung“)626 vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte angeführt.627 Mit Blick auf den Telos der Norm und die Zweckmäßigkeit ist dieser Auslegung aber nicht zu folgen, da 624 Vgl.
Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 16; Schlechtriem/Schwenzer/ Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 5. 625 Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 116; Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 19; MünchKomm/P. Huber, Art. 68, Rn. 11; Herber/Czerwenka, Art. 68, Rn. 7; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 20; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 5a. 626 Hervorhebung durch den Verfasser. 627 Vgl. hierzu ausführlich die Ausführungen und Nachweise bei Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 5a; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 19.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
sie letztlich zu einer Splittung der Gefahrtragung in sachlicher Hinsicht führt.628 Das Getreide müsste also in schädlingsbefallenes und durch Feuchtigkeit zerstörtes Getreide geteilt werden. Es müsste genau bestimmt werden, für welches Getreide der Käufer bereits rückwirkend die Gefahr trug und für welches Getreide der Gefahrübergang aufgrund der Kenntnis des Verkäufers ausgeschlossen wurde. Das ist jedoch kaum praktikabel. Der Verkäufer sollte hier die Gefahr bezüglich der gesamten Ware tragen.
3. Konkretisierungserfordernis Ein Streitpunkt taucht im Rahmen des CISG aufgrund des in Art. 68 CISG fehlenden Konkretisierungserfordernisses auf. Der Wortlaut der Norm sieht beim Verkauf reisender Ware – im Gegensatz zu Platz-, Fern- und Versendungskauf – keine ausdrückliche Voraussetzung der Konkretisierung vor. Die h. M. will eine Konkretisierung der Ware zur Voraussetzung machen, also Art. 67 II, 69 III CISG analog anwenden.629 Auch wenn der Käufer, gerade beim rückwirkenden Gefahrübergang, die Schäden aus einer Zeit vor dem Vertragsschluss tragen muss, so heißt dies nicht, dass er auch die Gefahr für Ware tragen soll, die nachher dem konkreten Vertrag nicht zuzuordnen ist. Das grundsätzliche Erfordernis der Konkretisierung kann natürlich in Ausnahmefällen doch zu einer Splittung der Gefahrtragung in zeitlicher Hinsicht führen. Ist allerdings durch Vertrag oder Handelsbrauch der Verkauf von Massengütern oder Sammelladung vorgesehen und wird daher auf die Individualisierung verzichtet, so bleibt es beim ursprünglichen Gefahrübergang, Schäden sind von den Käufern anteilig zu tragen.630 Soweit eine Individualisierung erforderlich ist, kann eine Splittung auch durch unverzügliche Versendung einer entsprechenden Anzeige an den Käufer vermieden werden.631
4. Zwischenergebnis Art. 68 CISG knüpft zwar als Regel den Gefahrübergang an den Vertragsschluss, da jedoch meist Versicherungsschutz für die Ware bestehen dürfte, wird häufig der rückwirkende Gefahrübergang mit Übergabe an den Beförderer eintreten. Hier ist auf den Beförderer abzustellen, der Beförderungsdokumente ausstellt, die die Verladung der Ware beweisen. Bei mehreren Beförderern sollte man auf den ersten Beförderer abstellen, der entsprechende Dokumente ausstellt. 628 So auch BeckOK BGB/Saenger, Art. 68, Rn. 4; Honnold/Flechtner, Art. 68, Rn. 372.2; MünchKommHGB/Benicke, Art. 68, Rn. 9 ff. 629 Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 23; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 68 CISG, Rn. 25 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 68, Rn. 22; Schlechtriem/Schwenzer/ Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 6; MünchKomm/P. Huber, Art. 68, Rn. 5; a. A. Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 174 ff. 630 Siehe schon oben § 8 I. 4; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 68 CISG, Rn. 26. 631 Staudinger/Magnus, Art. 68, Rn. 23.
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Nur für diesen rückwirkenden Gefahrübergang hat die Regelung des Art. 68 S. 3 CISG Auswirkungen. Soll die Gefahr dagegen mit Vertragsschluss übergehen und sind dem Verkäufer Schäden bekannt, so ist am Gefahrübergang mit Vertragsschluss auch festzuhalten, die Rechte des Käufers richten sich dann nach Art. 35 ff. CISG. Vom Kennenmüssen des Verkäufers gem. Art. 68 S. 3 CISG ist bereits mit einfach fahrlässiger Unkenntnis auszugehen. Allerdings sollte der rückwirkende Gefahrübergang bereits dann ausgeschlossen sein, wenn der Verkäufer einen Teil der Beschädigungen kennt oder kennen muss und dies dem Käufer nicht offenbart.
II. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht 1. Anwendungsbereich Im Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht ist für den Verkauf reisender Ware die Gefahrtragungsregel des Art. 146 GEK‑Vorschlag vorgesehen.632 Der Anwendungsbereich des Art. 146 GEK‑Vorschlag ist in einem eigenen Absatz 1 geregelt. Die Norm gilt demnach für „Kaufverträge, die während der Beförderung verkaufte Ware einschließen“. Die sprachliche Fassung ist unglücklich, da sie den Anwendungsbereich der Norm zu weit fasst. Art. 146 GEK‑Vorschlag umfasst nach dem Wortlaut auch den Gefahrübergang für die nicht während der Beförderung verkauften Waren, soweit der gesamte Kaufvertrag auch nur einige Waren betrifft, die während der Beförderung verkauft werden.633 Dass die Norm sich in solchen Fällen, in denen der Kaufvertrag sowohl bereits reisende als auch noch beim Verkäufer befindliche Ware betrifft, nicht auch auf den Teil der Waren beziehen kann, die sich noch nicht auf dem Transport befinden, zeigt ein Blick auf Art. 146 II 2 GEK‑Vorschlag. Dieser erachtet einen Gefahrübergang zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für möglich. Für Waren, die sich noch in der Obhut des Verkäufers befinden, ist dies keine sinnvolle Regelung und widerspräche den Wertungen der übrigen Gefahrtragungsnormen. Auch die Überschrift der Vorschrift und die französische Sprachfassung („concernent des biens vendus en cours de transport“) sprechen gegen ein solches Verständnis.634 Der von Lehne/Berlinguer vorgelegte Änderungsvorschlag enthält in dem von 632 Im Änderungsvorschlag von Lehne/Berlinguer, Berichtsentwurf, S. 95, soll der wesentliche Inhalt der Regelung in einem Art. 143 II b GEK‑Vorschlag geregelt werden; im Änderungsvorschlag des ELI befindet sich die Regelung über den Verkauf reisender Ware in Art. 100 IV, siehe ELI, Statement CESL, S. 92, 249; die vorgeschlagenen Regelungen des ELI und von Lehne/Berlinguer entsprechen sich; zu vorgeschlagenen Änderungen des Inhalts an den relevanten Punkten sogleich. 633 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 175, Rn. 36. 634 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 175, Rn. 36.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
ihnen vorgeschlagenen Text eines Art. 143 II b GEK‑Vorschlag die Formulierung, „werden Waren während der Beförderung verkauft“.635 Zwar fehlt eine Begründung für die Änderung der betreffenden Textpassage.636 Bei einer derartigen Formlierung wären die eben angesprochenen Missverständnisse aber beseitigt, die folgenden Gefahrtragungsregeln wären ausschließlich auf während der Beförderung verkaufte Ware anwendbar.
2. Zeitpunkt des Gefahrübergangs a) Grundregel des Art. 146 II 1 GEK‑Vorschlag Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht stellt beim Verkauf reisender Ware auf den Zeitpunkt der Übergabe an den ersten Beförderer ab, Art. 146 II 1 GEK‑ Vorschlag. Art. 146 II GEK‑Vorschlag setzt also als Regelfall auf einen rückwirkenden Gefahrübergang637 und weicht damit vom CISG ab. Eine solche Regelung kann dem Anspruch moderner Gefahrtragungsregeln, Streitigkeiten zu vermeiden, gerecht werden. Wird auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abgestellt, wird es häufiger Streitigkeiten zwischen den Parteien geben, bei denen es letztlich um die nur äußerst schwierig zu beweisende Frage geht, ob die Beschädigung oder der Untergang vor oder nach Vertragsschluss eingetreten sind. Kritik wird am Wortlaut der Regelung des Art. 146 II 1 GEK‑Vorschlag geübt. Die Formulierung, „die Gefahr geht auf den Käufer über, sobald die Waren dem ersten Beförderer übergeben worden sind“638, sei sprachlich unlogisch.639 Der Gefahrübergang liegt in diesem Zeitpunkt vor dem Vertragsschluss. „Richtiger wäre eine Formulierung, nach welcher die Gefahr in dem Zeitpunkt als übergegangen gilt, zu dem die Waren übergeben wurden.“640 Verglichen mit dem Wortlaut des Art. 68 S. 2 CISG fällt auf, dass der rückwirkende Gefahrübergang ausdrücklich bereits mit Übergabe an den ersten Beförderer vollzogen wird und es auf die Ausstellung von etwaigen Dokumenten über den Beförderungsvertrag nicht ankommt. Damit ist klargestellt, dass die Gefahr rückwirkend auch schon bei Übergabe an einen Beförderer stattfinden kann, der keine Dokumen635 Lehne/Berlinguer, Berichtsentwurf, S. 95; ebenso Art. 100 IV des ELI-Änderungsvorschlags. 636 Vgl. Lehne/Berlinguer, Berichtsentwurf, S. 95; auch bei Art. 100 ELI-Änderungsvorschlag fehlt die Begründung; es heißt dort vielmehr nur, die Neufassung folgt aus Gründen der Vereinfachung, vgl. ELI, Statement CESL, S. 248. 637 Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 200; Schulze/Zoll/Watson, Art. 146, Rn. 4; Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 489. 638 Hervorhebung durch den Verfasser. 639 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins, durch den Ausschuss „Europäisches Vertragsrecht“, vom April 2012 (Stellungnahme 39/2012), S. 37, 38, Art. 146 II GEK‑Vorschlag. 640 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins, durch den Ausschuss „Europäisches Vertragsrecht“, vom April 2012 (Stellungnahme 39/2012), S. 38, Art. 146 II GEK‑Vorschlag.
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te ausstellt. Zudem ist die Unklarheit und Streitfrage des CISG geklärt, wie bei mehrgliedrigen Beförderungsketten zu verfahren ist. Es spielt nach Art. 146 II 1 GEK‑Vorschlag bei einer mehrgliedrigen Beförderung keine Rolle, während welcher konkreten Beförderungsstufe der Vertrag geschlossen wurde.641 Es ist ausdrücklich klargestellt, dass der Gefahrübergang jedenfalls auf den Zeitpunkt der Übergabe an den ersten Beförderer der Kette rückbezogen wird.
b) Ausnahme des Art. 146 II 2 GEK‑Vorschlag und Regel-Ausnahme-Verhältnis Ausnahmsweise, wenn es sich aus den Umstände ergibt, kommt der Zeitpunkt des Vertragsschlusses für den Gefahrübergang in Betracht, Art. 146 II 2 GEK‑Vorschlag. Der GEK‑Vorschlag kehrt das Regel-Ausnahme-Verhältnis des Art. 68 CISG also um. Diese Umkehr von Regel und Ausnahme wurde auch schon in Art. IV. A. – 5: 203 DCFR vorgenommen, dem nun Art. 146 II GEK‑Vorschlag direkt nachfolgt.642 Das geänderte Regel-Ausnahme-Verhältnis beruht auf den Erfahrungen zur Regelung des UN‑Kaufrechts, die nicht den Gebräuchen des internationalen Handels entspricht, da nach diesen Gepflogenheiten üblicherweise der Käufer eine die ganze Reise abdeckende Transportversicherung übernimmt, so dass eine Belastung des Käufers mit der vorvertraglichen Gefahrtragung vertretbar erscheint.643 Teilweise wird die enthaltene Ausnahmeregelung kritisiert. Da nicht klar sei, welche Art von Umständen vorliegen müsse, um von einer Geltung der Ausnahmeregelung auszugehen, führe die Ausnahmeregelung letztlich nur zu Rechtsunsicherheit.644 Es wird zwar als sinnvoll erachtet, den Parteien zu ermöglichen, einen anderweitigen Zeitpunkt für den Gefahrübergang zu bestimmen, so insbesondere auch den Zeitpunkt des Vertragsschlusses.645 Würden solche Parteivereinbarungen als „Umstände“ verstanden, die zu einer Geltung der Ausnahme führen sollen, soll die Ausnah-
641 So aber zum UN‑Kaufrecht Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 68 CISG, Rn. 17; wohl auch Rudolph, Art. 68, Rn. 6. 642 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 831; Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 200. 643 v. Bar/Clive, Principles, Definition and Model Rules of European Private Law, DCFR Full Edition Vol 2, S. 1388; Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 490; Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 143; Schulze/Zoll/Watson, Art. 146, Rn. 4. 644 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 490; Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 175, Rn. 36; Faust, in: Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales europäisches Kaufrecht, S. 273; Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 200. 645 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 175, Rn. 36.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
meregelung zwar inhaltlich sinnvoll, aber nicht notwendig sein.646 Die Ausnahmeregelung wäre dann in der Tat überflüssig, denn die Möglichkeit abweichender Parteivereinbarungen statuiert natürlich schon der grundsätzlich dispositive Charakter der Regelungen, vgl. Art. 1 II GEK‑Vorschlag. Fraglich ist also, welche Umstände zur Geltung der Ausnahmeregelung führen können. Im Rahmen des Art. 68 CISG wird allgemein angenommen, dass eine bestehende Transportversicherung und damit für den Käufer gewährleisteter ausreichender Versicherungsschutz, als Umstand für den rückwirkenden Gefahrübergang ausreicht.647 Daraus lässt sich für das in Art. 146 II GEK‑Vorschlag umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis schließen, dass das Fehlen einer Transportversicherung einen Umstand darstellt, der den Gefahrübergang erst mit Vertragsschluss nahe legt.648 Reist die Ware nicht versichert, so stellt eine vorvertragliche Gefahrtragung eine größere Belastung für den Käufer dar. In Änderungsvorschlägen von Lehne/Berlinguer und des ELI wird ein geänderter Text für die Gefahrtragungsregel beim Verkauf reisender Ware vorgeschlagen. Die Gefahr soll „je nach den gegebenen Umständen zu dem Zeitpunkt auf den Käufer“ übergehen, „zu dem die Waren dem ersten Beförderer übergeben worden sind oder der Vertrag geschlossen wird“.649 Hier scheint das bisherige Regel-Ausnahme-Verhältnis aufgegeben zu werden. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut stehen die beiden Alternativen gleichrangig nebeneinander. Die Entscheidung soll anhand der konkreten Umstände erfolgen. In den häufigsten Fällen, wie dem Unterscheidungskriterium des Bestehens oder Nichtbestehens einer Transportversicherung, kommen die Änderungsvorschläge zum gleichen Ergebnis wie die Regelung des Art. 146 GEK‑Vorschlag. Dennoch ist es m. E. zu bevorzugen, eine Rangfolge der Regelungen festzulegen, wenn die Umstände des konkreten Falles nicht eindeutig sind. Hier ist das Abstellen auf den Zeitpunkt der Übergabe an den Beförderer als Regelfall und den Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Ausnahme geeigneter. Die Schaffung zweier gleichrangiger Alternativen ist der Rechtssicherheit und Anwenderfreundlichkeit abträglich.
646 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 175, Rn. 36. 647 Siehe § 10 I. 1.c). 648 Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 200; Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 489, 490; v. Bar/Clive, Principles, Definition and Model Rules of European Private Law, DCFR Full Edition Vol 2, S. 1388; Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 175, Rn. 36; Schulze/Zoll/Watson, Art. 146, Rn. 4. 649 Lehne/Berlinguer, Berichtsentwurf, S. 95; ELI, Statement CESL, S. 100, 249; der Text lautet dort: „Where goods are sold in transit the risk passes to the buyer as from the time the goods were handed over to the first carrier or when the contact is concluded, depending on the circumctances.”
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3. Die Ausnahmevorschrift des Art. 146 III GEK‑Vorschlag Mit Art. 146 III enthält der GEK‑Vorschlag eine beinahe wortgleiche Vorschrift zu Art. 68 S. 3 CISG. Demnach geht bei Bösgläubigkeit des Verkäufers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein vorheriger Untergang oder eine vorherige Beschädigung zu Lasten des Verkäufers, verhindert also den Gefahrübergang, soweit der Verkäufer dies dem Käufer nicht offenbart hat. Die im Änderungsvorschlag von Lehne/Berlinguer etwas geänderte Textfassung, wonach die Formulierung „geht der Untergang oder die Beschädigung zu Lasten des Verkäufers“ aufgegeben werden soll und Art. 143 IIb a. E. GEK‑Vorschlag stattdessen „geht die Gefahr nicht auf den Käufer über“ lauten soll,650 bringt in sachlicher Hinsicht keine Veränderungen mit sich. Eine qualitative Verbesserung der Vorschrift ist hiermit nicht verbunden.651
a) Anforderungen an die Bösgläubigkeit Problematisch ist auch im GEK‑Vorschlag die Frage, wann Bösgläubigkeit und damit eine Offenbarungspflicht des Verkäufers besteht. Es ist nicht klar, ob „hätte wissen müssen“ („could be expected to have known“) auch die einfache Fahrlässigkeit erfasst.652 Im Regelfall wird mit dieser Formulierung im GEK‑Vorschlag aber einfache Fahrlässigkeit umschrieben, so dass mangels anderweitiger Hinweise auch hier davon auszugehen ist, dass bloß fahrlässige Unkenntnis schon ausreichend ist.653 Auch bei der ähnlichen Formulierung des Art. 175 I GEK‑Vorschlag („nicht hätte kennen müssen“; engl. „could not be expected to know“) wird angenommen, dass einfache Fahrlässigkeit ausreichend ist.654 Zudem spricht die Auslegung der Parallelvorschrift des CISG655 für das Ausreichen von einfacher Fahrlässigkeit.
b) Anwendungsbereich der Bösgläubigkeitsvorschrift Weiterhin ist, ebenfalls parallel zu der Diskussion im UN‑Kaufrecht, zu fragen, ob sich die Ausnahmeregelung nur auf den rückwirkenden Gefahrübergang als Regelfall bezieht oder auch auf den Gefahrübergang mit Vertragsschluss anzuwenden ist. Zu Art. 68 S. 3 CISG vertritt die h. M. zu Recht, er beziehe sich 650 Lehne/Berlinguer,
Berichtsentwurf, S. 95. gilt hier für den Änderungsvorschlag des ELI, siehe Art. 100 IV 2, die Vorschrift entspricht dem Änderungsvorschlag von Lehne/Berlinguer: „Risk does not pass to the buyer if, at the time of the conclusion of the contract, the seller knew or could be expected to have known that the goods had been lost or damaged and did not disclose this to the buyer“; siehe ELI, Statement CESL, S. 249. 652 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 491, 492; Schulze/Zoll/Watson, Art. 146, Rn. 7. 653 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 492. 654 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 785. 655 Vgl. oben § 10 I. 2.b)aa). 651 Gleiches
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
nur auf den rückwirkenden Gefahrübergang nach Satz 2.656 Während für diese Meinung zum CISG auch regelungssystematische Erwägungen sprechen, da sich Satz 3 systematisch schon auf den vorhergehenden Satz 2 bezieht,657 kann dies für Art. 146 III GEK‑Vorschlag nicht gelten, da die Vorschrift hier auf den Gefahrübergang mit Vertragsschluss folgt. Dass sie in einem eigenen Absatz geregelt ist, spricht zudem eher dafür, sie auch auf den Gefahrübergang mit Vertragsschluss anzuwenden. Es bleibt aber zu untersuchen, ob es überhaupt sinnvoll ist, die Ausnahmevorschrift auch auf Art. 146 II 2 GEK‑Vorschlag anzuwenden. Die Regelung des Absatzes 3 ist überzeugend, soweit die Gefahr rückwirkend mit Übergabe an den ersten Beförderer übergehen soll. Hierdurch werden Spekulationen des Verkäufers zum Nachteil des Käufers sowie betrügerisches Verhalten des Verkäufers ausgeschlossen bzw. sanktioniert.658 Soll die Gefahr allerdings entsprechend der Ausnahme des Art. 146 II 2 GEK‑Vorschlag erst mit Vertragsschluss übergehen, so ist der Ausschluss des Gefahrübergangs zumindest für fahrlässige Unkenntnis in seiner Sachgerechtigkeit umstritten.659 Denn der Verkäufer trägt nun die Gefahr des Untergangs weiter, was im Ergebnis zu einer Haftung für fahrlässige Unkenntnis führt. Für die Vertragswidrigkeit der Ware bei Gefahrübergang würde er jedoch ohnehin haften. Es ist daher zu befürworten, die Ausnahmeregelung des Art. 146 III GEK‑Vorschlag nur auf den rückwirkenden Gefahrübergang gem. Art. 146 II 1 GEK‑Vorschlag anzuwenden.660 Aufgrund der Regelungstechnik scheint sich der GEK‑Vorschlag allerdings nicht für diese Lösung entschieden zu haben und damit eher der Mindermeinung zum CISG zu folgen.
c) Umfang der Belastung des Verkäufers bei teilweiser Bösgläubigkeit Fraglich ist im Falle des rückwirkenden Gefahrübergangs und teilweiser Bösgläubigkeit des Verkäufers der Umfang der bei ihm verbleibenden Risiken. Teilweise wird wohl wie zum CISG vertreten, dem Verkäufer nur exakt jene Risiken aufzuerlegen, hinsichtlich derer Bösgläubigkeit bestand.661 Dem sollte man jedoch auch im GEK‑Vorschlag nicht folgen, sondern die Gefahr für die gesamte Ladung beim Verkäufer belassen, wenn er hinsichtlich einiger Beschädigungen bösgläubig ist, aber hinsichtlich anderer Schäden gutgläubig. Im Bei656 Vgl.
oben Dritter Teil Fn. 621.
657 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem,
Art. 68, Rn. 16; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 68, Rn. 5. 658 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 491. 659 Vgl. Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 491. 660 So für die Vorgängerregelung des Art. IV. A. – 5: 203 DCFR auch v. Bar/Clive, Principles, Definition and Model Rules of European Private Law, DCFR Full Edition Vol 2, S. 1389; für das CISG oben § 10 I. 2.b)bb). 661 So wohl Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 491; Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 200; zum CISG siehe oben § 10 I. 2.b)cc).
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spiel des verschifften Getreides wäre also die Gefahr noch nicht auf den Käufer übergegangen. Eine praktisch schwierige Auseinandersetzung des Getreides, ob ein bestimmter Teil nun wegen Feuchtigkeit oder Schädlingsbefall unbrauchbar ist, wird vermieden. Zwar spricht das deutlich erhöhte Haftungsrisiko des Verkäufers gegen die m. E. vorzugswürdige Lösung der Tragung aller Risiken, denn der Verkäufer trägt nach der h. M. auch bei fahrlässiger Unkenntnis nur hinsichtlich eines Teils das Risiko für die Verschlechterung oder den Untergang der gesamten verkauften Ware. Dies ist jedoch durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt. Der Verkäufer müsste nach der h. M. für die Schäden, die er nicht kannte oder kennen musste, auch nicht im Rahmen der Gewährleistungsvorschriften einstehen, da diese nicht bei Gefahrübergang (Übergabe an Beförderer) vorlagen. Das Beispiel des verschifften Getreides verdeutlicht dies. Da der Schädlingsbefall bei Übergabe an den Beförderer nicht vorlag, würde er hierfür nicht haften. Nun ist dies zwar generell der Fall beim rückwirkenden Gefahrübergang, wenn der Käufer keine Kenntnis hatte. Hat der Verkäufer aber schon Kenntnis von einem Teil der Mängel, kann ihm zugemutet werden, sich auch hinsichtlich des sonstigen Zustands der Ware zu erkundigen. Veranlasst er dies nicht, erscheint es nicht mehr unbillig, mit der späteren Gewährleistung auch für den beschädigten Teil, von dem er keine Kenntnis hatte, belastet zu werden, indem man den Gefahrübergang auch für diesen Teil ablehnt. Zum anderen ist der entscheidende sachliche Gesichtspunkt die Vermeidung einer Splittung der Gefahrtragung. Es ist schwer vorstellbar, später genau nachzuvollziehen, wie weit die Bösgläubigkeit des Verkäufers exakt reichte, für welche Beschädigungen oder Warenteile sie vorlag. Man sollte daher aus dem ökonomischen Gesichtspunkt der Streitvermeidung bereits bei teilweiser Bösgläubigkeit des Verkäufers die Ausnahmevorschrift des Art. 146 III GEK‑Vorschlag anwenden und den rückwirkenden Gefahrübergang gem. Art. 146 II 1 GEK‑Vorschlag für die gesamte verkaufte Ware ausschließen.
4. Konkretisierung Eine dem CISG vergleichbare Streitfrage, was die Konkretisierung der Ware angeht, stellt sich im GEK‑Vorschlag nicht, da dieses Erfordernis bereits in den allgemeinen Bestimmungen zum Gefahrübergang angeordnet wird, Art. 141 GEK‑Vorschlag. Hier entspricht das positive Recht daher der h. M. zum UN‑ Kaufrecht.662
662 Vgl.
dazu § 10 I. 3.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
III. Deutsches Recht Im deutschen Recht gibt es keine gesonderte Regelung des Gefahrübergangs beim Verkauf reisender Ware. Bei der Frage, welche Gefahrtragungsnorm dann für diese Fälle anzuwenden ist, gehen die Meinungen auseinander und die Lage ist unübersichtlich.
1. Keine direkte Anwendung des § 447 BGB Eine direkte Anwendung des § 447 BGB wird jedenfalls abgelehnt, da die Ver� sendung nicht „auf Verlangen des Käufers“ vorgenommen wird,663 die Versendung bereits erfolgt ist und die Ware sich bereits im Besitz des Beförderers befindet664. Des Weiteren ist im Rahmen des § 447 I BGB die Ware der Transportperson zum Zwecke der Auslieferung an den Käufer zu übergeben,665 was bei einem Verkauf erst auf der Reise nicht geschehen sein kann.666
2. Abstellen auf eine Versandverfügung? Der BGH wandte in einem Fall des Verkaufs rollender Ware § 447 BGB analog an und stellte für den Gefahrübergang auf den Zeitpunkt ab, in dem der Verkäufer durch eine Versandverfügung an den Transporteur die Ware dem Käufer zuleitete, da er erst mit dieser Verfügung seine vertraglichen Pflichten erfüllt hat.667 § 447 BGB analog soll aber offenbar nur anzuwenden sein, wenn die auf dem Transport befindliche Ware zum Käufer umdirigiert wird, also auf Verlangen des Käufers eine Streckenänderung erfährt.668 Da erst ab diesem Zeitpunkt die Reise auf Risiko des Käufers erfolgt, wird auch erst der Zugang der Anweisung beim Beförderer für die Wirkung des § 447 I BGB herangezogen.669 Zudem wird in der Literatur gefordert, dass sich die Ware im Zeitpunkt des Zugangs der Anweisung beim Transporteur auf der Strecke vom Erfüllungsort zum Käufer befinden müsse.670 Befindet sie sich noch nicht auf dieser Strecke, sei die Strecke noch dem Beschaffungsvorgang des Verkäufers zuzurechnen, so dass die Transportgefahr den Käufer erst treffen soll, sobald die Ware die eigentliche Strecke berührt.671 Die Praktikabilität dieser Lösung erscheint 663 BGH
27.03.1968, NJW 1968, 1570; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 5, 13. § 447, Rn. 22. § 447, Rn. 22; Palandt/Weidenkaff, § 447, Rn. 14; BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 19; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 13. 666 BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 19. 667 BGH 27.03.1968, NJW 1968, 1570. 668 BGH 27.03.1968, NJW 1968, 1570; Palandt/Weidenkaff, § 447 Rn. 4; BeckOK BGB/ Faust, § 447, Rn. 19; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 69. 669 BGH 27.03.1968, NJW 1968, 1570; BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 19. 670 BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 19. 671 BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 19. 664 Staudinger/Beckmann, 665 Staudinger/Beckmann,
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zweifelhaft, da fraglich ist, ob man diese Strecken immer unterscheiden kann. Befindet sich die verkaufte Ware auf einem Schiff im Südantlantik und sowohl Erst- und Zweitkäufer sitzen an unterschiedlichen Häfen in Europa, so wird es schwierig zu bestimmen sein, wann genau die Streckenänderung erforderlich ist und natürlich ohnehin, ob an diesem Punkt der Streckenänderung die Ware bereits beschädigt ist.
3. Anwendung des § 446 BGB? Die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur befürwortet mangels Anwendbarkeit des § 447 BGB einen Gefahrübergang gem. § 446 S. 1 BGB im Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer.672 Eine Ansicht in der Literatur geht davon aus, dass durch Vertragsauslegung sich meist die Vereinbarung einer Bringschuld ergeben wird und gelangt deshalb dann zur Anwendung des § 446 S. 1 BGB.673 Weshalb man hier durch Vertragsauslegung fast automatisch zu einer Bringschuld gelangen soll, erscheint zweifelhaft. Die Anwendung des § 446 S. 1 BGB weicht jedenfalls ganz entscheidend von der Rechtslage nach CISG und GEK‑Vorschlag ab, da der Verkäufer die Gefahr auf dem gesamten Transport zu tragen hat.674
4. Rückwirkender Gefahrübergang durch Vertragsauslegung Die vorgenannten Auffassungen liegen nur scheinbar weit auseinander. Denn Einigkeit besteht darin, dass ausdrückliche oder stillschweigende Parteivereinbarungen Vorrang haben bzw. eine Vertragsauslegung vorzunehmen ist.675 Wenn aber – wie in aller Regel – der Käufer weiß, dass sich die Ware im Moment des Vertragsschlusses auf dem Transport befindet, so liegt doch eine stillschweigende Abrede oder jedenfalls eine Vertragsauslegung nahe, die an einen transparenten Zeitpunkt anknüpft, der zudem eine wirtschaftlich sinnvolle Gefahrverteilung ermöglicht. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen des KG in einer alten Entscheidung676: Es hat auf eine verkaufte Kahnladung Roggen § 447 BGB analog angewandt und für den Gefahrübergang rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übergabe an den Beförderer abgestellt. Denn der Zweitkäufer könne nach vernünftiger Vertragsauslegung vom Erstkäufer (jetzt Verkäufer) nur verlangen, dass dieser ihm das Getreide so liefere, wie er es seinerseits übernehmen müsse. Der urprüngliche Verkäufer 672 Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 22; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 5; für den Verkauf rollender Ware Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 146. 673 BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 19. 674 Vgl. oben zum CISG § 10 I. 1 und zum GEK‑Vorschlag § 10 II.2. 675 BGH 27.03.1968, NJW 1968, 1570; BeckOK BGB/Faust, § 447, Rn. 19; Staudinger/ Beckmann, § 447, Rn. 22; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 5, 13; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 142 ff. 676 KG 15.04.1903, OLGE 8, 62.
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und Absendende der Kahnladung habe den Roggen an den Transporteur ausgeliefert, zur Versendung an denjenigen, der sich durch Besitz des Ladescheins als Empfänger ausweisen würde. In diese Vereinbarung zwischen Erstverkäufer und Zweitverkäufer sei der Käufer eingetreten. Diese Ausführungen sind überzeugend.677 Die rückwirkende Anknüpfung hat im Gegensatz zum Abstellen auf die Versandverfügung den Vorteil, dass ein transparenter Zeitpunkt des Gefahrübergangs gewählt wird und damit Beweisprobleme minimiert werden. Auch der Gesetzgeber zeigt mit den Regelungen zum Gefahrübergang in § 446 und § 447 I BGB, dass grundsätzlich an ein beweisbares äußeres Ereignis angeknüpft werden sollte.678 Eine Anwendung der Regelung des § 446 S. 1 BGB wird der wirtschaftlichen Interessenlage des Verkäufers der bereits reisenden Ware nicht gerecht und begünstigt einseitig den Käufer der Ware.
IV. Handelsklauseln 1. Rückwirkender Gefahrübergang vor den Incoterms 2010? Die Incoterms enthalten keine gesonderten Klauseln für Kaufverträge über reisende Ware. Allerdings ist im Bereich des Verkaufs reisender Ware die Weiterentwicklung der Incoterms zu beachten. So enthielten die Fassungen vor den Incoterms 2010 in den Klauseln noch keine entsprechenden Regelungen für den Verkauf schwimmender Ware.679 Wurde schwimmende Ware veräußert und wollte man dennoch auf standardisierte Handelsklauseln zurückgreifen, lag eine Vereinbarung der Klausel CIF „schwimmend“ nahe.680 Einige Stimmen zu den Incoterms 2000 wollten der so veränderten Klausel jedoch keine besondere Gefahrtragungsregel entnehmen und den Zeitpunkt des Gefahrübergangs nach dem Vertragsstatut bestimmen.681 Andere Stimmen in der Literatur befürworteten auch ohne ausdrückliche Regelung in den Incoterms einen rückwirkenden Gefahrübergang, wenn die Ware unter Beifügung einer die Gefahrtragung betreffenden Handelsklausel verkauft wurde.682 In der englischen Literatur wird dies vor allem für die im Überseekauf wichtigste CIF‑Klausel 677 Für den Verkauf schwimmender Ware so auch Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 145. 678 Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 22. 679 Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, CFR, Rn. 20; bspw. war eine Wahl der FOB‑Klausel beim Verkauf schwimmender Ware nicht möglich, vgl. hierzu Benjamin’s Sale of Goods, 20-088. 680 Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 165. 681 Bredow/Seiffert, Incoterms 2000, CFR, Rn. 20; Lögering, CISG und int. Handelsklauseln, S. 165; hiervon geht offensichtlich auch Al-Debʾi, Überseekauf und Abladegeschäft, S. 249 aus. 682 Staub/Koller, Vor § 373, Rn. 76; Haage, Das Abladegeschäft, S. 212; MünchKomm/ Westermann, § 447, Rn. 13.
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angenommen.683 Gerade mit Blick auf die Interessenlage scheint die praktisch zweckmäßigere rückwirkende Übertragung der Gefahr auf den Käufer als von den Parteien gewollt.684 Würde man der Auffassung folgen, welche den Zeitpunkt des Gefahrübergangs nach dem anwendbaren Recht bestimmen möchte, würde sich in aller Regel sowohl nach CISG als auch nach GEK‑Vorschlag ein rückwirkender Gefahrübergang ergeben, da nach Punkt A 3 lit. b der CIF‑Klausel der Verkäufer zum Abschluss einer Transportversicherung verpflichtet ist und dies nach beiden Regelwerken zum rückwirkenden Gefahrübergang führt, Art. 68 S. 2 CISG, 146 II 1 GEK‑Vorschlag. Bei Vereinbarung der CIF‑Klausel („schwimmend“), einhergehend mit dem Abschluss einer Transportversicherung, kommen also letztlich beide Auffassungen auf unterschiedlichem Weg zum rückwirkenden Gefahrübergang. Davon, dass beim CIF‑Kontrakt der Käufer die Gefahr trage, wurde auch schon vor Schaffung von EKG und CISG ausgegangen.685 Art. 99 EKG ist sogar als gesetzliche Übernahme der CIF‑Klausel bezeichnet worden.686
2. Regelung des Verkaufs schwimmender Ware in den Incoterms 2010 a) Gesonderte Regelung in den Liefervorschriften In den Incoterms 2010 hat man aber im Bereich der reisenden Ware Veränderungen verglichen mit dem Vorgängermodell vorgenommen. Man bemühte sich, die Verkäuferpflichten für die See- und Binnenschifffahrtsklauseln auf den Verkauf „schwimmender Ware“ zuzuschneiden687. Dies geschah allerdings nur für die Klauseln FAS, FOB, CFR und CIF, also für Klauseln, die sich ausschließlich für den Schiffstransport eignen.688 Aus dem Bereich der reisenden Ware hat man somit nur den Verkauf schwimmender Ware geregelt. Für diese vier Klauseln hat man die Lieferverpflichtung des Verkäufers nach A 4 nun so gefasst, dass der Verkäufer die Ware zu liefern hat, „entweder indem er sie an Bord des Schiffs verbringt oder indem er die so gelieferte Ware verschafft“ („must deliver the goods either by placing them on board of the vessel or by procuring the goods so delivered“). Die zweite Alternative, dem Käufer die so gelieferte Ware zu verschaffen, bezieht sich auf den Verkauf schwimmender Ware. Die Vorgängerregelungen formulierten in den A 4-Regelungen lediglich, 683 Benjamin’s Sale of Goods, 19-112, 19-113; auch bei Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, 2-034 wird wohl davon ausgegangen. 684 MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 13. 685 Dölle/Neumayer, Art. 99, Rn. 1, 9. 686 Dölle/Neumayer, Art. 99, Rn. 10. 687 MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 13. 688 Zwilling-Pinna, BB 2010, 2982; seltsamerweise wird dort aber ohne Begründung angenommen, dass bei FAS schwimmende Ware nicht erfasst sein soll, wohingegen der Wortlaut exakt wie bei den anderen Klauseln gefasst ist und damit auch bei FAS schwimmende Ware einbezogen ist; ebenso Piltz/Bredow, Incoterms, F-335.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
dass der Verkäufer die Ware an Bord des Schiffes im Verschiffungshafen liefern musste („deliver the goods“).
b) Gefahrübergang mit Verschaffung der auf dem Schiff befindlichen Ware oder rückwirkend mit Übergabe an den Beförderer? Zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs beim Verkauf schwimmender Ware nach den Incoterms 2010 ist bisher kaum etwas geschrieben worden. Für den in A 5 geregelten Gefahrübergang ist bedeutend, dass man den Gefahrübergang inzwischen nicht mehr von der Lieferung abgekoppelt hat, sondern die Gefahr mit Erfüllung der Lieferverpflichtung übergehen lässt.689 Die A 5 Gefahrtragungsregelung der Klauseln FAS, FOB, CFR und CIF verweist für den Übergang der Preisgefahr auch hier ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Lieferung („Der Verkäufer trägt bis zur Lieferung gemäß A 4 alle Gefahren […]“; „The seller bears all risk of loss and damage to the goods until they have been delivered in accordance with A 4 […]“). Dies führt zu einer Auslegungsfrage:690
aa) Gefahrübergang erst mit Verschaffung der Ware? Wird nun schwimmende Ware verkauft und vereinbaren die Parteien eine der Klauseln FAS, FOB, CFR oder CIF, dann müsste die Gefahr in dem Zeitpunkt übergehen, in dem der Verkäufer dem Käufer die so gelieferte Ware verschafft, da dies auch die Lieferpflicht des Verkäufers darstellt. Dies würde jedoch jedenfalls keinen rückwirkenden Gefahrübergang mit Übergabe an den Beförderer bedeuten. Da der Gefahrübergang eben generell an die Lieferung anknüpft, würde dies für den Fall der Lieferung mit Verschaffung der Ware bedeuten, dass auch die Gefahr erst mit Abschluss dieser Handlung übergeht. Beim Verkauf schwimmender Ware wird der Orderlagerschein zum Gegenstand des Kaufvertrags gemacht, so dass die Verschaffung der an Bord befindlichen Ware mit Übergabe des Konnossements als erfolgt gilt.691 Damit wäre der Zeitpunkt des Gefahrübergangs entweder mit Abschluss des Kaufvertrages identisch, sofern bei Abschluss des Kaufvertrags das Konnossement übergeben wird, oder er wäre eben an die spätere Übergabe des Konnossements zu knüpfen.
bb) Auslegung ergibt rückwirkenden Gefahrübergang Allerdings spricht das offizielle Regelwerk in den Anwendungshinweisen („Guidance Note“) zu den vier betroffenen Klauseln selbst davon, dass die Ge689 Dazu oben § 9 III.4.b)aa). 690 MünchKomm/Westermann,
§ 447, Rn. 13 meint, die Einzelheiten hinsichtlich des Gefahrübergangs können erst geklärt werden, wenn die Vertragspraxis die Empfehlungen aufgenommen hat. 691 So allgemein zu CIF‑Geschäften Schmitthoff’s Export Trade, The Law and Practice of International Trade, 2-033.
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fahr des Untergangs und der Beschädigung übergeht, wenn die Ware an Bord des Schiffes (FOB, CFR, CIF) bzw. an der Längsseite bereitgestellt ist (FAS).692 Hier wird also nicht zwischen den verschiedenen Möglichkeiten der Lieferung differenziert. Es existiert ein Widerspruch zwischen dem Wortlaut der A 5 Regelung und den offiziellen Anwendungshinweisen. Die Anwendungshinweise zeigen jedoch, dass Gefahrübergang mit Übergabe der Ware an den Frachtführer693 und damit ein rückwirkender Gefahrübergang gewollt ist. Die fehlende genaue Anordnung in der A 5 Regelung mit dem pauschalen Verweis auf die Lieferregelung A 4 kann lediglich ein redaktionelles Versehen darstellen. Der rückwirkende Gefahrübergang entspricht zudem den Gepflogenheiten des Handels und der Interessenlage der Parteien. Die rückwirkende Belastung des Käufers ist sinnvoll, da er ohnehin unter beweisrechtlichen Aspekten hinsichtlich des Zeitpunktes der Beschädigung eine schwache Position hat und auf diese Weise Streit vermieden werden kann.694 Für dieses Auslegungsergebnis spricht aber gerade auch die ungeklärte Rechtslage vor der ausdrücklichen Erfassung des Verkaufs schwimmender in den Incoterms, in der man in aller Regel ohnehin zum rückwirkenden Gefahrübergang gelangte.695 Dass man von diesem Ergebnis jetzt abweichen wollte, ist nicht ersichtlich.
V. Zusammenfassung und Bewertung Vergleicht man die Regelungen der Gefahrtragung zum Verkauf reisender Ware, so ist auffällig, dass CISG und GEK‑Vorschlag zu gleichen Ergebnissen gelangen, jedoch die Rangfolge unterschiedlich gestalten. Im grundsätzlich an das CISG angelehnten GEK‑Vorschlag hat man das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt und folgt damit auch anderen Regelungsbemühungen auf dem Gebiet des Europäischen Privatrechts (DCFR).696 Der GEK‑Vorschlag macht den rückwirkenden Gefahrübergang zur Regel und geht damit zurück auf in der Praxis übliche Gebräuche und Gepflogenheiten, nach welcher der Letztkäufer üblicherweise eine bestehende Transportversicherung übernimmt und demnach ein rückwirkender Gefahrübergang mit Übergabe an den ersten Beförderer vereinbart wird.697 Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht stellt damit eine sinnvolle Weiterentwicklung des Rechts im Sinne der handelsüblichen Bräuche dar. Die wirtschaftliche Entlastung des Käufers, die gerade durch eine 692 Vgl. Incoterms 2010, ICC rules for the use of domestic and international trade terms, S. 79; 87; 95; 105. 693 So ausdrücklich für die C‑Klauseln auch Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 125. 694 Vgl. hierzu Staub/Koller, Vor § 373, Rn. 76. 695 Siehe soeben § 10 IV. 1. 696 Dazu oben § 10 II.2.b). 697 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 490; v. Bar/ Clive, Principles, Definition and Model Rules of European Private Law, DCFR Full Edition Vol 2, S. 1388.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
bestehende Transportversicherung erzielt wird, ist das für den rückwirkenden Gefahrübergang entscheidende Kriterium. Die Rückwirkung ergibt Sinn, um einen besonders transparenten Zeitpunkt zu bestimmen, Beweisschwierigkeiten zu vermeiden und damit letztlich Rechtssicherheit zu schaffen. Man geht so einen moderneren Weg, das umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis ist klar zu begrüßen. Gegenüber dem UN‑Kaufrecht und dem GEK‑Vorschlag als fortschrittlicher Kodifikation in diesem Bereich fallen das deutsche Recht und die Handelsklauseln deutlich ab, indem hier schwierige Auslegungsfragen bestehen. Das deutsche Recht regelt die Materie nicht ausdrücklich. Die Frage nach der Anwendung des § 447 I BGB und ab welchem Zeitpunkt dieser gegebenenfalls angewendet werden soll, führt zu verschiedensten Ansichten und auch eine h. M. ist nicht erkennbar. Es wird v. a. auf den Zeitpunkt eines „Umdirigierens“ der Ware oder auf die Übergabe am Ziel abgestellt. Zu befürworten ist aber auch hier ein rückwirkender Gefahrübergang, der durch Vertragsauslegung zu erreichen ist.698 Bei den Incoterms ist zunächst zu bedauern, dass man ausschließlich den Verkauf schwimmender Ware erfasst. Die hierfür getroffenen Regelungen sollten als Anordnung eines rückwirkenden Gefahrübergangs mit Übergabe an den Beförderer (FOB, CFR, CIF) bzw. Bereitstellung längsseits des Schiffes (FAS) verstanden werden. Auf die Verschaffung der Konnossemente der an Bord befindlichen Ware sollte nicht abgestellt werden.699 An der grundsätzlich sehr zu begrüßenden Regelung zum Verkauf reisender Ware im GEK‑Vorschlag sind jedoch auch einige Punkte zu kritisieren. So hat man die aus dem CISG bekannten Streitfragen – Anforderungen an die Bösgläubigkeit, Anwendungsbereich der Vorschrift zur Bösgläubigkeit und Umfang der Belastung des Verkäufers im Falle einer teilweisen Bösgläubigkeit – nicht lösen oder entschärfen können.700 Positiv ist aber die Klarstellung der rückwirkenden Anknüpfung an den ersten Beförderer für sog. Kettenverkäufe. Durch seine Regelungstechnik mit dem generellen Konkretisierungserfordernis löst der GEK‑Vorschlag die aus dem CISG bekannte Streitfrage, ob Art. 67 II CISG analog anzuwenden ist und daher eine Konkretisierung der reisenden Ware zu fordern ist, im Sinne der herrschende Meinung zum CISG auf.701
698 Dazu 699 Dazu
oben § 10 III.4. oben § 10 IV. 2.b)bb). 700 Dazu oben § 10 II.3. 701 Dazu oben zum UN‑Kaufrecht § 10 I. 3; zum GEK‑Vorschlag § 10 II.4.
§ 11 Kauf von an drittem Ort eingelagerter Ware oder herzustellender Ware
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§ 11 Kauf von an drittem Ort eingelagerter Ware oder herzustellender Ware Der Kauf von an einem dritten Ort eingelagerter oder herzustellender Ware stellt eine besondere Abwicklungsform des Kaufs dar, die bei der Gefahrtragung auch besondere Fragen aufwirft.702 Beiden Varianten ist hier kurz nachzugehen.
I. Kauf von an drittem Ort eingelagerter Ware 1. Die Besonderheiten bei der Anwendung der Gefahrtragungsnormen a) UN‑Kaufrecht Das UN‑Kaufrecht enthält für den Kauf eingelagerter Ware mit Art. 31 lit. b) CISG eine gesonderte Liefervorschrift. Der Verkäufer hat dem Käufer demnach die Ware am Ort der Einlagerung zur Verfügung zu stellen. Eine gesonderte Vorschrift für den Kauf eingelagerter Ware findet sich in Kapitel 14 zum Übergang der Gefahr nicht. Man hat daher auf die Vorschrift des Art. 69 CISG zurückzugreifen. Art. 69 II CISG ist tatbestandlich einschlägig, wenn sich die Lieferverpflichtung des Käufers aus Art. 31 lit. b) CISG ergibt und der Ort, an dem sich die Ware befindet, keiner Niederlassung des Verkäufers entspricht. Auf den Kauf eingelagerter Ware ist daher die Gefahrtragungsnorm des Art. 69 II CISG anzuwenden.703 Ursprünglich wurde die Vorschrift des Art. 69 II CISG, für die es im EKG keine Vorgängerregelung gab, speziell zur Regelung des Gefahrübergangs beim Kauf eingelagerter Ware aufgenommen.704 Um vom Kauf eingelagerter Ware auszugehen, ist erforderlich, dass es sich um einen vom Verkäufer unabhängigen Lagerhalter handelt.705 Da Art. 69 II CISG schon beim Fernkauf eingehend betrachtet wurde,706 sollen hier nur die Besonderheiten für den Gefahrübergang beim Kauf eingelagerter Ware dargestellt werden. Zum Gefahrübergang nach Art. 69 II CISG muss der Verkäufer die Ware dem Käufer zur Verfügung stellen. Die Ware muss grundsätzlich derart bereitgestellt werden, dass der Käufer sie jederzeit übernehmen kann.707 Der Verkäufer hat die Ware am Lagerort derart anzudienen, 702 Siehe oben § 6 II.5. 703 MünchKomm/P. Huber,
Art. 69 CISG, Rn. 1; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 18; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 153; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 96; Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 120; Goodfriend, Columb.J. Transnat.L. 22 (1984), S. 597. 704 Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 5. 705 MünchKomm/P. Huber, Art. 69 CISG, Rn. 8; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 18. 706 Siehe oben § 8 I. 707 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 23; OLG Hamm 23.06.1998, CISG-online 434.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
dass dem Käufer die körperliche Übernahme möglich ist. Während dies beim Fernkauf dadurch geschieht, dass der Verkäufer die Ware selbst an den Bestimmungsort verbringt, ist die Situation bei sich bereits in Verwahrung befindlicher Ware eine andere. Hinsichtlich des Merkmals der Zurverfügungstellung in Art. 69 II CISG gelten Besonderheiten, die davon abhängig sind, ob und mit welchen ausgestellten Papieren das Geschäft abgewickelt wird. Werden Papiere – vom Lagerhalter oder vom Verkäufer – ausgestellt, ist zwischen Papieren zu unterscheiden, die ein Auslieferungsversprechen des Verwahrers verbriefen, und Papieren, die nicht zur Geltendmachung des Herausgabeverlangens berechtigen.708
aa) Vom Lagerhalter ausgestellte Papiere Häufig wird der Einlagernde vom Lagerhalter die Ausstellung von Lagerpapieren verlangen. Bei den vom Lagerhalter ausgestellten Papieren kommen solche mit verbrieftem Herausgabeanspruch und solche ohne verbrieften Herausgabeanspruch in Betracht. Einen Herausgabeanspruch verbriefen mit Indossament versehene Orderlagerscheine, Inhaber- oder Namenslagerscheine.709 Möglich ist jedoch auch die Ausstellung lediglich eines Lagerempfangsscheins, der keinen Herausgabeanspruch verbrieft, sondern lediglich den Empfang der Ware bestätigt.710 Gem. Art. 69 II CISG ist die Ware „zur Verfügung gestellt“, sobald der Käufer die Ware vom Lagerhalter herausverlangen kann.711 Lediglich wenn dem Käufer ein Papier mit für ihn verbrieftem Herausgabeanspruch ausgehändigt wird,712 berechtigt ihn alleine dieses Papier fortan zur Verfügung und er kann sich der Herausgabe der eingelagerten Ware sicher sein. Die Ware gilt ihm damit als zur Verfügung gestellt i. S. d. Art. 69 II CISG.713 Die weiteren Voraussetzungen für den Gefahrübergang gem. Art. 69 II CISG, Fälligkeit der Lieferung und Kenntnis des Käufers von der Bereitstellung, liegen bei Abwicklung mittels eines indossierten Orderlagerscheins typischerweise vor.
