Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren: Freiheit von Arbeitszwang und Berufsfreiheit als Grenzen der Quellenbesteuerung, der Indienstnahme, der Privatisierung - zugleich ein Beitrag zur Grundrechtsdogmatik und zur Deregulierung [1 ed.] 9783428518777, 9783428118779

Gregor Kirchhof untersucht die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer einzubehalten und abzu

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German Pages 249 Year 2005

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Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren: Freiheit von Arbeitszwang und Berufsfreiheit als Grenzen der Quellenbesteuerung, der Indienstnahme, der Privatisierung - zugleich ein Beitrag zur Grundrechtsdogmatik und zur Deregulierung [1 ed.]
 9783428518777, 9783428118779

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 997

Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

Von Gregor Kirchhof

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

GREGOR KIRCHHOF

Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 997

Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren Freiheit von Arbeitszwang und Berufsfreiheit als Grenzen der Quellenbesteuerung, der Indienstnahme, der Privatisierung – zugleich ein Beitrag zur Grundrechtsdogmatik und zur Deregulierung

Von

Gregor Kirchhof

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11877-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Monographie untersucht die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer einzubehalten und abzuführen, hinterfragt ein in der alltäglichen Rechtspraxis selbstverständliches Verfahren. Die Indienstnahme des Arbeitgebers wird in das System von Freiheit und privater Verwaltungshilfe eingeordnet, die Diskussion der Privatisierung aufgegriffen und strukturiert. Die Verpflichtung überfordert den Arbeitgeber, stellt deshalb insbesondere die Fragen nach dem Schutz vor Arbeitszwang und der Beschränkbarkeit der Berufsfreiheit. Der Gegenstand der Analyse ist aber letztlich realitätsgerecht zu weiten, die kumulative Belastung durch die zahlreichen an das Arbeitsverhältnis anknüpfenden Indienstnahmen als Rechtsproblem zu erfassen und zu beurteilen. Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn hat diese Abhandlung im Frühjahr 2005 als Dissertation angenommen. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Bundesverfassungsrichter Professor Dr. Dr. Udo Di Fabio. Die Monographie entstand während meiner Tätigkeit an seinen Lehrstühlen in München und Bonn. Mein Dank richtet sich auch an Professor Dr. Christian Waldhoff, der den Zweitbericht erstellt hat. Der Konrad Redeker-Stiftung danke ich für den großzügigen Zuschuss zu den Druckkosten. Bonn, im Juni 2005

Gregor Kirchhof

Inhaltsübersicht A. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug als staatsrechtliches Grundsatzproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

B. Die Belastungen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers – Lohnsteuerabzug und Privatisierung . .

25

D. Der Quellenabzug als freiheitschonendes, effizientes, die Gleichheit und das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers – Anforderung und Überforderung . . . .

92

F. Die Grundrechte des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 G. Die Indienstnahmen des Arbeitgebers als verfassungsrechtliches Problem des modernen Rechtsstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 H. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I.

Zentrale Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Inhaltsverzeichnis A. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug als staatsrechtliches Grundsatzproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

B. Die Belastungen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Folgelasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 15 18

C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers – Lohnsteuerabzug und Privatisierung I. Mitwirkung an der Staatsverwaltung oder privatwirtschaftliches Handeln 1. Lohnsteuerabzug und Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die vielfältigen Privatisierungstypologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolgenkonzentrierte Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privatisierung der Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Privatisierung der Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beleihung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staatliche Übertragung von Verwaltungsaufgaben zur selbstständigen Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der abzugsverpflichtete Arbeitgeber als „Schulfall der Beleihung“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Arbeitgeber als staatlich Verpflichteter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Privatisierung der ausführenden Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Privates Handeln im staatlichen Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwaltungshelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beauftragter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Privatisierung der Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gewährleistungsverantwortung des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentliche Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Privatisierung der Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Der Lohnsteuerabzug als originär private Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Arbeitgeber als Erfüllungshelfer des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . .

25 25 25 30 34 38 40 44

D. Der Quellenabzug als freiheitschonendes, effizientes, die Gleichheit und das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das ursprüngliche Ziel: Schutz der Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die britische Einkommensteuer von 1803: Schutz der Privatsphäre und Sicherung der Steuereinnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Preußen: Quellenabzug und allgemeine Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . .

44 45 47 51 51 57 57 59 59 63 66 67 71 72 72 75 78

10

Inhaltsverzeichnis IV.

Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts: Sicherung der Steuereinnahmen und erste Anzeichen für eine Überbelastung des Arbeitgebers durch ein kompliziertes Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Deutsches Einkommensteuergesetz 1925: Sicherung der Steuereinnahmen und Entlastung der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Nachkriegsentwicklung: Kontinuität und der Ruf nach Vereinfachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die rechtsstaatliche Entscheidung für das Abzugverfahren . . . . . . . . . . . . . E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers – Anforderung und Überforderung I. Ermittlung der lohnsteuerpflichtigen Einnahmen – tatsächliche und rechtliche Aufklärungslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ausgangsbegriffe des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers . . . . . a) Der Arbeitnehmer im Sinne des Lohnsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . b) Der Arbeitgeber im Sinne des Lohnsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lohnsteuerpflichtige Einnahmen und Lohnzahlungszeitraum . . . . . . . . 4. Pflicht des Arbeitgebers, den Sachverhalt zu ermitteln . . . . . . . . . . . . . II. Feststellen der Höhe der Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lohnsteuerkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Laufender Arbeitslohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pauschale Erhebung der Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entlastung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Umgestaltung des Steuerschuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . 5. Nettolohnvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Lohnsteuer-Jahresausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einbehalt, Anmeldung und Abführen der Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Lohnsteuer-Außenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die Haftung des Arbeitgebers und seine Stellung als Gesamtschuldner neben dem Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Haftung des Arbeitgebers für die Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Gesamtschuldner . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regress unter den Gesamtschuldnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verantwortlichkeit des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsetzung des Regressanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirkung für das Lohnsteuerverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Veranlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Wachsende Anforderungen an den Arbeitgeber – Verfassungsgebot der Typisierung und der Vereinfachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Belastung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die gebotene Typisierung – pauschale Erhebung der Lohnsteuer . . . . 3. Verfassungsgebot der verhältnismäßigen Belastung . . . . . . . . . . . . . . . .

83 86 87 90 92 92 92 93 95 97 98 100 101 101 104 106 107 107 110 112 114 116 117 119 120 120 124 125 125 127 129 130 131 131 132 133

Inhaltsverzeichnis F. Die Grundrechte des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Verpflichtung des Arbeitgebers als methodische Herausforderung . . 1. Die Trennung des grundrechtlichen Lebensbereichs vom Schutzbereich 2. Normwirklichkeit und Norminhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sicherung realitätsgerechter, sachgerechter Rechtsanwendung . . . . . . . II. Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normwirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Norminhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Freiheit von Arbeitszwang und Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entstehung des Artikels 12 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abwehr der Sklavenarbeit und Gebot der gemeinsamen Aufbauarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Maßstab für das Abzugverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtfertigung der Erfüllungspflichten als herkömmliche Dienstleistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Freiheit von Zwangsarbeit (Art. 12 Abs. 3 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normwirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche Maßnahme und Norminhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normwirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Norminhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Legitime Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Information von der Quelle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinfachung des Abzugverfahrens und des Einkommensteuergesetzes als milderes, effizienteres Mittel . . . . . . . . . . . . cc) Grenzen der direktiven Kraft der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . dd) Mäßigung des Eingriffs in die Berufsfreiheit durch Entgelt . . d) Zumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Realitätsnahe und sachgerechte Indienstnahme des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entgelt für die Indienstnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kleinere Unternehmen, private Haushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Entgelt für den Lohnsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normwirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 135 135 135 137 139 145 145 146 146 146 148 148 150 154 157 160 160 161 163 163 165 166 169 171 172 173 174 175 177 178 183 183 184 185 186 187 187 189 189

12

Inhaltsverzeichnis 2. Staatliche Maßnahme und Norminhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gleichheit vor dem Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Lohnsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entgelt für die Indienstnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Überhöhte Steuervorauszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die angemessene Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft . . . . . . . . . . . . . . . . .

G. Die Indienstnahmen des Arbeitgebers als verfassungsrechtliches Problem des modernen Rechtsstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Indienstnahmen, die kumulative Belastung des Arbeitgebers . . . . . . . II. Privatisierung und Indienstnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fünfteilige, rechtsfolgenorientierte Privatisierungstypologie . . . . . . . . . 2. Die Erfüllungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundrechte und Indienstnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft, Kontinuitätsgebot und OpferNutzen-Relation (Art. 12 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. In den Markt eingebundene Verpflichtung – Entgelt als Mäßigung (Art. 12 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Auftrag zur Deregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

190 190 191 192 193 194 195 195 197 197 198 199 200 201 201

H. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I.

Zentrale Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

A. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug als staatsrechtliches Grundsatzproblem Der Verfassungsstaat baut auf die Unterscheidung von freiheitsverpflichtetem Staat und freiheitsberechtigter Gesellschaft, von öffentlichem Dienst und privatnützigem Handeln, von prinzipieller rechtlicher Gebundenheit und grundsätzlichem Recht zur Freiheit. Diese elementare Trennung des Handelns der öffentlichen von der privaten Hand wird in Frage gestellt, wenn das Steuerrecht den Arbeitgeber verpflichtet, die Höhe der Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers festzustellen, die Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Die Ermittlung, Festsetzung und Erhebung der Einkommensteuerschuld ist Aufgabe des Staates, die regelmäßig von den Finanzbehörden wahrgenommen wird. Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber, das umständliche Lohnsteuerabzugverfahren unter Beanspruchung seiner Mittel und in seiner Verantwortung durchzuführen, das unübersichtliche Einkommensteuerrecht zu befolgen. Die komplizierten lohnsteuerrechtlichen Pflichten kann kein Arbeitgeber ohne fremde Hilfe ordnungsgemäß erfüllen. Trotzdem haftet der Arbeitgeber für die Pflichterfüllung, werden ihm weitere, schwer verständliche Verwaltungslasten insbesondere durch das Sozialrecht übertragen (Teil B). Die weitreichende Verpflichtung des Arbeitgebers wird zu einer Probe für Rechtsstaat und Verfassung. Die Tätigkeit des Arbeitgebers im Rahmen des Lohnsteuerabzugverfahrens muss in das Rechtssystem eingeordnet werden, das den grundrechtsverpflichteten Staat von den privaten Grundrechtsträgern unterscheidet. Dabei ist in einer rechtsfolgenkonzentrierten Typologie die aktuelle Diskussion der Privatisierung aufzugreifen und zu strukturieren (Teil C). Die historische Analyse der Motive, auf Grund derer das Abzugverfahren eingeführt wurde, gibt Auskunft über den im Rahmen der grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgeblichen Regelungszweck (Teil D). Dabei erweisen sich die Ziele der Verlässlichkeit der Steuerentrichtung, der Sicherung der Steuereinnahmen ebenso wie der Schutz der wirtschaftlichen Privatsphäre des Arbeitnehmers als legitime Zwecke, das Ziel der Verwaltungsentlastung und die daraus folgende Kostenersparnis hingegen nicht. Eine nähere Erörterung der Pflichten des Arbeitgebers – die Feststellung der Höhe der Lohnsteuerschuld, der Abzug und die Abführung der Lohnsteuer so-

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A. Die Verpflichtung des Arbeitgebers als Grundsatzproblem

wie die Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Haftungspflichten – zeigt, dass die Aufgaben den Rahmen der allgemeinen steuerrechtlichen Mitwirkungspflichten verlassen, den Arbeitgeber überfordern, ihn in die Rolle eines privaten lohnsteuerrechtlichen Erfüllungsexperten drängen (Teil E). Dennoch ist das Verfahren der Quellenbesteuerung sachgerecht. Das komplizierte Abzugverfahren und das unübersichtliche Einkommensteuerrecht stellen diesen Befund jedoch in Frage; Vereinfachungsmöglichkeiten sind bisher ungenutzt geblieben. Die gesetzliche Indienstnahme des Arbeitgebers stellt die grundrechtlichen Fragen nach dem Schutz vor Arbeitszwang, der Beschränkbarkeit der Berufsfreiheit, der Eigentümerfreiheit und des Gleichheitssatzes (Teil F). Diese Verfassungsfragen werden überzeugender beantwortet, wenn – entgegen der herkömmlichen Grundrechtsdogmatik – zwischen der Normwirklichkeit eines Grundrechts und dessen Norminhalt unterschieden wird. Der Norminhalt wird so deutlicher auf den tatsächlich vorgefundenen Ausgangspunkt bezogen, die grundrechtlich gewährte Freiheit im Respekt vor dem Vorgefundenen entfaltet. Die Trennung von Normwirklichkeit und Norminhalt ermöglicht, die Norminhalte des Art. 12 Absätze 2 und 3 GG klarer zu erfassen, Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit in wirklichkeitsgerechter Weise zu rechtfertigen. Sie legt nahe, den Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung durch Entgeltzahlung auf ein vertretbares Maß zurückzuführen, erlaubt und leitet dazu an, die kumulative Belastung des Arbeitgebers durch die zahlreichen an das Arbeitsverhältnis anknüpfenden Indienstnahmen und damit seine Betroffenheit realitätsgerecht zu erfassen und rechtlich zu würdigen (Teile F I. und G). Die Erfüllungslasten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren geben Anlass, Grundsatzfragen des Verwaltungsrechts und des Staatsrechts exemplarisch zu behandeln.

B. Die Belastungen des Arbeitgebers I. Die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug Das Einkommensteuergesetz1 verpflichtet den Arbeitgeber, die Höhe der Lohnsteuerschuld2 seiner Arbeitnehmer festzustellen und auf dieser Grundlage die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten3 und an das zuständige Finanzamt abzuführen.4 Die Lohnsteuer wird auf die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers angerechnet.5 Sie ist folglich keine selbstständige Steuerart,6 sondern eine besondere Form des vorläufigen7 Einbehalts der Einkommensteuer.8 Diese Quellenbesteuerung9 sichert die 1 Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (RGBl. I, S. 1005), in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 2002 (BGBl. I, S. 4210), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3076), im Folgenden EStG. 2 § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG definiert die Lohnsteuer als Einkommensteuer, die durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben wird. Die Unterüberschrift zu den maßgeblichen §§ 38 ff. EStG beschreibt die Lohnsteuer als „Steuerabzug vom Arbeitslohn“. 3 § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG. Eine Ausnahme hierzu regelt § 39b Abs. 5 EStG. 4 § 38 Absätze 1 und 3 sowie § 41a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG. 5 § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG. 6 Zum Begriff der Steuerart Lang, in: Tipke/ders., Steuerrecht, 17. Auflage 2002, § 8 Rdn. 1 ff. 7 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 3, siehe auch Rdn. A 15, der auch in diesem Zusammenhang betont, dass durch das Abzugverfahren nicht vom Jahressteuerprinzip abgewichen wird. Der Lohnsteuereinbehalt wirke nur wie eine vorläufige Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld, ohne dass diese festgesetzt werde. 8 Siehe auch die Überschrift „Steuererhebung“ des hier maßgeblichen VI. Abschnitts des Einkommensteuergesetzes sowie insgesamt BFH, BStBl. II 1992, S. 752; II 1986, S. 152; Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 1; Lang, in: Tipke/ders., Steuerrecht, 17. Auflage 2002, § 9 Rdn. 551; Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, 1997, S. 7; v. Bornhaupt, BB 1986, 367 (369 f.); Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 38 Rdn. 1; Heuermann, DB 1996, 1052 (1057); ders./Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 1 m. w. H. 9 Nach dem Prinzip der Quellenbesteuerung wird die Steuer an der Quelle der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abgeschöpft. Neben der Lohnsteuer wird insbesondere die Kapitalertragsteuer von den Kapitalerträgen, das heißt von der Quelle abgezogen, bevor die Erträge dem Steuerpflichtigen zufließen (§§ 43 ff. EStG; siehe zu weiteren Formen der Quellenbesteuerung sogleich unter II. und zur Quellenbesteuerung Lang, in: Tipke/ders., Steuerrecht, 17. Auflage 2002, § 8 Rdn. 27; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 38 Rdn. 1; v. Beckerath, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 43 Rdn. 1).

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B. Die Belastungen des Arbeitgebers

Lohnsteuereinnahmen des Staates. Den Arbeitnehmern wird nicht das Brutto-, sondern lediglich das Nettogehalt ausgezahlt, die einbehaltene Steuer fließt direkt an das Finanzamt. Das Abzugverfahren vermeidet so Steuerausfälle, schließt Liquiditätsprobleme und Steuerverkürzungen der Arbeitnehmer praktisch aus. Der Kampf gegen Steuerhinterziehungen ist allein auf Grund dieses Verfahrens erfolgreich und bedarf keiner weiteren Anstrengungen und Aufwendungen der staatlichen Verwaltung.10 Der Arbeitnehmer kann niemals über das von ihm verdiente Bruttoeinkommen verfügen. Dies benachteiligt ihn – in einem ersten Zugriff – kaum im Vergleich zu anderen Einkommensteuerpflichtigen, weil diese Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer leisten müssen.11 Vielmehr spart der Arbeitnehmer zum Beispiel verglichen mit Selbstständigen ca. ein Viertel der Kosten, die für die Begleichung der Steuerschuld ausgegeben werden.12 Der Staat schafft sich im Arbeitgeber einen Haftungsschuldner für die Lohnsteuer, den er – dem Wortlaut des Gesetzes folgend – verschuldensunabhängig und daher nach strengeren Maßstäben in Pflicht nimmt, als sie in den Finanzbehörden an die staatlichen Bediensteten angelegt werden.13 Das Steuerrecht modifiziert so die Pflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis, den Lohn zu 10 Eine Übersicht über die Vorteile des Verfahrens gibt Stolterfoht, Lohnsteuer und Lohnsteuerabführungspflicht, 1975, S. 93 ff. 11 Jedoch gewährt der Arbeitnehmer dem Staat ein zinsloses Darlehen, weil die Lohnsteuer regelmäßig höher ist als die Einkommensteuer und die Differenz – jedenfalls für eine gewisse Zeit – bis zur Rückzahlung nicht verzinst wird (siehe zur Verzinsung § 233a Abs. 2 der Abgabenordnung vom 16. März 1976 in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I, S. 3866), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1753), im Folgenden AO; siehe zu den verfassungsrechtlichen Folgen unter F. VI.). 12 Private Haushalte und Unternehmen tragen insgesamt neben der Steuerlast Kosten in Höhe von ca. 3,1 Prozent des Steueraufkommens, allein weil sie ihre Pflichten im Rahmen der Erhebung der Einkommen-, Körperschaft-, Umsatz-, Gewerbe- und Kraftfahrzeugsteuer befolgen. Die staatlichen Verwaltungskosten für diese Steuern beziffern sich auf lediglich 1,6 Prozent des Steueraufkommens. Private leisten folglich ca. zwei Drittel der Kosten des Vollzugs der genannten Steuern (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Kosten der Besteuerung in Deutschland [im Erscheinen], zitiert nach der Zusammenfassung der Studie, veröffentlicht in: Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht 07.2003, S. 81 (insbesondere 86 ff.)). 13 § 42d EStG. Jedoch ist das Verschulden des Arbeitgebers für die Ermessensentscheidung des Finanzamts über die Heranziehung des Arbeitgebers erheblich. Nach § 32 AO haftet ein Amtsträger bei fehlerhafter Festsetzung, Erhebung oder Beitreibung der Steuer nur, wenn eine Amts- oder Dienstpflichtverletzung vorliegt und diese mit Strafe bedroht ist. Gesetzliche Vertreter einer natürlichen oder juristischen Person haften neben dieser nur, wenn sie die lohnsteuerrechtlichen Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt haben (§§ 34 und 69 AO; siehe insgesamt unten unter E. VII. sowie Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 36 m. w. H., auch zu den Stimmen in der Literatur, die das Verschulden des Arbeitgebers als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung in § 42d EStG hineinlesen (Schick, BB 1093, 1041 (1043 ff.); Gast-de Haan, DStJG 9 (1986), S. 141 (150 ff.)).

I. Die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug

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bemessen, festzustellen und zu zahlen. Die Last des Steuerabzugs trägt der Arbeitgeber. Bei diesem entstehen erhebliche Kosten. Allein der Aufwand für das Abzugverfahren – ohne die monetären Haftungsfolgen – reduziert den Gewinn aller deutschen Unternehmer vor Gewinnsteuer nach einer wenngleich sehr hohen Schätzung um ca. zehn Prozent.14 Für die Veranlagung von Arbeitnehmern wendet die Verwaltung dank der privaten Abzugleistung im Durchschnitt lediglich etwa ein Viertel der Kosten auf, die für ihre Tätigkeit im Rahmen der Besteuerung der Gewinneinkünfte entstehen.15 Dennoch erhält der Arbeitgeber für seine Dienste kein Entgelt, auch keinen geldwerten Vorteil. Seit Jahrzehnten wenden sich daher Stimmen gegen das Abzugverfahren. Die Arbeitgeber seien die „Prügelknaben“16 des Staates, für das Abzugverfahren in seiner gegenwärtigen Form spreche ausschließlich die Gewöhnung an das Verfahren.17 Die Verfassung verbiete, den Arbeitgeber zum Abzug einer Steuer eines anderen Steuerschuldners,18 gleichsam einer fremden Steuer zu verpflichten.19 Doch nehmen Bundesregierung und Bundesgesetzgeber diese kritischen Stimmen kaum zur Kenntnis. Seit der Einführung des Abzugverfahrens im Jahre 1920 gab es keine Gesetzesinitiative, durch die es abgeschafft werden sollte.20 Das Verfahren 14 Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, 1997, insbes. S. 76. Der Aufwand wird aber allein schon deshalb geringer sein, weil die Berechnung der Lohnsteuer zum Beispiel Hand in Hand geht mit der Lohnabrechnung, die die Arbeitgeber ohnehin leisten müssen, das heißt der Aufwand für den Lohnsteuerabzug nur schwerlich isoliert beziffert werden kann (siehe zu der Verbindung zwischen dem Abzugverfahren und den sonstigen Pflichten des Arbeitgebers Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Kosten der Besteuerung in Deutschland [im Erscheinen], zitiert nach der Zusammenfassung der Studie, veröffentlicht in: Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht 07.2003, 81 (87)); siehe insgesamt zu der unsicheren Datenbasis und zu der Notwendigkeit, hier nach der Größe des Unternehmens zu differenzieren Bizer, in: Seer, Bochumer Lohnsteuertag, 2005, 89 (91 ff.)). 15 Im Vergleich zu der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Gewinneinkünfte belaufen sich die Kosten lediglich auf ein Elftel (insgesamt: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Kosten der Besteuerung in Deutschland [im Erscheinen], zitiert nach der Zusammenfassung der Studie, veröffentlicht in: Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht 07.2003, 81 (88)). 16 Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 94. Lfg. April 1971, § 38 Anm. 25. 17 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 112. 18 Der Arbeitnehmer verwirklicht den Tatbestand, an den das Gesetz die Rechtsfolge der Einkommenbesteuerung knüpft, er erzielt Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 19 Abs. 1 EStG; § 43 Satz 1 AO i. V. m. § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG; BFH BStBl. II 1984, S. 751; II 1983, S. 272). Der Arbeitgeber ist Steuerschuldner nur im Falle der pauschalen Lohnsteuer (§ 42 Satz 1 AO i. V. m. § 40 Abs. 3 EStG, auf den die §§ 40a Abs. 5, 40b Abs. 4 EStG verweisen; siehe insgesamt unten unter E. II. 4.). 19 Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, 1997, insbes. S. 76 f.; siehe insgesamt unter E. und F. 20 Reichseinkommensteuergesetz vom 29. März 1920 (RGBl. 359); siehe zu dem Befund unten unter D.

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B. Die Belastungen des Arbeitgebers

wurde – ganz im Gegenteil – immer detaillierter ausgestaltet. Einem Arbeitgeber obliegen heute nicht nur lohnsteuerrechtliche Anzeige-, Nachweis- und Auskunftspflichten, sondern er muss unter anderem bestimmte Konten anlegen und verwalten, vorgeschriebene Formulare verwenden, lohnsteuerspezifische Geschäftsbücher führen und Nachprüfungen der Finanzverwaltung dulden.21 Die neuen Möglichkeiten des elektronischen Datenaustausches mit der Finanzverwaltung22 entlasten den Arbeitgeber daher nur in einem relativ geringen Umfang.

II. Folgelasten Der Gesetzgeber verpflichtet – dem Vorbild der lohnsteuerrechtlichen Pflichten folgend – den Arbeitgeber in ähnlicher Weise wie im Steuerrecht auch in anderen Rechtsbereichen, insbesondere im Arbeits- und Sozialrecht. Die Möglichkeit des Arbeitgebers, auf Daten und Informationen des Arbeitnehmers zuzugreifen, wird genutzt, um den Arbeitgeber in nahezu allen an das Arbeitsrechtsverhältnis anknüpfenden Leistungsbeziehungen einzusetzen. Die lohnsteuerrechtlichen Verpflichtungen werden so zu einem Modell, an das eine Fülle weiterer Lasten anschließt, das Lohnsteuerrecht wird zu einer Einbruchstelle für verschiedene Pflichten des Arbeitgebers. Die gegenwärtig dem Arbeitgeber gesetzlich aufgebürdeten Lasten gehen folglich weit über den Lohnsteuerabzug hinaus. Neben allgemeinen Mitwirkungspflichten,23 Auskunftsobliegenheiten24 sowie Nachweis- und Bescheini21

Siehe insbesondere § 41 EStG und insgesamt unter E. Durch das Steueränderungsgesetz vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2645) wurde dem Arbeitgeber die Möglichkeit des elektronischen Datenverkehrs eröffnet. Für die Anmeldungszeiträume nach dem 31. Dezember 2004 kann er das Elektronische Steuererklärungssystem (ELSTER) nutzen. Erst ab dem Jahr 2005 kann die Finanzverwaltung sicherstellen, dass die so eingereichte Anmeldung weiterbearbeitet werden kann (§ 41a Abs. 1 Satz 2, § 52 Abs. 52b EStG, Steuerdatenübermittlungsverordnung vom 28. Januar 2003 (BGBl. I, S. 139, S. 162), im Folgenden StDÜV; siehe BTDrs. 15/1798 zum elektronischen Work-flow; insgesamt Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 1 und 166; Ehrhardt-Rauch, DStZ 2003, 723; Hundsdoerfer/Siegmund, DB 2003, 2460; Plenker, BC 2004, 17; Weber, NJW 1999, 2417; Seer, in: ders., Bochumer Lohnsteuertag, 2005, S. 159 (164 ff.)). 23 Dem Arbeitgeber obliegen neben Tätigkeiten, um die Zahlung des Krankengeldes einschließlich des Verletztenentgelts zu ermöglichen (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII i. V. m. § 47 SGB V, §§ 44 ff. SGB V), zum Beispiel Pflichten zur Durchführung des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I, S. 2318), zuletzt geändert am 14. November 2003 (BGBl. I, S. 2190; im Folgenden MuSchG; siehe hier § 19 MuSchG) und zur Durchführung der Unfallversicherung (§§ 191 ff. des Sozialgesetzbuches, Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – vom 7. August 1996 (BGBl. I, S. 1254), zuletzt geändert am 27. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3022, S. 3056), im Folgenden SGB VII) sowie Mitwirkungspflichten im Sinne des § 319 Sozialgesetz22

II. Folgelasten

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gungspflichten25 hat er mit den lohnsteuerrechtlichen Pflichten vergleichbare Berechnungs-, Zahlungs- und Aufzeichnungspflichten unentgeltlich zu erfülbuch, Drittes Buch – Arbeitsförderung – vom 24. März 1997 (BGBl. I, S. 595), zuletzt geändert am 27. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3022, S. 3054), im Folgenden SGB III. 24 Den Arbeitgeber treffen unterschiedlichste Auskunftspflichten, wie die allgemeine Auskunftspflicht nach § 315 Abs. 3 SGB III und Auskunftspflichten zur Erbringung der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung (§ 98 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I, S. 130), zuletzt geändert am 27. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3022, S. 3058), im Folgenden SGB X), die Auskunftspflicht bei Leistung von Insolvenzgeld (§ 316 SGB III), bei beruflicher Aus- und Weiterbildung und bei einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 318 Abs. 1 SGB III), für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen (§ 6 Abs. 2 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I, S. 2, S. 615), im Folgenden UVG), zur Durchführung des Sozialhilfegesetzes (§ 116 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes vom 10. Januar 1991 in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl. I, S. 646, ber. S. 2975), zuletzt geändert am 27. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3022), im Folgenden BSHG), für die Ausbildungsförderung des Bundes (§ 47 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 (BGBl. I, S. 645, ber. S. 1680), zuletzt geändert am 27. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 1950), im Folgenden BAföG), für die Durchführung des Versorgungsausgleichs (§ 53b Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Mai 1898 (RGBl. S. 771), zuletzt geändert am 13. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2547), im Folgenden FGG), die Leistung des Erziehungsgeldes (§ 12 Abs. 2 und Abs. 3 des Gesetzes zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit vom 6. Dezember 1985 (BGBl. I, S. 2154), zuletzt geändert am 30. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1950), im Folgenden BErzGG), zur Durchführung des Lohnfortzahlungsausgleichs (§ 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall (Lohnfortzahlungsgesetz) vom 27. Juli 1969 (BGBl. I, S. 946), zuletzt geändert am 23. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2848), im Folgenden LFZG) und für die Zahlung des Kindergeldes (§ 10 Abs. 2 des Bundeskindergeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I, S. 6), zuletzt geändert am 30. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1950), im Folgenden BKGG), des Wohngeldes (§ 25 Abs. 2 des Wohngeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2002 (BGBl. I, S. 474), zuletzt geändert am 27. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3022), im Folgenden WoGG) und für die Einkommenserklärung für den sozialen Wohnungsbau (§ 25 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 1994 (BGBl. I, S. 2137), zuletzt geändert am 13. September 2001 (BGBl. I, S. 2376), im Folgenden II. WoBauG). 25 Der Arbeitgeber muss nicht nur die Arbeitsbescheinigung (§ 312 SGB III), die Nebeneinkommensbescheinigung (§ 313 SGB III), die Insolvenzgeldbescheinigung (§ 314 Abs. 2 SGB III), die Bescheinigung über die Fortdauer bzw. das Ende der Berufsausbildung (§ 68 Abs. 2 EStG, § 93 AO), die Vorausbescheinigung des Arbeitsentgelts im Sinne des § 194 SGB VII und die Bescheinigung für Entschädigungen (§ 9 Abs. 6 der Musterungsverordnung (BGBl. 1983 I, S. 1457), § 13 des Gesetzes über die Sicherung des Unterhalts der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen und ihrer Angehörigen (Unterhaltssicherungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Februar 2002 (BGBl. I, S. 973), zuletzt geändert am 27. September 2003 (BGBl. I, S. 3022, S. 3065), im Folgenden USG ) ausstellen. Ihn treffen zudem Be-

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B. Die Belastungen des Arbeitgebers

len.26 Der Arbeitgeber muss dabei nicht nur den Solidaritätszuschlag27 und die Kirchenlohnsteuer28 seiner Arbeitnehmer einbehalten und abführen. Nach Maßgabe der sozialrechtlichen Regelungen müssen die Arbeitgeber in Deutschland jährlich ca. 113 Millionen Meldungen an Einzugstellen abgeben, ca. 120 Millionen Beitragsnachweise erbringen und genauso viele Überweisungen tätigen.29 Je

scheinigungspflichten bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses über die für die Entscheidung über den Anspruch auf Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld oder Übergangsgeld erforderlichen Tatsachen, insbesondere mit Blick auf das Arbeitsentgelt (§ 312 Abs. 1, insbesondere Satz 2 Nr. 3 SGB III) und wenn die Familienkasse die zur Kindergeldzahlung erforderlichen Informationen nicht einholen kann (§ 68 Abs. 2 EStG); darüber hinaus muss er Nachweispflichten wegen der gesetzlichen Unfallversicherung erfüllen (§ 165 SGB VII). 26 Neben den Melde-, Zahlungs- und Aufzeichnungspflichten nach § 28a ff. des Sozialgesetzbuches, Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – vom 23. Dezember 1976 (BGBl. I, S. 3845), zuletzt geändert am 27. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3013, S. 3014; im Folgenden SGB IV) für die Sozialversicherungen (allein § 28a SGV IV regelt 18 Meldepflichten; siehe insbesondere auch § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie §§ 198, 200 des Sozialgesetzbuches, Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2477, S. 2482), zuletzt geändert am 27. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3022, S. 3054; im Folgenden SGB V), §§ 190, 191 und 194 des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I, S. 754, ber. S. 1404 und S. 3384), zuletzt geändert am 29. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3076, S. 3091; im Folgenden SGB VI), § 50 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuches, Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – vom 26. Mai 1994 (BGBl. I, S. 1014 und S. 1015), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3022), im Folgenden SGB XI) muss der Arbeitgeber in besonderen Fällen das Kurzarbeitergeld, Wintergeld und Winterausfallgeld (§ 320 Abs. 1 Sätze 2 und 3 und Abs. 3 SGB III) und das Krankengeld (§ 47b Abs. 4 SGB V) kostenlos errechnen und auszahlen. 27 § 1 Absätze 1 bis 2 und § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Solidaritätzuschlaggesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I, S. 4130), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I, S. 4621), im Folgenden SolZG. 28 Siehe beispielsweise für Nordrhein-Westfalen insbesondere die §§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 1a sowie 10 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. April 1975 (GV.NW. S. 438), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 6. März 2001 (GV.NW., S. 103), im Folgenden KiStG NRW, in Verbindung mit § 51a Absätze 1 und 2a EStG. Siehe zum Kindergeld Ludes/Heuermann in: letzterer/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 33. Lfg. März 2002, M Rdn. 1 ff. m. w. H. 29 Siehe hierzu den Beschluss von 28 Abgeordneten und der Fraktion der FDP vom 15. November 2003, zu beantragen, der Bundestag solle beschließen, die Bundesregierung u. a. zu einem Gesetzentwurf aufzufordern, den Verdienstbescheinigungen des Arbeitgebers eine einheitliche Definition des Arbeitsentgelts und einen einheitlichen Vordruck zu Grunde zu legen (siehe hierzu Bergmann, Der Arbeitgeber, AWV-Informationen 2/2002, S. 1 des Berichts; siehe zu den Belastungen insgesamt bereits Klein-Blenkers/Mortsiefer/Reske, Die Belastung von Industrieunternehmen durch administrative Leistungen für den Staat – unter besonderer Berücksichtigung kleiner und mittlerer Unternehmen, 1980).

II. Folgelasten

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Arbeitnehmer tritt ein Arbeitgeber insofern – um eine wenngleich recht grobe Orientierung zu geben – jährlich durchschnittlich zehn Mal mit anderen Stellen in Kontakt;30 hiermit im Zusammenhang stehende Lasten – insbesondere das Einholen der entsprechenden Erkundigungen – kommen wie die steuerrechtlichen Pflichten hinzu.31 Verletzt ein Arbeitgeber eine dieser Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig, handelt er in der Regel ordnungswidrig,32 teilweise trifft ihn eine Schadenersatz- oder Erstattungspflicht.33 Neben den Finanzämtern muss er unter anderem die Bundesagentur für Arbeit,34 das Arbeitsamt,35 Krankenkassen und Zusatzversorgungskassen,36 Gerichte, Gemeinden, kreisfreie Städte oder Landkreise,37 das Statistische Bundesamt oder die statistischen Landesämter sowie die Berufsgenossenschaften informieren.38 Der durch den großen Kreis an Kommunikationspartnern entstehende zusätzliche Verwaltungsaufwand erhöht sich dadurch, dass der Arbeitgeber für nahezu alle Meldungen oder Bescheinigungen unterschiedliche Formulare verwenden muss.39 Zudem verpflichten ihn unterschiedliche Gesetze, die verschiedenen Zielsetzungen und Grundkonzeptionen folgen. Den Bescheinigungen und Auskünften liegt deshalb insbesondere kein einheitlicher Entgeltbegriff zu Grunde.40 Der Gesetzgeber erhöht die Be30 Insgesamt erbringen die Arbeitgeber im Jahr folglich ca. 353 Millionen Meldungen, Beitragsnachweise und Überweisungen. Nach Angaben des Statitisches Bundesamtes waren im Jahre 2004 34.089.000 Arbeitnehmer für Arbeitgeber tätig (Übersicht: Einwohner, Erwerbstätige und Arbeitnehmer nach Wirtschaftsbereichen in 1000 Personen, vorläufiges Ergebnis, Stand: 3. Januar 2005). Im Jahr fallen folglich ca. zehn Meldungen, Beitragsnachweise und Überweisungen auf einen Arbeitnehmer. Dieser Durchschnittswert kann aber nur eine grobe Orientierung bieten, weil die notwendigen Tätigkeiten eines Arbeitgebers je nach Arbeitnehmer differenzieren und der Wert den Aufwand der Arbeitgeber auch deshalb nicht trefflich spiegelt, weil bei ähnlichen Meldungen für verschiedene Arbeitnehmer sich der Aufwand nur gering erhöht. 31 Siehe hierzu unten unter E. 32 § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB X; § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO; § 10 Abs. 1 Nr. 1 UVG; § 116 Abs. 4 BSHG; § 21 Abs. 1 Nr. 8 MuSchG; § 24 Abs. 1 Nr. 3 USG; § 58 BAföG. 33 § 11 Abs. 2 LFZG oder § 321 Nr. 1 bis 3 SGB III sowie insgesamt die §§ 28a ff. SGB IV. 34 §§ 312, 313 SGB III. 35 §§ 13, 10 Abs. 2 BKGG; § 43 Abs. 1 Nr. 2 WoGG, § 68 Abs. 2 EStG. 36 Die Krankenkassen zum Beispiel als Einzugstelle der Sozialversicherungen (§§ 28a ff., insbesondere § 28i SGB IV). 37 Zum Beispiel als Träger der Sozialhilfe (§ 96 ff. i. V. m. § 116 Abs. 2 BSHG). 38 Knoop/Langkabel, Entbürokratisierung durch e-Government – Chancen für Wirtschaft und Verwaltung, Fachinformationen des AWV, 2003, Seite 4 des Berichts. 39 Der Arbeitgeber muss zudem – insbesondere bedingt durch häufige gesetzliche Änderungen – mit beachtlichem Zeit- und Geldaufwand seine Software aktualisieren (insgesamt Bergmann, Der Arbeitgeber, AWV-Informationen 2/2002, S. 1 des Berichts; siehe beispielhaft die §§ 312, 313 SGB III). 40 Durch die Einkommensteuer erzielt der Staat Einnahmen. Die Höhe der Steuer und das für die Besteuerung maßgebliche Entgelt richten sich nach der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (Grundgesetz für die Bun-

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B. Die Belastungen des Arbeitgebers

lastung des Arbeitgebers also nicht nur durch die zahlreichen Verwaltungspartner, sondern legt dem Verpflichteten zusätzliche Lasten durch unterschiedliche Rechtsmaßstäbe und Regelungskonzeptionen auf. Dabei ist das Anliegen, den Arbeitgeber bei der Erfüllung dieser Pflichten zu entlasten, ihm die Arbeit insbesondere durch ein zusammenführendes und einheitliches elektronisches Verfahren, durch einen gemeinsamen Entgeltbegriff, durch einmalige Auskünfte, Erklärungen und Bescheinigungen mit Wirkung für alle Behörden, zumindest aber durch einheitliche Formulare zu erleichtern, bisher kaum berücksichtigt worden. Der Staat tritt gegenüber dem Arbeitgeber nicht als Einheit auf, sondern – bedingt durch die unterschiedlichen Rechtsmaterien – in der Vielfalt besonderer Verwaltungsstellen. Die Verwaltung greift kaum auf einfachere Verfahren zurück, sondern vermehrt und erschwert vielmehr durch immer neue Regelungen die bestehenden Pflichten des Arbeitgebers. Erst gegenwärtig sind deutliche politische Initiativen erkennbar, die sich um eine grundlegende Entlastung der Arbeitgeber bemühen.41 Dabei steht jedoch die Pflicht des Arbeitgedesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1) in der Fassung des 51. Änderungsgesetzes vom 26. Juli 2002 (BGBl. I, S. 2863), im Folgenden GG); BVerfGE 6, 55 (67) – Haushaltsbesteuerung; 8, 51 (68 f.) – Parteispenden; 61, 319 (343 f.) – Steuersplitting; 82, 60 (86 f.) – Familienexistenzminimum; siehe bereits A. Smith, Wohlstand der Nationen, 2. Auflage 1982 [vollständige Ausgabe nach der 5. Auflage 1789], S. 703; insgesamt: Lang, in: Tipke/ders., Steuerrecht, 17. Auflage 2002, § 4 Rdn. 81 ff.). Durch die Leistungsgesetze soll demgegenüber bedarfsorientiert eine verfügbare Finanzkraft in einer bestimmten Höhe erst gewährleistet werden (Isensee, Referat, 57. DJT, 1988, Band 2, N 32 (insbes. N 43)). Zudem wird zwischen bedürftigkeitsmessender und schadensmessender Einkommensanknüpfung unterschieden (insgesamt Bergmann, Der Arbeitgeber, AWV-Informationen 2/2002, S. 1 des Berichts). Auch das Beitragsrecht definiert auf Grund seiner primären Zielsetzungen der Bedarfsdeckung und Umverteilung – teilweise unter Berücksichtung des beantworteten individuellen Risikos – einen eigenen Begriff des Entgelts. Gleiches gilt für das Recht der Zwangsvollstreckung, bei dem sich das pfändbare Arbeitseinkommen u. a. an Pfändungsgrenzen und dem Existenzminimums orientiert (§§ 850 ff., insbesondere § 850e der Zivilprozeßordnung in der Fassung vom 12. September 1950 (BGBl. S. 533), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I, S. 718), im Folgenden ZPO). § 14 SGB IV sollte für das Beitrags- und Leistungsrecht einen eigenständigen, aber immerhin einheitlichen Begriff des Arbeitsentgelts einführen, wird aber jetzt – entgegen der Zielsetzung des Gesetzgebers – durch zahlreiche Sonderregelungen modifiziert (§ 134 SGB III, § 183 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB III, § 18a Abs. 2 Satz 2 SGB IV, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 SGB V, § 49 Abs. 1 Nr.1 SGB V, § 226 SGB V, § 34 Abs. 2 sowie § 96a Abs. 1 SGB VI, § 163 Abs. 3 bis 4 SGB VI, § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, § 82 Abs. 3 SGB VII; Marx, NZS 2002, 126 (126)). Siehe für weitere Engeltbegriffe § 47 Abs. 5 BAföG, §§ 129 – 135 SGB III und § 136 SGB III sowie insgesamt Bergmann, Der Arbeitgeber, AWV-Informationen 2/2002 sowie Knoop/Langkabel, Entbürokratisierung durch e-Government – Chancen für Wirtschaft und Verwaltung, Fachinformationen des AWV, 2003, Seite 3 des Berichts). 41 Dem Erfolg des Antrags der Fraktion der FDP, der durch verschiedene Abgeordnete anderer Fraktionen unterstützt wird (siehe oben Fußnote 29), könnte aber entgegenstehen, dass verschiedene Ministerien für die notwendigen Änderungen zuständig

II. Folgelasten

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bers, die Lohnsteuer für Rechnung ihrer Arbeitnehmer einzubehalten, nicht zur Debatte. Auch Reformvorschläge zur grundlegenden Vereinfachung des Steuerrechts halten am Lohnsteuerabzug fest.42 Das lohnsteuerrechtliche Abzugverfahren hat insbesondere innerhalb des Steuerrechts exemplarische Bedeutung. Der Abzug der Einkommensteuer als Kapitalertragsteuer,43 bei beschränkt Steuerpflichtigen44 und der im Jahre 2001 eingeführte Steuerabzug bei Bauleistungen45 folgen ähnlichen Regeln, verpflichten aber die Kreditinstitute,46 den Vergütungsschuldner47 und den Leistungsempfänger.48 Beim Arbeitgeber konzentrieren sich die lohnsteuerrechtlichen Massenvorgänge. Dies ist vergleichbar mit den Umsatz-, Verbrauch- oder Verkehrsteuern, die der Unternehmer als indirekte Steuern schuldet, über den Preis aber die Konsumenten als Steuerträger in Anspruch nehmen kann.49 Die Europäische Union versucht, die steuerliche Erfassung von Zinseinkünften innerhalb des Hoheitsgebietes ihrer Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Intensiv wurde dabei diskutiert, ob hierfür das so genannte Kontrollmitteilungssystem oder das Verfahren der Quellenbesteuerung eingesetzt wird. Die Richtlinie des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen bevorzugt das Kontrollmitteilungssystem, lässt aber für eine Übergangszeit eine Quellenbesteuerung zu.50 sind, weswegen nicht nur eine Koordination notwendig ist, sondern die Furcht vor möglichen Kompetenzeinbußen lähmend wirken könnte (Bergmann, Der Arbeitgeber, AWV-Informationen 2/2002, S. 1 des Berichts); siehe zu den neuen, dem Arbeitgeber eröffneten Möglichkeiten des elektronischen Datenverkehrs oben, insbesondere Fußnote 22. 42 Einkommensteuergesetzbuch. Ein Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer, vorgelegt von Paul Kirchhof, 2003, S. 258 ff.; siehe zudem Seer, in: ders., Bochumer Lohnsteuertag, 2005, S. 159 (166 ff.). 43 § 43 ff. EStG. 44 § 50a EStG; vgl. auch § 50d EStG für Besonderheiten im Fall von Doppelbesteuerungsabkommen (dazu Gosch, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 50d Rdn. 1 f.). 45 §§ 48 ff. EStG. Das Abzugverfahren wurde durch das Steueränderungsgesetz vom 30. August 2001 eingeführt (BGBl. I, S. 2267). 46 § 44 EStG. 47 § 50a Abs. 5 EStG. 48 § 48 EStG; siehe insgesamt Birk, Steuerrecht, 6. Auflage 2003, Rdn. 575 ff.; Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, sowie – für den Blick in das internationale Steuerrecht – K. Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (insbes. 17 f.); Tipke/Kruse, Abgabenordnung. Finanzgerichtsordnung, Stand: 104. Lfg. Juli 2004, § 2 Rdn. 36; Hey, FR 1998, 497. 49 Der Unternehmer kann hier Steuerschuldner sein und der Konsument Steuerträger, weil die Bemessung der Steuer – anders als bei den direkten Steuern – nicht von den persönlichen Verhältnissen des Konsumenten abhängt (Lang, in: Tipke/ders., Steuerrecht, 17. Auflage 2002, § 6 Rdn. 10, § 8 Rdn. 20). 50 Art. 8 f. und Art. 10 ff. der Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juli 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, Abl. Nr. L 157, S. 38; Entscheidung des Rates vom 19. Juli 2004 zum Zeitpunkt der Anwendung der Richtlinie 2003/48/

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B. Die Belastungen des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber wird folglich nicht nur durch das Lohnsteuerrecht verpflichtet, seine Kraft unentgeltlich einzusetzen. Die öffentliche Hand knüpft an diese Verpflichtung an und bürdet den bereits stark belasteten Schultern des Arbeitgebers neue Pflichten auf. Sie entlastet dabei den Arbeitgeber nicht so weit wie möglich, sondern erschwert die Erfüllung der bestehenden Pflichten. Die Entwicklung zu vermehrten steuerrechtlichen Abzugverfahren und zusätzlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers auch außerhalb des Steuerrechts schwächt die Hoffnung auf einen wirksamen politischen Entlastungswillen, richtet die Erwartungen der Arbeitgeber auf das Recht. Belastet das Abzugverfahren die Arbeitgeber unzumutbar? Besteht eine rechtliche Pflicht zur Entlastung der Arbeitgeber? Muss der Staat ihnen ein angemessenes Entgelt zahlen? Ist die herkömmliche Grundrechtsdogmatik zu modifizieren, weil sie darauf ausgerichtet ist, jeweils nur einen Eingriff zu erörtern, folglich die kumulative Belastung des Arbeitgebers durch die zahlreichen Indienstnahmen einer rechtlichen Würdigung verschließt? Um diese Fragen beantworten zu können, müssen die Pflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugverfahren rechtlich klar gefasst werden.51 Die rechtliche Analyse des Standorts des Arbeitgebers bei Erfüllung dieser Pflichten in Staatsverwaltung oder Privatwirtschaft ist maßgeblich für den verfassungsrechtlichen Maßstab, an dem das Abzugverfahren zu prüfen ist.

EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen (2004/587/EG), Abl. Nr. L 257, S. 7, nach dem die Richtlinie zum 1. Juli 2005 in Kraft tritt; siehe zu der Diskussion die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Gewährleistung einer effektiven Besteuerung von Zinserträgen innerhalb der Gemeinschaft“, Abl. Nr. C 48, S. 55, insbes. S. 59 f. 51 Der Lohnsteuerabzug wird insbesondere in folgenden Monographien behandelt: Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1998; Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1997; Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, 1997; Schäfer, Die Dreiecksbeziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990; Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzug, 1988; Stolterfoht, Lohnsteuer und Lohnsteuerabführungspflicht, 1975; Mösch, Über die Erhebung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber, 1968; Riepen, Die Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugverfahren, 1966; das Thema erweiternd: Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, 2002; Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaates, 2001; Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993.

C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers – Lohnsteuerabzug und Privatisierung I. Mitwirkung an der Staatsverwaltung oder privatwirtschaftliches Handeln 1. Lohnsteuerabzug und Privatisierung Der Arbeitgeber, der die Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer feststellt, einbehält und abführt, ist als privater Unternehmer freiheitsberechtigt und nicht grundrechtsverpflichtet. Er wird durch das staatliche Steuerrecht verpflichtet und muss den öffentlich-rechtlichen Regeln der Steuergesetze folgen,1 wird gesetzlich gezwungen, Arbeitskraft und Kapital für den Steuerabzug einzusetzen und dabei auf den Bruttolohn seines Arbeitnehmers zuzugreifen, die Lohnsteuer einzubehalten. Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, ob der Steuerabzug durch den Arbeitgeber als staatliche Tätigkeit qualifiziert werden muss, ob das in den §§ 38 ff. EStG vorgesehene Lohnsteuerabzugverfahren staatliche Steuerverwaltung privatisiert, ob die Bindungen des öffentlichen Sonderrechts, insbesondere der Grundrechte, durch den Lohnsteuerabzug gelockert werden.2 Bewirkt das Lohnsteuerrecht eine Privatisierung, ist die Verpflichtung des Arbeitgebers nicht nur am Maßstab der abwehrenden Kraft der Grundrechte, sondern insbesondere auch am Demokratieprinzip zu messen. Grundlage für jede Privatisierung3 ist die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft.4 Zum Staat gehören alle öffentlich-rechtlichen Körperschaften und 1

Insbesondere den §§ 38 bis 42f EStG. Die Verfassung verbietet Privatisierungen nicht (siehe bereits Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (163), nach dem ein Verbot der Übertragung hoheitlicher Aufgaben ausdrücklich hätte erfolgen müssen), gibt vielmehr Vorgaben für Privatisierungen, verlangt sie sogar in machen Bereichen (Art. 87f Abs. 2 GG). 3 Der Begriff der Privatisierung (siehe hierzu sogleich) hat keine scharfen Konturen, obwohl er ausführlich diskutiert wurde und wird. Neben den zahlreichen Aufsätzen, Beiträgen und Dissertationen wurde der das rechtliche Problem der Privatisierung allein in den letzten fünf Jahren in fünf Habilitationsschriften behandelt (Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002; Kämmerer, Privatisierung, 2001; Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, sowie Remmert, Private Dienstleistungen in staatlichen Verwaltungsverfahren, 2003) und insgesamt auf fünf Staatsrechtslehrertagungen diskutiert (Ossenbühl/Gallwas, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, VVDStRL 29 (1971), 137 ff., 211 ff.; Burmeister/Krebs, Verträge und Absprachen zwi2

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C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers

Anstalten, insbesondere der Bund, die Länder, die Gemeinden und sonstigen Selbstverwaltungseinrichtungen. Dem privaten Bereich, der Gesellschaft, sind alle nicht-staatlichen Subjekte in einer staatlichen Rechtsordnung zuzuordnen, die als solche regelmäßig Grundrechtsträger sind.5 Die Trennung von öffentlicher und privater Hand6 ist nicht immer eindeutig und keinesfalls unüberwindbar, Überschreitungen durch Verstaatlichung oder Privatisierung sind möglich. Dabei bleibt die „Privatisierung“ ein Rechtsbegriff ohne eindeutigen Inhalt,7 ist aber als Verschiebung vom staatlichen in den privaten Bereich, vom öffentlichen Recht in das Privatrecht immer dann rechtsschen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 53 (1993), 190 ff.; 248 ff.; Hengstschläger/Osterloh/Bauer/Jaag, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), 165 ff., 204 ff., 243 ff., 287 ff.; Schmidt-Preuß/Di Fabio, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), 160 ff., 235 ff.; Heintzen/Voßkuhle, Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und staatliche Verantwortung, VVDStRL 62 (2003), 220 ff., 266 ff.)). 4 Di Fabio, JZ 1999, 585 (585); siehe auch dens., VVDStRL (56) 1997, S. 235 (268 ff., insbes. 274 ff.), der betont, dass für die Differenzierung allein schon die geistige Klarheit spreche, die man beim Fehlen der Differenzierung vermissen würde. Darüber hinaus verlangt das geltende Recht diese Unterscheidung. Das Grundgesetz knüpft zum Beispiel bei den grundrechtlichen Gewährleistungen und im Rahmen der Gesetzgebungskompetenzen oder bei der Haftung nach Art. 34 GG an die Unterscheidung an (Ehlers, in: Erichsen/ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 2 Rdn. 11 ff., auch mit weiteren einfachgesetzlichen Beispielen und dem Blick auf das Europarecht; Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 9 f.). Siehe grundlegend zu der Trennung von Staat und Gesellschaft: Hegel, Grundlinien einer Philosophie des Rechts [1821], Hoffmeister (Hrsg.), 4. Auflage 1955, §§ 182 ff., insbes. § 187 f.; Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1892, S. 50 ff.; Ehmke, FG Smend, 1962, S. 23 (25); Luhmann, Grundrechte als Institution, 1965, S. 26 ff.; Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 21 ff.; E.-W. Böckenförde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, in: ders., Staat, Gesellschaft, Freiheit. Studien zur Staatsehorie und zum Verfassungsrecht, 1976, S. 185 ff.; ders., Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973, S. 21; Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968, S. 149 ff.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Auflage 1977, insbes. S. 48 und S. 68; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auflage 1995, Rdn. 11; Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, HStR I, 3. Auflage 2004, § 31; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 22 ff.; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 13 ff.; Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (235 ff.); W. Schmitt Glaeser, Die grundrechtliche Freiheit des Bürgers zur Mitwirkung an der Willensbildung, HStR II, 1987, § 31 Rdn. 1 f.; Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 228 ff. und S. 297 ff.; Ladeur, Kritik der Abwägung in der Grundrechtsdogmatik, 2004, S. 74 ff. 5 Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), 165 (174); siehe hierzu aber auch Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (231 f. m. w. H.). 6 Die Kirchen und Religionsgemeinschaften bleiben außen vor, weswegen von der „öffentlichen Hand“ gesprochen werden kann (insgesamt Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 11 ff.).

I. Mitwirkung an der Staatsverwaltung?

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erheblich, wenn sie eine Änderung des Prüfmaßstabes der zu erörternden Rechtsfrage zur Folge hat. Der Blick auf die Änderung der rechtlichen Zuordnung wird deshalb nicht von vornherein durch die Unterscheidung zwischen „echter“ und „unechter Privatisierung“ verengt.8 Der Begriff der Privatisierung umschreibt jede Verschiebung vom staatlichen in den privaten Bereich, vom öffentlichen Recht in das Privatrecht.9 7 Di Fabio, JZ 1999, 585 (585 f., 588); Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 6 ff., der zu diesem Ergebnis auch nach einer Analyse der Gesetzestexte gelangt, die den Begriff verwenden; Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1044); Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (238); siehe für die Abgrenzung des Begriffs der Privatisierung zur Ausgliederung, Entstaatlichung, Deregulierung, Dekonzentration, Reprivatisierung und zum Public-Private Partnership Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 53 ff. 8 Siehe hierzu aber Blanke/Sterzel, KritJ 1993, 278 (291); nach v. Loesch, Privatisierung öffentlicher Unternehmen, 2. Auflage 1987, S. 42 f., z. B. ist nur die Eigentumsprivatisierung eine „echte Privatisierung“. 9 Von einer ebenfalls weiten Definition geht Kämmerer aus (ders., Privatisierung, 2001, S. 37; ders., JZ 1996, 1042 (1044)), der unter Privatisierung „jede Form der Abgabe von Rechtsmacht durch den Staat zu Gunsten von Personen des Privatrechts versteht, wobei unter diese natürliche Personen und jede Art von privatrechtlich organisierten Rechtssubjekten ohne Rücksicht auf den Anteilseigner fallen. Im Sinne dieser Definition [. . . sei] unter Rechtsmacht die normativ konkretisierbare und befugnisbegründende Zuweisung bzw. Zuordnung einer Materie oder einer Rechtsposition zu einem Rechtsträger zu verstehen.“ Die mit dieser Definition begriffenen Vorgänge sollten auch deshalb unter einen gemeinsamen Begriff der Privatisierung gefasst werden, weil sie bei allen Unterschieden rechtliche Gemeinsamkeiten aufweisen, sogar voneinander abhängen. (Siehe hierzu sogleich sowie v. Loesch, Privatisierung öffentlicher Unternehmen, 2. Auflage 1987, S. 42 f. m. w. H.; insgesamt Di Fabio, JZ 1999, 585 (585 f., 588); Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 29 ff., insbes. S. 35 ff.; Schoch, DVBl. 1994, 962 (962 f.). Engere Definitionen trennen diese Verbindungen und fragen danach, ob eine staatliche Betätigung oder staatliche Aufgaben in private Hände übergeben werden (Bauer, VVDStRL (54) 1995, 243 (250); Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 29; Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (238); Görgmaier, DÖV 1977, 356 (358); kritisch: Krölls, GewArch 1995, 129 (130)) oder ob die handelnde Person wechselt, weswegen jedenfalls nach letzterer Auffassung z. B. beim Wechsel der Handlungsform keine Privatisierung durchgeführt würde. Jedoch wird auch diese enge Lesart des Privatisierungsbegriffs regelmäßig nicht in letzter Konsequenz durchgehalten, die rechtlichen Gemeinsamkeiten der Vorgänge insofern berücksichtigt, wenn die Privatisierung der Organisationsform weiterhin als Privatisierung beschrieben wird (siehe hierzu Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 11 ff. m. w. H.). Dies bestätigt letztlich, den Privatisierungsbegriff nicht von vornherein eng auszulegen.) Die so genannte Privatisierung der Finanzierung (Schuppert, DÖV 1995, 761 (767); Krölls, GewArch 1995, 129 (132)), die auch Kostenprivatisierung genannt wird (Gusy, Privatisierung als Herausforderung an Rechtspolitik und Rechtsdogmatik, in: ders. (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, Interdisziplinäre Studien zu Recht und Staat, Band 8, 1998, S. 330 (338 f.)), fällt auch nicht unter diesen weiten Begriff der Privatisierung. Hier wird nicht – wie der gewählte Rechtsbegriff nahe legt – die Finanzierung auf Private übertragen, diese muss weiterhin der Staat leisten. Private bieten sich lediglich an, die vom Staat getragenen Kosten zu erstatten. Es liegt folglich keine Verschiebung vom staatlichen in den privaten Bereich vor. Die Rechtsprobleme, die bei diesen Vorgängen entstehen, konzentrieren sich insbesondere auf die unzulässige Einflussnahme Privater auf staatliche Handlungen.

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C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers

Nach nahezu einhelliger Meinung wird der Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber als eine Form der Privatisierung gedeutet.10 Die Privatisierung sei zwar ein erklärungsbedürftiger Ausnahmetatbestand,11 erfasse aber im Lohnsteuerabzug ein „Massenverfahren“.12 Die Diskussion konzentriert sich regelmäßig nicht auf die Frage, ob privatisiert worden ist, sondern auf die Form der Privatisierung. Die zentrale Pflicht des Arbeitgebers im Abzugverfahren ist der Einbehalt der Lohnsteuer.13 Der Arbeitgeber wird – mit einem bemerkenswerten Einfallsreichtum – als „Beauftragter des Steuerfiskus“,14 „unselbständige Hilfsperson der Finanzbehörde“15 bezeichnet, das Lohnsteuerrecht biete den „Schulfall der Beleihung“,16 der Arbeitgeber sei „Fiskalgehilfe oder Fiskalgarant“,17 „Steuerhilfseintreiber“,18 „Steuerinspektor“19 sowie „Prellbock zwischen Steuerfiskus und den Arbeitnehmern.“20 In diesen Bezeichnungen werden zwei unterschiedWenn die staatlichen Vorhaben von Privaten auf Grund privatschriftlichen Vertrages finanziert werden, liegt aber eine Privatisierung der Handlungsform vor (hierzu sogleich unter II.1.). Durch die Verpflichtung, so genannte Betriebsbeauftragte einzusetzen, wird keine Privatisierung vorgenommen. Die Betreiber bestimmter genehmigungsbedürftiger Anlagen werden verpflichtet, gesetzlich festgelegte Aufgaben mit Blick auf den jeweiligen Betrieb zu erfüllen. Die Beauftragten – wie zum Beispiel der ImmissionsschutzBeauftragte nach § 53 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I, S. 3830), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 6. Januar 2004 (BGBl. I, S. 2), im Folgenden BImSchG – werden aber nicht durch den Staat oder unter staatliche Mitwirkung bestellt. Es handelt sich um einen eigenständigen Typus der Verpflichtung Privater zur Selbstkontrolle (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 23 Rdn. 64; siehe zu den vielfältigen Formen des selbstregulativen Gesetzesvollzuges Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235 (242 ff.)). 10 Siehe hierzu die folgenden Nachweise sowie die Zusammenstellungen von Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, 1983, S. 8 f., Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1987, S. 11 f. insbesondere Fußnoten 15 bis 18 und von Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 37 f. 11 Siehe jüngst Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (221 m. w. H.). 12 Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 94. Lfg. April 1971, § 38 Anm. 25. 13 § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG. 14 BVerfGE 19, 226 (240) – Kirchenlohnsteuer. 15 Schick, BB 1985, 110 (111); BVerfGE 19, 226 (240) – Kirchenlohnsteuer: „Hilfsorgan der Finanzverwaltung“. 16 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 191. 17 Siehe hierzu Merkert, FR 1982, 109. 18 Popp/Albert, BB 1983, 491 (494). 19 Hartz, DB 1961, 1365 (1365). 20 Hartz, DB 1961, 1365 (1365). Siehe insgesamt die Übersicht bei Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1987, S. 11 f. insbeson-

I. Mitwirkung an der Staatsverwaltung?

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liche Blickrichtungen erkennbar. Nach einer Auffassung nimmt der Arbeitgeber ausschließlich die Interessen des Staates wahr, „sonst nichts.“21 Er werde als „Steuererheber“22 „zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben“23 herangezogen. Andere erkennen im Arbeitgeber einen Beauftragten des Arbeitnehmers und der Finanzverwaltung,24 einen „Verwaltungsmittler“25 oder „Treuhänder des Staates und der Arbeitnehmer“.26 Der Arbeitgeber könnte aber auch Erklärungs-, Veranlagungs- und Zahlungspflichten des Arbeitnehmers erfüllen, also in seinem Dienste tätig werden. Dieser Blickwinkel führt von dem Problem der Privatisierung weg, wird aber für den Steuerabzug kaum eingenommen.27 dere Fußnoten 15 bis 18 und Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 37 f. 21 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 12, siehe auch § 42d Rdn. A 30; Schick, BB 1985, 110 (111); Stolterfoth, DStJG 9 (1986), S. 175 (182). 22 BVerfGE 19, 226 (240) – Kirchenlohnsteuer; BFH, BStBl. III 1963, S. 468; III 1960, S. 108. 23 BVerfGE 22, 380 (383) – Kuponsteuer. Das Gericht spricht auch von „Bearbeitung öffentlicher Angelegenheiten“ (BVerfGE 59, 302 (316)). Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 191; BMF in: BVerfGE 43, 108 (114) – Kinderfreibeträge; Schick, BB 1985, 110 (111); Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, 1983, S. 15; Merkert, FR 1982, 109 (109). Grundlegend schon Ipsen, FG Kaufmann, 1950, S. 141 (145 f.): Den Arbeitgebern „werden gesetzlich Aufgaben der Steuereinbehaltung und -abführung auferlegt, die die Steuerverwaltung ohne Inanspruchnahme ihrer „Hilfsorgane“ selbst erledigen müsste.“ Rinner, Lohnsteuer und Leistungsfähigkeit, 1929, S. 4, nennt den Arbeitgeber einen „Steuereinnehmer“. 24 Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Auflage 2004, § 38 Rdn. 1. 25 Guth, FR 1978, 428. Siehe auch Hartz, DB 1961, 1365, der den Arbeitgeber als „Prellbock zwischen dem Steuerfiskus und den Arbeitnehmern“ bezeichnet. 26 RFHE 22, 84; 14, 208; RStBl. 1935, 1239 (1241); BFH, BStBl. III 1958, S. 319; in nüchterner und neutraler Diktion nennt v. Wallis, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, 181. Lfg. August 2004, § 97 Tz. 19, den Arbeitgeber einen „Fremdschuldner“. 27 Siehe hierzu Krohn, BB 1969, 1233 (1233 f.); siehe zudem Heuermann, StuW 1999, 349 (insbes. 356); ders., ThürVBl. 1999, 153 (insbes. 155)), nach dem der Arbeitgeber keine staatlichen Aufgaben wahrnimmt, sondern gemeinsam mit dem Arbeitnehmer einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung folgt. Das BAG ging zunächst davon aus, dass die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug ein auftragsähnliches, aber gesetzliches Schuldverhältnis sei (BAG, AP Nr. 4 zu § 670 (1959), Ziff. 4; AP Nr. 5 zu § 670 (1959), Ziff. 4). Später änderte es jedoch seine Rechtsprechung (BAG, AP Nr. 20 zu § 670 (1977), Ziff. 2 b,c m. w. H.). Dem Arbeitgeber würden zwar Kraft öffentlichen Rechts durch die Verwaltung erzwingbare Pflichten auferlegt, diese aber gleichzeitig in den Arbeitsvertrag transformiert. Der Arbeitgeber sei eine Privatperson, die gegenüber dem Vertragspartner des privatschriftlichen Vertrages zivilrechtliche Pflichten im Rahmen des Lohnsteuerabzugs habe (so genannte Transformationsthese; siehe zu diesem Begriff Stolterfoth, DStJG 9 (1986), S. 175 (178); siehe insgesamt: BAG, DB 1984, 1888; DB 1979, 2210; DB 1979, 1281; DB 1974, 2210; AP Nr. 8 zu § 670 (1960); aber auch schon AP Nr. 1 zu § 670 (1958); Giloy, BB 1983, 2104; Barein, in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Band V, Stand: 36. Lfg. Juli 1998, § 42d Rn. 56; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Auflage 2000, § 71 Tz. 15; sowie Walz, BB 1981, 880 (882 f.), insbesondere dazu, ob die Pflichten Fürsorge-

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2. Die vielfältigen Privatisierungstypologien Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug bringt privates, unternehmerisches Handeln in die Nähe der staatlichen Steuerverwaltung, scheint Teile der staatlichen Steuerverwaltung zu privatisieren. Allerdings bedarf dieser erste Zugriff einer kritischen Überprüfung an Hand der vielfältigen Privatisierungstypologien.28 Auf Grundlage des weiten Privatisierungsbegriffs hat sich in der Literatur eine zwar nicht einheitliche, aber in den Merkmalen doch gefestigte Ordnung von vier Formen der Privatisierung entwickelt.29 Die Bezeichnungen variieren, erfassen teilweise mit einem Begriff – wie dem der materiellen Privatisierung – auch verschiedene Privatisierungsformen. Es werden die Vermögensprivatisierung30 (oder materielle Privatisierung),31 die Organisationspflichten des Arbeitgebers oder aus § 242 BGB abzuleiten sind; siehe insgesamt aber auch Mösch, Über die Erhebung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber, 1968, S. 41 ff.; sowie Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 145 f., der das BAG nicht im Sinne einer Transformation der Pflichten in das Privatrecht verstanden wissen will, sondern davon ausgeht, dass die gesetzlichen Pflichten neben den gleichlautenden vertraglichen Pflichten bestehen. Innerhalb dieses Blickwinkels wird überwiegend auf die „Doppelnatur“ des Arbeitgebers hingewiesen, da seine Verpflichtung gleichzeitig öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Natur sei (Walz, BB 1991, 880 (883)). Zu Recht merkt Heuermann an, dass dann der Begriff „Transformationsthese“ fehlerhaft die Umwandlung der öffentlichrechtlichen Pflicht in eine solche zivilrechtlicher Natur nahe legt, da beide Pflichten nebeneinander stehen (ders., Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 150 f.)). Der Arbeitgeber wird durch das Lohnsteuerrecht in Dienst genommen, das heißt durch das öffentliche Recht, nicht durch den Arbeitsvertrag. Voraussetzung für die Verpflichtung ist der Bestand eines Arbeitsverhältnisses. Der steuerrechtliche Begriff des Arbeitnehmers, der für die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug zentral ist, knüpft an den zivilrechtlichen Arbeitsvertrag an. Die Pflicht entsteht folglich durch eine auf dem öffentlichen Recht beruhende Reflexwirkung der Begründung des privatrechtlichen Dienstverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, das heißt als öffentlich-rechtliche Pflicht (BFH, BStBl. III 1963, S. 468; Krohn, BB 1969, 1233). Der öffentlich-rechtliche Charakter der Verpflichtung wird dadurch bestätigt, dass die Pflichten durch eine Änderung des Arbeitsvertrages nicht abbedungen werden können (insgesamt Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 15; ders., Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, insbes. S. 249 f.; ders., StuW 1999, 349 (insbes. 356); ders., ThürVBl. 1999, 153 (insbes. 155)); Birkenfeld, DStJG 9 (1986), 233 (264)). 28 Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 17, spricht von „zerfaserter“ Privatisierungstypologie, lässt folglich an einen Flickenteppich denken. 29 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 21 Rdn. 15 ff.; Hoffmann-Riem, Verfahrensprivatisierung als Modernisierung, in: ders./Schneider (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 1996, S. 9 (12 f.). Die Untersuchung konzentriert sich auf die juristische Diskussion der Privatisierung. Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Definitionen bleiben weitgehend unberücksichtigt. 30 Der Staat überträgt staatliches oder kommunales Eigentum wie Wirtschaftsunternehmen oder Grundstücke an Private (Schoch, DVBl. 1994, 962 (962); Schuppert, DÖV 1995, 761 (766); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002,

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privatisierung (unechte oder formelle Privatisierung),32 die funktionelle Privatisierung (funktionale Privatisierung oder Erfüllungsprivatisierung)33 und die Aufgabenprivatisierung (echte oder materielle Privatisierung)34 unterschieden. Dabei wird betont, dass diese Privatisierungsformen einander nicht ausschließen, sondern verschiedene Phasen eines Prozesses35 markieren, der mit der Aufgabenprivatisierung abgeschlossen werden kann. Gegen diese vierteilige Ordnung wird eingewandt, dass sie nicht aus einem einheitlichen Unterscheidungskriterium entwickelt werde.36 Distinktives Merkmal für die Definition der Aufgaben- und der Vermögensprivatisierung sei – anders als bei der funktionellen Privatisierung – das Privatisierungsobjekt, das dem Privatisierungssubjekt überantwortet wird; bei der Organisationsprivatisierung gebe es kein Privatisierungssubjekt. Klarheit bringe ein Diagramm mit vier Feldern, in das die verschiedenen Typen der Privatisierung eingeordnet werden können, in dem neben dem Kriterium des Privatisierungsobjekts auch das Privatisierungssubjekt berücksichtigt wird, zum Beispiel bei der Unterscheidung von Organisationsprivatisierung37 und Popularprivatisierung.38 Ausgehend § 21 Rdn. 17; Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 39; Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 14). 31 Gusy, Privatisierung als Herausforderung an Rechtspolitik und Rechtsdogmatik, in: ders. (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, Interdisziplinäre Studien zu Recht und Staat, Band 8, 1998, S. 330 (338). 32 Der Staat wird durch eine juristische Person des Privatrechts tätig, die gänzlich in seinem Eigentum steht (Di Fabio, JZ 1999, 585 (588); Schoch, DVBl. 1994, 962 (962); Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 11; Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), 165 (170); Schuppert, DÖV 1995, 761 (766); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 21 Rdn. 17). 33 Der Staat behält nach funktioneller Privatisierung die Aufgabe in seinem Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich, vertraut aber Teilbeiträge Privaten an (Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 10 und Rdn. 31 f. spricht zudem davon, dass dem Staat die Leitungsverantwortung für die Aufgabe bleibt; ders., Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, insbes. S. 145 ff.; Schoch, DVBl. 1994, 962 (963); Schuppert, DÖV 1995, 761 (767); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 21 Rdn. 17). 34 Der Staat entledigt sich einer bisher von ihm wahrgenommenen Aufgabe und überlässt sie dem Bereich der Gesellschaft (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 21 Rdn. 17; Schuppert, DÖV 1995, 761 (767); Schoch, DVBl. 1994, 962 (962 f.); Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), 165 (170); Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 10 und Rdn. 35 ff., spricht davon, dass dem Staat nach Aufgabenprivatisierung lediglich die Gewährleistungsverantwortung für die Aufgabe verbleibt). 35 Bauer, VVDStRL 54 (1995) 243 (254). 36 Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 28 ff., insbes. S. 37 f. Nach Kämmerer wird zudem regelmäßig versäumt, den Ausgangspunkt, den Begriff der Privatisierung, klar zu definieren. Die Typik trete an die Stelle der Begriffsbestimmung. 37 Privatisierungsadressat ist eine juristische Person, deren Gesellschaftsanteile in staatlicher Hand liegen.