708 Vgl. MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 12; Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 120; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 96, 97. 709 Vgl. nur MünchKommHGB/Frantzioch, § 467, Rn, 33. 710 MünchKommHGB/Frantzioch, § 467, Rn. 33; der Lagerempfangsschein stellt eine bloße Quittung dar, wird im deutschen Recht daher nach § 368 BGB behandelt. 711 MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 12. 712 Beim Namenspapier müsste dies also schon auf seinen Namen lauten. 713 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 20; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 7; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 24; Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 123; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 96.
§ 11 Kauf von an drittem Ort eingelagerter Ware oder herzustellender Ware
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bb) Vom Verkäufer ausgestellte Papiere oder papierlose Abwicklung Möglich ist auch die Ausstellung eines Papiers durch den Verkäufer, eines sog. Lieferscheins. Der Lieferschein wird vom Einlagerer und nicht vom Lagerhalter ausgestellt und stellt eine Anweisung des Einlagernden dar, dem Berechtigten die eingelagerten Gegenstände auszuhändigen.714 Bei Übergabe eines einfachen Lieferscheins an den Käufer steht die Ware diesem noch nicht zur Verfügung, da der Lieferschein kein Versprechen des Verwahrers enthält, dem Käufer die Ware auch auszuhändigen.715 Da der Lieferschein aber eine Anweisung an den Lagerhalter darstellt, liegt eine Zurverfügungstellung der Ware für den Käufer vor, wenn der Lagerhalter die Anweisung akzeptiert und bereit ist, die Ware herauszugeben.716 Diese Grundsätze können auf eine gänzlich papierlose Abwicklung übertragen werden, so dass dann die Anweisung eben nicht mittels Lieferschein, sondern auf sonstigem Weg erfolgen muss. Zur Zurverfügungstellung ist aber erforderlich, dass der Lagerhalter die Anweisung oder das sonstige Besitzrecht des Käufers anerkennt.717
b) GEK‑Vorschlag Entsprechend der Gestaltung im CISG ist für den Gefahrübergang beim Kauf eingelagerter Ware nach dem GEK‑Vorschlag die Parallelvorschrift des Art. 144 II GEK‑Vorschlag heranzuziehen.718 Hinsichtlich der Frage, wann die Ware dem Käufer zur Verfügung gestellt ist, gibt es keine weiteren Besonderheiten, so dass auf die Ausführungen zum UN‑Kaufrecht zurückgegriffen werden kann. Der Kauf eingelagerter Ware und die Abwicklung mittels Zurverfügungstellung können sich im GEK‑Vorschlag jedoch nicht aus den Liefervorschriften ergeben, da eine Art. 31 lit. b) CISG entsprechende Vorschrift fehlt. Natürlich können die Parteien aber vereinbaren, dass ein Kaufvertrag derart abgewickelt werden soll. In diesem Zusammenhang könnten sie auch eine Vereinbarung hinsichtlich des Gefahrübergangs treffen, andernfalls gilt Art. 144 II GEK‑Vorschlag. Treffen sie weder eine Gefahrtragungs- noch eine Liefervereinbarung, so erscheint der Wortlaut des Art. 144 II GEK‑Vorschlag nun problematisch, da er nur auf eine rein tatsächliche Bereitstellung abstellt und nicht auf 714 Vgl.
nur BeckOK BGB/Gehrlein, § 783, Rn. 15. Art. 69, Rn. 20; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 7; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 96. 716 MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 12; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 24; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 22; gegen das Erfordernis der Herausgabebereitschaft des Lagerhalters offenbar Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 69, Rn. 12; Sekretariatskommentar, Art. 81 Nr. 8. 717 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 20. 718 Vgl. auch Schulze/Zoll/Watson, Art. 144, Rn. 2, 8; Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 485. 715 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem,
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
eine zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung über die Bereitstellung.719 Einigen sich die Parteien also nur über den Kauf eingelagerter Ware, so könnte die Gefahr nach dem Wortlaut des Art. 144 II GEK‑Vorschlag dennoch durch Bereitstellung an einem anderen Ort als dem der Einlagerung übergehen. Das Zusammenspiel von Art. 31 lit. b) und Art. 69 II CISG schafft hier mehr Rechtssicherheit und stellt einen gelungeneren Regelungskomplex zum Kauf eingelagerter Ware dar. Teilweise wird an Art. 144 II GEK‑Vorschlag kritisiert, dass die Gefahr schon vor der tatsächlichen Möglichkeit des Käufers, auf die Ware zuzugreifen, übergeht, obwohl der Verkäufer in diesem Stadium noch größere Einwirkungsmöglichkeiten auf den unmittelbar besitzenden Verwahrer hat und sich die Ware somit eher in seinem Herrschaftsbereich befindet als in dem des Käufers.720 Dem kann für den Kauf eingelagerter Ware nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Die Gefahr geht erst über sobald die Ware dem Käufer zur Verfügung gestellt ist, was der Fall ist, wenn er einen verbrieften Herausgabeanspruch gegen den Lagerhalter erhält. Wird ein Orderlagerschein auf den Käufer übertragen, so gibt der Verkäufer jeglichen Besitzrest auf und der Käufer wird mittelbarer Besitzer, so dass der Käufer nun größere Einwirkungsmöglichkeiten auf die Ware hat.
c) Deutsches Recht Das deutsche Recht enthält keine gesonderte Norm für den Gefahrübergang beim Kauf eingelagerter Ware. Da die speziellere Norm des § 447 BGB nicht anwendbar ist, bestimmt sich der Gefahrübergang nach § 446 BGB. Die Gefahr kann also erst auf den Käufer übergehen, sobald ihm die eingelagerte Ware übergeben wurde, § 446 S. 1 BGB. Man könnte daher davon ausgehen, dass der Zeitpunkt des Gefahrübergangs später als in den Kaufrechtskodifikationen von UN und EU anzusiedeln ist. Allerdings ist im kaufmännischen Verkehr die Vorschrift des § 475g HGB zu beachten, wonach gem. Satz 1 die Begebung eines Lagerscheins an den Berechtigten der Übergabe gleich steht, was gem. Satz 2 auch bei Übertragung des Lagerscheins an Dritte gilt. Demnach ist die Übergabe des Orderlagerscheins der Übergabe der Ware gleichzusetzen.721 Die Aushändigung eines bloßen Lieferscheins an den Käufer wird dagegen auch im deutschen Recht für nicht ausreichend erachtet, um den Gefahrübergang
719 So auch Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, S. 174, Rn. 34. 720 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, S. 174, Rn. 34. 721 Staudinger/Beckmann, § 446, Rn. 21; BeckOK BGB/Faust, § 446, Rn. 8; MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 7; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 150; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 95.
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zu bewirken.722 Erforderlich ist also auch hier ein Dokument über eine vorbehaltlose Verpflichtung des Lagerhalters zur Herausgabe der Ware an den Käufer.
2. Bewertung der Lösungen Trotz Anwendung unterschiedlicher Regelungen und der damit verbundenen Anknüpfung an unterschiedliche Zeitpunkte stellen alle drei untersuchten Regelwerke für den Gefahrübergang beim Kauf eingelagerter Ware die gleichen Anforderungen und kommen hinsichtlich des Zeitpunkts des Gefahrübergangs zum gleichen Ergebnis. Die Sachgerechtigkeit einer solchen Lösung für den Gefahrübergang wird aber auch angezweifelt.723 Vor dem Hintergrund der Ähnlichkeit des Kaufs eingelagerter Ware mit dem Verkauf reisender Ware – in beiden Abwicklungsformen befindet sich die Ware bei einem Dritten und dem Käufer werden Papiere angedient – ließe sich darüber nachdenken, auch die Gefahrtragung gleich zu gestalten.724 Indem der Gefahrübergang an die Abtretung des Herausgabeanspruchs geknüpft wird, folgt man den Erwägungen der näheren Sachherrschaft. Jedoch weist diese Lösung die gleichen praktischen Probleme auf wie die Anknüpfung an den Vertragsschluss beim Verkauf reisender Ware, da der (letzte) Käufer den genauen Zeitpunkt einer Beschädigung häufig nur äußerst schwierig feststellen kann.725 Da für die Ware beim Verwahrer meist Versicherungsschutz bestehen wird, ließe sich die Anordnung eines rückwirkenden Gefahrübergangs für den Käufer zwar wohl verschmerzen.726 Die von CISG, GEK‑Vorschlag und deutschem Recht gewählte Lösung scheint aber überzeugender. Denn die für den rückwirkenden Gefahrübergang sprechende Beweisproblematik fällt beim Verkauf reisender Ware stärker ins Gewicht als beim Kauf eingelagerter Ware, da die Ware auf dem Transport deutlich größeren Risiken ausgesetzt ist als bei der Einlagerung. Die Transportgefahr ist dem Käufer beim Kauf eingelagerter Ware ohnehin aufgebürdet, da für ihn eine Holschuld besteht und er die Ware auf seine Gefahr vom Lagerort abzutransportieren hat.
II. Kauf von an drittem Ort herzustellender Ware Der Kauf von Ware, die an einem dritten Ort herzustellen ist,727 hat nicht nur eine gewisse Ähnlichkeit zu den Fällen des Kaufs eingelagerter Ware, sondern 722 OLG Hamburg 07.05.1918, OLGE 38, 210; Staudinger/Beckmann, § 446, Rn. 21; MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 7. 723 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 153 f. 724 So Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 153. 725 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 154. 726 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 154. 727 Der Verkauf herzustellender Ware wird in CISG, GEK‑Vorschlag und deutschem Recht dem Kaufrecht unterstellt, siehe Art. 3 I CISG, Art. 2 lit. k) VO‑GEK‑Vorschlag, § 650 BGB.
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Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
auch zu Fernkäufen, bei denen der Verkäufer die Ware an einen dritten Ort zu liefern hat. Zum Fernkauf besteht jedoch ein nicht zu vernachlässigender Unterschied. Während der Verkäufer beim Fernkauf eine Bringschuld an den dritten Ort hat, besteht beim Kauf von Ware, die an einem dritten Ort herzustellen ist, lediglich eine Holschuld des Käufers. Der Gefahrübergang vollzieht sich in allen genannten Fällen nach der gleichen Vorschrift. Tatbestandlich sind Art. 69 II CISG728 sowie Art. 144 II GEK‑ Vorschlag einschlägig. Da die Zurverfügungstellung der Ware beim Kauf herzustellender Ware nicht mittels Orderlagerschein erfolgt, gelten hier die im Rahmen des Fernkaufs gemachten Ausführungen. Die zum Kauf eingelagerter Ware geäußerten Bedenken hinsichtlich der schwierigen Beweisbarkeit des exakten Zeitpunkts von Schäden während der Lagerzeit greifen hier nicht. Da der Verkäufer hier auch keine Bringschuld übernimmt, erscheint eine zeitlich vorgelagerte Gefahrübernahme des Käufers bereits in dem Zeitpunkt, in dem ihm die Ware zur Verfügung gestellt ist, nicht gerechtfertigt. Beim Platzkauf, bei dem auch eine reine Holschuld des Käufers besteht, kann sich der Verkäufer der Gefahr erst entledigen, sobald der Käufer die Ware übernommen bzw. angenommen hat. Zwar kann man hierzu anführen, dass der Verkäufer an seinem Sitz eben auch bis zur Übernahme durch den Käufer die tatsächliche Sachherrschaft innehat. Allerdings steht er auch in Fällen der Holschuld des Käufers am Ort eines Herstellers noch näher an der Sache als der Käufer, da der Hersteller gewissermaßen in seinem Pflichtenkreis tätig wird. Das deutsche Recht lässt die Gefahr in diesen Fällen gem. § 446 S. 1 BGB erst mit der Übergabe auf den Käufer übergehen. Dies erscheint hier die sachgerechteste Lösung zu sein. Da der Verkäufer hier keine Bringschuld zu einem dritten Ort übernimmt, ist es konsequent, ihn auch nicht in den Vorzug eines früheren Gefahrübergangs durch bloße Zurverfügungstellung kommen zu lassen.
III. Zusammenfassung Der Kauf von an drittem Ort eingelagerter Ware oder herzustellender Ware weist in der Abwicklung Gemeinsamkeiten sowohl mit dem Platzkauf, als auch mit dem Fernkauf auf.729 Mit dem Platzkauf verbindet ihn die Holschuld des Käufers. Der Lager- bzw. Herstellungsort an einem anderen Ort als dem Verkäufersitz bringt die Nähe zum Fernkauf. Die Regelwerke halten für den Kauf eingelagerter oder herzustellender Ware keine gesonderten Gefahrtragungsnormen bereit und die Lösungen sind somit über die bestehenden Gefahrtragungsvorschriften zu suchen. CISG und GEK‑Vorschlag wenden die Vorschriften zum Gefahrübergang beim Fernkauf an, das deutsche Recht löst auch diese Ab728 Vgl.
729 Zum
Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 19 a. E. Begriff siehe oben § 6 II.5.
§ 12 Zusammenfassung dritter Teil
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wicklungsform über § 446 S. 1 BGB. Beim Verkauf eingelagerter Ware kommen hierbei alle Regelwerke zum sachgerechten Ergebnis des Gefahrübergangs mit Erlangung des Anspruchs auf Herausgabe der eingelagerten Ware durch den Käufer und damit verbundener unbeschränkter Zugriffsmöglichkeit. Der Verkäufer hat seine kaufvertragliche Verschaffungspflicht hiermit erfüllt. Beim Kauf von an drittem Ort herzustellender Ware kommt lediglich das deutsche Recht durch Anwendung von § 446 S. 1 BGB zum sachgerechten Ergebnis des Gefahrübergangs erst mit tatsächlicher Übergabe. Der Verkäufer übernimmt keine Bringschuld, sondern für den Käufer besteht lediglich eine Holschuld am Herstellungsort. Die Fälle sind daher nicht anders als der Platzkauf zu beurteilen. Der Unterschied zum Verkauf eingelagerter Ware besteht überdies darin, dass der Verkäufer sich dort mit der Abtretung des Herausgabeanspruchs jeglicher Einflussmöglichkeit entledigt hat, während der Hersteller beim Verkauf hergestellter Ware im Pflichtenkreis des Verkäufers tätig ist.
§ 12 Zusammenfassung dritter Teil Die Frage nach der Tragung der Preisgefahr730 ist beim kaufvertraglichen Austausch von Ware gegen Geld eine ganz entscheidende Frage. Im internationalen Kontext bieten verschiedene Vorschriften Lösungen zur Beantwortung dieser Frage an. Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln hat einerseits die Unterscheidung zwischen Verbaucher- und Unternehmergeschäften zu berücksichtigen und andererseits die verschiedenen Abwicklungsformen von Kaufverträgen. Es ist notwendig, dass die Gefahrtragungsvorschriften den Unterschieden der Abwicklungsformen gerecht werden und der Gefahrübergang die tatsächlichen Gegebenheiten der Abwicklung und die übernommenen Verpflichtungen angemessen berücksichtigt. Die Rechtsvergleichung steht hier zunächst vor dem Problem, dass zur Bezeichnung der Abwicklungsformen verschiedene Begriffe mit teilweise auch unterschiedlichem Verständnis verwandt werden. Der dritte Teil stellt daher zunächst die Besonderheiten der Abwicklungsformen im Wege einer Typenbildung dar und zeigt die Abwicklung als Platz-, Fern- und Versendungskauf sowie den Verkauf reisender Ware und den Kauf von an einem dritten Ort eingelagerter oder herzustellender Ware auf.731 Die Typenbildung und einheitliche Begriffsverwendung ist die Grundlage in der Diskussion um die sachgerechtesten Lösungen für die Gefahrtragung. Hier liegt Vereinheitlichungspotenzial für die kaufrechtliche Literatur. Die Vorschriften selbst verwenden diese Begriffe nicht. Gerade internationale Regelwerke (CISG, GEK‑Vorschlag) enthalten eine größere Anzahl an 730 Siehe
731 Siehe
oben § 4 II.1. oben § 6.
218
Dritter Teil: Preisgefahrübergang bei verschiedenen Kaufabwicklungsformen
Regelungen zum Übergang der Preisgefahr als das deutsche Recht. Die Regelungen beschreiben tatbestandlich verschiedene Abwicklungsformen und knüpfen den Gefahrübergang dann an bestimmte Voraussetzungen. Die detailliertere Regelungsweise weckt die Erwartungshaltung, dass die Besonderheiten der einzelnen Abwicklungsformen besonders sorgfältig berücksichtigt werden und sachgerechte Lösungen gefunden werden, die zudem durch Rechtsklarheit zu überzeugen wissen. Demgegenüber könnte man beim deutschen Recht erwarten, da es mit lediglich zwei Vorschriften (§§ 446, 447 BGB) zum Übergang der kaufrechtlichen Preisgefahr auskommt, dass die Vorschriften weniger exakt auf die verschiedenen Abwicklungsformen zugeschnitten sind und damit weniger sachgerecht sind. Dieser Erwartungshaltung werden die detaillierteren Regelungen von CISG und GEK‑Vorschlag jedoch nicht gerecht. Das deutsche Recht kommt oftmals zu ebenso sachgerechten Ergebnissen und sorgt durch die abstrakte Ausgestaltung für Rechtssicherheit. Beispielhaft seien hier der Gefahrübergang beim Fernkauf732, die Kritik an der Terminologie bei den Regelungen zum Platzkauf733 oder der Gefahrübergang beim Kauf von an drittem Ort hergestellter Ware734 angeführt. Zahlreiche Fragen bleiben in CISG und GEK‑Vorschlag trotz detaillierter Regelungen offen. Das verwundert gerade beim GEK‑Vorschlag, da nicht zu übersehen ist, dass das CISG als Vorbild gedient hat und der GEK‑Vorschlag daran angelehnt ist. Hier hätte man die in über 30 Jahren CISG benannten und diskutierten Probleme schöner lösen können. Unsaubere Formulierungen und Übersetzungen verursachen zusätzliche Fragen. Die abstrakten Regelungen des deutschen Rechts können nicht aus sich heraus alle Besonderheiten des internationalen Handels sachgerecht lösen. Dies zeigt beispielsweise der Gefahrübergang bei reisender Ware, bei der ein rückwirkender Gefahrübergang mit Übergabe an den Beförderer stattfinden sollte. Man tut sich im deutschen Recht mit dieser Lösung schwer.735 Die detailliertesten Regelungen für den Gefahrübergang können die Parteien durch Verwendung der Incoterms vereinbaren. Die Beliebtheit ihrer Verwendung lässt sich daher auch mit Blick auf den Gefahrübergang begründen. Beispielhaft sei hier die Frage nach dem Risiko beim Verladungsvorgang genannt, bei der die Parteien mithilfe der Incoterms auch innerhalb einer Abwicklungsform verschiedene, den individuellen Interessen gerecht werdende Lösungen auswählen können.736 Doch auch die Incoterms weisen auf Redaktionsfehlern oder sprachlichen Ungenauigkeiten (in unterschiedlichen Sprachfassungen) beruhende Schwächen auf. Hier ist an die Auslegung des Lieferbegriffes737 oder die Probleme der 732 Dazu 733 Dazu
oben § 8 V. 5. oben § 7 V. 4. 734 Dazu oben § 11 II. 735 Dazu oben § 10 III. 736 Dazu oben § 7 V. 5. 737 Dazu oben § 7 IV. 1.a) und § 7 IV. 1.b).
§ 12 Zusammenfassung dritter Teil
219
Auslegung bei schwimmender Ware738 zu denken. Beim Versendungskauf besteht beim Unternehmergeschäft Einigkeit über die Tragung der Transportgefahr durch den Käufer. Unterschiede ergeben sich bei den Personen, die als Beförderer zur Bewirkung des Gefahrübergangs angesehen werden.739 Bei Verbraucherverträgen wurden die Fälle der Selbstorganisation des Transportes durch den Verbraucher nun zahlreich zum Regelungsgegenstand gemacht.740 Die Tragung der Transportgefahr ist hier sachgerecht, da die Fälle nicht anders als Platzkäufe beurteilt werden können, man mag sie gar als solche betrachten.741 Bemerkenswert ist auch die sachgerechte Lösung zu der Frage der Konkretisiserung bei Sammelladungen und dem davon abhängigen Gefahrübergang. Die Lösung ist in allen Regelwerken erst durch Auslegung zu finden und nicht unumstritten. Das EKG war hier schon einen Schritt weiter.742 Nicht immer gelingt also tatsächlicher Fortschritt. Übergreifend bleibt zur rechtsvergleichenden Betrachtung des Übergangs der Preisgefahr daher zu sagen, dass keines der Regelwerke mit seinem jeweiligen Ansatz und den vorgesehenen Regelungen grundsätzlich den anderen vorzuziehen wäre, weil es in seiner Gesamtheit die besten Lösungen anbieten würde. Vielmehr haben alle untersuchten Regelwerke Stärken und Schwächen. Die Regelungen stehen weitgehend im Wettbewerb zueinander. Für die Parteien eines Kaufvertrages kann das nur gut sein.
738 Dazu 739 Dazu
oben § 10 IV. 2.b). oben § 9 IV. 1.a). 740 Durch Art. 142 IV GEK‑Vorschlag, Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL und in der Folge auch in § 474 IV BGB a. F. (§ 475 II BGB n. F.). 741 Zu den Abgrenzungsproblemen bei vom Käufer organiserten Transport § 6 II.3.a) oder auch § 9 I. 2.c); zur Sachgerechtigkeit der Tragung der Transportgefahr durch den Verbraucher § 9 IV. 2.c). 742 Dazu oben § 8 I. 4.
Vierter Teil
Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien Im Kaufvertrag als synallagmatischem Schuldverhältnis bestehen für beide Vertragsparteien Hauptpflichten. Es ist zu untersuchen, wie sich ein Fehlverhalten der Parteien im Hinblick auf diese Verpflichtungen auf die Gefahrtragung auswirkt. Für die Gefahrtragung sind hierbei in erster Linie Hauptpflichten maßgebend, die in Beziehung zur Ware stehen. Auf Seiten des Käufers ist die Abnahme der Ware als Hauptpflicht ausgestaltet, vgl. § 433 II BGB, Art. 123 I lit. (b) GEK‑Vorschlag, Art. 53 CISG. Kommt der Käufer dieser Pflicht nicht nach, hat dies auch mit Blick auf die Gefahrtragung Folgen. Unabhängig vom Vorliegen einer Hauptleistungspflicht kann überdies Gläubigerverzug vorliegen. Ferner trifft aber den Verkäufer nicht nur die Pflicht, Ware überhaupt zu liefern, die Ware hat auch in qualitativer und quantitativer Hinsicht den vertraglichen Anforderungen zu entsprechen, vgl. § 433 I 2 BGB, Art. 91 lit. c) GEK‑Vorschlag, Art. 35 I CISG. Erfüllt der Verkäufer diese Pflicht nicht, so wirkt sich dies zunächst nicht unmittelbar auf den Gefahrübergang aus, auch wenn sich teilweise Abgrenzungsfragen zwischen Gefahrtragung und Haftung stellen. Im Zuge der Haftung des Verkäufers kommt aber häufig eine Rückabwicklung des Vertrags in Betracht, bei der sich ebenfalls Fragen der Gefahrtragung stellen.
§ 13 Die Säumnis des Käufers bei der Abnahme Vollzieht sich der Gefahrübergang nach dem Traditionsprinzip, ist auch der Käufer in gewisser Weise gefordert. Eine Übergabe der Ware ist ohne eine entsprechende Abnahme auf Seiten des Käufers nicht denkbar, dessen Mitwirkung also notwendig.1 Die durch eine unterlassene Mitwirkung des Gläubigers entstehende Vertragsvollzugsstörung berührt also das Gefahrtragungsinteresse, da Leistungs- und Gegenleistungsgefahr von der Leistungserbringung abhängen.2 Alle Regelwerke ordnen für die Säumnis des Käufers Folgen im Bereich der Gefahrtragung an. Die Ausgestaltungen sind in den einzelnen Kodifikationen aber unterschiedlich. Das mag auch an den unterschiedlichen persönlichen An1 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 185, 186. 2 Hartmann, Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers,
S. 16, 17.
§ 13 Die Säumnis des Käufers bei der Abnahme
221
wendungsbereichen liegen. Deutsches Recht und GEK‑Vorschlag gelten sowohl für Verbraucher-, als auch Unternehmergeschäfte. Der GEK‑Vorschlag sieht aber gesonderte Regelungen für B2C- und B2B‑Geschäfte vor. Es ist für B2C‑Verträge nicht lediglich die Nichtanwendung der B2B‑Norm angeordnet, sondern eine gesonderte von den B2B‑Geschäften unabhängige Norm geschaffen worden. Derlei Unterscheidung bemüht das deutsche Recht im Bereich des Annahmeverzugs nicht. Es gelten die gleichen Regeln für Verbraucher- und Unternehmergeschäfte. Die Lösung des BGB ist also sowohl mit den jeweiligen Vorschriften für Verbraucher als auch mit den jeweils für Unternehmer geltenden Regelungen zu vergleichen. Hier empfiehlt es sich, zwischen Verbraucherkaufverträgen (sogleich I.), den allgemeinen Regeln des BGB (unten II.) und Unternehmerkaufverträgen (unten III.) zu unterscheiden.
I. Die Säumnis des Verbrauchers 1. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht Für den Verbraucherkaufvertrag ist in den Fällen der Nichterfüllung der Käuferpflichten die Gefahrtragungsregelung des Art. 142 III GEK‑Vorschlag anzuwenden. Gem. Art. 142 III GEK‑Vorschlag kann die Gefahr in Ausnahme zu Art. 142 I GEK‑Vorschlag vor Besitzerlangung auf den Verbraucher übergehen. Voraussetzung ist gem. Art. 142 III 1 GEK‑Vorschlag, dass der Verbraucher seine Verpflichtung zur Übernahme der Ware oder digitalen Inhalte nicht erfüllt und diese Nichterfüllung nicht gem. Art. 88 GEK‑Vorschlag entschuldigt ist. Die Gefahr soll dann gem. Art. 142 III 2 GEK‑Vorschlag zu dem Zeitpunkt auf den Verbraucher übergehen, zu dem der Verbraucher oder ein von ihm bezeichneter Dritter Besitz erlangt hätte, wenn die Verpflichtung zur Übernahme erfüllt worden wäre. Der Verbraucher trägt bei unentschuldigter Nichtübernahme also die Gefahr ab dem Zeitpunkt der hypothetischen Inbesitznahme. Für Fernabsatzverträge und bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen soll dies jedoch nicht gelten. Der Gefahrübergang findet hier generell erst mit Besitzerlangung statt.3 Die Regelung des Art. 142 III GEK‑Vorschlag bezieht sich generell auch auf den Gefahrübergang beim Verbraucherversendungskauf. Denn die Gefahr geht auch hier auf den Verbraucher gem. Art. 142 I GEK‑Vorschlag über. Und zu diesem Absatz 1 stellt Art. 142 III GEK‑Vorschlag ja ausweislich seines Wortlauts eine Ausnahme dar. Für die Fälle, in denen die Gefahr nach Art. 142 IV GEK‑Vorschlag schon mit Übergabe an den Beförderer übergeht, stellt die Säumnisregelung des Art. 142 III GEK‑Vorschlag keine Ausnahme dar. Hier kann Art. 142 III GEK‑Vorschlag nicht angewendet werden. Dies zeigt schon der Wortlaut des Absatzes 3, ergibt sich aber logischerweise auch 3 Siehe
hierzu unten § 16.
222
Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien
aus der Tatsache, dass der Gefahrübergang in diesen Fällen ohnehin schon auf den Zeitpunkt der Übergabe an den Beförderer vorgezogen ist. Dieser Zeitpunkt liegt vor einer hypothetischen Übernahme durch den Verbraucher. Es drängt sich aber die Frage auf, wie zu verfahren ist, wenn eine vorgesehene Übergabe an den Beförderer nicht stattfinden kann, weil der Verbraucher etwaige Mitwirkungspflichten verletzt hat. Diese Frage ist im Kontext der genauen Anforderungen an die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 142 III GEK‑Vorschlag zu thematisieren.
a) Nichterfüllung der Verpflichtung zur Übernahme Art. 142 III GEK‑Vorschlag stellt darauf ab, dass der Verbraucher seine Pflicht zur Übernahme nicht erfüllt. Im Grundsatz klar ist damit, dass die Inbesitznahme gem. Art. 142 I GEK‑Vorschlag erfasst ist.4 Wird einem Verbraucher also bestellte Ware vereinbarungsgemäß geliefert und verweigert er die geschuldete körperliche Entgegennahme, so liegt darin jedenfalls die Nichterfüllung der Übernahmeverpflichtung. Das Abstellen auf die Pflicht zur Übernahme erscheint indes problematisch. Fraglich ist damit, ob sich Art. 142 III GEK‑Vorschlag nur auf die Pflicht des Verbrauchers zur Inbesitznahme aus Art. 142 I GEK‑Vorschlag bezieht oder auch auf die Nichterfüllung anderer Pflichten, die letztlich im weiteren Verlauf die Inbesitznahme ermöglichen sollten.5
aa) Unterlassen von Mitwirkungspflichten Die Terminologie der Übernahme kann die Übernahme des Besitzes bedeuten, aber auch weitergehende Kooperationspflichten des Verbraucherkäufers, wie die Benennung von Lieferort und Lieferzeit.6 Gerade im Bereich des vom Verbraucher selbst veranlassten Versendungskaufs kämen beispielsweise Fehler bei der Koordinierung der Abholung des vom Verbraucher eingeschalteten Beförderers in Betracht. In der deutschen Textfassung ist die Übernahme als Teil der Annahme gem. Art. 129 GEK‑Vorschlag ausgestaltet und bezieht sich auf die Inbesitznahme. Die Vornahme anderer Handlungen, die der Käufer vorzunehmen hat, um dem Verkäufer die Lieferung zu ermöglichen, gehört gerade nicht zur Übernahme. Der deutsche Text legt damit eine enge Auslegung der Übernahme beschränkt auf die Pflicht zur Inbesitznahme nahe, während die spanische und die französische Textfassung jeweils zu anderen und unterschiedlichen Verständnismöglichkeiten Anlass geben.7 Innerhalb der deutschen Sprachfassung erscheint es zwar seltsam, dass man sich dann nicht ausdrück4 Zur Auslegung
des Begriffs schon oben § 7 II.4.b). in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 480. 6 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 480. 7 Vgl. hierzu Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 481, zur französischen Fassung Fn. 42, zur spanischen Fassung Fn. 43. 5 Wiese,
§ 13 Die Säumnis des Käufers bei der Abnahme
223
lich auf die Inbesitznahme bezieht, da man in Absatz 1 eben diese Terminologie verwendet hat. Man könnte also zu dem Verständnis tendieren, dass die Übernahme dann zumindest etwas anderes als die Inbesitznahme bedeuten muss. Beim Blick auf die Systematik des Art. 129 GEK‑Vorschlag scheint sich der ausschließliche Bezug auf die Inbesitznahme jedoch zu bestätigen. Auch die Tatsache, dass Art. 142 III GEK‑Vorschlag nur eine Ausnahme zu den Absätzen 1 und 2 darstellt, spricht für dieses Verständnis. Denn dort stellt man ja gerade auf die Besitzerlangung ab. Gerade bei der Ausnahmeregelung des Absatzes 4 kommt eine gescheiterte Übernahme (durch den Beförderer) durch Nichterfüllung sonstiger Mitwirkungspflichten des Käufers in Betracht. Hierfür soll die Säumnisregelung aber ausdrücklich nicht gelten. Auch das erklärte Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, kann gegen die Erfassung von Mitwirkungspflichten angeführt werden. Denn jede Nachlässigkeit des Verbrauchers über eine Gefahrtragungsnorm zu sanktionieren, verringert den Schutz des Verbrauchers. Spricht zusammenfassend nach der deutschen Fassung einiges dafür, nur die enge Verpflichtung zur Inbesitznahme zu erfassen, kann dies aber mit Blick auf die anderen Sprachfassungen nicht mit Gewissheit gesagt werden.8 Der Umgang des GEK‑Vorschlags mit unterschiedlicher Terminologie stellt wiederholt ein Problem dar. Dieses Problem würde durch die vorgeschlagene Änderung der Gefahrtragungsnorm beim Verbraucherkaufvertrag des ELI, Art. 99, gelöst.9 Denn dort wird sowohl in der Grundnorm des Absatzes 1 auf die Annahme („take delivery“) abgestellt, als auch in der Säumnisregelung des Absatzes 2 auf die Nichterfüllung der Annahme mit der Folge des Gefahrübergangs zum Zeitpunkt der hypothetischen Annahme. Man spart sich also die terminologischen Ungereimtheiten. Überdies ist die Nichtregelung von Säumnisfolgen für den Gefahrübergang bei einem Versendungsgeschäft nach Art. 142 IV GEK‑Vorschlag sachlich nicht gerechtfertigt. Der Unternehmer, der auf eine Abholung durch den vom Verbraucher beauftragten Beförderer angewiesen ist, hat keine Möglichkeiten, den Gefahrübergang herbeizuführen. Es ist schon fraglich, ob er seine Lieferung nach Art. 97 II GEK‑Vorschlag bewirken kann, zum Gefahrübergang würde aber auch das nicht führen. Diese unter Umständen sehr lange Tragung der Preisgefahr führt zu einer deutlichen Mehrbelastung des Verkäufers. Er steht somit bei einem vom Verbraucher veranlassten Versendungskauf schlechter als bei einer Holschuld, falls der Verbraucher nicht tätig wird. In diesem Fall kommt eine Inbesitznahme des Verbrauchers zur Bewirkung des Gefahrübergangs nicht in Betracht. Hier wäre es daher angemessen, bei Nachlässigkeiten des Verbrauchers im Bereich der Mitwirkungspflichten den Verkäufer ab einem bestimmten Zeitpunkt von der Gefahrtragung zu entlasten. 8 Wiese, 9 ELI,
in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 481. Statement CESL, S. 91, 247.
224
Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien
bb) Nichtzahlung des Kaufpreises In Zusammenhang mit den Mitwirkungspflichten steht die Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer. Der Kaufpreis wird gem. Art. 126 I GEK‑Vorschlag mit der Lieferung fällig. Ist nun eine Leistung Zug-um-Zug vereinbart, kommt der Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises eine ähnliche Bedeutung zu wie einer Mitwirkungspflicht des Käufers. Ist nun der Verkäufer bereit, dem Verbraucher den Besitz an den Waren zu verschaffen, und ist der Verbraucher aber zunächst nicht bereit, seine Pflicht zur Zahlung zu erfüllen, wäre das grundsätzlich noch keine Nichterfüllung seiner Verpflichtung zur Übernahme i. S. d. Art. 142 III 1 GEK‑Vorschlag. Dennoch erscheint es bei dieser Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung angebracht, dem Verkäufer zu ermöglichen, die Gefahr auf den Käufer abzuwälzen.
cc) Keine Säumnis des Verbrauchers bei Ablehnung vertragswidriger Ware Probleme bereiten Fälle, in denen der Verkäufer dem Verbraucher vertragswidrige Ware anbietet und der Verbraucher die Übernahme der Ware unter Berufung auf die Vertragswidrigkeit ablehnt. Es ist nicht sachgerecht, dass der die vertragswidrige Ware zurückweisende Verbraucher dennoch gem. Art. 142 III GEK‑Vorschlag die Gefahr zu tragen hat. Da Art. 142 III 1 GEK‑Vorschlag voraussetzt, dass der Käufer eine Verpflichtung zur Übernahme hatte, sollte man die Problematik anhand dieses Tatbestandsmerkmals behandeln. Der Käufer muss die Ware zwar grundsätzlich gem. Art. 123 I lit. (b) GEK‑Vorschlag annehmen. Erfüllt der Verkäufer aber seine Verpflichtung der Sicherstellung der Vertragsgemäßheit der Waren nicht, Art. 91 lit. c) GEK‑Vorschlag, kann der Käufer die Annahme gem. Art. 106 I lit. (b), 113 GEK‑Vorschlag zurückhalten. Macht er hiervon Gebrauch, kann von einer Verpflichtung zur Übernahme der Waren i. S. d. Art. 142 III 1 GEK‑Vorschlag keine Rede sein. Das sachlich einzig richtige Ergebnis ist es daher, einen Gefahrübergang infolge einer Säumnis des Käufers abzulehnen. Bedenken bereitet bei dieser Lösung aber die Textfassung, indem die Verhinderung des Gefahrübergangs bei berechtigter Zurückhaltung der Annahme gem. Art. 113 GEK‑Vorschlag zwar in Art. 144 I GEK‑Vorschlag zum Unternehmerkauf ausdrücklich genannt wird, jedoch in Art. 142 III GEK‑Vorschlag zum Verbraucherkauf gerade nicht.10 Art. 99 II ELI-Änderungsvorschlag sieht zur Lösung dieses Missstandes richtigerweise einen Zusatz vor, nach dem auch das Zurückhaltungsrecht den Gefahrübergang auf den Verbraucher ausschließt.11
10 Siehe 11 ELI,
hierzu § 13 III. Statement CESL, S. 247, rechte Spalte, Anmerkung (4).
§ 13 Die Säumnis des Käufers bei der Abnahme
225
b) Entschuldigung gem. Art. 88 GEK‑Vorschlag Art. 142 III 1 GEK‑Vorschlag enthält als negative Tatbestandsvoraussetzung die nicht entschuldigte Nichterfüllung. Hier lohnt ein genauer Blick auf die Entschuldigung nach Art. 88 GEK‑Vorschlag. Die Nichterfüllung ist entschuldigt, wenn sie auf einem außerhalb des Einflussbereichs dieser Partei liegenden Hindernis beruht und von dieser Partei nicht erwartet werden konnte, das Hindernis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Betracht zu ziehen oder das Hindernis oder dessen Folgen zu vermeiden oder zu überwinden. Die Voraussetzungen der Norm sind schon aus Art. 79 CISG bekannt, an dem sich Art. 88 I GEK‑Vorschlag orientiert. Art. 88 II GEK‑Vorschlag enthält eine Regelung, nach der bei vorübergehenden Hindernissen nur der entsprechende Zeitraum entschuldigt ist. Die Ergänzung zu Abs. 1 bezieht sich aber nur auf die Dauer des Hindernisses, alle anderen Tatbestandsmerkmale des Abs. 1 müssen für eine wirksame Entschuldigung dennoch vorliegen.12
aa) Hindernis außerhalb des Einflussbereichs der Partei Ein Hindernis liegt nach Art. 79 CISG nur dann außerhalb des Einflussbereichs, wenn es nach einer Sphärenbetrachtung objektiv besteht, also von außerhalb der Person des Schuldners liegenden Umständen herrührt.13 Persönliche Umstände, die zu einem Leistungshindernis oder einer Leistungserschwerung führen, können hierunter nicht verstanden werden; sie fallen in die vertragliche Risikosphäre des Schuldners, der insofern ein Beschaffungsrisiko trägt.14 Außerhalb dieses Einflussbereichs liegen in erster Linie Fälle von höherer Gewalt.15 Auch staatliche Hoheitseingriffe wie Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen oder Embargos liegen außerhalb der Einflusssphäre.16 Im Bereich der Säumnis des Käufers sollte das allerdings weniger relevant werden, soweit man lediglich die Verpflichtung zur Inbesitznahme und nicht etwaige Mitwirkungspflichten des Käufers von Art. 142 III 1 GEK‑Vorschlag erfasst sieht. Der Risikosphäre des Schuldners sind wirtschaftliches Unvermögen oder auch persönliche Umstände wie Inhaftierung oder Tod zuzuordnen.17 Weil schon Schwierigkeiten bei der 12 Schulze/Zoll, Art. 88,
Rn. 13.
13 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer,
Art. 79, Rn. 11; Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 113; Schulze/Zoll, Art. 88, Rn. 8. 14 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 79, Rn. 11; Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 113. 15 Schulze/Zoll, Art. 88, Rn. 8. 16 Staudinger/Magnus, Art. 79, Rn. 28; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 79, Rn. 11; Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 113. 17 Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 113.
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Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien
Frage bestehen, welche (unterlassenen) Handlungen zu einer Säumnis des Käufers führen, bleibt als Folgefrage auch unklar, welche Hindernisse die Säumnis entschuldigen können.18
bb) Hindernis war nicht in Betracht zu ziehen Weitere Voraussetzung für die Entschuldigung nach Art. 88 I GEK‑Vorschlag und die Abwendung der Säumnisfolgen ist, dass der Käufer das Hindernis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht in Betracht ziehen konnte. Erfasst sind hier jedenfalls Umstände, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbar waren.19 Umstände, die nicht vorhersehbar sind, können auch nicht in Betracht gezogen werden. Allerdings gilt es, die Vorhersehbarkeit gerade bei den Fallgruppen der höheren Gewalt sorgfältig zu prüfen, wenn bei Naturkatastrophen bestimmte Regionen hiervon häufiger betroffen sind.20 Es ist jedoch nicht möglich, im Umkehrschluss davon auszugehen, dass der Käufer jedes vorhersehbare Ereignis auch zwingend in Betracht zu ziehen hat.21 Bei geringer Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines bestimmten Ereignisses soll dieses unter bestimmten Umständen vernachlässigbar sein, wenn es zu unzumutbaren Belastungen für den Käufer führen würde.22 Insgesamt soll bei der Frage, was eine Partei an Hindernissen in Betracht zu ziehen hat, auf den Maßstab einer verantwortungsbewussten Person aus dem sozialen Umfeld des Käufers abzustellen sein.23 Dieser subjektive Maßstab kann aus dem Wortlaut „dieser Partei“ geschlossen werden.
cc) Überwindung des Hindernisses oder der Folgen konnte nicht erwartet werden Stammt das Hindernis nicht aus dem Einflussbereich des Käufers und hatte er das Hindernis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch nicht in Betracht zu ziehen, so ist als zusätzliche Voraussetzung zu fordern, dass vom Käufer nicht erwartet werden konnte, das Hindernis oder dessen Folgen zu vermeiden oder zu überwinden. Zur Prüfung dieser Voraussetzung soll eine Plausibilitätsprüfung vorgenommen werden, bei der wiederum ein subjektiver Maßstab angelegt wird.24 Es wird vorgeschlagen, vom Schuldner (hier Käufer) jedenfalls keine wirtschaftlich unvernünftigen Anstrengungen zu fordern, um das Hindernis oder die Folgen zu vermeiden oder zu überwinden.25 18 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein 19 Schulze/Zoll, Art. 88, Rn. 10.
einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 482.
20 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 79, 21 Schulze/Zoll, Art. 88, Rn. 10. 22 Schulze/Zoll, Art. 88,
Rn. 10. Rn. 11. Rn. 12. 25 Schulze/Zoll, Art. 88, Rn. 12. 23 Schulze/Zoll, Art. 88, 24 Schulze/Zoll, Art. 88,
Rn. 16.
§ 13 Die Säumnis des Käufers bei der Abnahme
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dd) Folgen für den Gefahrübergang Trotz eines subjektiven Maßstabs und möglicherweise in die Betrachtung miteinzubeziehender wirtschaftlicher Erwägungen26 ist Art. 88 GEK‑Vorschlag mit seinen drei Tatbestandsvoraussetzungen sehr streng ausgestaltet, was mögliche Entschuldigungsgründe angeht.27 Der Parallelvorschrift Art. 79 I CISG wird deshalb attestiert, dass sie kaum praktische Bedeutung hat.28 Damit ist der Unterschied zu einer verschuldensunabhängigen Ausgestaltung des Annahmeverzugs kaum spürbar29 und eine Verhinderung des Gefahrübergangs durch Art. 88 GEK‑Vorschlag wird selten sein. Abweichungen zu den Lösungen des CISG sind denkbar, soweit subjektive Maßstäbe in die Betrachtung einzufließen haben, da hier auf Käuferseite ein Verbraucher agiert. Hier bleibt aber vieles unklar. Aus der Formulierung des Art. 142 III GEK‑Vorschlag ist die Verteilung der Beweislast ersichtlich. Man hat wohl bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 142 III GEK‑Vorschlag vom Gefahrübergang auszugehen, es sei denn dem Verbraucher gelingt es, sich zu entlasten. Zwar enthält Art. 88 GEK‑Vorschlag im Gegensatz zu Art. 79 I CISG keine unmittelbare Bestimmung der Beweislast, allerdings ändert dies nichts an dem Grundsatz, dass die Entschuldigung von der Partei zu beweisen ist, die sich auf eine Entschuldigung seiner Nichterfüllung beruft.30
c) Hypothetische Inbesitznahme Rechtsfolge der Säumnisregelung des Art. 142 III 1 GEK‑Vorschlag ist der Gefahrübergang zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher bei hypothetisch ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Pflicht Besitz erlangt hätte, Art. 142 III 2 GEK‑Vorschlag. Holt ein Verbraucher ein bei einem Möbelhaus zur Abholung bestelltes Sofa zum vereinbarten Termin nicht ab, so stellt dieser vereinbarte Termin den Zeitpunkt der hypothetischen Inbesitznahme und damit des Gefahrübergangs dar. Die Anknüpfung an den Zeitpunkt der hypothetischen Besitzerlangung ist zwar grundsätzlich sinnvoll,31 es ergeben sich in Zusammenhang mit einigen anderen Vorschriften des Regelwerks aber durchaus Probleme bei der exakten Bestimmung.
26 Siehe
Vierter Teil Fn. 25.
27 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches 28 MünchKomm/P. Huber, Art. 79, Rn. 1. 29 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 829. 30 Für den Fall der entschuldigten
europäisches Kaufrecht, S. 482.
Nichterfüllung auf Verkäuferseite so auch Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 114. 31 So auch Faust, in: Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales europäisches Kaufrecht, S. 273; Zöchling-Jud, AcP 212 (2012), 569.
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Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien
aa) Fehlende Bestimmung des Lieferzeitpunktes Haben Verbraucher und Unternehmer keinen genauen Zeitpunkt für die Lieferung vereinbart, so greift die Regelung des Art. 95 II GEK‑Vorschlag, wonach der Unternehmer in 30 Tagen nach Vertragsschluss liefern muss. Es darf bezweifelt werden, dass die Gefahr auch dann schon auf den Verbraucher übergehen soll, wenn der Verkäufer nun zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb dieses Zeitraums einen Lieferversuch unternimmt, der Verbraucher aber in diesem (willkürlichen) Moment nicht anzutreffen ist, da er von der geplanten Lieferung auch keine Kenntnis hatte.32 Es wird in Erwägung gezogen, eine solche Konstellation dann über die Entschuldigung des Verbrauchers nach Art. 88 GEK‑ Vorschlag zu lösen.33 Eine solche Konstellation über Art. 88 GEK‑Vorschlag zu entschuldigen, entspricht wohl nicht den ursprünglichen Vorstellungen des Verordnungsgebers. Dennoch erscheint es nicht ausgeschlossen, hier eine erfolgreiche Entschuldigung des Verbrauchers anzunehmen. Zwar ist eine vorübergehende Abwesenheit des Verbrauchers ein in seiner Sphäre liegendes Hindernis. Stellt man aber auf die ohne Ankündigung unternommene Lieferung durch den Verkäufer ab, liegt das Hindernis nicht in der Sphäre des Verbrauchers. Dieses Hindernis einer unangekündigten Lieferung dürfte er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch nicht in Betracht gezogen haben. Man kann wohl auch davon ausgehen, dass er dies nicht vermeiden konnte und ihm nicht zugemutet werden kann, ständig bereitzustehen. Im Falle der Lieferung ohne bestimmte Angabe eines Zeitpunktes bleiben aber viele Fragen offen, so dass eine Klarstellung Sicherheit bieten würde.34
bb) Hypothetische Inbesitznahme bei Wegfall eines vorübergehenden Hindernisses Schwierig ist auch die Bestimmung des Zeitpunkts der hypothetischen Inbesitznahme, wenn wegen eines vorübergehenden Hindernisses lediglich eine vorübergehende Entschuldigung nach Art. 88 II GEK‑Vorschlag in Betracht kommt. Soll der Zeitpunkt der hypothetischen Inbesitznahme unmittelbar im Moment des Wegfalls des Hindernisses und damit der Entschuldigung liegen oder muss der Verkäufer noch einen (möglicherweise erfolgreichen) Erfüllungsversuch unternehmen, um die Preisgefahr übergehen zu lassen? Da dem Verbraucher auch mit Wegfall des Grundes der Entschuldigung noch nichts vorgeworfen werden kann, sollte man vom Verkäufer einen erneuten Versuch fordern. Der Tatbestand des vorzeitigen Gefahrübergangs lag im Moment der Nichterfüllung
32 Zöchling-Jud, AcP 212 33 Zöchling-Jud, AcP 212
(2012), 569. (2012), 569. 34 Zöchling-Jud, AcP 212 (2012), 569.
§ 13 Die Säumnis des Käufers bei der Abnahme
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nicht vor. Ein automatischer Gefahrübergang mit Wegfall des Entschuldigungsgrundes nach Art. 88 II GEK‑Vorschlag ist abzulehnen.
cc) Bestimmung der hypothetischen Inbesitznahme bei unterlassenen Mitwirkungspflichten kaum möglich Dehnt man die möglichen Käuferpflichten aus, indem auch verletzte Mitwirkungspflichten wie eine Nichtbestimmung der Lieferzeit durch den Käufer eine gem. Art. 142 III 1 GEK‑Vorschlag relevante Verletzung der Übernahmepflicht darstellen, so ist die genaue Bestimmung des Zeitpunktes des Gefahrübergangs gem. Art. 142 III 2 GEK‑Vorschlag kaum möglich.35 Denn möglicherweise ergäbe sich der Zeitpunkt der Besitzerlangung erst durch die Erfüllung der Mitwirkungspflichten.
dd) Folgen für den Verkäufer Durch die Säumnis des Verbrauchers tritt also der Übergang der Preisgefahr ein. Weitere Folge für den Verkäufer ist, dass er im Besitz der Waren bleibt.36 Ihn trifft dann gem. Art. 97 I GEK‑Vorschlag die Verpflichtung, „angemessene Vorkehrungen zu ihrem Schutz und ihrer Erhaltung zu treffen“. Er hat gem. Art. 97 II GEK‑Vorschlag die Möglichkeit der Hinterlegung oder des Selbsthilfeverkaufs. Die hieraus entstehenden Kosten sind gem. Art. 97 III GEK‑ Vorschlag ersatzfähig. Diese Verpflichtungen und Möglichkeiten sind für den Verkäufer aber unabhängig vom Gefahrübergang, würden also auch eintreten, wenn der Verkäufer mit der Preisgefahr belastet bleibt, weil die Nichterfüllung des Verbrauchers entschuldigt ist.37 Art. 97 GEK‑Vorschlag ist von einer etwaigen Entschuldigung unabhängig.