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C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers

von diesem Schema werden Verfeinerungen vorgenommen, zum Beispiel zwischen pflichtbegründender, kompetitiver und liquidatorischer Popularprivatisierung differenziert.39 Die überwiegenden Stimmen in der Literatur legen für weitere Differenzierungen aber die zunächst genannten vier Privatisierungstypen zu Grunde. Als fünfte Privatisierungsform wird regelmäßig die Finanzierungsprivatisierung (oder Kostenprivatisierung)40 genannt. Seltener wird die Typologie durch die Verwaltungssubstitution41 um eine sechste Form ergänzt. Die Beleihung42 wird mitunter als Fall der Organisationsprivatisierung43 oder der funktionalen Privatisierung,44 als Teil eines siebten Privatisierungstyps, der Verfahrensprivatisierung (oder Beauftragung),45 oder als eigenständiger Privatisierungstyp46 verstanden. 38 Privatisierungssubjekt ist eine natürliche Person oder eine juristische Person, deren Gesellschaftsanteile in privater Hand liegen (insgesamt: Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 36 ff.). 39 Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 51 ff. 40 Die Kosten für ein staatliches Vorhaben werden von Privaten getragen (Schuppert, DÖV 1995, 761 (767); Krölls, GewArch 1995, 129 (132); Wahl, Privatisierung im Umweltrecht, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, 1998, S. 260 (165); Gusy, Privatisierung als Herausforderung an Rechtspolitik und Rechtsdogmatik, in: ders. (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, Interdisziplinäre Studien zu Recht und Staat, Band 8, 1998, S. 330 (338 f.), nennt dies Kostenprivatisierung). 41 Der Staat lässt die Ausübung einer Kompetenz ruhen. Er überträgt einen Bereich daher nicht auf Private, sondern lässt es nur zu, dass Private in dem Bereich, dessen Ausführung er ruhen lässt, tätig werden. Der Unterschied zur funktionalen Privatisierung besteht darin, dass der Private von der Verwaltung nicht mit der Erfüllung der Aufgabe beauftragt wird, sondern freiwillig, selbstständig tätig wird, ohne an Weisungen gebunden zu sein (Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, 1999, S. 29; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 139). 42 Ein Beliehener ist ein Subjekt des Privatrechts, der in der Handlungsform des öffentlichen Rechts Verwaltungsaufgaben selbstständig wahrnimmt und dabei hoheitlich tätig wird (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 23 Rdn. 56 ff.; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 24). 43 Grünewald, SächsVBl. 1997, 49 (51 f.). 44 Ludwig, Privatisierung staatlicher Aufgaben im Umweltschutz, 1998, S. 137 f.; Menzer, DVBl. 1998, 820 (821). 45 Die Verfahrensprivatisierung ist keine Privatisierungsform mit gefestigtem Inhalt (Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 43 f. m. w. H.). Die folgende Definition ist daher nicht in gleicher Weise anerkannt wie die Definitionen der bisher beschriebenen Formen der Privatisierung. Nach Verfahrensprivatisierung erbringen Private für den Staat selbstständige Teilleistungen oder Teilarbeiten im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens, das als solches insbesondere durch Erlass eines Verwaltungsaktes zu Ende geführt wird (Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160 (178 ff.); Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 31; Peine, Verfahrensprivatisierung in der Verkehrswegeplanung, in: Hoffmann-Riem/ Schneider (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 1996, S. 95 (insbes. 101 f.), die jedoch betonen, dass die Verfahrensprivatisierung der Sache nach eine Organisationsprivatisierung sei; Hoffmann-Riem, Verfahrensprivatisierung als Modernisie-

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Einige Autoren unterscheiden neun Formen der Privatisierung.47 Sie ergänzen die fünfteilige Ordnung um die Privatisierung der Handlungsform, die Privatisierung der erwerbswirtschaftlichen Staatsbetätigung, die mittelbare Privatisierung48 und die unechte Aufgabenprivatisierung.49 Unter Berücksichtigung aller angebotenen Differenzierungen könnte eine dreizehnteilige Typologie entwickelt werden. Ausgehend von der neunteiligen Ordnung würde zudem zwischen Kostenprivatisierung und Finanzierungsprivatisierung unterschieden,50 daneben würden die Beleihung, die Verwaltungssubstitution (auch unechte Verwaltungssubstitution51 oder Verwaltungsmittlung52) und die Verfahrensprivatisierung als eigenständige Privatisierungsformen aufgefasst.53 rung, in: ders./Schneider (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 1996, S. 9 (12 ff.); Pietzcker, Verfahrensprivatisierung und staatliche Verfahrensverantwortung, in: Hoffmann-Riem, Wolfgang/Schneider, Jens-Peter (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 1996, S. 284 (285 ff.)). Di Fabio, JZ 585 (589 f.), hebt hervor, dass die Grenzen zwischen den genannten Formen der Privatisierung und der Verfahrensprivatisierung fließend sein können, weswegen nicht von einer eigenen Privatisierungsform gesprochen werden sollte (ebenso Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 44). 46 Krölls, GewArch 1995, 129 (132); Sterzel, Verfassungs-, europa- und kommunalrechtliche Rahmenbedingungen für eine Privatisierung kommunaler Aufgaben, in: Blanke/Trümmer (Hrsg.), Handbuch Privatisierung, 1998, S. 143. 47 Krölls, GewArch 1995, 129 (130 ff.); Peine, Verfahrensprivatisierung in der Verkehrswegeplanung, in: Hoffmann-Riem/Schneider (Hrsg.), Verfahrensprivatisierung im Umweltrecht, 1996, S. 95 (96 ff., insbes. 102). 48 Nach mittelbarer Privatisierung werden Private ohne staatlichen Impuls in einem Bereich tätig, weil zum Beispiel die staatlichen Leistungen als nicht ausreichend empfunden werden (siehe zur staatlich nicht intendierten Privatisierungen Lange, Privatisierung als nicht-intendierte Folge staatlicher Aufgabenkritik, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, 1998, S. 215 ff.). Anders als bei der Verwaltungssubstitution zieht sich der Staat aber nicht von der Ausübung einer Kompetenz zurück. 49 Die Aufgabe wird von einem privatrechtlichen Unternehmen ausgeführt, wobei anders als bei der Organisationsprivatisierung nicht eine Eigengesellschaft des Staates handelt, dem Staat aber öffentlich-rechtliche Regulierungsbefugnisse zur Verfügung stehen (siehe zur unechten Privatisierung Blanke/Sterzel, KritJ 1993, 278 (291)). 50 Gusy, Privatisierung als Herausforderung an Rechtspolitik und Rechtsdogmatik, in: ders. (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, Interdisziplinäre Studien zu Recht und Staat, Band 8, 1998, S. 330 (338 f.), bezeichnet die Finanzierungsprivatisierung mit Kostenprivatisierung (s. o.) und definiert die Finanzierungsprivatisierung als Übertragung der (Vor-)Finanzierung öffentlicher Investitionen auf Private. 51 V. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 139 ff.; Frenz, Staatshaftung, 1992, S. 50 f. 52 Brüning, NWBl. 1997, 286 ff. 53 Siehe zudem zu der Privatisierung von Teilbereichen Bauer, VVDStRL (54) 1995, 243 (252 f. m. w. H.), zu den unterschiedlichen Graden der Privatisierung Püttner, LKV 1994, 193 (195). Neben den genannten Privatisierungstypen gibt es verwaltungswissenschaftliche Einteilungen, die hier innerhalb der diskutierten Privatisierungsformen lediglich Erwähnung finden (siehe hierzu Heintzen, VVDStRL 62 (2003),

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II. Rechtsfolgenkonzentrierte Typologie Würde durch das Lohnsteuerrecht eine Tätigkeit privatisiert, würde sich der rechtliche Maßstab ändern, an dem die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Steuerabzug gemessen werden muss. Überträgt das Lohnsteuerrecht die staatliche Aufgabe der Steuererhebung in die privaten Hände des Arbeitgebers, sind nicht nur die Grundrechte des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers maßgeblich für die rechtliche Zulässigkeit der Verpflichtung, sondern insbesondere auch das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip. Im Folgenden werden Privatisierungsformen gebildet, die die Unterschiede im rechtlichen Prüfmaßstab der zu erörternden Rechtsfrage kennzeichnen, insbesondere die Lockerung der Bindungen durch das staatliche Sonderrecht, vor allem durch die Grundrechte, erfassen. Die vermeintlich gefestigte Ordnung der Privatisierungsformen54 wird aus diesem rechtsfolgenkonzentrierten Blickwinkel geprüft, der sich auf die rechtliche, vorrangig die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Privatisierung richtet. Dabei wird sich herausstellen, dass aus dieser Perspektive die gängigen Privatisierungstypen teilweise bestehen bleiben können, zum Teil aber auch Privatisierungsformen neu gefasst werden müssen. Der Blick auf den verfassungsrechtlichen Maßstab führt zu einer fünfteiligen Privatisierungstypologie, deren einheitliches Unterscheidungskriterium in den Blick nimmt, inwiefern eine Verschiebung vom staatlichen in den privaten Bereich – eben eine Privatisierung – erfolgt. Es können so die Privatisierung der Handlungsform, der Form der Organisation, der ausführenden Hand, der Aufgabe und der Verantwortung unterschieden werden. Die Beleihung nimmt hier – gleichsam als Spiegelbild der Privatisierung der Organisationsform55 – eine ergänzende Sonderstellung ein. Die Frage, ob das Lohnsteuerrecht eine Privatisierung bewirkt, ob für die Erörterung der rechtlichen Zulässigkeit des Abzugverfahrens ein besonderer Prüfmaßstab greift, wird in Rückgriff auf diese Typologie beantwortet. Nicht jeder Prüfmaßstab, an dem Privatisierungen gemessen werden, hat maßgeblichen Einfluss auf die Typologie. Die rechtsstaatlichen Anforderungen an den Privatisierungsentschluss,56 die europarechtlichen und völkerrechtlichen 220 (226), der zudem beklagt, dass es ein juristisches System der Beteiligung Privater an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben nicht gibt). 54 Siehe oben unter I. 55 Siehe hierzu unten unter 3. 56 Das Rechtsstaatsprinzip fordert im Zusammenspiel mit den Grundrechten die Bestimmtheit und die Verhältnismäßigkeit der Privatisierungsentscheidung. Siehe aber zum teilweise geforderten Vorbehalt des Gesetzes, dem Gebot der Verfahrensgerechtigkeit und – konkretisiert durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG – zum effektiven Rechtsschutz auch nach Privatisierung sogleich (siehe insgesamt Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, 1997, S. 72 f.; Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 181 und S. 432;

II. Rechtsfolgenkonzentrierte Typologie

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Wettbewerbsregeln,57 die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung58 und der Grundsatz der wirtschaftspolitischen Neutralität des Staates59 betreffen den von Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 37 f.; Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), 165 (175 ff.) jeweils m. w. H.). 57 Wobei jedoch die Wettbewerbsregeln bei der Privatisierung der Aufgabe und der Organisationsform stärkere regulative Kraft entfalten als zum Beispiel bei der Privatisierung der Handlungsform, selbst wenn der Staat einen großen Posten Wirtschaftsgüter durch privatschriftlichen Vertrag kauft. Das primäre und sekundäre Gemeinschaftsrecht kann Privatisierung anstoßen, sogar bestimmte Ausgestaltungen fordern (Weiß, AöR 128 (2003), 91 (131 f.)), gibt aber keinen unmittelbaren Maßstab für eine Privatisierung, der einen Privatisierungstyp kennzeichnet. Die für die Prüfung der Privatisierung maßgeblichen europarechtlichen Normen sind die Art. 81 ff. des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957 (BGBl. II, S. 766) in der Fassung des Vertrages über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (BGBl. II, S. 1253, S. 1256), zuletzt geändert auf Grundlage des Beitrittsvertrages vom 16. April 2003 (BGBl. II, S. 1410; im Folgenden EG), insbesondere Art. 86 EG. Art. 295 EG ist nicht Maßstab für eine Privatisierung, verbietet aber insbesondere im Zusammenspiel mit dem übrigen Unionsrecht (siehe nur Art. 4 Abs. 1 und Art. 98 EG) nicht, durch das Europarecht Privatisierungen zu veranlassen (Weiß, AöR 128 (2003), 91 (92 ff.)). Die Regelung gibt vor, dass der EG-Vertrag die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt lässt. Diese so genannte eigentumsrechtliche Neutralität des EG-Vertrages verbietet den Mitgliedstaaten nicht, eine Privatisierung durchzuführen oder – gleichsam umgekehrt – Bereiche der privaten Wirtschaft zu verstaatlichen. Die Vorschrift verdrängt die anderen Bestimmungen des Vertrages nicht, sondern entfaltet sich neben ihnen, insbesondere neben Art. 86 EG (Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 96 f.; Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, 1996, S. 191; Schweitzer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union (EUV/EGV), Art. 222 EGV Rdn. 3 f.; siehe insbesondere auch Kingreen, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), Kommentar des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gündung der Europäischen Gemeinshaft, 2. Auflage 2002, Art. 295 Rdn. 11). Auch Art. 104 EG, der den Mitgliedstaaten vorgibt, übermäßige Defizite zu vermeiden, verbietet keine Privatisierungen, könnte eine solche aber veranlassen, um einem drohenden Defizit zu begegnen. Nach Art. 86 EG müssen die Mitgliedstaaten die europarechtlichen Wettbewerbsregeln (Art. 81 ff.) und das Diskriminierungsverbot (Art. 12 EG) besonders beachten mit Blick auf staatliche Unternehmen und Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren und die – insbesondere hierdurch – mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben. Ein Unternehmen ist hiernach staatlich, wenn die öffentliche Hand auf Grund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Unternehmen ist dabei jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer Organisationsform und der Art ihrer Finanzierung, das heißt auch eine Stelle der Verwaltung, sogar dann, wenn sie hoheitlich tätig wird (Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 98 ff. m. w. H.). Die Privatisierung der Organisationsform, aber auch die Privatisierung der ausführenden Hand und der Aufgabe müssen deshalb am Maßstab des Art. 86 EG gemessen werden. Zudem können durch die Privatisierung der Handlungsform die wettbewerbsrechtlichen Regelungen verletzt werden, wenn der Staat einen privatschriftlichen Vertrag über einen wettbewerbsrelevanten Gegenstand abschließt. Das Europarecht fordet, die staatliche wirtschaftliche Betätigung zu rechtfertigen (Weiß, AöR 128 (2003), 91 (95 ff.)), kennzeichnet aber keine Privatisierungsform. Gleiches gilt für die völkerrechtliche Bestimmung des Art. XVII des Allgemeines Zoll- und Handelsabkommens

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C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers

Rechtsakt der Privatisierung und ihren Vollzug, kennzeichnen aber nicht die rechtliche Zulässigkeit einer bestimmten Privatisierungsform. Das Subsidiaritätsprinzip,60 das republikanische Prinzip61 sowie Art. 30, Art. 108, die vom 30. Oktober 1947 in der Fassung des WTO-Übereinkommens vom 15. April 1994 (Abl. Nr. L 336, S. 11; im Folgenden GATT 1947/1994), nach dem jede Vertragspartei, die an irgendeinem Ort ein staatliches Unternehmen errichtet oder betreibt oder einem Unternehmen rechtlich oder tatsächlich ausschließliche oder besondere Vorrechte gewährt, sicherstellen muss, dass dieses Unternehmen bei seinen Käufen und Verkäufen, die Einfuhren oder Ausfuhren zur Folge haben, die einschlägigen allgemeinen Grundsätze der Nicht-Diskriminierung beachtet. 58 Aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) kann je nach Einzelfall sowohl ein Privatisierungsgebot und ein Privatisierungsverbot gewonnen werden, je nach dem, auf welche Weise die Privatisierung die Kommune betrifft (Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 181 m. w. H.). Jedenfalls schützt sie die Kommune vor bestimmten, vom Staat angeordneten Privatisierungen, verbietet aber in anderen Bereichen der Kommune selbst, eine Privatisierung vorzunehmen (Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 54 ff. m. w. H.). Dieser besondere Schutz ist nicht maßgeblich für die Bildung der insofern einen weiteren Blickwinkel einnehmenden rechtsfolgenorientierten Typologie. 59 Die wirtschaftspolitische Neutralität des Staates tritt – Hand in Hand mit den Wettbewerbsregeln – ebenfalls bei der Privatisierung der Aufgabe und der Organisationsform stärker in Erscheinung als insbesondere bei der Privatisierung der Handlungsform (BVerfGE 4, 7 (17 f.) – Investitionshilfeentscheidung; v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 27 f.). 60 Wer das Subsidiaritätsprinzip als ein normatives Gebot des Grundgesetzes versteht (Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassung, 1968, S. 220 ff. und S. 270 ff., et passim; ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HStR III, 1988, § 57 Rdn. 165 ff.; ders., Diskussionsbeitrag, VVDStRL 54 (1994), 305; kritisch: Herzog, Der Staat 2 (1963), 399 (412 ff.); siehe auch Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, HStR II, 3. Auflage 2004, § 31 Rdn. 51 ff., jeweils m. w. H.), könnte hieraus für das Verhältnis des Staates zum Bürger ein verfassungsrechtliches Privatisierungsgebot ableiten, um „dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann,“ diesem zurückzugeben (Sozialenzyklika, Quadragesimo Anno von Pius XI., 1931, zitiert nach Herzog, Der Staat 2 (1963), 399 (400)). „Der Staat darf eine Aufgabe nur dann ganz oder teilweise an sich ziehen, wenn er dem öffentlichen Interesse besser genügt als Private“ (Isensee, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 54 (1994), 305). Jedoch ist das öffentliche Interesse schwer festzustellen, deshalb kaum ermittelbar, wer diesem Interesse besser dient. Die so benannte direktive Kraft des Subsidiaritätprinzips geht in der Grundrechtsprüfung rechtlich fassbarer auf. Insbesondere wenn ein staatliches Monopol in ein Grundrecht eingreift, entfaltet das Verhältnismäßigkeitsprinzip seine gegebenenfalls eine Privatisierung fordernde Wirkung (so auch Isensee, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 54 (1994), 305). 61 Mit manchen Stimmen müsse jede Privatisierung am Maßstab des republikanischen Prinzips geprüft werden, da es nicht nur vom Bürger eine tätige Mitverantwortung im Gemeinwesen fordert, sondern dem Staat zudem aufgibt, jede staatliche Tätigkeit nach dem Gemeinwohl auszurichten. Das Prinzip spreche daher – je nach Sachlage – für oder gegen eine Privatisierung (Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, 1997, S. 79 ff.; siehe auch v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 70 ff., insbes. S. 72, der unmittelbar auf das Gemeinwohl abstellt und dieses für den Bereich der Privatisierung durch das Übermaßverbot konkretisiert). Jedoch sind die kaum fassbaren Begriffe des Gemeinwohls, aber auch die Bürgerpflicht zur staatlichen Mitverant-

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Art. 70 ff. und die Art. 83 ff. GG62 geben mit Blick auf die Privatisierung keinen hinreichend klaren Prüfmaßstab, der die rechtliche Zulässigkeit einer Privatisierung, die zu bildende Typologie maßgeblich beeinflusst.63

wortung nicht hinreichend scharf, um selbstständig einen Maßstab für eine Privatisierung zu geben (siehe zum Gemeinwohl: Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 176). 62 Art. 83 GG regelt, dass die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt. Für die nicht-gesetzesakzessorische Verwaltung gilt das gleiche nach Rückgriff auf die Grundsatznorm des Art. 30 GG. Die Art. 70 ff. GG konkretisieren den Grundsatz des Art. 30 GG mit Blick auf die Gesetzgebungskompetenzen. Die Verfassung geht davon aus, dass der Staat die Gesetze, das heißt auch das Einkommensteuergesetz, selbst erlässt und selbst ausführt. Durch diese Grundsatzentscheidung wendet sich die Verfassung aber nicht gegen eine Privatisierung. Der Begriff der Einrichtung der Behörden in Art. 84 Abs. 1 GG und Art. 85 Abs. 1 GG legt den Gesetzesvollzug nicht auf Verwaltungsbehörden fest, verbietet keine Privatisierung (Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 38 m. w. H.). Art. 108 GG ist ebenfalls eine Regelung, die die Zuständigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern verteilt, eine Privatisierung nicht verbietet. Art. 30 GG, die Art. 70 ff. und Art. 83 ff. GG erfüllen allgemein die Aufgabe, die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern aufzuteilen. Sie beantworten nicht die Frage, ob ein Bereich in private Hände überführt werden darf (v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 24 f. m. w. H.; siehe auch Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, 1999, S. 54 f.). Auch Art. 87 Abs. 1 GG darf – wie Art. 87b Abs. 1 Satz 1 GG (Bundeswehrverwaltung), Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG (Eisenbahnverkehrsverwaltung) und Art. 87f Abs. 2 Satz 2 GG (Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation) – nicht als Verpflichtung verstanden werden, jede Privatisierung zu unterlassen. Doch wird der Bund in diesen Bestimmungen auf die „bundeseigene Verwaltung“ festgelegt, hiermit jedenfalls die Privatisierung der Aufgabe und der Verantwortung (siehe zu diesen Privatisierungstypen sogleich unter 5. und 6.) verboten, nach einer verbreiteten Lesart auch die Privatisierung der Organisationsform untersagt (siehe zu dieser sogleich unter 2.). Art. 87d Abs. 1 Satz 2 GG kann als Bestätigung des letzteren Verbotes gewertet werden, wonach der Bund im Bereich der Luftverkehrsverwaltung auch eine privatrechtliche Organisationsform wählen kann. Insgesamt ist allerdings umstritten, wie weit das Verbot der Privatisierung der Organisationsform reicht, ob es z. B. auch der Privatisierung eines Teilbereiches innerhalb der bundeseigenen Verwaltung entgegensteht (siehe insgesamt Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 38 ff. m w. H.). Wegen dieser Unsicherheiten bieten auch die Regelungen zur bundeseigenen Verwaltung keinen hinreichend klaren Maßstab für die Erarbeitung einer Privatisierungstypologie. Jedoch müssen sich die zu findenden Privatisierungstypen auch mit Blick auf diese Normen bewähren. 63 Auch Art. 15 GG regelt kein „Reprivatisierungsverbot“ (so aber Ridder, Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, 1975, S. 102). Die Vorschrift beauftragt den Gesetzgeber nicht, sondern ermächtigt ihn, Sozialisierungen vorzunehmen. Folglich gebietet Art. 15 GG nicht, Sozialisierungen im Wege stehende Privatisierungen zu unterlassen (BVerfGE 12, 354 (363 f.) – Volkswagenprivatisierung). Weder Art. 15 GG noch Art. 134 f. GG erschweren oder verbieten eine Privatisierung (siehe insgesamt v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 26 f.; Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 177 ff. jeweils m. w. H.; siehe insgesamt auch Tiemann, BayVBl. 1976, 261; Ruffert, AöR 124 (1999), 237, der sich aber auf das sog. „Privatisierungsfolgenrecht“ konzentriert).

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1. Privatisierung der Handlungsform Der Staat handelt in der Regel in der Form des öffentlichen Rechts und nicht des Privatrechts, nimmt grundsätzlich nicht privatautonom grundrechtliche Freiheit wahr, sondern übt rechtsgebunden, insbesondere grundrechtsverpflichtet, Kompetenzen aus.64 Er kann aber auch in der Form des Privatrechts handeln,65 zum Beispiel beim Kauf von Büromaterial oder wenn er erwerbswirtschaftlich tätig wird. Das Handeln steht dabei weiterhin unter staatlichem Einfluss. Die Verwaltung entscheidet sich aber in erster Linie aus Gründen der Flexibilität für die zivilrechtliche Gleichordnung, verzichtet insbesondere darauf, Gebühren für eine Leistung einseitig hoheitlich festzulegen, begibt sich in das privatwirtschaftliche System des vereinbarten Preises, in dem Nachfrage und Angebot nur bei einem Preis in angemessener Höhe bestehen bleiben. Oft fordern die Grundrechte privatwirtschaftliches Handeln des Staates, insbesondere damit er zu einer Arbeitsleistung nicht durch Arbeitszwang verpflichtet, sondern diese durch Arbeitsvertrag vereinbart, Eigentum nicht durch Enteignung erlangt, sondern durch Kauf erwirbt. In der Regel aber stehen der staatlichen Verwaltung die privatrechtlichen Handlungsformen nicht zur Verfügung. Absprachen oder die Entgegennahme einer Leistung werden vielmehr als Bestechlichkeit bestraft. Deswegen stellt sich für jeden konkret betroffenen Handlungsbereich die Frage, ob dem Staat die Handlungsform des Privatrechts offen steht.66 Sollte ein Handeln in Form des Privatrechts möglich sein, ist zu prüfen, inwieweit die staatsbezogenen Sondernormen,67 die verwaltungsrechtlichen, – grundlegender und 64 Diese Unterschiede begründen und fordern die Differenzierung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht. Siehe hierzu Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974, S. 97 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 3 Rdn. 12 ff.; Ehlers, in: Erichsen/ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 2 Rdn. 10 ff.; Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, 1989, insbesondere S. 29 ff.; zum Zusammenwirken beider Rechtsbereiche: Hoffmann-Riem, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen – Systematisierung und Entwicklungsperspektiven, in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 261 ff.; Trute, Wechselseitige Verzahnungen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 167 ff.; Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht: Ihre Funktionen als wechselseitige Auffangordnungen. Einleitende Problemskizze, in: Hoffmann-Riem/ders. (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 7 ff. 65 Zur grundsätzlichen Möglichkeit der Verwaltung, privatrechtlich zu handeln: Ehlers, in: Erichsen/ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 2 Rdn. 31 ff.; Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, 1989, insbesondere S. 91 ff. jeweils m. w. H. 66 Ehlers, in: Erichsen/ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 2 Rdn. 31 ff.; Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, 1989, insbesondere S. 91 ff. jeweils m. w. H. 67 Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 424.

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im Zusammenhang hiermit stehend – die grundrechtlichen Verpflichtungen über das Verwaltungsprivatrecht zur Anwendung kommen.68 Die amtshaftungsrechtlichen Bindungen gehen zwar nicht verloren, maßgeblich sind regelmäßig aber zivilrechtliche Schadenersatzansprüche.69 Das öffentliche Sonderrecht bindet die Verwaltung auch bei einem Handeln in Form des Privatrechts, setzt also den rechtlichen Rahmen auch nach einer Privatisierung der Handlungsform. Die Frage, ob die rechtsstaatlichen, die Freiheit der Menschen sichernden Bindungen, die durch die öffentlich-rechtliche Handlungsform, insbesondere durch das Verwaltungsverfahren garantiert werden, gelöst werden dürfen, nimmt hingegen die Zulässigkeit einer Privatisierung der Handlungsform in den Blick. Wenn der Rechtsstaat nicht auf die Klarheit des Verwaltungsverfahrens, auf die Fairness dieses Verfahrens, die Publikationsund Begründungspflichten verzichten, die Rechtsbindung der Verwaltung mit Blick auf eine fehlerfreie Ermessensausübung oder eine bestimmte Entscheidung nicht reduzieren darf,70 wenn das Recht ihm untersagt, eine Tätigkeit durch die auf Gleichordnung ausgerichtete privatrechtliche Handlungsform durchzuführen, ist ihm die privatrechtliche Betätigung verboten. So darf der Staat Büromaterial auf Grund eines Kaufvertrages erwerben, kann aber – auch um die Interessen Dritter hinreichend zu wahren – keinen privatschriftlichen Kaufvertrag über den Erlass einer Baugenehmigung abschließen. Voraussetzung für die Privatisierung der Handlungsform ist, dass die Bindungen gelöst werden dürfen, die durch die öffentlich-rechtliche Handlungsform entstehen, dass die zivilrechtliche Ebene der Gleichordnung betreten werden darf. Diese Voraussetzungen bestimmen den maßgeblichen Prüfmaßstab, der die Privatisierung der Handlungsform als einen eigenen Privatisierungstyp charakterisiert.71 68 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974, S. 106 ff.; Ehlers, in: Erichsen/ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 2 Rdn. 71 ff.; Ossenbühl, DÖV 1971, 513 ff.; kritisch: Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, 1989, insbesondere S. 126 ff. 69 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage 1998, insbes. S. 27 Fußnote 83. 70 Siehe hierzu Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, HStR III, 1988, § 70 Rdn. 14; Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), 165 (185). 71 Siehe zu dieser Form der Privatisierung auch Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, 1997, S. 24 und S. 149; Krölls, GewArch 1995, 129 (131); kritisch Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 18. Die sog. Vermögensprivatisierung und die sog. Privatisierung erwerbswirtschaftlicher Staatsbetätigung gehen insoweit in der Privatisierung der Handlungsform auf, als der Staat in der Form des Privatrechts tätig wird, er Eigentum auf Private privatschriftlich durch Schenkung, Kauf oder Tausch und nicht zum Beispiel durch einen Verwaltungsakt oder einen Verwaltungsvertrag, durch eine öffentlich-rechtliche Handlungsform überträgt. Rechtsprobleme der Privatisierung stellen sich darüber hinaus, wenn mit dem Gegenstand der Übertragung auch eine öffentliche Aufgabe in private Hände gegeben wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Vermögensgegenstand nicht ein austauschbarer Wertgegenstand wie ein Dienstfahrzeug ist, das sich

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Das Lohnsteuerrecht privatisiert nicht die Handlungsform, durch die Steuern erhoben werden. Bei der Privatisierung der Handlungsform handelt der Staat in privatrechtlichen Formen, beim Lohnsteuerabzug hingegen handelt der private Arbeitgeber, folgt der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung. Nicht der Staat zieht die Lohnsteuer über eine privatrechtliche Handlung vom Lohn des Arbeitnehmers ab, sondern der Arbeitgeber entrichtet die Lohnsteuer nach Maßgabe des Steuerrechts. Die Funktion einer privatrechtlichen Handlungsform, der Leistungstausch unter gleichberechtigten Partnern, wird gerade nicht erreicht. Der Lohnsteuerabzug stützt sich nicht auf eine privatrechtliche Vereinbarung. Der Arbeitgeber wird durch das Einkommensteuergesetz verpflichtet, ohne dass es auf ein Einverständnis ankäme. 2. Privatisierung der Organisationsform Der Staat kann nicht nur die für den Regelfall vorgegebene öffentlich-rechtliche Handlungsform aufgeben, sondern seine Tätigkeit auch in einer Organisations- und Rechtsform des Privatrechts ausüben, die unter seinem Einfluss steht. In der Regel bedient er sich dabei einer von ihm beherrschten Eigengesellschaft.72 Der Tätigkeitsbereich bleibt so in der Verantwortung des Staates,73 der von auf dem Markt angebotenen Fahrzeugen nicht erheblich unterscheidet, sondern zum Beispiel ein Klärwerk in Private Hände übertragen wird. Diese Arten der Vermögensprivatisierung werden von der Privatisierung der ausführenden Hand, insbesondere aber von der Privatisierung der Aufgabe und der Verantwortung erfasst (siehe sogleich); deswegen wird die Vermögensprivatisierung als eigene Form der Privatisierung hinfällig. Die verbleibende Frage, ob die Verwaltung auf einen Gegenstand verzichten kann, misst sich daran, was für ein effizientes Verwaltungshandeln notwendig ist, welche Vorgaben das Verbot der Verschwendung von Steuergeldern für die Verwaltung gibt. Die Entbehrlichkeit eines Gegenstandes wie zum Beispiel eines Dienstfahrzeuges kann deshalb dazu führen, dass dieses in einen anderen Verwaltungsbereich überführt werden muss, der den Gegenstand noch nutzen kann, dass das Fahrzeug zu vernichten ist, damit zum Beispiel spezielle Sicherheitssysteme nicht bekannt werden und folglich neu entwickelt werden müssen, oder dass das Fahrzeug verkauft werden muss, die Handlungsform insoweit zu privatisieren ist. Diese Rechtsfragen sind aber nicht solche der Privatisierung (Di Fabio, JZ 1999, 585 (585), spricht von einer Privatisierung im substantiellen Sinne, die kaum rechtlichen Bindungen unterliegt). Gleiches gilt für die staatliche Subvention Privater, die im Interesse des Staates tätig werden. Hier wird nicht das mit dem Begriff der Privatisierung erfasste Rechtsproblem diskutiert, sondern die haushaltsrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Bindungen (zur Subvention in diesem Themenbereich Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (149)). 72 Di Fabio, JZ 1999, 585 (588 f.); Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (145 ff.); Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (239); Mayen, DÖV 2001, 110 (111). Beispiele sind hier Eigengesellschaften im kulturellen und sozialen Bereich (Kunsthallen-GmbH, Krankenhaus-GmbH) oder für die Versorgung mit Strom, Wasser oder Verkehrsdienstleistungen. An einer Gesellschaft können auch mehrere öffentlich-rechtliche Träger beteiligt sein (Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 11; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (210)).