2. Verbraucherrechte-RL a) Entwicklung und Entwurfsfassung Bezogen auf eine Säumnisregelung ist die Entwicklung der Verbraucherrechte-RL interessant. Der Entwurf enthielt in seiner allgemeiner gefassten Norm zum Risikoübergang in Art. 23 II eine Regelung zur Säumnis des Verbrauchers. Demnach sollte das Risiko nicht erst mit Besitzerlangung, wie in Abs. 1 vorgesehen, sondern schon zu dem von den Vertragsparteien vereinbarten Liefer35 Wiese,
in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 482. bei einer Hol- und Bringschuld bleibt der Verkäufer im Besitz der Waren; für den Versendungskauf wird vertreten, dass Art. 97 GEK‑Vorschlag nicht anwendbar sein soll, da nun nicht der Verkäufer im Besitz der Waren ist, sondern der Beförderer, so Schulze/Zoll, Art. 97, Rn. 4; dies erscheint zumindest dann nicht sachgerecht, wenn der Verkäufer dem Beförderer gegenüber weiterhin ein Weisungsrecht hat. 37 Schulze/Zoll, Art. 97, Rn. 13. 36 Jedenfalls
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termin auf den Verbraucher übergehen, wenn der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, keine angemessenen Schritte unternommen hat, um den Besitz an den Waren zu erwerben. Die Regelung des Art. 23 II Verbraucherrechte-RL‑Entwurf unterschied sich von der Säumnisregelung für Verbraucher im GEK‑Vorschlag. Man stellte darauf ab, dass der Verbraucher keine Schritte unternommen hat, um den Besitz der Ware zu erwerben. Im Gegensatz zum GEK‑Vorschlag stellte man zwar ausdrücklich auf die Inbesitznahme ab, allerdings dürften hierbei alle Schritte erfasst sein, die zur Inbesitznahme führen sollen. Daraus konnte man schließen, dass hier auch etwaige unterbliebene Mitwirkungen des Verbrauchers zur Bejahung des Tatbestandes ausreichen sollten. Hat der Verbraucher etwa noch den genauen Lieferort zu benennen und unterlässt er dies, kann das als Unterlassen eines angemessenen Schrittes zum Besitzerwerb gesehen werden. Dieser Schritt der Benennung des Lieferorts würde dem Verkäufer die Lieferung zum vereinbarten Termin erst möglich machen. Unter „Schritte zum Besitzerwerb“ kann damit nicht nur die unmittelbare Verpflichtung zur Inbesitznahme verstanden werden, sondern auch die Vornahme von Handlungen, die dem Verkäufer die Erfüllung ermöglichen. Die Erweiterung der Säumnisfolge Gefahrübergang auf andere Verhaltensweisen als die unmittelbare Inbesitznahme ist nicht als verbraucherfreundlich zu qualifizieren. Auf den ersten Blick scheint die Entwurfsregel den Gefahrübergang im Falle des Gläubigerverzugs verschuldensunabhängig auszugestalten. Daher ließe sich annehmen, der Verbraucher stünde schlechter als bei der vergleichbaren Regelung im GEK‑Vorschlag. Eine Hintertür wurde dem Verbraucher aber offengelassen, indem man im Wortlaut auf „angemessene Schritte“ abstellte. Somit hätte die Gefahr wohl nicht auf den Verbraucher übergehen können, wenn die Schritte, welche er hätte unternehmen müssen, um in den Besitz der Waren zu kommen, als unangemessen einzustufen gewesen wären. Eine Exkulpation wäre also letztlich auch hier denkbar gewesen. Eine Schlechterstellung des Verbrauchers, verglichen mit der Regelung des GEK‑Vorschlags, kann dann nicht festgestellt werden. Da die Anforderungen des Art. 88 GEK‑Vorschlags sehr hoch sind, dürfte die Reduzierung auf eine Angemessenheitsprüfung eher dafür sorgen, dass den Verbraucher die Säumnisfolgen nicht treffen. Die Gefahr sollte gem. Art. 23 II des Entwurfs zum vereinbarten Liefertermin auf den Verbraucher übergehen. Da die Regelung des Gefahrübergangs bei Gläubigerverzug allerdings ausdrücklich nur bei vereinbartem Liefertermin eingreift,38 dürfte bei fehlender genauer Vereinbarung des Lieferzeitpunktes ein vorzeitiger Gefahrübergang nicht in Betracht kommen. 38 Art. 23 II lautet: „Das in Absatz 1 genannte Risiko geht zu dem von den Vertragsparteien vereinbarten Liefertermin auf den Verbraucher über, wenn der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, keine angemessenen Schritte unternommen hat, um den Besitz an den Waren zu erwerben.“ (Hervorhebung durch den Verfasser).
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b) Keine Gefahrübergang bei Annahmeverzug in der verabschiedeten Fassung Die Verbraucherrechte-RL hält nun keine Regelung mehr für den Annahmeverzug bereit, sondern normiert nur noch den Versendungskauf. Die Tatsache, dass nur noch der Versendungskauf Regelungsgegenstand ist, macht aber eine Regelung zum Annahmeverzug nicht unbedingt entbehrlich, da auch beim Versendungskauf die Gefahr grundsätzlich erst mit Besitzerlangung auf den Verbraucher übergeht, der Unternehmer also die Transportgefahr trägt. Hier ist aber eine Säumnis des Verbrauchers ebenso denkbar und eine Vorverlagerung bei fehlender Inbesitznahme ergäbe durchaus Sinn. Im Falle der Ausnahmeregelung des Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL, bei der die Gefahr mit Übergabe an den Beförderer übergeht, wäre eine Säumnisregelung bei Scheitern einer Übergabe an den Beförderer denkbar, wenn dies im Verantwortungsbereich des Verbrauchers liegt. Warum der Richtliniengeber die Regelung hinsichtlich des Annahmeverzugs nicht aufrechterhalten hat, erschließt sich also nicht ohne weiteres. Nun könnte man auf den Gedanken kommen, aus der Streichung dieser Regelung zu schließen, dass eine Regelung der Mitgliedstaaten, wonach beim Gläubigerverzug die Gefahr übergeht, nicht mehr richtlinienkonform sei. Der Richtliniengeber habe auf den ersten Blick ausdrücklich davon Abstand genommen, dass die Gefahr beim Annahmeverzug auf den Verbraucher übergeht. Alle nationalen Regelungen, welche einen Gefahrübergang als Folge des Annahmeverzugs bestimmen, würden ein niedrigeres Verbraucherschutzniveau gewährleisten als in der Richtlinie vorgesehen. Allerdings kann ein solcher Schluss nicht gezogen werden, da hier nur die letztlich verabschiedete Fassung zu berücksichtigen ist. In dieser wird nur der Versendungskauf zum Regelungsgegenstand gemacht. Zu dem nicht mehr geregelten allgemeinen Gefahrübergang enthält die Richtlinie keine Aussage, so dass ein Regelungsauftrag an die Mitgliedstaaten diesbezüglich fehlt. Es bleibt damit den Mitgliedstaaten überlassen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gefahr auf den Verbraucher übergehen kann, wenn die Inbesitznahme aufgrund seines Verhaltens scheitert. Die Verbraucherrechte-RL hat hier die Möglichkeit verstreichen lassen, den Standard zu harmonisieren.
II. Gefahrübergang durch Annahmeverzug bei Verbraucher- und Unternehmerverträgen im deutschen Recht Im deutschen Recht findet für die Fälle des Gefahrübergangs bei Annahmeverzug keine Unterscheidung zwischen Unternehmer- und Verbrauchergeschäften statt, so dass die Darstellung hier gemeinsam und ein Vergleich sowohl mit den Verbraucherregelungen im GEK‑Vorschlag als auch mit den Regelungen für Unternehmergeschäfte nach CISG, GEK‑Vorschlag und Handelsklauseln vorzunehmen ist. Das deutsche Recht regelt den Gefahrübergang im Falle eines Annahmeverzugs in
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§ 446 S. 3 BGB, wonach der Annahmeverzug der Übergabe gleichzusetzen ist. Die systematische Stellung der Vorschrift im Kaufrecht mag überraschen, da die Vorschrift für die unmittelbare Festsetzung der Tatsache des Gefahrübergangs nur noch klarstellenden Charakter hat. Diese Rechtsfolge ordnet schon § 326 II 1 Alt. 2 BGB an. Im Kaufrecht selbst liegt die Bedeutung mehr auf den mit dem Gefahrübergang sonst verbundenen Folgen, wie der Tragung von Nutzungen und Lasten gem. § 446 S. 2 BGB und dem maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen von Sachmängeln gem. § 434 I 1 BGB.39 Mit Annahmeverzug geht die Gefahr auf den Käufer über. Eine Sonderregelung für Verbraucher existiert hier nicht, so dass auch der Verbraucher mit Annahmeverzug die Gefahr trägt.
1. Voraussetzungen des Annahmeverzugs Ob die Tatbestandsvoraussetzung des Annahmeverzugs erfüllt ist, bestimmt sich nach den §§ 293 ff. BGB, die im allgemeinen Teil des Schuldrechts verortet sind. § 293 BGB sind hierbei die Voraussetzungen eines Angebots seitens des Schuldners und der Nichtannahme der Leistung durch den Gläubiger zu entnehmen. Weitere Voraussetzungen sind ein wirksamer und auch bereits erfüllbarer Anspruch auf die Leistung und das Leistungsvermögen des Schuldners. Die Wirksamkeit des Anspruchs des Gläubigers ist logische Voraussetzung des Gläubigerverzugs und wird daher nicht gesondert normiert. Zunächst muss der Schuldner die Leistung auch bereits erbringen dürfen, der Anspruch erfüllbar sein.40 Hierfür sind die sich bei fehlender vertraglicher Vereinbarung aus §§ 269, 271 BGB ergebenden Punkte Leistungsort und Leistungszeit entscheidend.41 Zudem ist eine Leistung nicht erfüllbar, soweit öffentlich-rechtliche Genehmigungen erforderlich sind, die jedoch (noch) nicht vorliegen.42 Der Eintritt des Annahmeverzugs ist denklogisch ausgeschlossen, wenn die Leistung bereits vor einem Angebot des Schuldners unmöglich geworden ist.43 Unmöglichkeit schließt den Annahmeverzug also aus. Für eine vorübergehende Unmöglichkeit wird dies auch von § 297 BGB positivrechtlich angeordnet.44 Bezüglich des vom Schuldner vorzunehmenden Angebots enthalten die §§ 294 bis 297 BGB nähere Bestimmungen, während die §§ 298, 299 BGB Modalitä39 Mues, Ergänzungen und Modifikationen des deutschen Kaufrechts zum Modell des UN‑ Kaufrechts, S. 274. 40 Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 749; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 293, Rn. 12; Bamberger/Roth/Unberath, § 293, Rn. 4; Palandt/Grüneberg, § 293, Rn. 8. 41 Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 749; Bamberger/Roth/Unberath, § 293, Rn. 4. 42 BGH 08.03.1952, NJW 1952, 743; Palandt/Grüneberg, § 293, Rn. 8; Bamberger/Roth/ Unberath, § 293, Rn. 4. 43 MünchKomm/Ernst, § 293, Rn. 7. 44 Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 749; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 293, Rn. 13; Bamberger/Roth/Unberath, § 293, Rn. 5; Palandt/Grüneberg, § 293, Rn. 9.
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ten der Annahme betreffen.45 Grundsätzlich bestimmt § 294 BGB, dass der Schuldner dem Gläubiger die Leistung tatsächlich anbieten muss. Ausnahmsweise kann auch ein wörtliches Angebot gem. § 295 BGB ausreichen oder ein Angebot unter den Voraussetzungen des § 296 BGB gänzlich entbehrlich sein. Da § 294 BGB voraussetzt, dass die Leistung „so, wie sie zu bewirken ist“ angeboten wird, muss es sich um den richtigen Leistungsgegenstand, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit handeln.46 Ein tatsächliches Angebot liegt dem Käufer vor, wenn er nichts weiter tun muss, als zuzugreifen und die Leistung annehmen.47 Unter Einschränkungen genügt auch ein wörtliches Angebot nach § 295 BGB, um einen Annahmeverzug herbeizuführen. Dies ist bei einer bereits zuvor geäußerten Ablehnungserklärung des Käufers gem. § 295 S. 1 Alt. 1 BGB der Fall. Außerdem genügt im gesetzlichen Regelfall der Holschuld ein wörtliches Angebot, § 295 S. 1 Alt. 2 BGB.48 Aus § 295 S. 1 Alt. 2 BGB folgt aber die wichtige Erkenntnis, dass der Käufer nach deutschem Recht auch durch das Unterlassen von erforderlichen Mitwirkungshandlungen in Verzug der Annahme geraten kann. Der Wortlaut des § 293 BGB deutet zunächst darauf hin, nur die Nichtannahme der Leistung im engeren Sinn würde zum Eintritt des Annahmeverzugs führen. Nach allgemeiner Meinung reicht jedoch auch das Unterlassen von erforderlichen Mitwirkungshandlungen aus, um von einer Nichtannahme auszugehen.49 Die nach dem GEK‑Vorschlag nicht klar zu beantwortende Frage, ob das Unterlassen erforderlicher Mitwirkungshandlungen zum Gefahrübergang infolge Annahmeverzugs führen kann,50 ist damit sachgerecht beantwortet. Zur Herbeiführung des Annahmeverzugs und damit des Gefahrübergangs ist aber noch eine Aufforderung des Schuldners an den Gläubiger notwendig, die erforderliche Handlung vorzunehmen, § 295 S. 2 BGB. Einer solchen Aufforderung zur Vornahme der Handlung bzw. eines wörtlichen Angebots bedarf es nur dann nicht, wenn für die vom Käufer vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war, § 296 S. 1 BGB. Zum Angebot des Schuldners muss dann die Nichtannahme oder das Unterlassen der erforderlichen Mitwirkungshandlung dazukommen. Für eine Nichtannahme ist ein Zurückweisen der Leistung nicht erforderlich, ausreichend ist vielmehr,
45 Vgl.
Bamberger/Roth/Unberath, § 293, Rn. 2. Schuldrecht AT, Rn. 750; MünchKomm/Ernst, § 294, Rn. 4; Staudinger/ Löwisch/Feldmann, § 294, Rn. 22; Bamberger/Roth/Unberath, § 294, Rn. 4; Palandt/Grüneberg, § 294, Rn. 3; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 294, Rn. 11. 47 BGH 22.03.1984, NJW 1984, 1680; MünchKomm/Ernst, § 294, Rn. 2; Palandt/Grüneberg, § 294, Rn. 2. 48 Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 202. 49 Hartmann, Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers, S. 18; Wertheimer, JuS 1993, 649; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 293, Rn. 22; Palandt/Grüneberg, § 293, Rn. 10; Bamberger/Roth/Unberath, § 293, Rn. 10; MünchKomm/Ernst, § 293, Rn. 16. 50 Siehe hierzu § 13 I. 1.a)aa). 46 Looschelders,
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dass der Käufer schlicht nichts unternimmt.51 Während bei Bring- und Schickschulden grundsätzlich sofort feststellbar ist, ob eine Nichtannahme vorliegt, muss beim wörtlichen Angebot bzw. bei der Aufforderung zur Vornahme von Mitwirkungshandlungen noch der Ablauf eines entsprechenden Zeitraums abgewartet werden.52 Für die Bestimmung des Zeitpunktes, in dem der Annahmeverzug eintritt und damit die Gefahr übergeht, birgt dies eine Unsicherheit, da es unter Umständen schwierig festzustellen sein wird, wann der Zeitraum zur Vornahme der Handlung abgelaufen ist und man vom Verzug der Annahme ausgehen kann. § 298 BGB sieht – im Gegensatz zum GEK‑Vorschlag53 – die überzeugende Regelung vor, dass bei einer Zug-um-Zug zu erbringenden Leistung der Annahmeverzug trotz Annahmebereitschaft des Käufers eintritt, wenn er eine verlangte Gegenleistung nicht anbietet. War für die Leistung kein bestimmter Termin vorgesehen und war der Käufer daher zum vom Verkäufer (einseitig) vorgesehenen Liefertermin an der Annahme verhindert, so kommt der Käufer gem. § 299 BGB nicht in Verzug, wenn der Verkäufer diesen Termin nicht eine angemessene Zeit vorher angekündigt hat.54 Eine solche Regelung würde sich in den Fällen des Art. 95 II GEK‑Vorschlags ebenfalls anbieten, um den Käufer nicht auf die unsichere Entschuldigungsmöglichkeit zu beschränken.55 Ohne Relevanz ist die Frage, ob der Gläubiger die Nichtannahme auch zu vertreten hat.56 Bis auf die vorübergehende Annahmeverhinderung gibt es keine Möglichkeit für den Gläubiger, den Eintritt und die Rechtsfolgen des Annahmeverzugs zu verhindern. Damit ist das deutsche Recht zwar formal strenger ausgestaltet als der GEK‑Vorschlag, der Entlastungsmöglichkeiten in Art. 88 GEK‑Vorschlag vorsieht.57 Der Unterschied ist aufgrund der strengen Ausgestaltung des Art. 88 GEK‑Vorschlag kaum relevant.58
2. Rechtsfolgen im Hinblick auf die Gefahrtragung Für die Frage, ob Zerstörung oder Beschädigungen der Kaufsache überhaupt über das Institut der Gefahrtragung zu lösen sind, ob also der Untergang oder die Beschädigung zufällig erfolgten, ist die Vorschrift des § 300 I BGB zu beachten. Zufall meint jedes Ereignis, das von keiner Partei nach den §§ 276, 278 BGB zu vertreten ist.59 Der Verkäufer, welcher im Regelfall noch im Be51 Bamberger/Roth/Unberath,
§ 293, Rn. 10; Palandt/Grüneberg, § 293, Rn. 10; MünchKomm/Ernst, § 293, Rn. 17. 52 Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 204. 53 Siehe dazu oben § 13 I. 1.a)bb). 54 Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 204. 55 Siehe zur hypothetischen Inbesitznahme im GEK‑Vorschlag § 13 I. 1.c)aa). 56 Vgl. statt vieler Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 757; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 293, Rn. 17. 57 Siehe oben § 13 I. 1.b). 58 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 829. 59 MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 2.
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sitz der Kaufsache ist, hat nach Eintritt des Annahmeverzugs nämlich nur noch Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, d. h. auch bei einer Zerstörung der Sache aufgrund lediglich leichter Fahrlässigkeit des Verkäufers behält der Verkäufer seinen Anspruch auf die Gegenleistung.60 Außerdem geht mit Eintritt des Annahmeverzugs die Leistungsgefahr auf den Käufer über, § 300 II BGB. Hierfür verlangt die h. M. jedoch noch eine Aussonderung.61 Auf § 300 II BGB kommt es bei der Bestimmung des Übergangs der Leistungsgefahr jedoch selten an, da meist bereits eine Konkretisierung gem. § 243 II BGB erfolgt ist. Relevant wird die Vorschrift aber bei Bring- oder Schickschuld, wenn ein tatsächliches Angebot nach § 294 BGB nicht erforderlich ist, weil die Ausnahmevorschriften §§ 295, 296 BGB einschlägig sind. Behält der Verkäufer die Ware nun an seinem Sitz, liegen die Voraussetzungen des § 243 II BGB noch nicht vor, da er noch nicht das seinerseits Erforderliche getan hat. Der in Besitz der Sache bleibende Schuldner hat im Falle des Annahmeverzugs die Möglichkeiten der Hinterlegung nach § 372 S. 1 BGB und des Selbsthilfeverkaufs gem. § 383 I 1 BGB. Die Kosten sind für ihn gem. § 304 BGB ersatzfähig. Diese Rechtsfolgen sind also ausschließlich abhängig von der Tatsache des Annahmeverzugs, nicht vom Übergang der Preisgefahr. Der Übergang der Preisgefahr ist ebenfalls eine Folge des Annahmeverzugs.
III. Die Säumnis des unternehmerischen Käufers in GEK‑Vorschlag, CISG und Handelsklauseln 1. UN‑Kaufrecht Hat der Käufer die Ware zu übernehmen, geht die Gefahr gem. Art. 69 I Alt. 2 CISG auch auf ihn über, wenn er die Ware nicht rechtzeitig übernimmt und er durch die Nichtabnahme eine Vertragsverletzung begeht. Der Gefahrübergang findet dann in dem Zeitpunkt statt, in dem ihm die Ware zur Verfügung gestellt wird.
a) Systematische Stellung des Art. 69 I Alt. 2 CISG Die systematische Stellung der Vorschrift und das Abstellen auf die Nichtübernahme zeigen auf, dass die Vorschrift im CISG nur auf den Platzkauf bezogen ist.62 Beim Fernkauf geht die Gefahr gem. Art. 69 II CISG ohnehin bereits mit Zurverfügungstellung über, auf eine Vertragsverletzung durch Nichtabnahme 60 Vgl. Staudinger/Löwisch/Feldmann, 61 BGH 18.06.1975, WM 1975, 920;
§ 300, Rn. 3. Wertheimer, JuS 1993, 647; Palandt/Grüneberg, § 300, Rn. 4; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 300, Rn. 19 m. w. N. 62 Vgl. nur Honnold/Flechtner, Art. 69, 374; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 5; MünchKommHGB/Benicke, Art. 69, Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer/ Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 4; MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 3.
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als zusätzliche Voraussetzung kommt es nicht mehr an. Hat nämlich ein Verkäufer Waren an den Sitz des Käufers zu liefern und stellt er ihm die Waren dort zur Verfügung, so wälzt der Verkäufer hierdurch die Preisgefahr gem. Art. 69 II CISG auf den Käufer ab,63 gleichgültig ob dieser die Ware dort annimmt. Im Falle des Versendungskaufs geht die Gefahr bereits mit Übergabe an den Beförderer über, so dass es zumindest für die Nichtübernahme unmittelbar durch den Käufer der Säumnisregelung des Art. 69 I Alt. 2 CISG nicht bedarf.64
b) Voraussetzungen des Gefahrübergangs aa) Zurverfügungstellung der Ware Zunächst setzt Art. 69 I Alt. 2 CISG im Tatbestand voraus, dass die Ware zur Verfügung gestellt ist. Für den Käufer muss die Möglichkeit der Übernahme der Sachherrschaft bestehen, indem der Verkäufer bereit ist, seine Sachherrschaft aufzugeben und der Käufer sie nur zu übernehmen braucht.65
bb) Vertragsverletzung durch Nichtabnahme Der Gefahrübergang bei nicht rechtzeitiger Übernahme knüpft an eine Nichtabnahme durch den Käufer an, die eine Vertragsverletzung darstellt. Was eine solche Vertragsverletzung darstellt, ist jedoch nicht geregelt. Die Abnahmeverpflichtung des Käufers ist in Art. 60 CISG normiert. Eine Verletzung dieser Pflicht liegt vor, wenn die hiernach erforderlichen Handlungen nicht innerhalb der vereinbarten Frist vorgenommen werden oder, soweit es an einer Vereinbarung fehlt, innerhalb einer angemessenen Frist.66 Teilweise wird bei fehlender Vereinbarung über eine Frist auch eine ausdrückliche Aufforderung seitens des Verkäufers zur Vornahme dieser Handlungen gefordert.67 Soweit der Käufer allerdings bestehende Rechte ausübt und deshalb die Ware nicht abnimmt, also eine berechtigte Abnahmeverweigerung vorliegt, wird er nicht in Annahmeverzug gesetzt.68 Eine Vertragsverletzung liegt dann jedenfalls nicht vor. Eine Entschuldigungsmöglichkeit für den Käufer nach Art. 79 CISG besteht nicht, da die Vorschrift in ihrem Anwendungsbereich auf Schadensersatzansprüche beschränkt ist.69 Der infolge Abnahmeverzugs eintretende Gefahrübergang 63 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 19. 64 Zur Problematik der notwendigen Anwendung beim Versendungskauf
siehe aber sogleich § 13 III.1.b)bb)(3). 65 MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 5; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 12; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 16. 66 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 15; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 4; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 15; MünchKommHGB/Benicke, Art. 69, Rn. 4. 67 Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz, Art. 69, Rn. 3. 68 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 14. 69 Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 15.
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ist damit verschuldensunabhängig und sieht keine Entlastungsmöglichkeit des Käufers vor. Dem Käufer bleibt nur die Möglichkeit darauf zu verweisen, dass seine Nichtabnahme keine Vertragsverletzung darstellt, etwa weil eine Frist nicht vereinbart wurde und eine angemessene Frist noch nicht verstrichen ist oder weil er die Abnahme berechtigt verweigert hat.
(1) Verletzung von Mitwirkungspflichten Die Verpflichtung des Käufers zur Abnahme besteht gem. Art. 60 CISG aus der Vornahme von Handlungen, um dem Verkäufer die Lieferung zu ermöglichen (lit. a), und der Übernahme (lit. b). In der Literatur wird diskutiert, inwieweit unterlassene Mitwirkungshandlungen des Käufers unter die Regelung fallen.70 Schließlich kann man den Wortlaut des Art. 69 I Alt. 2 CISG so verstehen, dass nur die nicht rechtzeitige Übernahme im Sinne der Handlung, die unmittelbar die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft zur Folge hätte, zum Gefahrübergang führt.71 Die überwiegende Meinung nimmt auch bei unterlassener Mitwirkungshandlung einen Gefahrübergang an.72 Einige verneinen zwar die unmittelbare Anwendung des Art. 69 I Alt. 2 CISG auf unterlassene Mitwirkungspflichten, entnehmen jedoch teils aus Art. 7 II, 69 I CISG,73 teils aus Art. 66 CISG74 den allgemeinen Grundsatz, der Käufer trage die Gefahr auch dann, wenn der Gefahrübergang ausschließlich wegen des vertragswidrigen Verhaltens des Käufers scheitert. Teilweise wird zwischen Mitwirkungspflichten, die nach Art. 60 lit. a) CISG dem Annahmeerfordernis unterfallen, und sonstigen Mitwirkungspflichten unterschieden.75 Die Anwendung auf die nicht unter Art. 60 lit. a) CISG subsumierbaren Mitwirkungspflichten des Käufers wird mit dem Argument abgelehnt, dass Art. 69 I CISG keine Sanktionsnorm darstellen soll.76 Die Nichtvornahme von Handlungen, welche gem. Art. 60 lit. a) CISG zur Abnahmeverpflichtung des Käufers gehören, erfüllen jedenfalls den Tatbestand des Art. 69 I Alt. 2 CISG. Dies zeigt schon das Zusammenspiel des Art. 69 I Alt. 2 CISG mit Art. 60 CISG. Der Wortlaut des Art. 69 I 70 Vgl. nur MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 7; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 13. 71 Rudolph, Art. 69, Rn. 7. 72 MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 7; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 16; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 15; Schlechtriem/Schwenzer/ Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 16; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 192; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz, Art. 69, Rn. 6; Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 125 f. 73 Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 401. 74 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 9. 75 Siehe hierzu Maskow, in: Maskow/Enderlein/Strohbach, Art. 69, Anm. 5.1; Rudolph, Art. 69, Rn. 7. 76 Maskow, in: Maskow/Enderlein/Strohbach, Art. 69, Anm. 5.1; ablehnend auch Roth, Am.J. Comp.L. 27 (1979), S. 308; Rudolph, Art. 69, Rn. 7.
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Alt. 2 CISG setzt zwar voraus, dass der Käufer die Ware „nicht rechtzeitig übernimmt“ und bezieht sich damit auf die Übernahme im engeren Sinn. Es wird aber auch darauf abgestellt, dass die „Nichtabnahme“ eine Vertragsverletzung darstellt. Mit der Abnahme sind aber eben beide in Art. 60 CISG aufgeführten Handlungen erfasst.77 Die Nichtübernahme, verstanden als Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft, kann man hier auch nur als Folge auffassen, die aus einer „Nichtabnahme“ resultiert. Diese pflichtwidrige Nichtabnahme kann eben auch aus der fehlenden Vornahme von Handlungen nach Art. 60 lit. a) CISG bestehen. Werden also solche Handlungen, die der Käufer zur Erfüllung seiner Abnahmeverpflichtung grundsätzlich vorzunehmen hat, nicht vorgenommen, kann man dies bereits vom Wortlaut erfasst sehen. Mit der h. M. sind aber auch die nicht unter Art. 60 lit. a) CISG fallenden Mitwirkungspflichten als von Art. 69 I Alt. 2 CISG erfasst zu betrachten. Dies zeigt schon die Entstehungsgeschichte der Norm. Zwar wurde ein Vorstoß der deutschen Delegation abgelehnt, nach dem das niedergelegte Prinzip verallgemeinert werden und nicht nur die Nichtabnahme als Anknüpfungspunkt für die Vertragsverletzung herangezogen werden sollte.78 Die deutsche Forderung nach der Verallgemeinerung des Prinzips wurde aber nur deshalb nicht angenommen, weil man davon ausging, eine Verallgemeinerung sei nicht nötig, da die bestehende Regelung solche Fälle erfasst.79 Zwar ist die Gefahrverteilung in der Tat nicht als Sanktionsmechanismus vorgesehen.80 Es geht aber um die Erzielung eines Interessenausgleichs. Dieser ist nicht zu erreichen, wenn ein Gefahrübergang für den Verkäufer aufgrund eines säumigen Käufers nicht möglich ist. Die Gefahrentlastung muss für den Verkäufer möglich sein.
(2) Fehlende Akkreditivstellung Ein Sonderfall der unterlassenen Mitwirkungspflicht ist die fehlende Stellung eines Akkreditivs.81 Gerade im internationalen Handel wird dies als Zahlungsmodalität häufig eingesetzt. Ist der Käufer nun zwar bereit, die Ware zu übernehmen, wurde jedoch zugunsten des Verkäufers entgegen der vertraglichen Abrede kein Akkreditiv eröffnet, so wird der Verkäufer die Ware im Regelfall gar nicht absenden. Jedenfalls wird er dem Käufer nicht die Dokumente aushändigen oder die Ware übergeben. Zwar fehlt dem CISG hier eine ausdrückliche Regelung, die den Gefahrübergang auf den Käufer trotz Übernahmebereitschaft anordnet. Auch in diesem Fall soll aber die Gefahr gem. Art. 69 I 77 So
eben auch Maskow, in: Maskow/Enderlein/Strohbach, Art. 69, Anm. 5.1. die Nachweise bei Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 15; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 9. 79 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 15; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 9 m. w. N.; MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 7, Fn. 15. 80 So Rudolph, Art. 69, Rn. 7. 81 Vgl. MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 16. 78 Vgl.
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Alt. 2 CISG übergehen.82 Das UN‑Kaufrecht geht, wie Art. 85 S. 1 CISG belegt, davon aus, dass der Verkäufer in Besitz der Ware bleibt, wenn der Käufer die Erfüllung seiner Gegenleistungspflicht versäumt, die Zug-um-Zug erfüllt werden sollte. Den Verkäufer treffen in diesem Fall die gleichen Erhaltungspflichten wie bei nicht rechtzeitiger Übernahme durch den Käufer. Es besteht daher kein Grund, den Verkäufer nicht zumindest um die Gefahr zu entlasten.
(3) Anwendung des Art. 69 I Alt. 2 CISG beim Versendungskauf Der Streit um die Erfassung von unterlassenen Mitwirkungspflichten des Käufers spielt auch beim Versendungskauf eine Rolle, wenn der Käufer Handlungen unterlässt, die notwendig sind, um dem Verkäufer eine Übergabe an den Beförderer zu ermöglichen.83 Art. 67 CISG enthält keine eigenständige Regelung für den Gefahrübergang im Falle eines Gläubigerverzugs beim Versendungskauf. Die überwiegende Meinung wendet aber auch in diesem Fall die Gefahrtragungsnorm zum Annahmeverzug an und lässt die Gefahr damit bereits durch die fehlende Mitwirkung auf den Käufer übergehen.84 Soweit man den Regelungen ohnehin den allgemeinen Grundsatz entnimmt, dass der Käufer die Gefahr übernimmt, wenn der reguläre Gefahrübergang aufgrund seines vertragswidrigen Verhaltens nicht vollzogen werden konnte, gilt dies auch beim Versendungskauf.85
c) Zeitpunkt des Gefahrübergangs Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs lässt sich in den Fällen der Verletzung der unmittelbaren Übernahmepflicht anhand des Wortlauts genau bestimmen. Wenn die Ware zur Verfügung gestellt ist, kommt es auf den Zeitpunkt der Vertragsverletzung an. Holt ein Käufer 200 Kartons Wein, die er im Laufe des März abholen sollte und die ihm vom Verkäufer am 01.03. zur Verfügung gestellt wurden, erst am 05.04. ab, so geht die Gefahr mit Geschäftsschluss am 31.03. bereits auf den Käufer über.86 Die Feststellung des exakten Zeitpunktes des 82 Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz, Art. 69, Rn. 3; MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 16; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 15; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 4; soweit man die Ware als zur Verfügung gestellt betrachtet, auch Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 16; a. A. MünchKommHGB/Benicke, Art. 69, Rn. 4; wohl auch Rudolph, Art. 69, Rn. 7; eher offen Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN‑Kaufrecht, Rn. 550. 83 Vgl. Rudolph, Art. 67, Rn. 4; Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 32. 84 Herber/Czerwenka, Art. 67, Rn. 11; Honsell/Schönle, Art. 67, Rn. 29; Staudinger/Magnus, Art. 67, Rn. 32 m. w. N.; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69, Rn. 15; Schlechtriem/ Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 4. 85 Vgl. Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 401. 86 Vgl. auch Imberg, Die Verteilung der Beweislast beim Gefahrübergang nach UN‑Kaufrecht, S. 124.
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Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien
Gefahrübergangs bei unterlassenen Mitwirkungshandlungen im Vorfeld der unmittelbaren Übernahme bereitet größere Probleme. Zur Bewirkung des Gefahrübergangs ist vom Verkäufer jedenfalls die Vornahme aller Handlungen zu verlangen, die auch ohne Mitwirkungshandlungen des Käufers getätigt werden können, also insbesondere die Individualisierung bei Gattungsschulden gem. Art. 69 III CISG.87 Während hinsichtlich der Einbeziehung der Mitwirkungspflichten eine überwiegende Meinung besteht, gibt es indes nur wenige Vorschläge, den genauen Zeitpunkt zu bestimmen. Der Übergang der Gefahr soll danach als hypothetischer Zeitpunkt bestimmt werden und zu der Zeit stattfinden, zu der bei gewöhnlichem Lauf der Dinge, also bei hypothetischer Vornahme der unterlassenen Käuferhandlungen, die Übernahme erfolgt wäre.88 Freilich lassen sich auch mit dieser Formel nicht alle Probleme und Zweifelsfragen lösen. Für den Fall der fehlenden Akkreditiveröffnung kann man dann auf das Ende der Lieferfrist abstellen, wenn das Akkreditiv eben zu diesem Zeitpunkt nicht eröffnet ist.89 War für die Eröffnung des Akkreditivs ein genauer Zeitpunkt innerhalb der Lieferfrist bestimmt, kann man auch auf den Zeitpunkt der fehlenden Akkreditiveröffnung abstellen, sofern der Verkäufer die übrigen erforderlichen Handlungen nachweisen kann. Entscheidend muss der Zeitpunkt der Vertragsverletzung sein. Bei Versendungskäufen sollte man keine vollendete Zurverfügungstellung im Verschiffungshafen fordern, wenn der Käufer das Transportschiff nicht benannt hat. Der Verkäufer muss dann eben nachweisen, dass er bei rechtzeitiger Benennung die Ware dort zur Verfügung gestellt hätte. Die Individualisierung der Ware ist jedoch zu fordern. Die Mannigfaltigkeit der denkbaren Konstellationen lässt keine allgemeingültige Problemlösung zu und hier muss vieles unklar bleiben. Die Tatsache, dass in einigen dieser Fälle dem Verkäufer die Herbeiführung des Gefahrübergangs, mangels Möglichkeit die von ihm geforderten Handlungen vorzunehmen, nicht gelingen wird, sollte nicht zu einer generellen Versagung der Herbeiführung des Gefahrübergangs in diesen Fällen führen.
d) Erhaltungsmaßnahmen des Verkäufers Der in Besitz der Ware bleibende Verkäufer hat gem. Art. 85 CISG umfangreiche Maßnahmen zur Erhaltung der Ware zu treffen.90 Es besteht ein Recht zur Hinterlegung der Sache gem. Art. 87 CISG. Bei Ware, die rascher Verschlechterung ausgesetzt ist, besteht gem. Art. 87 II CISG eine Pflicht, sich um den Verkauf der Ware zu bemühen. 87 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch,
5. Auflage, Art. 69, Rn. 9. Rn. 3; MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 7. 89 Maskow, in: Maskow/Enderlein/Strohbach, Art. 69, Anm. 5.1 möchte sich exemplarisch für diesen Fall nicht festlegen. 90 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 69, Rn. 5. 88 Achilles, Art. 69,
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2. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht Beim Unternehmerkauf findet ein Gefahrübergang auf einen säumigen Käufer unter anderen Voraussetzungen statt als beim B2C‑Geschäft. Ein Übergang der Gefahr ist gem. Art. 144 I GEK‑Vorschlag vorgesehen, wenn die Waren oder digitalen Inhalte dem Käufer zu seiner Verfügung bereitgestellt wurden und dem Käufer dies bekannt ist. Die Gefahr geht dann zu dem Zeitpunkt über, zu dem die Waren oder digitalen Inhalte hätten übernommen werden müssen. Eine Ausnahme gilt gem. Art. 144 I a. E. GEK‑Vorschlag, wenn der Käufer nach Art 113 GEK‑Vorschlag berechtigt war, die Annahme zurückzuhalten. Telos der Regelung ist die Sicherstellung, dass der Käufer sich einem Gefahrübergang nicht entziehen kann, indem er die Waren nicht übernimmt.91 Die Regelung zum Gefahrübergang im Falle einer Säumnis des Käufers bezieht sich systematisch wie Art. 69 I Alt. 2 CISG nur auf den Platzkauf.92 Dies ergibt sich ebenfalls daraus, dass der Käufer die Gefahr in anderen Abwicklungsformen ohnehin bereits früher zu tragen hat. Gerade beim Fernkauf kommt es auf einen Annahmeverzug des Käufers gar nicht mehr an. Art. 144 I GEK‑Vorschlag stellt also eine Ausnahmeregelung zu Art. 143 I GEK‑Vorschlag dar, der für den Gefahrübergang auf die Annahme abstellt. Zwar ist Art. 144 I GEK‑Vorschlag der Regelung zum Annahmeverzug nach dem CISG nicht unähnlich, es gibt aber Unterschiede.93 Zu den Regelungen des Gefahrübergangs in Fällen eines säumigen Unternehmerkäufers wurden auch in den teils umfangreichen Stellungnahmen des ELI und von Lehne/Berlinguer keine Änderungen vorgeschlagen.94
a) Bereitstellung der Ware Die Waren müssen für den Käufer bereitgestellt worden sein. Der Verkäufer hat also seine Verpflichtung aus Art. 94 I lit. (c) GEK‑Vorschlag zu erfüllen.95 Notwendige Voraussetzung, um von einer wirksamen Bereitstellung der Waren auszugehen, ist das Konkretisierungserfordernis gem. Art. 141 GEK‑ Vorschlag.96 Stellt der Verkäufer die Ware aber dem Käufer dergestalt bereit, 91 Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 143. 92 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 173, Rn. 33; Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 484, 485; zu Art. 69 I Alt. 2 CISG siehe oben § 13 III.1.a). 93 Schulze/Zoll/Watson, Art. 144, Rn. 2; Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 143; dazu eingehend sogleich. 94 Vgl. Art. 100 II ELI, Statement CESL, S. 91, 248; sowie Art. 143 II 1 Lehne/Berlinguer, Berichtsentwurf, S. 93. 95 Schulze/Zoll/Watson, Art. 144, Rn. 4. 96 Schulze/Zoll/Watson, Art. 144, Rn. 4; Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 143.
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dass der Käufer ohne weitere Hindernisse die tatsächliche Sachherrschaft übernehmen kann, ist das Konkretisierungserfordernis regelmäßig ohnehin erfüllt.
b) Kenntnis des Käufers Abweichend von Art. 69 I Alt. 2 CISG verlangt der Wortlaut des Art. 144 I GEK‑Vorschlag ausdrücklich die Kenntnis des Käufers von der Bereitstellung der Ware. Es wird kritisiert, das Erfordernis, die Bereitstellung müsse dem Käufer bekannt sein, sei unglücklich formuliert und müsse einschränkend ausgelegt werden, da nach wörtlichem Verständnis der Käufer auch über eine Bereitstellung informiert werden müsse, wenn ein fester Abholtermin vereinbart war und der Verkäufer die Waren auch zu diesem Zeitpunkt bereitstellt.97 In der Tat deutet der Wortlaut („[…] bereitgestellt worden und ist dem Käufer dies bekannt“) darauf hin, dass dem Käufer explizit die bereits erfolgte Bereitstellung bekannt zu machen ist. Der zeitliche Ablauf wäre also zunächst eine Bereitstellung, woraufhin in jedem Fall die Bekanntmachung zu erfolgen hat. Ist ein fixer Abholtermin vereinbart, ist es aber tatsächlich als überflüssiger Aufwand anzusehen, wenn nun der Käufer noch von den tatsächlich bereitgestellten Waren in Kenntnis gesetzt wird.98 Irrelevant ist hingegen, woher der Käufer Kenntnis von der Bereitstellung erlangt hat, so dass eine ausdrückliche Mitteilung des Verkäufers nicht verlangt wird.99 Legt man die Norm nicht begrifflich nach dem Wortlaut, sondern nach dem Sinn und Zweck aus, sollte man daher auch annehmen können, dass bei feststehendem Abholtermin dem Käufer die Bereitstellung bekannt ist. Eine zeitlich auf die Bereitstellung folgende Mitteilung des Verkäufers ist daher nicht zwingend zu verlangen.100 Da für das Vorliegen der Kenntnis des Käufers aber der Verkäufer beweisbelastet ist,101 kann ihm nur empfohlen werden, die Zuverfügungstellung der Ware ausdrücklich mitzuteilen. Es wird vorgeschlagen, man solle das Erfordernis der Kenntnis gänzlich streichen.102 Im Falle der Streichung würde dies auch nicht zu einer ungebührenden Belastung des Käufers führen, da er, wenn kein fester Termin verein97 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 173, Rn. 33; Schulze/Zoll/Watson, Art. 144, Rn. 5. 98 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 173, Rn. 33. 99 Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 193; Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 484. 100 So eben auch Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 484. 101 Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 193; Schulze/Zoll/Watson, Art. 144, Rn. 5. 102 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 173, Rn. 33.
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bart wurde und er keine Kenntnis von einer Bereitstellung hat, auch nicht den Gefahrübergang hinzunehmen hätte, weil er in diesem Fall die Waren nicht zu übernehmen hätte.103 Dies entspräche einer Lösung, wie sie im UN‑Kaufrecht erzielt wird. Im UN‑Kaufrecht verlangt Art. 69 I Alt. 2 CISG keine Kenntnis von der Zurverfügungstellung. Man löst die Frage der Kenntnis über das Erfordernis der Vertragsverletzung: Grundsätzlich bejaht man eine Vertragsverletzung auch wenn der Käufer keine ausdrückliche Benachrichtigung erhalten hat, es sei denn mangels Vereinbarung einer Abholfrist hätte der Käufer durch die Benachrichtigung erst in die Lage versetzt werden müssen, die Ware zu übernehmen.104 Der GEK‑Vorschlag ordnet dieses im CISG durch Auslegung erzielte Ergebnis nun ausdrücklich an, indem man Kenntnis von der Zurverfügungstellung verlangt. Eine Streichung ist also nicht vorteilhaft. Im Falle einer Streichung müsste man dieses Ergebnis durch Auslegung des Wortlauts „hätten übernommen werden müssen“ erreichen. Das ist zwar möglich, die Lösung des GEK‑Vorschlags ist diesbezüglich aber klarer. Das deutsche Recht erfordert ebenfalls grundsätzlich die Kenntnis des Käufers und verneint im Falle der Unkenntnis die Tatbestandsvoraussetzung der Nichtannahme, vgl. § 299 BGB.105
c) Hypothetischer Übernahmezeitpunkt Der Gefahrübergang vollzieht sich im Annahmeverzug nicht bereits mit der Bereitstellung der Ware und der Kenntnis des Käufers hiervon. Entsprechend dem Regelungszweck, dass sich der Käufer durch Unterlassen der geschuldeten Handlung nicht dem Gefahrübergang entziehen kann, geht die Gefahr erst zu dem Zeitpunkt über, zu dem die Waren vom Käufer „hätten übernommen werden müssen“.
aa) Gefahrübergang bei unterlassenen Mitwirkungshandlungen Auch beim Gefahrübergang nach Art. 144 I GEK‑Vorschlag ist vorausgesetzt, dass der Käufer seiner Verpflichtung zur Übernahme nicht nachgekommen ist, auch wenn dies durch die Formulierung der Norm im Gegensatz zu Art. 142 III 1 GEK‑Vorschlag oder Art. 69 I Alt. 2 CISG nicht so deutlich wird. Indem Art. 144 I GEK‑Vorschlag auf den Zeitpunkt abstellt, „zu dem die Waren […] hätten übernommen werden müssen“106, entstehen wiederum Irritationen bezüglich der Terminologie. Schon beim Verbrauchervertrag ist frag103 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 173, Rn. 33. 104 Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 15; Honnold/Flechtner, Art. 69, Rn. 374; Sekretariatskommentar Art. 81, Bem. 7. 105 Siehe zum deutschen Recht § 13 II.1; vgl. auch Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 204. 106 Hervorhebung durch den Verfasser.
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lich, inwieweit unterlassene Mitwirkungshandlungen des Käufers, die über die unmittelbare Übernahme hinausgehen, zum Gefahrübergang führen können.107 Geht man davon aus, zwischen der Inbesitznahme in B2C‑Geschäften und der Übernahme in B2B‑Geschäften besteht der sachliche Unterschied im Einschluss von die Ware vertretenden Dokumenten,108 so wird auf den gleichen Zeitpunkt abgestellt wie bei den B2C‑Verträgen gem. Art. 142 III 2 GEK‑ Vorschlag. Art. 144 I GEK‑Vorschlag stellt eine Ausnahme zu Art. 143 I GEK‑ Vorschlag dar, dieser lässt die Gefahr aber mit der Annahme übergehen. Eine systematische Auslegung müsste also einen bewussten Unterschied ergeben, was die inhaltlichen Anforderungen angeht.109 Hieraus ließe sich dann ableiten, unterlassene Mitwirkungspflichten sollen nicht zur Bejahung des Tatbestands von Art. 144 I GEK‑Vorschlag führen. Dahingegen geht die h. M. zum vergleichbaren Art. 69 I Alt. 2 CISG davon aus, dass diese Mitwirkungspflichten erfasst sind und damit bei Unterlassen auch zum Gefahrübergang durch Annahmeverzug führen können.110 Verbraucherschützende Gedanken wie bei der Auslegung des Art. 142 III GEK‑Vorschlag können hier auch nicht herangezogen werden. In die Überlegung zur Auslegung des konkreten Umfangs ist aber auch der Ausschlusstatbestand in Art. 144 I a. E. GEK‑Vorschlag einzubeziehen. Hiernach tritt der Gefahrübergang nicht ein, wenn der Käufer berechtigt war, die „Annahme der Lieferung“ zurückzuhalten. Indem hier aber auf die „Annahme“ verwiesen wird, zeigt sich, dass der Käufer auch zum Unterlassen von Mitwirkungshandlungen berechtigt sein kann. Dies ergibt jedoch nur Sinn, wenn im Umkehrschluss auch ein Unterlassen von Mitwirkungshandlungen zum Gefahrübergang durch Säumnis führen könnte und damit von Art. 144 I GEK‑Vorschlag erfasst ist. Die Formulierung, dass die Gefahr zu dem Zeitpunkt übergeht, zu dem die Waren „hätten übernommen werden müssen“, bezieht sich damit ausschließlich auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs. Werden zur Übernahme erforderliche Mitwirkungshandlungen des Käufers unterlassen und scheitert deshalb die Übernahme, ist also auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die Übernahme bei hinzugedachter Mitwirkung erfolgt wäre. Damit ergibt sich das gleiche Ergebnis wie im UN‑Kaufrecht.111
107 Siehe
hierzu oben § 13 I. 1.a)aa). Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 142. 109 Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 174, Rn. 33. 110 MünchKomm/P. Huber, Art. 69, Rn. 7; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 16; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, Art. 69, Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 16; m. w. N.; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz, Art. 69, Rn. 6. 111 Siehe § 13 III.1.c). 108 So
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bb) Unwägbarkeiten bei der Bestimmung des Zeitpunkts Fraglich ist, ob und wie sich das Vorliegen von Entschuldigungsgründen für die Nichterfüllung der Abnahmepflicht des Käufers auf den Zeitpunkt auswirkt, an dem die Gefahr dann letztlich übergeht. Zwar hindern möglicherweise vorliegende Entschuldigungsgründe nicht per se den Übergang der Gefahr nach Art. 144 I GEK‑Vorschlag aufgrund des Gläubigerverzugs beim Unternehmerkauf. Möglicherweise wirken sie sich aber auf den konkret nach Art. 144 I GEK‑ Vorschlag festzustellenden Zeitpunkt aus.112 Auch hier spielt der Wortlaut des Art. 144 I GEK‑Vorschlags eine Rolle. Denn die Gefahr geht über, sobald die Waren „hätten übernommen werden müssen“113. Liegen aber Entschuldigungsgründe seitens des Käufers vor, kann gerade die Erfüllung der Abnahmepflicht vom Käufer nicht verlangt werden, Art. 123 I lit. (b), 131 I lit. (a), II GEK‑Vorschlag.114 Die Formulierung, dass die Gefahr übergeht, wenn der Käufer die Waren „übernehmen muss“, und die Regelungen über die Abhilfen des Verkäufers scheinen also nicht abgestimmt und widersprüchlich. Wenn der Verkäufer vom Käufer die Erfüllung der Abnahme nicht verlangen kann, erscheint es systemwidrig, gleichfalls davon auszugehen, dass der Käufer die Ware „übernehmen muss“. Andererseits unterscheidet Art. 87 I GEK‑Vorschlag gerade nicht zwischen entschuldigter und nicht entschuldigter Nichterfüllung, so dass es für den Zeitpunkt des Gefahrübergangs auch irrelevant sein könnte, ob ein Erfüllungsanspruch auf Abnahme nun besteht oder nicht.115 Es ließe sich also auch argumentieren, die fehlende Vornahme von Handlungen, die letztlich in eine nicht erfolgte Übernahme der Waren münden, ist auch im Falle einer Entschuldigungsmöglichkeit vertragswidrig. Den Käufer hätte nach dem Vertrag grundsätzlich die Pflicht getroffen, die Ware zu übernehmen. Dass er dies aufgrund entschuldigender Umstände nicht getan hat, kann ihn im System der Abhilfen des Verkäufers schützen, nicht jedoch im Institut der Gefahrtragung. Für eine solche Auslegung spricht, dass die Verfasser des GEK‑Vorschlags die Entschuldigungsgründe offensichtlich in den Gefahrübergang beim Verbraucherkauf einbeziehen, aber beim weniger schützenswerten Unternehmerkäufer außer Betracht lassen wollten. Man kann möglicherweise von einer unbedachten Formulierung in Art. 144 I GEK‑Vorschlag beim dem Verb „müssen“ ausgehen. Entschuldigungsgründe sollen beim Unternehmerkauf nicht in die Systematik der Gefahrtragung einfließen, ihm sollte lediglich das Zurückbehaltungsrecht nach Art. 113 GEK‑Vorschlag zur Seite gestellt werden.
112 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches 113 Hervorhebung durch den Verfasser. 114 Wiese, 115 Wiese,
europäisches Kaufrecht, S. 485.
in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 485. in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 485.
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d) Zurückbehaltungsrecht des Käufers Ein Gefahrübergang auf den Käufer scheidet aus, wenn ihm ein Zurückbehaltungsrecht nach Art. 113 GEK‑Vorschlag zusteht. Das Zurückbehaltungsrecht bezieht sich hierbei nicht auf seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises gem. Art. 123 I lit. (a) GEK‑Vorschlag, sondern auf seine Verpflichtung die Waren anzunehmen, Art. 123 I lit. (b) GEK‑Vorschlag. Art. 113 GEK‑Vorschlag ist aber gerade die Einrede des nicht erfüllten Vertrags, d. h. sie regelt den Fall, dass der Verkäufer seine Verpflichtungen aus Art. 91 ff. GEK‑Vorschlag nicht erfüllt. Hat der Verkäufer die Waren dem Käufer aber vertragsgemäß bereitgestellt, so wird diese Einrede dem Käufer in der Regel gerade nicht zur Verfügung stehen.116 Wenn aber Voraussetzung für den Gefahrübergang die Bereitstellung ist und gerade beim Vorliegen der Bereitstellung Art. 113 GEK‑Vorschlag meist ausscheidet, scheinen Ziel und Sinn der Regelung zweifelhaft117 und die Relevanz der Vorschrift gering zu sein. Bedeutung kann der Vorschrift aber im Falle der Lieferung nicht vertragsgemäßer Ware zukommen. Gesteht man dem Käufer nach Art. 113 GEK‑Vorschlag das Recht zu, nicht vertragsgemäße Ware zurückzuweisen und damit nicht anzunehmen, so führt sie zur Verhinderung des Gefahrübergangs und fungiert damit ähnlich wie das Erfordernis der Vertragsverletzung in Art. 69 I Alt. 2 CISG und das Erfordernis eines ordnungsgemäßen Angebots in § 294 BGB.118 Wird dem Käufer mangelhafte Ware angeboten und lehnt er diese ab, so liegt keine Vertragsverletzung nach Art. 69 I Alt. 2 CISG vor und kein Angebot nach § 294 BGB, das den Käufer in Annahmeverzug versetzen könnte. Ob der Käufer aber nach dem GEK‑Vorschlag berechtigt sein soll, generell vertragswidrige Ware zurückzuweisen, ist nicht hinreichend deutlich und wird nur für eine Zuviellieferung von Art. 130 III GEK‑Vorschlag positiv angeordnet.119 Das Recht der Zurückweisung besteht dann aber schon aus Art. 130 III GEK‑Vorschlag, auf Art. 113 GEK‑Vorschlag käme es gar nicht an. Dennoch hat man wohl anzunehmen, dass die Verweigerung der Annahme nach Art. 113 GEK‑Vorschlag dem Käufer generell bei Lieferung vertragswidriger Ware zusteht.120 Hierfür spricht, dass man gem. Art. 87 I lit. (c) GEK‑Vorschlag bei der Lieferung nicht vertragsgemäßer Waren von einer Nichterfüllung auszugehen hat. Dann ist aber konsequenterweise davon auszugehen, dass der Käufer die Annahme mit Verweis auf eine nicht erbrachte Leistung des Verkäufers i. S. d. Art. 113 I GEK‑Vorschlag verweigern kann.
116 Wiese,
in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 484. auch Lorenz, AcP 212 (2012), S. 830. 118 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 830. 119 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 810. 120 So auch Schulze/Zoll, Art. 113, Rn. 9. 117 So
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Damit sollte man den Hauptanwendungsbereich des letzten Halbsatzes in Art. 144 I GEK‑Vorschlag darin sehen, dass der Käufer bei der Bereitstellung vertragswidriger Ware den Übergang der Preisgefahr nicht hinzunehmen hat. Weitere Anwendungsfälle des Art. 113 GEK‑Vorschlag sind im Falle einer Vorleistungspflicht des Käufers (Abs. 2) denkbar, wenn der Käufer seine Leistung zurückhält, weil er berechtigterweise davon ausgeht, der Verkäufer werde seine Verpflichtung ohnehin nicht erfüllen.121 In Zusammenhang mit der Annahme als vom Käufer geschuldeter Leistung ist etwa denkbar, dass er gewisse Mitwirkungspflichten nach Art. 129 lit. a) GEK‑Vorschlag nicht erbringt oder gar nicht tätig wird, da er berechtigte Zweifel an der Erfüllungsbereitschaft des Verkäufers hat. Diese Mitwirkungshandlungen hätte der Käufer vor einer Lieferung des Verkäufers zu erbringen, so dass Art. 113 II GEK‑Vorschlag anzuwenden wäre. Je nachdem um welche Mitwirkungspflichten es sich handelt, könnte es in derartigen Konstellationen aber auch häufig an einer Bereitstellung der Waren durch den Verkäufer oder an der Kenntnis des Käufers von der Bereitstellung fehlen. Zu beachten wäre weiterhin die Belastung des Käufers mit der Beweislast bei der Frage, ob er vernünftigerweise von der fehlenden Erfüllungsbereitschaft des Verkäufers ausgehen durfte.122 Die Beweislast für das generelle Vorliegen der Einrede des nicht erfüllten Vertrags ist nicht eindeutig zuordenbar. Während man aufgrund der Formulierung („[…] es sei denn […]“) eigentlich von einer Beweislast des Käufers ausgehen müsste, könnte man aber auch, soweit man die Voraussetzung eines ordnungsgemäßen Angebots bereits dem Tatbestand („[…] hätte übernommen werden müssen […]“) entnimmt, dem Verkäufer die Beweislast auferlegen.123 Anhand des Wortlauts scheint der Widerspruch nicht auflösbar. Aus Gründen des Interessenausgleichs sollte der Käufer die Vertragswidrigkeit der Ware zu beweisen haben. Verweigert er die Annahme wegen Vertragswidrigkeit der Ware, kann ihm auch eine Dokumentation der Vertragswidrigkeit zugemutet werden. Dies ist weniger aufwändig als wenn der Verkäufer die Vertragsmäßigkeit der Ware zu beweisen hätte.
3. Handelsklauseln Wird die Geltung von Incoterms vereinbart, ist die Regelung B 5 zur Bestimmung des Gefahrübergangs im Falle einer Säumnis des Käufers maßgebend. Hiernach trägt der Käufer alle Gefahren des Verlustes oder der Beschädigung der Ware ab dem Zeitpunkt, ab dem sie wie in A 4 vorgesehen geliefert worden ist. Eine Übernahmehandlung durch den Käufer im Sinne einer Inbesitznahme ist zur Lieferung der Ware nicht erforderlich, da bei Abhol- und Ankunftsverträgen die Ware geliefert ist und damit der Käufer die Gefahr trägt, sobald ihm 121 Schulze/Zoll, Art. 113, 122 Schulze/Zoll, Art. 113,
Rn. 8. Rn. 8. 123 Vgl. Lorenz, AcP 212 (2012), S. 830.
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die Ware zur Verfügung gestellt wird.124 Eine Regelung für den Fall, dass der Käufer die Ware nicht in Besitz nimmt, ist somit überflüssig. Der Käufer trägt die Gefahr ohnehin bereits vorher. Bei Absendeverträgen ist entweder die Bereitstellung, die Übergabe an den Frachtführer oder das Verbringen an Bord erforderlich. Die Erlangung der unmittelbaren Sachherrschaft durch den Käufer ist also auch hier nicht als Voraussetzung für den Gefahrübergang vorgesehen.
a) Säumnis durch Unterlassen im Fall von Mitwirkungspflichten Möglich bleibt aber, dass der Verkäufer seine zur Bewirkung des Gefahrübergangs vorzunehmende Handlung nicht erbringen kann, weil der Käufer Lieferzeit und Lieferort zu bestimmen hatte und dies versäumt hat. Nach den B 7 Regelungen hat der Käufer den Verkäufer über bestimmte Modalitäten, die sich je nach gewählter Klausel unterscheiden, zu benachrichtigen.125 Unterlässt der Käufer die nach B 7 erforderlichen Benachrichtigungen, sieht B 5 vor, dem Käufer alle Gefahren des Verlustes oder des Untergangs der Ware ab dem vereinbarten Zeitpunkt oder dem Ablauf des vereinbarten Lieferzeitraums aufzuerlegen. Voraussetzung ist die Konkretisierung der Ware und damit die Zuordnung zum konkreten Vertrag.126 B 5 regelt also auch den Gefahrübergang bei unterlassenen Mitwirkungspflichten des Käufers.127 Je nach den Eigenarten des konkreten Vertrags und der konkret verwendeten Klausel treffen den Käufer andere Benachrichtigungspflichten. Versäumt der Käufer die Erfüllung dieser Pflichten und kommt es infolgedessen nicht zur Lieferung, übernimmt der Käufer die Gefahr vor der Lieferung.128 Versäumt beispielsweise der Käufer bei Verwendung der FOB‑Klausel die Benennung des Schiffes, so trägt er die Gefahr.129 Gefahrübergang findet dann mit Ablauf des ursprünglich vorgesehenen Lieferzeitpunktes oder Lieferzeitraumes statt.130 Verallgemeinernd ist festzustellen, dass die Untätigkeit des Käufers auch nach den Incoterms den Gefahrübergang nicht verhindert.131
b) Erweiterung des Risikos für den Käufer Während es bei der EXW‑Klausel und den C‑Klauseln bei diesem Grundprinzip bleibt, wird die Risikozuweisung an den Käufer bei den D- und F‑Klauseln 124 Siehe
hierzu oben § 7 IV. 1; sowie § 8 IV. 1.a). Journal of Law and Commerce 32 (2013), 14. 126 Piltz/Bredow, Incoterms, E-155; F-556; C-159; D-356. 127 Vgl. hierzu nur Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 342; 392; 619; Piltz/Bredow, Incoterms, E-155; F-556; C-159; D-356. 128 Coetzee, Journal of Law and Commerce 32 (2013), 19. 129 Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 401; siehe auch Benjamin’s Sale of Goods, 20-042. 130 Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 620. 131 Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 288. 125 Coetzee,
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noch ausgeweitet. Nach B 5 der D‑Klauseln hat der Käufer alle Gefahren zu tragen, die aus einer Nichterfüllung der Verpflichtungen aus B 2 resultieren. Zwar führen D‑Klauseln zu Ankunftsverträgen, dennoch legen sie in B 2 dem Käufer die Verpflichtung auf, die Einfuhrgenehmigung oder andere behördliche Genehmigungen zu beschaffen sowie alle Zollformalitäten für die Einfuhr der Waren zu erledigen. Das führt im Ergebnis dazu, dass der Käufer den Kaufpreis auch schuldet, wenn die Ware aufgrund fehlender behördlicher Genehmigungen nicht wie vorgesehen geliefert werden kann.132 Wird die Ware daraufhin zurücktransportiert, so hat der Käufer damit auch die Gefahren auf diesem Rücktransport tragen. In den F‑Klauseln wird dem Käufer neben den Benachrichtigungen gem. B 7 ferner das Risiko aufgebürdet, dass die Übernahme durch den Beförderer nicht stattfindet. Gem. B 5 trägt der Käufer nämlich bei der FCA‑ Klausel die Gefahr, dass der Frachtführer die Übernahme der Waren unterlässt. Nach der FAS‑Klausel trägt er die Gefahr, dass das von ihm benannte Schiff nicht rechtzeitig eintrifft oder die Waren nicht übernimmt oder schon vor dem gemäß B 7 festgesetzten Zeitpunkt keine Ladung mehr annimmt.133 Ähnliches gilt nach B 5 für die FOB‑Klausel, wonach der Käufer die Gefahr auch dann trägt, wenn das vom Käufer benannte Schiff nicht rechtzeitig eintrifft, um es dem Verkäufer zu ermöglichen, seine Lieferpflichten zu erfüllen.134 Ebenfalls trägt er hiernach die Gefahr, wenn das Schiff die Ware nicht übernehmen kann oder schon vor dem gemäß B 7 festgesetzten Zeitpunkt keine Ladung mehr annimmt.135 Die Incoterms erheben in diesen Fällen keine weitere Voraussetzung für den Gefahrübergang, wie etwa die Voraussetzung des Art. 69 I Alt. 2 CISG, dass der Käufer durch die Nichtabnahme eine Vertragsverletzung begeht.136 Die Gefahr geht also nach den F‑Klauseln auch ohne eine dem Käufer vorwerfbare Vertragsverletzung auf ihn über.137 Dies verschlechtert die Rechtsposition des Käufers verglichen mit dem CISG. Zwar ist auch dort bei unterlassenen Mitwirkungspflichten ein Gefahrübergang vorgesehen. Übernimmt der Käufer Verpflichtungen wie die Erledigung von Einfuhrgenehmigungen oder Zollformalitäten, so würde er die Gefahr bei Nichterfüllung dieser Pflichten auch nach Art. 69 I Alt. 2 CISG tragen, wenn die Nichterledigung zum Fehlschlagen des Gefahrübergangs führt. Wäre ihm hingegen die Nichtbeschaffung der erforderlichen Genehmigungen nicht vorzuwerfen, würde Art. 69 I Alt. 2 CISG mangels Vertragsverletzung einen Gefahrübergang ablehnen. Bei den F‑Klauseln trifft den Käufer gem. B 3 die Verpflichtung, auf eigene Kosten und Gefahr 132 Piltz/Bredow, 133 Piltz/Bredow,
Incoterms, D-357. Incoterms, F-357. 134 Benjamin’s Sale of Goods, 20-092. 135 Piltz/Bredow, Incoterms, F-557. 136 Ramberg, J., Journal of Law and Commerce 25 (2005/06), 220. 137 Benjamin’s Sale of Goods, 20-092.
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die Beförderungsverträge zu schließen. Damit fällt der reibungslose Ablauf der Beförderung in seinen Risikobereich. Scheitert die Beförderung aufgrund von Versäumnissen des Käufers, hat er die Preisgefahr zu übernehmen. Nach dem UN‑Kaufrecht, wo Art. 69 I 2 CISG auch auf Versendungskäufe analog anzuwenden ist,138 wäre dem Käufer ebenso die Gefahr aufzubürden. Zu abweichenden Ergebnissen kommen CISG und Incoterms jedoch, wenn der Käufer seinen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachgekommen ist, der Beförderer aber aufgrund in seinem Einflussbereich liegender Gründe die Ware nicht übernimmt und den Gefahrübergang somit verhindert. Mangels Pflichtverletzung dürfte wohl ein Gefahrübergang auf den Käufer gem. Art. 69 I Alt. 2 CISG ausscheiden. Der Käufer ist seinen vereinbarten Verpflichtungen schlichtweg nachgekommen. Nach den Klauseln FOB, FAS und FCA geht die Gefahr aber davon unabhängig über.139 Die F‑Klauseln der Incoterms erweitern hier den Risikobereich des Käufers.
IV. Besonderheit beim Konkretisierungserfordernis Alle untersuchten Regelwerke verlangen grundsätzlich auch beim Gefahrübergang infolge eines Annahmeverzugs die Konkretisierung der Ware,140 also die eindeutige Zuordnung der Ware zu einem Kaufvertrag, vgl. Art. 141 GEK‑Vorschlag, 69 III CISG. Die Incoterms sehen diese Voraussetzung ebenfalls zwingend vor, vgl. jeweils B 5. Im deutschen Recht ist diese Voraussetzung zwar nicht in den Vorschriften zum Übergang der Preisgefahr geregelt,141 sie ergibt sich jedoch aus dem Zusammenspiel zwischen Leistungs- und Preisgefahr.142 Die Konkretisierung muss für den Übergang der Leistungsgefahr vorliegen143 und die Leistungsgefahr ist Voraussetzung für den Übergang der Preisgefahr. Eine Ausnahme hat das Reichsgericht insoweit angenommen, als auf die Konkretisierung verzichtet wird, wenn die gesamte Gattung nach dem Annahmeverzug untergeht:144 In dem vom Reichsgericht entschiedenen Fall hatte der Käufer 1000 Zentner beim Verkäufer noch nicht ausgesondertes Kakaoschalenpulver abzuholen, kam dem jedoch auch nach mehrfachen Aufforderungen nicht nach und befand sich daher in Annahmeverzug. Danach erging ein Han138 Siehe 139 Siehe
hierzu § 13 III.1.b)bb)(3). hierzu Graf von Bernstorff, Incoterms 2010, Rn. 619; 586; 342; Piltz/Bredow, Incoterms, F-557; 357; 170. 140 Der Annahmeverzug selbst erfordert hingegen in einigen Fällen gerade keine Konkretisierung, vgl. Fälle des §§ 295, 296 BGB, vgl. Palandt/Grüneberg, § 300, Rn. 4; BGH 18.06.1975, WM 1975, 920. 141 Vgl. §§ 446, 447 BGB. 142 Siehe hierzu schon oben § 4 III. 143 vgl. Palandt/Grüneberg, § 300, Rn. 4. 144 Vgl. RG 14.10.1921, RGZ 103, 14 f.; Biederbeck, Gefahrübergang bei Säumnis des Käufers im deutschen und amerikanischen Recht, S. 181.
§ 13 Die Säumnis des Käufers bei der Abnahme
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delsverbot für Kakaoschalenpulver, so dass die Ware nicht mehr handelbar war. Das RG bejahte trotz fehlender Aussonderung den Übergang der Preisgefahr auf den Käufer. Soweit nach den hier erörterten Regelungen die Konkretisierung ausdrückliche Voraussetzung für den Übergang der Preisgefahr ist, wäre der vom Reichsgericht entschiedene Fall145 nach CISG, GEK‑Vorschlag oder bei einer verwendeten Klausel der Incoterms 2010 wohl anders zu entscheiden.146 Der Käufer würde mangels Konkretisierung nicht die Preisgefahr tragen, hätte also nicht den Kaufpreis zu zahlen.147 Ein anderes Ergebnis wäre angesichts der Vorschriften wohl contra legem. Dies erscheint aber im Hinblick auf die Wertungen des Annahmeverzugs nicht überzeugend. Beim Untergang oder der Beschädigung der ganzen Gattung ist ein Abwälzen der Preisgefahr auf den Käufer sachgerecht. Wenn ein Käufer jede Abnahme verweigert und dann beim Verkäufer die gesamte Gattung untergeht, so ist die Konkretisierung bloße Förmelei. Missbrauchsgefahr, dass dem Käufer untergegange Ware im Nachhinein zugeschoben wird, besteht beim Untergang der gesamten Gattung nicht. Hier besteht auch eine Parallele zu der Lösung bei Massengut oder Sammelladungen. Auch dort ist sachgerechterweise ein Gefahrübergang bereits vor der endgültigen Individualisierung der Ware vorzugswürdig.148
V. Wertende Zusammenfassung 1. Systematik Regelungstechnisch unterscheiden sich die untersuchten Regelwerke zunächst darin, dass CISG und GEK‑Vorschlag die Voraussetzungen für den Übergang der Gefahr im Falle einer Säumnis des Käufers unmittelbar in den Vorschriften des Gefahrübergangs regeln. Das deutsche Recht verweist hier in § 446 S. 3 BGB auf den eingetretenen Annahmeverzug, welcher im Allgemeinen Teil des Schuldrechts geregelt ist. Eine generelle Normierung des Annahmeverzugs enthalten CISG und GEK‑Vorschlag hingegen nicht. Das deutsche Recht unterscheidet zudem für den Übergang der Gefahr nicht zwischen B2C- und B2B‑ Geschäften, während der GEK‑Vorschlag den Übergang der Gefahr insoweit hingegen an unterschiedliche Normen mit unterschiedlichen Voraussetzungen knüpft.
145 RG
14.10.1921, RGZ 103, 14 f. zum GEK‑Vorschlag Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 475. 147 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 475. 148 Siehe dazu oben zum CISG § 8 I. 4 und zum GEK‑Vorschlag § 8 III.2.f). 146 So
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Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien
2. Verbraucherrecht a) Keine Vorgaben aus der Verbraucherrechte-RL Der GEK‑Vorschlag regelt im Gegensatz zur Verbraucherrechte-RL in Art. 142 III GEK‑Vorschlag den vorzeitigen Gefahrübergang auf den Verbraucher im Falle des Annahmeverzugs. Die Entwurfsfassung der Verbraucherrechte-RL sah den Gefahrübergang im Falle des Annahmeverzugs noch vor. Die fehlende Regelung in der Verbraucherrechte-RL führt aber nicht unmittelbar zu einem unattraktiveren Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht aus Verbrauchersicht. Die Nichtregelung des Annahmeverzugs in der VerbraucherrechteRL bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass die Gefahr durch Annahmeverzug in den nationalen Rechtsordnungen nicht übergehen darf. Dies wird vielmehr den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen überlassen. Die fehlende Aufnahme des Gefahrübergangs beim Annahmeverzug in die Verbraucherrechte-RL führt aber zumindest dazu, dass das Gemeinsame Europäische Kaufrecht für den Verbraucher ungünstiger als eine nationale Rechtsordnung sein kann. Eine Regelung des Annahmeverzugs in der Verbraucherrechte-RL, verbunden mit dem Ansatz der Vollharmonisierung, hätte bedeutet, dass die nationalen Rechtsordnungen auch kein höheres Schutzniveau, also für den Verbraucher günstigere Regelungen, hätten einführen dürfen.
b) Entlastungsmöglichkeit und verschuldensunabhängige Haftung Beim Verbraucherkaufvertrag geht nach dem GEK‑Vorschlag die Gefahr mit der Nichtannahme über, es sei denn der Käufer ist aufgrund eines außerhalb seines Einflussbereichs liegenden Hindernisses entschuldigt. Das deutsche Recht ist beim Annahmeverzug unabhängig von einem etwaigem Verschulden, sieht also keine Entlastungsmöglichkeit des Verbrauchers vor. Eine Entlastungsmöglichkeit für den Verbraucher, wie ihn der GEK‑Vorschlag in den Art. 142 III, 88 vorsieht, stärkt zwar prinzipiell das Verbraucherschutzniveau. Praktisch ist aber bedeutsam, welche Anforderungen an den Entlastungsbeweis zu stellen sind. Da an eine Entlastung des Verbrauchers sehr strenge Anforderungen zu stellen sind, ist auch der praktische Unterschied zum verschuldensunabhängigen Annahmeverzug nach deutschem Recht nicht so bedeutend.149 Zu befürworten ist die Lösung des BGB. Die Gefahrtragungsvorschriften sollen keinen Sanktionscharakter haben. Eine Entschuldigungsmöglichkeit für den Verbraucher deutet aber darauf hin. Der Verbraucher wird entlastet, wenn die Nichtvornahme der von ihm geschuldeten Handlung auf einem Grund beruht, der außerhalb seiner Einflusssphäre lag. Hierdurch entstehen aber Fragen nach den genauen Anforderungen an diese Entschuldigungsmöglichkeit. Sachgerechter ist die Vertei149 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 482; Lorenz, AcP 212 (2012), S. 829.
§ 13 Die Säumnis des Käufers bei der Abnahme
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lung der Gefahr zufälliger Ereignisse nach rein objektiven, leicht bestimmbaren Kriterien, wie es das BGB vorsieht.
c) Unterlassene Mitwirkungshandlungen Das deutsche Recht ist hinsichtlich der hier aufgeworfenen Probleme detaillierter und löst diese in einzelnen Normen. Die äußerst wichtige Frage, inwieweit unterlassene Mitwirkungshandlungen zum Gefahrübergang führen können, wird im GEK‑Vorschlag nicht beantwortet. Ebensowenig die Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Käufer zwar abnahmebereit, aber nicht bereit ist, seine Zug-um-Zug-Verpflichtung zu erfüllen. Das deutsche Recht schützt den Käufer bei einer nur vorübergehenden Annahmeverhinderung, die eingetreten ist, weil der Verkäufer den Liefertermin nicht genannt hat. Dies ist sachgerech und sollte auch innerhalb der 30-tägigen Lieferfrist des GEK‑Vorschlags gelten. Um einen Gefahrübergang hier zu vermeiden, wäre eine Klarstellung des Verordnungsgebers wünschenswert. Erfolgt diese nicht, sollte eine Entschuldigung des Verbrauchers nach Art. 88 GEK‑Vorschlag bejaht werden, um ein sachgerechtes Ergebnis zu erzielen.
d) Lieferung vertragswidriger Ware Die Frage nach den Folgen einer Abnahmeverweigerung des Käufers im Falle der Lieferung vertragswidriger Ware wird im GEK‑Vorschlag regelungssystematisch nicht überzeugend gelöst. Beim Verbrauchervertrag ist die Problematik wohl unter der Tatbestandsvoraussetzung „Nichterfüllung seiner Verpflichtung zur Übernahme der Waren“ zu diskutieren. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang aber, dass in der Säumnisregelung zum Unternehmerkauf, Art. 144 I GEK‑Vorschlag, ausdrücklich auf das Zurückhaltungsrecht nach Art. 113 GEK‑ Vorschlag verwiesen wird. Macht der Käufer die Einrede geltend und lehnt eine Annahme ab, geht die Gefahr nicht auf ihn über. Unter die Einrede des nicht erfüllten Vertrags dürften aber gerade die Fälle der Zurückweisung vertragswidriger Ware zu subsumieren sein. Auch hier enthält der Wortlaut des Art. 144 I GEK‑Vorschlag aber die Formulierung „hätten übernommen werden müssen“. Man könnte also auch hier schon die Verpflichtung zur Übernahme aufgrund der Vertragswidrigkeit und damit den Tatbestand der Vorschrift verneinen. Das Regelungskonzept erscheint in diesem Zusammenhang missglückt. Sollte man die Zurückweisung vertragswidriger Ware ausschließlich über den ausdrücklichen Verweis auf Art. 113 GEK‑Vorschlag lösen können, wäre die Folge, dass ein Verbraucher durch die Zurückweisung vertragswidriger Ware in Annahmeverzug gerät. Denn in Art. 142 III GEK‑Vorschlag ist diese Ausnahme eben nicht vorgesehen. Dies kann jedoch nicht der Wille der Verfasser des GEK‑Vorschlags sein. Man muss die Zurückweisung vertragswidriger Ware auch über die Verpflichtung zur Übernahme lösen können. Dann aber hätte man
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Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien
dies in Art. 144 I GEK‑Vorschlag doppelt geregelt. Daher ist die Klarstellung in Art. 99 II ELI-Änderungsvorschlag, die bei Vorliegen des Zurückbehaltungsrechts einen Gefahrübergang auf den Verbraucher ablehnt, zu begrüßen.150
3. Unternehmerrecht a) Regelungssystematik Interessant ist, dass im deutschen Recht sowohl beim Platz- als auch beim Fernkauf der Gefahrübergang erst mit Übergabe eintritt. In sachlicher Hinsicht vorverlagert wird er für den Annahmeverzug. Im GEK‑Vorschlag und im CISG wird der Gefahrübergang ausdrücklich nur für den Platzkauf vorgezogen. Im CISG kommt die systematische Bezugnahme des Annahmeverzugs für die Fälle des Platzkaufs deutlicher zum Vorschein als im GEK‑Vorschlag, da der Annahmeverzug direkt in Art. 69 I CISG geregelt ist und auf die nicht rechtzeitige Übernahme bei dieser Abwicklungsform abgestellt wird.
b) Ausschlussgründe des Gefahrübergangs in Unternehmerverträgen Es überrascht, dass im GEK‑Vorschlag bei Unternehmerverträgen der Gefahrübergang infolge einer Säumnis des Käufers durch andere Gründe verhindert wird als bei Verbraucherverträgen; einmal Art. 113 GEK‑Vorschlag für den Unternehmerkaufvertrag, zum anderen die Entschuldigung gem. Art. 88 GEK‑Vorschlag beim Verbraucherkaufvertrag. Der Verweis auf das Recht des Käufers, die Annahme zurückzuhalten, ist eine Parallele zum Erfordernis der Vertragsverletzung in Art. 69 I Alt. 2 CISG. Allerdings hätte man dieses Erfordernis im GEK‑Vorschlag eben auch aus der Formulierung „hätte übernommen werden müssen“ ableiten können. Das ausdrückliche Erfordernis der Bekanntmachung der Zurverfügungstellung der Ware in Art. 144 I GEK‑Vorschlag ist einschränkend auszulegen und auch als erfüllt anzusehen, wenn die Ware zum vorab vereinbarten Abholtermin zur Verfügung steht. Zu einem Mehrwert verglichen mit Art. 69 I Alt. 2 CISG führt das zusätzliche Erfordernis ohnehin nicht, da der Käufer bei fehlender Kenntnis keine Vertragsverletzung begeht.
c) Unterlassene Mitwirkungshandlungen Verglichen mit dem deutschen Recht haben CISG und GEK‑Vorschlag Probleme bei der Bestimmung der Folgen unterlassener Mitwirkungshandlungen sei� tens des Käufers. Dieses Problem stellte sich im GEK‑Vorschlag ebenso beim Verbraucherkauf. Zwar sind die Regelungen von CISG und GEK‑Vorschlag hier nicht identisch. Bei der Frage nach den Folgen unterlassener Mitwirkungshandlungen wurde aber auch durch die unterschiedliche Fassung weder beim 150 Siehe
dazu oben § 13 I. 1.a)cc).
§ 13 Die Säumnis des Käufers bei der Abnahme
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Verbraucher- noch beim Unternehmervertrag Klarheit geschaffen. Unterlassene Mitwirkungshandlungen, die letztlich die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft verhindern, sollten jedoch zu einem Gefahrübergang führen. Zwar lassen sich diese Ergebnisse auch durch Auslegung gewinnen. Eine deutlichere Regelung wäre jedoch begrüßenswert. Sonst verpasst man in diesem Bereich eine Chance, bekannte Unklarheiten zu beseitigen. Die Incoterms 2010 regeln die Folgen eines Unterlassens von Verpflichtungen und die Auswirkungen auf den Gefahrübergang exakt. Auf eine Pflichtverletzung des Käufers stellen die Incoterms nicht ab. Im Hinblick auf das Bedürfnis des Handels nach klarer Risikozuweisung und Streitvermeidung ist diese klare Regelung für die Parteien vorzugswürdig. Bei der Bestimmung des Zeitpunktes des Gefahrübergangs treten vor allem im Bereich der Mitwirkungspflichten nach allen Regelwerken Schwierigkeiten auf. Entsprechend der Wertung des GEK‑Vorschlags, Entschuldigungsgründe nach Art. 88 GEK‑Vorschlag beim B2B‑Geschäft nicht zuzulassen, sollte man auch deren Einfluss auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs ausschließen.
4. Erhaltungspflicht des die Sachherrschaft weiterhin ausübenden Verkäufers Trägt der Käufer infolge einer Säumnis die Gefahr, fallen die nach dem Traditionsprinzip eigentlich verknüpften Elemente Gefahr und Sachherrschaft auseinander.151 Allerdings trifft den weiterhin besitzenden Verkäufer die Pflicht, die Sache zu erhalten. Dies kann als Ausgleich für das Auseinanderfallen von Sachherrschaft und Gefahrtragung angesehen werden. Im Annahmeverzug kennt das CISG eine Pflicht des Verkäufers, die Ware während des Annahmeverzugs zu erhalten, vgl. Art. 85 CISG. Eine entsprechende Regelung enthält auch Art. 97 GEK‑Vorschlag. Diese Verpflichtungen gelten auch gegenüber einem Verbraucher. Dies stärkt die Rechte des Käufers und damit den Verbraucherschutz. Das BGB sieht zwar auch Maßnahmen für den Verkäufer vor, lässt allerdings gem. § 300 I BGB den Verkäufer, selbst gegenüber einem Verbraucher, bei leichter Fahrlässigkeit bzgl. der Einlagerung nicht haften. Die deutsche Haftungserleichterung wird teilweise für bedenklich gehalten.152 Da die Verbraucherrechte-RL keine Regelung diesbezüglich enthält, hat sich hieran im deutschen Recht nichts geändert. Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht zeigt sich in diesem Punkt verbraucherfreundlicher als das deutsche Recht. Die Vorschriften des GEK‑Vorschlag und des CISG sind hier zu begrüßen. Der Gefahrübergang stellt einen ausreichenden Interessenausgleich her. Die weitere Haftungserleichterung überprivilegiert den Verkäufer. 151 Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 402. 152 Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 402.
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Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien
§ 14 Vertragswidriges Verhalten des Verkäufers Die der Gefahrtragung bei vertragswidrigem Käuferverhalten entgegengesetzte Frage nach der Gefahrverteilung bei vertragswidrigem Verkäuferverhalten erlangt Bedeutung, wenn der Käufer Ware erhält, die in qualitativer Hinsicht von den vertraglichen Anforderungen abweicht, also Mängel aufweist. Es ist zu untersuchen, welche Auswirkungen sich auf die Gefahrtragung ergeben, wenn gelieferte Ware durch vertragswidriges Verkäuferverhalten nach dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs einen Mangel erleidet oder sich ein bestehender Mangel verschlechtert. In derartigen Fällen stellt sich die Frage des Verhältnisses von Haftung und Gefahrtragung (I.). Davon zu unterscheiden ist die nicht minder bedeutsame Frage der Gefahrverteilung im Zuge der Rückabwicklung des Kaufvertrages aufgrund mangelhaft gelieferter Ware bei zufälliger Verschlechterung der mangelhaften Ware beim Käufer (II.).153
I. Verhältnis von Haftung und Gefahrtragung Die Frage nach der Gefahrverteilung stellt sich grundsätzlich lediglich bei zufälligem Untergang oder der zufälligen Beschädigung der Ware. Vom Verkäufer vertragswidrig herbeigeführte Schäden sind grundsätzlich nicht zufällig und damit keine Frage der Gefahrtragung, sondern nach den Haftungsnormen zu beurteilen.154 Aus dieser Überlegung resultiert der berechtigte Schluss, dass sich Haftungsbereich des Verkäufers und Gefahrtragungsbereich einander ergänzen.155
1. Das Verhältnis von Haftung und Gefahrtragung in CISG und GEK‑Vorschlag Das Zufälligkeitserfordernis der Gefahrtragungsnormen bringen auch die beinahen wortgleichen Art. 66 CISG a. E. und Art. 140 GEK‑Vorschlag a. E. zum Ausdruck.156 Art. 66 CISG und auch Art. 140 GEK‑Vorschlag regeln, dass Untergang oder Beschädigung der Ware nach Übergang der Gefahr auf den Käufer diesen nicht von der Verpflichtung der Kaufpreiszahlung befreien, es sei denn, der Untergang oder die Beschädigung beruhen auf einer Handlung oder Unterlassung des Verkäufers. Den Grundgedanke, dass Beeinträchtigungen der Ware 153 Siehe hierzu auch Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 402; vgl. auch Staudinger/Magnus, Art. 66, Rn. 11 ff.; MünchKomm/P. Huber, Art. 66, Rn. 9 ff. 154 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 35; zu diesem Grundsatz vgl. auch die Haftungsnormen Art. 36 CISG und Art. 105 GEK‑Vorschlag. 155 Hager, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 402; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 35. 156 Vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 66, Rn. 16.
§ 14 Vertragswidriges Verhalten des Verkäufers
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nicht dem Verkäufer zugerechnet werden dürfen, bringen auch die Haftungsnormen Art. 36 CISG und Art. 105 GEK‑Vorschlag zum Ausdruck.157 Das Problem liegt aber in der unklaren Reichweite der Regelung in Art. 66 CISG a. E. und Art. 140 GEK‑Vorschlag a. E. und dem Verhältnis zu den Regelungen der Haftungsnormen.
a) Reichweite des Art. 66 CISG a. E. Zum Verständis der Problematik um die Reichweite des Art. 66 CISG a. E. ist zunächst Art. 36 CISG näher zu betrachten. Art. 36 I CISG bestimmt, dass der Verkäufer für eine Vertragswidrigkeit haftet, die im Zeitpunkt des Gefahrübergangs besteht. Eine Haftung des Verkäufers wird aber gem. Art. 36 II CISG auch für eine Vertragswidrigkeit angeordnet, welche nach Gefahrübergang entsteht, aber auf eine „Verletzung einer seiner Pflichten zurückzuführen ist“. Der Verkäufer haftet demnach gem. Art. 36 II CISG, wenn er zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelfreie Ware übergibt, aber diese Ware nach Gefahrübergang durch ein dem Verkäufer zurechenbares Verhalten zerstört oder verschlechtert wird. Die Unterscheidung von Art. 36 II CISG und Art. 66 Hs. 2 CISG ist dann aber unklar, da Art. 66 Hs. 2 CISG die Gefahr des nach dem Gefahrübergang erfolgten Untergangs dem Verkäufer zuweist, soweit „der Untergang oder die Beschädigung auf eine Handlung oder Unterlassung des Verkäufers zurückzuführen ist“. Die Bedeutung des letzten Halbsatzes des Art. 66 CISG („Handlung oder Unterlassen des Verkäufers“; „act or omission of the seller“) ist umstritten. Eine neben Art. 36 II CISG selbstständige Bedeutung kommt Art. 66 Hs. 2 CISG zu, wenn man mit der h. M. davon ausgeht, dass Art. 66 Hs. 2 CISG auch andere Verhaltensweisen des Verkäufers als nur unmittelbare Vertragsverletzungen erfasst.158 Bedeutung erlangt die Vorschrift demnach für Handlungen, die zwar mangels Vertragsverletzung keine Haftung des Verkäufers begründen, dennoch aber aus dem Gefahrtragungsbereich des Käufers herauszunehmen sind. Hier ist an Handlungen des Verkäufers zu denken, die in nationalen Rechtsordnungen als Nebenpflichtverletzungen einzuordnen sind oder deliktischer Natur sind, aber keine Vertragsverletzung nach dem CISG darstellen oder Verhaltensweisen, in denen der Verkäufer auf eine Befreiung nach Art. 79, 80 CISG verweisen kann oder in denen sich der Verkäufer rechtmäßig verhält.159 Teilweise wird aber auch befürwortet, Art. 66 Hs. 2 157 Vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 66, Rn. 16. 158 Neumayer, FS von Caemmerer, S. 960 ff.; Geist, WiRechtlBl
1988, 355; Ferrari/ Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 66 CISG, Rn. 17 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 66, Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 66, Rn. 7; Honnold/Flechtner, Art. 66, Rn. 362; Staudinger/Magnus, Art. 66, Rn. 15; MünchKomm/P. Huber, Art. 66, Rn. 12; MünchKommHGB/Benicke, Art. 66, Rn. 9; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 66, Rn. 8; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz, Art. 66, Rn. 4. 159 Rudolph, Art. 66, Rn. 11.
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Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien
CISG dahingehend einschränkend auszulegen, dass der Schlusssatz nur Vertragsverletzungen erfasst, die auch schon von Art. 36 II CISG erfasst werden und er sich somit nahtlos an Art. 36 II CISG anschließt.160 Die überwiegende Meinung stützt sich auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift.161 Ein Versuch, Art. 66 Hs. 2 CISG dem Wortlaut nach auf Vertragsverletzungen zu beschränken, wurde abgelehnt.162 Im Sekretariatsbericht wird ausdrücklich erwähnt, dass in den Fällen einer deliktischen Beschädigung der inzwischen im Eigentum des Käufers befindlichen Waren, die aber keine Vertragsverletzung und damit keine Haftung des Verkäufers begründet, der Käufer von der Pflicht zur Kaufpreiszahlung befreit sein soll.163 Auch wenn man den Wortlaut des Art. 66 Hs. 2 CISG mit der h. M. nicht auf Vertragsverletzungen beschränkt, die bereits gem. Art. 36 II CISG zu einer Haftung des Verkäufers führen, wird richtigerweise überwiegend die Einschränkungen verlangt, dass zumindest pflichtwidriges Verhalten des Verkäufers vorliegen muss sowie ein hinreichender Bezug der Handlung oder Unterlassung des Verkäufers zum Vertrag gegeben sein muss.164 Der Kaufpreisanspruch ist dem Verkäufer nicht zu versagen, wenn er sich eindeutig rechtmäßig verhalten hat, also beispielsweise in den Fällen der rechtmäßigen Ausübung seines Anhalterechts gem. Art. 71 II CISG.165 Damit ist der nach dem Wortlaut weite Anwendungsbereich des Art. 66 Hs. 2 CISG sachgerecht eingeschränkt und stellt eine sinnvolle Ergänzung dar, die zu gerechten und ausgewogenen Ergebnissen führt.166
b) Anwendung des Art. 140 GEK‑Vorschlag aa) Die Reichweite des Art. 140 Hs. 2 GEK‑Vorschlag Art. 140 Hs. 2 GEK‑Vorschlag enthält im Wortlaut verglichen mit Art. 66 Hs. 2 CISG ledigliche eine geringfügig Änderung, indem man „zurückzuführen“ 160 U. Huber, RabelsZ 43 (1979), 457; Herber/Czerwenka, Art. 66, Rn. 6; Maskow, in: Enderlein/Maskow/Strohbach Art. 66, Anm. 3; auch Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 36, 37, Fn. 6. 161 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 66, Rn. 7; Staudinger/ Magnus, Art. 66, Rn. 15. 162 UNCITRAL Yearbook VIII (1977), 63. 163 Sekretariatskommentar, Art. 78, Nr. 6. 164 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 66 CISG, Rn. 19 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 66, Rn. 26; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 66, Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 66, Rn. 15; MünchKomm/P. Huber, Art. 66, Rn. 13; Rudolph, Art. 66, Rn. 11. 165 Lindacher, in: Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 174; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 66 CISG, Rn. 20 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 66, Rn. 25 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 66, Rn. 7; Staudinger/ Magnus, Art. 66, Rn. 16; MünchKomm/P. Huber, Art. 66, Rn. 13; Rudolph, Art. 66, Rn. 11; MünchKommHGB/Benicke, Art. 66, Rn. 6. 166 So im Ergebnis auch Neumayer, FS von Caemmerer, S. 961.
§ 14 Vertragswidriges Verhalten des Verkäufers
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(CISG) durch „beruht“ (GEK‑Vorschlag) ersetzt hat. Mit Blick auf die zum CISG diskutierte Reichweite ergeben sich hieraus aber die gleichen Fragen, nämlich ob Art. 140 Hs. 2 GEK‑Vorschlag entsprechend der h. M. weit auszulegen ist und inwieweit man die Beschränkungen der überwiegenden Meinung auf vertragsbezogenes, pflicht- und rechtswidriges Verhalten auch hier anwenden sollte.167 Der GEK‑Vorschlag enthält aber in den Haftungsnormen keine Art. 36 II CISG entsprechende Vorschrift, die eine Haftung des Verkäufers auch dann vorsieht, wenn die Ware zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs zwar mangelfrei ist, aber ein Mangel nach Gefahrübergang durch vertragswidriges Verkäuferverhalten entsteht. Daher ist bei der Frage nach der Reichweite des Art. 140 Hs. 2 GEK‑Vorschlag keine Abgrenzung zu den Haftungsnormen erforderlich. Art. 140 Hs. 2 GEK‑Vorschlag sollte daher jedenfalls jede Handlung oder Unterlassung des Verkäufers erfassen, die gleichzeitig eine Vertragsverletzung darstellt.168 Dies stellt eine sachgerechte Ergänzung der Haftungsnormen dar. Ob die Vorschrift aber auch bei jedweder Verhaltensweise des Verkäufers heranzuziehen ist, die kausal für einen Schaden ist, oder ob diesbezüglich eine Einschränkung zu fordern ist, bleibt unklar.169 Zu befürworten ist ein dem CISG entsprechendes Verständnis.170
bb) Wirkung des Art. 140 GEK‑Vorschlag Die Beurteilung des Verhältnisses von Haftung und Gefahrtragung erfordert auch einen Blick auf die Wirkweise der Grundregel des Gefahrübergangs, Art. 140 GEK‑Vorschlag. Art. 140 Hs. 1 GEK‑Vorschlag ordnet zunächst eine Zahlungspflicht des Käufers an, soweit Untergang oder Beschädigung nach Gefahrübergang eintreten. Allerdings wird dies wie in Art. 66 CISG negativ formuliert („befreien den Käufer nicht von der Verpflichtung, den Preis zu zahlen“; „does not discharge the buyer from the obligation to pay the price“). Demgegenüber formuliert das deutsche Recht in § 326 I 1 BGB positiv einen grundsätzlichen ipso jure Wegfall der Zahlungspflicht im Falle einer Unmöglichkeit der Leistung.171 Die Normen zum Gefahrübergang stellen im deutschen Recht Ausnahmetatbestände zu dieser Grundnorm dar, wonach die Pflicht zur Kauf167 Siehe
oben § 14 I. 1.a).
168 Soweit besteht jedenfalls auch Einigkeit zu Art. 66 Hs. 2 CISG, s. o. § 14 I. 1.a); ebenso
Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 472; Oliva Blázquez, Passing of Risk, in: Plaza Penadés/ Martínez Velencoso (Hrsg.), European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 189. 169 So auch Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 474. 170 Siehe dazu § 14 I. 1.a). 171 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 824, mit dem Hinweis, dass diese im deutschen Recht gefundene Systematik auch im DCFR und der Feasibility Study verankert war, indem grundsätzlich ein ipso jure Ausschluss der Gegenleistungspflicht in Art. III. – 3:104 IV DCFR bzw. Art. 91 III FS vorgesehen war und eine Ausnahme den Kaufpreisanspruch des Verkäufers aufrecht erhielt, Art. IV. A. – 5: 101 DCFR.
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Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien
preiszahlung eben nicht ipso jure wegfällt, sondern bestehen bleibt. Daher ist fraglich, wie Art. 140 GEK‑Vorschlag zu verstehen ist. Art. 140 GEK‑Vorschlag ordnet nämlich – vergleichbar §§ 446, 447 BGB – gerade das Fortbestehen der Verpflichtung an, jedoch ohne dass eine funktional § 326 I BGB entsprechende Grundnorm im GEK‑Vorschlag enthalten ist.172 Diese Überlegung führt zu dem Schluss, dass man Art. 140 GEK‑Vorschlag auch keinen ipso jure Wegfall der Zahlungspflicht entnehmen sollte, auch nicht aus einem Umkehrschluss, dass bei Untergang oder Beschädigung vor Gefahrübergang der Käufer automatisch von der Pflicht zur Kaufpreiszahlung befreit ist.173 Dieser Schluss wird bestätigt, wenn man sich vor Augen führt, dass im Falle einer Beschädigung vor Gefahrübergang durch das Fehlen eines Äquivalents zu § 326 I 2 BGB eine automatische Minderung ausgelöst würde und dies dem Wahlrecht des Käufers nach Art. 106 I lit. (d), 120 GEK‑Vorschlag zuwider laufen würde.174 Zusammenfassend heißt das, dass sowohl bei Untergang oder Beschädigung vor Gefahrübergang, als auch bei vom Verkäufer verursachten Untergang oder Beschädigung nach Gefahrübergang (Art. 140 Hs. 2), der Käufer nicht bereits durch Art. 140 GEK‑Vorschlag von der Pflicht zur Kaufpreiszahlung befreit ist. Wenn aber seine Pflicht zur Kaufpreiszahlung nicht ipso jure wegfällt, muss sich der Käufer, der mit der Gefahr aufgrund der Gefahrtragungsvorschriften gerade nicht belastet werden soll, anderweitig gegen eine Kaufpreisklage zur Wehr setzen können. Daher wirkt Art. 140 GEK‑Vorschlag, indem der Käufer, wenn er nach den Gefahrtragungsvorschriften nicht mit der Gefahr belastet sein soll, berechtigt ist, die in Kapitel 11 geregelten Abhilfen des Käufers geltend zu machen.175 Umgekehrt ist der Käufer bei Untergang oder Beschädigung nach Gefahrübergang im Ergebnis nicht von der Pflicht zur Kaufpreiszahlung befreit, da er keine Abhilfen geltend machen darf. War die Ware dagegen schon bei Gefahrübergang vertragswidrig, stehen ihm die Abhilfen nach Art. 106 GEK‑Vorschlag zu. Selbiges gilt auch dann, wenn der Ausnahmetatbestand des Art. 140 Hs. 2 GEK‑Vorschlag bejaht wird. Die Richtigkeit dieser Lösung wird auch durch die Stimmen in der Literatur zur Wirkung des beinahe gleichlautenden Art. 66 CISG bestätigt.176 Der Käufer wird durch die abweichend zum deutschen Recht erforderliche Gestaltungserklärung auch im Hinblick auf die Kaufpreiszahlung nicht schlechter gestellt, da er bis zur Ausübung seiner Rechte die Kaufpreiszahlung gem. Art. 113 GEK‑Vorschlag zurückhalten kann.177 172 Lorenz,
AcP 212 (2012), S. 824. AcP 212 (2012), S. 824. AcP 212 (2012), S. 824. 175 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 499; Lorenz, AcP 212 (2012), S. 824. 176 Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 66, Rn. 5, 8; MünchKomm/P. Huber, Art. 66, Rn. 14; Staudinger/Magnus, Art. 66, Rn. 13, 17; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, Art. 66, Rn. 5. 177 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 825. 173 Lorenz, 174 Lorenz,
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2. Deutsches Recht Eine in den beiden Kaufrechtskodifikationen in Art. 66 Hs. 2 CISG und Art. 140 Hs. 2 GEK‑Vorschlag enthaltene Ausnahme findet sich in den Gefahrtragungsvorschriften des deutschen Rechts nicht. Tritt bei der gelieferten Ware eine Verschlechterung oder ein Untergang der Ware nach Gefahrübergang ein, die auf einem schon vorher bestehenden Mangel beruht, so trifft das wirtschaftliche Risiko vernünftigerweise den Verkäufer. Dies ergibt sich aber eben nicht aus den unmittelbaren Gefahrtragungsvorschriften, sondern aus dem Haftungsregime des BGB. Der Käufer bleibt nämlich aufgrund des Grundmangels zum Rücktritt berechtigt und kann damit einen bereits gezahlten Kaufpreis herausverlangen, schuldet aber keinen Wertersatz für die Ware. Dies ergibt sich aus § 346 III 1 Nr. 2 BGB.178 Wird im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelfreie Ware nach Gefahrübergang durch eine dem Verkäufer zurechenbare Handlung verschlechtert, greift im deutschen Recht ein feinsinnig mit Haupt- und Nebenpflichten ausdifferenziertes Haftungsregime ein. Ein Bezug zum Gefahrübergang ist hier nicht gegeben. Im Übrigen ist Hager beizupflichten, dass es für ganz seltene Fälle, in denen ein Berufen des Verkäufers auf den Gefahrübergang unbillig erscheint, weil das Leistungshindernis aus seiner Sphäre stammt, keiner eigenständigen Regelung bedarf und der Rechtsprechung noch der Rückgriff auf § 242 BGB bleibt.179
II. Zufälliger Untergang der Ware bei Vertragsverletzungen des Verkäufers Geht mangelhaft an den Käufer gelieferte Ware beim Käufer zufällig unter, kann dieser, soweit es zu einer Rückabwicklung aufgrund der ursprünglichen Mangelhaftigkeit kommt, die Sache nicht mehr im ursprünglichen Zustand zurückgeben. Mit der Behandlung dieser Frage und der Verteilung des Risikos in solchen Szenarien befasste sich bereits das römische Recht. Die Frage ist in erster Linie beim Mobiliarkauf langlebiger Güter entscheidend.180 Langlebige Güter waren im römischen Recht nicht selten Tiere oder Sklaven. Das römische Recht ließ unter der Fiktion des mortuus redhibetur auch dann die Rückgängigmachung des Kaufvertrags aufgrund einer Mangelhaftigkeit der Kaufsache zu, wenn das Tier oder der Sklave zwischenzeitlich beim Käufer verstorben wa-
178 Palandt/Grüneberg, § 346, Rn. 12; Boels, Der Rücktritt vom Vertrag trotz Rückgabeunmöglichkeit, S. 120; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 846; a. A. Wagner, FS Huber, S. 607, der hingegen die Ansicht vertritt, dass es für die Lösung dieses Problems keine Regelung im deutschen Recht gibt; dem kann nicht zugestimmt werden, jedenfalls § 346 III 1 Nr. 3 BGB schließt einen Wertersatzanspruch des Verkäufers gegen den Käufer aus. 179 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 36 f. 180 Wagner, FS Huber, S. 593.