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Staat wechselt aber die Form, in der er tätig wird.74 Nach Privatisierung der Organisationsform75 agiert er – insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge76 – funktionsadäquater, weil zum Beispiel die staatliche Verkehrsgesellschaft in täglicher Selbstverständlichkeit mit den Bürgern zivilrechtliche Beförderungsverträge abschließen kann.77 Die privatwirtschaftliche Organisationsform erlaubt darüber hinaus, dass private Anbieter eine nach den Kriterien des Marktes vergleichbare Leistung anbieten und in Konkurrenz zu der staatlichen Eigengesellschaft treten. Die staatlichen Betriebe gewerblicher Art werden zum Steuersubjekt, wenn das Steuerrecht nur so die Wettbewerbsneutralität gegenüber privaten Konkurrenten wahren kann.78 Die verwaltungsrechtlichen, amtshaftungs73 Teilweise wird davon gesprochen, dass der Staat auch nach Privatisierung der Organisationsform die so genannte Erfüllungs- und Gewährleistungsverantwortung trägt, siehe jüngst Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 29 ff., S. 53 ff., S. 291 ff. 74 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 11. Nach Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 41 ff., liegt eine partielle Privatisierung der Organisationsform vor, wenn der Staat lediglich eine Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft in seinen Händen hält. Überträgt der Staat eine Tätigkeit auf eine Person des Privatrechts – sei es eine natürliche Person oder eine juristische Person, deren Anteilseigner insgesamt oder zum maßgeblichen Teil Private sind – liegt aber eine Privatisierung der ausführenden Hand vor, wenn das so genannte gemischt-wirtschaftliche Unternehmen grundrechtsberechtigt ist (zur Grundrechtsberechtigung Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (247 ff.); BVerfG, NJW 1990, 1783 (Kammerbeschluss des ersten Senates vom 16. Mai 1989)). Der Staat kann sich die notwendigen Einflussmöglichkeiten auf die handelnde Person (siehe hierzu und insgesamt sogleich unter 4.) ggf. auch durch eine Minderheitenbeteiligung an der Gesellschaft sichern, wenn er durch sie einen hinreichenden Einfluss ausüben kann. 75 Die Privatisierung der Organisationsform wird in Abgrenzung zur materiellen Privatisierung formelle Privatisierung genannt. Teilweise wird auch von einer unechten Privatisierung in Abgrenzung zur echten Privatisierung gesprochen. Die Dichotomien bieten aber keine hinreichend breite Ordnung für die zahlreichen Arten der Privatisierung. Sie werden hier auch nicht als Oberbegriffe verwendet, weil ihr Aussagegehalt zu schwach ist, die Begriffspaare echt-unecht und formell-materiell keine hinreichende Orientierung geben. Die Privatisierung der Organisationsform wird von der weit überwiegenden Zahl der Autoren als Organisationsprivatisierung bezeichnet (Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 19 ff. m. w. H.). Der Begriff Organisationsprivatisierung verwischt aber, dass lediglich die Form der staatlichen Tätigkeit wechselt, die Organisation der Eigengesellschaft aber weiterhin durch den Staat selbst erfolgt. Siehe insgesamt Di Fabio, JZ 1999, 585 (588, 589 f.); Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (238 f.); Schoch, DVBl. 1994, 962 (962 f.); Hengstschäger, VVDStRL 54 (1995), 165 (170); Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 11; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 29 ff. 76 Zum Begriff der Daseinsvorsorge grundlegend: Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung 1959; Badura, DÖV 1966, 624 (insbes. 625 ff.); Ossenbühl, DÖV 1971, 513 (514 ff.); Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, 1989, S. 109 ff. 77 Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (239). 78 Siehe jüngst L. Osterloh, FS Selmer, 2004, S. 875 (878 f.).

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rechtlichen79 Bindungen und Zuordnungen sowie die grundrechtlichen Verpflichtungen gehen nach der Privatisierung der Organisationsform nicht verloren, sondern entfalten sich – wie bei der Privatisierung der Handlungsform – insbesondere über das Verwaltungsprivatrecht.80 Die rechtsstaatlichen Garantien des Verwaltungsverfahrens werden allerdings auch hier gelöst. Der Prüfmaßstab der Privatisierung der Organisationsform unterscheidet sich rechtserheblich von dem der Privatisierung der Handlungsform, kennzeichnet einen eigenständigen Privatisierungstyp. Der Tätigkeitsbereich, der einer Eigengesellschaft übertragen wird, wird nicht mehr nach den Gesetzmäßigkeiten einer Verwaltungsbehörde wahrgenommen, sondern nach denen der privatrechtlichen Organisationsform. An die Stelle des Dienstrechts der Beamten und Angestellten, der insbesondere durch das Weisungsrecht gestärkten Hierarchie der Verwaltung,81 der strengen Haushaltsbindung82 tritt das Arbeitsrecht, treten Gestaltungsräume im Bereich des Personalrechts und der Haushaltsführung.83 Hierdurch dehnen sich die Bande, die das Demokratieprinzip und das Gewaltenteilungsprinzip zur Sicherung der Freiheit der Menschen spannen. Jede staatliche Tätigkeit muss in einer ununterbrochenen demokratischen Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückgeführt werden können.84 Die Eigengesellschaft wird aber zum Beispiel als Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat und die Gesellschafter überwacht. Diese Aufsicht lockert die parlamentarische Legitima79

Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage 1998, insbes. S. 27 f. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974, S. 106 ff.; Ehlers, in: Erichsen/ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 2 Rdn. 71 ff.; Ossenbühl, DÖV 1971, 513 ff.; Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung, 1989, insbesondere S. 91 ff. 81 Siehe zu letzterem Loschelder, Weisungshierachie und persönliche Verantwortung in der Exekutive, HStR III, 1988, § 68. 82 Isensee, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 54 (1994), 304. 83 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 11. 84 BVerfGE 107, 59 (86 f.) – Emschergenossenschaft. Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Im organisatorisch-personellen Bereich wird das Demokratieprinzip erfüllt, wenn Personen für den Staat tätig werden, die vom Volk gewählt wurden oder deren Einsetzung durch das Parlament als „Legitimationsspender“ oder „Legitimationsmittler“ auf den Volkswillen zurückgeführt werden kann. Nicht selten bestimmt der Wille des Souveräns daneben die konkrete Wahrnehmung der Staatsgewalt ihrem Inhalt nach (so genannte sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation). Dies geschieht einerseits durch die Bindung der Staatsgewalt an die durch den Repräsentanten des Volkes, das Parlament erlassenen Gesetze (Art. 20 Abs. 3 GG), andererseits durch die in der Wahl fußende Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber dem Volk und der Verantwortung der übrigen Organe gegenüber dem Parlament (E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: HStR I, 3. Auflage 2004, § 24 insbes. Rdn. 14 ff.; BVerfGE 93, 37 (70 f.) – Mitbestimmung der Personalvertretung im öffentlichen Dienst; 47, 253 (273 ff.) – Gemeindeparlamente (Nordrhein-Westfalen); 22, 106 (113) – Steuerausschüsse; v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 30 ff.; Ehlers, JZ 1987, 218 (223), spricht von Rückbindung an den Legitimationsgeber). 80

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tion und Kontrolle des Verwaltungshandelns, unterbricht die rechtsstaatliche Fach- und Rechtsaufsicht, schwächt die Verantwortlichkeit gegenüber dem Bundesrechnungshof. Es ist daher nicht nur – wie bei der Privatisierung der Handlungsform – zu fragen, welche Tätigkeitsbereiche überhaupt in die auf das Prinzip der Gleichordnung ausgerichtete Zivilrechtsordnung entlassen werden dürfen. Vielmehr ist daneben sicherzustellen, dass das Band der demokratischen Legitimation nicht reißt, die rechtsstaatlichen Kontrollmöglichkeiten ausreichen, der Rechtsschutz effektiv bleibt (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG).85 Steuerverwaltung ist klassische Eingriffsverwaltung. Gerade bei Ausübung dieser hoheitlichen Befugnisse sichert der so genannte Funktionsvorbehalt zugunsten des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 4 GG) die demokratischen und rechtsstaatlichen Bindungen.86 Der Vorbehalt verlangt, dass eine in den Händen des Staates liegende Aufgabe in der Regel durch öffentliche Bedienstete und nicht durch eine Eigengesellschaft wahrgenommen wird, steht folglich der Privatisierung der Organisationsform entgegen. Zahlungspflichten wie Steuern muss der Staat selbst festlegen und regelmäßig auch selbst durchsetzen. Steuern – auch die Einkommensteuer der Arbeitnehmer – sind folglich vom Staat festzusetzen und zu erheben, Privatisierungen regelmäßig zu unterlassen. Sie sind allenfalls insoweit möglich, als der Staat sich die Entscheidung insbesondere über die Höhe aber auch über die Durchsetzung der Steuer vorbehält.87 85 Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235 (270 f.), denkt u. a. über eine Geltungserweiterung der so genannten Zweistufentheorie im Bereich gesellschaftlicher Selbstregulierung nach; Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 432, spricht davon, dass die privaten Organisationsformen nicht auf das Demokratieprinzip zugeschnitten sind; siehe zur parlamentarischen Kontrolle Gusy, ZRP 1998, 265). Daneben ist den Vorgaben der Art. 87 ff. GG zu folgen, die bestimmte Organisationsformen festlegen, denen sich der Staat nicht entziehen kann. So bestimmt zum Beispiel Art. 87 Satz 1 GG, dass der Auswärtige Dienst in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt wird. Das Europarecht und das Kartellvergaberecht geben keine Vorgaben für die Privatisierung der Organisationsform (insgesamt Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 16 f. m. w. H.). 86 Anders als im Bereich der Eingriffsverwaltung besteht keine Einigkeit darüber, ob Art. 33 Abs. 4 GG auch für die Leistungsverwaltung greift. Der Einsatz des Gewaltmonopols, die Ausübung hoheitlicher Befugnisse unterliegt aber dem Beamtenvorbehalt und dem Staatsvorbehalt (Di Fabio, JZ 1999, 585 (592); Battis, in: Sachs, Grundgesetz. Kommentar, 3. Auflage 2003, Art. 33 Rdn. 55 ff.; Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 40 ff.; Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 216; siehe zu den Vorgaben des Art. 33 Abs. 4 GG für die Privatisierung S. 214 ff.; sowie Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, 1997, S. 88 ff.; und v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 41 ff. jeweils m. w. H.). 87 Eine Demokratie muss nicht nur in der Lage sein, die Staatsstrukturprinzipien zu sichern, sondern auch den demokratisch geformten Willen der Mehrheit umzusetzen (Di Fabio, JZ 1999, 586 (590 ff.); v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 22 ff.). Den Auftrag, der dem Staat mit dem Gewaltmonopol übergeben wurde, muss dieser form- und verfahrensgebunden durch sachkundiges Personal und damit grundsätzlich selbst erfüllen. Dieser Zweck fordert jedoch die Privatisierung

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Die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Höhe der Lohnsteuer festzustellen, die Steuer einzubehalten und abzuführen, macht sein Unternehmen nicht zu einer staatlichen Eigengesellschaft. Der Staat wird nicht zum Gesellschafter, die unternehmerische Tätigkeit gerät nicht unter den unmittelbaren Einfluss des Staates, der Arbeitgeber unterliegt nicht den Bindungen des Verwaltungsprivatrechts, des Haushaltsrechts und der Grundrechte. Den privaten Arbeitgeber trifft eine Pflicht, die zwar seine private Organisationsform unberührt lässt, jedoch die Rechtsfrage aufwirft, ob er beliehen wurde. 3. Beleihung a) Staatliche Übertragung von Verwaltungsaufgaben zur selbstständigen Wahrnehmung Beliehenen Privatrechtssubjekten überträgt der Staat durch Gesetz88 die Kompetenz, bestimmte Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen selbstständig hoheitlich durch die Handlungsformen des öffentlichen Rechts wahrzunehmen.89 Der Beliehene bleibt dabei Privatrechtssubjekt. Soweit der ihm übertragene hoheitliche Kompetenzbereich reicht, ist der Beliehene Verwaltungsträger90 – auch hinsichtlich der haftungsrechtlichen Folgen91 – und als solcher an das öffentlich-rechtliche Sonderrecht, insbesondere an die Grundrechte gebunden.92 Die Beleihung ist gleichsam das Spiegelbild der Privatisierung der Organisationsdann, wenn nicht der Staat, sondern nur Private den zur Erfüllung einer Aufgabe notwendigen Sachverstand besitzen und der Staat sich diesen Sachverstand nicht rechtzeitig oder nur mit übermäßigem Aufwand aneignen kann (Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (162)). 88 Der eingriffsbezogene Gesetzesvorbehalt greift im Falle der Beleihung regelmäßig neben dem institutionellen Gesetzesvorbehalt, weil der Beliehene Hoheitsbefugnisse gegenüber Dritten ausüben kann (Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235 (271 f.)). 89 Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235 (271 ff. m. w. H.), der aber auch einen weiteren Beleihungsbegriff diskutiert; Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (240 f.); Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266 (301 ff.); Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (insbes. 138 ff.), jeweils m. w. H. 90 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Auflage 1976, S. 452 ff.; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 4; Ipsen, FG Kaufmann, 1950, 141 (151); Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 23 f., nach dem der Beliehene aus „eigener Hand“ handelt, da die Beschreibung des Tätigwerdens, der Beliehene würde „im eigenen Namen“ handeln, zu Verwirrungen führt. Neben den Schulfällen der Beleihung – der TÜV-Sachverständige und den Bezirksschornsteinfeger – nennt Maurer u. a. folgende Beispiele: Jagdaufseher; freiberufliche Fleischbeschauer; Prüfingenieure für Baustatik; technische Überwachungsvereine oder deren Sachverständige (ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 23 Rdn. 56). Siehe zudem bereits Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, 2. Auflage 1953, S. 533 ff. 91 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage 1998, S. 14 ff.; Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, 2000, S. 325.

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form. Nicht der Staat wird in Form des Privatrechts tätig, sondern der Private in Form des öffentlichen Rechts.93 Die öffentlich-rechtlichen Bindungen entfalten sich nicht über das Verwaltungsprivatrecht, sondern unmittelbar gegenüber dem Privaten, der Teil der Staatsverwaltung wird; sie behalten deshalb – wie bei der Privatisierung der Organisationsform – weiterhin ihre direktive Wirkung. Insofern ist die Beleihung für die Verschiebung der rechtlichen Bindungen mit der Privatisierung der Organisationsform vergleichbar. Grundsätzlich bewahren die Grundrechte den Privaten vor einer staatlichen Verpflichtung auch im Rahmen einer Privatisierung oder Beleihung. In diesen Fällen entfalten die Grundrechte – anders als bei einer Privatisierung der Handlungs- oder Organisationsform – ihre klassische abwehrende Wirkung gegen die Verpflichtung.94 Die Grundrechte schützen innerhalb des hoheitlichen Kompetenzbereichs aber auch Dritte vor hoheitlichen Übergriffen durch einen Beliehenen. Der Staat übt eine – wenngleich nicht strenge – staatliche Aufsicht gegenüber dem Beliehenen aus. Insoweit ist auch der Staat nicht nur im Akt der Beleihung selbst, sondern ebenso für den dem Beliehenen übertragenen Kompetenzbereich grundrechtsverpflichtet.95 Die Grundrechtsbindungen gehen nicht verloren, sondern verpflichten unmittelbar den Beliehenen und den Staat.96 Mögliche Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen sind im privatisierten Kompetenzbereich gegen den Beliehenen zu richten, wodurch der effektive Rechtsschutz gesichert wird (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG).97 b) Der abzugsverpflichtete Arbeitgeber als „Schulfall der Beleihung“? Der Lohnsteuerabzug wird als das bekannteste Beispiel der verpflichtenden Privatisierung,98 der Indienstnahme,99 genannt. Verpflichtet der Staat den Bür92 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 23 Rdn. 56 ff.; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 24. 93 Durch die Beleihung wird folglich keine Organisationsform privatisiert (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 23 Rdn. 61). 94 Die verpflichtende Privatisierung ist am Verbot der Zwangsarbeit (Art. 12 Abs. 2 GG), der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG), aber auch am Maßstab des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) zu messen. 95 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Auflage 1976, S. 455. 96 Nach Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 23 f., trägt der Staat die Erfüllungsverantwortung für den privatisierten Tätigkeitsbereich. 97 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 23 Rdn. 59. 98 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 8, spricht von Zwangsprivatisierung. 99 Der Begriff der Indienstnahme wird hier – wie der Begriff der Privatisierung (siehe oben unter I.) – von vornherein nicht eingegrenzt, sondern vergleichsweise weit

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C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers

ger, Steuern zu entrichten, wird der Staat hoheitlich tätig. Er greift einseitig verbindlich, konkret gebietend, entscheidend, Zwang androhend und diesen auch anwendend in die Freiheitssphäre des Hoheitsunterworfenen ein.100 Diese hoheitlichen Verpflichtungen treffen den Arbeitnehmer als Steuerschuldner, den Arbeitgeber als Zahlungspflichtigen. Wenn der Arbeitgeber die Höhe der Lohnsteuer feststellt, die Steuer vom Bruttolohn einbehält und auf Rechnung des Arbeitnehmers an das Finanzamt abführt, folgt er den gesetzlichen Vorgaben für den lohnsteuerrechtlichen Einzelfall, erbringt eine ähnliche Leistung wie die Finanzverwaltung, wenn sie den Steuerbescheid erlässt. Deswegen wird diese Tätigkeit des Arbeitgebers oft als hoheitlich qualifiziert.101 Der Arbeitgeber sei beliehener Unternehmer,102 das Lohnsteuerrecht bilde den „Schulfall der Beleihung“.103 ausgelegt. Eine Indienstnahme liegt vor, wenn der Staat einem Einzelnen bestimmte Leistungs- oder Handlungspflichten hoheitlich auferlegt, die aber nicht nur die Zahlung eines Geldbetrages verlangen; der Einzelne übernimmt diese Pflichten folglich nicht freiwillig (Wegereinigungspflicht der Anlieger; Pflicht zur Vorratshaltung wichtiger Sachgüter (siehe dazu BVerfGE 30, 292 – Erdölbevorratung; Ipsen, Gesetzliche Bevorratungsverpflichtung Privater, AöR 90 (1965), S. 393 ff). Grundlegend zu dem Begriff: Ipsen, FS Kaufmann, 1950, S. 141 (143, 151 und 154); siehe jüngst Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, 2002, S. 14, nach dem eine Indienstnahme bei jeder einseitigen staatlichen Maßnahme vorliegt, „aufgrund derer einem Privaten im öffentlichen Interesse liegende Handlungspflichten auferlegt werden, die sich nicht in der bloßen Zahlung eines Geldbetrags oder in Form von Steuern oder Abgaben erschöpft.“ Das Merkmal des öffentlichen Interesses wurde hier weggelassen, da es zu unscharf ist, um handhabbar zu sein (siehe sogleich und Di Fabio, JZ 1999, S. 585 (586 ff.). Siehe Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 44 ff. (m. w. H.), für einen engeren Begriff der Indienstnahme, oder – in seiner Begrifflichkeit – der Inpflichtnahme: Dem Privaten werden hiernach keine öffentliche Aufgaben übertragen, sondern ihm werden – grundrechtlich begründbare – Handlungskompetenzen oder Pflichten auferlegt. Die gesetzlichen Pflichten können u. a. Vorgaben an die Betriebsorganisation begründen oder in Auskunfts-, Nachweis-, Aufzeichnungs-, Vorlage- oder Abführungspflichten bestehen (Weiß, ebenda, S. 44 ff.). Da die Unterscheidung zwischen öffentlichen Aufgaben und grundrechtlich begründbaren Handlungskompetenzen oder Pflichten schwer fällt, erscheint es sinnvoller, die Begriffe in dem genannten weiten Verständnis synonym zu verwenden (in synonymer Verwendung auch Osterloh, VVDStRL (54) 1995, 204 (224 f.)). 100 Siehe für die Definition der hoheitlichen Tätigkeit Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974, S. 110 f. 101 BMF in BVerfGE 43, 108 (114) – Kinderfreibeträge; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 190 ff., auch mit Blick auf die Haftung; Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzug, 1988, S. 24 et passim; Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 70 ff.; Winter, Der Arbeitgeber im Lohnsteuerrecht, 1997, S. 64 ff.; Stolterfoth, DStJG 9 (1986), S. 175 (191 ff.); diesem zustimmend v. Groll, DStJG 9 (1986), S. 431 (445 f.); Menger, DÖV 1955, 587 (590 Fußnote 31); Giloy, FR 1987, 444 (Fußnote 18); Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, 1983, S. 15; Merkert, FR 1982, 109 (109). 102 Stolterfoth, DStJG 9 (1986), 175 (191 ff.); zustimmend v. Groll, DStJG 9 (1986), 431 (445); Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 70 ff.; Winter, Der Arbeitgeber

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c) Der Arbeitgeber als staatlich Verpflichteter Der Arbeitgeber ist jedoch kein beliehener Unternehmer,104 wird nicht als Verwaltungsträger hoheitlich tätig,105 weil er die Lohnsteuer nicht rechtsverbindlich festsetzt und erhebt, sondern für den Arbeitnehmer dessen Steuern vorläufig entrichtet. Die Einkommensteuer wird – zwar unter Berücksichtigung der gezahlten Lohnsteuer, aber unabhängig vom Abzugverfahren – von der Finanzverwaltung festgesetzt und erhoben. Die Leistungen des Arbeitgebers im Abzugverfahren beziehen sich nur auf das Vorfeld des Verwaltungsverfahrens. Hoheitlich handelt nicht der Arbeitgeber, sondern der Staat. Nur der Staat greift einseitig verbindlich106 in die Freiheitssphäre des Steuerschuldners – des Arbeitnehmers – ein. Der Abzug der Steuer von dem arbeitsvertraglich geschuldeten Bruttolohn und die Zahlung an das Finanzamt werden nach Anordnung des Steuergläubigers, des Staates, durchgesetzt.107 Der Staat verpflichtet den Arbeitnehmer, Einkommensteuer zu zahlen. Gleichzeitig bestimmt er verbindlich, wie die Steuer zu zahlen ist. Jeder Arbeitnehmer muss dulden, dass ein anderer Privater – sein Arbeitgeber – die Steuer vom geschuldeten Bruttolohn einbehält (Duldungspflicht).108 Der Arbeitgeber befolgt beim Einbehalt der Lohnsteuer die Vorgaben des Gesetzes, ohne selbst einseitig verbindlich über die Steuerschuld oder den Steuerim Lohnsteuerrecht, 1997, S. 64 ff.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 430 Fußnote 367; Menger, DÖV 1955, 587 (590 Fußnote 31); Giloy, FR 1987, 444 (Fußnote 18); Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 123 und 125. 103 Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 191. 104 So auch Schick, jedoch mit einer anderen Begründung: Nach Art. 108 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG müssten alle Stadien der Steuerverwaltung durch Bundesoder Landesbehörden erfüllt werden, nicht durch Private (ders., Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, 1983, S. 1 ff.). Art. 108 GG trifft aber nicht die institutionelle Aussage, dass im Rahmen der Steuerverwaltung keine Beleihung vorgenommen werden darf, sondern die funktionelle Aussage, die Verwaltungsaufgaben auf den Bund und die Länder zu verteilen (Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 76 f.). 105 Es ist nicht die Aufgabe der Finanzverwaltungsgesetze, die Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerrecht zu bestimmen. Folglich kann lediglich als Indiz gegen die Beleihung vorgebracht werden, dass die Finanzverwaltungsgesetze den Arbeitgeber nicht als Verwaltungsbehörde nennen (Stolterfoth, DStJG 9 (1986), S. 175 (192)). 106 Siehe für die Definition der hoheitlichen Tätigkeit Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974, S. 110 f. 107 Anderer Ansicht ist u. a. Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzug, 1988, S. 24, nach dem der Arbeitgeber Verwaltungszwang gegenüber dem Arbeitnehmer ausübt. 108 Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 145; ders., StuW 1999, 349 (354); ders., ThürVBl. 1999, 153 ff.

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C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers

einbehalt des Arbeitnehmers zu entscheiden.109 Er erlässt keinen Steuerbescheid, gibt vielmehr eine Steuererklärung für den erklärungspflichtigen Steuerschuldner, für den Arbeitnehmer ab, wenn er die Lohnsteuer beim zuständigen Finanzamt anmeldet.110 Die Lohnsteueranmeldung steht dabei einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.111 Dieser Steuerbescheid wird aber nicht durch den Arbeitgeber erlassen. Der Arbeitgeber meldet die Steuer beim Finanzamt an, wodurch diese kraft Gesetzes zu einem Steuerbescheid des Finanzamtes wird.112 Folglich kann der Arbeitgeber gegen die Anmeldung Einspruch einlegen.113 Der Arbeitgeber kann aber die Änderung der Lohnsteueranmeldung nicht nur beantragen,114 sondern eine Änderung selbst innerhalb einer bestimmten Frist bewirken.115 Er wird aber auch in diesem Falle nicht hoheitlich tätig, sondern meldet lediglich eine geänderte Lohnsteuer an, die wiederum kraft Gesetzes zu einem Steuerbescheid des Finanzamtes wird. Der Arbeitgeber setzt keine Steuer fest, sondern zieht die maßgeblich durch den Bruttolohn und die Angaben auf der Lohnsteuerkarte116 – wie die Steuerklasse und die Zahl der Kinderfreibeträge117 – bereits festgesetzte Lohnsteuer vom Arbeitslohn ab.118 Der Arbeitgeber ist an die Vorgaben auf der Lohnsteuerkarte gebunden, selbst wenn die Eintragungen erkennbar unrichtig sind.119 Er 109

Heuermann, StuW 1999, 349 (351 ff.); ders., ThürVBl. 1999, 153 (155); der betont, dass nur die Fiananzbehörden die Steuer festsetzen, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der Arbeitgeber aber keine Finanzbehörde ist. 110 Die Lohnsteueranmeldung ist eine Steuererklärung im Sinne des § 150 Abs. 1 Satz 2 AO; siehe § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, sowie Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, 1997, S. 24, sowie Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 41a Rdn. 2; siehe zudem unten unter E. V. 111 § 168 Satz 1 AO. 112 Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 80 f.; siehe S. 82 ff. m. w. H. dazu, dass das Finanzamt eine Steuerschuld und keine Haftungsschuld festsetzt (Diskussion über die so genannte Doppelnatur der Steuerfestsetzung); siehe zudem ders., StuW 1999, 349 (355 f.), nach dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen Adressat der Steueranmeldung sind. 113 BFH BStBl. II 1997, S. 660; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 41a Rdn. 5. 114 § 164 Abs. 2 Satz 1 AO. 115 § 41c EStG; zur Frist siehe § 41c Abs. 3 EStG. 116 Die Lohnsteuerkarte (§ 39 EStG) wird von den Gemeinden ausgestellt, an den Arbeitnehmer übermittelt und von diesen dem Arbeitgeber vorgelegt. Der Arbeitgeber ist an die Vorgaben auf der Lohnsteuerkarte gebunden, darf die Karten folglich nicht verändern, sondern muss sie aufbewahren. Zudem darf der Arbeitgeber die auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Informationen nur für den Steuereinbehalt verwerten (§ 39b Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG; § 39 Abs. 1 Satz 1 EStG). 117 § 39 Abs. 3 Satz 1 EStG. 118 Siehe hierzu unten unter E. II. § 38a Abs. 4 EStG; § 39b Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG; § 39 Abs. 1 Satz 1 EStG. 119 BFH BStBl. II 1974, S. 756.

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setzt den ihm bekannten Bruttolohn in einen Programmablaufplan ein, der ihm vom Staat zur Verfügung gestellt wird.120 Das Ergebnis ist die abzuziehende Lohnsteuer. Obwohl der Programmablaufplan derzeit fehlerhaft ist, gilt auch er – wie die fehlinformierende Lohnsteuerkarte – für den Arbeitgeber.121 Dies verdeutlicht, dass nicht der Arbeitgeber, sondern der Staat das Lohnsteuerrecht konkretisiert. Unbekannte oder noch zu ermittelnde Größen kennt die Lohnsteuerfeststellung grundsätzlich nicht. Falls solche doch auftreten sollten, erteilt das zuständige Finanzamt dem Arbeitgeber auf Anfrage die notwendigen Rechtsauskünfte,122 gibt ihm verbindliche Vorgaben. In bestimmten, komplizierten Fällen kann die Lohnsteuer pauschal erhoben werden.123 Die pauschal erhobene Lohnsteuer hat Abgeltungscharakter, bleibt bei der Veranlagung zur Einkommensteuer außer Ansatz, ist weder auf die Einkommensteuer noch auf die Jahreslohnsteuer anzurechnen.124 Der Arbeitgeber zahlt die pauschale Lohnsteuer nicht auf eine fremde Schuld, sondern gemäß § 40 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 EStG auf eigene Schuld aus eigener Kasse. Der Arbeitnehmer hat die Lohnsteuer nicht zu zahlen, soweit sie pauschal berechnet wird, haftet für sie nicht.125 Die Besteuerung kann folglich ohne unmittelbare Mitwirkung des Arbeitnehmers durchgeführt werden. Das Verfahren reduziert darüber hinaus regelmäßig die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers; die pauschale Steuer ist meist niedriger als die nach dem Regelverfahren berechnete Einkommensteuer.126 Der Arbeitgeber gestaltet durch die Wahl der pauschalen Lohnsteuer trotzdem nicht hoheitlich das Steuerschuldverhältnis in maßgeblicher Weise um, reduziert die Steuerschuld des Arbeitnehmers nicht einseitig verbindlich. Er wählt vielmehr ein besonderes Besteuerungsverfahren, trifft – dem Grunde nach – lediglich eine Entscheidung für eine Verfahrensvereinfachung, die das Steuerschuldverhältnis in der Höhe der Steuerschuld und im Zahlungsschuldner verändert. Der Arbeitnehmer wird aus dem Steuerschuldverhältnis nicht verdrängt. Die pauschale Lohnsteuer bleibt eine Lohnsteuer,127 wird nicht zu einer Betriebssteuer des Arbeitgebers. Der Lohn des Arbeitnehmers wird weiterhin – wenngleich pauschal – besteuert. Der Arbeitnehmer 120

§ 39b Abs. 8 EStG. Siehe hierzu insgesamt auch unten unter E. II. 122 Anrufungsauskunft des § 42 e EStG. 123 §§ 40 bis 40b EStG; siehe insgeamt auch unten unter E. II. 4. 124 § 40 Abs. 3 Sätze 3 und 4 EStG. 125 BFH, BStBl. II 1995, S. 507 (508); II 1990, S. 993 (996); Giloy, DStJG 9 (1986), 209 (219); Schlarb, FR 1980, 315 (316). 126 Schmidt, in: Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, H Rdn. 2; siehe auch Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 40 Rdn. A 2; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 40 Rdn. 3. 127 Giloy, DStJG 9 (1986), 209 (223). 121

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C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers

bleibt Steuerschuldner im Sinne des materiellen Steuerrechts. Der Arbeitgeber wird zu einem lediglich „rein formellen Steuerschuldner.“128 Auch die Ausgestaltung der Aufsicht, des Rechtsweges und der Ersatzansprüche im Falle von Streitigkeiten im Abzugverfahren zeigen, dass der Arbeitgeber nicht hoheitlich die Lohnsteuer einbehält und abführt. Die Leistungen des Arbeitgebers im Abzugverfahren stehen nicht – wie die staatliche Finanzverwaltung – unter Fachaufsicht, sondern auf Grund der Lohnsteuer-Anmeldung und der Lohnsteuer-Außenprüfung unter behördlicher Aufsicht.129 Der Arbeitgeber wechselt nicht in die Staatsverwaltung. Verletzt der Arbeitgeber seine lohnsteuerrechtlichen Pflichten, droht ihm – neben der steuerrechtlichen Haftung – ein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch, welchen der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht einklagen kann.130 Dem Arbeitnehmer steht keine Anfechtungsklage gegen den Arbeitgeber zur Verfügung.131 Der Arbeitgeber konkretisiert nicht das Gesetz hoheitlich gegenüber dem Arbeitnehmer, sondern zahlt eine festgesetzte Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld, folgt – unter Rückgriff auf die ihm bereitstehenden Informationen – konkreten, wenngleich komplizierten rechtlichen Vorgaben. Der Arbeitgeber ist Verpflichteter, ohne selbst verpflichten zu können.132 Er muss den starren steuerrechtlichen Pflichten folgen. Verglichen mit dem zu Recht so bezeichneten „Schulfall der Beleihung“,133 dem Technischen Überwachungsverein (TÜV), entscheidet der Arbeitgeber nicht, welche Reparaturen an einem Kraftfahrzeug vorgenommen werden müssen – welche Steuer der Arbeitnehmer zahlt –, vergibt nicht die Prüfplakette134 128

Siehe insgesamt unten unter E. II. 4. § 42f EStG und § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (siehe insgesamt Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 79 f.). 130 Stolterfoth, DStJG 9 (1986), S. 175 (179 ff.); Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 151. 131 Der Arbeitgeber kann zudem den Quellenabzug nicht durch ein anderes, ebenso effizientes Verfahren ersetzen, die Fälligkeit der Steuerzahlung nicht zeitlich verschieben, die Mitwirkungspflichten nicht privatvertraglich abbedingen (Birkenfeld, DStJG 9 (1986), 245 (264); Stolterfoth, DStJG 9 (1986), 175 (183) jeweils m. w. H.). 132 Dies wird durch § 38 Abs. 4 EStG bestätigt. Reicht der Lohn zur Zahlung der Lohnsteuer nicht aus, zum Beispiel weil hohe Sachbezüge gewährt werden, muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Fehlbetrag zur Verfügung stellen oder der Arbeitgeber einen entsprechenden Teil anderer Bezüge des Arbeitnehmers zurückbehalten (§ 38 Abs. 4 Satz 1 EStG). Scheitern diese Möglichkeiten, wendet sich der Arbeitgeber an das zuständige Finanzamt, damit dieses – und nicht der Arbeitgeber – die offene Lohnsteuer nachfordert (§ 38 Abs. 4 Satz 4 EStG). Der Arbeitgeber wird folglich gerade nicht berechtigt, das Steuerrecht zu konkretisieren und einen Nachforderungsbescheid zu erlassen. 133 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 23. 129

II. Rechtsfolgenkonzentrierte Typologie

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– erlässt nicht den Steuerbescheid. Der Arbeitgeber gleicht eher der Werkstatt, die alle nach Vorgaben des TÜV notwendigen Reparaturen durchführt, wobei der Halter des geprüften Kraftfahrzeugs – der Arbeitnehmer – vom Staat gezwungen wird, die Reparaturen in einer bestimmten Werkstatt – bei seinem Arbeitgeber – durchführen zu lassen. Die Werkstatt handelt hierbei – wie der Arbeitgeber – nicht hoheitlich. Dem staatlichen Zwang, eine bestimmte Werkstatt aufzusuchen, würde der Fahrzeughalter in der Regel gerne folgen, wenn die Reparaturen unentgeltlich durchgeführt würden – ebenso wie der Arbeitnehmer den Steuerabzug hinnimmt, insbesondere weil er sich um die Vorauszahlungen der Einkommensteuer nicht kümmern muss. Die Werkstatt hingegen würde sich gegen die unprofitable, lästige Pflicht wehren wollen – wie der Arbeitgeber. Der Arbeitgeber wird nicht zum Verwaltungsträger. Der Staat – nicht der Arbeitgeber – verpflichtet die Arbeitnehmer, die Lohnsteuer zu zahlen, gebietet ihnen, den Steuerabzug zu dulden, dem Arbeitgeber, den Lohnsteuerabzug durchzuführen. § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG gibt den Arbeitgebern nicht auf, als Beliehene tätig zu werden, das heißt für den Staat die Steuerforderung hoheitlich zu ermitteln, festzusetzen und zu vollziehen. Der Arbeitgeber behält die Lohnsteuer „für Rechnung des Arbeitnehmers“ (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) ein. Eine Beleihung regelt das Lohnsteuerrecht nicht.