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ren.181 Der Zusammenhang von Rückabwicklungsvorschriften mit der Gefahrtragungsthematik mag zunächst überraschend erscheinen, wurde aber schon in der rechtswissenschaftlichen Literatur behandelt.182 Durch die Möglichkeit der Rückabwicklung trägt der Verkäufer das wirtschaftliche Risiko eines zufälligen Untergangs, da er die Sache gar nicht mehr oder nicht mehr im ursprünglichen Zustand zurückerhält. Das wirtschaftliche Risiko kann aber auch dem Käufer aufgebürdet werden. Regelungssystematisch erfolgt dies entweder durch einen Ausschluss der Rückabwicklung183 oder durch die Anordnung einer Wertersatzpflicht des Käufers. Hat der Käufer Wertersatz für die bei ihm zufällig untergegangene Ware zu leisten, so trägt er in wirtschaftlicher Hinsicht das Risiko für die Verschlechterung. Die Frage nach der Verteilung der wirtschaftlichen Gefahr stellt sich in UN‑Kaufrecht, deutschem Recht und dem Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht. Das UN‑Kaufrecht greift hier auf eine Ausschlusslösung184 zurück, während das deutsche Recht und der GEK‑ Vorschlag die Gefahr über Regelungen zum Wertersatz verteilen. Daher ist nach der Ausschlusslösung des UN‑Kaufrechts zunächst die Wertersatzlösung des deutschen Rechts darzustellen und anschließend auf den GEK‑Vorschlag einzugehen.
1. UN‑Kaufrecht a) Gefahrtragung bei Ausübung der Rechtsbehelfe Im UN‑Kaufrecht bestimmt Art. 70 CISG, dass die Art. 67, 68 und 69 nicht die dem Käufer wegen einer wesentlichen Vertragsverletzung des Verkäufers zustehenden Rechtsbehelfe berühren. Somit stellt Art. 70 CISG klar, dass die Regeln des Gefahrübergangs nicht die Rechtsbehelfe des Käufers wegen einer wesentlichen Vertragsverletzung beeinträchtigen.185 Liegt also beispielsweise bei Lieferung mangelhafter Ware eine wesentliche Vertragsverletzung vor und wird die Ware beim Käufer nach Gefahrübergang gestohlen, so kann der Käufer dennoch die ihm aufgrund der Lieferung mangelhafter Ware zustehenden Rechtsbehelfe ausüben. Auch Rechtsbehelfe, bei deren Ausübung die Ware letztlich wieder zurück zum Verkäufer gelangen soll, wie die Ersatzlieferung nach 181 Wagner, FS Huber, S. 593; vgl. zu mortuus redhibetur näher Zimmermann, Law of Ob-
ligations, S. 330 ff. 182 Siehe hierzu Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag; Glaß, Gefahrtragung und Haftung beim gesetzlichen Rücktritt; vgl. auch Lorenz, AcP 212 (2012), S. 780, wonach sich hinter der Vorschrift des Art. 173 GEK‑Vorschlag, welche die Wertersatzpflicht des Käufers im Rahmen der Rückabwicklung regelt, „das Problem der Gefahrtragung bei der Rückabwicklung“ „verbirgt“. 183 So § 351 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung. 184 Vgl. hierzu Krebs, Die Rückabwicklung im UN‑Kaufrecht, S. 102 f. 185 Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 128.
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Art. 46 II CISG und die Vertragsaufhebung nach Art. 49 CISG, bleiben dem Käufer erhalten. Zwar ordnet Art. 82 I CISG grundsätzlich an, dass die Unmöglichkeit der Rückgabe der Sache zum Verlust des Aufhebungsrechts oder des Rechts auf Ersatzlieferung führt.186 Die in Art. 82 I CISG rechtstechnisch als Grundsatz angeordnete Ausschlusslösung wird aber praktisch zur Ausnahme.187 Denn korrespondierend zu Art. 70 CISG stellt Art. 82 II lit. a) CISG fest, dass der Käufer nicht das Recht der Vertragsaufhebung oder des Ersatzlieferungsverlangens verliert, wenn die Unmöglichkeit der Rückgabe der Ware nicht auf einer Handlung oder Unterlassung des Käufers beruht.188 Beruht die Unmöglichkeit der Rückgabe auf Handlungen oder Unterlassungen des Käufers, sind Vertragsaufhebung und Ersatzlieferung also ausgeschlossen. Andere Rechtsbehelfe bleiben dem Käufer aber erhalten. Indem der Verkäufer aber für zufällige189 Verschlechterungen einzustehen hat, trägt er faktisch den größeren Bereich der Risiken.190 Aus der weiteren Möglichkeit der Rückabwicklung ergibt sich aber noch keine unmittelbare Antwort auf die Frage nach der wirtschaftlichen Gefahrverteilung im Falle der Rückabwicklung des Kaufvertrags. Ein Wertersatz für die zufällig untergegangene Ware wird aber nicht angeordnet. Folglich ist der Verkäufer bei Vertragsaufhebung und Ersatzlieferung mit der Gefahr belastet. Ein Wertersatzanspruch wird zwar in Art. 84 II lit. b) CISG normiert. Er hat aber lediglich die Funktion zu verhindern, dass beim Käufer noch andere Vorteile aus der Sache, wie Nutzungen oder Versicherungsleistungen, verbleiben.191 Aufgrund der sehr eingeschränkten Wertersatzpflicht des Käufers, hat er die erhaltene, zerstörte Ware bei Ausübung der Rechtsbehelfe nicht zu bezahlen. Im Falle der Ersatzlieferung erhält er für den Kaufpreis eine neue Sache. Hebt er den Vertrag auf, entfällt seine Zahlungsverpflichtung oder er erhält einen bereits gezahlten Kaufpreis zurück. Es besteht letztlich nahezu Einigkeit, dass die Gefahr durch die Ausübung des Vertragsaufhebungsrechts oder des Rechts auf Ersatzlieferung auf den Verkäufer zurückfallen soll.192 Man mag fragen, ob die 186 Dies entspricht der römisch-rechtlichen Regel des casum sentit dominus, vgl. Wagner, FS Huber, S. 598. 187 Krebs, Die Rückabwicklung im UN‑Kaufrecht, S. 102, 103; auch Coen, Vertragsscheitern und Rückabwicklung, S. 217; Boels, Der Rücktritt vom Vertrag trotz Rückgabeunmöglichkeit, S. 94. 188 Vgl. auch Leser, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 244; Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 128; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, Art. 70, Rn. 2; die Regelung des Art. 82 II lit. a) CISG entspricht wiederum im Grundsatz der Rechtsfigur mortuus redhibetur, Wagner, FS Huber, S. 598. 189 Zu den genaueren Anforderungen an den Begriff des Zufalls sogleich § 14 II.1.b). 190 Krebs, Die Rückabwicklung im UN‑Kaufrecht, S. 103. 191 Leser, in: Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 244; die Vorteile erfassen auch alle Surrogate, die der Käufer erhält, vgl. Coen, Vertragsscheitern und Rückabwicklung, S. 217. 192 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 70, Rn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 70, Rn. 2a, 6; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 166; Hon-
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Gefahr erst durch die Gestaltungserklärung des Käufers auf den Verkäufer abgewälzt wird. Da der Käufer auch gestalten kann, wenn die Ware bereits untergegangen oder beschädigt ist und er nach den Rückabwicklungsvorschriften keinen Wertersatz leisten muss, trägt der Verkäufer die Gefahr schon ab dem Moment der Möglichkeit der Gestaltung, also der Vertragswidrigkeit bei Gefahrübergang. Eine Gestaltungserklärung ist dennoch zu fordern, die Gefahr fällt dann mit ex tunc-Wirkung zurück.193 Behält der Käufer dagegen die Ware auch im Falle einer wesentlichen Vertragsverletzung und macht keine Rechtsbehelfe geltend, findet ein Rückfall der Gefahr nicht statt.194
b) Einschränkungen der Rechtsbehelfe Verglichen mit der Rechtslage nach dem alten deutschen Schuldrecht (§§ 350, 351 BGB a. F.), findet sich der Verkäufer im UN‑Kaufrecht hinsichtlich der Gefahrtragung in einer besseren Position. Dem Käufer werden nämlich die Rechte der Vertragsaufhebung und der Ersatzlieferung schon dann nicht zugestanden, wenn der Untergang oder die weitere Beschädigung der mangelhaften Sache auf einer Handlung oder Unterlassung des Käufers beruhen.195 Die eine Rückabwicklung ausschließende weitere Beschädigung ist nach dem Wortlaut schon zu bejahen, wenn überhaupt eine Handlung oder Unterlassung des Käufers vorgelegen hat, die letztlich in die Verschlechterung mündete. Dies stellt verglichen mit dem sonstigen Zufallsbegriff eine Einschränkung dar, nach dem der Untergang als zufällig betrachtet wird, wenn er weder vom Käufer noch vom Verkäufer zu vertreten ist. So wird gesagt, die Rechtsstellung des Käufers werde hier letztlich durch einen für das Rückabwicklungsrecht geltenden, eingeschränkten Zufallsbegriff verkürzt.196 Schwierig zu bestimmen ist, wann eine Verschlechterung auf einer Handlung oder einem Unterlassen des Käufers beruht. Zwar ist klar, dass eine einfache Kausalität schon durch die Abnahme der Ware durch den Käufer in Gang gesetzt wird, doch soll dies wohl nicht ausreichen.197 Dem ist zuzustimmen, denn die Abnahme ist letztlich auch immer conditio-sine-qua-non für den späteren nold/Flechtner, Art. 70, Rn. 382, 383; Staudinger/Magnus, Art. 70, Rn. 13; Reinhart, Art. 70, Rn. 3; Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im anglo-amerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 126; Achilles, Art. 70, Rn. 2; Geist, WiRechtlBl 1988, 355; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 70 CISG, Rn. 14; MünchKomm/P. Huber, Art. 70, Rn. 8; Lindacher, in: Hoyer/Posch, Das Einheitliche Wiener Kaufrecht, S. 168; Witz/Salger/ Lorenz/Witz, Art. 70, Rn. 6; a. A. nur Maskow, in: Maskow/Enderlein/Strohbach, Art. 70, Anm. 1, wonach Art. 70 den Gefahrübergang überhaupt nicht berührt. 193 Staudinger/Magnus, Art. 70, Rn. 13. 194 Staudinger/Magnus, Art. 70, Rn. 13. 195 So Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 166. 196 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 70, Rn. 4. 197 MünchKomm/P. Huber, Art. 82, Rn. 12; Krebs, Die Rückabwicklung im UN‑Kaufrecht, S. 103.
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Untergang oder die spätere Verschlechterung, d. h. sie kann nie hinweggedacht werden, ohne dass der beim Käufer eingetretene Schaden an der Ware in seiner konkreten Gestalt entfiele.198 Die Konkretisierung des Verursachungskriteriums hat durch autonome Auslegung zu erfolgen.199 Klar ist, dass Verschlechterungen, die durch die Vertragsverletzung des Verkäufers bedingt sind – also insbesondere die weitere Verschlechterung eines bereits bestehenden Mangels (weiterfressender Schaden) – wie auch Fälle höherer Gewalt nicht vom Käufer verursacht sind.200 Teilweise wird befürwortet, dem Käufer bereits bei jedweder Verursachung die Gefahr aufzubürden,201 doch ist dies mangels Praktikabilität und Sachgerechtigkeit abzulehnen. Zum einen wird durch ein solches Verständnis keine Klarstellung und Ausfüllung des Zufallsbegriffes mit sachlichen Kriterien erreicht. Ein solches sehr weitgehendes Verständnis entlastet den Verkäufer auch sehr stark und belastet gleichzeitig den Käufer in hohem Maße. Die überwiegende Anzahl der Stimmen nimmt eine Abgrenzung nach Risikobereichen vor,202 unterscheidet sich dann aber bei der Festlegung dieser Bereiche in Nuancen. So soll es teilweise darauf ankommen, ob sich ein Verhalten des Käufers risikoerhöhend auf die Sache ausgewirkt hat.203 Andere ordnen die Verschlechterung dann dem Risikobereich des Käufers zu, wenn ihm sorgfaltswidriges Verhalten vorgeworfen wird.204 Teilweise wird auch eine Einteilung der Risikobereiche nach der im Vertrag vorgesehenen oder angelegten Risikoverteilung befürwortet.205 Ferner sollen die Wertungen des Art. 79 I CISG zu beachten sein, so dass der Käufer für außerhalb seines Herrschaftsbereichs liegende Schadensursachen nicht einzustehen hat.206 Der Maßstab ist sinnvollerweise zu verschärfen, sobald der Käufer von der Vertragswidrigkeit und damit vom Aufhebungsgrund Kenntnis erlangt,207 jedenfalls aber dann, wenn er ernsthaft in Erwägung zieht, Zurückweisungsrech198 Vgl. auch Ziegler, Leistungsstörungsrecht nach dem UN‑Kaufrecht, S. 188; Boels, Der Rücktritt vom Vertrag trotz Rückgabeunmöglichkeit, S. 154. 199 MünchKomm/P. Huber, Art. 82, Rn. 12, 13. 200 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis, Art. 82, Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Hornung/Fountoulakis, 5. Auflage, Art. 82, Rn. 13, 14; MünchKomm/P. Huber, Art. 82, Rn. 14; Staudinger/Magnus, Art. 82, Rn. 21. 201 U. Huber, RabelsZ 43 (1979), 493; wohl auch Herber/Czerwenka, Art. 82, Rn. 6. 202 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis, Art. 82, Rn. 15; Schlechtriem/Schwenzer/Hornung/Fountoulakis, 5. Auflage, Art. 82, Rn. 15; MünchKomm/P. Huber, Art. 82, Rn. 13; Staudinger/Magnus, Art. 82, Rn. 18. 203 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis, Art. 82, Rn. 16; Schlechtriem/Schwenzer/Hornung/Fountoulakis, 5. Auflage, Art. 82, Rn. 16; MünchKomm/P. Huber, Art. 82, Rn. 13. 204 Honnold/Flechtner, Art. 82, Rn. 448.1; Karollus, UN‑Kaufrecht, S. 150. 205 Krebs, Die Rückabwicklung im UN‑Kaufrecht, S. 110 f. 206 Heilmann, Mängelgewährleistung im UN‑Kaufrecht, S. 492; Staudinger/Magnus, Art. 82, Rn. 19; MünchKomm/P. Huber, Art. 82, Rn. 13; a. A. Krebs, Die Rückabwicklung im UN‑Kaufrecht, S. 112. 207 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis, Art. 82, Rn. 17; Schlechtriem/Schwenzer/Hornung/Fountoulakis, 5. Auflage, Art. 82, Rn. 17; MünchKomm/P. Huber, Art. 82, Rn. 13.
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te auszuüben208. Letztlich ergibt sich ein erhöhtes Maß an gebotener Sorgfalt nach gefasstem Entschluss der Ausübung des Zurückweisungsrechts schon aus Art. 86 I CISG. Die Lage ab Kenntnis der bevorstehenden Rückabwicklung ist letztlich mit derjenigen nach Ausübung des Aufhebungsrechts vergleichbar.209 Hierfür werden verschiedene Lösungsmöglichkeiten diskutiert,210 jedenfalls kann der Verkäufer dem Käufer aber einen Schadensersatzanspruch gegen dessen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises entgegenhalten.211 Dieser ist zudem wiederum verschuldensunabhängig ausgestaltet, dem Käufer bleibt lediglich, sich auf Art. 79 CISG zu berufen.
c) Gefahrtragung vor Ablauf einer Nachfrist Der Verkäufer trägt also die Gefahr des Untergangs der Ware, wenn es infolge einer wesentlichen Vertragsverletzung zur Rückabwicklung kommt. Die Frage der Gefahrverteilung stellt sich aber auch, wenn nach der Lieferung mangelhafter Ware eine wesentliche Vertragsverletzung im Zeitpunkt des Untergangs noch nicht vorgelegen hat, die ursprünglich nicht wesentliche Vertragsverletzung aber durch Ablauf einer Frist zur Nacherfüllung noch zu einer wesentlichen Vertragsverletzung hätte führen können. Die Frage stellt sich allerdings nur, wenn die Vertragsaufhebungsvoraussetzung der „wesentlichen Vertragsverletzung“ vom fruchtlosen Ablauf einer Nachfrist beeinflusst wird. Wenn die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung lediglich anhand der Art und Weise des vorliegenden Mangels zu bestimmen ist und damit nicht durch den Ablauf einer Nachfrist beeinflusst wird, wäre gar nicht denkbar, dass eine ursprünglich nicht wesentliche Vertragsverletzung durch Ablauf der Nachfrist als wesentlich einzustufen ist. Ein Teil des Schrifttums stellt zur Bestimmung der wesentlichen Vertragsverletzung alleine auf das objektive Gewicht des Mangels und nicht auf eine Nachfrist ab.212 Die ausführliche Entscheidung der Streitfrage soll im Rahmen dieser Arbeit keinen Schwerpunkt darstellen. Es spricht jedoch mehr dafür, dem Grundsatz der Vertragserhaltung ein hohes Gewicht beizumessen und auch bei schwerwiegenden Mängeln eine wesentliche Vertragsverletzung zunächst abzulehnen, wenn eine Nacherfüllung des Verkäufers unproblematisch möglich ist, der Verkäufer hierzu bereit ist und dies auch für den Käufer zumutbar ist.213 208 Krebs,
Die Rückabwicklung im UN‑Kaufrecht, S. 112. Art. 82, Rn. 17; Schlechtriem/Schwenzer/ Hornung/Fountoulakis, 5. Auflage, Art. 82, Rn. 17; die Unterscheidung ergibt sich schon aus Art. 82 II lit. c) CISG, vgl. Boels, Der Rücktritt vom Vertrag trotz Rückgabeunmöglichkeit, S. 166. 210 Vgl. hierzu umfassend Krebs, Die Rückabwicklung im UN‑Kaufrecht, S. 128 ff. 211 Schlechtriem/Schwenzer/Hornung/Fountoulakis, 5. Auflage, Art. 82, Rn. 25. 212 Vgl. nur die Nachweise bei Cetiner, Die Sachmängelhaftung des Verkäufers im UN‑ Kaufrecht und im neuen deutschen Schuldrecht, S. 130, Fn. 16. 213 So OGH 22.11.2011, IHR 2012, 114; Handelsgericht Aargau 05.11.2002, IHR 2003, 180; OLG Koblenz 03.01.1997, IHR 2003, 175; OLG Köln 14.10.2002, IHR 2003, 15; so 209 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis,
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Die Rechtslage hinsichtlich der Gefahrverteilung ist unklar, wenn die Ware untergeht, bevor die Voraussetzung der wesentlichen Vertragsverletzung vorliegt, also während des Fristlaufs zur Nacherfüllung.214 Zur sachgerechten Beantwortung der Frage liefert ein Blick auf die Lösung eines ähnlichen Sachverhaltes wertvolle Erkenntnisse: Stellt die Lieferung einer vertragswidrigen Sache zwar bereits eine wesentliche Vertragsverletzung dar, verlangt der Käufer aber dennoch zunächst eine Nachbesserung und geht die Ware während des Fristlaufs, aber vor Behebung des Mangels unter, so soll die Gefahrbelastung dem Verkäufer auferlegt werden.215 Dem ist zuzustimmen. Die Gefahrbelastung des Verkäufers war hier mit Lieferung der mangelhaften Sache bereits angelegt. Die Argumentation, der Käufer sei an seine Entscheidung für die Nachbesserung gebunden, so dass er für die Dauer des Fristlaufs auf die Geltendmachung anderer Rechte verzichtet hat,216 überzeugt nicht. Auch dass sich die Sache beim Käufer befindet, ändert an diesem Ergebnis nichts. Der Käufer sollte nicht wegen einer vorübergehenden Nichtgeltendmachung des bereits bestehenden Vertragsaufhebungsrechts dafür nun bestraft werden.217 Letztlich ist die Nachbesserung eben gescheitert, so dass die Ausübung der anderen Rechte wieder in den Mittelpunkt rückt.218 Die Nachbesserung ist unmöglich geworden. Dies ist letztlich nicht anders zu bewerten, als wenn die Nachbesserung im Ergebnis erfolglos geblieben wäre. Dann hätte der Käufer in diesem Fall auch das Recht, den Vertrag noch aufzuheben. Das Recht zur Vertragsaufhebung ist dem Käufer durch die wesentliche Vertragsverletzung bereits als gesicherte Vermögensposition zuzurechnen. Allein durch das zunächst erfolgte Nachbesserungsverlangen des Käufers ist damit sein Recht zur Vertragsaufhebung nicht berührt. Infolge auch Schlechtriem/Schwenzer/Schlechtriem/Schroeter, 5. Auflage, Art. 25, Rn. 27; Ferrari/Saenger, Int. Vertragsrecht, Art. 48 CISG, Rn. 5 m. w. N.; Cetiner, Die Sachmängelhaftung des Verkäufers im UN‑Kaufrecht und im neuen deutschen Schuldrecht, S. 131, Fn. 19; Lehmkuhl, Das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers im UN‑Kaufrecht, S. 27; Lurger, IHR 2001, 98 f.; differenzierend Heilmann, Mängelgewährleistung im UN‑Kaufrecht, der wohl das Kriterium der wesentlichen Vertragsverletzung im UN‑Kaufrecht unabhängig von einem Nacherfüllungsverlangen bestimmt sieht, S. 470, aber eine Berechtigung des Käufers zur Vertragsaufhebung von der Behebbarkeit des Mangels abhängig macht und damit ein Nacherfüllungsrecht des Verkäufers in Art. 48 CISG sieht, S. 385. 214 Vgl. auch Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 167. 215 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 70, Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 70, Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 70, Rn. 15; MünchKommHGB/ Benicke, Art. 70, Rn. 6; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz, Art. 70 Rn. 3; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 167, 175; Roth, Am.J. Comp.L. 27 (1979), S. 303; a. A. Witz/Salger/ Lorenz/Witz, Art. 70, Rn. 6; Achilles, Art. 70, Rn. 3; zur Rechtslage im EKG für eine Gefahrtragung des Käufers Ficker, in: Das Haager Einheitliche Kaufgesetz und das deutsche Schuldrecht, S. 138. 216 Ficker, in: Das Haager Einheitliche Kaufgesetz und das deutsche Schuldrecht, S. 138. 217 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 175; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 70, Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 70, Rn. 7. 218 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 70, Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 70, Rn. 7.
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Vierter Teil: Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien
der wesentlichen Vertragsverletzung in Form der Lieferung vertragswidriger Ware ist der Verkäufer mit der Gefahr des zufälligen Untergangs zu belasten. Konsequenterweise ist der Fall der Lieferung vertragswidriger Ware, welche aber vor erfolglosem Ablauf der Nachfrist für sich genommen noch keine zur Vertragsaufhebung berechtigende, wesentliche Vertragsverletzung darstellt, anders zu entscheiden. Da dem Käufer ein Vertragsaufhebungsrecht im Zeitpunkt des zufälligen Untergangs noch nicht zusteht und man daher von einer endgültigen Lieferung des Verkäufers auszugehen hat, trägt hier der Käufer die Gefahr.219 Dem auch hier zu achtenden Grundsatz der Vertragserhaltung ist zu entnehmen, dass die Rückabwicklung nicht erfolgen soll. Der Tatsache des zufälligen Untergangs zu entnehmen, dass die Nachbesserung nun nicht möglich ist und alleine hierdurch eine nicht wesentliche Vertragsverletzung als wesentlich zu beurteilen ist, würde eine einseitige Belastung des Verkäufers bedeuten. Der Käufer hätte die Gefahr für die Sache nun ohnehin tragen müssen. Seine Interessen können in dieser Konstellation ausreichend durch das weiterhin bestehende Minderungsrecht oder den Schadensersatzanspruch gewahrt werden. Für diese Lösung spricht auch eine größtmögliche Beibehaltung der Wertungen der Haftungsnormen. Würde man alleine aufgrund des zeitlich frühen zufälligen Untergangs ein Zurückspringen der Gefahr auf den Verkäufer zulassen, würden die Wertungen des Haftungsregimes unterlaufen. Man würde durch ein zufälliges Ereignis letztlich eine wesentliche Vertragsverletzung des Verkäufers fingieren. Als Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass bei Mängeln, die eine wesentliche Vertragsverletzung darstellen, die Gefahr des zufälligen Untergangs beim Verkäufer liegt, während sie bei einer nicht wesentlichen Vertragsverletzung beim Käufer liegt.
d) Vertragsaufhebung aufgrund einer Nichtlieferung Gem. Art. 70 CISG kann der Käufer trotz zufälligen Untergangs nach bereits erfolgtem Gefahrübergang die ihm zustehenden Rechtsbehelfe ausüben. Dies gilt allerdings nach dem Wortlaut nur für die Fälle einer wesentlichen Vertragsverletzung des Verkäufers. Kommt der Verkäufer bei einem Versendungskauf mit der Absendung in Verzug und stellt dies eine wesentliche Vertragsverletzung dar, kann der Käufer ungeachtet des Untergangs auf dem Transport, der eigentlich beim Versendungskauf gem. Art. 67 I CISG in seinen Risikobereich fällt, die Gefahr auf den Verkäufer zurückfallen lassen, indem er die Vertragsaufhebung erklärt und damit von der Zahlungspflicht frei wird.220 Nach Art. 49 I lit. b) CISG ist eine wesentliche Vertragsverletzung im Falle der Nichtlieferung 219 Hager,
Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 174. Art. 70, Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 70, Rn. 2a; zum Zurückspringen der Gefahr im Falle der Vertragsaufhebung siehe schon oben § 14 II.1.a). 220 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem,
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aber keine zwingende Voraussetzung für die Aufhebung des Vertrags.221 Auch wenn eine Nichtlieferung noch keine wesentliche Vertragsverletzung darstellt, kann der Käufer gem. Art. 49 I lit. b) CISG den Vertrag aufheben, wenn eine Nachfrist zur Lieferung erfolglos verstrichen ist.222 Die Fallgestaltungen einer Nichtlieferung in Zusammenhang mit einem Rückfall der Gefahr muten zunächst eigentümlich an, da man von einem Rückfall der Gefahr schon begrifflich nicht sprechen kann, soweit der Käufer die Gefahr noch gar nicht trägt. Im Falle der Nichtlieferung wird ein Gefahrübergang auf den Käufer offensichtlich meist mangels Lieferung fehlen. Denkbar ist aber, dass der Verkäufer die Ware trotz ausbleibender Lieferung zum vereinbarten Zeitpunkt nach Ablauf der Frist noch liefert, der Käufer nun aber dennoch die Vertragsaufhebung erklärt.223 Auch hier soll es zu einem Rückfall der Gefahr kommen, so dass die Beschränkung des Art. 70 CISG auf „wesentliche Vertragsverletzungen“ für ein redaktionelles Versehen gehalten wird.224 Teilweise geht man davon aus, dass die Fälle einer nicht wesentlichen Vertragsverletzung zwar nicht von Art. 70 CISG erfasst sind, jedoch im Ergebnis dennoch ein Rückfall der Gefahr zu bejahen ist, weil sich die Rechtsbehelfe eben ausschließlich aus den Vorschriften über Vertragsverletzungen ergeben.225 Diese Vorschriften sehen aber für den Fall der verspäteten Lieferung nach Ablauf einer Nachfrist eben ein Vertragsaufhebungsrecht vor. Auch im Fall einer verspäteten Lieferung nach Ablauf einer angemessenen Frist kann der Käufer damit den Vertrag aufheben, was aufgrund der Regelung des Art. 82 II lit. a) CISG dann auch zum Rückfall der Gefahr auf den Verkäufer führt. Der Käufer verliert jedoch sein Recht zur Vertragsaufhebung, wenn er die verspätete Warenlieferung annimmt.226
e) Gefahrtragung im Falle der Nachbesserung beim Verkäufer In obigen Fallgestaltungen fallen infolge der Vertragsverletzung des Verkäufers Sachherrschaft und Gefahrtragung grundsätzlich auseinander. Im Falle einer Vertragsverletzung des Verkäufers durch die Lieferung nicht vertragsge221 Vgl. Choi, Rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragungsregeln im angloamerikanischen und im UN‑Kaufrecht, S. 129. 222 Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 70, Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/ Maultzsch, 5. Auflage, Art. 70, Rn. 3. 223 So auch MünchKomm/P. Huber, Art. 70, Rn. 12. 224 Roth, Am.J. Comp.L. 27 (1979), S. 305 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 70, Rn. 7; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 70, Rn. 3; MünchKomm/ P. Huber, Art. 70, Rn. 12, der zwar von einer grundsätzlichen Unanwendbarkeit der Vorschrift des Art. 70 im Falle nicht wesentlicher Vertragsverletzungen ausgeht, gerade aber für den Fall der Nichtlieferung nach erfolgloser Nachfristsetzung von einer Anwendbarkeit des Art. 70 ausgeht. 225 So wohl Staudinger/Magnus, Art. 70, Rn. 6, 7. 226 Sekretariatskommentar, Art. 82 Nr. 3, Example 82 D; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 70, Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 70, Rn. 8.
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mäßer Ware kann der Käufer auch den Rechtsbehelf der Nachbesserung wählen, Art. 46 III CISG. Geht die Sache beim Käufer zufällig unter, ist das Recht auf Nachbesserung praktisch ausgeschlossen.227 Soll die Nachbesserung beim Verkäufer erfolgen und sendet der Käufer die Ware zur Nachbesserung an den Verkäufer zurück, so stellt sich die Frage, wie im weiteren Verlauf die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Beschädigung zu verteilen ist. Nach dem Traditionsprinzip wird auch im Falle der Rücksendung der Ware an den Verkäufer zum Zweck der Nachbesserung ein Rückfall der Kaufpreisgefahr auf den Verkäufer angenommen.228 Die Gefahr wird also auf den dann die Sachherrschaft wieder erlangenden Verkäufer zurückgewälzt. Entsprechend der Gefahrtragungsregel des Art. 67 I CISG beim Versendungskauf soll der Verkäufer die Gefahr bereits mit Übergabe der Ware durch den Käufer an einen vom Verkäufer beauftragten Beförderer tragen.229 Gefahr und Sachherrschaft fallen in diesen Konstellationen also nicht auseinander, die Gefahrverteilung bleibt gerade an die Sachherrschaft geknüpft.
2. Deutsches Recht Entscheidend für eine Gefahrabwälzung an der mangelhaften Sache vom Käufer auf den Verkäufer sind die Möglichkeit eines Rücktrittsrechts und deren Rechtsfolgen. Im deutschen Recht gibt es keine Art. 70 CISG entsprechende Norm, die ausdrücklich die Möglichkeit der Ausübung der Gewährleistungsrechte regelt, wenn die mangelhafte Ware nach Gefahrübergang untergeht oder sich verschlechtert. Die Vorschrift des § 346 II, III BGB zeigt jedoch, dass die Ausübung des Rücktrittsrechts auch möglich ist, wenn die Ware nicht mehr (im ursprünglichen Zustand) an den Verkäufer zurückgegeben werden kann.
a) Gefahrübergang auf den Käufer auch bei mangelhafter Ware Auf die hier im Vordergrund stehende Frage der Gefahrabwälzung vom Käufer auf den Verkäufer kommt es nicht an, wenn man mit einer in der Literatur vereinzelt vertretenen Ansicht davon ausgeht, dass die Gefahr im Falle der Lieferung mangelhafter Ware gar nicht auf den Käufer übergeht.230 Soll die Preisgefahr bei der Lieferung mangelhafter Ware bereits nicht auf den Käufer übergehen, kann sie auch nicht auf den Verkäufer zurückspringen, da sie immer 227 Schlechtriem/Schwenzer/Hager/Maultzsch, 5. Auflage, Art. 70, Rn. 2a. 228 Staudinger/Magnus, Art. 69, Rn. 11; Honsell/Schönle/Th. Koller, Art. 69,
Rn. 8; Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 8. 229 Ferrari/Mankowski, Int. Vertragsrecht, Art. 69 CISG, Rn. 8. 230 So Fahl, DRiZ 2004, 58 ff. (siehe auch mit Nachweisen zu weiteren Stimmen), indem bereits der Übergang der Leistungsgefahr für mangelhafte Gattungsware verneint wird, wodurch in der Folge auch die Preisgefahr nicht übergehen kann; dies ist jedoch abzulehnen, siehe schon oben § 5 I. 4; außerdem Jauernig/Berger, § 446, Rn. 3.
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noch beim Verkäufer liegt. Dies überzeugt jedoch nicht.231 Zunächst ist zu erwähnen, dass § 446 S. 1 BGB von der „verkauften“ Sache spricht, so dass eine Anknüpfung an die Mangelfreiheit gem. §§ 433 I 2, 434 BGB gerade nicht vorgenommen wird.232 Zudem geht § 434 I 1 BGB gerade für die Definition des Sachmangels davon aus, dass eine Sache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht die vereinbarte Beschaffenheit haben kann. Die Gewährleistungsrechte sind vielmehr nur eröffnet, wenn im Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein Mangel vorliegt.
b) Gefahr des zufälligen Untergangs trägt der Verkäufer Für den Rückfall der Gefahr ist zunächst entscheidend, dass der Käufer Nachlieferung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I Alt. 2 BGB verlangen oder unter weiteren Voraussetzungen des §§ 437 Nr. 2, 323 BGB den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären kann, wenn er eine bei Gefahrübergang mangelhafte Kaufsache erhält. In beiden Fällen ist der Käufer zur Rückgewähr der erhaltenen, mangelhaften Sache verpflichtet, vgl. §§ 439 IV, 346 I BGB. Ist die Rückgewähr ausgeschlossen, weil sich die Sache inzwischen verschlechtert hat oder untergegangen ist, schuldet der Käufer grundsätzlich Wertersatz gem. § 346 II 1 Nr. 3 BGB. Der Rückfall der wirtschaftlichen Gefahr an der mangelhaften Ware ist im BGB von der Ausgestaltung der Regelungen zum Wertersatz abhängig. Dieser Wertersatzanspruch ist gem. § 346 III 1 Nr. 3 BGB ausgeschlossen, „wenn im Falle des gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt“. Damit hat der Käufer nur Wertersatz zu leisten, wenn er den Untergang oder die Verschlechterung zu vertreten hat. Für die Fälle des zufälligen Untergangs trägt also gerade der Verkäufer die Gefahr. Nach der h. M. erfasst § 346 III Nr. 3 BGB richtigerweise über den Wortlaut hinaus neben dem Risiko für Verschlechterung und Untergang auch alle anderen Fälle einer unmöglichen Rückabwicklung, wie beispielsweise Diebstahl und Verlust.233
c) Erweiterte Tragung des wirtschaftlichen Risikos durch den Verkäufer Während das CISG den Verkäufer von der wirtschaftlichen Gefahr entlastet, wenn der Untergang der mangelhaften Ware auf eine kausale Handlung oder 231 Siehe bereits oben § 5 I. 4. 232 Ewert, Die Gefahrtragung beim
Kaufvertrag, S. 104. § 346, Rn. 55; Palandt/Grüneberg, § 346, Rn. 9; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 851; Boels, Der Rücktritt vom Vertrag trotz Rückgabeunmöglichkeit, S. 167 f.; Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag, S. 194 f.; die Beschränkung des Wortlauts auf Untergang und Verschlechterung wird kritisiert bei Herold, Das Rückabwicklungsschuldverhältnis aufgrund vertraglichen oder gesetzlichen Rücktritts, S. 115. 233 MünchKomm/Gaier,
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Unterlassung des Käufers zurückzuführen ist, reicht dies für eine Entlastung des Verkäufers nach dem deutschen Recht noch nicht aus. Der Verkäufer bekommt nur dann Wertersatz und wird damit vom wirtschaftlichen Risiko entlastet, wenn der Käufer den Untergang zu vertreten hat, wobei dem Käufer noch die Haftungsmilderung der „eigenüblichen Sorgfalt“ zu Gute kommt, so dass der Käufer im Ergebnis möglicherweise für fahrlässig verursachten Untergang gar nicht einzustehen hat, vgl. § 277 BGB. Der Maßstab der Verantwortlichkeit des Käufers ist aber im Ergebnis nichts anderes als eine Ausdehnung des Zufallsbegriffs und damit der Gefahrbelastung des Verkäufers. Indem § 346 III 1 Nr. 3 BGB auf diejenige Sorgfalt abstellt, die der Käufer in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, wird der Haftungsmaßstab von der verkehrsüblichen Sorgfalt des § 276 I, II BGB zugunsten eines individuellen Haftungsmaßstabs geändert.234 Aus § 277 BGB ergibt sich, dass der Maßstab der Haftungserleichterung für den Käufer damit bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit gehen kann.235 Der erweiterte Gefahrtragungsbereich des Verkäufers wird in erster Linie mit der Nichterfüllung seiner Verpflichtungen begründet, so dass er auf den endgültigen Gefahrübergang auf den Käufer nicht vertrauen dürfe und damit das Dilemma, einem der Beteiligten den Verlust wirtschaftlich auferlegen zu müssen, zu seinem Nachteil zu entscheiden sei.236 Diese Begründung des Gesetzgebers soll aber nur die Aufbürdung zufälliger Ereignisse auf den Verkäufer und nicht auch die Folgen des Handelns des Käufers bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit rechtfertigen.237 Die jetzige für den Verkäufer ungünstigere Lösung wird daher teilweise als erwerberfreundlich kritisiert.238 Einige hätten hier einen objektiven Sorgfaltsmaßstab befürwortet.239 Der individuelle Haftungsmaßstab mit der möglichen Beschränkung der Wertersatzpflicht des Käufers auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit stelle mehr dar als eine geringfügige Randkorrektur.240 Es ist nicht nachvollziehbar, dem Verkäufer auch das Risko unterzuschieben, dass sich der Käufer – mit Ausnahme der groben Fahr234 Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag, S. 242. 235 Die Erleichterung für den Käufer durch die Beschränkung auf eigenübliche Sorgfalt ist
im Bereich des Rückabwicklungsrechts auch für den praktisch wichtigen Bereich des Straßenverkehrs anzunehmen, vgl. MünchKomm/Gaier, § 346, Rn. 56; Boels, Der Rücktritt vom Vertrag trotz Rückgabeunmöglichkeit, S. 150, 151; die Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGH 20.12.1966, BGHZ 46, 313; BGH 11.03.1970, BGHZ 53, 352), wonach für einen individuellen Sorgfaltsmaßstab im Straßenverkehr kein Raum ist, kann für das Verhältnis von Verkäufer und Käufer im Rückabwicklungsrecht keine Rolle spielen. 236 BT‑Drucks 14/6040 S. 196; vgl. auch MünchKomm/Gaier, § 346, Rn. 54. 237 Mit umfangreicher Analyse Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag, S. 228 ff., 241. 238 Hornung, Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge, S. 158. 239 Herold, Das Rückabwicklungsschuldverhältnis aufgrund vertraglichen oder gesetzlichen Rücktritts, S. 133, die dann eine Gefahrtragung des Käufers ab dem Stadium der Unachtsamkeit vorzieht, S. 147. 240 Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag, S. 242 f.; a. A. Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. XLIV.
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lässigkeit – stets und überall sorglos zu verhalten pflegt.241 Für den sorgfältigen Käufer sind seine Angewohnheiten zudem haftungsverschärfend.242 Eine Abmilderung des für den Käufer sehr günstigen Haftungsmaßstabs erfährt der Verkäufer dadurch, dass die Beweislast für die Beachtung der eigenüblichen Sorgfalt beim Käufer liegt.243
d) Gefahrentlastung des Verkäufers bei Untergang nach Kenntnis des Käufers vom Rücktrittsgrund? Die Anwendung der diligentia quam in suis auf Seiten des Käufers wird mittels einer teleologischen Reduktion der Vorschrift teilweise abgelehnt, wenn der Käufer bereits Kenntnis vom Rücktrittsgrund oder er sein Rücktrittsrecht bereits ausgeübt hat, bevor die Sache unterging oder verschlechtert wurde.244 Für diese Auffasung spricht, dass die weitreichende Entlastung des Käufers in erster Linie mit dem Vertrauen auf die Endgültigkeit des Erwerbs begründet wird,245 welches bei Kenntnis vom Rücktrittsgrund aber nicht schutzwürdig ist. Bei den Befürwortern dieser Ansicht wird dann teilweise die Haftung des Käufers gar für Zufall angenommen.246 Die wohl h. M. lehnt allerdings eine teleologische Reduktion des § 346 III 1 Nr. 3 BGB auch bei Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Käufers vom Rücktrittsgrund ab.247 Der Verkäufer bleibt also auch in diesen Fällen weitreichend mit der Gefahr des Untergangs belastet. Gegen eine teleologische Reduktion spricht die Vermeidung praktisch schwer beweisbarer Fragen. Es bleibt dann außen vor, ob der Käufer Kenntnis hatte und ab welchem Zeitpunkt (Aufdeckung des Mangels, Vorliegen aller Rücktrittsvoraussetzungen, Ablauf der Nachfrist, Fehlschlagen der Nacherfüllung) diese Kenntnis überhaupt zu bejahen sein soll.248 Auch am Wortlaut des Gesetzes lassen sich Unterscheidungen zwischen der Lage vor und nach Kenntnis nicht festmachen.
241 Wagner,
FS Huber, S. 609.
242 Wagner, FS Huber, S. 609. 243 Palandt/Grüneberg, § 346, Rn. 21. 244 Looschelders, Schuldrecht AT, 245 BT‑Drucks 14/6040 S. 196.
Rn. 850 m. w. N.
246 Schwab, JuS 2002, 635 f.; a. A. und damit für eine Haftung lediglich auch für einfache Fahrlässigkeit Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 850. 247 Palandt/Grüneberg, § 346, Rn. 13b; ausführlich Boels, Der Rücktritt vom Vertrag trotz Rückgabeunmöglichkeit, S. 158 ff.; MünchKomm/Gaier, § 346, Rn. 57, der aber von einer generellen Unanwendbarkeit der Vorschrift in diesen Konstellationen ausgeht; Bamberger/Roth/ Grothe, § 446, Rn. 53; Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. XLVIII; Staudinger/Kaiser, § 346, Rn. 205; Reischl, JuS 2003, 672. 248 Heinrichs, FS E. Schmidt, S. 181; Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag, S. 251.
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3. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht a) Systematik und Gefahrverteilung Der GEK‑Vorschlag enthält wie das deutsche Recht keine Art. 70 CISG entsprechende Vorschrift, die ausdrücklich die Geltendmachung der Abhilfen erlaubt, wenn eine bei Gefahrübergang mangelhafte Sache zufällig untergeht. Indem Art. 173 GEK‑Vorschlag eine Wertersatzpflicht des Käufers normiert, wenn das Erlangte im Rahmen der Rückabwicklung nach Vertragsbeendigung nicht zurückgegeben werden kann, zeigt sich aber die Möglichkeit der Ausübung der Abhilfen. Die Regelungen der Art. 172, 173 I, 176 GEK‑Vorschlag sind in systematischer Hinsicht den Regelungen des § 346 I, II, III BGB damit nicht unähnlich.249 Die Gefahr des zufälligen Untergangs einer im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaften Sache wird also im GEK‑Vorschlag ebenfalls über die Systematik und konkrete Ausgestaltung der Rückabwicklungsvorschriften verteilt. Grundsätzlich ist der Käufer gem. Art. 172 I GEK‑Vorschlag nach der Vertragsbeendigung zur Rückgabe dessen verpflichtet, was er vom Verkäufer erlangt hat, d. h. er hat die Kaufsache zurückzugewähren. Kann das Erlangte nicht zurückgegeben werden, hat der Käufer den Geldwert zu erstatten, Art. 173 I GEK‑Vorschlag. Eine bestehende Wertersatzverpflichtung kann gem. Art. 176 GEK‑Vorschlag geändert werden, „wenn deren Erfüllung dem Billigkeitsgrundsatz grob zuwiderlaufen würde, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, ob die Partei den Grund […] der Beendigung des Vertrags zu vertreten hat oder ihn kannte“. Art. 176 ist eine absolute Ausnahmevorschrift im GEK‑ Vorschlag, die auch in anderen Kapiteln keine Entsprechung hat.250 Wenn also die Billigkeitsvorschrift des Art. 176 GEK‑Vorschlag nicht eingreift, trägt der Käufer die Gefahr des zufälligen Untergangs. Damit entscheidet sich der GEK‑ Vorschlag in systematischer Hinsicht für eine Wertersatzlösung und gegen die noch im CISG und im alten deutschen Recht251 vorherrschende Ausschlusslösung, die bereits durch Ausschluss oder Gewährung des Rücktrittsrechts die Gefahr auf Käufer oder Verkäufer verteilt. Auch der DCFR ließ den Rücktritt beim zufälligen Untergang der mangelhaften Ware zu, indem Art. III. – 3: 508 DCFR die Rückgabeunmöglichkeit nicht in der Regelung „Loss of right to terminate“ aufführte.252
249 Mörsdorf/Brinkmann,
GPR 2013, 196; Looschelders, AcP 212 (2012), S. 673. Rn. 3. 251 Vgl. § 351 BGB Fassung bis zum 31.12.2001. 252 Siehe hierzu v. Bar/Clive, Principles, Definition and Model Rules of European Private Law, DCFR Full Edition Vol. 1, S. 883. 250 Schulze/Lehmann, Art. 176,
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275
b) Unterscheidung zwischen Untergang und Beschädigung bei der Gefahrverteilung? Die Formulierung des Art. 173 I GEK‑Vorschlag, „kann das Erlangte nicht zurückgegeben werden“, enthält die Schwäche, dass nicht klar wird, ob nur ein vollständiger Ausschluss der Rückgabemöglichkeit oder bereits die Unmöglichkeit der Rückgabe in demselben Zustand, in dem der Käufer die Ware erhalten hat, erfasst ist.253 Sachlich richtig kann nur sein, auch eine Verschlechterung der Sache als Rückgabeunmöglichkeit zu qualifizieren und einen Wertersatz anzuordnen.254 Ein Blick in Art. 173 II GEK‑Vorschlag spricht dann auch für die Erfassung der Beschädigung, indem dort bei der Bestimmung der Höhe des Wertersatzes auf einen Wert ohne Untergang oder Beschädigung der Ware Bezug genommen wird.255 Dies deutet an, dass auch die Beschädigung von Art. 173 I GEK‑Vorschlag erfasst ist. Eine Wertersatzpflicht für die Beschädigung von Waren ist ausdrücklich für den Fall der Rückabwicklung infolge eines Widerrufs in Art. 45 III GEK‑Vorschlag angeordnet. Die Anordnung für den Widerruf ist jedoch auf den Fall der Vertragsbeendigung nicht übertragbar,256 da die Rückabwicklungsvorschriften von Widerruf und Beendigung des Vertrags aufgrund einer Vertragsverletzung des Verkäufers im Falle der Vertragsbeendigung unterschiedlichen Wertungen unterliegen. Im Rahmen der Feasibility Study hat die Kommission eine Frage gestellt, deren Wortlaut darauf hindeutet, dass man zunächst nur von vollständiger Zerstörung ausging: Es war nur von „destroyed“ und „destruction“ die Rede.257 Weiterhin wird dort erwähnt, dass die Gefahr einer „depreciation“ der Verkäufer zu tragen hätte und dies damit letztlich anders behandelt werden soll als die „destruction“,258 die ja durch die Wertersatzanordnung dem Käufer die Gefahr auferlegt. Übersetzt man „depreciation“ mit „Verschlechterung“, so könnte dies auch den infolge einer Beschädigung erfolgten Wertverlust bedeuten. Wenn diese Gefahr entsprechend der Fragestellung der Verkäufer zu tragen hätte, dann wäre mit der Unmöglichkeit der Rückgabe des Erlangten in Art. 173 I GEK‑Vorschlag tatsächlich ausschließlich die Zerstörung oder der vollständige Untergang gemeint. Eine Differenzierung zwischen Untergang und Beschädigung ist abzulehnen. Dies bringt größte Abgrenzungsschwierigkeiten 253 Wendehorst,
in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, S. 198; Lorenz, AcP 212 (2012), S. 779; Mörsdorf/Brinkmann, GPR 2013, 198; ELI, Statement CESL, S. 28. 254 So auch Lorenz, AcP 212 (2012), S. 779; Wendehorst, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, S. 198. 255 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 779. 256 Koch, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 245. 257 Feasibility Study, S. 8, Frage 5; siehe auch Wendehorst, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, S. 198. 258 Feasibility Study, S. 8, Frage 5.