4. Privatisierung der ausführenden Hand a) Privates Handeln im staatlichen Rahmen Der Staat erfüllt seine Aufgaben grundsätzlich durch staatliche Bedienstete, die in einem öffentlichen Dienstverhältnis, einem Treueverhältnis zum Staat stehen (Art. 33 Abs. 4 GG). Er kann aber auch Private für sich handeln lassen, ohne dass diese – wie Beliehene – öffentlich-rechtlich tätig werden, ohne die Privaten in die Sphäre des Staates zu ziehen.135 Die Privaten handeln dann in einem staatlichen Rahmen. Der Staat wird nicht mehr durch seine Bediensteten tätig, sondern lässt Private für sich handeln; er privatisiert die ausführende Hand. Auf diese Privatisierungsform greift der Staat zunächst bei den alltäglichen, vertraglich vereinbarten Geschäften im Dienst der Verwaltung zurück, wenn der Bauunternehmer für die Verwaltung ein Gebäude errichtet, in einer Kantine den Behördenbediensteten das Mittagessen serviert wird, ein Reinigungsunternehmen die Amtsräume säubert. In diesen Fällen ist der Private schlichter Vertrags134 § 29 Abs. 2 Satz 2 StVZO; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 23. 135 Di Fabio, JZ 1999, 585 (588).

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C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers

partner der öffentlichen Hand. Der staatliche Vertragspartner unterscheidet sich insoweit kaum von jedem anderen. Der Private erfüllt nicht eine Verwaltungsaufgabe, sondern bietet lediglich eine Leistung an, die der Verwaltung dient. Im Unterschied dazu kann der Private aber auch als Beauftragter136 oder Verwaltungshelfer137 für den Staat agieren.138 Er handelt dann im Auftrag, nach Weisung der Verwaltungsbehörde, unterwirft sich also dem unmittelbaren Einfluss des Staates, handelt aber nicht hoheitlich. Dabei unterstützt der Verwal136 Einem privaten Beauftragten wird ein Aufgabenfeld durch Gesetz zur selbstständigen Erledigung übertragen, wobei dieser nicht öffentlich-rechtlich agiert. Die Beauftragung unterliegt dem institutionellem Gesetzesvorbehalt (insgesamt Di Fabio, JZ 1999, 585 (589 f.); siehe zudem sogleich unter c). 137 Ein Verwaltungshelfer unterstützt die Verwaltungsbehörden nach dem klassichen Verständnis im Unterschied zum Beliehenen regelmäßig zumindest in Teilbereichen nicht selbstständig, das heißt insbesondere nach Weisung der Behörde; er wird nicht hoheitlich tätig. Sein Handeln ist auf Grund dieser starken Einflussmöglichkeiten leicht der Behörde zuzuordnen (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 23 Rdn. 60; siehe zudem sogleich unter b). 138 Burgi spricht hier von funktionaler Privatisierung (ders., in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 31 ff.; ders., Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999). Hierunter fallen auch die Fälle der Verfahrensprivatisierung, welche teilweise als eigene Privatisierungsform angeboten wird. Hierin einen eigenen Privatisierungstyp zu fassen, überzeugt schon deswegen nicht, weil die Grenzen insbesondere zwischen der funktionalen Privatisierung oder der Privatisierung der ausführenden Hand und der Verfahrensprivatisierung fließend sein können (Di Fabio, JZ 1999, 585 (589 f.); Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 44). Heintzen betont, dass die Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben und öffentlicher Verantwortung eine Frage ist, die lediglich in den Bereichen der Privatisierung der ausführenden Hand und der Organisationsform eine Rolle spielt; er spricht von funktionaler Privatisierung und Organisationsprivatisierung (ders., VVDStRL 62 (2003), 220 (234 f., siehe 251 ff. zu verschiedenen Erscheinungsformen)). Die vielfältigen Formen der gesellschaftlichen Selbstregulierung können regelmäßig unter die Privatisierung der ausführenden Hand und die Aufgabenprivatisierung, gegebenenfalls aber auch unter die Kategorie der Beleihung geordnet werden. Oft liegt aber auch kein Fall der Privatisierung vor, weswegen der Begriff der Privatisierung für diesen Bereich zu eng ist, der selbstregulative Gesetzesvollzug insbesondere vom Verwaltungsprivatrecht (siehe oben unter 1. und 2.) zu unterscheiden ist (Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235 (insbes. 242 und 270)). Unter den Begriff der Kondominalverwaltung werden Kollegialorgane der öffentlichen Verwaltung gefasst, in denen Private mitentscheiden. Das Demokratieprinzip fordert, dass die Mehrheit der Mitglieder personell demokratisch legitimiert ist. Es läge keine Privatisierung der ausführenden Hand vor, wenn man der Ansicht wäre, dass die Privaten nicht selbst agieren, sondern lediglich in einem insofern nicht maßgeblichen Umfang teilhaben an einer Tätigkeit. Es könnte dann eine Teilprivatisierung vorliegen. Daneben könnte der Tätigkeitsbereich aber auch enger gefasst werden – zum Beispiel als Agieren im Kollegialorgan –, so dass eine Privatisierung der ausführenden Hand vorläge, die mit einer engen Kooperation mit den demokratisch legitimierten Mitgliedern des Kollegialorgans einher ginge (siehe zur Kondominalverwaltung bereits Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (149 f.); siehe insbesondere Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominalverwaltung, 1993, insbes. S. 26 f., nach dem die Kondominalverwaltung das Demokratieprinzip verletzt; Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (244 f.)).

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tungshelfer den Staat unselbstständig, der Beauftragte hingegen selbstständig. Die Privatisierung der ausführenden Hand kann eine Aufgabenprivatisierung vorbereiten, kennzeichnet dann eine Übergangsphase.139 Der Staat nutzt durch die Privatisierung der ausführenden Hand private Organisations- und Leistungskraft, wie zum Beispiel beim Straßenbau, setzt privates Sachwissen140 und besondere Problemnähe für eine staatliche Verwaltungsaufgabe unter anderem im Umweltschutz ein, bedient sich privater Fachqualifikation und Unbefangenheit zum Beispiel durch Sachverständige, beansprucht eine in der Verwaltung nicht verfügbare Spezialisierung, beispielsweise für besondere Kontrolltechniken, erschließt sich beim Arzt oder bei der Bank Wissen und Handlungsmöglichkeiten, die dem Staat bei eigenhändigem Handeln nicht eröffnet wären.141 Rechtsgrundlage einer solchen Privatisierung ist regelmäßig ein privatschriftlicher Vertrag;142 der Privatisierung der ausführenden Hand liegt dann eine Privatisierung der Handlungsform zu Grunde. Sie kann auch auf einem Verwaltungsvertrag beruhen. Gegen eine einseitige, hoheitliche Verpflichtung zum Tätigwerden, gegen eine Indienstnahme wird der Private – wie im Falle der Beleihung – durch die Grundrechte geschützt.143 Doch auch wenn der Private nicht verpflichtet wird, gilt für die Privatisierung der ausführenden Hand ein eigener Prüfmaßstab, der sie von den Privatisierungen der Organisations- und Handlungsform unterscheidet, sie als eigene Form der Privatisierung kennzeichnet. Der Private muss sich dem Wettbewerb, den Anforderungen des Marktes stellen.144 Die Grundrechtsverpflichtung, die rechtsstaatlichen, freiheitsichernden Bindungen durch das Verwaltungsverfahren, durch die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, durch den Untersuchungsgrundsatz sowie durch die Pflicht zur Unparteilichkeit der Amtswalter greifen nicht für 139

Di Fabio, JZ 1999, 585 (589). Hierzu Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (148); Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), 165 (166 ff.). 141 Siehe hierzu Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Auflage 1976, S. 452; Ehlers, in: Erichsen/ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 1 Rdn. 16; Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 106. 142 Die Verwaltungsaufgaben werden dadurch erledigt, dass private Unternehmer durch Werkverträge oder ähnliche Verträge beauftragt werden, die Aufgaben zu erfüllen (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 23 Rdn. 65). 143 Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (175 ff.), auch zu der Funktion der Grundrechte, dass der Staat eine einmal übertragene Tätigkeit den Privaten nicht mehr entziehen dürfe. Eine Privatisierung der ausführenden Hand liegt auch vor, wenn der Staat öffentliche Aufgaben durch Private ausführen lässt, indem er diese als öffentlich-rechtliche Bürgerpflichten ausprägt – wie zum Beispiel die Wegereinigung durch den Anlieger oder die Bevorratungspflichten – (hierzu Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (143)). 144 Di Fabio, JZ 1999, 585 (588 f.), zur funktionellen Privatisierung. 140

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den Privaten.145 Der Handelnde ist kein Amtsträger; deswegen greifen auch die strafrechtlichen Amtsdelikte nicht. Die Bestimmungen des Staatshaftungsrechts laufen mit Blick auf den Privaten insoweit ins Leere, als der Private aus dem Blickwinkel des Betroffenen nach funktionaler Betrachtung nicht für den Staat tätig wird.146 Die privatisierte Tätigkeit unterliegt auch nicht unmittelbar der staatlichen Haushaltsbindung,147 wird nicht durch die steuerfinanzierte Staatsverwaltung, sondern durch den steuerfinanzierenden Privaten ausgeübt. Das staatliche Sonderrecht findet auf den Privaten keine Anwendung. Rechts- und Fachaufsicht, der Bundestag und der Bundesrechnungshof kontrollieren aber die Behörde, die wiederum Einfluss auf den Privaten hat.148 Diese Bindung des staatlichen Sonderrechts einschließlich der Forderung des Demokratieprinzips – unterstützt durch den Vorbehalt des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 4 GG)149 und durch die Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) –, der Staat habe seine Aufgaben selbst wahrzunehmen,150 kann die Privatisierung der ausführenden Hand verbieten,151 aber auch in der Maßgabe erfüllt werden, die Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten gegenüber dem Privaten hinreichend effektiv zu gestalten.152 Der Staat hat einen Gestaltungsraum, wie er den effektiven Einfluss wahrt.153 Über diesen Einfluss des Staates auf den 145 Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, HStR III, 1988, § 70 Rdn. 14. Der Grundsatz der Einheit der Verwaltung gibt keine darüber hinausgehende Vorgaben für die Privatisierung (siehe insgesamt Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, 1997, S. 77 ff.; Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 181, der betont, dass die einfachrechtlichen Ausgestaltungen den Rückgriff auf das Demokratieprinzip oft unnötig erscheinen lassen). 146 Die Rechtsfolge des Amtshaftungsanspruchs kann aber dann eintreten, wenn die Behörde zum Beispiel die private Leistung nicht hinreichend geprüft oder den Privaten fehlerhaft ausgewählt hat. Der zuständige Hoheitsträger muss aber wissen und wollen, dass der Private in Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Pflichten agiert (insgesamt Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage 1998, S. 18 ff.; siehe bereits ders., VVDStRL 29 (1971), 137 (196 ff.); Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, 2000, S. 336 ff.). 147 Hierzu Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), 165 (197 ff.). 148 Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 432. 149 Siehe zu der Reichweite des Beamtenvorbehalts bereits oben Fußnote 86. 150 BVerfGE 89, 155 (182 m. w. H.) – Maastricht; 47, 253 (275) – Gemeindeparlamente (Nordrhein-Westfalen); Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (159); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auflage 1995, Rdn. 153. 151 Dies gilt insbesondere für privatisierungsfeste Aufgaben, die jedenfalls nicht Objekt einer Aufgabenprivatisierung sein dürfen (siehe sogleich unter 5. b). 152 So auch Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (159 ff.), der jedoch verdeutlicht, dass auch die gesprengte Kette, die völlige Weisungsfreiheit geboten sein kann; „pauschale Grenzziehungen und fixe Richtpunkte“ setze das Demokratieprinzip nicht; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266 (296 ff.), der hier den Gestaltungsraum des Gesetzgebers betont, weil die Einwirkungsmöglichkeiten lediglich nicht gänzlich ungeeignet sein dürfen. 153 Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266 (298).

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handelnden Privaten wirkt das staatliche Sonderrecht lediglich mittelbar gegenüber betroffenen Privaten.154 Grundrechte schützen als Abwehrrechte vor Übergriffen der staatlichen Gewalt insoweit, als eine Beeinträchtigung dem Staat zugerechnet werden kann. Durch die Privatisierung der ausführenden Hand scheint der Staat diesem Schutz im privatisierten Handlungsbereich ausweichen zu können. Allerdings wäre eine Flucht aus der Grundrechtsbindung durch Privatisierung unzulässig. Der Staat darf sich deshalb seiner Verantwortlichkeit für seinen Beauftragen oder Verwaltungshelfer nicht gänzlich entziehen. Der Staat muss sich vielmehr Einwirkungs-, Kontroll- und Sanktionsbefugnisse sichern,155 auch darüber hinaus dem privaten Handeln einen rechtlichen Rahmen setzten, durch den der Staat Verantwortung156 für das private Handeln übernimmt. 154 Ehlers, in: Erichsen/ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 1 Rdn. 17, für die Verwaltungshilfe; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266 (318 ff.), für den Grundrechtsschutz. 155 Der Staat muss die Privaten gewissenhaft auswählen, sichern, dass der Private eine gediegene Leistung erbringt, gewährleisten, dass die Beziehung zum Privaten wieder gelöst, der nicht gewissenhafte Private gegebenenfalls durch einen anderen abgelöst werden kann (insgesamt Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266 (307 ff., insbes. 310 ff.), der die staatlichen Einflussmöglichkeiten in einem System zu erfassen sucht, das kodifiziert werden sollte). Die Rücknahme der Beteiligung Privater wird aber umso schwieriger, je weiter sie reicht, wobei hier die Grenze zu Aufgabenprivatisierung nicht verwischt werden darf (zu dieser Kritik an Voßkuhle siehe Engel, Lege und Kämmerer, Diskussionsbeiträge, VVDStRL 62 (2003), 342 f., 346 f., 360 f.). SchmidtPreuß betont die Notwendigkeit der von Voßkuhle gesetzten Grundbausteine eine Typik der staatlichen Einflussnahme (ders., Diskussionsbeitrag, VVDStRL 62 (2003), 344 f). Heintzen äußert sich hiergegen, weil so versteckt würde, was durch die Einbindung Privater erreicht wird: Sie sollen gerade einen Teilbereich ausfüllen und nicht nur gleichsam geleitete Ausfüllungsgehilfen sein (ders., Schlussbemerkung, VVDStRL 62 (2003), 364 f.). Gallwas wendet sich auch gegen die von Voßkuhle vorgeschlagene Kodifikation der gezeichneten Einflussmöglichkeiten, weil diese zu starke Flexibilitätseinbußen mit sich bringen würde (ders., Diskussionsbeitrag, VVDStRL 62 (2003), 336 f.; siehe zudem Burgi, Die Verwaltung 2000, S. 182 ff., der von einer „staatlichen Strukturschaffungspflicht“ spricht). 156 Hier wird zwischen verschiedenen Verantwortlichkeiten des Staates differenziert. Schuppert differenziert zwischen unmittelbarer und mittelbarer Erfüllungsverantwortung, trennt die Überwachungsverantwortung von der Beleihungs-, Förderungs-, Finanzierungs-, Beratungs-, Organisations- und Einstandsverantwortung (ders., DÖV 1995, 761 (768).; ders., in: Ipsen (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1994, S. 17 ff.). Nach Schmidt-Aßmann kann der Staat lediglich einen Rahmen für private Aktivitäten setzen oder die Beratungs-, Überwachungs-, Organisations-, Einstandsoder die Erfüllungsverantwortung wahrnehmen (ders., in: Hoffmann-Riem/ders./ Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 11 (15 f.)). Die Abgrenzung nach der Verantwortung wird auch dafür verwendet, verschiedene Formen der Privatisierung zu unterscheiden. Burgi differenziert zwischen der Organisationsprivatisierung (Privatisierung der Organisationsform) und der funktionalen Privatisierung (Privatisierung der ausführenden Hand) auch nach der Verantwortung, die dem Staat verbleibe: Dies sei zunächst die Erfüllungsverantwortung, nach funktionaler Privatisierung die Leitungsverantwortung und nach Aufgabenprivatisierung die Ge-

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Wie weit die Kontrolle, die Einwirkungsmöglichkeiten des Staates reichen müssen, wie gewissenhaft der Private auszuwählen ist, ob Haftungsregeln oder Kündigungsklauseln in dem der Privatisierung zu Grunde liegenden Vertrag aufzunehmen sind,157 unter welchen Voraussetzungen bestimmte Handlungsergebnisse des Privaten garantiert werden, dieser für einen Gesamterfolg einsteht und Leistungsmängel auszugleichen hat, hängt davon ab, welchen Bereich die Privatisierung der ausführenden Hand erfasst, wie weit die übertragene Tätigkeit vom Staat überwacht werden kann und wie wichtig sie für das Gemeinwesen ist, ob sie in einem Bereich der staatlichen – grundrechtlichen – Schutzverpflichtung wirkt.158 Der Staat muss seinen grundrechtlichen Schutzauftrag erfüllen, darf eine bestimmte Schutzintensität nicht unterschreiten (Untermaß).159 Beauftragt er beispielsweise Sachverständige, die mit Blick auf eine mögliche Gefahr, auf eine mögliche Grundrechtsverletzung ein Gutachten erstellen, das er selbst kaum prüfen kann, muss er die Auswahl der Gutachter besonders gewissenhaft treffen und die sachverständige Begutachtung so weit wie möglich nachvollziehen. Bei jeder Privatisierung der ausführenden Hand überträgt der Staat einem Privaten eine Tätigkeit, setzt dieser Tätigkeit aber einen rechtlichen Rahmen und nimmt auf den Handelnden Einfluss; insbesondere durch die Auswahl der Person, die Kontrolle seines Handelns, die Abnahme oder Übernahme der privaten Leistung übernimmt er eine Garantenpflicht für einen Gesamterfolg oder eine Ausgleichspflicht bei Leistungsmängeln, entlässt den privat Handelnden somit nicht gänzlich in die grundrechtliche Freiheit und den privaten Wettbewerb. Das staatliche Sonderrecht, insbesondere die Grundrechte, entfalten insoweit ihre freiheitschützende Funktion auch im Tätigkeitsfeld des staatlich Beauftragten und des Verwaltungshelfers.

währleistungsverantwortung (ders., in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 10 ff.). Diese dreistufige Differenzierung geht mit der vorgeschlagenen Typologie einher. 157 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 34. 158 Zu letzterem Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, 2000, S. 75 ff. 159 BVerfGE 88, 203 (254) – Schwangerschaftsabbruch II –, mit Verweis auf Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, HStR Bd. V, 1992, § 111 Rdn. 165 f. Siehe zu den grundrechtlichen Schutzpflichten im konkreten Zusammenhang zur Privatisierung: Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 30 ff.; siehe losgelöst von diesem Zusammenhang: Isensee, ebenda, Rdn. 86 ff.; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992.

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b) Verwaltungshelfer Der Verwaltungshelfer ist – im Gegensatz zum Beauftragten – unselbstständig tätig, handelt also im Dienst und nach Weisung der Behörde. Die Behörde bestimmt sein Handeln, das damit deutlich der Staatsverwaltung zugerechnet werden kann.160 Der Arbeitgeber ist kein „unselbstständiges Hilfsorgan der Steuerverwaltung“,161 ist kein Verwaltungshelfer.162 Sein Handeln unterliegt nicht so starken Einflussmöglichkeiten der Finanzbehörde, dass er dieser zugeordnet werden kann. Das Lohnsteuerrecht verpflichtet ihn vielmehr, das Abzugverfahren selbstständig durchzuführen, eigenständig den Vorgaben insbesondere auf der Lohnsteuerkarte zu folgen. Er handelt nicht weisungsgebunden. Der Arbeitgeber ist kein Verwaltungshelfer, könnte aber als staatlich Beauftragter tätig sein. c) Beauftragter Eine Privatisierung der ausführenden Hand ist auch in Form der Beauftragung möglich. Der Beauftragte handelt für den Staat, übt dabei keine öffentlich-rechtliche Befugnis aus,163 wirkt aber in einer gewissen Selbstständigkeit bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben mit. Der Staat braucht den selbstständigen ebenso wie den unselbstständigen Helfer für die Erfüllung der Verwaltungsaufgaben. Der Verwaltungshelfer sollte vom Beauftragten deutlich unterschieden werden, weil die rechtlichen Bindungen des Beauftragten stärker an der Person des Handelnden als an der Erledigung der Tätigkeit anknüpfen. Der Staat behält über die Auswahl des Beauftragten, durch die Übernahme und Abnahme der privaten Leistung, aber auch durch Garantenstellungen und Gewährleistungspflichten Einfluss auf die privatisierte Tätigkeit.164 160 Verwaltungsgehilfen sind nach Maurer zum Beispiel Bürger, die bei einem Verkehrsunfall von der Polizei beauftragt werden, den Verkehr umzuleiten, oder das Studentenwerk e.V., das bei der Studenten-Förderung technische Dienstleistungen erbringt (ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 23 Rdn. 60). 161 So aber BMF in BVerfGE 43, 108 (114) – Kinderfreibeträge; Schick, BB 1985, 110 (111); Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, 1983, S. 15; Merkert, FR 1982, 109. Grundlegend schon Ipsen, FG Kaufmann, 1950, S. 141 (145 f.): Den Arbeitgebern „werden gesetzlich Aufgaben der Steuereinbehaltung und -abführung auferlegt, die die Steuerverwaltung ohne Inanspruchnahme ihrer „Hilfsorgane“ selbst erledigen müsste.“ 162 Schick, BB 1985, 110 (111); BVerfGE 19, 226 (240) – Kirchenlohnsteuer: „Hilfsorgan der Finanzverwaltung“. 163 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 32. 164 Die Beauftragung unterliegt dem institutionellen Gesetzesvorbehalt (insgesamt Di Fabio, JZ 1999, 585 (589 f.)). Auch die Fälle des so genannten beschränkten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses sind Beauftragungen. Eine Tätigkeit wie der Lehrauftrag an einer Universität wird hier einem Privaten übertragen. Der Lehrbeauf-

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Der Arbeitgeber wäre nur dann staatlich Beauftragter, wenn er für den Staat, für die Steuerverwaltung tätig würde. Der Arbeitgeber behält die Lohnsteuer aber nicht für den Staat, sondern für den Arbeitnehmer ein. Er ist deshalb kein Beauftragter der Finanzverwaltung,165 sondern ein Erfüllungshelfer des Steuerschuldners, des Arbeitnehmers. Steueransprüche sind auf die Zahlung von Steuern gerichtet. Schon vor der Zahlung der Steuern treffen den Steuerpflichtigen aber zahlreiche Mitwirkungspflichten, insbesondere Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, Erklärungspflichten und Mitwirkungslasten bei der Sachaufklärung.166 Die Finanzbehörde kann aus eigener Kraft die Bemessungsgrundlage der Steuer kaum ermitteln. Das Besteuerungsverfahren ist daher auf eine kooperative Arbeitsteilung zwischen Finanzbehörden und Steuerpflichtigen angelegt,167 nimmt den Steuerpflichtigen in eine sphärenorientierte Mitverantwortung168 für die Sachaufklärung. Die Verwaltung muss nach dem Untersuchungsgrundsatz zwar den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln.169 Doch ist sie gerade hierbei auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen angewiesen. Der mitwirkungspflichtige Steuerschuldner wird deshalb aber nicht Teil der Sphäre des Steuergläubigers. Gleiches gilt für den Arbeitgeber, wenn er die Höhe der Lohnsteuer feststellt, die Steuer einbehält und an das Finanzamt abführt. Er erfüllt dabei die Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers, bleibt in der Sphäre des privat Erwerbstätigen. Dies wird deutlich, wenn man die Steuerschulden trefflich fasst: „Steuerschulden sind Bringschulden“ (BFH).170 Der Steuerschuldner trägt dafür Sorge, dass die Steuer den Steuergläubiger erreicht, die Steuerschuld erfüllt wird. Er kann sich dafür nach privatvertraglicher Vereinbarung eines Dritten bedienen, z. B. eines Steuerberaters. Der Dritte wird dann, wenn er die Schuld begleicht, zwar auch im Interesse des Steuergläubigers, des Staates, aber nicht für diesen tätig, sondern für den Steuerschuldner. Dies gilt auch für den Arbeitgeber, der tragte ist nicht Beliehener, da zum Beispiel die von ihm ausgestellten Leistungsscheine solche der Universität sind, er ist aber auch nicht Verwaltungshelfer, da er selbstständig tätig wird (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage 2002, § 23 Rdn. 62). 165 So aber BVerfGE 19, 226 (240) – Kirchenlohnsteuer. 166 Für eine Übersicht: Lang, in: Tipke/ders., Steuerrecht, 17. Auflage 2002, § 21 Rdn. 172 f. 167 §§ 88, 90 AO. 168 Seer, Verständigungen im Steuerverfahren, 1996, S. 179 f.; J. Hoffmann, Der maßvolle Gesetzesvollzug im Steuerrecht, 1999, S. 200 f.; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 450 ff.; Müller-Franken, Maßvolles Verwalten, 2004, S. 161 ff., spricht von einer Verantwortungsgemeinschaft. 169 § 88 Abs. 1 AO. 170 BFH, BStBl. III 1964, S. 106 (107); siehe auch II 1999, S. 3 sowie Gersch, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 65; Gerber, DB 1984, 954; Schwarz, in: ders., Abgabenordnung (AO), Stand: 75. Lfg. Juni 1996, § 37 Rdn. 5.

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als Dritter durch Gesetz verpflichtet wird. Bestimmt das Steuergesetz den Arbeitgeber, die Lohnsteuer „für Rechnung des Arbeitnehmers“ einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG), begleicht der Arbeitgeber die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers, das heißt für diesen und nicht für den Staat. Der Verpflichtende, der Staat, ist hier nicht identisch mit dem, für den der Verpflichtete tätig wird. Der Arbeitgeber ist nicht Teil der Steuerverwaltung, sondern ein verpflichteter Erfüllungshelfer im Dienste des Arbeitnehmers, der für diesen die Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer ihrer Höhe nach feststellt, einbehält und zahlt. Dieses Ergebnis wird durch das Einkommensteuergesetz und durch die Abgabenordnung bestätigt. Der Arbeitgeber ist Steuerpflichtiger im Sinne des § 33 Abs. 1 Alt. 3 und Alt. 2 AO, weil er eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat und hierfür haftet (§ 42d Abs. 1 Nr. 1–3 EStG).171 Der Arbeitnehmer verwirklicht aber den Tatbestand, an den das Gesetz grundsätzlich die Rechtsfolge der Einkommenbesteuerung knüpft, weil er Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt (§§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 19 Abs. 1 EStG). Er schuldet folglich die Einkommensteuer,172 ist deshalb aber auch Schuldner der Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld, der Lohnsteuer (§ 43 Satz 1 AO in Verbindung mit § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Arbeitgeber ist lediglich feststellungs-, einbehalt- und zahlungsverantwortlich. Selbst wenn die Lohnsteuer pauschal erhoben wird, ist er lediglich formeller Schuldner der Lohnsteuer und verdrängt die materielle Schuldnerposition des Arbeitnehmers nicht.173 Der Arbeitgeber ist nicht Steuergläubiger, steht auch im Steuerschuldverhältnis nicht auf der Seite des Staates.174 Er wird nicht für die Steuerverwaltung tätig, ist kein Beauftragter des Staates. 5. Privatisierung der Aufgabe a) Die Gewährleistungsverantwortung des Staates Mit der Aufgabenprivatisierung175 wird eine nach der geltenden Rechtsordnung dem Staat übertragene Aufgabe aus dem Organisationsbereich des Staates 171 Heuermann, StuW 1999, 349 (352); ders., ThürVBl. 1999, 153 (154 f.), der betont, dass der Staat keinen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 EStG) gegenüber dem Arbeitgeber hat. 172 BFH BStBl. II 1984, S. 751; II 1983, S. 272. 173 § 43 Satz 1 AO i. V. m. § 40 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 EStG, auf den § 40a Abs. 5 sowie § 40b Abs. 4 EStG verweisen; siehe hierzu oben unter 3. und unten unter E. II. 4. 174 Zudem könnte ein klassisches Auftragsverhältnis regelmäßig gelöst werden. Die Verpflichtung zum Abzug der Lohnsteuer kann hingegen von der Finanzverwaltung nicht aufgeschoben oder erlassen werden. Auch die Lohnsteuerforderung kann – außer in den Fällen der pauschal erhobenen Lohnsteuer – von der Finanzverwaltung gemäß § 222 Satz 3 AO nicht gestundet werden (Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 6).

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dauerhaft gelöst und der Gesellschaft zur Erfüllung anvertraut. Der Staat erfüllt eine Aufgabe nicht mehr, sondern überlässt die Aufgabenerledigung dem gesellschaftlichen Bereich und damit dem Wettbewerb.176 Der Staat kann dabei die Infrastruktur der staatlichen Aufgabenwahrnehmung bestimmten privaten Rechtssubjekten übertragen.177 Er kann aber auch nur auf die Wahrnehmung der Aufgabe verzichten, damit Private im Wettbewerb in diesem Bereich tätig werden können.178 Die Aufgabe wird nicht mehr vom grundrechtsgebundenen Staat, insbesondere nicht mehr von Beamten wahrgenommen, sondern von der grundrechtsberechtigten privaten Hand. Legt der Staat einseitig Rechte und Pflichten des Einzelnen fest und setzt er die Pflichten im Konfliktfall mit Gewalt durch, übt er hoheitliche Befugnisse im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG aus, betritt er den Bereich der Eingriffsverwaltung, greift der Beamtenvorbehalt und 175 Die Privatisierung der Aufgabe wird auch als „echte“ oder „materielle Privatisierung“ sowie als Privatisierung im „eigentlichen Sinne“ bezeichnet wird (Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (238 m. w. H.)). 176 Di Fabio, JZ 1999, 585 (585 f.); Ronellenfitsch, NVwZ 1998, 1021 (1023); Hengstschäger, VVDStRL 54 (1995), 165 (170). Mayen, DÖV 2001, 110 (111); Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, 2000, S. 17; zum Verhältnis der Regeln des Marktes zum Staat insbesondere Osterloh, VVDStRL 54 (1994), 204 (209 ff.); Peine, DÖV 1997, 353 (354); Schoch, DVBl. 1994, 962 f.; Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (238 f.), unterscheiden zwischen verschiedenen Graden der Aufgabenprivatisierung – dem Submissionssystem, dem Konzessionssystem und der vollständigen Privatisierung. Der Staat finanziert den Lohnsteuerabzug nicht, weswegen in diesem Verständnis kein Submissionssystem vorliegt. Das Konzessionssystem scheidet mangels staatlicher Kontrolle des Steuerabzugs aus, so dass nach dieser Unterscheidung nur ein Fall der vollständigen Privatisierung vorliegen könne. Siehe insgesamt: Schoch, DVBl. 1994, 962 (962 f.); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 11; sowie Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 29 ff., S. 53 ff., S. 291 ff. 177 Hierdurch darf er aber nicht gegen die nationalen und internationalen Regelungen des Wettbewerbsrechts verstoßen. Daneben besteht die Gefahr, dass die übertragene Aufgabe einen künstlichen Markt erzeugt, der faktische Monopolstellungen mit sich bringt (Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235 (254 f.)). Im Falle der funktionalen Selbstverwaltung wird eine Privatisierung vorgenommen, weil eine staatliche Tätigkeit außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung und der gemeindlichen Selbstverwaltung erledigt wird. Die Forderung des Demokratieprinzips werden nur dann gewahrt, wenn durch Gesetz die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der handelnden Organe hinreichend festgelegt und von personell demokratisch legitimierten Amtswaltern beaufsichtigt werden (BVerfGE 107, 59 (insbes. 92 und 94) – Emschergenossenschaft; Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (245 f.)). Die Aufgabe wird daher nicht in den privaten Wettbewerb entlassen, weswegen keine Privatisierung der Aufgabe sondern eine Privatisierung der ausführenden Hand vorliegt. 178 Eine Übertragung von Aufgaben findet im engeren Sinne nicht statt, weil die Berufs- und Eigentumsfreiheit den Privaten hiervor schützen (Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 30 ff.). Dies sind die Fälle, die teilweise mit Verwaltungssubstitution, teilweise auch mit mittelbarer Privatisierung bezeichnet werden (zur Verwaltungssubstitution: Pippke, Öffentliche und private Abfallentsorgung, 1999, S. 29; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 139). Der Staat lässt die Ausübung einer öffentlichen Aufgabe ruhen. Er überträgt die Wahrnehmung dabei nicht auf Private, sondern lässt es nur zu, dass Private tätig werden.

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der Staatsvorbehalt, ist eine Aufgabenprivatisierung grundsätzlich unzulässig.179 Dies ist folgerichtig, weil der Schutz des öffentlichen Sonderrechts, des Staatshaftungsrechts, aber insbesondere der Grundrechte nach einer Aufgabenprivatisierung verloren geht. Nicht mehr das einem Verwaltungszweck gewidmete Sondervermögen trägt die Finanzlast, sondern privates Vermögen. Nicht mehr das Parlament und der Rechnungshof kontrollieren die Tätigkeit, sondern Aufsichtsrat und Aktionär. Der Handelnde strebt nicht mehr nach der Erfüllung eines Verwaltungsauftrags, sondern nach erwerbswirtschaftlichem Gewinn. Der Staat garantiert die Leistung nicht mehr, sondern der private Unternehmer, der sich dem Wettbewerb stellen muss, nicht Antragstellern gegenübersteht, sondern Kunden zu gewinnen sucht. Das Verwaltungsvermögen wird zum Steuerzahler, der öffentlich-rechtliche Dienstherr zum privaten Arbeitgeber, das Verwaltungsmonopol zum Konkurrenten. Die räumliche Perspektive erweitert sich auf den Weltmarkt. Der Staat hat – anders als bei der Privatisierung der ausführenden Hand – kaum mehr Einwirkungsmöglichkeiten auf den Privaten, über die sich das staatliche Sonderrecht entfalten könnte. Allerdings schützt er den Wettbewerb, die Chancengleichheit nach den allgemeinen Regeln des Privatrechts, behält darüber hinaus im privatisierten Bereich eine „Gewährleistungsverantwortung“, durch die er insbesondere eine flächendeckende, angemessene und ausreichende Dienstleistung im privatisierten Bereich garantiert (Art. 87f Abs. 1 GG, Art. 87e Abs. 4 GG).180

179 Der Staatsvorbehalt fußt nicht nur in Art. 33 Abs. 4 GG, sondern insbesondere auch im Demokratieprinzip, dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten. Doch auch im Bereich der Eingriffsverwaltung sind Aufgabenprivatisierungen zulässig, steht der Staatsvorbehalt unter Umständen einer Privatisierung nicht entgegen (Di Fabio, JZ 1999, 585 (592); Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 216; siehe zu den Vorgaben des Art. 33 Abs. 4 GG für die Privatisierung: Kämmerer, ebenda, S. 214 ff.; Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 40 ff.; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, 1997, S. 88 ff.; v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 41 ff. jeweils m. w. H.). 180 Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 29 ff., S. 53 ff., 291 ff. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235 (251 f. m. w. H., siehe zudem 262 f.)), weist darauf hin, dass der Begriff der Gewährleistungsverantwortung den Bürger in einer trügerischen Sicherheit wiegen könnte, wenn er die starkt reduzierte Sachverantwortung verdeckt; ebenso Heintzen, Schlussbemerkung, VVDStRL 62 (2003), 364 f., der zudem allgemein davor warnt, den Zuordnungen versteckenden Begriff der Verantwortung zu verwenden; statt von Verantwortung solle von Zuständigkeit gesprochen werden (ders., VVDStRL 62 (1993), 220 (233 f.); siehe zur Gewährleistungsverantwortung zudem Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998, insbesondere S. 128 ff.). Auch die so genannte unechte Aufgabenprivatisierung kann ein Fall der Aufgabenprivatisierung sein, wenn die Aufgabe von einem privatrechtlichen Unternehmen ausgeführt wird, dem Staat aber öffentlich-rechtliche Regulierungsbefugnisse im Sinne der Gewährleistungsverantwortung zur Verfügung stehen. Verdichten sich die Regulierungsbefugnisse zu einer Einflussnahme auf den Privaten, die über die Gewährleistungsverantwortung hinausreicht, liegt eine Privatisierung der ausführenden Hand vor.

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C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers

Durch die Gewährleistungsverantwortung wird die Daseinsvorsorge181 und damit die Erfüllung der ursprünglichen Zielsetzung beispielsweise der Post und Eisenbahn garantiert, die durch ein gewinnorientiertes Angebot und eine preisbewusste Nachfrage gefährdet wird, insbesondere bei unrentablen Strecken der Bahn oder unwirtschaftlichen Telefonanschlüssen.182 Die Gewährleistungsverantwortung erfüllt die sozialstaatliche Forderung,183 Leistungen wie die Anbindung an das Eisenbahnnetz sowie die Dienste im Bereich der Post und Telekommunikation flächendeckend anzubieten.184 Bestärkt wird diese Forderung durch Art. 72 Abs. 2 GG, der dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für bestimmte Sachgebiete (Art. 74 GG) kompetenzverengend – für die Steuer nach Art. 105 Abs. 2 GG sogar kompetenzbegründend – nur zuweist, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich machen.185 Das Sozialstaatsprinzip wäre jedenfalls dann verletzt, wenn in bestimmten Regionen die privatisierte Infrastrukturleistung nicht mehr zur Verfügung stünde.186

181

Zum Begriff der Daseinsvorsorge siehe oben Fußnote 76. Lerche, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band IV, Stand: 32 Lfg. Oktober 1996, Art. 87f Rdn. 72; siehe zur Daseinsvorsorge in diesem Zusammenhang Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, 1989, S. 9 ff.; ders., DVBl. 1991, 132; siehe zudem dens./Menzel, Privatisierung, Zuordnung und Restitution des Energieversorgungsvermögens in den neuen Bundesländern, 1998. 183 Selbst wenn das Sozialstaatsprinzip den Staat zu Leistungen verpflichtet, besagt es regelmäßig nicht, dass der Staat diese nicht in einem angemessenen Umfang von Privaten erfüllen lassen kann (v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 25). Nach Auffassung anderer Autoren zieht das Sozialstaatsprinzip insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge eine Privatisierungsgrenze (Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, S. 120 f.). Jedoch sind Fälle denkbar, in denen soziale Aufgaben besser durch Private als durch den Staat erfüllt werden, der Grundsatz also die Privatisierung dieser Aufgaben fordern könnte. Zudem bleiben dem Staat auch nach der Privatisierung Einflussmöglichkeiten, die Erfüllung der Aufgabe zu garantieren. Unabhängig hiervon kann dem inhaltlich unscharfen Rechtsgrundsatz eine klare Aussage für oder gegen die Zulässigkeit einer Privatisierung grundsätzlich nicht entnommen werden. Nur in seltenen Ausnahmefällen – wenn zum Beispiel eine Privatisierung die vom Sozialstaatsprinzip geforderte Erfüllung einer Aufgabe trotz der staatlichen Einflussmöglichkeiten erheblich gefährdet – trifft das Sozialstaatsprinzip aus sich heraus eine Rechtsaussage für weitere Kontrollmöglichkeiten oder gar gegen die Privatisierung (Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 178 ff.; Lee, Privatisierung als Rechtsproblem, 1997, S. 69 ff.; siehe auch v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 28 f. jeweils m. w. H.). 184 Die Forderung darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass flächendeckend eine optimale Infrastruktur angeboten werden muss. Vielmehr wird ein einheitlicher Grundstock garantiert (Lerche, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band IV, Stand: 32 Lfg. Oktober 1996, Art. 87f Rdn. 73 ff. m. w. H.). 185 Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 428 ff.; zu Art. 72 Abs. 2 GG insbesondere BVerfGE 106, 62 – Altenpflegegesetz; Urteil des Zweiten Senates vom 27. Juli 2004, 2 BvF 2/2002 – Juniorprofessor. 182

II. Rechtsfolgenkonzentrierte Typologie

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Der Arbeitgeber bleibt beim Lohnsteuerabzug in seinem originär privaten Tätigkeitsbereich, erfüllt dort eine gesetzliche Pflicht, verändert aber nicht die Rechtsbindungen und Gewährleistungsverantwortlichkeiten. Der Staat erhebt die Steuer, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer wirken hierbei mit und erfüllen als Erfüllungshelfer und Steuerschuldner lediglich die Bringschuld und damit keine öffentliche Aufgabe. b) Öffentliche Aufgaben Der Begriff der öffentlichen Aufgabe könnte aber weiter reichen, auch Tätigkeitsbereiche erfassen, „an deren Erfüllung die Öffentlichkeit maßgeblich interessiert ist“.187 Staatsaufgaben wären hiernach eine Untergruppe der öffentlichen Aufgaben, die durch staatliche Behörden oder durch vom Staat abhängige Rechtsträger wahrgenommen werden.188 Teilweise wird zudem vorausgesetzt, dass Staatsaufgaben in einer die verfassungsrechtlichen Schranken wahrenden Weise wahrgenommen werden und der Realisierung des Staatszweckes dienen, der für die grundgesetzliche Ordnung als Achtung und Schutz der Menschenwürde erkannt wird.189 Doch auch wenn tatsächlich begreifbar wäre, wer die Öffentlichkeit ist, wer das öffentliche Interesse definiert, könnte das öffentliche Interesse nicht gefasst werden, weil nicht klar zwischen privatem und öffentlichem Interesse unterschieden werden kann. Die unscharfe Dualität von Staatsaufgabe und öffentlicher Aufgabe verwischt vielmehr die unabdingbare Unterscheidung zwischen der rechtsgebundenen, insbesondere grundrechtsverpflichteten öffentlichen Gewalt und der grundrechtsberechtigten Gesellschaft.190 Diese Unterscheidung ist gerade für die Prüfung einer Privatisierung maßgeblich und bestimmt dort nicht nur die Zulässigkeit der Privatisierung, sondern auch deren Rechtsfolgen. Deswegen wäre es verfehlt, bei einer Aufgabenprivatisierung von einer staatlichen Aufgabe zu sprechen, die zu einer privaten Aufgabe geworden ist. Vielmehr ist eine öffentliche Aufgabe nach Gesetz und Recht dem Staat zugewiesen, aber nicht schlechthin der eigenhändigen Wahrnehmung durch den Staat vorbehalten. Begriffe wie „öffentliche Gemeinwohlaufgaben“191 sowie „gemeinwohlbezogene“ oder „gesellschaftliche Aufgaben“192 geben demgegen186 Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 430; Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 33 f., insbesondere mit Blick auf die Sicherung des Existenzminimums. 187 Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 18 m. w. H., spricht davon, dass insoweit Einigkeit besteht; siehe zur Diskussion zudem Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, 1989, S. 160 ff. 188 Grundlegend Peters, FS Nipperdey, Band. II, 1965, S. 877 (878 f.); Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 22 ff. 189 Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, insbesondere S. 451 f. 190 Insgesamt Di Fabio, JZ 1999, 585 (585 ff.); Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001, S. 56 f. m. w. H.; anders Häberle, AöR 111 (1986), 595 (604); ders., Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S. 213 f.

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C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers

über kaum eine rechtliche Orientierung,193 bleiben bei einer rechtsfolgenorientierten Prüfung der Privatisierung außer Betracht.194 Öffentliche Aufgaben sind alle Tätigkeitsbereiche, die dem Staat nach dem geltenden Verfassungsrecht195 und seiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung zugewiesen sind.196 Sie können folglich nicht auf freie Rechtsüberzeugungen zurückgeführt, nicht gleichsam vorrechtlich ermittelt werden.197 191 Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S. 60 ff., 525 ff. und S. 214, der aber der gleich folgenden Kritik selbst begegnet. 192 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Auflage 1977, S. 45 f., der sich aber auch gegen den unscharfen und daher kaum weiterführenden Begriff der Aufgaben des Staates wehrt, der lediglich durch Ziele wie die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit oder des Gemeinwohls sowie durch Schutz oder Begründung von Freiheit umschrieben wird. 193 Die Rechtsbegriffe können daher nicht einen vorgefundenen Sachverhalt als rechtswidrig oder rechtsmäßig bewerten und verfehlen daher ihren Zweck (Di Fabio, JZ 1999, 585 (586 f.); Ossenbühl, Diskussionbeitrag, VVDStRL 56 (1997), 284, zum Begriff der Gemeinwohlverwirklichung). 194 Di Fabio, JZ 1999, 585 (586 f.); anders aber Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 25 f. (m. w. H.); Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266 (273 m. w. H.), richtet das Augenmerk auf die Modalität der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe. 195 Der Text des Grundgesetzes hilft folglich nur insofern weiter, als er bestimmt, welche Aufgaben dem Staat überantwortet werden. Der Begriff der „staatlichen Befugnis“ (Art. 30 GG) und die Wortwahl „hoheitliche Befugnisse“ (Art. 33 Abs. 4 GG) könnten aber – wenngleich nicht zwingend – in diesem Licht als dem Staat zugewiesene Aufgaben verstanden werden (zum inhaltlichen Wandel der Begriffe „öffentliche Gewalt“, „Hoheitsgewalt“ und „öffentliches Recht“ siehe Martens, Öffentliche als Rechtsbegriff, 1969, insbesondere S. 95 ff.; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz. Kommentar, 4. Auflage 2000, Band II, Art. 30 Rdn. 39 ff. sowie vor Rdn. 1 und Rdn. 3 f. auch zur Paulskirchenverfassung und zur Weimarer Reichsverfassung und mit den Hinweis auf die Versuche, die Kompetenzen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation abzugrenzen, sowie zu der Bismarckschen Reichsverfassung, der eine vergleichbare Vorschrift fehlte; insgesamt: Erbguth, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 3. Auflage 2003, Art. 30 Rdn. 32; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Band II, 5. Auflage 2001, Art. 30 Rdn. 6 jeweils m. w. H.). 196 Nur schwer vorstellbar jedoch auch nicht auszuschließen sind öffentliche Aufgaben, die dem Staat nicht durch das geltende Recht zugewiesen wurden, die dennoch nicht vorrechtlich bestimmt werden können, sondern sich insbesondere aus einer konkreten Notsituation ergeben. Die Versorgung mit Lebensmitteln wird derzeit von Privaten übernommen. Doch auch wenn diese Versorgung zum Beispiel bei Naturkatastrophen versagt, verpflichtet das Sozialstaatsprinzip und damit das Grundgesetz den sozialen Rechtsstaat, diese Versorgung bereitzustellen (siehe sogleich unter 6. „Privatisierung der Verantwortung“; K. Vogel, Diskussionbeitrag, VVDStRL 29 (1971), 255; Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HStR III, § 57 Rdn. 147 ff., betont in diesem Sinne, dass nicht alle staatlichen Aufgaben gesetzlich gefasst sind; ebenso Lerche, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band IV, Stand: 32 Lfg. Oktober 1996, Art. 87f Rdn. 90.). 197 Die Steuererhebung ist wie das Lohnsteuerrecht gesetzlich geregelt, weswegen auf diese Grundsatzfragen im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht weiter eingegangen werden muss. Siehe insgesamt Di Fabio, JZ 1999, 585 (586 f., 591 f.); siehe bereits Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (153 f. m. w. H.); Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auf-

II. Rechtsfolgenkonzentrierte Typologie

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Diese Definition schließt die Ausführung einer öffentlichen Aufgabe durch Private nicht aus.198 Sie kennt aber privatisierungsfeste öffentliche Aufgaben, die nicht der privaten Ausübung und damit dem Wettbewerb überlassen werden dürfen, die die Verfassung dem Staat zur eigenen Wahrnehmung überträgt.199 Welche Aufgaben privatisierungsfest sind, kann nicht umfassend geklärt werden.200 Für die Prüfung des Abzugverfahrens reicht es zudem, auf den weitgehend anerkannten privatisierungsfesten Kernbereich der Aufgaben der Gesetzgebung, der Justiz, der Polizei, der Bundeswehr, des Zolls, des Strafvollzugs und lage 1966, S. 759 ff.; Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat 1931, S. 17 ff.; Schachtschneider, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 62 (2003), 351 f.; Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), 165 (171 ff.), zur Verwaltungsaufgabe; siehe zudem Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (227 ff.), der jedoch an der Unterscheidung zwischen staatlicher und öffentlicher Aufgabe festhält; Schoch, DVBl. 1994, 962; so auch Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Auflage 1977, S. 50 und 105; siehe aber auch ders., Diskussionsbeitrag, VVDStRL 62 (2003), 350 f.; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 14 f.; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 131; Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung im Verwaltungsrecht, 2000, S. 28 f. jeweils m. w. H. Nach Burgi werden öffentliche Aufgaben dadurch zu Staatsaufgaben, dass der Staat sie wahrnimmt, der Staat sei aber prima facie allzuständig (ders., Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, insbes. S. 61). In Sinne der genannten Definition kann auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gelesen werden (BVerfGE 12, 205 (243) – 1. Rundfunkurteil; 30, 292 (311 f.) – Erdölbevorratung; wobei hier von einem „engeren Sinn“ der staatlichen im Vergleich zur öffentlichen Aufgabe ausgegangen wird; siehe aber BVerfGE 68, 193 (206 f.) – Zahntechniker-Innung; mit der hier zu Recht gewählten synonymen Verwendung der Begriffe „öffentliche Aufgabe“ und „hoheitliche“ Aufgabe und zur Gleichschaltung von „öffentlicher Aufgabe“ und „Staatsaufgabe“. 198 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Auflage 1977, S. 47 ff. und S. 376; Kirmer, Der Begriff der öffentlichen Aufgaben in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1995, S. 50 ff., lehnt das rein soziologische Begriffsverständnis der öffentlichen Aufgabe ab, da die Existenz des Rechtsbegriffs nicht geleugnet werden könne (jeweils m. w. H.). 199 Zu den Tätigkeiten, die dem Staat ausschließlich zukommen, bereits Jellinek, Allgemeine Staatslehre, sechster Neudruck der dritten Auflage [1928], 1959, S. 255 ff.; Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HStR III, § 57 Rdn. 150 ff.; Kempen, Schranken der Privatisierung, 2002, S. 20 ff., insbesondere S. 25 f., nach dem auch die privatisierungsfesten Staatsaufgaben nicht losgelöst vom Grundgesetz gleichsam vorrechtlich gefunden werden. Teilweise wird hier von obligatorischen öffentlichen Aufgaben in Abgrenzung zur „staatlichen Betätigung“ gesprochen (Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002) oder von „notwendigen Staatsaufgaben“ (Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001), wobei aber die Unterscheidung zu den obligatorischen Staatsaufgaben nicht verwischt werden darf, die der Staat erfüllen muss – die ausschließlichen Staatsaufgaben hingegen darf nur der Staat wahrnehmen (Isensee, ebenda, Rdn. 152.; siehe – für einen konkreten Blick in die Privatisierungsdiskussion – zur Bundeswehr: Gramm, DVBl. 2003, 1366). 200 Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001, S. 82, geht zu Recht davon aus, dass eine abschließende Aufzählung oder eine Liste mit langfristiger Geltung nicht erstellt werden kann. Der Vorbehalt für das Berufsbeamtentum (Art. 33 Abs. 4 GG) greift auch deshalb nur, wenn eine Tätigkeit bereits dem Staat zur eigenen Wahrnehmung übertragen wurde.

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C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers

eben der Finanzverwaltung zurückzugreifen.201 Für die Steuererhebung gilt der Gesetzesvorbehalt,202 eine strikte Grundrechtsbindung203 und ein Verwaltungsvorbehalt (Art. 108 Absätze 1 und 2 GG). Würde der private Arbeitgeber Steuern erheben oder festsetzen, wäre diese Aufgabenprivatisierung verfassungswidrig, weil sie eine privatisierungsfeste Aufgabe in die private Wahrnehmung übertragen würde. 6. Privatisierung der Verantwortung Die Privatisierung der Verantwortung knüpft an die Aufgabenprivatisierung an. Der Staat trägt nach der so gefassten Privatisierungsform nicht mehr die Gewährleistungsverantwortung für die privatisierte Aufgabe, zieht sich auch aus dieser Beobachtungs- und Einstandspflicht zurück. Die Verantwortung kann allerdings oft nur teilprivatisiert werden. Der verfassungsändernde Gesetzgeber könnte insbesondere die Gewährleistungsverantwortung der Art. 87f Abs. 1 GG, Art. 87e Abs. 4 GG modifizieren, aber nur schwerlich jede Verantwortung in diesen Bereichen gänzlich Privaten überlassen. Der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Sozialstaat hat eine Grundversorgung der Daseinsvorsorge zu sichern, steht also in einer Reserveverantwortlichkeit, wenn der Markt die elementare Grundversorgung nicht gewährleistet. Der Staat wäre Versorgungsgarant, wenn die gewinnorientierten Anbieter die Menschen nicht mehr hinreichend mit Nahrung, Kleidung, Wohnraum oder Medikamenten versorgten, wenn Naturkatastrophen oder Krieg204 dazu führten, dass die Elementarbedürfnisse nicht mehr erfüllt werden.205 Der Staat bleibt stiller Erfolgsgarant für die Erfül201 Di Fabio, JZ 1999, 586 (591); Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), 165 (174 f.); zur Steuererhebung und -festsetzung insbesondere Trzaskalik, DStJG 12 (1989), 157. Einer Privatisierung entzogen ist hier der Kernbereich, weswegen die derzeit diskutierten und teilweise in ersten Schritten bereits vollzogenen Privatisierungen im Bereich des Strafvollzuges nicht von vornherein unzulässig sind (siehe speziell hierzu Kulas, Privatisierung hoheitlicher Verwaltung. 1996). Als privatisierungsfest werden – im Ergebnis ähnlich, aber in etwas anderer Beschreibung – die unwiderstehliche Gewalt, die Rechtsprechung und die Gesetzgebung genannt, sowie die Herrschaft über das Militär, die originären Ämter des Bundeskanzlers, die Auswärtige Gewalt und die Währungshoheit (Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage 1966, S. 766 ff.; K. Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, 1959, S. 61 ff.; v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 22; Krautzberger, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private, 1971, S. 54 ff.; Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001, insbes. S. 190 ff. jeweils m. w. H.; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Auflage 1977, S. 101 und S. 374). 202 Grundlegend: Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuergesetzgebung im Vergleich Deutschland – Schweiz, 1997, S. 110 ff., insbes. S. 116 m. w. H.; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, 1973. 203 BVerfGE 87, 153 (169 ff.) – Grundfreibetrag. 204 Unmittelbar nach dem Krieg hat der Staat zum Beispiel die Versorgung mit Lebensmitteln organisiert, bevor private Metzger und Bäcker diese Aufgabe übernahmen

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lung der Elementarbedürfnisse, muss aktiv beobachten, ob das privatwirtschaftliche System der Bedarfserkundung und Bedarfsbefriedigung seine Funktionen erfüllt, hat bei Funktionsstörungen den Lebensbedarf sicherzustellen. Eine vollständige Verantwortungsprivatisierung kommt deswegen nur in den Randbereichen bisheriger staatlicher Daseinvorsorge und Marktteilhabe in Betracht, wenn Leistungen – wie im Bereich des Fremdenverkehrs, der Freizeitgestaltung – verzichtbar sind. Bei anderen Leistungsangeboten durch den Staat – wie zum Beispiel die der Energie- und Verkehrsbetriebe – darf sich der Staat, selbst wenn diese Leistungen in einem funktionierendem Markt durch Private gleichwertig ersetzt werden, nur auf eine Reserveverantwortung für elementare Notfälle zurückziehen. Die Frage einer Verantwortungsprivatisierung stellt sich im Lohnsteuerverfahren nicht. Die staatliche Finanzverwaltung bleibt für den Gesetzesvollzug verantwortlich, bezieht den Arbeitgeber lediglich in das staatliche Verwaltungsverfahren als Mitwirkungspflichtigen ein, erwartet von ihm die Erfüllung der steuerlichen Bringschuld. Die maßgebliche Rechtsverantwortlichkeit bleibt beim Staat. 7. Der Lohnsteuerabzug als originär private Aufgabe Durch das Lohnsteuerrecht wird keine Aufgabe privatisiert und folglich auch keine Privatisierung der Verantwortung vorgenommen. Der Arbeitgeber erfüllt durch den Lohnsteuerabzug die Pflicht des Arbeitnehmers, die Steuern zu zahlen. Der Lohnsteuerabzug liegt zwar im Interesse des Staates,206 war aber nie öffentliche Aufgabe, auch nicht Teil der öffentlichen Aufgabe, Steuern zu erheben. Der Arbeitgeber ist kein privatisierter „Steuerinspektor“,207 kein hoheitlich handelnder „Steuererheber“,208 erfüllt keine Verwaltungsaufgaben.209 Die Erhebung und Festsetzung der Einkommensteuer ist eine öffentliche Aufgabe.210 Nach Maßgabe des Art. 108 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1

(Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 54 Rdn. 35). 205 K. Vogel, Diskussionbeitrag, VVDStRL 29 (1971), 255. 206 Siehe oben unter 3. c). 207 So aber Hartz, DB 1961, 1365 (1365). 208 So aber BVerfGE 19, 226 (240) – Kirchenlohnsteuer; BFH, BStBl. III 1963, S. 468; III 1960, S. 108; Rinner, Lohnsteuer und Leistungsfähigkeit, 1929, S. 4, spricht von „Steuereinnehmer“. 209 So aber BVerfGE 22, 380 (383) – Kuponsteuer; grundlegend schon Ipsen, FG Kaufmann, 1950, S. 141 (145 f.): Den Arbeitgebern „werden gesetzlich Aufgaben der Steuereinbehaltung und -abführung auferlegt, die die Steuerverwaltung ohne Inanspruchnahme ihrer „Hilfsorgane“ selbst erledigen müsste.“ 210 Trzaskalik, DStJG 12 (1989), 157.

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GG wird sie von den Länderverwaltungen wahrgenommen.211 Der hiervon zu unterscheidende Lohnsteuerabzug wird durch das Einkommensteuergesetz dem Arbeitgeber übertragen, ist keine öffentliche Aufgabe. Der Lohnsteuerabzug wird seit seinem Bestehen – der Konzeption und dem Sinn des Verfahrens entsprechend – durch private Arbeitgeber und nicht durch den Staat durchgeführt, wurde dem Staat insofern nie zugewiesen.212 Er könnte dennoch eine öffentliche Aufgabe sein, wenn diese Aufgabe gleichsam mit ihrem Entstehen privatisiert worden wäre. So wurde die Entscheidung über die Zulassung von Umweltgutachtern,213 Umweltgutachterorganisationen214 und die Erteilung von Fachkenntnisbescheinigungen215 im Rahmen des so genannten Öko-Audit eingeführt und gleichzeitig Privaten übertragen.216 Der Wortlaut des Einkommensteuergesetzes weist aber nicht in diese Richtung, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer „für Rechnung des Arbeitnehmers“ und nicht für den Staat einbehält (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG). Auch nach historischer Betrachtung ist der Steuerabzug nie als staatliche Aufgabe angesehen worden, sondern wurde ursprünglich eingeführt, um die Privatsphäre der steuerpflichtigen Arbeit211

Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 2. Auflage 1999, Art. 108 Rdn. 9. Siehe auch sogleich unter D. 213 § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29. Juni 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (Umweltauditgesetz), vom 7. Dezember 1995 (BGBl. I, S. 1591) im Folgenden UAG. 214 § 10 Abs. 2 UAG. 215 § 8 Abs. 2 UAG. 216 Nach § 1 der Verordnung über die Beleihung der Zulassungsstelle nach dem Umweltauditgesetz vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I, S. 2013), geändert am 13. September 2001 (BGBl. I, S. 2427; im Folgenden UAGBV) i. V. m. § 28 UAG wird die Deutsche Akkreditierungs- und Zulassungsgesellschaft für Umweltgutachter mit beschränkter Haftung (DAU) beliehen. Die Wirtschaftsverbände BDI, DIHT, ZDH und BFB sind die Gesellschafter der DAU. Die europarechtliche Vorgabe für dieses System ist die Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29. Juni 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (Abl. Nr. L 168, S. 1). Die Verordnung wird auf nationaler Ebene nicht nur durch die Regelungen des UAG ergänzt, sondern auch durch die UAG-Zulassungsverordnung (Verordnung über das Verfahren zur Zulassung von Umweltgutachtern und Umweltgutachterorganisationen sowie zur Erteilung von Fachkenntnisbescheinigungen nach dem Umweltauditgesetz vom 18. Dezember 1995, BGBl. I, S. 1841; im Folgenden UAGZVV) die bereits genannte UAGBeleihungsverordnung (UAGBV) und die UAG-Gebührenverordnung (Verordnung über Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen der Zulassungsstelle und des Widerspruchsausschusses bei der Durchführung des Umweltauditgesetzes vom 18. Dezember 1995, BGBl. I, S. 1841; im Folgenden UAGGV) näher ausgestaltet (siehe zum alten Recht, wobei die hier maßgebliche Beleihung aber nicht geändert wurde: Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung im Verwaltungsrecht, 2000, S. 193 f. Fußnote 378, S. 273 ff., insbes. S. 276 f., der von einem besonderen nationalen Umsetzungsphänomen spricht (S. 277), m. w. H.; siehe auch Möller, Öko-Audit und Substitution, 2001, insbesondere S. 126 ff.). 212

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nehmer zu schützen und die Steuereinnahmen des Staates zu sichern. Der Arbeitgeber sollte im Interesse des Staates, aber nicht für ihn tätig werden.217 Der Lohnsteuerabzug ist dem Staat auch nicht durch den das steuerliche Ermittlungsverfahren bestimmenden Untersuchungsgrundsatz zugewiesen worden, wonach der steuererhebliche Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln ist.218 Die Finanzbehörde trägt die Verantwortung für die Sachaufklärung. Sie ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden,219 aber auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen angewiesen. Die Finanzbehörde kann aus eigenem Wissen den Sachverhalt nicht aufklären.220 Die ordnungsgemäße Besteuerung hängt deshalb maßgeblich von der Mitwirkung des Steuerpflichtigen ab. Finanzbehörde und Steuerpflichtiger bilden bei der Sachaufklärung eine kooperative Verantwortungsgemeinschaft.221 Die Verfassungsentscheidung des Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG und deren Ausprägung durch die §§ 85, 134 ff. AO222 begründen für das Ermittlungsverfahren keine Alleinverantwortlichkeit des Staates, sondern eine sphärenorientierte Mitverantwortung für die wahrheitsgemäße und vollständige Ermittlung steuererheblicher Tatsachen.223 Dem Steuerschuldner, dem Arbeitnehmer, obliegt es hiernach grundsätzlich, die Höhe der Steuer festzustellen sowie die Steuer abzuführen. Er wird gesetzlich verpflichtet, diese Pflichten – soweit sie die Lohnsteuer betreffen – durch den Arbeitgeber erfüllen zu lassen. Das Grundgesetz und die Abgabenordnung weisen deshalb dem Arbeitgeber als Handlungsverpflichteten und dem Arbeitnehmer als Duldungspflichtigen im Lohnsteuerverfahren gemeinsam die „Mitverantwortung“ zu, die Höhe der Lohnsteuer festzustellen und die Steuer abzuführen. Diese Aufgabe war nie staatliche Aufgabe und ist deshalb auch nicht privatisiert worden. Der Arbeitgeber wirkt folgerichtig nur bei dem vorläufigen Abzugverfahren mit, das sich von dem Verfahren zur endgültigen Ermittlung der Einkommensteuerschuld unterscheidet.224 Die Einkommensteuer der Arbeitnehmer wird – 217

Siehe sogleich unter D. § 88 Abs. 1 AO; siehe insgesamt bereits oben unter 4. c). 219 § 88 Abs. 1 Satz 2 AO. 220 Siehe bereits oben unter 4. c). 221 Siehe BFH, BStBl. II 1989, S. 462 (464); II 1990, S. 393 (396); Seer, Verständigungen im Steuerverfahren, 1996, S. 176 f.; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 319 ff., S. 445 f.; J. Hoffmann, Der maßvolle Gesetzesvollzug im Steuerrecht, 1999, S. 197 f. 222 Unterhark, in: Schwarz, Abgabenordnung (AO), Stand: 97. Lfg. Dezember 2001, § 85 Rdn. 1 f. 223 Seer, Verständigungen im Steuerverfahren, 1996, S. 179 f.; J. Hoffmann, Der maßvolle Gesetzesvollzug im Steuerrecht, 1999, S. 200 f.; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 450 ff. 224 Siehe hierfür Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 4. 218

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C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers

auch wenn sie an der Quelle abgeführt wird – weiterhin durch die Finanzverwaltung festgesetzt und erhoben. Der Steuerabzug tritt als zusätzliche Tätigkeit neben die Ermittlung des Gesamteinkommens, dessen Bemessungsgrundlage als Jahreseinkommen225 erst am Ende des Jahres feststeht, das verschiedene Arbeitslöhne sowie die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit einbezieht. Der dem Abzugverfahren zu Grunde liegende Jahresarbeitslohn im Sinne des § 38a Abs. 1 Satz 1 EStG bezieht sich nur auf die Lohnzahlungen eines Arbeitgebers, der auch nur die Lohnsteuer von dem von ihm zu zahlenden Gehalt abführt.226 Wird der Arbeitnehmer daneben für einen anderen Arbeitgeber tätig, wird dies auf der Lohnsteuerkarte durch eine andere Steuerklasse berücksichtigt.227 Der Arbeitslohn unterscheidet sich schon deshalb von den für die Einkommenbesteuerung maßgeblichen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit.228 Die vom Arbeitgeber von den in der Regel monatlichen Lohnzahlungen einbehaltene Lohnsteuer wird auf die Einkommensteuer angerechnet (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG). Die Lohnsteuer hat nur vorläufigen Charakter, wirkt wie eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld, ohne dass letztere endgültig festgesetzt wird.229 Im Abzugverfahren zahlt der Arbeitgeber die vorläufige Lohnsteuer für den Arbeitnehmer. Das Abzugverfahren findet mit der Übermittlung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung230 durch den Arbeitgeber seinen Abschluss. Im nachfolgenden Verfahren zur Ermittlung der Einkommensteuerschuld wird die Jahressteuerschuld losgelöst vom Lohnsteuerabzugverfahren ermittelt. Es wird nicht überprüft, ob das Abzugverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Beide Verfahren stehen selbstständig nebeneinander. Die Summe der durch den Arbeitgeber im Abzugverfahren einbehaltenen Steuerbeträge wird lediglich auf die endgültige Einkommensteuerschuld angerechnet, bestimmt also, ob am Ende des Ermittlungsverfahrens eine noch offene Steuerschuld besteht oder Steuer erstattet wird.231 225 §§ 2 Abs. 7 Satz 1 und Satz 2, 25 Abs. 1 EStG. Das Jahressteuerprinzip ist maßgebliche Vorgabe für die Einnahmeseite des Staates und harmoniert auf der Ausgabenseite des Staates mit dem jährlichen Haushaltsplan (insgesamt: Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 3 sowie Lang, in: Tipke/ders., Steuerrecht, 17. Auflage 2002, § 9 Rdn. 44 ff., insbes. 48). 226 §§ 38 Abs. 2 Satz 2, 38a Abs. 2 und Abs. 3 EStG. 227 Die Lohnsteuerklasse VI greift, wenn eine Lohnsteuerkarte für ein zweites oder weiteres Dienstverhältnis ausgestellt wird (§ 38b Satz 2 Nr. 6 EStG). 228 § 46 Abs. 2 Satz 1 EStG; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 38 Rdn. 23 f. 229 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 3, siehe auch Rdn. A 15. 230 § 41b Abs. 1 Satz 2 EStG (Legaldefinition). 231 Mit Trzaskalik ist es verfehlt, von einer Nachforderung der Lohnsteuer zu sprechen, da bei Zahlung lediglich der Einkommensteueranspruch getilgt wird und der Lohnsteueranspruch hiervon unabhängig im Abzugverfahren erfüllt wurde (siehe auch insgesamt ders., in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar,

III. Der Arbeitgeber als Erfüllungshelfer des Arbeitnehmers

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Die Gesamtkonzeption der Lohnbesteuerung verdeutlicht somit, dass durch das Lohnsteuerrecht keine öffentliche Aufgabe – und folglich auch nicht Verantwortung – privatisiert wurde.