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mit sich und trägt zur Rechtsunsicherheit bei. Auch aus Wertungsgesichtspunkten ist eine Unterscheidung von Beschädigung und Untergang der Ware nicht sinnvoll, da es keinen sachlichen Grund gibt, die Gefahr einer Beschädigung dem Verkäufer und die Gefahr eines Untergangs dem Käufer aufzuerlegen.259 Soweit ersichtlich, enthalten auch andere Kodifikationen keine solche Unterscheidung zwischen Beschädigung und Untergang im Rückabwicklungsrecht. Ein rechtsvergleichender Ursprung lässt sich nicht finden. Um die Behandlung der teilweisen Rückgabeunmöglichkeit zu verdeutlichen, wird die Einfügung des Wortes „soweit“ in Art. 173 I GEK‑Vorschlag vorgeschlagen, so dass der Rückgewährschuldner für den beschädigten Teil Wertersatz schuldet.260 Insofern könnte § 323 II 1 Nr. 3 BGB als Vorbild angesehen werden. Im deutschen Recht kann der Rückgewährschuldner hiernach verpflichtet sein, die beschädigte Sache im gegenwärtigen Zustand zurückzugeben und anteilig Wertersatz zu leisten.261 Neben der Geltung auch für beschädigte Ware sollte der Anwendungsbereich der Vorschrift auch sonst weit verstanden werden, indem sowohl eine Unmöglichkeit der Rückgabe aus tatsächlichen Gründen, als auch aus rechtlichen Gründen erfasst ist.262 Der Wortlaut ist auch nicht auf die Rückgabeunmöglichkeit aufgrund einer Zerstörung der Ware beschränkt und erfasst damit auch andere Fälle wie Diebstahl oder den Verlust der Kaufsache.
c) Höhe des Wertersatzes und die Ausnahme aus Billigkeitsgründen aa) Wertersatz gem. Art. 173 I, II GEK‑Vorschlag Hat der Käufer Wertersatz zu leisten, so ergibt sich die Berechnung und die Höhe aus Art. 173 II GEK‑Vorschlag. Demnach ist der vom Käufer zu leistende Geldwert für eine Ware derjenige Wert, „den sie zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Zahlung des Geldwertes gehabt hätte, wenn sie beim Empfänger verblieben wäre, ohne bis dahin untergegangen oder beschädigt worden zu sein“. Zunächst einmal muss konstatiert werden, dass diese Vorschrift zumindest den Kriterien der leichten Verständlichkeit und einfachen Sprache263 nicht genügt. Als Zeitpunkt der Fälligkeit der Zahlung des Geldwertes kommt als frühestmöglicher Zeitpunkt derjenige der Beendigung des Vertrags in Betracht, der Zeitpunkt kann aber auch später liegen, wenn die Herausgabe in natura erst nach der Beendigung unmöglich geworden ist.264 Der Zahlungsanspruch des 259 So auch Wendehorst, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, S. 198; Schulze/Lehmann, Art. 173, Rn. 65; Lorenz, AcP 212 (2012), S. 779; Mörsdorf/Brinkmann, GPR 2013, 198. 260 Looschelders, AcP 212 (2012), S. 675; Schulze/Lehmann, Art. 173, Rn. 23. 261 MünchKomm/Gaier, § 346, Rn. 46. 262 Schulze/Lehmann, Art. 173, Rn. 20. 263 Wohl auch Koch, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 245. 264 Looschelders, AcP 212 (2012), S. 678; Mörsdorf/Brinkmann, GPR 2013, 196.
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Geldwerts entsteht nämlich nun erst im Zeitpunkt des Unmöglichwerdens und wird damit auch erst in diesem Moment fällig.265 Durch das Abstellen auf den Verkehrswert wird einerseits – abweichend zum deutschen Recht, vgl. § 346 II 2 BGB – nicht auf den von den Parteien im Vertrag zugrunde gelegten Preis Bezug genommen. Andererseits trägt der Käufer durch den Bezugspunkt der Beendigungserklärung oder eines späteren Zeitpunkts das Risko von Preiserhöhungen auf dem Gesamtmarkt. Schon in der Regelung zur Berechnung des Wertersatzes wird die Anordnung der Gefahrtragung durch den Käufer gesehen.266 Durch das Abstellen auf diesen Termin und die hypothetische Bezugnahme auf den Wert ohne die Schädigung wird dem Käufer die Gefahr für Verschlechterungen aufgebürdet. Für den Käufer ist im Hinblick dieser Gefahrbelastung entscheidend, ob er durch einen Ausschlusstatbestand für die Wertersatzpflicht – wie im deutschen Recht § 346 III 1 Nr. 3 BGB – die Gefahr auf den Verkäufer abwälzen kann.
bb) Ausschluss der Wertersatzpflicht gem. Art. 176 GEK‑Vorschlag Art. 173 GEK‑Vorschlag ordnet also im Rahmen der Rückabwicklung im Gegensatz zu § 346 III 1 Nr. 3 BGB kein Zurückspringen der Gefahr auf den Verkäufer an.267 Systematisch und funktionell ist einzig Art. 176 GEK‑Vorschlag in der Lage, ein solches Zurückspringen der Gefahr anzuordnen. Dieser schließt aber den Wertersatzanspruch gerade nicht für bestimmte, exakt umschriebene Konstellationen des Untergangs aus. Es besteht lediglich die Möglichkeit, dass die Zahlungsverpflichtung „geändert werden“ kann. Was unter einer Änderung genau zu verstehen ist, wird nicht konkretisiert. Nach dem Wortlaut kann man davon ausgehen, dass die Wertersatzzahlung sowohl komplett wegfallen kann, als auch, aufgrund von Zurechnungskriterien, nur nicht die volle Höhe des Geldwertes der Ware zu zahlen ist. Problematisch ist aber, dass die Parteien kaum Anhaltspunkte268 haben, wann die Zahlungsverpflichtung wegfällt oder gekürzt wird. Die Wertersatzpflicht bleibt also in aller Regel bestehen, so dass im Regelfall der Käufer die Gefahr für die vertragswidrige Sache trägt. Der Wortlaut „kann geändert werden“ deutet auf einen Bezug zum common law hin und die Unterscheidung zwischen common law und equity.269 Die Ausnahme des Art. 176 GEK‑Vorschlag dürfte hauptsächlich für die Rechtsprechung Be265 A. A. Lorenz, AcP 212 (2012), S. 780, der wohl grundsätzlich den Zeitpunkt der Beendigungserklärung annehmen möchte; aufgrund des Wortlauts der Vorschrift erscheint dies aber zweifelhaft. 266 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 780, unter der Prämisse, dass der Fälligkeitszeitpunkt der Zahlung der Zeitpunkt der Vertragsbeendigungserklärung ist. 267 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 827. 268 Außer dass sie sich an einer etwaigen Kenntnis oder an einem etwaigen Vertretenmüssen des Grundes für die Beendigung des Vertrags orientieren können. 269 Schulze/Lehmann, Art. 176, Rn. 8, 11.
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deutung erlangen, indem dem Gericht ermöglicht wird, in die bestehende Wertersatzpflicht einzugreifen.270 Mangels konkreter Bestimmung dürfte den Parteien eine Einigung über die Minderung oder den Wegfall der Wertersatzpflicht schwer fallen und erst Bedeutung erlangen, wenn der Begriff von der Rechtsprechung mit Leben gefüllt wird. Eine genaue Bestimmung, wann von grober Unbilligkeit auszugehen ist, liefert der GEK‑Vorschlag nicht. Es stellt sich die Frage, wann Wertersatz unbillig ist und wann als Steigerung von der hier erforderlichen groben Unbilligkeit auszugehen ist. Die Leistung von Wertersatz müsste wohl in besonderem Maße gegen Billigkeitserwägungen verstoßen. Auch die Entscheidung dieser Frage wird letztlich erst durch Richterrecht entschieden werden können.271 Im Vergleich mit der ausgefeilten deutschen Regelung der Rückabwicklung fällt der GEK‑Vorschlag hier ab. Anhaltspunkte für die Beurteilung der groben Unbilligkeit gibt Art. 176 GEK‑Vorschlag aber an die Hand, indem zu berücksichtigen sein soll, „ob die Partei den Grund […] der Beendigung des Vertrags zu vertreten hat oder ihn kannte“. Der Wortlaut des Art. 176 GEK‑Vorschlag („insbesondere“) stellt aber klar, dass es sich hierbei nur um Regelbeispiele handelt. Die Bezugnahme der deutschen Fassung auf das „Vertreten“ einer Partei ist nicht sonderlich gelungen, da man vielfach geneigt sein könnte, hierunter ein Verschulden oder entsprechende Garantieerklärungen zu verstehen. Die englische Fassung verwendet die Terminologie „cause“ und dürfte damit die Bedeutung treffender ausdrücken.272 Gemeint ist die Berücksichtigung, in wessen Sphäre der Grund für die Beendigung des Vertrags fällt, so dass die nichterfüllende Partei mit einem Wegfall ihres Anspruchs rechnen muss.273 Der genaue Umfang der Berücksichtigung der Verursachungsbeiträge zur Beendigung lässt sich aber nicht bestimmen, insbesondere kann dies nicht regelmäßig die Wertersatzpflicht ausschließen. Im Falle der Lieferung vertragswidriger Ware wäre sonst die Wertersatzpflicht generell ausgeschlossen und der Verkäufer hätte die Gefahr eines zufälligen Untergangs zu tragen. Durch die Bezugnahme des Art. 176 GEK‑Vorschlag auf die Kenntnis des Vorliegens des Beendigungsgrundes könnte man annehmen, der Verordnungsgeber wollte hiermit eine im CISG und dem deutschen Recht diskutierten Problematik aufgreifen.274 Es geht hierbei um die Frage, ob der Käufer nach Erlangung der Kenntnis von der Vertragswidrigkeit einem verschärften Haftungsmaßstab unterliegt. Da der Käufer aber ohnehin gem. Art. 173 I GEK‑Vorschlag verschuldensunabhängig Wertersatz zu leisten hat, ließe sich durch eine etwaige Kenntnis des Käufers von den für die Vertragsbeendigung maßgeblichen Gründen, lediglich die durch 270 Sirena, ERPL 2011, 988; Schulze/Lehmann, Art. 176, 271 Schulze/Lehmann, Art. 176, Rn. 12. 272 Vgl. auch Mörsdorf/Brinkmann, GPR 273 Schulze/Lehmann, Art. 176, Rn. 14.
Rn. 19.
2013, 201, 193, Fn. 35.
274 Siehe oben zum deutschen Recht § 14 II.2.d); zum CISG § 14 II.1.b), Vierter Teil Fn. 207.
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279
Art. 173 I GEK‑Vorschlag angeordnete Wertersatzpflicht aufrechterhalten. Man kann wohl nicht soweit gehen, dass die Wertersatzpflicht im Falle der Unkenntnis des Käufers von den zur Vertragsbeendigung führenden Gründen im Zeitpunkt des zufälligen Untergangs regelmäßig ausgeschlossen ist.
cc) Bewertung der Vorschriften zur Gefahrverteilung Die überwiegende Gefahrtragung des Käufers ist gerade im Bereich der B2C‑ Verträge als nicht besonders verbraucherfreundlich zu werten.275 Die lediglich auf Billigkeitsgesichtspunkte beschränkte Abweichung von der Wertersatzpflicht ist aus Aspekten der Rechtssicherheit äußerst bedenklich.276 Die Regelung des Art. 176 GEK‑Vorschlag hat zwar vom Grundgedanken her den Vorteil, flexible und auf den Einzelfall zugeschnittene Entscheidungen hinsichtlich der Gefahrverteilung zu ermöglichen.277 Dies könnte gerade bei kumulativen Verursachungsbeiträgen zu als besonders gerecht empfundenen Lösungen führen. Den Parteien wird aber eine Einigung darüber, ob der Wertersatz ausgeschlossen ist, regelmäßig sehr schwer fallen, so dass dies erst durch den Richter festgesetzt werden kann, der damit weitreichende Eingriffsbefugnisse erhält.278 Rechtspolitisch ist bedauerlich, dass sich die Parteien durch die Billigkeitsklausel vor Ausübung der Gestaltungsrechte beinahe nie über die rechtlichen Folgen im Klaren sein können und ihnen damit ein „Sprung ins Dunkle“ aufgebürdet wird.279 Die Regelung ist, trotz des Anführens der beiden Regelbeispiele, zu schwammig und ungenau.280 Die Billigkeitsklausel ist ein halbherziger Versuch, im Einzelfall Korrekturen an den wenig überzeugenden Lösungen des Rückabwicklungsrechts vorzunehmen. Dass die Rückabwicklungsvorschriften gem. Art. 177 GEK‑Vorschlag im Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher halbzwingendes Recht darstellen, könnte mit Blick auf die vorgenommene Gefahrtragungsordnung beinahe als Hohn verstanden werden. Denn bei dem großen Gefahrtragungsbereich des (Verbraucher)Käufers dürfte zumindest der Unternehmer ohnehin kein Interesse haben, die bestehenden Regelungen abzuändern. Für einen Verbraucher besteht hingegen Bedarf, Modifikationen zu der Wertersatzpflicht im Vertrag zu regeln. Zu seinen Gunsten sind gem. Art. 177 GEK‑Vorschlag Abweichungen möglich. Dem käuferunfreundlichen 275 Andererseits
sind die Tatbestände über den Nutzungsersatz sehr eng gefasst, so dass gerade der Verbraucher, der bereits bei nicht lediglich unerheblichen Mängeln zurücktreten kann, bzgl. der Nutzungen eine günstige Position einnimmt, was vielfach Anstoß für Kritik gegeben hat; vgl. hierzu Wilhelm, IHR 2011, 232. 276 Ebenso Sirena, ERPL 2011, 987ff; Lorenz, AcP 212 (2012), S. 827; Koch, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 250; Mörsdorf/Brinkmann, GPR 2013, 201 f. 277 Looschelders, AcP 212 (2012), S. 676. 278 Vgl. Sirena, ERPL 2011, 988; Schulze/Lehmann Art. 176, Rn. 24. 279 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 787. 280 Schulze/Lehmann, Art. 176, Rn. 24.
280
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Aspekt der Gefahrverteilung stehen im GEK‑Vorschlag gerade im Gewährleistungsrecht aber auch wesentliche Erleichterungen gegenüber. Im System der Gewährleistungsrechte ist gerade in B2C‑Geschäften eine Abkehr vom Vorrang der Nacherfüllung vollzogen worden, vgl. Art. 106 III lit. (a) GEK‑Vorschlag.281 Auch sonst weist der GEK‑Vorschlag gerade im Bereich des Verbraucherschutzes ein sehr hohes Niveau auf.282 Hat dann aber die Rückabwicklung stattzufinden und ist die Ware zwischenzeitlich untergegangen, hilft dies dem mit der Gefahr belasteten Verbraucher (oder auch Unternehmer) dennoch nicht weiter.
d) Gefahrtragung bei Untergang infolge der Vertragswidrigkeit Die weitgehende Gefahrtragung für einen zufälligen Untergang mangelhafter Ware durch den Käufer kann noch als bewusste Entscheidung der Verfasser des GEK‑Vorschlags interpretiert werden. Hierfür kann zumindest der sachliche Grund einer Verbindung von Gefahrtragung und Sachherrschaft herangezogen werden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wäre aber auch die Gefahr des mangelbedingten Untergangs der Ware vom Käufer zu tragen, was nicht akzeptabel ist.283 Hier scheint eine Lösung unter Berücksichtigung des Vertretenmüssens bzw. der Verursachung gem. Art. 176 GEK‑Vorschlag denkbar,284 so dass dem Verkäufer die Gefahr aufzubürden ist, indem die Wertersatzpflicht des Käufers entfällt. Dies ist aber keineswegs gewiss, da fraglich ist, in welchem Sinne „vertreten“ (engl. „cause“) in Art. 176 GEK‑Vorschlag zu verstehen ist. Der Begriff wird jedenfalls nicht definiert. So könnte es sein, dass den Verkäufer an der Vertragswidrigkeit der Ware kein Verschulden trifft. Andererseits könnte er die Vertragswidrigkeit auch ohne ein Verschulden zu „vertreten“ haben. Indem der GEK‑Vorschlag keine Zurechnung der Vertragswidrigkeit voraussetzt und der Käufer von seinen Abhilfen auch im Falle einer Entschuldigung des Verkäufers Gebrauch machen kann,285 folgt der GEK‑Vorschlag eher einer Garantiehaftung als einer Verschuldenshaftung.286 Im Schadensersatzrecht des GEK‑Vorschlags hat der Schuldner damit nur dann nicht einzustehen, wenn er nachweisen kann, dass die Nichterfüllung auf einem außerhalb seines Einflussbereichs liegenden Hindernis beruht.287 Überträgt man dies auf die Frage des Art. 176 GEK‑Vorschlags, ob eine Partei den Grund der Beendigung zu vertreten hat, hätte der Verkäufer für alle Beendigungsgründe einzustehen, für die 281 Vgl.
nur Ayad/Schnell, BB 2012, 1493.
282 Wilhelm, IHR 2011, 235. 283 Wendehorst, in: Remien/Herrler/Limmer,
Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, S. 198. 284 So auch Looschelders, AcP 212 (2012), S. 677; wohl auch Schulze/Lehmann, Art. 176, Rn. 25. 285 Mit Ausnahme des Erfüllungs- und Schadensersatzanspruches. 286 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 747. 287 Art. 88 GEK‑Vorschlag Wilhelm, IHR 2011, 233.
§ 14 Vertragswidriges Verhalten des Verkäufers
281
er sich nicht gem. Art. 88 GEK‑Vorschlag entschuldigen könnte. Meist hätte dann wohl der vertragswidrig leistende Verkäufer die Beendigung zu vertreten, so dass man einen Wertersatzausschluss anzunehmen hätte. Da dies aber wiederum zum regelmäßigen Ausschluss der Wertersatzpflicht führen würde und der GEK‑Vorschlag eine Verantwortlichkeit des Verkäufers als Beendigungsvoraussetzung gerade nicht kennt, überzeugt ein solches Verständnis nicht. Denn dann wäre die Wertersatzpflicht immer ausgeschlossen, sobald infolge der Vertragswidrigkeit der Vertrag beendet wird und die Sache zufällig untergeht. Auch die Intention der Verfasser des GEK‑Vorschlags könnte aber auf einen Ausschluss der Wertersatzpflicht im Falle eines mangelbedingten Untergangs hindeuten. Mittels einer Textstufenanalyse dürfte man zu dem Ergebnis kommen, dass sich die Verfasser bei Art. 176 GEK‑Vorschlag an Art. 7.3.6 UNIDROIT‑ Principles orientiert haben, nach dem Wertersatz nicht zu leisten sein soll, wenn die Unmöglichkeit der Rückgabe der anderen Partei zuzurechnen ist.288 Diese Wertung ist aber in Art. 7.3.6 III PICC ausdrücklich klargestellt. Es hätte sich daher angeboten, diesen Fall zumindest als Regelbeispiel in Art. 176 GEK-Vorschlag aufzuführen. Zu einem Ausschluss der Wertersatzpflicht sollte man auch gelangen, indem man die Wertungen des Art. 140 Hs. 2 GEK‑Vorschlag einbezieht, nach dem der Verkäufer die Gefahr für Untergang oder Beschädigung nach Gefahrübergang trägt, wenn diese auf einer Handlung oder Unterlassung des Verkäufers beruhen. Zwar wird dort – gerade nach dem hier vertretenen Verständnis der Vorschrift289 – kein ipso jure Wegfall der Zahlungspflicht angeordnet und es werden lediglich die Abhilfen des Käufers aufrechterhalten, so dass grundsätzlich auch alleine die Rückabwicklungsvorschriften über die Gefahrverteilung entscheiden. Allerdings schwingt in Art. 140 Hs. 2 GEK‑Vorschlag die Wertung mit, dass Gefahren, die auf einer Handlung oder Unterlassung des Verkäufers beruhen, auch von diesem zu tragen sind. Würde man nun bei einem Untergang der Ware infolge der schon bei Gefahrübergang vorhandenen Vertragswidrigkeit die Wertersatzpflicht aufrechterhalten und nicht gem. Art. 176 GEK‑Vorschlag ausschließen, würde man diese Wertung unterlaufen. Eine Gefahrtragung des Käufers für Verschlechterungen, die aufgrund der ursprünglichen Vertragswidrigkeit eingetreten sind, ist daher abzulehnen.
e) Wertungswiderspruch im Falle der Ersatzlieferung Auch im GEK‑Vorschlag kommt es nicht nur im Falle einer Vertragsbeendigung zur Verpflichtung einer Rückgewähr der vertragswidrigen Ware. Wird als Form der Nacherfüllung gem. Art. 110 II GEK‑Vorschlag eine Ersatzlieferung durchgeführt, so besteht für den Verkäufer gem. Art. 112 I GEK‑Vorschlag das III.
288 Zimmermann, 289 Siehe
JBl 2012, 12; vgl. Art. 7.3.6 II („whenever reasonable“) sowie Art. 7.3.6
oben § 14 I. 1.b)bb).
282
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Recht und die Pflicht, den ersetzten Gegenstand zurückzunehmen. Ist die Rückgewähr aber aufgrund der zwischenzeitlichen Zerstörung der verkauften Sache nicht möglich, so fehlt dem GEK‑Vorschlag ein Äquivalent zu § 439 IV BGB, also eine Anordnung des Wertersatzes im Falle der Ersatzlieferung.290 Das Ergebnis wäre, dass bei zwischenzeitlicher Zerstörung der Kaufsache beim Käufer zwar im Falle der Vertragsbeendigung dieser mit der Gefahr belastet ist,291 bei Ersatzlieferung mangels angeordneten Wertersatzanspruchs aber der Verkäufer. Dieses Ergebnis wird von Lorenz zu Recht als Wertungswiderspruch kritisiert292 und ist nicht hinnehmbar. Eine Regelungslücke ist bezüglich der fehlenden Wertersatzregelung aber wohl nicht auszumachen. Denn der Verkäufer hat wohl die Möglichkeit der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 159 GEK‑Vorschlag, der aber meist an der Entschuldigungsmöglichkeit des Käufers gem. Art. 88 GEK‑Vorschlag scheitern dürfte293 und daher keinen befriedigenden Ausgleich schafft.
f) Lösung der im UN‑Kaufrecht problematischen Konstellationen aa) Lieferung vertragswidriger Ware Zur Gefahrtragung nach der Lieferung vertragswidriger Ware wird im CISG diskutiert, ob die Gefahr auch dann auf den Verkäufer zurückspringen kann, wenn der Käufer als Voraussetzung für die Vertragsbeendigung noch eine Nachfrist setzen muss, die Ware aber vor Ablauf der Nachfrist zufällig untergeht.294 Verwehrt man in diesen Fällen dem Käufer die Möglichkeit der Vertragsaufhebung, so trägt er die Gefahr des zufälligen Untergangs vor Fristablauf. Im GEK‑Vorschlag trägt nun aber im Falle der Vertragsbeendigung ohnehin der Käufer die Gefahr, es sei denn, die Ausnahmevorschrift des Art. 176 GEK‑Vorschlag greift ein und die Wertersatzpflicht entfällt. Die aus dem CISG bekannte Streitfrage hat damit für die Gefahrverteilung weitaus weniger Relevanz. Lässt man die Vertragsbeendigung zu, würde man dem Käufer aber zumindest die Möglichkeit einer (wohl seltenen) Gefahrabwälzung auf den Verkäufer durch Art. 176 GEK‑Vorschlag offenhalten. Nach Art. 87 II lit. (a) GEK‑Vorschlag ist eine Nichterfüllung wesentlich, wenn der anderen Partei durch die Vertragswidrigkeit ein erheblicher Teil dessen vorenthalten wird, was diese nach dem Vertrag erwarten durfte. Zudem darf dies von der nichterfüllenden Partei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorausgesehen worden sein und auch nicht voraussehbar gewesen sein. Damit entspricht lit. (a) den Anforderungen 290 Lorenz,
AcP 212 (2012), S. 828. eben nicht die Ausnahme des Art. 176 GEK‑Vorschlag greift. 292 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 828. 293 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 828, Fn. 463. 294 Siehe oben § 14 II.1.c). 291 Sofern
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283
des Art. 25 CISG.295 Deshalb kann man davon ausgehen, dass die Erwägungen zur Frage der Wesentlichkeit im CISG auch im GEK‑Vorschlag herangezogen werden können.296 Zudem ist in Erwägungsgrund 32 des GEK‑Vorschlags der Grundsatz der Aufrechterhaltung des Vertrags verankert. Eine so schwerwiegende Rechtsfolge wie die Vertragsbeendigung soll also nur bei schweren Leistungsstörungen gerechtfertigt sein, so dass man auch die Voraussetzung der wesentlichen Nichterfüllung restriktiv auszulegen hat.297 Daher sollte man auch im GEK‑Vorschlag davon ausgehen, dass bei für den Käufer zumutbarer und unproblematisch möglicher Nacherfüllung eine Vertragsbeendigung infolge wesentlicher Nichterfüllung erst nach Ablauf einer entsprechenden Nachfrist in Betracht kommt.298 Dann kann aber der im CISG problematisierte Fall eines Untergangs während des Fristlaufs auch auftreten.299 Man sollte in solchen Fällen entsprechend dem CISG die Vertragsbeendigung des Käufers nicht zulassen. Die Voraussetzung für eine Rückabwicklung liegt eben im Zeitpunkt des zufälligen Untergangs noch nicht vor. Der Käufer hat in diesem Fall also auch nicht die Möglichkeit über die Ausnahmevorschrift des Art. 176 GEK‑ Vorschlag die Gefahr auf den Verkäufer abzuwälzen.
bb) Gefahrtragung bei verspäteter Lieferung Ebenfalls wird im UN‑Kaufrecht thematisiert, ob der Käufer auch im Falle einer Nichtlieferung, die keine wesentliche Vertragsverletzung darstellt, die Gefahr auf den Käufer zurückspringen lassen kann.300 Die Frage hat man sich im CISG deshalb zu stellen, weil Art. 70 CISG nur für wesentliche Vertragsverletzungen die Weitergeltung der Rechtsbehelfe trotz Gefahrübergangs anordnet. Im GEK‑Vorschlag stellt sich diese Frage aber nun gar nicht, da eine mit Art. 70 CISG vergleichbare Norm, die zu diesen Auslegungsproblemen führt,301 nicht enthalten ist. Nach Art. 115 I GEK‑Vorschlag besteht die Möglichkeit der Vertragsbeendigung im Falle einer verspäteten Lieferung nach Ablauf einer Nachfrist. Da der Käufer aber auch hier gem. Art. 173 GEK‑Vorschlag Wertersatz zu leisten hat, bessert sich seine Situation mit Blick auf die Gefahrtragung nicht, während dem Käufer nach dem CISG damit die Möglichkeit der Gefahrabwälzung auf den Verkäufer ermöglicht wird.
295 Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 110. 296 Dazu oben § 14 II.1.c). 297 Schopper, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 110. 298 Vgl. auch Walch, euvr 2012, 141; zum CISG oben § 14 II.1.c). 299 Zum CISG § 14 II.1.c). 300 Dazu oben § 14 II.1.d). 301 Dazu oben § 14 II.1.d).
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g) Vorschläge zur Änderung des Rückabwicklungsregimes in der Diskussion Als Verbesserungsvorschlag wird ins Spiel gebracht, den Käufer grundsätzlich nur zur Rückgewähr in natura zu verpflichten und ihn bei Nichterfüllung dieser Pflichten nach den allgemeinen Vorschriften über Schadensersatz haften zu lassen.302 Der im ELI-Änderungsvorschlag enthaltene Art. 157 IV lautet: „The buyer is liable under section 3 of chapter 15 for not being able to return the goods, including fruits where relevant, or for any diminished value of the goods to the extent that diminishment in value exceeds depreciation through regular use. Liability shall not exceed the price agreed for the goods.“ Der Verweis bezieht sich auf die allgemeinen Vorschriften zum Schadensersatz.303 Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Käufer regelmäßig für zufällige Schäden an der Sache haftet, außer wenn seine Nichterfüllung der Rückgewährverpflichtung entschuldigt ist.304 Der Schadensersatzanspruch ist im GEK‑Vorschlag nicht verschuldensabhängig ausgestaltet und ist vergleichbar mit einer Garantiehaftung, indem die Haftung lediglich bei Vorliegen der strengen Entschuldigungsgründe des Art. 88 GEK‑Vorschlag ausgeschlossen wird. Im Ergebnis würde dies bedeuten, dass der Käufer die Gefahr für Schäden an der Sache nur dann nicht zu tragen hat, wenn diese außerhalb seines Einflussbereichs liegen, für ihn nicht vorhersehbar waren und er sie auch nicht vermeiden oder überwinden konnte. Die vorgeschlagene Änderung würde zwar immer noch eine weitgehende Gefahrtragung des Käufers bedeuten. Im Vergleich zur bestehenden Regelung wäre der Käufer aber jedenfalls im Hinblick auf solche Schäden entlastet, die über Art. 88 GEK‑Vorschlag entschuldigt sind. In der jetzigen Fassung hat der Käufer grundsätzlich für alle Schäden Wertersatz zu leisten. Durch die Heranziehung der Entschuldigungsmöglichkeit des Käufers wäre zudem das Problem von Schäden an der Ware gelöst, die durch die Vertragswidrigkeit selbst verursacht werden. Denn ausweislich der Begründung des ELI für die vorgeschlagene Änderung soll der Käufer für derartige Schäden gerade nicht mehr haften.305 Dieses Ergebnis ist folgerichtig, da die Ursachen für die weiteren Beschädigungen dann von der vertragswidrigen Ware ausgehen und damit nicht aus der Sphäre des Käufers stammen. Die Lösung über Schadensersatzansprüche für Verletzungen der Rückgewährpflicht ist auch dem deutschen Recht nicht fremd und findet sich dort in § 346 IV BGB. Fraglich ist, ob die vorgeschlagenen Änderungen aus Gründen der Rechtssicherheit vorzuziehen wären. Dies kann nicht festgestellt werden. Denn auch die Änderungsvorschläge des 302 ELI, Statement CESL, S. 113; ebenso ebenfalls Lehne/Berlinguer, Berichtsentwurf, S. 101, Änderungsantrag 173. 303 Art. 159 ff. GEK‑Vorschlag; im Änderungsvorschlag des ELI Art. 144 ff. 304 ELI, Statement CESL, S. 313. 305 „The buyer is not liable to the extent that loss or depreciation of the goods were caused by the seller, in particular by the goods not being in conformity with the contract“; ELI, Statement CESL, S. 313.
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ELI enthalten in Art. 160 eine sog. Billigkeitsklausel. In Zusammenhang mit der Haftung des Käufers für Schäden erstaunt dies, da Wertungsgesichtspunkte bereits in die Entschuldigungsgründe des Art. 88 GEK‑Vorschlag miteinfließen können. Weshalb dann eine zweite Billigkeitsklausel einem Gericht die Möglichkeit geben soll, dieses Ergebnis erneut zu ändern, ist nicht einzusehen. Möglicherweise wird nach den Änderungsvorschlägen des ELI aber die Billigkeitsklausel auch hauptsächlich für andere Vorschriften des Rückabwicklungsregimes benötigt. Eine Bedeutung für die Haftung des Käufers für Schäden an der zurückzugewährenden Ware sollte man der Vorschrift nicht beimessen.
4. Wertende Zusammenfassung a) Verschiedene Systeme der Gefahrverteilung Die rechtsvergleichende Untersuchung der Behandlung des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Beschädigung bei Vertragsverletzungen des Verkäufers ergibt kein eindeutiges Ergebnis. Ein internationaler Trend zu bestimmten Lösungsmustern ist nicht erkennbar,306 da sich Rücktrittssperren und verschiedene Wertersatzlösungen gegenüberstehen. UN‑Kaufrecht und deutsches Recht bestimmen die Gefahrverteilung bei zufälliger Rückgabeunmöglichkeit auf systematisch unterschiedliche Weise. Während das UN‑Kaufrecht über die Ausschlusslösung vorgeht, hat der deutsche Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform der Wertersatzlösung den Vorrang eingeräumt. Man befindet sich damit in Deutschland systematisch auf einer Linie mit moderneren Regelungsbemühungen wie den UNIDROIT‑Principles oder den Lando-Principles,307 auch wenn die dort enthaltenen Regelungen wesentlich weniger detailliert sind als im deutschen Recht. Die Wertersatzlösung ermöglicht, verglichen mit der Allesoder-Nichts-Lösung durch Ausschlussgründe, feinere und flexiblere Abstufungen und ist deshalb gegenüber der Ausschlusslösung vorzugswürdig.308
b) Kriterien für die sachgerechte Gefahrverteilung Soweit an der vorgenommenen Gefahrverteilung in den Regelwerken Kritik geübt wird, muss man sich vor Augen halten, dass das Gesetz die Gefahr auf irgendeine Weise verteilen muss.309 Zur hier erörterten Problematik kann daher der Aussage Flessners die Richtigkeit nicht abgesprochen werden, „daß eine 306 So schon Wagner, FS Huber, S. 601 zur Untersuchung des UN‑Kaufrechts, der PECL und des deutschen Rechts vor der Schuldrechtsreform. 307 Vgl. Art. 7.3.6 PICC; Art. 9:309 PECL; zu den dort aber wesentlich verkäuferfreundlicheren Regelungen vgl. Boels, Der Rücktritt vom Vertrag trotz Rückgabeunmöglichkeit, S. 157 f. 308 Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag, S. 186. 309 Glaß, Gefahrtragung und Haftung beim gesetzlichen Rücktritt, S. 28; dies wurde auch vom deutschen Gesetzgeber erkannt, vgl. BT‑Drucks 14/6040 S. 196.
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Gefahrtragungsvorschrift […] niemals ganz gerecht sein kann, daß nicht auch Gründe für die gegenteilige Lösung vorhanden wären.“310 Daher kann man auch Flume zustimmen, wenn er sagt, „natürlich gibt es für die Regelung der Gefahrtragung beim Rücktritt keine apriorisch richtige Lösung“.311 Welche Wertungsgesichtspunkte haben aber nun in besonderem Maße in die Entscheidung der Frage nach der Gefahrverteilung einzufließen? Zwar resultieren aus dem Gesichtspunkt des Innehabens der Sachherrschaft aus pragmatischen Erwägungen Bedenken gegen eine weitreichende Gefahrbelastung des Verkäufers.312 Durch den Rückfall der Gefahr auf den Verkäufer fallen Sachherrschaft und Gefahrtragung auseinander. Diese Lösung kann Streitigkeiten zwischen Verkäufer und Käufer darüber fördern, ob die untergegangene Sache überhaupt mangelhaft war und ob der Untergang nach den jeweiligen Vorschriften zufällig erfolgt ist, was sich beides schwierig beweisen lassen wird.313 Aber diese pragmatischen Gesichtspunkte können hingenommen werden, soweit dem Verkäufer durch die Setzung einer Nachfrist vor Augen geführt wird, dass die Rückabwicklung bevorsteht.314 Im UN‑Kaufrecht ist diesem Umstand durch die zu bevorzugende Auffassung, dass eine zur Vertragsaufhebung berechtigende wesentliche Vertragsverletzung häufig erst nach Ablauf der Nachfrist anzunehmen ist, Rechnung getragen.315 Außerdem wird die Risikozuweisung an den Verkäufer teilweise dadurch abgefedert, dass eine gewisse Schwere der Vertragsverletzung verlangt wird sowie durch den Umstand, dass der Käufer in gewissem Rahmen durch sein Verhalten verursachte Schäden selbst zu tragen hat.316 Für die Gefahrbelastung des Verkäufers spricht jedoch, dass eine sachgerechte Gefahrverteilung an die Vertragsinteressen der Parteien anknüpft. Soweit der Gefahrübergang an die tatsächliche Sachherrschaft geknüpft ist, wird berücksichtigt, dass der Verkäufer dem Vertragsinteresse des Käufers, dem Erhalt der Leistung, gerecht geworden ist. Im Falle einer Vertragsverletzung des Verkäufers hat er dagegen das Vertragsinteresse des Käufers noch nicht gänzlich befriedigt, ebenso ist auch die Sachherrschaft des Käufers durch das Zurückweisungsrecht der Ware noch nicht verfestigt, so dass ein Rückfall der Gefahr interessengerecht erscheint.317 Letztlich ist es dogmatisch folgerichtig, dass, soweit ein Käufer die Ware zurückweisen darf, auch der verwirklichte Tatbestand des Gefahrübergangs auf den Käufer nicht aufrechterhalten wird. 310 Flessner, NJW 1972, 1780; er weist hierbei auch auf die Gedanken von Glaß, Gefahrtragung und Haftung beim gesetzlichen Rücktritt, S. 28 hin. 311 Flume, NJW 1970, 1165. 312 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 176. 313 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 176. 314 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 184, 185. 315 Dazu oben bei § 14 II.1.c). 316 Vgl. zum UN‑Kaufrecht auch Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 167, 168. 317 Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 176.
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c) Unterschiede in der Gefahrverteilung Der sachgerechte Rückfall der Gefahr findet in größtem Maße im deutschen Recht statt318 und in abgeschwächter Form im UN‑Kaufrecht319. Im CISG dürften weniger Streitigkeiten darüber entstehen, wann ein Untergang zufällig erfolgte. Die Frage, ob überhaupt eine Handlung oder ein Unterlassen des Käufers vorliegt, wird sich regelmäßiger leichter feststellen lassen als die Frage, ob der Käufer die eigenübliche Sorgfalt beachtet hat. Der GEK‑Vorschlag verteilt die Gefahr hingegen für den Käufer wesentlich nachteiliger als CISG und BGB. Dies folgt daraus, dass der Käufer grundsätzlich Wertersatz zu leisten hat und die Voraussetzungen für den Ausschluss der Wertersatzpflicht viel zu unbestimmt sind, als dass die Parteien verlässlich von einem Ausschluss der Wertersatzpflicht ausgehen können. Da der Ausschluss zudem wohl erst in einem gerichtlichen Verfahren denkbar wäre, ist die grundsätzliche Gefahrtragung des Käufers anzunehmen.320 In sachlicher Hinsicht überzeugt hieran nur, dass der Gleichlauf von Sachherrschaft und Gefahrtragung bestehen bleibt. Die Gefahrbelastung für den Käufer ist dennoch zu hoch. Liefert der Verkäufer vertragswidrige Ware, ist die Aufrechterhaltung des Gefahrübergangs auf den Käufer nicht in solchem Umfang interessengerecht.
d) Schwächen der Regelung des GEK‑Vorschlags Die Ausgestaltung im Bereich der Rückabwicklungsvorschriften weist zudem einen Wertungswiderspruch auf.321 Es sollte eine Klarstellung des hier erzielten Auslegungsergebnisses erzielt werden, dass Wertersatz auch für die Beschädigung der Ware zu leisten ist. Zwar wäre es vor dem Hintergrund des eben Erwähnten sicherlich eine Entlastung des Käufers, wenn die Gefahr der zufälligen Verschlechterung beim Verkäufer verbliebe. Eine solche Unterscheidung ist jedoch nicht sachgerecht und auch nicht im Interesse der Parteien, da sie nur unnötig Anlass zu Streitigkeiten bietet.
e) Lösungsvorschlag Fraglich ist, wie die Frage der Rückabwicklung im Falle des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung dann zu entscheiden ist. Entweder sollte eine Norm, die den Ausschluss der Wertersatzpflicht anordnet, aufgenommen werden. Hierbei sollte der Gefahrtragungsbereich des Verkäufers nicht derart ausgedehnt sein wie im deutschen Recht. Interessengerecht wäre es, den Käufer dann von der Wertersatzpflicht zu befreien, wenn er sich gem. Art. 88 318 Siehe 319 Siehe
dazu § 14 II.2. dazu § 14 II.1. 320 Dazu oben § 14 II.3.c)bb). 321 Dazu oben § 14 II.3.b).
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GEK‑Vorschlag entschuldigen könnte. Hierbei würde man Auslegungsprobleme wie bei den Begrifflichkeiten „Handlung oder Unterlassung“ im CISG vermeiden. Man könnte auch eine Abstufung von B2B- und B2C‑Geschäften vornehmen, indem der Haftungsmaßstab bei B2C‑Geschäften vergleichbar der deutschen Regelung des § 346 III 1 Nr. 3 BGB deutlich käuferfreundlicher ausgestaltet wird. Eine Unterscheidung zwischen B2B- und B2C‑Geschäften erscheint sinnvoll. Hierfür sprechen auch sachliche Erwägungen. Aus Gründen des Verbraucherschutzes können an die Sorgfalt des Verbrauchers geringere Anforderungen gestellt werden als an einen unternehmerischen Käufer. Durch eine solche Lösung mittels Ausschluss der Wertersatzpflicht erfasst man auch den Untergang der Ware aufgrund der zur Beendigung berechtigenden Vertragswidrigkeit. Eine Wertersatzpflicht eines Käufers für derartige Schäden ist nicht akzeptabel.322 Dieses Ergebnis lässt sich regelungstechnisch durch die vom ELI vorgeschlagene Lösung erzielen, indem man die Rückgabeunmöglichkeit generell unter das Regime der Schadensersatzansprüche stellt. Dann müsste man konsequenterweise aber auch die Billigkeitsklausel – zumindest für diese Fälle des Wertersatzes – streichen. Wird an der bestehenden Fassung des GEK‑Vorschlags nichts geändert, sollte man die Wertungen des Art. 88 GEK‑Vorschlag zur Auslegung des Begriffes der groben Unbilligkeit heranziehen, um mehr Rechtssicherheit zu erreichen.
322 Diesbezüglich
zweifelhaft aber der GEK‑Vorschlag § 14 II.3.d).
Fünfter Teil
Besondere Einzelfragen § 15 Gefahrtragung bei digitalen Inhalten Da der GEK‑Vorschlag auch digitale Inhalte einbezieht, ist die Geeignetheit der Gefahrtragungsregeln im Hinblick auf die Eigenarten dieser Produkte zu untersuchen. Der GEK‑Vorschlag erfasst ausdrücklich auch nicht auf materiellen Datenträgern gespeicherte Inhalte, vgl. Art. 2 lit. (j), 5 lit. b) VO‑GEK‑Vorschlag. Dagegen wendet die Verbraucherrechte-RL die Regelung zur Gefahrtragung gem. Art. 17 I Verbraucherrechte-RL nicht auf Verträge über solche digitale Inhalte an, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden. Im deutschen Recht und im CISG gibt es keine ausdrücklichen Vorschriften über die Anwendbarkeit auf derartige Vertragsgegenstände.
I. Techniken des Zugriffs auf digitale Inhalte Der VO‑GEK‑Vorschlag zählt in Art. 2 lit. (j) als digitale Inhalte beispielhaft Video-, Audio-, Bild- oder schriftliche Inhalte, digitale Spiele und Software auf. Diese Inhalte können einem Nutzer in ganz verschiedenen Formen ohne Verkörperung auf einem vom Anbieter bereitgestellten Datenträger zugänglich gemacht werden. Eine kurze Darstellung häufiger Erscheinungsformen des Zugriffs auf digitale Inhalte zeigt die Problematik. Bedeutsam sind die Fälle des Downloads. So kann sich ein Nutzer von der Internetseite des Anbieters entsprechende Inhalte auf sein Nutzungsgerät herunterladen. Durch das Herunterladen aus dem Internet wird eine Kopie der Inhalte auf der Hardware des Nutzers gespeichert.1 Hiervon unterscheidet sich das Streaming. Gerade auf Video- und Audioinhalte greifen Nutzer häufig mittels Streaming zu. Als Streaming bezeichnet man das gleichzeitige Empfangen und Wiedergeben der Dateien.2 Hierbei sind jedoch Live-Streaming und On-Demand-Streaming zu unterscheiden. Beim Live-Streaming erfolgt die Bereitstellung der Dateien in Echtzeit, d. h. der Nutzer kann nur im Zeitpunkt der Übertragung auf die digitalen Inhalte zugreifen, vor- oder zurückspulen ist nicht möglich.3 Letzteres ist 1 Druschel, Die Behandlung digitaler 2 Büscher/Müller, GRUR 2009, 558.
Inhalte im GEKR, S. 87.
3 Vgl. hierzu Büscher/Müller, GRUR 2009, 558; Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 88; Schack, GRUR 2007, 641.
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
jedoch beim On-Demand-Streaming möglich, da hier der Zugriff zu beliebiger Zeit durch den Nutzer erfolgen kann.4 Für den kaufrechtlichen Aspekt und die Gefahrtragung ist wichtig, dass in beiden Fällen keine Speicherung der Inhalte auf dem Endgerät des Nutzers erfolgt.5 Auf Bildinhalte oder schriftliche Inhalte greifen Nutzer häufig über Online-Archive zu. So kann dem Nutzer eines Online-Zeitschriftenarchivs Zugang zu den dort abrufbaren digitalen Inhalten geboten werden. Hier ist aber der Zugang zu einem Archiv oder einer Datenbank zu trennen von dem eventuell dort möglichen Zugriff unter Wiederverwendungsmöglichkeit auf einzelne Inhalte, die letztlich wieder mittels Download beim Nutzer gespeichert werden.6 Auch beim wichtigen Cloud-Computing sind verschiedene Formen zu unterscheiden. Während bei reiner Zugangsverschaffung eines Nutzers zu einer Cloud kaum kaufrechtliche Aspekte relevant werden, erlangt der Nutzer in Fällen des Downloads von einer Cloud wiederum eine Wiederverwendungsmöglichkeit nach Speicherung auf seinem Endgerät.7 Die Übersendung digitaler Inhalte ist ferner auch per E‑Mail denkbar. Es ist auch möglich, dass ein Käufer mit portablen Speichermedien, wie beispielsweise einem USB‑Stick zum Verkäufer geht und sich Inhalte des Verkäufers auf seinem USB‑Stick speichert.
II. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht 1. Sonderregelung bei Verbraucherverträgen für digitale Inhalte ohne materiellen Datenträger in Art. 142 II GEK‑Vorschlag Soweit Kaufverträge auf einem materiellen Datenträger gespeicherte Inhalte zum Gegenstand haben, ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber den Verträgen über Waren i. S. d. Art. 2 lit. (h) VO‑GEK‑Vorschlag. Zu untersuchen ist jedoch, wie versucht wird, die Gefahr bei Verträgen über unkörperliche Gegenstände interessengerecht zu verteilen.
a) Gefahrübergang durch Kontrollerlangung aa) Allgemein Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht enthält bei Verbraucherkaufverträgen, nicht aber bei Unternehmerverträgen, eine spezielle Gefahrtragungsvorschrift für nicht auf einem materiellen Datenträger gespeicherte Inhalte, Art. 142 II GEK‑Vorschlag. Hiernach geht die Gefahr auf den Verbraucher über, sobald 4 Büscher/Müller,
GRUR 2009, 558. ZUM 2013, 624; Büscher/Müller, GRUR 2009, 558; Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 90; Schack, GRUR 2007, 641. 6 Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 96. 7 Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 98. 5 Bäcker/Höfinger,
§ 15 Gefahrtragung bei digitalen Inhalten
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er oder ein von ihm bezeichneter Dritter „die Kontrolle über die digitalen Inhalte erlangt hat“. Die Vorschrift war in der ursprünglichen Feasibility Study nicht enthalten, es gab allerdings schon in der Literatur8 den Vorschlag, eine solche Norm aufzunehmen. Es handelt sich bei Art. 142 II GEK‑Vorschlag um die Parallelvorschrift zu Art. 142 I GEK‑Vorschlag9. Lediglich die Terminologie scheint besser auf die Besonderheiten von nichtkörperlichen Gegenständen abgestimmt zu sein, da die „Besitzerlangung“, welche besonders auf die körperliche Herrschaft über die Ware abstellt, bei derartigen Vertragsgegenständen als Anknüpfungsmerkmal ungeeignet erscheint. Leider findet sich im GEK‑Vorschlag keine Definition, wann von einer Kontrollerlangung durch den Verbraucher auszugehen ist. Probleme bereitet aber gerade die exakte Festlegung des Zeitpunktes der Erlangung der Kontrolle durch den Verbraucher. Hier wird bezweifelt, ob das Abstellen auf die Kontrollmöglichkeit des Verbrauchers der Vielschichtigkeit der virtuellen Welt gerecht wird und die gezogene Parallele zum Gefahrübergang bei körperlichen Gegenständen in der Sache einen sinnvollen Interessenausgleich schafft,10 da es vielerlei technische Möglichkeiten gibt, dem Verbraucher Zugang zu den digitalen Inhalten zu verschaffen, ohne dass er sie auf eigener Hardware speichert und sie damit in seine eigene Risikosphäre schafft.11 Gerade bei anderen Zugriffsmöglichkeiten als dem Speichern der Inhalte stellt sich ein Abgrenzungsproblem zur bloßen Bereitstellung, welche in Art. 144 II GEK‑Vorschlag beim Unternehmerkaufvertrag für den Gefahrübergang ausreicht. Die Erlangung der Kontrolle erfordert schon vom Wortsinn her eine Verfestigung der Einflussmöglichkeit auf die Inhalte durch den Verbraucher verglichen mit der bloßen Bereitstellung an den Käufer.
bb) Unterscheidung zwischen Speicherung und bloßem Zugriff Das Leitbild bei Schaffung der Gefahrtragungsregeln war das erfolgreiche Speichern der digitalen Inhalte auf der Hardware des Verbrauchers, wie sich auch aus der Parallele zur Gefahrtragungsregel des Art. 142 I GEK‑Vorschlag ergibt.12 Der GEK‑Vorschlag kann und will nicht alle Möglichkeiten der Nutzung digitaler Inhalte erfassen. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Art. 5 lit. b) VO‑GEK‑Vorschlag13 und der Intention der Kommission, die den Verordnungsvorschlag lediglich auf den „Kauf“ solcher Produkte anwenden möch8 Loos/Helberger/Guibault/Mak, 9 Dazu oben § 7 II.4.b). 10 So Wiese, in: Schmidt-Kessel, 11 Vgl. dazu oben § 15 I.
ERPL 2011, 754. Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 494, 495.
12 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 494; so auch Loos/Helberger/Guibault/Mak, ERPL 2011, 754; gegen eine erforderliche Speicherung Lorenz, AcP 212 (2012), S. 720, Fn. 41. 13 Siehe hierzu Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 90.
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
te14. Durch Art. 5 lit. b) VO‑GEK‑Vorschlag wird der Anwendungsbereich eingeschränkt, indem der GEK‑Vorschlag nur Inhalte erfasst, die der Nutzer speichern, verarbeiten oder wiederverwenden kann oder zu denen er Zugang erhält.15 Damit ist erforderlich, dass der Nutzer auf die Inhalte wiederholt zugreifen und sie nutzen kann.16 Die Fälle des Downloads sind von den Regelungen des GEK‑Vorschlags erfasst, da der Nutzer durch Herunterladen aus dem Internet eine Kopie auf seiner Hardware speichert.17 Das Streaming fällt – in verschiedenen Varianten – nicht unter den GEK‑Vorschlag,18 da es einen Fall der Gebrauchsüberlassung darstellt und damit von Vorschriften über Miete oder Pacht besser erfasst werden kann.19 Der Nutzer kann hier ohne entsprechende Mithilfe des Anbieters nicht wiederholt auf die Inhalte zugreifen. Stellt der Anbieter digitale Inhalte dem Nutzer in einem Netzwerk oder auf anbietereigenen Medien zur Verfügung und räumt er dem Verbraucher lediglich eine Zugriffsmöglichkeit ein,20 so bei Online-Archiven oder Formen des Cloud-Computings, stellt sich ebenfalls die Frage der Praktikabilität der Anwendung kaufrechtlicher Normen. Hier wird argumentiert, man müsse generell unterscheiden zwischen den kaufähnlichen Verträgen der Bereitstellung digitaler Inhalte und Verträgen, bei denen die Hauptverpflichtung des Verkäufers in der Gewährleistung des Zugangs zu digitalen Inhalten besteht, wie beispielsweise beim Zugang zu einer Cloud.21 Sofern der Nutzer die Inhalte, zu denen ihm Zugang eingeräumt wird, nicht speichern und wiederverwenden kann, passen die Gefahrtragungsregeln des Kaufrechts nicht zur Eigenart des Vertrags,22 vielmehr muss die Partei, welche die Daten bereitstellt, den Zugang während der gesamten Vertragsdauer gewährleisten und trägt somit schließlich die Gefahr.23 Stehen dem Nutzer die Inhalte ausschließlich in der Cloud oder dem Archiv zur Verfügung wird bereits die Anwendbarkeit des GEK‑Vorschlags abgelehnt, da hier eine Gebrauchsüberlassung oder eine Dienstleistung Vertragsgegenstand sei.24 Auch von der Begrifflichkeit der Kontrollerlangung kann man solche Fälle nicht erfasst sehen, soweit keine Speicherung möglich ist. Der Verbraucher hat entweder überhaupt keinen Einfluss auf den Bestand der Inhalte oder ist zumindest nicht die einzige Person mit Einfluss auf den Bestand 14 KOM(2011) 636 endg., S. 9. 15 In der englischen Fassung: „[…]
stored, processed or accessed, and re-used […]“. euvr 2014, 148. 17 Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 87. 18 Loos, euvr 2014, 148. 19 Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 90. 20 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 495. 21 Schulze/Zoll/Watson, Art. 140, Rn. 9; Art. 142, Rn. 7. 22 Schulze/Zoll/Watson, Art. 140, Rn. 9. 23 Schulze/Zoll/Watson, Art. 142, Rn. 7. 24 Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 96, 98, auch mit dem Hinweis, dass in typengemischten Verträgen der GEK‑Vorschlag gem. Art. 6 VO‑GEK‑Vorschlag nicht anzuwenden ist. 16 Loos,
§ 15 Gefahrtragung bei digitalen Inhalten
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der Inhalte. Der Verkäufer hat die eigene Zugriffsmöglichkeit nicht aufgegeben. In derartigen Konstellationen ist es nicht interessengerecht, die Gefahr auf den Verbraucher übergehen zu lassen. Die ausschließliche Einwirkungsmöglichkeit des Verbrauchers sollte man hingegen nicht für das Tatbestandsmerkmal der Kontrollerlangung fordern. Speichert der Verbraucher die Inhalte in einem Netzwerk,25 so kann zwar nicht von ausschließlicher Kontrolle durch den Verbraucher ausgegangen werden. Allerdings obliegt dem Verbraucher die Auswahl des Speichermediums. Hat er sich für die Zugriffsmöglichkeit weiterer Netzwerknutzer entschieden, so ist er insofern weniger schutzbedürftig, einen Gefahrübergang kann das nicht ausschließen.
cc) Kontrollerlangung in Downloadfällen Auch beim Download auf die Hardware des Verbrauchers ist der Zeitpunkt der Kontrollerlangung nicht eindeutig und hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der Kontrollerlangung in Art. 142 II GEK‑Vorschlag besteht Konkretisierungsbedarf. Drei verschiedene Zeitpunkte werden diskutiert: Eröffnung der Downloadmöglichkeit, Beendigung des Downloadvorganges, endgültige Nutzungsmöglichkeit der Daten. Es wird zu Recht gefragt, ob die Erlangung der Kontrolle mit der endgültigen Nutzungsmöglichkeit durch den Verbraucher gleichzusetzen ist.26 Dies wäre der spätest denkbare Zeitpunkt des Gefahrübergangs. Zwar spricht für diese für den Verbraucher günstige Lösung des Abstellens auf die Nutzungsmöglichkeit die erst hiermit endgültig erlangte Verfügbarkeit für den Verbraucher. Benötigt der Verbraucher aber zur Nutzung der Software nach dem Download erst noch einen speziellen Zugangsschlüssel, welcher ihm vom Verkäufer beispielsweise nach Überprüfung seiner Kundendaten übermittelt wird, so würde das Abstellen auf die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit den Gefahrtragungszeitraum zu Lasten des Verkäufers verlängern.27 Im Falle einer Zerstörung der digitalen Inhalte am PC des Verbrauchers vor Aktivierung mittels Freischaltcode würde der Verkäufer dennoch nicht den Kaufpreis erhalten, obwohl die negativen Einwirkungen auf die digitalen Inhalte aus der Sphäre des Verbrauchers stammen. Dieser späte Gefahrübergang wird teilweise verneint und ein sehr früher und für den Käufer nachteiliger Zeitpunkt des Gefahrübergangs gewählt, indem schon die Eröffnung der Downloadmöglichkeit für die Erlangung der Kontrolle ausreichen soll.28 Es erscheint jedoch fraglich, ob die bloße Downloadmöglichkeit mit dem Wortsinn „Kontrolle erlangen“ vereinbar ist. Denn dies entspräche eher einer bloßen Bereitstellung. 25 Wiese,
in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 495. Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 493, 494. 27 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 494; a. A. Lorenz, AcP 212 (2012), S. 720, Fn. 41. 28 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 720, Fn. 41. 26 Vgl.
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
Zuzustimmen ist einer Auffassung, wonach jedenfalls während des Downloadvorgangs die Gefahr noch nicht auf den Verbraucher übergehen soll, sondern erst, sobald der Vorgang beendet ist.29 Mit erfolgreichem Download sollte der Verbraucher die Gefahr tragen. Hierfür spricht die aus Verkäufersicht verlorene Einflussmöglichkeit auf den Bestand der Software, sobald sie sich auf der Hardware des Verbrauchers befindet. Zudem spricht für eine solche Auslegung, dass das Leitbild bei Schaffung der Gefahrtragungsregeln das erfolgreiche Speichern war.30 Bei einem abgebrochenen Download kann aber von einer erfolgreichen Speicherung keine Rede sein.
b) Die Anwendung des Art. 142 III GEK‑Vorschlags in Fällen der Nichtübernahme durch den Verbraucher Im Falle der Nichtübernahme durch den Verbraucher wird der Gefahrübergang auch bei digitalen Inhalten vorverlagert, sofern diese Nichtübernahme nicht gem. Art. 88 GEK‑Vorschlag entschuldigt ist. Der Gefahrübergang wird auf den Zeitpunkt festgesetzt, in dem der Verbraucher die Kontrolle über die digitalen Inhalte erlangt hätte, wenn die Verpflichtung zur Übernahme der digitalen Inhalte erfüllt worden wäre, Art. 142 III 2 GEK‑Vorschlag. Der Anwendungsbereich des Art. 142 III GEK‑Vorschlag im Bereich der nicht auf einem materiellen Datenträger gespeicherten digitalen Inhalte dürfte aber praktisch als gering einzuschätzen sein, da solche Verträge regelmäßig unter den Voraussetzungen des Art. 2 lit. (p) GEK‑Vorschlag als Fernabsatzvertrag geschlossen werden, für die Art. 142 III GEK‑Vorschlag nicht gilt,31 und die Gefahr daher doch erst mit der tatsächlichen Kontrollerlangung auf den Verbraucher übergeht, vgl. Art. 142 III 1, 142 II GEK‑Vorschlag.32
aa) Nichtübernahme bei digitalen Inhalten Bei Anwendung des Art. 142 III GEK‑Vorschlag ist nicht deutlich, was genau unter der Übernahme der digitalen Inhalte zu verstehen ist.33 Da der Kaufgegenstand nicht auf einem materiellen Datenträger gespeichert ist und damit keine körperlich gegenständliche Abwicklung stattfindet, bereitet das Abstellen auf die Nichterfüllung der Übernahmeverpflichtung Schwierigkeiten. In den Downloadfällen ist ein Annahmeverzug jedoch denkbar, wenn der Verbraucher gar nicht tätig wird oder die Kopie nicht erstellt werden kann, weil bspw. dem 29 Schulze/Zoll/Watson, Art. 142, Rn. 7; Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 262; a. A. wohl Lorenz, AcP 212 (2012), S. 720, Fn. 41. 30 Siehe schon oben Fünfter Teil Fn. 12. 31 Zum vielfach angezweifelten Sinn und Zweck dieser Ausnahme siehe unten § 16. 32 Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 262; Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 498. 33 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 496, 497.
§ 15 Gefahrtragung bei digitalen Inhalten
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Verbraucher die notwendige Hard- oder Software fehlt oder er für den Abbruch des Vorganges einzustehen hat.34 Hier ist beispielsweise fraglich, ob der Beginn eines Downloadvorgangs schon als ausreichende Übernahmehandlung gewertet werden kann, mit der Folge, dass bei begonnenem Download eine Nichtübernahme ausscheidet. Beginnt der Verbraucher einen Downloadvorgang und sieht man hierin eine Übernahmehandlung, endet der Download aber nicht erfolgreich, so wären die Voraussetzungen des Art. 142 III 1 GEK‑Vorschlag nicht erfüllt. Ein Gefahrübergang gem. Art. 142 II GEK‑Vorschlag liegt mangels Kontrollerlangung nicht vor, dem Verbraucher könnte die Preisgefahr aber auch nicht gem. Art. 142 III GEK‑Vorschlag aufgebürdet werden. Vergleicht man dieses Szenario mit dem Ladevorgang physischer Ware und den entsprechenden Diskussionen,35 so ist festzustellen, dass beim Vertrag über die Bereitstellung digitaler Inhalte in der Regel eine Bringschuld des Verkäufers vorliegt, vgl. Art. 93 I lit. (a), 94 I lit. (a) GEK‑Vorschlag. Dementsprechend sollte das Risiko des Ladevorgangs eigentlich nicht beim Käufer liegen.36 Allerdings liegen die Ursachen des Abbruchs des Downloads möglicherweise in der Sphäre des Verbrauchers. Ein verhinderter Gefahrübergang stellt aber dennoch keine einseitige Belastung des Verkäufers dar, denn die Besonderheit bei digitalen Inhalten ist gerade die beliebige Reproduzierbarkeit durch den Verkäufer. Da der Kaufgegenstand nicht endgültig untergeht, erleidet er insoweit keinen wirtschaftlichen Verlust. Die Frage ist also, ob eine Nichtübernahme schon dann vorliegt, wenn der Verbraucher den Downloadvorgang lediglich nicht erfolgreich abschließen kann (dann sähe man im Beginn des Downloads noch keine ausreichende Übernahme) oder ob nur dann von einer Nichtübernahme auszugehen ist, wenn der Verbraucher gar nicht tätig wird. Befürwortet man wie hier bei der Frage der Kontrollerlangung gem. Art. 142 II GEK‑Vorschlag die Auslegung, das Risiko des Downloadvorgangs noch nicht dem Käufer zuzuweisen und erst mit Speicherung von einer Erlangung der Kontrolle auszugehen,37 so würde man dies wieder aushebeln, wenn man bei abgebrochenem Downloadvorgang von einer Nichtübernahme ausgehen würde. Hier sind aufeinander abgestimmte Ergebnisse notwendig. Geht man daher von einer Kontrollerlangung ab vollendeter Speicherung aus, so sollte man konsequenterweise für die in Art. 142 III GEK‑ Vorschlag vorausgesetzte Nichtübernahme eine gänzliche Untätigkeit des Verbrauchers fordern. Kann der Verbraucher den Download nicht erfolgreich abschließen, so sollte man also dennoch keine ihm anzulastende Säumnis mit der Folge des Gefahrübergangs nach Art. 142 III GEK‑Vorschlag annehmen.
34 Druschel, Die Behandlung digitaler 35 Dazu oben § 7 I. 3 oder § 7 III.3.b). 36 Anders 37 Dazu
Inhalte im GEKR, S. 262.
eben bei der Holschuld, siehe § 7 I. 3 oder § 7 III.3.b). oben § 15 II.1.a)cc).
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
bb) Fiktiver Zeitpunkt der Kontrollerlangung Die Gefahr geht im Falle einer Säumnis zu dem Zeitpunkt über, zu dem der Verbraucher die Kontrolle erlangt hätte, Art. 142 III 2 GEK‑Vorschlag. Die Unklarheiten bzgl. der Terminologie „Kontrolle erlangen“ setzen sich hier natürlich fort.38 Zudem ist fraglich, ob sich bei derartigen Verträgen schon im Voraus ergibt, auf welche Art und Weise der Verbraucher die Kontrolle zu erlangen hat,39 so dass die Festlegung des fiktiven Zeitpunktes schwerfällt.
cc) Konkretisierungerfordernis bei digitalen Inhalten Es ist fraglich, inwieweit das Konkretisierungserfordernis nach Art. 141 GEK‑ Voschlag für den Gefahrübergang bei digitalen Inhalten überhaupt passt. Die Frage stellt sich im Fall des Gefahrübergangs bei Nichtübernahme der digitalen Inhalte durch den Verbraucher nach Art. 142 III GEK‑Vorschlag. Denn wird der Verbraucher nicht tätig, so dürfte bei digitalen Inhalten eine Konkretisierung nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein.40 Bei massenhaft angebotener Software wird erst mit Beginn des Downloadvorgangs die für den Verbraucher bestimmte Kopie erstellt. Wird er also überhaupt nicht tätig, fehlt es in den meisten Fällen an einer Identifizierung der Ware für den Verbraucher. Der Gefahrübergang dürfte mangels konkreter Zuordnung dann stets ausgeschlossen sein. Denn die konkret dem Verbraucher überlassene Kopie existiert noch gar nicht. Geht die beim Anbieter vorhandene Originaldatei nach dem Eintritt der Säumnis unter, so wäre ein Gefahrübergang mangels Konkretisierung abzulehnen. Dies ist jedoch nicht sachgerecht. Der Verbraucher sollte den Kaufpreis auch zu zahlen haben, wenn nach dem für ihn bestimmten Übernahmezeitpunkt die beim Anbieter befindliche Originaldatei untergeht und daher ein Download für den Verbraucher nicht mehr möglich ist. Als Konkretisierung im Sinne des Art. 141 GEK‑Vorschlag muss hier ausreichen, dass die digitalen Inhalte untergegangen sind, von denen durch den Download beim Verbraucher eine Kopie erstellt werden sollte.
c) Keine Sondervorschrift in den Regelungen zum Gefahrübergang nach dem Änderungsvorschlag des ELI Nach dem Änderungsvorschlag des ELI sollte die Vorschrift wieder gestrichen werden.41 Da im Änderungsvorschlag bereits in Art. 85 II ELI-Änderungsvorschlag bestimmt wird, dass die Liefervorschriften auch auf digitale Inhalte entsprechend Anwendung finden und Art. 99 ELI-Änderungsvorschlag den 38 Vgl. dazu 39 Wiese, in:
schon oben § 15 II.1.a). Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 497. 40 Vgl. Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 497. 41 Vgl. Art. 99 ELI, Statement CESL, S. 91, 247.
§ 15 Gefahrtragung bei digitalen Inhalten
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Gefahrübergang auf den Zeitpunkt festsetzt, indem der Verbraucher die entsprechend den Liefervorschriften getätigte Lieferung annimmt, soll Art. 142 II GEK‑Vorschlag überflüssig sein.42 Diese Regelung trägt aber nicht zur besseren Verständlichkeit der Regelungen bei. Da Art. 86 I lit. (a) ELI-Änderungsvorschlag für die Lieferung auch auf die Übertragung der Kontrolle abstellt, bleiben die eben erörterten Fragen bestehen. Werden die digitalen Inhalte nach Art. 86 I lit. (c) ELI-Änderungsvorschlag geliefert, also außerhalb eines Fernabsatzvertrags oder eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags, dann wird für die Lieferung auf die Bereitstellung beim Verbraucher abgestellt. Der Gefahrübergang soll dann nach Art. 99 I ELI-Änderungsvorschlag mit Annahme dieser bereitgestellten digitalen Inhalte erfolgen. Terminologisch besteht dann ein Unterschied zu Art. 142 II GEK‑Vorschlag. Inhaltlich dürften die Abweichungen weniger relevant sein, da schon Art. 142 II GEK‑Vorschlag nur die parallele Regelung zu Art. 142 I GEK‑ Vorschlag („Besitzverschaffung“) darstellt. Durch die vorgeschlagenen Änderungen ergäbe sich aber im Bereich der Gefahrtragung je nach Art der Lieferung zumindest eine unterschiedliche Terminologie. Die Streichung des Art. 142 II GEK‑Vorschlag und eine Regelung entsprechend der ELI-Änderungsvorschläge sollte daher nicht vorgenommen werden, da hierdurch größere Unsicherheiten zu befürchten sind.
5. Keine Sondervorschriften im unternehmerischen Verkehr Für den Kauf digitaler Inhalte, die nicht auf einem materiellen Datenträger gespeichert sind, gelten für den unternehmerischen Verkehr keine Sondervorschriften.43 Dies ist zu bedauern. Es wird auch keine auf den Kaufgegenstand abgestimmte Terminologie gewählt, wie das beim Verbraucherkaufvertrag der Fall ist. Es bleibt beim Unternehmerkaufvertrag für diese Produkte beim Gefahrübergangszeitpunkt, der auch für körperliche Gegenstände gilt. Damit gelten die Art. 143, 144 GEK‑Vorschlag auch für digitale Inhalte ohne materiellen Datenträger. Da für nicht auf materiellen Datenträgern gespeicherte Inhalte keine Versendung im Sinne der physischen Überwindung einer räumlichen Distanz in Betracht kommt, erlangen die Art. 145, 146 GEK‑Vorschlag über den Versendungskauf und den Verkauf reisender Ware keine Bedeutung. Dies macht bereits der Wortlaut der Art. 145, 146 GEK‑Vorschlag deutlich. Beide Vorschriften beziehen sich ausschließlich auf Waren und erfassen digitale Inhalte damit nicht. Auch der Sinn und Zweck der Vorschriften passt bei elektronischer Übermittlung digitaler Inhalte nicht richtig. Dies wird für den Verkauf reisender Ware nach Art. 146 GEK‑Vorschlag noch deutlicher als für den 42 ELI, Statement CESL, S. 247, rechte Spalte, Anm. (2). 43 Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso,
Common European Sales Law, S. 192.
European Perspectives on the
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
Versendungskauf nach Art. 145 GEK‑Vorschlag. Daher ist davon auszugehen, dass die Art. 145, 146 GEK‑Vorschlag bei nicht auf einem materiellen Datenträger gespeicherten digitalen Inhalten tatsächlich keine Anwendung finden. Damit sind für digitale Inhalte ohne Datenträger die Art. 143, 144 GEK‑Vorschlag entscheidend. Bei diesen Vorschriften existiert schon dem Wortlaut nach keine Einschränkung auf Waren, so dass diese im Umkehrschluss auf elektronisch übermittelte digitale Inhalte Anwendung finden. Allerdings stellt sich ein entscheidendes Problem für die Abgrenzung der Vorschriften. Während bei den Art. 143 I, 144 I GEK‑Vorschlag der Sitz des Verkäufers Leistungsort ist (Platzkauf)44, ist dies bei Art. 144 II GEK‑Vorschlag ein anderer Ort als der Sitz des Verkäufers (Fernkauf)45. Wie beim Kauf von digitalen Inhalten ohne materiellen Datenträger eine solche Unterscheidung durchgeführt werden soll, ist insbesondere in den häufigen Fällen des Downloads schwer vorstellbar.46 Denn die Inhalte müssen auf einem Server gespeichert werden, um so dem Käufer Zugriff zu ermöglichen. Der Standort des Servers kann jedoch nicht maßgeblich für die Bestimmung des Erfüllungsortes sein.47 Denn die Gefahrtragungsvorschriften verteilen sonst gerade die Gefahr für Strecken, die physisch zurückzulegen sind. Für die virtuelle Welt ist eine Unterscheidung nach dem Erfüllungsort ungeeignet.48 Daher wird zu Recht angemerkt, dass der Lieferort keine Bedeutung haben sollte, soweit es sich um Verträge über nicht auf einem materiellen Datenträger gespeicherte digitale Inhalte handelt.49
a) Download Für die Fälle des Downloads ist zu entscheiden, ob der sachgerechte Gefahrübergang nach Art. 143 I GEK‑Vorschlag („Annahme“) oder Art. 144 II GEK‑ Vorschlag („Bereitstellung“) zu bestimmen ist. Bei der „Bereitstellung“ geht die Gefahr früher über als bei der „Annahme“, da ein Zutun des Erwerbers der digitalen Inhalte bei der bloßen „Bereitstellung“ nicht notwendig ist. Die Gefahr müsste demnach bereits mit Eröffnung der Downloadmöglichkeit übergehen. Es drängt sich aber keine sachliche Rechtfertigung für eine Unterscheidung 44 Dazu 45 Dazu
oben § 7 II.3 und § 8 III.2.b). oben § 8 III.2, zu den abweichenden Ansichten § 8 III.2.b). 46 Eine Unterscheidung ist natürlich möglich, soweit ein Käufer den Verkäufer aufsucht und sich bei diesem digitale Inhalte auf einen von ihm mitgebrachten USB‑Stick lädt. Dann liegt ein Platzkauf gem. Art. 143 GEK‑Vorschlag vor. Diese Fälle stellen im Rahmen des GEK‑ Vorschlags aber eher seltene Ausnahmefälle dar. 47 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 499. 48 Vgl. auch Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 499, wobei das Problem dort mehr in der Unterscheidung zwischen Art. 144 I GEK‑Vorschlag und Art. 144 II GEK‑Vorschlag gesehen und Art. 143 I GEK‑Vorschlag etwas außen vor gelassen wird. Das Problem ist aber das gleiche. 49 Schulze/Zoll, Art. 93, Rn. 7; so auch Remien, in Schmidt-Kessel, Der Entwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, Kommentar Art. 93, Rn. 6.
§ 15 Gefahrtragung bei digitalen Inhalten
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zwischen Verbraucher- und Unternehmergeschäften auf. Denn maßgeblich ist auch hier die beliebige Reproduzierbarkeit des Kaufgegenstandes. Daher sollte auch beim Unternehmergeschäft die Gefahr mit Abschluss des Downloadvorganges übergehen. Da Art. 142 II GEK‑Vorschlag die Parallelvorschrift zu Art. 142 I GEK‑Vorschlag darstellt50 und sich Art. 142 I GEK‑Vorschlag und Art. 143 I GEK‑Vorschlag weitestgehend entsprechen51, lässt sich das sachgerechte Ergebnis über Art. 143 I GEK‑Vorschlag erzielen. Auch in der Literatur wird befürwortet, dass die „Annahme“ i. S. d. Art. 143 I GEK‑Vorschlag der digitalen Inhalte ebenso auszulegen ist wie die „Kontrollerlangung“ bei Verbraucherverträgen.52 Daher ist auch bei Art. 143 I GEK‑Vorschlag in den Downloadfällen auf den Abschluss des Downloadvorganges abzustellen53.
b) E‑Mail-Versand Versendet der Verkäufer digitale Inhalte per E‑Mail an den Käufer, so erlangt dieser die vollständige Verfügungsmöglichkeit mit Eingang in seinem E‑MailPostfach. Da der Posteingang als elektronischer Briefkasten zu betrachten ist und sich daher die digitalen Inhalte bereits im Herrschaftsbereich des Käufers befinden, liegen sowohl die Voraussetzungen der „Annahme“ i. S. d. Art. 143 I GEK‑Vorschlag als auch der „Bereitstellung“ i. S. d. Art. 144 II GEK‑Vorschlag vor. Soweit daher bei einem E‑Mail-Versand von digitalen Inhalten eine Bringschuld des Verkäufers als sinnvoll erachtet wird54 und man folglich die Gefahrtragungsvorschrift des Art. 144 II GEK‑Vorschlag anwenden würde, gelangt man zu keinem von Art. 143 I GEK‑Vorschlag abweichenden Ergebnis. Der Gefahrübergang mit Eingang im Postfach des Käufers ist sachgerecht. Der Käufer hat auf die sich im E‑Mail-Postfach befindliche Kopie die ausschließliche Zugriffsmöglichkeit. Die digitalen Inhalte sind bereits im Zugriffsbereich des Käufers gespeichert. Eine Speicherung auf einer lokalen Festplatte sollte nicht mehr als zusätzliche Voraussetzung des Gefahrübergangs gefordert werden. Auch aus der Tatsache der beliebigen Reproduzierbarkeit ergibt sich hier nichts anderes. Denn es sollte vom Verkäufer nicht gefordert werden können, die Zusendung weiterer Kopien beliebig oft zu wiederholen, weil dem Käufer eine lokale Speicherung (noch) nicht möglich ist. Der Verkäufer hat sich vielmehr mit erfolgreicher Zusendung der digitalen Inhalte den Kaufpreis verdient. Die für den Käufer bestimmte Kopie ist nun vorhanden, so dass auch eine Zuordnung zum Vertrag erfolgt ist.55 50 Dazu
oben § 15 II.1.a)aa).
51 Dazu oben § 7 II.4.b). 52 So Oliva Blázquez, in:
Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 192. 53 So auch Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 262. 54 So wohl Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 262. 55 Vgl. Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 261 f.
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
3. Lieferung vertragswidriger digitaler Inhalte Liefert der Verkäufer vertragswidrige digitale Inhalte und beendet der Käufer entsprechend Art. 106 I lit. (c), 114 GEK‑Vorschlag den Vertrag, so hat der Käufer in jedem Fall Wertersatz zu leisten, vgl. Art. 173 I GEK‑Vorschlag.56 Der Wertersatz berechnet sich gem. Art. 173 IV GEK‑Vorschlag nach dem Geldwert, den der Verbraucher durch die Nutzung der digitalen Inhalte gespart hat. Was dies genau bedeuten soll, ist unklar. Insbesondere bei vollständig nicht nutzbaren digitalen Inhalten kommt aber in Betracht, dass der Verbraucher nichts gespart hat. Der Wortlaut des Art. 173 I GEK‑Vorschlag stellt aber mit dieser Regelung digitale Inhalte generell dem Fall gleich, dass Ware nicht zurückgegeben werden kann, weil sie untergegangen ist. Dies gilt auch, wenn die digitalen Inhalte auf einem materiellen Datenträger gespeichert sind. Bei Waren trägt der Käufer grundsätzlich das Risiko, dass die Waren untergehen, da er hierfür Wertersatz zu leisten hat. Bei digitalen Inhalten kommt es nun aber auf einen Untergang gar nicht mehr an. Überspitzt formuliert bedeutet dies, der Käufer trägt das Risiko der Lieferung vertragswidriger Ware durch den Verkäufer. Dennoch wird offenbar die Gleichstellung von digitalen Inhalten mit dem Untergang der Ware und der daraus folgenden Unmöglichkeit der Rückgabe für gerechtfertigt gehalten, da digitale Inhalte keinen gegenständlichen Wert, sondern ausschließlich einen Nutzungswert haben.57 Der Grund der Regelung wird offenbar darin gesehen, dass der Käufer sonst die digitalen Inhalte zurückgeben könnte und sich vorher eine Kopie davon gemacht haben könnte.58 Dieser Ansatz der Wertersatzpflicht ist keine überzeugende Lösung.59 Zwar erscheint eine Rückgabe der digitalen Inhalte durch den Käufer verbunden mit dem Löschen der Inhalte auf seinem Nutzungsgerät etwas merkwürdig. Es ist aber dennoch nicht sachgerecht, dem Verbraucher für digitale Inhalte eine so weitgehende Wertersatzpflicht aufzuerlegen, da das Synallagma aufgrund der Vertragswidrigkeit der Ware durch den Verkäufer gestört wurde. Auch das Argument der Vermeidung der Mißbrauchsgefahr, wonach sich der Käufer sonst unbemerkt Kopien zurückbehalten könnte und ihm damit der Wert der digitalen Inhalte verbliebe, überzeugt nicht. Denn es liegt ja gerade der Fall vor, dass die Ware vertragswidrig ist und demnach die Erwartungen des Käufers nicht erfüllt sind. Zu diesem Ergebnis kam wohl auch das Europäische Parlament, das im Hinblick darauf in seinen verabschiedeten Änderungsvorschlägen60 auch diesbezüglich Verbes56 Siehe auch Loos, euvr 2014, 156; 57 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 779.
Schulze/Lehmann, Art. 173, Rn. 24.
58 Loos, euvr 2014, 156; Schulze/Lehmann, Art. 173, Rn. 24. 59 So wohl auch Wendehorst, in: Remien/Herrler/Limmer,
Gemeinsames Europäisches Kaufrecht für die EU?, S. 201; Koch, in: Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts, S. 246, Fn. 100; Loos, euvr 2014, 156. 60 European Parliament legislative resolution of 26 February 2014 on the proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council on a Common European Sales Law
§ 15 Gefahrtragung bei digitalen Inhalten
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serungen vorgesehen hat, vgl. Amendments 229–231. Demnach solle die Regelung vorsehen, dass auch die Rückgabe der digitalen Inhalte möglich und kein Wertersatz zu leisten ist, wenn sichergestellt ist, dass der Käufer keine Kopie zurückbehalten hat, vgl. Amendment 230. Diese Änderungsvorschläge sind zu begrüßen und führen zu einem sachgerechten Ergebnis.61
III. Verbraucherrechte-RL Gem. Art. 17 Verbraucherrechte-RL findet die Gefahrtragungsnorm des Art. 20 Verbraucherrechte-RL für Kaufverträge über die Lieferung von digitalen Inhalten, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, keine Anwendung. Dies ist verwunderlich, da die Vorschriften der Verbraucherrechte-RL grundsätzlich Kaufverträge über nicht körperlich gespeicherte digitale Inhalte umfassen.62 In der Literatur schlug man auch vor, die Vorschriften der Verbraucherrechte-RL zum Gefahrübergang auf digitale Inhalte auszudehnen und als Zeitpunkt des Gefahrübergangs die Erlangung der Kontrolle über die digitalen Inhalte durch den Verbraucher festzusetzen.63 Der Grund für die Nichtregelung ist wohl darin zu sehen, dass Art. 20 Verbraucherrechte-RL nur den Versendungskauf zum Gegenstand hat. Nicht auf einem materiellen Datenträger gespeicherte Inhalte können aber nicht derart befördert werden.64
IV. UN‑Kaufrecht 1. Anwendbarkeit des UN‑Kaufrechts Das CISG enthält keine ausdrücklichen Vorschriften für Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte und hält somit auch keine gesonderten Regelungen für den Gefahrübergang bei derartigen Verträgen bereit. Zu untersuchen ist zunächst, ob Kaufverträge über digitale Inhalte, ohne dass die digitalen Inhalte hierbei gespeichert auf einem materiellen Datenträger übergeben werden, auch unter das Übereinkommen fallen. Nach dem sachlichen Anwendungsbereich gem. Art. 1 I CISG unterfallen nur Kaufverträge über Waren dem Übereinkommen. Der Begriff der Ware ist autonom auszulegen und erfasst nach übereinstimmender Auffassung bewegliche, körperliche Gegenstände.65 Die ganz überwiegende Meinung wendet das CISG auch auf Verträge an, bei denen die Lieferung (COM(2011)0635 – C7-0329/2011 – 2011/0284(COD)) (Ordinary legislative procedure: first reading); Dokument P7_TA(2014)0159. 61 So auch Loos, euvr 2014, 157. 62 Vgl. Art. 2 Nr. 11 Verbraucherrechte-RL. 63 Schmidt-Kessel/Young/Benninghoff/Langhanke/Russek, GPR 2011, 13. 64 Dazu oben § 15 II.2. 65 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 1, Rn. 34; MünchKomm/Westermann, Art. 1, Rn. 6; Staudinger/Magnus, Art. 1, Rn. 42, 43.
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
von Software auf dem Wege der elektronischen Übermittlung erfolgt.66 Ein Ausschluss aus dem Übereinkommen ist aus sachlichen Gesichtspunkten denkbar, soweit andere als kaufvertragliche Elemente für den Gesamtvertrag charakteristisch sind, vgl. Art. 3 II CISG, was gerade bei Verträgen über die Herstellung und Lieferung von Individualsoftware der Fall sein kann.67 Generell spricht aber nichts dagegen, Verträge über Standardsoftware dem Übereinkommen zu unterstellen, soweit vertragstypologisch ein Kaufvertrag vorliegt. Denn für die Einordnung von Software unter den Warenbegriff des UN‑Kaufrechts ist letztlich entscheidend, dass auch elektronisch übermittelte Ware jederzeit auf einem Datenträger verkörpert existiert.68
2. Gefahrübergang und digitale Inhalte Unterfällt ein Kaufvertrag über den Erwerb von Standardsoftware, die nicht auf einem transportablen Datenträger gespeichert geliefert werden soll, dem UN‑ Kaufrecht, müssen auch die Normen zum Gefahrübergang angewendet werden. Hier können sich aber Fragen stellen, die soweit ersichtlich in der Literatur – außer zum GEK‑Vorschlag69 – noch nicht behandelt wurden. Derartige Vertragsgegenstände hatten die Normgeber bei Konzeption des Übereinkommens nicht vor Augen und die Terminologie ist auf gegenständliche Güter ausgerichtet. Wendet man die Gefahrtragungsnormen auf derartige Verträge über digitale Inhalte an, stellen sich dieselben Fragen wie auch im GEK‑Vorschlag zu den Unternehmergeschäften. Zunächst ist es schwierig, die anwendbare Gefahrtragungsnorm zu bestimmen, da sich derartige Verträge schwer in die im CISG notwendige Kategorisierung nach Abwicklungsformen des Kaufs einordnen lassen. Es stellt sich die Frage, ob und in welchen Fällen Art. 69 I (Sitz des Verkäufers) oder Art. 69 II CISG (anderer Ort als die Niederlassung des Verkäufers) anzuwenden ist. Sehr zweifelhaft erscheint auch, ob die Gefahrtragungsregelungen von zu befördernden Waren (Art. 67, 68 CISG) nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften auf den Verkauf von digitalen Inhalten passen, wenn diese nicht auf einem materiellen Datenträger gespeichert sind. Im GEK‑Vorschlag ist dies für die beiden vergleichbaren Vorschriften (Art. 145, 146 GEK‑ Vorschlag) ausgeschlossen, indem die Vorschriften ausweislich ihres Absatz 1 66 OGH 21.06.2005, IHR 2005, 196; Handelsgericht Zürich 17.02.2000, CISG-online 637; Rechtbank Arnhem 28.06.2006, CISG-online 1265; OLG Köln 26.08.1994, RIW 1994, 971; MünchKomm/Westermann, Art. 1, Rn. 6; Staudinger/Magnus, Art. 1, Rn. 44; Witz/Salger/ Lorenz/Lorenz, Art. 1, Rn. 6; Honsell/Siehr, Art. 2, Rn. 4; Diedrich, Autonome Auslegung von Internationalem Einheitsrecht, S. 315; Hilberg, Die autonome Anwendbarkeit des UN‑Kaufrechts auf moderne Geschäftsfelder, S. 17 ff., S. 41, S. 303; Johannsen, Die Haftung für Softwarefehler aus internationalen Kaufverträgen, S. 55; Piltz, RIW 2000, 488. 67 Vgl. Honsell/Siehr, Art. 2, Rn. 4; Staudinger/Magnus, Art. 1, Rn. 44. 68 Johannsen, Die Haftung für Softwarefehler aus internationalen Kaufverträgen, S. 55. 69 Dazu oben § 15 II.
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lediglich für Waren gelten.70 Jedenfalls beim Verkauf reisender Ware sind solche Konstellationen ausgeschlossen. Bei Art. 67 I CISG könnte man beispielsweise erwägen, den E‑Mail-Provider im Falle elektronischer Übermittlung als Beförderer anzusehen. Derartige Überlegungen überzeugen jedoch nicht. Die Vorschrift ist auf den Transport gegenständlicher Ware über räumliche Distanz durch einen Beförderer zugeschnitten. Wie im GEK‑Vorschlag müsste entschieden werden, ob die Gefahrtragungsnorm für den Sitz des Verkäufers als Erfüllungsort angewendet wird oder der Erfüllungsort an einem anderen Ort als der Niederlassung des Verkäufers liegt. Insofern kann auf die Ausführungen zum GEK‑Vorschlag verwiesen werden.71 Es ist zu unterscheiden. Bei Übermittlung per E‑Mail sollte man auf den Moment des Posteingangs beim Empfänger abstellen. Meist dürfte hier eine Ähnlichkeit zum Fernkauf gegeben sein, so dass konsequenterweise auch Art. 69 II CISG anzuwenden ist, aber auch bei Anwendung des Art. 69 I CISG gelangt man zu diesem sachgerechten Ergebnis. Bei zum Download angebotenen digitalen Inhalten sollte Art. 69 I CISG angewendet werden und die Gefahr damit erst mit Übernahme übergehen.72 Bei Auslegung des Begriffs der Übernahme gem. Art. 69 I CISG ist zu entscheiden, ob die Gefahr erst mit beendetem und erfolgreichem Download übergeht. Da bei Art. 69 I CISG in den Fällen des Platzkaufs eine Holschuld des Käufers vorliegt, könnte man geneigt sein, hier eine Parallele zur Verteilung des Verladerisikos bei Ware zu ziehen. Da der Käufer bei der Holschuld das Verladerisiko trägt,73 trüge auch der Käufer das Risko während des Downloadvorgangs. Eine solche Betrachtung überzeugt indes nicht. Dies zeigt schon die systematische Unterscheidung des Wortlauts zwischen Art. 69 I CISG und Art. 69 II CISG. Denn der Gefahrtragungsbereich des Verkäufers ist in Art. 69 I CISG mit dem Abstellen auf die Übernahme gerade größer als in Art. 69 II CISG, der die bloße Zurverfügungstellung zum Gefahrübergang ausreichen lässt. In Art. 69 I CISG hat der Verkäufer die Gefahr bis zur Übernahme zu tragen. Würde man hier zur Auslegung auf die Grundsätze für physische Waren abstellen, nach denen im Rahmen des Art. 69 I CISG eine Holschuld und in den Fällen des Art. 69 II CISG eine Bringschuld vorliegt und der Verkäufer demnach die Gefahr bei Art. 69 I CISG kürzer und bei Art. 69 II CISG länger zu tragen hätte, würde man die systematische Unterscheidung des Wortlauts der beiden Absätze also gerade in ihr Gegenteil verkehren. Vielmehr sollte man sich auch an der zum GEK‑ Vorschlag erzielten Lösung orientieren und die Gefahr erst mit abgeschlossenem Downloadvorgang auf den Käufer übergehen lassen, soweit der Wortlaut des Art. 69 I CISG die Übernahme durch den Käufer fordert.74 Die Vorschrift 70 Dazu
oben § 15 II.2. oben § 15 II.2. 72 Vgl. dazu zum GEK‑Vorschlag § 15 II.2.a). 73 Siehe hierzu § 7 I. 3. 74 Dazu oben § 15 II.2.a); zu der vergleichbaren Vorschrift des Art. 143 I GEK‑Vorschlag 71 Dazu
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
stellt letztlich auf die Erlangung der tatsächlichen Herrschaft ab. Diese hat der Käufer aber gerade noch nicht erlangt, wenn der Downloadvorgang nicht erfolgreich war. Die Art. 143 I GEK‑Vorschlag und Art. 69 I CISG entsprechen sich auch beinahe wörtlich, so dass unterschiedliche Ergebnisse in dieser Frage auch systematisch kaum überzeugen können.
V. Deutsches Recht Im deutschen Recht beschränken sich die kaufrechtlichen Vorschriften gem. § 433 I 1 BGB auf den Kauf einer Sache. Sache ist gem. § 90 BGB jeder körperliche Gegenstand. Die h.M ordnet Verträge der dauerhaften Überlassung von Standardsoftware als Sachkauf ein.75 Man solle beim Kauf von auf einem materiellen Datenträger gespeicherter Software direkt die kaufrechtlichen Vorschriften anwenden, während man bei trägerloser Software über § 453 I Alt. 2 BGB zu den kaufrechtlichen Vorschriften gelange.76 Die Gefahr geht dann also gem. § 446 S. 1 BGB mit der Übergabe auf den Käufer über. Ein Versendungskauf mit Folge der Anwendung des § 447 BGB sollte auch bei elektronischer Übermittlung nicht angenommen werden.77 Die hierfür erforderliche Auslieferung an den Beförderer als Anknüpfungsmoment des Gefahrübergangs bedeutet eine physische Übergabe der Ware.78 Eine solche wird bei elektronischer Übermittlung nicht vorgenommen. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift erscheint nicht passend. Die eine Entlastung des Verkäufers von der Transportgefahr bezweckende Vorschrift des § 447 BGB wird hier nicht benötigt. Waren sind beim Transport über eine räumliche Distanz ungleich größeren Gefahren ausgesetzt als auf elektronischem Wege übermittelte digitale Inhalte. Eine elektronische Übermittlung eines Datensatzes ist nicht vergleichbar mit der Überwindung räumlicher Distanz durch physische Ware. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich die Diskussion vor Augen führt, ob die Gefahrtragung des Käufers auf dem Transport aus Wertungsgesichtspunkten überzeugt.79 Im Fokus der Diskussion stehen hierbei Argumente wie Transportkosten, Beschaffung und Kostentragung eines geeigneten Versicherungsschutzes, Transportstrecke und schwierige Beweisbarkeit des Schaso auch Loos/Helberger/Guibault/Mak, ERPL 2011, 755; Druschel, Die Behandlung digitaler Inhalte im GEKR, S. 262; Oliva Blázquez, in: Plaza Penadés/Martínez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, S. 192. 75 BGH 04.11.1987, NJW 1988, 406; BGH 08.02.1978, NJW 1978, 997; BeckOK BGB/ Faust, § 433, Rn. 26. 76 Staudinger/Beckmann, Neubearb. 2004, § 453, Rn. 53. 77 Dazu schon oben beim GEK‑Vorschlag § 15 II.2, zum CISG § 15 IV. 2. 78 BGH 05.12.1990, NJW 1991, 915, 916; Staudinger/Beckmann, § 447, Rn. 20; Palandt/Weidenkaff, § 447, Rn. 14; MünchKomm/Westermann, § 447, Rn. 14; PWW/D. Schmidt, § 447, Rn. 12. 79 Dazu oben § 9 IV. 4.
§ 15 Gefahrtragung bei digitalen Inhalten
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denszeitpunktes.80 Diese Themen haben bei der elektronischen Übermittlung kaum Bedeutung. Damit greift § 446 BGB. Unter der Übergabe des § 446 S. 1 BGB ist die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes und somit die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft zu verstehen.81 Dieses Erfordernis ist auf körperliche Gegenstände zugeschnitten, so dass es Schwierigkeiten bereitet, die Übertragung trägerloser digitaler Inhalte an diesem Erfordernis zu messen. Die Vorschriften der §§ 854 ff. BGB sind auch ausschließlich auf Sachen anwendbar.82 Gem. § 453 I Alt. 2 BGB hat man aber § 446 S. 1 BGB entsprechend anzuwenden. Daher sollte man die Grundsätze der Besitzerlangung entsprechend heranziehen. Es ist jedenfalls die Einwirkungsmöglichkeit des Käufers auf die Sache zu fordern.83 Bei elektronischer Übermittlung der Inhalte durch den Verkäufer ist es auch hier sinnvoll, bereits mit Eingang in den Organisationsbereich des Käufers einen Gefahrübergang anzunehmen.84 Beim Download der Inhalte von Servern des Verkäufers erfordert die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über den Kaufgegenstand den Abschluss des Downloadvorganges.85
VI. Wertende Zusammenfassung Die Kodifizierung gesonderter Gefahrtragungsregeln für Verträge, welche nicht auf einem materiellen Datenträger gespeicherte digitale Inhalte zum Gegenstand haben, ist ein Novum des GEK‑Vorschlags, der sich damit auch bemüht, sein selbst gestecktes Ziel der Schaffung einer modernen Kodifikation zu erreichen. Wie der Rechtsvergleich gezeigt hat, bereiten die auf physische Waren ausgerichteten Gefahrtragungsregeln von CISG und BGB erhöhte Probleme, sobald trägerlose Inhalte veräußert werden. Besonders deutlich ist dies im deutschen Recht, da die Übergabe mit der Erlangung des unmittelbaren Besitzes erfolgt sein soll, die Besitzvorschriften aber ausschließlich auf Sachen Anwendung finden, was diese digitalen Inhalte aber gerade nicht sind.86 Die Schaffung gesonderter Vorschriften für derartige Kaufgegenstände ist daher sinnvoll und begrüßenswert, zugleich aber aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten der virtuellen Welt äußerst ambitioniert. Es ist im GEK‑Vorschlag aber zu bedauern, 80 Vgl. hierzu Kötz, Vertragsrecht, Rn. 842; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 101 ff. 81 BGH 01.02.1982, NJW 1983, 627 f.; BGH 24.11.1995, NJW 1996, 587; BeckOK BGB/ Faust, § 446, Rn. 6; Erman/Grunewald, § 446, Rn. 5; Jauernig/Berger, § 446, Rn. 6; MünchKomm/Westermann, § 446, Rn. 7; Staudinger/Beckmann, § 446, Rn. 19, 20; Reinicke/Tiedtke, Rn. 156; Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf, S. 73; Ewert, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag, S. 26. 82 MünchKomm/Joost, § 854, Rn. 2. 83 Merkmal zur Bestimmung der Ausübung tatsächlicher Gewalt, vgl. PWW/Prütting, § 854, Rn. 7; Palandt/Bassenge, § 854, Rn. 3. 84 Zum GEK‑Vorschlag vgl. oben § 15 II.2.b). 85 Vgl. hierzu zum GEK‑Vorschlag § 15 II.2.a) und zum UN‑Kaufrecht § 15 IV. 86 Dazu oben § 15 V.
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
dass diese Sondervorschriften ausschließlich für den Verbraucherkauf existieren, während man beim Unternehmerkauf wiederum die an physischen Waren orientierten Begrifflichkeiten nutzen muss. Ein Fortschritt ist damit allenfalls für die Verbraucherverträge erzielbar. Eine logische Erklärung gibt es hierfür nicht. In der Sache bestehen Probleme bei der genaueren Bestimmung der geforderten Kontrollerlangung.87 Es ist aber anzuerkennen, dass eine Kodifikation hier nicht detailliert alle denkbaren Fälle der virtuellen Welt normieren kann. Eine derartige Regelung wäre bei stetem technischem Fortschritt ohnehin zu schnell überholt. Hier entsteht Auslegungsarbeit der Rechtsanwender. Begrüßenswert wären allerdings Anhaltspunkte in den Erwägungsgründen. Hier könnte man insbesondere zu den wichtigen Downloadfragen Stellung beziehen. Die Auslegung muss anhand des Wortsinns, der technischen Modalitäten und der Kriterien einer interessengerechten Gefahrverteilung erfolgen sowie anhand des Leitgedankens der Verfasser des GEK‑Vorschlags, eine Parallelität zur Besitzerlangung des Art. 142 I GEK‑Vorschlags herzustellen88. Bei der Einräumung bloßer Zugriffsmöglichkeiten wie beim Streaming und dem Zugang zu Archiven, sollten die kaufrechtlichen Vorschriften nicht angewendet werden und jedenfalls eine Gefahrtragung des Nutzers für diese Inhalte nicht in Betracht kommen.89 Bei einer derartigen Ausgestaltung ist es nicht interessengerecht, dem Verbraucher die Preisgefahr aufzubürden. Geht es um Verträge, bei denen der Verbraucher die Inhalte per Download auf ein eigenes Speichermedium verbringen soll, erscheint ein Abstellen auf die konkrete Nutzungsmöglichkeit des Verbrauchers als zu weitgehend. Nach erfolgreichem Download kann man aber von einer Kontrollerlangung durch den Verbraucher sprechen.90 Darauf abgestimmt sollte man eine den Gefahrübergang bewirkende Säumnis des Verbrauchers lediglich annehmen, wenn dieser gar nicht tätig geworden ist. Sonst würde man das Risiko des Downloadvorgangs doch wieder dem Verbraucher aufbürden.91 Entscheidend für die Sachgerechtigkeit dieser Lösung ist die Reproduzierbarkeit der digitalen Inhalte beim Verkäufer. Regelungen für Versendungskäufe mit Schickschuldcharakter sind für trägerlos übermittelte Software nicht zur Anwendung geeignet.92 Im GEK‑Vorschlag wird dies in Art. 142 IV für Verbrauchergeschäfte und in den Art. 145, 146 für Unternehmergeschäfte deutlich. Bei den im Unternehmergeschäft geltenden allgemeinen Regeln zum Gefahrübergang findet sich in keiner der Kodifikationen eine auf die Besonderheiten 87 Dazu
oben § 15 II.1.a). oben § 15 II.1.b)bb). oben § 15 II.1.a)bb). 90 Dazu oben § 15 II.1.a)cc). 91 Dazu oben § 15 II.1.b)aa). 92 Dazu oben zum GEK‑Vorschlag § 15 II.2; zum UN‑Kaufrecht § 15 IV; zum deutschen Recht § 15 V. 88 Dazu 89 Dazu
§ 16 Gefahrtragung und Widerrufsrechte
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von trägerlosen digitalen Inhalten abgestimmte Regelung. Bei der Abwicklung mittels elektronischer Übermittlung an den Käufer sollte der Gefahrübergang mit Eingang der E‑Mail beim Empfänger als bewirkt angesehen werden, was im CISG und GEK‑Vorschlag bei Anwendung der verschiedenen Vorschriften erreicht wird. Bei Download-Geschäften sollte man bei Anwendung von Art. 143 I GEK‑Vorschlag und Art. 69 I GEK‑Vorschlag den Gefahrübergang entsprechend den Regelungen bei Verbrauchergeschäften erst mit erfolgreichen Download annehmen.93 Eine Unterscheidung zu den Verbraucherverträgen ist hier nicht sachgerecht. Insgesamt liefert der GEK‑Vorschlag mit einer besser auf die virtuelle Welt zugeschnittenen Terminologie einen Fortschritt auf dem Gebiet der Gefahrtragung. Weitere Konkretisierungen wären aber hilfreich für die vom Rechtsanwender vorzunehmende Auslegung. Die hier erzielten Ergebnisse können mithilfe einer rechtsvergleichenden Auslegung auch Einfluss auf die anderen Kodifikationen haben.