III. Der Arbeitgeber als Erfüllungshelfer des Arbeitnehmers Arbeitgeber und Arbeitnehmer bleiben im Rahmen des Lohnsteuerverfahrens Verwaltungsbetroffene, werden staatlich verpflichtet – jedoch nicht zu Verwaltenden im privaten Gewande. Das Besteuerungsverfahren ist auf eine Kooperation angelegt, die den Steuerpflichtigen zum Mitwirkungspflichtigen macht, ihm Erklärungen abverlangt, ohne die die Finanzverwaltung ihre Aufgabe nicht erfüllen kann. Der Gesetzgeber verpflichtet im Lohnsteuerverfahren den Steuerschuldner, eine Fremderfüllung seiner Mitwirkungspflichten durch den Arbeitgeber zu dulden. Diese Leistungen des Arbeitgebers sichern die Steuereinnahmen des Staates, entlasten dabei die Finanzverwaltung,232 gehören aber zur privaten Sphäre der Mitverantwortung des Steuerpflichtigen. Der Arbeitgeber ist deshalb Erfüllungshelfer des Arbeitnehmers. Das Lohnsteuerrecht privatisiert nicht eine Handlungsform, eine Organisationsform, die ausführende Hand, eine Aufgabe oder Verantwortlichkeit des Staates. Der Maßstab der Rechtsprüfung des Abzugverfahrens orientiert sich daher nicht an der Frage, ob der Staat die öffentlich-rechtlichen Bindungen insbesondere der Grundrechte in unzulässiger Weise lockert oder löst; er konzentriert sich auf die abwehrende Kraft der Grundrechte.233 Eine historische Analyse des Lohnsteuerabzugs234 wird den Blick auf die für die Grundrechtsprüfung maßgebliche Zielsetzung des Verfahrens schärfen und die Zweifel nähren, ob der Arbeitgeber verhältnismäßig in Dienst genommen wird.

Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 4 ff., insbesondere Rdn. A 9 sowie § 42 Rdn. A 23). 232 Siehe oben unter B. I. 233 Siehe hierzu unten unter F. 234 Siehe sogleich unter D.

D. Der Quellenabzug als freiheitschonendes, effizientes, die Gleichheit und das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument Die Entstehungsgeschichte des Lohnsteuerabzugverfahrens weist das Verfahren als ein Instrument aus, das die Privatsphäre des Steuerpflichtigen schont, dem Staat effizient Steuereinnahmen sichert und dabei die Gleichheit und das Maß der Besteuerung gewährleistet. In Verfolgung dieser legitimen Zwecke sind die Lasten, die dem Arbeitgeber beim Steuerabzug auferlegt werden, beständig gewachsen.

I. Das ursprüngliche Ziel: Schutz der Privatsphäre Steuern existieren, seit Gemeinschaften bestimmten Personen Geldleistungspflichten auferlegen, um mit den so erzielten Einnahmen ihre Gemeinschaftsbedürfnisse zu erfüllen. Im Vergleich zu der jahrtausendealten Geschichte der Steuererhebung1 ist die Einkommensteuer ebenso wie das Erhebungsverfahren der Lohnsteuer verhältnismäßig jung.2 Die öffentliche Hand finanzierte insbesondere ihre militärischen Vorhaben im 13. Jahrhundert vereinzelt, im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts bereits regelmäßig über die Einnahmen aus der Besteuerung spezieller Löhne.3 1799 wurden in Großbritannien zum ersten Mal 1 Bereits für das 4. Jahrtausend vor Christus ist nachgewiesen, dass jedenfalls Naturalabgaben für das Gemeinwesen erhoben und zum Teil mittels Androhung der Ächtung und Vertreibung durchgesetzt wurden (Häuser, Opfer und Steuer, in: Schulz, Uwe (Hrsg.), Mit dem Zehnten fing es an, Eine Kulturgeschichte der Steuer, 3. Auflage 1992, S. 13 (15 f.); Pausch, Kleine Weltgeschichte der Steuerzahler, 1988, S. 16). 2 Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 7; Felix, in: HwStR, Band 1, 2. Auflage 1981, S. 295. 3 Weimar, Die Entstehung der deutschen Lohnsteuer als Entsprechungsform zur modernen Kapitalwirtschaft, 1930, S. 13 ff. m. w. H.; Vocke, ZStW 20 (1864), 221 (224). Durch die so genannte Türkensteuer des Kurfürstentums Sachsen aus dem Jahre 1481 wurde zum Beispiel der Krieg gegen die Türken finanziert (Schomburg, Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992, S. 380 ff.). Lohnsteuer musste oft nur der zahlen, der mangels Vermögen keine Vermögensteuer zu entrichten hatte, wie zum Beispiel „Dienstmägde“ oder „Dienstknechte“ (so eine Steuerordnung in Württemberg aus dem Jahre 1470 – zitiert nach Weimar, Die Entstehung der deutschen Lohnsteuer als Entsprechungsform zur modernen Kapitalwirtschaft, 1930, S. 16).

I. Das ursprüngliche Ziel: Schutz der Privatsphäre

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alle wichtigen Einkunftsarten besteuert,4 wurde insofern die erste Einkommensteuer erhoben.5 Trotz der vor allem durch Kriege stark beanspruchten öffentlichen Haushalte6 und der damit verbundenen Suche nach neuen staatlichen Einnahmequellen, entfaltete sich somit der im 13. Jahrhundert bereits vorhandene 4 Vorläufer der britischen Einkommensteuer von 1799 war das ebenfalls von William Pitt (1759-1806) vorgeschlagene so genannte triple assessment (engl. für dreifache Einschätzung – so Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 9 Fußnote 17 – oder für „dreistufige Bemessung“), die am 12. Januar 1798 im „Aid and Contribution Act“ in Kraft trat. Es handelte sich hierbei nicht um eine Einkommensteuer, sondern um eine Besteuerung unter Berücksichtigung des Einkommens, da die Steuerlast von den zu zahlenden Aufwandsteuern abhängig war (Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Band 1, 1927, S. 57, der von Zuschlägen zu den Aufwandsteuern spricht; siehe auch Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 9 f.). 5 Bei direkter Deklarationspflicht wurde das Einkommen in vier Kategorien („heads“) aufgeteilt und erfasst. Neben dem Einkommen aus unbeweglichem Vermögen (Grundbesitz) und dem aus beweglichem Vermögen einschließlich dem Einkommen aus Handel, Gewerbe, Pensionen, Stipendien, Arbeitsverhältnissen und anderen Beschäftigungen musste das Einkommen, das außerhalb Großbritanniens entstand, sowie das Einkommen, das nicht unter eine der vorhergehenden Regelungen fällt, angegeben werden. Neumark erkennt hier den Beginn der modernen direkten Besteuerung (ders., Der Aufstieg der Einkommensteuer. Entstehung und Entwicklung der direkten Besteuerung, in: Schulz, Uwe (Hrsg.), Mit dem Zehnten fing es an, Eine Kulturgeschichte der Steuer, 3. Auflage 1992, S. 232). Sabine spricht davon, das Pitts Einkommensteuer von 1799 eher das Ergebnis eines allmählichen Entwicklungsprozesses war. Der entscheidende Unterschied zu der vorangegangenen Besteuerung war nicht die Sache als solche, sondern das Verfahren (Sabine, A History of Inocme Tax, 1966, S. 25). Nach Seligman wurde in Florenz im 15. Jahrhundert die erste Einkommensteuer erhoben, die jedoch im 16. Jahrhundert wieder abgeschafft wurde. Später wurde – so Seligman – in Frankreich im 18. Jahrhundert das Einkommen besteuert; jedoch überdauerte diese Steuer nicht die französische Revolution (ders., The Income Tax, 1911, S. 46 f. und 50 ff.). Zwar konnten weit vor dem 15. Jahrhundert die ersten nachgewiesenen Naturalabgaben auch in einem der Abgabe entsprechenden Betrag des „Geldes“ der damaligen Zeit entrichtet werden (Pausch, Kleine Weltgeschichte der Steuerzahler, 1988, S. 16). Doch wurden selbst im Falle der Geldzahlungspflicht regelmäßig keine Einkommensteuer im Sinne einer Personalsteuer, sondern Realsteuern erhoben, da die Steuer nicht nach dem Einkommen einer Person sondern nach dem Ertrag aus bestimmten Steuerobjekten des Steuerpflichtigen bemessen wurden (zu diesem Charakteristikum der Einkommensteuer: Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Band 1, 1927, S. 55; Lang, in: Tipke/ders., Steuerrecht, 17. Auflage 2002, § 8 Rdn. 28 ff. und 30). Insbesondere wurden bei der Steuerbemessung anders als bei der Einkommensteuer nicht die persönlichen Verhältnisse wie zum Beispiel der Familienstand oder die Anzahl der Kinder berücksichtigt (zum Begriff der Real- oder Objektsteuer in Abgrenzung zur Personalsteuer: Lang, in: Tipke/ders., Steuerrecht, 17. Auflage 2002, § 8 Rdn. 21; Steinberg, in: HwStR, Band 2, 2. Auflage 1981, S. 1047). 6 Wolf, „. . . zur Einführung einer Gott wohlgefälligen Gleichheit auf ewig . . .“. Steuerreformen im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung, in: Schulz, Uwe (Hrsg.), Mit dem Zehnten fing es an, Eine Kulturgeschichte der Steuer, 3. Auflage 1992, S. 162 (162 ff., insbesondere 163 unter Erwähnung des Dreißigjährigen Krieges).

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D. Der Quellenabzug als das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument

Gedanke an eine Einkommensteuer erst fünf Jahrhunderte später. Grund für diese Verzögerung war nicht nur der Widerwille der Steuerpflichtigen, der öffentlichen Hand neben der vorherrschenden7 Vermögensteuer eine weitere Zugriffsquelle auf ihre Finanzkraft zu eröffnen. Es bestand auch Unklarheit darüber, wie das Einkommen der Bürger ermittelt und bemessen werden sollte, ohne die schützenswerte Privatsphäre der Steuerpflichtigen zu verletzen.8 Dieses Hindernis hätte durch den Abzug der Steuer an der Quelle schon früher überwunden werden können.9 Der Respekt vor der privaten Finanzsphäre des Steuerpflichtigen hatte jedoch zunächst die bemerkenswerte Folge, dass nur die Einkommen der Bediensteten des Staates besteuert wurden, also der Quellenabzug keine allgemeine Besteuerung sicherte, sondern die Besteuerung auf Löhne beschränkt wurde, die dem Staat bekannt waren. Die öffentliche Hand konnte als Schuldner des Lohnes diesen genau bemessen und musste folglich keine Nachforschungen zur Ermittlung der Summe der Einkünfte in den privaten Haushalten anstellen.10 Um die Privatsphäre des Steuerschuldners zu schützen, wurde die allgemeine Steuerpflicht, der Gleichheitssatz verletzt – eine aus der heutigen Sicht kaum nachzuvollziehende Wertung, die ihren Ursprung in der fehlenden Bereitschaft hatte, Finanzbeamten die Vermögensverhältnisse offen zu legen. Die Forderung nach einer allgemeinen und gleichen Steuerpflicht trat gegenüber diesem Schutz der Privatsphäre zurück. In Bayern wurde ab dem Jahre 1722 aus pragmatischen Gründen von der Besoldung der Beamten die so genannte Kondiktionsteuer schon am Zahltag, das heißt an der Quelle abgezogen.11 Die öffentliche Hand wollte den Beamten nicht zunächst den vollen Lohn auszahlen und anschließend die Lohnsteuer vom ausgezahlten Gehalt zurückfordern. Die Verkürzung des Zahlungsweges, die Sicherung der Steuereinnahmen durch die vorweggenommene monetäre 7 Weimar, Die Entstehung der deutschen Lohnsteuer als Entsprechungsform zur modernen Kapitalwirtschaft, 1930, S. 13 ff.; Neumark, Der Aufstieg der Einkommensteuer. Entstehung und Entwicklung der direkten Besteuerung, in: Schulz, Uwe (Hrsg.), Mit dem Zehnten fing es an, Eine Kulturgeschichte der Steuer, 3. Auflage 1992, S. 232. 8 Insgesamt Vocke, ZStW 20 (1864), 221 (232 f., siehe auch 223 f.). 9 In dieser Zeit wurde die Privatsphäre der Steuerpflichtigen in erster Linie gestört, um die Summe der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 1 EStG zu ermitteln. Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens im Sinne des § 2 Abs. 5 S. 1 EStG stand anders als heute bei der Berechnung der Lohnsteuer nicht im Vordergrund (Weimar, Die Entstehung der deutschen Lohnsteuer als Entsprechungsform zur modernen Kapitalwirtschaft, 1930, S. 41; siehe zur „Kondiktionsteuer“ auch Vocke, ZStW 20 (1864), 221 (235)). 10 Siehe Kruse, DStJG 9 (1986), 1 (3 f.). 11 Weimar, Die Entstehung der deutschen Lohnsteuer als Entsprechungsform zur modernen Kapitalwirtschaft, 1930, S. 41, Vocke, ZStW 20 (1864), 221 (235); Giloy, in: Dankmueyer/ders., Einkommensteuer, Kommentar, Band IV, Stand: Juli 1989, § 38 Rdn. 11.

II. Die britische Einkommensteuer von 1803

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Teilhabe des Staates am Gehalt des Steuerpflichtigen ist neben dem Schutz der Privatsphäre ein weiterer Grund, warum das Abzugverfahren entstanden ist.12 Die Quellenbesteuerung wurde später auch auf Arbeitnehmer nicht öffentlicher Arbeitgeber ausgedehnt, weil sie unerwünschte Nachforschungen bei der Ermittlung der Summe der lohnsteuerpflichtigen Einkünfte erübrigte. Zudem schwächte die Besteuerung den Widerstand, Steuern zu zahlen, weil dem Arbeitnehmer von vornherein nur der Nettolohn ausgezahlt, die Steuer also ohne sein Zutun bezahlt wurde. Dieser Vorteil der Quellenbesteuerung führte Württemberg 1764 dazu, auch private Arbeitgeber zu verpflichten, die Steuer ihrer Arbeitnehmer vom Lohn einzubehalten und an die öffentliche Hand abzuführen.13

II. Die britische Einkommensteuer von 1803: Schutz der Privatsphäre und Sicherung der Steuereinnahmen Zum beherrschenden Prinzip der Steuererhebung wurde die Quellenbesteuerung im Jahre 1803 in Großbritannien durch das von Premierminister Henry Addington vorgeschlagene Einkommensteuergesetz vom 1. August 1803. Ansätze für eine Besteuerung an der Quelle gab es auch in England schon früher, zunächst im Jahre 1670 bei dem Versuch, eine Kapitalrentensteuer einzuführen.14 Doch erst die heftigen Diskussionen über das vom damaligen Premierminister William Pitt vorgeschlagene Einkommensteuergesetz vom 9. Januar 1799, dem Vorgänger des Gesetzes von Addington, ebneten den Weg, die Einkommensteuer größtenteils15 an der Einkommensquelle abzuführen16 („stoppage at 12 So Hemmpel, der davon spricht, dass das Quellenprinzip in Spanien ganz ursprünglich bei der Kürzung der Beamtengehälter in Erscheinung tritt (ders., FinArch 41 (1924), 45 (46)). § 35 des Württembergischen Abgabengesetzes von 1819/20 sah als Ausfluss des gleichen Gedankens ein Erhebungsverfahren für die Besoldung aus verschiedenen staatlichen Kassen vor (Württ. Staats- und AbgBl. 1819/20, S. 303). Die Vollzugsvorschriften aus dem Jahre 1857 des badischen Klassensteuergesetzes regelten eine Quellenbesteuerung für Beamte (Gesetz vom 31. Oktober 1820 in der Fassung vom 10. Juli 1837, Bad. RgBl. 1857, S. 115/RgBl. 1820, 1578; insgesamt: Weimar, Die Entstehung der deutschen Lohnsteuer als Entsprechungsform zur modernen Kapitalwirtschaft, 1930, S. 41). 13 „Steuer-Rescript“ des Herzogs von Württemberg vom 6. März 1764 (zitiert nach Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 1973, Blatt 3, 1; siehe auch Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 14). 14 Hemmpel, FinArch 41 (1924), 45 (46). In Frankreich wurde im Jahre 1695 bei Beamten und Hofleuten die kopfsteuerartige „Capitation“ sowie der 1710 eingeführte „Zehnte“ von Gehältern, Pachtrenten, etc. über das Verfahren der Quellenbesteuerung erhoben (Hemmpel, FinArch 41 (1924), 45 (49)). 15 Im Vergleich zur Einkommensteuer aus dem Jahre 1799 unterlag nicht mehr das gesamte Einkommen der Einkommensteuer, sondern ausschließlich fünf verschiedene

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D. Der Quellenabzug als das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument

source“17). Pitts Steuer war auf Grund der insbesondere wegen der kriegerischen Auseinandersetzung mit Frankreich angespannten Finanzlage Großbritanniens18 als notwendige „Folge des Krieges“19 trotz gewichtiger Einwände verabschiedet worden. Gegen das Gesetz wurde vor allem eingewandt, dass die Lebensverhältnisse aller Menschen im Königreich offen gelegt werden mussten. Daneben wurde vorgetragen, dass durch die Einkommensteuer ein Teil des Vermögens in England praktisch beschlagnahmt würde.20 Addingtons Gesetzesvorschlag nahm den Haupteinwand gegen diese Steuerreform auf und führte eine Quellenbesteuerung ein.21 Dabei wurde der Schutz der Privatsphäre hervorgehoben, das Abzugverfahren aber vor allem22 durchgeführt, weil Pitts Steuer darunter litt, dass das Veranlagungsverfahren den „menschlichen Unvollkommenheiten“ (Addington),23 der Steuerhinterziehung auf Grund Einkommensquellen, die „schedules“ genannt wurden (engl. für „Verzeichnisse“ oder „Listen“, Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 19). Das Quellenprinzip galt für Einkommen aus Grundbesitz (schedule A) und aus Staats- und sonstigen öffentlichen Renten (schedule C) sowie für das Einkommen aus den Gehältern und Pensionen (schedule E). Für das Einkommen aus Verpachtung (schedule B) war eine Veranlagung vorgesehen. Die Steuer auf das Einkommen aus Handel und Gewerbe einschließlich anderer Erwerbstätigkeiten (schedule D) wurde in einem Mischverfahren erhoben (Hemmpel, FinArch 41 (1924), 45 (46)). 16 Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 19. 17 Engl. für „Aufhalten an der Quelle“ oder „Abschöpfen von der Quelle“. 18 Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Band 1, 1927, S. 57; Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 9, der von einem ohnehin strapazierten Staatshaushalt Großbritanniens am Ende des 18. Jahrhunderts spricht; siehe auch Seligman., The Income Tax, 1911, S. 57 ff. 19 William Pitt zitiert nach Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 14 m. w. H. 20 Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 14 m. w. H.; Hemmpel, FinArch 41 (1924), 45 (46). Als so genannte Kriegssteuer (so zum Beispiel Lang, in: Tipke/ders., Steuerrecht, 17. Auflage 2002, § 9 Rdn. 5, mit der Anmerkung, dass die Einkommensteuer in der Schweiz bis 1982 „Wehrsteuer“ hieß) bestand die Einkommensteuer aber nur bis zum 5. April 1802, da sie nach dem am 25. März mit Frankreich geschlossenen Frieden von Amiens mit der Finanzierung des Krieges ihren Zweck erfüllt hatte (Henry Lord Addington, zitiert nach Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 18). 21 So eine das Gesetz begründende Veröffentlichung von Seiten des Staates, zitiert nach Seligman, The Income Tax, 1911, S. 99 Fußnote 2. Die so genannte Quellensteuer unterschied sich insofern von der allgemeinen Einkommensteuer, als die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen nicht berücksichtigt wurden (Hemmpel, FinArch 41 (1924), 45 (46)). 22 Dietzel, Englische und preußische Steuerveranlagung, Ein Vergleich des englischen mit dem preußischen System der Einkommenbesteuerung (Quellenprinzip contra Empfängerprinzip), 1919, S. 18.

II. Die britische Einkommensteuer von 1803

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falscher Angaben bei der Deklaration des Totaleinkommens, nicht Rechnung trug.24 Das Verfahren der Quellenbesteuerung verhinderte diesen Steuerbetrug, da einem die Steuer zahlenden Arbeitgeber in der Regel die Motivation fehlt, Steuern für den Lohnempfänger zu hinterziehen.25 Die Schonung der Privatsphäre und das zunächst gleich bleibende Steueraufkommen des Staates bei einem herabgesetzten Steuersatz,26 das nach Wiedereinführung des ursprünglichen Steuersatzes auf das Dreifache anstieg,27 brachten Addingtons Steuergesetz allgemeine Anerkennung. Auch Addingtons Steuer diente dem Zweck, den erneut ausgebrochenen Krieg mit Frankreich zu finanzieren.28 Sie wurde daher nach Ende des Krieges durch Parlamentsbeschluss vom 18. März 1816 der Vorstellung der Parlamentarier entsprechend „für immer“ abgeschafft.29 Bereits 1842 jedoch beschloss das britische Parlament auf Vorschlag von Robert Peel eine Einkommensteuer zu Friedenszeiten. Dies war insofern ein Wagnis, als zur Rechtfertigung der Steuer nicht auf die Finanzierungslast eines Krieges verwiesen werden konnte. Die Steuer sollte „lediglich“ die auf Grund von Missernten, der Verminderung der Post- und Zolleinkünfte und der Unruhen in China und Indien erhöhten Staatsschulden30 reduzieren und gleichzeitig die unteren Klassen entlasten, ohne indirekte Steuern zu erhöhen oder neu einzuführen. Die Einkommensteuer sollte erneut nur vorübergehend erhoben werden. Dieses Versprechen erleichterte die Einführung der Steuer. Nach und nach gewöhnten sich die Bürger aber daran, Einkommensteuer zu zahlen.31 Auch diese erste Einkommensteuer zu Friedens23 Zitiert nach Dietzel, Englische und preußische Steuerveranlagung, Ein Vergleich des englischen mit dem preußischen System der Einkommenbesteuerung (Quellenprinzip contra Empfängerprinzip), 1919, S. 9. 24 Siehe insgesamt Dietzel, Englische und preußische Steuerveranlagung, Ein Vergleich des englischen mit dem preußischen System der Einkommenbesteuerung (Quellenprinzip contra Empfängerprinzip), 1919, S. 9. 25 Dietzel, Englische und preußische Steuerveranlagung, Ein Vergleich des englischen mit dem preußischen System der Einkommenbesteuerung (Quellenprinzip contra Empfängerprinzip), 1919, S. 14 f.; siehe auch Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 20. 26 Der Steuersatz war ca. fünf vom Hundert niedriger als im Vergleich zur Einkommensteuer von 1799 (Hemmpel, FinArch 41 (1924), 45 (46); Dietzel, Englische und preußische Steuerveranlagung, Ein Vergleich des englischen mit dem preußischen System der Einkommenbesteuerung (Quellenprinzip contra Empfängerprinzip), 1919, S. 10). 27 Dietzel, Englische und preußische Steuerveranlagung, Ein Vergleich des englischen mit dem preußischen System der Einkommenbesteuerung (Quellenprinzip contra Empfängerprinzip), 1919, S. 10. 28 Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 18 f. 29 Parlamentsbeschluss zitiert nach Seligman, The Income Tax, 1911, 113. 30 Dietzel, Englische und preußische Steuerveranlagung, Ein Vergleich des englischen mit dem preußischen System der Einkommenbesteuerung (Quellenprinzip contra Empfängerprinzip), 1919, S. 10.

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D. Der Quellenabzug als das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument

zeiten wurde dem „Menschenkenner“ Addington folgend nach dem „überlegenen“ Verfahren der Quellenbesteuerung erhoben.32 Das Prinzip der Quellenbesteuerung kennzeichnet die britische Einkommensteuer bis heute.33

III. Preußen: Quellenabzug und allgemeine Steuerpflicht Die Provinz Ostpreußen führte 1808 nach britischem Vorbild34 ein Einkommensteuergesetz35 ein, um den auf die Provinz Ostpreußen umgelegten Teil der „Kriegs-Kontributionen“ der französischen Besatzungsmacht zu finanzieren und so einen Bankrott der öffentlichen Hand abzuwenden.36 Den Vorstellungen des Freiherrn Karl vom Stein folgend unterlagen der Quellenbesteuerung – wie zuvor in Bayern – allerdings nur die Löhne und Gehälter der Bediensteten des Staates.37 Auch der bisher von der Steuer befreite Adel wurde jedoch steuerpflichtig,38 was dessen Widerstand entfachte und zur Folge hatte, dass die Abgabe im Jahre 1810 wieder abgeschafft wurde.39 Trotz ihrer kurzen Geltungsdauer und ihres Ausnahmecharakters als Kriegssteuer wirkte die ostpreußische Einkommensteuer in ihrer Ausgestaltung als Quellenbesteuerung, aber auch hinsichtlich der allgemeinen Steuerpflicht als Vorläuferin der heute in Deutschland erhobenen Einkommensteuer.40 31

Held, Die Einkommensteuer, 1872, S. 331 ff. Dietzel, Englische und preußische Steuerveranlagung, Ein Vergleich des englischen mit dem preußischen System der Einkommenbesteuerung (Quellenprinzip contra Empfängerprinzip), 1919, S. 10. 33 Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 19. 34 Vorbilder waren die Steuern aus dem Jahre 1799 und 1803, wobei sich die Einkommensteuer in Preußen in erster Linie an der von William Pitt vorgeschlagenen Steuer orientierte, da insbesondere die Quellenbesteuerung die Ausnahme war (Grabower, Preußens Steuern vor und nach den Befreiungskriegen, 1923, S. 198). 35 Gesetz vom 28. Februar 1808, Preußische Gesetzessammlung 1808, 193; siehe auch Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 23. 36 Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 36 m. w. H. Nach dem am 9. Juli 1807 mit Frankreich geschlossenen Frieden von Tilsit lastete auf den Teilen Preußens, die nicht an Frankreich abgetreten werden mussten, hohe „Kriegs-Kontributionen“ (Bayer, FR 1983, S. 77). Betrugen die Schulden des preußischen Staates 1806 noch 48 Millionen Taler, stiegen die staatlichen Zahlungsverpflichtungen im Jahre 1810 auf ca. 100 Millionen Taler (Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 36 m. w. H.). 37 Kruse, DStJG 9 (1986), 1 (4); Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 23. 38 Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 37 m. w. H. 39 Siehe Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 37. 32

III. Preußen

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Auch die gleich bleibende staatliche Finanznot verhalf dem die Steuereinnahmen sichernden Verfahren der Quellenbesteuerung bis zur Jahrhundertwende zu keiner größeren Bedeutung, als diese durch die Steuer des Freiherrn vom Stein gewonnen hatte.41 Am 30. Mai 1820 wurde als Ergebnis der großen preußischen Steuerreform eine Klassensteuer eingeführt.42 Diese teilte die Bevölkerung nach äußeren Zeichen des Wohlstandes in fünf Steuerklassen mit festen Jahresbeträgen ein, um die Privatsphäre der Bürger zu schützen, aber gleichzeitig keine alle Steuerpflichtigen gleichermaßen treffende Kopfsteuer einführen zu müssen.43 Selbst der Adel setzte sich nicht für die Steigerung der staatlichen

40 Thier äußert sich aber mit Blick auf den Ausnahmecharakter kritisch gegenüber der Beschreibung als Vorläuferin (ders., Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 37 Fußnote 65). Die Bezeichnung ist insofern berechtigt, als sich die Vermögens- und Einkommensteuer des Jahres 1812 (Edikt wegen Erhebung einer Vermögens- und Einkommensteuer vom 24. Mai 1812, GS 1812, S. 49) in weiten Teilen an dem ostpreußischen Vorbild orientierte, die Grundzüge der Steuer vom Steins also für das gesamte Gebiet der preußischen Monarchie Anwendung fanden, an Bedeutung gewannen und das Gesetz wegen Einführung der Klassensteuer vom 30. Mai 1820, GS 1820, S. 143, dem Vorbild der ostpreußischen Steuer folgend den Adel zur Steuerzahlung verpflichtete. Wie bei der ostpreußischen Steuer wurde bei der Steuer aus dem Jahre 1814 zum Beispiel bei obligatorischer Steuererklärung die Steuerschuld nach einem progessiven Steuersatz berechnet, wobei jedoch der Spitzensteuersatz von fünf Prozent für die damalige Zeit außergewöhnlich hoch war (insgesamt Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 41). Auch diese Steuer kann als Kriegssteuer bezeichnet werden, da sie zur Finanzierung der finanziellen Bedürfnisse erlassen wurde, die durch die Besetzung des preußischen Staates durch die französischen Truppen entstanden waren und nach Kriegsende durch Gesetz vom 7. September 1814 (PrGS 1814, 83) wieder abgeschafft wurde. 41 So erzielte zum Beispiel die Steuer aus dem Jahre 1812 nicht den erhofften finanziellen Erfolg, da sie nur unzureichend festgesetzt und eingezogen wurde und die wegen der Forderungen der französischen Besatzung ohnehin stark beanspruchten Bürger kaum Mittel aufbringen konnten, um ihre Steuerschuld zu begleichen (Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 34). Trotzdem griff man nicht auf die Quellenbesteuerung zurück, um die Steuereinnahmen zu steigern. 42 Gesetz wegen Einführung der Klassensteuer vom 30. Mai 1820, GS 1820, S. 143. 43 Kruse, DStJG 9 (1986), 1 (3). Eine Staatliche Veröffentlichung zur Einkommensteuer beschreibt den Kompromisscharakter des Gesetzes: „Die Klassensteuer soll zwischen einer, ohne genaueres Eindringen in die Vermögensverhältnisse des Pflichtigen nicht ausführbaren und deshalb immer gehässigen Einkommensteuer und einer, die Gesamtmasse aller Einwohner ohne allen Unterschied gleich treffenden Kopfsteuer, die Mitte halten“ (zitiert nach Held, Die Einkommensteuer, 1872, S. 275 Fußnote 1). Über das Prinzip der Quellenbesteuerung wurde auch in diesem Zusammenhang nicht ernsthaft nachgedacht, obwohl auch sie dem Schutz der Privatsphäre dient. Die Klassen reichten vom Großgrundbesitzer (1. Klasse), über „wohlhabende Einwohner“ und „vorzüglich wohlhabenden und reichen Einwohner“ (3. Klasse) sowie den „geringe Bürger- und Bauernstand“ (4. Klasse) bis zu „Lohnarbeitern; Tagelöhnern und gemeines Gesinde“ (5. Klasse; zitiert nach Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 47 m. w. H.). Ab der dritten Klasse traten die tatsächlichen Einkünfte als Maßstab der Steuerpflicht in den Vordergrund, so dass sich

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D. Der Quellenabzug als das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument

Steuereinnahmen über die Quellenbesteuerung ein, obwohl er durch die Steuer erneut zu Abgaben verpflichtet wurde und eine Quellenbesteuerung vorrangig die Gehalts- und Lohnempfänger – also nicht den Adel – belastet hätte.44 Die Entscheidung für die Steuerveranlagung wurde nicht getroffen, um den Grundsatz der Steuergleichheit durchzusetzen, sondern weil man glaubte, die staatliche Finanznot nur wirksam bekämpfen zu können, wenn auch der wohlhabende Adel zur Steuer veranlagt werde.45 Obwohl das Quellenbesteuerungsverfahren die damals diskutierten Mängel der eingeführten Steuer – die Steuerhinterziehung und die Öffnung der Privatsphäre bei der Steuererhebung – vermieden hätte, wurde es nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.46 Nach verbreiteter Meinung in Deutschland zu dieser Zeit und bis nach dem Ersten Weltkrieg war das Verfahren der Quellenbesteuerung unterlegen, weil es nur einen Teil der Einkommensbezieher erfasse.47 Kaum ausgesprochen wurde, dass man sich mit dem geltenden Steuerverfahren arrangiert hatte, die Steuerzahlungen jedenfalls zum Teil erfolgreich vermeiden konnte. So besannen sich auch die Urheber des preußischen Gesetzes „betreffend die Einführung einer Klassen- und klassifizierten Einkommensteuer“ vom 1. Mai 185148 nicht auf die Steuererhebung an der Quelle, obwohl nach § 23 des Gesetzes „jedes lästige Eindringen in die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der einzelnen Steuerpflichtigen zu vermeiden“ war.49 Die Furcht vor „inquisitorischen Maßnahmen“ von Seiten des Staates50 führte nach längerer Diskussion lediglich dazu, dass keine obligatorische Steuererklärung eingeführt die Klassensteuer einer Einkommensteuer annäherte (Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 47). 44 Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 46 f. 45 Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 51. Dieser Umstand ist umso erstaunlicher, weil diese Zeit – insbesondere mit Blick auf die Abgabenpolitik – die Auseinandersetzung zwischen der zentralstaatlichen Bürokratie und dem ländlichen Adel kennzeichnete (Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 37). 46 Siehe hierzu Fuisting, Die geschichtliche Entwicklung des Preußischen Steuersystems und systematische Darstellung der Einkommensteuer, 1894, der auf dieses Veranlagungsverfahren nicht näher eingeht. 47 Dietzel, Englische und preußische Steuerveranlagung, Ein Vergleich des englischen mit dem preußischen System der Einkommenbesteuerung (Quellenprinzip contra Empfängerprinzip), 1919. 48 PrSG 1851, S. 193; siehe insgesamt Linzbach, Der Werdegang der preussischen Einkommensteuer unter besonderer Berücksichtigung ihrer kausalen Entwicklungsfaktoren, 1984, S. 160 ff. Die Steuerpflichtigen wurden nach primär äußeren, leistungsund sachbezogenen Merkmalen in drei Klassen eingeteilt (Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 57 m. w. H.). 49 Zitiert nach Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 63; siehe auch Fuisting, Das Preußische Einkommensteuergesetz vom 24. Juni 1891 und die Ausführungsanweisung vom 5. August 1891 mit Erläuterungen und einer Einleitung, 2. Auflage 1892, S. 48 ff.