§ 16 Gefahrtragung und Widerrufsrechte Der GEK‑Vorschlag gibt durch eine Ausnahmeregelung Anlass zu der Frage, in welchem Verhältnis Widerrufsrechte des Verbrauchers und Gefahrtragung zueinander stehen. Nach Art. 142 III 1 GEK‑Vorschlag geht die Gefahr grundsätzlich auf den Verbraucher über, wenn der Verbraucher seine Verpflichtung zur Übernahme der Waren nicht erfüllt. Dies gilt allerdings nicht bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen.94 Die Ausnahmeregelung für Fernabsatzverträge und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Verträge gilt nur bei Säumnis.95 Eine vergleichbare Ausnahme enthielt der DCFR noch nicht,96 jedoch war sie dann in der Feasibility Study schon vorgesehen.97 Bei diesen Verträgen bleibt der Verkäufer auch dann mit der Gefahr belastet, wenn der Verbraucher die Waren nicht übernimmt. Art. 142 III 2 GEK‑Vorschlag, der bestimmt, dass die Gefahr bei Nichtübernahme in dem Zeitpunkt auf den Verbraucher übergeht, in dem der Verbraucher Besitz erlangt hätte, wenn er seine Übernahmeverpflichtung erfüllt hätte, gilt damit nicht bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Ge-
93 Siehe zum GEK‑Vorschlag § 15 II.2.a); 94 Zöchling-Jud, AcP 212 (2012), 569. 95 Dazu oben § 13. 96 Vgl. Art. IV. A. –
zum UN‑Kaufrecht § 15 IV. 2.
5:103 DCFR; Lorenz, AcP 212 (2012), S. 829. Study, Art. 145 II; siehe auch Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 482, Fn. 46. 97 Feasibility
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
schäftsräumen geschlossenen Verträgen. Kauft also ein Verbraucher im Wege des Fernabsatzes einen Fernseher und übernimmt er den Fernseher nicht wie vereinbart, so geht die Gefahr nicht auf ihn über. Diese Sonderregelung für die Säumnis bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen drängt die Frage nach dem Sinn und Zweck der Ausnahme auf. Eine Erläuterung seitens der Verfasser des GEK‑Vorschlags gibt es nicht. Grundsätzlich besteht zwischen der Vertragsschlusssituation und dem Gefahrübergang kein Zusammenhang. Eine Bedeutung könnte dieser Ausnahme hingegen zukommen, wenn sie den Schutz des Widerrufsrechts des Verbrauchers bezweckt. Die sich bislang in der Literatur zur Ausnahmeregelung des Art. 142 III GEK‑Vorschlag äußernden Stimmen sehen überwiegend keinen (oder zumindest keinen überzeugenden) Sinn in dieser Ausnahme und halten sie daher für verfehlt.98
I. Unabhängigkeit von Widerrufsfrist und Gefahrübergang Die Kritik wird vielfach darauf gestützt, dass die sich aus Art. 42 GEK‑Vorschlag ergebende Widerrufsfrist durch den Gefahrübergang und daher auch das Widerrufsrecht durch den Gefahrübergang nicht beeinflusst wird.99 Dem ist zuzugeben, dass die Widerrufsfrist tatsächlich unabhängig vom Gefahrübergang ist. Nach Art. 42 I lit. (a) GEK‑Vorschlag beginnt die Frist erst, sobald „der Verbraucher die Waren in Empfang genommen hat“. Hätte man also die Ausnahmeregelung in Art. 142 III GEK‑Vorschlag mit dem Ziel eingeführt, zu verhindern, dass einem säumigen Verbraucher durch die Säumnis das Widerrufsrecht genommen wird, so wäre die Ausnahme überflüssig. Denn wie der Blick auf Art. 42 I lit. (a) GEK‑Vorschlag zeigt, beginnt die Frist nicht, bevor die Ware tatsächlich beim Verbraucher angelangt ist.
II. Fehlende Regelung in der Verbraucherrechte-RL Weiterhin wird erwogen, die Ausklammerung von Fernabsatz- und Haustürgeschäften aus Art. 142 III GEK‑Vorschlag sei vorgenommen worden, weil auch 98 Lorenz, AcP 212 (2012), S. 829; Faust, in: Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales europäisches Kaufrecht, S. 273; Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 175, Rn. 37; Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 482; Zöchling-Jud, AcP 212 (2012), 569, 570; ELI, Statement CESL, S. 247, rechte Spalte, Anm. (3) („there is no justification for excluding distance and off-premises contracts“). 99 Faust, in: Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales europäisches Kaufrecht, S. 273; Faust, in: Remien/Herrler/Limmer, Gemeinsames Europäische Kaufrecht für die EU?, S. 175, Rn. 37; Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 482; Zöchling-Jud, AcP 212 (2012), 569.
§ 16 Gefahrtragung und Widerrufsrechte
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die Verbraucherrechte-RL keine Regelung über den Annahmeverzug enthält.100 Möglicherweise wollten die Verfasser des GEK‑Vorschlags also erreichen, dass der GEK‑Vorschlag bei Fernabsatz- und Haustürgeschäften nicht hinter das Verbraucherschutzniveau der Verbraucherrechte-RL zurückfällt. Denn ohne diese Ausnahme hätte im Falle eines Annahmeverzugs bei einem Fernabsatzvertrag nach der Verbraucherrechte-RL kein Gefahrübergang stattgefunden, während der Verbraucher bei Wahl des optionalen Instruments die Preisgefahr nach einem Annahmeverzug beim Fernabsatzvertrag bereits trägt. Sollte dies die Intention der Verfasser sein, so hätten sie aber übersehen, dass auch Art. 20 Verbraucherrechte-RL einen größeren Anwendungsbereich als Fernabsatz- und Haustürgeschäfte hat und für alle Verträge gilt.101 Die Verbraucherrechte-RL ordnet einen Gefahrübergang im Falle des Annahmeverzugs also nicht nur bei Fernabsatz- und Haustürgeschäften nicht an, sondern auch bei allen anderen Verbraucherverträgen nicht. Diese Rechtfertigung überzeugt also deshalb nicht, weil man infolge des Fehlens eines Gefahrübergangs durch Annahmeverzug in der Verbraucherrechte-RL immer noch eine Schlechterstellung des Verbrauchers für alle anderen Verbraucherverträge im GEK‑Vorschlag hätte. Nach dieser Argumentation trüge bei einem Vertrag ohne besondere Vertragsschlusssituation der Verbraucher im Falle des Annahmeverzugs nach dem GEK‑Vorschlag die Preisgefahr, nach der Verbraucherrechte-RL jedoch nie. Die Ausnahme wäre also unzureichend, da man zwar einen Gleichlauf von GEK‑Vorschlag und Verbraucherrechte-RL auf dem Gebiet der Fernabsatzverträge und der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge erzielen würde, nicht jedoch auf dem Gebiet aller anderen Verbraucherverträge. Zudem wäre eine solche Rechtfertigung deshalb nicht schlüssig, weil zwar die Verbraucherrechte-RL eine solche Annahmeverzugsregelung nicht enthält, die Mitgliedstaaten aber dennoch Gefahrtragungsregelungen für den Fall des Annahmeverzugs zum Nachteil des Verbrauchers bereithalten (können).102 Die Nichtregelung des Annahmeverzugs in der Verbraucherrechte-RL führt nämlich nicht zum Verbot für die Mitgliedstaaten, den Gefahrübergang auf den Verbraucher im Falle des Annahmeverzugs anzuordnen. Eine solche Regelung fällt nicht in den Anwendungsbereich der Verbraucherrechte-RL, so dass die mitgliedstaatlichen Vorschriften hinsichtlich eines Gefahrübergangs infolge eines Annahmeverzugs nicht von Gemeinschaftsrecht überlagert werden.103
100 Zöchling-Jud, AcP 212 (2012), 569; dies zieht auch Lorenz, AcP 212 (2012), S. 829 in Erwägung; zur Verbraucherrechte-RL oben § 13 I. 2.b). 101 Zöchling-Jud, AcP 212 (2012), 569, 570. 102 Vgl. dazu oben § 13 I. 2.b). 103 Dazu oben § 13 I. 2.b).
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
III. Schutz des Widerrufsrechts? Die bislang dargestellten, in der Literatur gemutmaßten Zwecke für die Aufnahme einer Ausnahme für Fernabsatzverträge und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträgen überzeugen also nicht und rechtfertigen die Ausnahme nicht. Eine solche Ausnahme kann aber ihren Sinn in einem Schutz des Widerrufsrechts des Verbrauchers haben, um ein Einstehen des Käufers für Schäden an der Ware zu vermeiden, die nicht in seiner Obhut entstanden sind.104
1. Vorüberlegungen Zur Erörterung dieser Frage sind zunächst einige allgemeine Überlegungen anzustellen. Generell könnte ein Übergang der Preisgefahr vor Ablauf der Widerrufsfrist unter Umständen für den Verbraucher nachteilig sein. Denn trägt der Verbraucher bereits die Gefahr des zufälligen Untergangs und geht die Sache bei ihm unter, schuldet er dennoch den Kaufpreis. Insofern besteht aber kein Unterschied zu anderen Vertragsverhältnissen, die kein Widerrufsrecht gewähren. Allein der bereits erfolgte Gefahrübergang ändert nun nichts an der Möglichkeit der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher. Der Verbraucher erhält im Widerrufsfall prinzipiell auch einen bereits gezahlten Kaufpreis zurück oder ist zur Zahlung nicht mehr verpflichtet, da er durch den Widerruf des Vertrags die Primärleistungspflichten zum Erlöschen bringt. Ist der Verbraucher aber im durch den Widerruf entstehenden Rückgewährschuldverhältnis zur Rückgewähr der Sache verpflichtet und kann er diese nicht mehr oder nur beschädigt zurückgeben, so hat er möglicherweise gem. Art. 45 III GEK‑ Vorschlag Wertersatz zu leisten. Wirtschaftlich stünde er dann also ohnehin so, als hätte er die Sache gekauft. Dies ist keine unmittelbare Folge der Gefahr tragungsregeln, sondern, wie bei der Beendigung des Vertrags aufgrund einer Vertragswidrigkeit,105 eine Frage der Haftung im Rückgewährschuldverhältnis. Die Behauptung, der Gefahrübergang beeinflusse das Recht zum Widerruf nicht,106 ist also zutreffend. Allerdings könnte der Gefahrübergang in wirtschaftlicher Hinsicht auf den Widerruf bzw. auf die Widerrufsfolgen Einfluss nehmen. Um ein für den Verbraucher günstigeres Ergebnis zu erzielen, könnte man bei Verträgen mit Widerrufsrecht möglicherweise erwägen, einen Gefahrübergang erst nach Ablauf der Widerrufsfrist anzunehmen. Würde Gefahrübergang erst mit Ablauf der Widerrufsfrist stattfinden, so könnte der Verbraucher im Falle eines Untergangs oder einer Verschlechterung während der Widerrufsfrist noch sein Widerrufsrecht ohne die für ihn negative Haftungsfolge ausüben. 104 Dies wird diskutiert bei Schulze/Zoll/Watson, Art. 142, Rn. 8; Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 483; dazu ausführlich sogleich unter § 16 III.2. 105 Vgl. dazu oben unter § 14 II.3. 106 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 482.
§ 16 Gefahrtragung und Widerrufsrechte
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Die Zahlungspflicht des Verbrauchers würde mangels Tragung der Preisgefahr wegfallen und er müsste den Kaufpreis für die zerstörte Ware nicht zahlen. Dies wäre bei Gefahrübergang erst mit Ablauf der Widerrufsfrist also nicht die Folge des Widerrufs, sondern bereits der Gefahrtragungsregeln. Da der Verkäufer noch die Preisgefahr trüge, könnte er die Zahlung nicht verlangen. Art. 142 III GEK‑Vorschlag stellt aber nicht auf den Ablauf der Widerrufsfrist ab, sondern auf die Säumnis. Im Übrigen schiene eine Regelung eines Gefahrübergangs erst mit Ende der Widerrufsfrist sehr verbraucherfreundlich und eröffnet auch Missbrauchsmöglichkeiten. So könnte der Verbraucher behaupten, dass die Zerstörung zufällig erfolgte und somit die Gefahrtragungsregel greift. Zu bedenken ist, dass der Verbraucher bereits die tatsächliche Sachherrschaft inne hat und somit eine weitere Tragung der Preisgefahr durch den Unternehmer im strikten Widerspruch zum Traditionsprinzip steht, welches ja schon für einen vergleichsweise späten Gefahrübergang sorgt. Zudem würde man dadurch die im Widerrufsrecht über die Haftungsregelung des Art. 45 III GEK‑Vorschlag getroffene Gefahrverteilung aushebeln. Denn diese ordnen an, dass Verschlechterungen innerhalb der Widerrufsfrist im Widerrufsfall unter gewissen Umständen vom Verbraucher zu tragen sind. Ein derart später Gefahrübergang erst mit Ende der Widerrufsfrist ist daher zu weitgehend und in Art. 142 III GEK‑Vorschlag auch nicht vorgesehen.
2. Schutz im Fall der Säumnis bei der Annahme Zum Schutz des Widerrufsrechts könnte man es aber auch bei genereller Geltung eines Gefahrübergangs vor dem Ende der Widerrufsfrist in Erwägung ziehen, einen frühzeitigen Gefahrübergang in Situationen auszuschließen, in denen der Verbraucher die tatsächliche Sachherrschaft gerade noch nicht erlangt hat. Solch ein Fall ist der Gläubigerverzug. In diesen Fällen ließe sich zumindest darüber nachdenken, den Gefahrübergang nicht auf den hypothetischen Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Annahme vorzuverlagern. Stellt man nämlich auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Annahme ab, so könnte der Verbraucher für während des Annahmeverzugs noch beim Unternehmer eingetretene Schäden die Kaufpreiszahlung mit Verweis auf die Gefahrtragung bzw. die Erklärung der Vertragsbeendigung vermeiden und wäre in diesen Fällen nicht auf das Widerrufsrecht angewiesen, wonach er im Wege des Wertersatzes für die Verschlechterung haften müsste. Diesen verbraucherschützenden Gedanken könnte also im Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht verfolgt haben, indem man bei der Regelung des Art. 142 III 1 GEK‑Vorschlag Fernabsatzverträge und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge ausgeklammert hat. Mit diesem Ausschluss lässt sich prinzipiell ein Schutz des Widerrufsrechts erreichen. Denn kommt der Verbraucher in Annahmeverzug und trüge er bereits die Gefahr gem. Art. 142 III GEK‑Vorschlag, so würde sein Widerrufsrecht praktisch
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
stark beeinträchtigt. Er müsste dann nämlich unter Umständen im Rahmen der Widerrufsfolgen durch die Verpflichtung zum Wertersatz für den Schaden einstehen, der nicht unter seiner Obhut, sondern unter Obhut des Verkäufers entstanden ist.107 Ist der einen Fernseher im Wege des Fernabsatzes kaufende Verbraucher also bei der Annahme des Fernsehers säumig und wird der Fernseher in der Obhut des Verkäufers oder seiner eingeschalteten Hilfspersonen zufällig verschlechtert oder zerstört, so wäre der Verbraucher bei derartigem Verständnis von den eingetretenen Wertminderungen wirtschaftlich entlastet. Hiermit wäre eine deutliche Besserstellung des Verbrauchers verbunden. Denn erhält er die – nach dem Eintritt seiner Säumnis – beschädigte Sache, so ist er schon aufgrund der Gefahrtragungsregeln nicht mehr zur vollständigen Zahlung verpflichtet.
3. Umfang der Haftung des Verbrauchers gem. Art. 45 III GEK‑Vorschlag Die angestellten Überlegungen ergeben jedoch nur unter der Prämisse Sinn, dass überhaupt eine Verpflichtung zum Wertersatz seitens des Verbrauchers für zufällige Verschlechterungen nach Art. 45 III GEK‑Vorschlag besteht. Denn nur wenn bei Ausübung des Widerrufsrechts überhaupt eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers für einen beim Verkäufer eingetretenen zufälligen Untergang oder eine Verschlechterung angeordnet wäre, kommt auch der Schutz des Widerrufsrechts in Betracht. Die genaue Bestimmung der Fälle, in denen der Verbraucher Wertersatz zu leisten hat, ist jedoch unklar. Nach dem Wortlaut des Art. 45 III GEK‑Vorschlag haftet der Verbraucher „für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Feststellung der Art, Beschaffenheit und Funktionstüchtigkeit der Waren nicht notwendigen Umgang mit ihnen zurückzuführen ist“. Damit kann aber nur die beim Verbraucher eingetretene Verschlechterung gemeint sein. Denn eine zufällige Verschlechterung der beim Verkäufer verbliebenen Ware ist jedenfalls nicht durch einen zur Feststellung der Art, Beschaffenheit und Funktionstüchtigkeit der Waren notwendigen Umgang eingetreten. Nur für diesen zur Feststellung erforderlichen Umgang entfällt aber die Wertersatzpflicht. Strikt nach dem Wortlaut des Art. 45 III GEK‑Vorschlag haftet der Verbraucher für den beim Verkäufer eingetretenen Schaden. Der Tatbestand des Art. 45 III GEK‑Vorschlag setzt nicht ausdrücklich voraus, dass der Käufer während des Wertverlusts im Besitz der Waren sein muss. Zur Auslegung muss auch das Telos der Vorschrift beachtet werden. Sinn und Zweck der Regelung des Art. 45 III GEK‑Vorschlag ist es, dem Verbraucher letztlich kostenfrei die Prüfung der gekauften Ware zu ermög107 Diese Intention wird dann auch vereinzelt in Betracht gezogen, vgl. Schulze/Zoll/Watson, Art. 142, Rn. 8; auch Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 483, der aber in diesem Fall eine Regelung unmittelbar bei den Widerrufsfolgen in Art. 45 III GEK‑Vorschlag für sinnvoller erachtet hätte.
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lichen.108 Lediglich diese Wertverluste sollen nicht ersetzt werden müssen. Daher kann man annehmen, dass zufällige Verschlechterungen ersatzpflichtig sind. Ob diese beim Verkäufer oder beim Käufer eintreten, mag nicht so entscheidend sein, zumal der Verbraucher durch seine Säumnis letztlich auch die Ursache gesetzt hat, dass sich die Ware noch beim Verkäufer befindet. Daher spricht in der jetzigen Fassung einiges dafür, eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers für die beim Verkäufer während des Annahmeverzugs eingetretenen Schäden anzunehmen. Zwar kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, dass durch Art. 45 III GEK‑Vorschlag eine Haftungsanordnung für die Fälle des Annahmeverzugs gesetzt wird, es spricht jedoch einiges dafür. Daher kommt der Schutz des Widerrufsrechts als Intention für die in Art. 142 III GEK‑Vorschlag getroffene Ausnahme der Fernabsatzverträge und der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen in Betracht. Nur falls eine Haftung tatsächlich besteht, ergibt die Ausnahme Sinn.
4. Bewertung und Änderungsvorschläge Da der Verbraucher bei den ausgenommenen Verträgen die Gefahr nach Art. 142 III, I GEK‑Vorschlag erst ab Inbesitznahme der Ware zu tragen hat, kann er die Zahlung für nach Annahmeverzug unter der Obhut des Verkäufers verschlechterte oder untergegangene Ware durch Berufung auf die Gefahrtragungsnormen verweigern. Wenn man ein derartiges Verständnis annimmt, dürfte jedoch konsequenterweise die Ausnahmeregelung für Fernabsatz- und Haustürverträge nicht eingreifen, wenn das Widerrufsrecht ohnehin ausgeschlossen ist.109 Man müsste für derartige Verbraucherverträge ohne Widerrufsrecht dann dennoch einen Gefahrübergang im Falle der Säumnis nach der Regelung des Art. 142 III 2 GEK‑Vorschlag annehmen. Denn das Telos der Vorschrift, der Schutz des Widerrufsrechts, greift bei solchen Verträgen nicht ein. Liegt der Sinn der Ausnahme tatsächlich in einer Vermeidung der Haftung des Verbrauchers für Wertverluste, so wäre zur Klarstellung eine Regelung unmittelbar in Art. 45 III GEK‑Vorschlag sinnvoller und deutlicher.110 Art. 45 III GEK‑Vorschlag sollte klarstellen, dass lediglich für einen Wertverlust gehaftet werden muss, der nach Empfangnahme durch den Verbraucher eingetreten ist. Die Ausnahmeregelung für die Säumnis bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen müsste aber auch sachlich gerechtfertigt sein. Bei einem Verbrauchervertrag ohne besondere Abschlusssituation trägt der Verbraucher den wirtschaftlichen Schaden von Verschlechterungen der gekauften 108 Schulze/Zoll/Watson, Art. 45, Rn. 14, 16. 109 So wohl Schulze/Zoll/Watson, Art. 142, Rn. 8,
der sich hier jedoch unklar ausdrückt (“However, this means that paragraph 3 should not apply in off-premises or distance contracts in which the right of withdrawal is excluded“). 110 So erwägt dies Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht, S. 483.
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Fünfter Teil: Besondere Einzelfragen
Ware während des Annahmeverzugs. Die Situation ist bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen insoweit eine andere, als der Käufer die Ware entweder noch gar nicht tatsächlich betrachten konnte oder sich bei Vertragsschluss in einer Überrumpelungssituation befand. Es besteht also ein Bedürfnis des Verbrauchers, die Ware genauer in Augenschein zu nehmen. Dies soll durch das von Gründen prinzipiell unabhängige Widerrufsrecht als Lösungsrecht vom Vertrag gewährleistet werden. Hätte er bereits vor Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft für Verschlechterungen und Untergang wirtschaftlich einzustehen, so würde ihm die Testphase für das Produkt gerade genommen. Durch die Ausnahme und den damit verbundenen späteren Gefahrübergang auf den Verbraucher wird der Gleichlauf von Sachherrschaft und Gefahrtragung gewahrt. Beim Annahmeverzug muss grundsätzlich bedacht werden, dass der Verbraucher durch seine Nichtannahme der Ware verantwortlich für die Nichterlangung der tatsächlichen Sachherrschaft ist, was ein solches Auseinanderfallen rechtfertigt. Da nun aber für diese besonderen Verträge hinzukommt, dass der Verbraucher die Ware nicht vernünftig überprüfen konnte, ist die Ausnahme sachlich gerechtfertigt. Allerdings rechtfertigt dieser Zweck die Ausnahme nur insoweit, als bei diesen Verträgen ein Widerrufsrecht tatsächlich besteht. Soweit die Vorschrift auch Verträge bei Ausschluss des Widerrufsrechts erfasst, ist sie zu weit. Soll durch die Widerrufsrechte gerade erreicht werden, den Verbraucher an derartige Vertragsabschlüsse wirtschaftlich vorerst nicht zu binden, so würde dieser Zweck leerlaufen, wenn der Verbraucher durch eine Säumnis bei der Annahme der Ware nun doch bereits wirtschaftlich an das Geschäft gebunden würde.
Sechster Teil
Schlussbetrachtung und Thesen § 17 Schlussbetrachtung Die Frage der Gefahrtragung beim Kauf, d. h. nach dem wirtschaftlichen Risiko der zufälligen Beschädigung oder des zufälligen Untergangs der Ware,1 ist eine klassische Frage des Schuldrechts. Bereits im klassischen römischen Recht setzte man sich mit ihr auseinander,2 und die im GEK‑Vorschlag vorgeschlagenen neuen Regelungen zum Gefahrübergang bei nicht auf einem materiellen Datenträger gespeicherten digitalen Inhalten zeigen, dass sich auch in Zukunft spannende Fragen stellen werden. Der Blick in die Rechtsgeschichte zeigt, dass für die Verteilung der Gefahr unterschiedliche Prinzipien in Betracht kommen und die Gefahr entweder mit Abschluss des Kaufvertrages3, mit Eigentumsübergang auf den Käufer4 oder mit Übergabe der Sache5 überging. Die untersuchten kaufrechtlichen Regelungen folgen alle dem Traditionsprinzip. Kriterien für sachgerechte Gefahrtragungsvorschriften sind die Transparenz des Zeitpunktes, eine bessere Beweisbarkeit von Schäden, die Kontrollierbarkeit der Gefahren für die Kaufsache, die Versicherbarkeit und die Streitvermeidung.6 Die Frage der Gefahrtragung stellt sich in unterschiedlicher Form, in Leistungs- und Preisgefahr, die jedoch im internationalen Vergleich nicht unbedingt unterschieden und getrennt voneinander behandelt werden.7 Die Zuweisung der Leistungsgefahr ist die Beantwortung der Frage, ob bei einer durch ein zufälliges Leistungshindernis auftretenden Erschwerung der Leistung des Sachschuldners dieser einen Mehraufwand zu erbringen hat oder der Gläubiger sein Forderungsrecht verliert und der Schuldner damit von seiner Leistungspflicht frei wird.8 Die Preisgefahr beschäftigt sich hingegen mit der Frage des Einflusses der Unmöglichkeit der Sachleistung auf die Verpflichtung des Gläubigers zur Erbringung der Gegenleistung.9 Leistungs- und Preisgefahr sind also 1 Dazu
oben § 1 II.
2 Dazu oben § 3 I. 3 Periculum est emptoris,
oben § 3 II.1.
4 Res perit domino, oben § 3 II.2. 5 Traditionsprinzip, oben § 3 II.3. 6 Dazu 7 Dazu
oben § 3 III. oben § 4. 8 Dazu oben § 4 I. 9 Dazu oben § 4 II.1.
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Sechster Teil: Schlussbetrachtung und Thesen
auseinanderzuhalten und meinen Unterschiedliches, können jedoch nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Der Eintritt der Unmöglichkeit ist Voraussetzung für die Frage nach der Preisgefahr.10 Der Umfang der zu unternehmenden Anstrengungen beim Verkauf von Gattungsware kann eine für den Käufer bedeutsame Frage sein, die in den Kaufrechtskodifikationen jedoch stiefmütterlich behandelt wird. Aus Gründen der Transparenz ist dort die Regelung analog zur Preisgefahr zu bevorzugen.11 Dies führt zu einer, wenn auch geringen, Ausweitung der Verkäuferpflichten verglichen mit den ausdrücklichen Regelungen des BGB zur Leistungsgefahr, sorgt aber für einen Gleichlauf von Lieferverpflichtung und verdientem Kaufpreis.12 Die Problematik sollte bei künftigen Kodifikationen Anstoß zur Diskussion und einer etwaigen ausdrücklichen Regelung der Frage liefern. Die Kernfrage der Gefahrtragung – gerade auch im internationalen Kontext – ist der Übergang der Preisgefahr. Hier werden für verschiedene Abwicklungsformen des Kaufes in der kaufrechtlichen Literatur zwar häufig gleiche Begriffe benutzt, bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass mit den Begriffen nicht immer Gleiches gemeint ist. Die Typenbildung muss die tatsächlichen Gegebenheiten, die vereinbarte Art der Schuld und die kaufrechtlichen (Gefahrtragungs-)Vorschriften einbeziehen.13 Für die rechtsvergleichenden Untersuchung der Gefahrtragungsnormen ist eine solche Begriffs- und Typenbildung vielleicht notwendig, mindestens aber hilfreich. Hierbei sind die Typen Platzkauf, Fernkauf, Versendungskauf, Verkauf reisender Ware und der Kauf eingelagerter oder herzustellender Ware zu unterscheiden. Bei der Unterscheidung dieser Abwicklungsformen und der Verwendung der Begriffe besteht Vereinheitlichungspotenzial.14 Obwohl alle untersuchten Regelungen im Grunde dem Traditionsprinzip folgen, ergeben sich für den exakten Zeitpunkt des Gefahrüberganges immer wieder Unterschiede zwischen den Regelungen. Dies betrifft nicht nur den Vergleich von Verbraucherund Unternehmergeschäften, bei denen ein unterschiedliches Ergebnis sachlich gerechtfertigt sein kann. Kodifikationen, die für Verbraucher- und Unternehmergeschäfte gelten, sehen gesonderte Regelungen für den Gefahrübergang bei Verbrauchergeschäften vor, unterscheiden aber manchmal auch nur teilweise.15 Es ist deutlich geworden, dass keines der Regelwerke als die umfassend beste und sachgerechteste Kodifikation angesehen werden kann, sondern alle untersuchten Regeln Vorteile und Nachteile aufweisen.16 Es ist auch sichtbar gewor10 Dazu
oben § 4 III.
11 Dazu oben § 5 III. 12 Dazu oben § 5 II. und
§ 5 III. oben § 6. oben § 6 II. sowie auch § 12. 15 So sieht das BGB lediglich beim Versendungskauf unterschiedliche Vorschriften zwischen Verbraucher- und Unternehmergeschäften vor, der GEK‑Vorschlag dagegen auch bei Annahmeverzug und Fernkauf, vgl. dazu oben § 8 II.1., § 8 III., § 9 II., § 9 III., § 13 II., § 13 III. 16 Zur Zusammenfassung der Regelungen zum Preisgefahrübergang oben § 12. 13 Dazu 14 Dazu
§ 17 Schlussbetrachtung
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den, dass neuere Kodifikationen nicht immer tatsächlich Fortentwicklungen darstellen.17 Auch die Incoterms 2010 schafften es nicht, bekannte Schwächen aus vorherigen Fassungen abzustellen.18 Die Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verhalten der Parteien zeichnet ein gespaltenes Bild.19 Während der Gefahrübergang bei Annahmeverzug zum klassischen Kernbereich des Gefahrübergangs zählt und alle untersuchten Vorschriften dies – wenn auch in Details unterschiedlich – regeln,20 mag eine Diskussion der Gefahrtragung bei vertragswidrigem Verkäuferverhalten überraschend erscheinen. Aber die Frage nach dem wirtschaftlichen Risiko des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Beschädigung der Ware stellt sich gerade auch im Wege der Rückabwicklung eines Kaufvertrages nach der Lieferung vertragswidriger Ware durch den Verkäufer.21 Die Untersuchung der Rückabwicklungsvorschriften hat große Unterschiede zutage gefördert. Es ist jedenfalls nicht gerechtfertigt, den stattgefundenen Übergang der Preisgefahr auf den Käufer stets aufrechtzuerhalten, indem man den Käufer für zufällige Schäden an der Ware umfangreich haften lässt, weil der Verkäufer seiner kaufvertraglichen Verpflichtung nicht nachgekommen ist.22 Die klassische Frage des Preisgefahrübergangs stellt sich mit neuen Herausforderungen bei den durch das Internet ermöglichten Käufen von digitalen Inhalten, die nicht auf einem materiellen Datenträger gespeichert sind. Da das nun gewiss kein neues Phänomen mehr ist, erstaunt doch umso mehr, dass eine Diskussion zum Gefahrübergang hier kaum stattgefunden hat. Der GEK‑Vorschlag, mag auch seine Zukunft ungewisser denn je erscheinen, liefert mit gesonderten Gefahrtragungsvorschriften für den Kauf von nicht auf einem materiellen Datenträger gespeicherten digitalen Inhalten einen Anlass, sich mit der interessanten Frage der Gefahrtragung bei solchen Kaufgegenständen auseinanderzusetzen, und stellt mit der Kontrollerlangung auf ein sachgerechtes, aber durch Auslegung mit Leben zu füllendes Momentum des Gefahrübergangs ab.23 Diese Ergebnisse können einen wertvollen Erkenntnisgewinn auch für andere Regelwerke und die zukünftige Diskussion über die Auslegung der nicht auf diese Kaufgegenstände abgestimmten Gefahrtragungsvorschriften darstellen.
17 Beispielhaft
§ 12.
zu Vorteilen des älteren EKG gegenüber CISG und GEK‑Vorschlag oben
18 Beispielhaft zu den Schwächen bei einer klassischen handelsrechtlichen Abwicklungsform wie dem Verkauf reisender Ware oben § 12. 19 Dazu oben Vierter Teil. 20 Dazu oben § 13. 21 Dazu oben § 14 II. 22 Dazu oben § 14 II.4. 23 Dazu oben § 15 II.
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Sechster Teil: Schlussbetrachtung und Thesen
§ 18 Thesen 1. Der Übergang der Leistungefahr ist lediglich im deutschen Recht ausdrücklich geregelt. Im CISG und im GEK‑Vorschlag sollte man die Leistungsgefahr analog zur Preisgefahr übergehen lassen. Dies kann man in der weitgehend für überflüssig gehaltenen Vorschrift des Art. 98 GEK‑Vorschlag, nach der sich die Wirkungen der Lieferung in Bezug auf den Gefahrübergang nach den Vorschriften zum Preisgefahrübergang richten, statuiert sehen. (Siehe § 5 II.2.) 2. Gefahrtragungsregeln sind in Zusammenhang mit den Vorschriften über die Lieferung zu betrachten, da diese ohne anderweitige Parteivereinbarung die Abwicklungsform bestimmen. Man entkoppelte den Gefahrübergang in CISG, GEK‑Vorschlag und im deutschen Recht in Kenntnis der älteren Auffassung zum BGB und der älteren Kaufrechtskodifikation EKG von der Erfüllung der Lieferpflicht. Die Incoterms 2010 koppeln den Übergang der Gefahr auch nach ihrer Überarbeitung an die Lieferverpflichtung, was ihrer praktischen Akzeptanz nicht schadet und auch keine Probleme bereitet. (Siehe § 5 II.1.a), § 5 III, § 7 V.) 3. Bei den Abwicklungsformen des Kaufs sind die Typen Platzkauf, Fernkauf, Versendungskauf, Verkauf reisender Ware und der Kauf eingelagerter oder herzustellender Ware zu unterscheiden. Beim Platzkauf besteht eine Holschuld des Käufers am Sitz des Verkäufers, beim Fernkauf besteht eine Bringschuld des Verkäufers an den Sitz des Käufers oder einen dritten Ort und beim Versendungskauf erfordert der Kaufvertrag die Beförderung der Ware, so dass eine Schickschuld vorliegt und der Verkäufer lediglich die Übergabe an den Beförderer schuldet. Beim Verkauf reisender Ware sind sich die Parteien über die Veräußerung von auf dem Transport befindlicher Ware einig, ohne dass eine Bringschuld zum Käufer vorliegt. Beim Kauf eingelagerter oder herzustellender Ware liegt eine Holschuld des Käufers am vom Verkäufersitz verschiedenen Ort der Einlagerung oder Herstellung vor. (Siehe § 6 II.) 4. Beim Platzkauf geht die Gefahr auf den Käufer über, sobald er die tatsächliche Sachherrschaft erlangt hat. Dieses Ergebnis findet sich trotz unterschiedlicher Terminologie in allen untersuchten Regelwerken. Die Incoterms ermöglichen mit verschiedenen Klauseln aber eine flexible Verteilung des Verladerisikos. (Siehe § 7 V. 4., § 7 V. 5.) 5. Soll die Gefahr – wie teilweise beim Fernkauf – bereits vor Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Käufer übergehen, kommt der Anwendung des Konkretisierungserfordernisses bei Sammelladungen und Massengütern besondere Bedeutung zu, wenn die Individualisierung der Ware erst durch tatsächliche Übernahme durch den Käufer erzielbar ist. Das EKG hielt hier die
§ 18 Thesen
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sachgerechte Lösung parat, indem es eine Grobausscheidung genügen ließ und bei teilweisem Untergang der Ware eine Gefahrengemeinschaft der Käufer mit anteiliger Haftung angenommen wurde. (Siehe § 8 I. 4., § 8 III.2.f) 6. Die Untersuchung des Gefahrübergangs beim Fernkauf zeigt ein differenziertes Bild. Grundsätzlich ist allen Regeln gemein, dass die Gefahr erst nach dem Transport übergeht. Die Gefahr geht im deutschen Recht und im GEK‑Vorschlag für B2C‑Geschäfte am vereinbarten Ort allerdings später über als nach den übrigen Regeln, da § 446 S. 1 BGB und Art. 142 I GEK‑Vorschlag die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft fordern. Dieser Anknüpfungspunkt ist im Hinblick auf Rechtssicherheit und Streitvermeidung vorzugswürdig. (Siehe § 8 V.) 7. Der Gefahrübergang bei Versendungskäufen bei B2C‑Geschäften wurde im Bereich des europäischen Privatrechts deutlichen Änderungen unterworfen. Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL sieht – wie der gleichlautende Art. 142 IV GEK‑Vorschlag – die Gefahrtragung des Verbrauchers bei selbst organisierten Transporten vor und erweitert damit den Gefahrtragungsbereich des Verbrauchers, so dass entsprechende Vorschriften auch in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu integrieren waren. Der Wortlaut von Art. 20 S. 2 Verbraucherrechte-RL und Art. 142 IV GEK‑Vorschlag ist aus Wertungsgesichtspunkten nicht überzeugend, da die Tatbestandsvoraussetzung den schutzwürdigeren Verbraucher schlechterstellen (Vgl. § 9 II.1.b)bb)). Wertungswidersprüche sind aber auch durch Auslegung zu beseitigen (Siehe § 9 II.1.b)cc)). Die Tragung des Transportrisikos durch den Verbraucher bei selbst organisierten Transporten ist sachgerecht. (Siehe § 9 IV. 4.) 8. Die fehlende Anordnung eines Konkretisierungserfordernisses in Art. 20 Verbraucherrechte-RL führt nicht dazu, dass bei von Verbrauchern veranlassten Versendungskäufen in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Zeitpunkte des Gefahrübergangs in Betracht kommen, da alle mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen die Gefahr nur nach Konkretisierung übergehen lassen. (Siehe § 9 II.2.b).) 9. Beim Verkauf reisender Ware sollte die Gefahr im Regelfall rückwirkend mit Übergabe an den Beförderer auf den Käufer übergehen und ein Gefahrübergang mit Vertragsschluss nur angenommen werden, falls die Ware unversichert reist. Der GEK‑Vorschlag hat das Regel-Ausnahme-Verhältnis des UN‑Kaufrechts richtigerweise umgekehrt und an die Gepflogenheiten des Handelsverkehrs angepasst. Die Incoterms weisen hier nach wie vor deutliches Verbesserungspotenzial auf. (Siehe § 10 V.) 10. Beim Kauf eingelagerter Ware knüpfen CISG, GEK‑Vorschlag und deutsches Recht den Gefahrübergang an den Zeitpunkt, ab dem der Käufer die Ware herausverlangen kann. Hierdurch wird die Gefahrtragung während der Lager-
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Sechster Teil: Schlussbetrachtung und Thesen
zeit gesplittet. Entgegen der Situation beim Verkauf reisender Ware ist ein rückwirkender Übergang der Preisgefahr hier aber nicht notwendig und die Regelungen sind sachgerecht. (Siehe § 11 I. 2.) 11. Die Incoterms 2010 regeln die Folgen unterlassener Mitwirkungshandlungen des Käufers und die Auswirkungen auf den Gefahrübergang exakt und sind damit im Hinblick auf das Bedürfnis des Handels nach klarer Risikozuweisung und Streitvermeidung für die Parteien vorzugswürdig gegenüber CISG, GEK‑ Vorschlag und deutschem Recht. (Siehe § 13 V. 3.c).) 12. Die Gefahrverteilung im Falle eines zufälligen Untergangs nach vorheriger Vertragsverletzung des Verkäufers ist sehr unterschiedlich ausgestaltet. Während das UN‑Kaufrecht recht verkäuferfreundlich ausgestaltet ist, kann das deutsche Recht als käuferfreundlich bezeichnet werden. Der GEK‑Vorschlag überlässt einen Großteil der Wertungen einer Flexibilitätsklausel, die in streitigen Fällen eine Billigkeitsentscheidung durch den Richter ermöglicht. Dies sorgt für große Rechtsunsicherheit und ermöglicht eine hohe Gefahrbelastung des Käufers. (Siehe § 14 II.4.) 13. Der Verbraucher erlangt die Kontrolle über nicht auf einem materiellen Datenträger gespeicherte digitale Inhalte in den Fällen des Downloads mit Abschluss des Downloadvorgangs und trägt ab diesem Zeitpunkt die Gefahr. Dies stellt auch beim Unternehmerkauf das sachgerechte Ergebnis dar, bei dem keine gesonderten Gefahrtragungsvorschriften bestehen. (Siehe § 15 VI.) 14. Das Widerrufsrecht eines sich in Annahmeverzug befindlichen Verbrauchers wird wirtschaftlich ausgehöhlt, wenn er für Schäden haftet, die während des Annahmeverzugs an der Ware unter der Obhut des Verkäufers eintreten. Der GEK‑Vorschlag sieht in den Gefahrtragungsnormen für solche Schäden einen wirtschaftlichen Schutz des Verbrauchers vor und vervollständigt vor dem Hintergrund des Zweckes des Widerrufsrechts so den Schutz des Verbrauchers. (Siehe § 16 III.4.)
Entscheidungsverzeichnis Entscheidungen deutscher Gerichte: BGH, Urteil vom 15.01.2014, in: NJW 2014, 1086 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84, 106 BGH, Urteil vom 06.11.2013, in: NJW 2014, 454 . . . . . . . . . . . . . . . . 85, 153, 157, 158 BGH, Urteil vom 07.11.2012, in: BB 2013, 271 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10, 11, 119, 120 BGH, Urteil vom 07.06.2006, in: NJW 2006, 2839 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 BGH, Urteil vom 16.07.2003, in: NJW 2003, 3341 . . . . . . . . . . . . . . . . . 153, 159, 160 BGH, Urteil vom 11.12.1996, in: NJW 1997, 870 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 BGH, Urteil vom 24.11.1995, in: NJW 1996, 586 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86, 305 BGH, Urteil vom 05.12.1990, in: NJW 1991, 915 . . . . . . . 26, 137, 168, 169, 186, 304 BGH, Urteil vom 04.11.1987, in: NJW 1988, 406 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 BGH, Urteil vom 22.03.1984, in: NJW 1984, 1679 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 BGH, Urteil vom 01.02.1982, in: NJW 1983, 627 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86, 305 BGH, Urteil vom 29.01.1982, in: NJW 1982, 1278 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 BGH, Urteil vom 04.04.1979, in: NJW 1979, 1782 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60, 62 BGH, Urteil vom 08.02.1978, in: NJW 1978, 997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 BGH, Urteil vom 18.06.1975, in: WM 1975, 917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235, 250 BGH, Urteil vom 11.03.1970, in: BGHZ 53, 352 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 BGH, Urteil vom 27.03.1968, in: NJW 1968, 1569 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204, 205 BGH, Urteil vom 20.12.1966, in: BGHZ 46, 313 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 BGH, Beschluss vom 08.03.1952, in: NJW 1952, 742 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 RG, Urteil vom 16.10.1926, in: RGZ 114, 405 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 RG, Urteil vom 23.11.1922, in: RGZ 106, 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 RG, Urteil vom 01.11.1921, in: RGZ 103, 129 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 RG, Urteil vom 14.10.1921, in RGZ 103, 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250, 251 RG, Urteil vom 19.09.1919, in: RGZ 96, 258 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 138, 139 RG, Urteil vom 13.10.1914, in: RGZ 85, 320 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 RG, Urteil vom 29.03.1904, in RGZ 57, 402 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 OLG Celle, Urteil vom 22.11.2010, in: NJW‑RR 2011, 132 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 OLG Köln, Urteil vom 14.10.2002, in: IHR 2003, 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 OLG Hamm, Urteil vom 12.11.2001, in: BeckRS 2002, 01791 . . . . . . . . 122, 172, 173 OLG Rostock, Urteil vom 10.10.2001, bei: CISG-online 671 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 OLG Köln, Urteil vom 16.07.2001, bei: CISG-online 609 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.8.2000, bei: CISG-online 594 . . . . . . . . . . . . . . . 8 OLG Dresden, Urteil vom 27.12.1999, bei: CISG-online 511 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 OLG Stuttgart, Urteil vom 23.10.1998, bei: NJW 1999, 1576 . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 OLG Hamm, Urteil vom 23.06.1998, bei: CISG-online 434 . . . . . . . . . . . 100, 117, 211 OLG Köln, Urteil vom 09.07.1997, CISG-online 495 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 OLG Köln, Urteil vom 08.01.1997, bei: CISG-online 217 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
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Entscheidungen niederländischer Gerichte: Rechtbank Arnhem, Urteil vom 28.06.2006, bei: CISG-online 1265 . . . . . . . . . . . . 302 Rechtbank Arnhem, Urteil vom 17.07.1997, bei: CISG-online 548 . . . . . . . . . . . . . . 71
Entscheidungen belgischer Gerichte: Rechtbank van Koophandel, Kortrijk, Urteil vom 03.10.2001, bei: CISG-online 757 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
Entscheidungen ungarischer Gerichte: Schiedsgericht der ungarischen IHK, Urteil vom 10.12.1996, bei: CISG-online 774 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24, 25
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Sachregister ABGB 19 Abholfrist 31, 101, 243 actio venditi 13 AGB 85, 154, 156, 158, 159, 160 Akkreditiv 238, 240 Anhalterecht 258 Annahmeverzug 10,13, 30, 31, 33, 53, 54, 72 ff., 82, 101 ff., 221, 227, 231 ff., 250 ff., 294, 309 ff. Auktion 85, 86 Ausfuhrgenehmigung 25 autonome Auslegung 30, 115, 126, 265, 302, 327 Barkauf 14, 15 Beherrschbarkeit (physisch) 77, 86, 186 Beschaffungs– risiko 16, 41, 225 – pflicht 23, 28, 29, 34 ff., 40 ff., 50 ff. Beschlagnahme 24, 25, 26, 27 Besitz – mittelbarer 294 – unmittelbarer 87 Besitzdiener 87, 149, 179 Besitzerlangung 52, 77, 79, 80, 95, 106, 110, 124, 140 ff., 155, 178, 179, 221, 223, 227, 229, 231, 291, 305, 306 Besitzkonstitut 87, 95, 149 casum sentit dominus 17, 22, 263 casus minor 14 civil law 57 Cloud-Computing 290, 292 Corpus Iuris 16 custodia-Haftung 14 DCFR 73 ff., 133, 143, 150, 199, 200, 202, 209, 259, 274, 307 diligentia quam in suis 273
Distanzkauf 62, 106, 127 Dokumente – Beförderungsdokumente 163, 191, 196 – Ware vertretende Dokumente 48, 49, 51, 77, 78, 80, 244 Download 289 ff., 303 ff., 320 Drittschadensliquidation 139, 335 Durchführungskosten 3 Eigentumsübertragung 19, 20 Eigentumsvorbehalt 20 Einfuhrgenehmigung 27, 121, 249 Einheitsrecht 2, 5, 302 Einpunktklausel 172 EKG 19, 38, 39, 42, 75, 93, 103, 126, 165, 187, 189, 190, 207, 211, 219, 267, 317,318 Erbschaftskauf 18 Erfolgsort 59, 61, 63, 64, 66, 96, 132, 137, 158, 173 Erfüllbarkeit 98, 99, 105, 116, 126 Erfüllungsgehilfe 71 Erfüllungsverweigerung 33 Ersatzlieferung 23, 262 ff., 281 f. Exportverbot 24, 25 fahrlässige Unkenntnis 100, 193, 194, 195, 201, 202 Frachtführer 71, 90, 135, 138, 139, 152, 172 ff., 209, 248, 249 Füllgut 104, 164 Gattungskauf 17, 18, 23 Gattungsschuld 53, 170, 240 Gewährleistungsrecht 32, 270, 271, 280 gewöhnlicher Aufenthalt 5, 8, 68, 109 grenzüberschreitende (Kauf)-Verträge 2, 8, 58, 62, 69
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Sachregister
Handelsbrauch 11, 69, 82, 137, 164, 196 Handelsgewohnheit 11 Importverbot 24, 25 Indossament 212 innerbetrieblicher Schadensausgleich 139 IPR/Internationales Privatrecht (siehe Privatrecht) Kettenverkauf 210 klassisches Recht 13 ff., 315 Kollisionsrecht 5, 7 Konnossement 208, 210 Konsensualprinzip 15, 18 Kranschwenkfälle 175 Kreditsicherungsrecht 19 Ladeschein (siehe Dokumente, Beförderungsdokumente) Lagerhalter 60, 211 ff. Lando-Principles 285 Lasten 86, 232 Leistungserfolg 23, 88, 89 Leistungshandlung 23, 28, 30, 82, 83, 89, 151, 157 Leistungshindernis 23, 225, 261, 315 Leistungspflicht – Gegen- 239, 259 – Haupt- 14, 22, 23, 24, 28, 119, 130, 157, 158, 220, 315 – Primär- 310 – Vor- 247 Lieferbedingung 11 Lieferklausel 10, 11 Löschort 121 Massengut 102, 147, 149, 150, 181, 196, 251, 318 materieller Datenträger 79, 165, 179, 289, 290, 297, 298, 300 ff., 315, Mikrovergleich 4 Mindestharmonisierung 6 Montage(verpflichtung) 100 mortuus redhibetur 261, 262, 263 Nacherfüllung 266, 267, 273, 280, 281, 283 Nacherfüllungsanspruch 23
Nachlieferung 271 Netzwerk 292 Nichtübernahme (der Ware) 235, 236, 238, 295, 296, 307 – entschuldigt 47, 294 – unentschuldigt 48, 221 Nutzungen 86, 87, 148, 232 Online-Archiv 290, 292 Opt-in-Ansatz 7 Opt-out-Ansatz 7 Opt-out-Modell 8 PEL‑S 75 periculum est emptoris 13 ff., 184, 315 Preußisches Allgemeines Landrecht 17 Privatautonomie 9, 12, 95, 122, 170 Privatrecht – Europäisches 1, 42, 43, 209, 319, – Internationales 5 – römisches 13, 14, 17 – schweizerisches 19 Rechtswahl 5, 9 res perit domino 16, 18, 19, 315 Sammelladung 51, 104, 118 , 119, 147, 149, 150, 164, 166, 170, 171, 196, 219, 251, 318 Schadensersatzanspruch 35, 236, 266, 268, 280, 282, 284, 288 Schuldrechtsreform 10, 114, 151, 153, 159, 272, 273, 285 Spediteur 135, 138, 152, 173, 177 Spezieskauf 23 Streaming – live 289 – on demand 290, 292, 306 Stückschuld 23, 28, 30, 33, 53 Synallagma 15, 16, 17, 20, 52, 86, 220, 300 Traditionsprinzip 17 ff., 26, 70, 78, 80, 97, 126, 141, 184, 220, 255, 270, 311, 315, 316 Transportversicherung 3, 185, 190, 191, 199, 200, 207, 209, 210
Sachregister
Überseekauf 3, 12, 23, 27, 59, 89, 104, 163, 172, 173, 175, 206 UNCITRAL 7, 57, 58, 60, 67, 68, 126, 189 UNIDROIT‑Principles 281, 285 Uniform Commercial Code (UCC) 18 Uniform Sales Act 18 Verbraucherschutz 1, 6, 9, 54, 80, 95, 115, 124, 150, 155, 180, 223, 231, 252, 255, 280, 288, 309 Verladeanzeige 104, 119, 163, 164, 166, 171, 183, 184 Verladerisiko 71, 90, 121, 303, 318 Verplombung 171 Versandhandel 156 ff., 160, 161 Verschuldenstheorie 14, 15, 19 Vertragsanbahnung 3
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Vertragsprinzip 15, 16 Vertragsstatut 206 vis maior 14 Vollharmonisierung 149, 150, 156, 180, 252 Vorrat 13, 28, 29, 53, 103 Wertersatz 261 ff., 271 ff., 281 ff., 300, 301, 310 ff. Widerrufsrecht 5, 63, 307, 308, 310 ff., 320 Zufallsbegriff 14, 264, 265, 272 Zurückbehaltungsrecht 167, 192, 245, 246, 254 Zwangsversteigerung 18 Zweipunktklausel 172, 173