III. Preußen

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wurde.51 Nur wenige Einkommen wurden richtig erfasst.52 Die wohlhabenden Steuerpflichtigen profitierten in erster Linie von der nachlässigen Steuerverwaltung. Der effektive Steuersatz nahm bei steigendem Einkommen ab. Die Finanzwissenschaft schätzte die Unterveranlagungsquote auf zwischen 25 und 50 Prozent.53 Ein internes Gutachten des preußischen Finanzministeriums kritisierte daher § 23 des Gesetzes: „Die Wahrung vor lästigem Eindringen in die Privatverhältnisse kann nur zur Oberflächlichkeit führen und trägt der angeblich dem germanischen Charakter eigenthümlichen Scheu, anderen einen Einblick in die Privatverhältnisse zu gestatten, in unverdientem Maße Rechnung, denn diese Abneigung, seine Vermögensverhältnisse aufzudecken, beruht zu nicht geringem Theile auf dem ziemlich allen Nationen eigenthümlichen Widerwillen, Steuern zu zahlen.“54 Dieser klarsichtige und auch heute noch geltende Befund wurde nicht als Plädoyer für das Verfahren der Quellenbesteuerung verstanden, obwohl nur Beamte und Soldaten regelmäßig entsprechend ihrer Einkommen veranlagt wurden, weil diese bei gesetzlich festgelegten Bezügen transparent sind.55 Bismarck, selbst Beamter, bemerkte hierzu: „Der Geschlagene bei jeder Erhöhung direkter Steuern wird immer der Steuerzahler mit festem Einkommen sein, wie der Beamte [. . .], dessen Einkommen durchsichtig vor Augen liegt.“56 Auch verschiedene, 50 Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 38 und S. 40 m. w. H. 51 Es stand es im Ermessen des Steuerpflichtigen, eine Steuererklärung abzugeben oder sich der Einschätzung durch die Behörden zu unterwerfen. Nach dem Gesetz fand die Klassensteuer jedoch nur für die unteren Einkommenstufen Anwendung (siehe insgesamt Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 38 ff. sowie Teschemacher, der die Kompromissgestalt des Gesetzes ein „charakteristisches Übergangsgebilde“ nennt; ders., Die Einkommensteuer und die Revolution in Preußen, 1912, S. 71 f.). 52 Insbesondere die Kapitaleinkünfte, die mit Ausnahme der Einkünfte aus beweglichem Kapital – wie zum Beispiel die Erträge aus Aktienbesitz und Darlehenszinsen – als Einkommen versteuert werden mussten, konnten nicht effektiv ermittelt werden (siehe Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 63 und 67). 53 Insgesamt Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 58 und S. 65 m. w. H.; Held, Die Einkommensteuer, 1872, S. 294; Linzbach, Der Werdegang der preussischen Einkommensteuer unter besonderer Berücksichtigung ihrer kausalen Entwicklungsfaktoren, 1984, S. 189 f.; Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 38 und 42 jeweils m. w. H. 54 Zitiert nach Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 64. 55 Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 66. 56 Zitiert nach Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 67. Im Jahre 1871 schlug Bismarck vor, die Erhebung der Einkommensteuer auf Kapitalerträge über das Verfahren der Quellenbesteuerung bei

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D. Der Quellenabzug als das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument

diesen Erkenntnissen folgende Reformbemühungen schlugen lediglich eine Deklarationspflicht, aber keine Quellenbesteuerung vor.57 Nur in wenigen Regionen wurde der Weg in Richtung Quellenbesteuerung eingeschlagen, in denen auch nicht-staatliche Arbeitgeber verpflichtet wurden, auf Verlangen der Behörde Auskunft über die ausgezahlten Löhne zu geben.58 Doch auch diese Impulse blieben im Zuge der allgemeinen Reform des preußischen Steuersystems,59 die unter dem Einfluss des preußischen Finanzministers Johannes von Miquel zum Preußischen Einkommensteuergesetz vom 24. Juni 189160 führte, unbeachtet. Als Antwort auf die Missstände der vergangenen Jahre61 regelte das Gesetz eine allgemeine Deklarationspflicht und gab den Steuerbehörden Instrumentarien an die Hand, mit welchen sie die für eine Veranlagung notwendigen Informationen vom Steuerpflichtigen erlangen konnten.62 Durch diese MaßnahSelbstdeklaration in der Praxis umzusetzen (siehe Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 137 m. w. H.). 57 So wurden in den Jahren 1869 und 1873 Reformen versucht, die jedoch scheiterten (Fuisting, Das Preußische Einkommensteuergesetz vom 24. Juni 1891 und die Ausführungsanweisung vom 5. August 1891 mit Erläuterungen und einer Einleitung, 2. Auflage 1892, S. 50 ff.; siehe auch Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 38 und 42 f.). Das Königreich Sachsen führte daraufhin als erstes Bundesland durch das Gesetz vom 2. Juli 1878 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Sachsen, 1878, 129) eine Einkommensteuer mit obligatorischer Steuererklärung ein, wobei den Steuerbehörden effektive Instrumente zur Überprüfung der Richtigkeit der Angaben des Steuerpflichtigen gegeben wurden (insgesamt Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 38, 44). 58 Insgesamt Kruse, DStJG 9 (1986), 1 (4); siehe zum Beispiel § 35 sächsisches EStG, Ges.Sammlung 1874, S. 482; Art. 43 württembergisches EStG, RegBl. 1903, S. 291. 59 Die Reform wird auch Miquelsche Steuerreform genannt (Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 44). Zum Einfluss Miquels siehe insbesondere Thier, Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999, S. 432 ff., zusammenfassend: S. 631 ff. 60 PrGS 1891, 175. 61 So Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 45; siehe auch Linzbach, Der Werdegang der preussischen Einkommensteuer unter besonderer Berücksichtigung ihrer kausalen Entwicklungsfaktoren, 1984, S. 196 f. 62 Ab einer bestimmten Einkommensgrenze war der Steuerpflichtige verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben (§ 24 des Gesetzes). Die Erklärung wurde von der zuständigen Steuerbehörde geprüft (§ 38 Abs. 1 und 2 des Gesetzes). Bei falschen Angaben konnte eine Geldstrafe bis zum Zehnfachen der hinterzogenen Steuer verhängt werden (§ 66 des Gesetzes). Der Steuerpflichtige verlor sein Einspruchsrecht gegen die behördliche Steuerfestsetzung, wenn er sich weigerte, eine Steuererklärung abzugeben; bei einer erneuten Weigerung konnte die Steuerlast um bis zu 23 Prozent erhöht werden (§ 30 des Gesetzes). Zweifelte die Behörde weiterhin an der Richtigkeit der Steuererklärung und konnte der Steuerpflichtige diese Zweifel nicht ausräumen, konnte die Behörde das Einkommen „frei“ schätzen (§ 38 Abs. 3 und 4 des Gesetzes; siehe insgesamt Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 35 f.; Fuisting, Das Preußische Einkom-

IV. Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts

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men wurden die staatlichen Steuereinnahmen zwar erheblich gesteigert.63 Die weitreichenden Prüfbefugnisse veranlassten jedoch die Kritiker des finanziell effizienten Gesetzes, von einem „Spionagesystem“ zu sprechen.64

IV. Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts: Sicherung der Steuereinnahmen und erste Anzeichen für eine Überbelastung des Arbeitgebers durch ein kompliziertes Steuerrecht Erst Anfang des 20. Jahrhunderts erlebte das Verfahren der Quellenbesteuerung in Deutschland eine Renaissance. Zunächst besann man sich auf das Abzugverfahren für die Einkommensteuer ausländischer Arbeitnehmer, damit die entsprechenden Steuereinnahmen nicht mit den Arbeitnehmern ins Ausland verschwanden.65 Die durch die neue Reichsverfassung vom 11. August 1919 geschaffene Reichsgesetzgebungskompetenz für Abgaben und sonstige Einnahmen, die wegen der hohen Kriegslasten gegen die Widerstände insbesondere der süddeutschen Länder durchgesetzt werden konnte,66 ermöglichte die nach dem damaligen Reichsfinanzminister Erzberger67 benannte Steuer- und Finanzreform, das erste Reichseinkommensteuergesetz vom 29. März 1920.68 Dieses mensteuergesetz vom 24. Juni 1891 und die Ausführungsanweisung vom 5. August 1891 mit Erläuterungen und einer Einleitung, 2. Auflage 1892, S. 57 ff.). 63 Bei gleich bleibendem Steuersatz erhöhten sich die Steuereinnahmen von knapp 80 Millionen auf 115 Millionen Thaler (Großfeld, Die Einkommensteuer, Geschichtliche Grundlagen und rechtsvergleichender Ansatz, 1981, S. 46 m. w. H.). 64 Seligmann, The Income Tax, 1911, S. 262 und S. 264. Zu der Diskussion direkt nach Einführung des Gesetzes: Strutz, Die Steuerreform, 1892. 65 So zum Beispiel im badischen Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 8. August 1900 (FinArch 18 (1901), S. 460) oder bei der elsass-lothringischen Lohnund Besoldungssteuer von 1901 in der Fassung des Gesetzes vom 24. Juli 1907 (FinArch 25 (1908), S. 429 f.; siehe insgesamt Hemmpel, FinArch 41 (1924), 45 (53 ff. m. w. H.); zum Verhältnis hinsichtlich der Steuererhebung zwischen den Gliedstaaten und dem Deutschen Reich siehe den Überblick bei Fechner, Grundriß des Steuerrechts, 3. Auflage 1960, S. 6 ff. 66 Fechner, Grundriß des Steuerrechts, 3. Auflage 1960, S. 7 f. 67 Matthias Erzberger (1875–1921) leitete als Reichsfinanzminister diese bis dahin umfangreichste Finanzreform in Deutschland, bei welcher neben dem einheitlichen Steuergesetz eine einheitliche Reichsfinanzverwaltung und ein Reform des Finanzausgleichs geschaffen wurde. 1921 war er Opfer eines Attentates. 68 RGBl. 1920, 359. Ein einheitliches Reichseinkommensteuergesetz wurde bereits kurz nach der Reichsgründung vorgeschlagen, so zum Beispiel durch den Abgeordneten Richter am 15. April 1872 im Reichstag des Deutschen Reiches (siehe hierfür die Begründung des EStG-Entwurfes vom 29. November 1919, FinArch Band 37 (1920), 591). Auch wenn Vorschläge wie dieser seitdem immer wieder aufgenommen und diskutiert wurden, scheiterte ein Reichseinkommensteuergesetz bis 1920 nicht zuletzt an dem erheblichen Widerstand der Länder, die an den Steuergesetzen ihrer Zuständigkeit festhielten. Doch allein die Vielfalt der Einkommensteuergesetze kann als Argument

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D. Der Quellenabzug als das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument

Gesetz führte ein den Arbeitgeber nur wenig belastendes Abzugverfahren für die Lohnsteuer ein, das trotzdem Vorbild für das heutige Lohnsteuerrecht ist.69 Unter Geltung eines progressiven Steuertarifs war der Arbeitgeber verpflichtet, zehn Prozent des Lohnes des Arbeitnehmers als starre Abschlagzahlung mit Abgeltungswirkung auf die zu veranlagende Einkommensteuer einzubehalten.70 Der Arbeitgeber haftete für die Steuer des Arbeitnehmers.71 Die Arbeitnehmer wehrten sich nicht gegen das Erhebungsverfahren als solches. Bemängelt wurde aber, dass durch die starre Abschlagszahlung Steuerpflichtigen, die in den Genuss von Steuerbefreiungen oder dem so genannten Ehegatten- und Kinderprivileg kamen, bis zur Veranlagung Geldbeträge entzogen wurden, auf die gerade die Finanzschwächeren nur schwerlich verzichten konnten.72 Mit Wirkung zum 1. August 192073 wurden daher das Existenzminimum und die Zahl der zum Haushalt gehörenden Personen bei den Abzugbeträgen berücksichtigt. Bei Einkommen besser verdienender Arbeitnehmer wurden die Abzugbeträge nach Lohnhöhe gestaffelt, um den Steuerabzug an die endgültige Steuerschuld anzugleichen.74 Diese Änderungen sind beispielhaft für die weitere Entwicklung des Lohnsteuerrechts, in der – mit Blick auf die einzelne Regelung regelmäßig mit begrüßenswerten Motiven – Änderungsgesetze das Abzugverfahren immer komplizierter ausgestalteten, der Arbeitgeber immer stärker belastet wurde. Im Steuerausschuss der Nationalversammlung wurde das Abzugverfahren heftig diskutiert.75 Für das Verfahren wurde vorgebracht, dass dem Staat zu einem denkbar frühen Zeitpunkt regelmäßig die Steuereinnahmen zugingen. Auch für die Vereinheitlichung, für ein Reichseinkommensteuergesetz gelesen werden. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges waren bei 26 Bundesstaaten 27 Einkommensteuergesetze in Kraft, da im Bundesland Sachsen-Coburg-Gotha für Coburg und Gotha verschiedene Gesetze existierten (Popitz, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Auflage 1926, Band III, S. 439). 69 Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 1973, Einführung, Blatt 3, 1 f. 70 Die diese Abschlagzahlung regelnden §§ 44 bis 51 EStG sind nach Maßgabe des Gesetzes zur Durchführung des Einkommensteuergesetzes vom 31. März 1920 (RGBl. I 1920, 429) und der Verordnung des Reichsfinanzministers vom 24. Mai 1920 erst am 25. Juni 1920 in Kraft getreten (siehe auch Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 71). Der Einbehalt wurde durch Marken bestätigt, die der Arbeitgeber auf die Steuermarken des Arbeitnehmers kleben und daraufhin entwerten musste (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 71; Hemmpel, FinArch 41 (1924), 45 (56)). 71 Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 1973, Blatt 3, 2. 72 Hemmpel, FinArch 41 (1924), 45 (56). 73 Gesetz vom 21. Juli 1920, RGBl. II 1920, 1463. 74 Hemmpel, FinArch 41 (1924), 45 (56 f.). 75 Siehe hierfür den Bericht des 10. Ausschusses über den Entwurf eines Reichseinkommensteuergesetzes, Nr. 1624 der Drucksachen der Nationalversammlung zu § 44, zusammengefasst bei Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 72.

IV. Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts

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die Arbeitnehmer könnten leichter wirtschaften, weil sie nicht mehr am Ende des Jahres eine hohe Steuerforderung zu begleichen hätten. Rücklagen, die gerade von Arbeitnehmern mit geringem Einkommen nur unter großer Anstrengung gebildet werden, würden entbehrlich. Die Zahl der Zwangsbeitreibungsverfahren würde reduziert, dadurch Kosten gespart. Gleichzeitig würden die Steuereinnahmen erhöht, der Steuerbetrug praktisch ausgeschlossen. Weniger Steuerbetrug führe zudem zu einer größeren Akzeptanz des gesamten Systems.76 Das Erhebungsverfahren gebe den Behörden folglich nicht nur eine bessere „finanzstrategische“ Position, sondern es sei allgemein das „natürlichere“ Verfahren, da es nicht den „Umweg“ gehe, dem Steuerpflichtigen erst das gesamte Einkommen auszuzahlen, um dann einen Teil des Einkommens wieder zu fordern.77 Die Gegner des Verfahrens im Ausschuss hoben bereits jetzt die Belastung der Arbeitgeber durch das Abzugverfahren hervor.78 Zudem bestünde die Gefahr, dass die Arbeitnehmer um die abgezogenen Beträge erhöhte Löhne fordern würden. Die umständliche Abrechnung im Veranlagungsverfahren führe zu höheren Verwaltungskosten. Dem entgegnete der Reichsminister der Finanzen, dass sich in einem demokratischen Gemeinwesen jeder damit anfreunden müsse, mehr für die Allgemeinheit zu tun. Schon der Reichsminister ging dabei nicht davon aus, dass der Arbeitgeber für den Staat tätig werde, dass er hoheitlich handelnder Teil der Steuerverwaltung sei. Die Quellenbesteuerung sei – so der Reichsminister – auch ein Instrument zur Sicherung der maßvollen Besteuerung, schütze folglich auch die Interessen der Arbeitgeber, weil die aus dem Verzicht auf das Erhebungsverfahren resultierenden Steuerausfälle zu erhöhten Einkommensteuersätzen führen würden.79 Der Schutz der Privatsphäre des Bürgers wurde bei der Diskussion vernachlässigt. Dies lag auch daran, dass zunächst alle Arbeitnehmer trotz des vorgenommenen Lohnabzugs noch veranlagt wurden.80 Erst nach Maßgabe des Gesetzes vom 11. Juli 192181 galt die Steuerschuld durch den Lohnabzug als ge76 Dietzel, Englische und preußische Steuerveranlagung, Ein Vergleich des englischen mit dem preußischen System der Einkommenbesteuerung (Quellenprinzip contra Empfängerprinzip), 1919, S. 20 und 30 f. 77 Dietzel, Englische und preußische Steuerveranlagung, Ein Vergleich des englischen mit dem preußischen System der Einkommenbesteuerung (Quellenprinzip contra Empfängerprinzip), 1919, S. 14 f. 78 Bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es Abhandlungen, in denen allein dieses Thema behandelt wurde (Weimar, Die Entstehung der deutschen Lohnsteuer als Entsprechungsform zur modernen Kapitalwirtschaft, 1930, S. 71 ff. m. w. H.; siehe zudem Kruse, DStJG 9 (1986), 1 (6)). 79 Siehe hierzu auch Dietzel, Englische und preußische Steuerveranlagung, Ein Vergleich des englischen mit dem preußischen System der Einkommenbesteuerung (Quellenprinzip contra Empfängerprinzip), 1919, S. 20 f. 80 Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 1973, Blatt 3, 2.

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D. Der Quellenabzug als das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument

tilgt;82 dabei sollten die rechtlich zulässigen Abzüge möglichst umfassend bei der Steuererhebung an der Quelle berücksichtigt werden, was das Verfahren erneut verkomplizierte, die Belastung des Arbeitgebers erhöhte. Die Veranlagungen und die mit ihnen entstehenden Verwaltungskosten sollten auf ein Minimum reduziert werden, die Kosten des Arbeitgebers nahmen Verwaltung und Gesetzgeber erneut kaum in den Blick. Auf Antrag des Steuerpflichtigen musste jedoch veranlagt werden, wenn die berücksichtigten Abzüge die tatsächlich absetzbaren Aufwendungen in einem bestimmten Umfang unterschritten.83

V. Deutsches Einkommensteuergesetz 1925: Sicherung der Steuereinnahmen und Entlastung der Verwaltung Nach verschiedenen, vorwiegend inflationsbedingten Änderungen84 wurde das auf den Finanznotstand zugeschnittene Einkommsteuergesetz nach Konsolidierung des Haushalts der neuen Finanzlage nicht mehr gerecht. Ein im Wesentlichen vom Staatssekretär im Reichsfinanzministerium Johannes Popitz ausgearbeiteter Gesetzentwurf eines neuen Einkommensteuergesetzes löste daher am 10. August 192585 das alte Gesetz ab. Das Abzugverfahren wurde beibehalten und ausgebaut,86 weil „gerade bei den durch die jetzigen Wirtschaftsverhältnisse bedingten Löhnen größere Steuerbeträge vielfach nicht mehr gezahlt“ würden.87 Zahlreiche, besonders als Antwort auf die Wirtschaftskrise der 30er 81

RGBl. 1921, 845. § 48 des Gesetzes. 83 Insgesamt Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 74. 84 Die Gesetze vom 20. Dezember 1921 (RGBl. II 1921, 1580), vom 20. Juli 1922 (RGBl. I 1922, 607), und vom 23. Dezember 1922 (RGBl. I 1922, 978) sowie die Verordnungen vom 19. Dezember 1923 (RGBl. I 1923, 1205) und vom 10. November 1924 (RGBl. I 1924, 737) passten die Ermäßigungssätze an die fortschreitende Geldentwertung an (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 75). 85 RGBl. I 1925, 189. 86 Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 239. 87 So die Reichsregierung im Entwurf des Einkommensteuergesetzes vom 23. April 1925, RT-Drucks. III, Nr. 795. Nicht durchgesetzt wurde der Vorschlag, von Arbeitgebern einen gewissen Prozentsatz der von ihnen gezahlten Löhne als Arbeitgebersteuer an Stelle der Lohnsteuer zu fordern. Durch § 93 des Gesetzes wurde ein begrenztes Lohnsteuererstattungsverfahren eingeführt. Unabhängig vom Veranlagungsverfahren konnte vierteljährlich der Erstattungsantrag gestellt werden. Dies belastete die Finanzämter so erheblich, dass nach Maßgabe des Gesetzes vom 26. Februar 1926 (RGBl. I 1926, 107) nur noch ein jährlicher Erstattungsantrag möglich war. Fünf Jahre später wurde das Verfahren mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Notlage des Staates ganz beseitigt, wobei jedoch die Möglichkeit bestand, höhere Pauschbeträge für Werbungs82

VI. Die Nachkriegsentwicklung

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Jahre erlassene Gesetzesnovellen ließen das Einkommensteuergesetz unübersichtlich und systemlos erscheinen,88 so dass am 16. Oktober 1934 ein neues Gesetz89 nach den Grundgedanken des Gesetzes von 1925 erlassen wurde. Am Abzugverfahren wurde festgehalten, da es sich bewährt habe und eine Veranlagung aller Arbeitnehmer die Finanzverwaltung zu stark belasten würde.90 Maßgeblich für die Beibehaltung des Verfahrens waren folglich neben der Sicherung des Steueraufkommens die Einsparungen bei der Finanzverwaltung, die das Abzugverfahren mit sich brachte. Das Gesetz verfolgte das Ziel eines einfachen und zuverlässigen Erhebungsverfahrens jedoch derart gewissenhaft, dass die Lohnsteuer einer Objektsteuer gleichkam.91 In den Jahren 1938 bis 1944 kam es zu weiteren Änderungen des Gesetzes, die die Grundzüge des Abzugverfahrens aber unberührt ließen.92

VI. Die Nachkriegsentwicklung: Kontinuität und der Ruf nach Vereinfachung Nach dem Krieg und der Währungsreform nahm das Abzugverfahren seine bis heute fortgeltende Gestalt an.93 Die Lohnsteuer wurde klarer als bisher als besondere Form der Erhebung der Einkommensteuer verstanden und ausgestalkosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen einzutragen (Gesetz vom 5. Juni 1931, RGBl. I 1931, 279; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 76 ff.). 88 Rinner, Lohnsteuer und Leistungsfähigkeit, 1929, S. 1 ff. Neben verschiedenen aufkommenswirksamen Änderungen wurden Nebensteuern eingeführt, wie zum Beispiel ein Zuschlag für Ledige ab einer bestimmten Einkommensgrenze (Gesetz vom 26. November 1930, RGBl. I, 311) oder eine Krisensteuer (Gesetz vom 5. Juni 1931, RGBl. I, 279). 89 RGBl. I 1934, 1005. 90 Eine Arbeitgebersteuer wurde nicht eingeführt, da dann die persönlichen Verhältnisse, insbesondere der Familienstand der Arbeitnehmer, nicht hinreichend hätten berücksichtigt werden können (Begründung zum Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (RStBl. 1935, 33 (53 zu § 38); siehe auch Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 83). 91 Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 239. 92 Neben Änderungen nach den „Grundsätzen nationalsozialistischer Rassenpolitik“ durch das Gesetz vom 1. Februar 1938, RGBl. I 1938, 99 (Begründung des Gesetzes, RGBl. I 1938, 99) wurden in erster Linie die Vielzahl der Abzugbeträge reduziert (siehe Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 83 m. w. H.). 93 Verordnung zur Änderung der Lohnsteuer-Durchführungsbestimmungen vom 16.10.1948 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948, 125), Gesetz über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr vom 23. März 1950 (BGBl. S. 45), überarbeitet und neu gegliedert durch das Gesetz vom 18. Juli 1958 (BGBl. I, S. 473); siehe insgesamt Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 239.

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D. Der Quellenabzug als das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument

tet.94 Das seit 1931 bestehende Erstattungsverbot im Erhebungsverfahren95 wurde beseitigt und der Lohnsteuer-Jahresausgleich ermöglicht.96 Die Arbeitnehmer konnten Abweichungen bei den maßgeblichen persönlichen Verhältnissen sowie Änderungen der Bemessungsgrundlage der Einkünfte jederzeit zeitnah geltend machen. Das Verfahren wurde komplizierter, der die Lohnsteuer abziehende Arbeitgeber folglich zu einem höheren Arbeitsaufwand verpflichtet.97 Das bisher in verschiedenen Verordnungen geregelte Lohnsteuerabzugverfahren wurde durch das Gesetz vom 5. August 197498 nahezu abschließend99 in das Einkommensteuergesetz aufgenommen, um die Übersichtlichkeit der Regelungen zu fördern.100 Der Verwaltungsaufwand sollte nach der Vorstellung der Regierung durch das Gesetz erheblich reduziert werden.101 Das Gutachten der 94 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 84. 95 Mit Blick auf die wirtschaftliche Notlage des Staates wurde das teure Verfahren durch die Verordnung vom 5. Juni 1931, RGBl. I 1931, 279, beseitigt (siehe Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 79). 96 Zunächst geschah dies durch § 35 der Lohnsteuerdurchführungsbestimmungen in der Fassung der Änderungsverordnung vom 16. Oktober 1948 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948, 125; AmtsBl. Fin. 1948, 54) und durch das Gesetz vom 23. März 1950 (BGBl. I, S. 45); durch das Gesetz vom 24. Juni 1953 wurde der Lohnsteuer-Jahresausgleich im Einkommensteuergesetz selbst verankert (BGBl. I, S 413; insgesamt Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 84 sowie Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 239). 97 Insgesamt: Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 239. 98 BGBl. I, S. 1974, S. 1769. 99 Enthielt die Lohnsteuer-Durchführungsverordnung in der Fassung von 1971 (Bekanntmachung der Neufassung der LStDV v. 29. April 1971, BGBl. I, S. 1971, S. 397) noch über 70 Paragraphen, bestand die Verordnung in der Fassung vom 13. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3465) nur aus 9 Paragraphen (siehe zum Beispiel Bals, BB 1974, 1572). 100 Die Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich vom 16. März 1971 (BGBl. I, S. 193) und die Verordnung über die Jahreslohnsteuertabelle vom 18. Dezember 1964 (BGBl. I, S. 969) entfielen sogar gänzlich (siehe insgesamt Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 86). Das Verfahren wurde nicht zu einer Einkommensteuervorauszahlung mit alljährlicher Veranlagung umgestaltet. Als Begründung wurde angeführt, daß die hierfür notwendige lückenlose Erfassung aller Arbeitnehmer mit einer aufwendigen Fortschreibung des Adressenbestandes zu einer erheblichen Arbeitsbelastung der Finanzämter führen würde. Hinzu käme, dass Steuernachforderungen in großem Umfang durchgesetzt werden müssten (BT-Drucks. 7/1470, 218 f.; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 87). 101 Durch eine großzügige Anhebung der Pauschbeträge sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, da dies dem Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung zuwiderlaufen

VI. Die Nachkriegsentwicklung

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Steuerreformkommission 1971 hatte demgegenüber auch eine deutliche Entlastung der Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren vorgeschlagen.102 Diese Anregungen wurden vom Gesetzgeber nicht aufgenommen. Das Gutachten hielt zwar grundsätzlich am Abzugverfahren fest, weil die Massenbesteuerung einer Vielzahl von Steuerpflichtigen durch die Abzugspflicht der Arbeitgeber effizient sei und die Steuereinnahmen sichere.103 Die unentgeltliche Indienstnahme des Arbeitgebers wurde nicht kritisiert,104 jedoch die Belastungen des Arbeitgebers wie der Gemeinden als konkrete Nachteile des Verfahrens beschrieben.105 Diesen Nachteilen des Lohnsteuerverfahrens begegnete die Kommission mit zwei Änderungsvorschlägen: Nach dem so genannten Modell I sollte das Ermäßigungsverfahren zu Beginn des Veranlagungsjahres stark vereinfacht und Lohnsteuerermäßigungen nur in Ausnahmefällen zu bestimmten Terminen zugelassen werden.106 Nach dem Modell II sollten das Ermäßigungsverfahren und der Lohnsteuer-Jahresausgleich abgeschafft werden, der Arbeitnehmer aber jedes Jahr eine Steuererklärung abgeben.107 Beide Modelle wurden nicht umgesetzt.108 würde und man erhebliche Steuermindereinnahmen fürchtete. Von der vorgeschlagenen Zusammenfassung des Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahrens mit dem LohnsteuerJahresausgleichs – wobei gleichzeitig die Lohnsteuerkarte durch eine Steuerabzugbescheinigung ersetzt werden sollte – versprach man sich mit Blick auf Belastungen der Verwaltung durch die Abzugbescheinigung keine Verwaltungsvereinfachung (BTDrucks. 7/1470, S. 217 f.). 102 Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 241. 103 In der allgemeinen Kritik hob die Kommission hervor, dass die Mehrzahl der Arbeitnehmer im geltenden Recht mögliche Steuervorteile nicht oder nur mit erheblichem Aufwand nutzen könne, da das Lohnsteuerrecht zu kompliziert sei. Aus der Sicht der Finanzverwaltung fehle die „für ein Massenverfahren notwendige Praktikabilität“ (Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 241). 104 Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 26 und S. 63. 105 Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 241 f. 106 Damit wären neben dem Finanzamt die Arbeitgeber nur insofern entlastet, als diese dann nicht nach den häufigen Änderungen der Lohnsteuerkarte die Steuerberechnung angleichen müssten. Die Arbeitnehmer bräuchten keine Ermäßigungsanträge mehr stellen. Daneben wird u. a. ein so genanntes Vorwegabzugverfahren vorgeschlagen, nach welchem alle Sozialversicherungsbeiträge und nach weitergehender Ansicht auch die Kirchensteuer von der Lohnzahlung abgezogen und folglich nicht versteuert werden sollten. Insbesondere auch zu den Folgen des Vorschlags: Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 243 ff. 107 Nach Maßgabe des Veranlagungsergebnisses erteilt das Finanzamt im Sinne einer Gleichbehandlung mit veranlagten Steuerpflichtigen auch den Arbeitnehmern einen Steuerbescheid; daneben wird eine Steuerabzugbescheinigung ausgestellt, welche die Lohnsteuerkarte als Grundlage für den Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber ersetzt. Hierdurch würden die Gemeinden gänzlich entlastet, da sie keine Lohnsteuerkar-

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D. Der Quellenabzug als das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument

Von 1975 bis 1992 änderte sich das Lohnsteuerverfahren nur in einzelnen, strukturell unerheblichen Punkten.109 Das Steueränderungsgesetz vom 25. Februar 1992110 betonte die Antragsveranlagung. Da die Lohnsteuer eine echte Jahressteuer blieb, wurde sie durch diesen Schritt mehr denn je eine bloße Form der Erhebung der Einkommensteuer.111 Erst in den letzten Jahren wurde auf die Entlastungsforderungen der Arbeitgeber zumindest in ersten Schritten reagiert und das Abzugverfahren insbesondere durch die Möglichkeiten des digitalen Datenaustauschs zwischen der Finanzverwaltung und dem Arbeitgeber erleichtert.112

VII. Die rechtsstaatliche Entscheidung für das Abzugverfahren Die Entwicklung des Lohnsteuerabzugverfahrens verdeutlicht, dass der Quellenabzug die verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Steuererhebung sichert und sich grundsätzlich bewährt hat. Das Abzugverfahren sollte vor „inquisitorischen Ausforschungen“ schützen, ein „Spionagesystem“ abwehren, also die finanzwirtschaftliche Privatsphäre des Steuerpflichtigen schützen. Durch den Steuerabzug beim Arbeitgeber wurde aber insbesondere eine effiziente und zeitnahe Besteuerung sichergestellt. Dies dient der Allgemeinheit und der Gleichheit der Besteuerung, der verfassungsrechtlichen Forderung nach einem allgemeinen und möglichst unausweichlichen Steuerrecht.113 Die gleichmäßige und ten mehr ausstellen, ändern und entsenden müssen. Die Angaben auf der Steuerabzugbescheinigung vermeiden, dass der Arbeitgeber die Kinderzahl und die Steuerklasse des Arbeitnehmers berücksichtigen muss; der Lohnsteuer-Jahresausgleich für den Arbeitgeber entfällt. Die Finanzverwaltung braucht nicht mehr verschiedene Verfahren aufeinander abstimmen, sondern trifft in einem Verfahren alle den Arbeitnehmer betreffenden steuerrechtlichen Entscheidungen, ohne dass die persönlichen Verhältnisse gegenüber dem Arbeitgeber offenbart werden müssen. Nachteile des Verfahrens sind, dass die Arbeitnehmer Steuererklärungen abgeben müssen und die Zahl der Veranlagungen erheblich steigt. Die Arbeitsbelastung beim Finanzamt könnte jedoch durch das so genannte rollierende Verfahren gleichmäßig auf das Jahr verteilt werden, nach welchem verschiedene Arbeitnehmer an verschiedenen Monaten veranlagt werden (Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 243 und 247 ff.; siehe auch die Zusammenfassung in BT-Drucks. 7/1470, S. 218 f.). 108 BT-Drucks. 7/1470, S. 218. 109 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. A 88. 110 BGBl. I 1992, S. 297. 111 Heuermann sieht darin sogar den Abschluss der Metamorphose der Lohnsteuer als eigene „Steuer mit Objektsteuercharakter hin zu einer Vorauszahlungssteuer zur Einkommensteuer“ (ders., Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 9, siehe S. 8 f. zum Steueränderungsgesetz von 1992 m. w. H.). 112 Siehe oben unter B.

VII. Die rechtsstaatliche Entscheidung für das Abzugverfahren

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unausweichliche Verteilung der Steuerlast, die Allgemeinheit der Steuerpflicht, ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Steuerlast angemessen ausgestaltet werden kann. Insoweit dient das Abzugverfahren nicht nur der gleichmäßigen, sondern auch einer maßvollen Steuerlast.114 Die Indienstnahme des Arbeitgebers sollte die private Finanzsphäre des Arbeitnehmers vor dem investigativen Blick der Finanzverwaltung schützen, das Besteuerungsverfahren vereinfachen, die Steuerbelastung unausweichlich machen, damit der Allgemeinheit und Gleichheit der Besteuerung dienen. Dem Arbeitgeber wurden dabei erhebliche Lasten aufgebürdet, die er unentgeltlich erbringen muss. Diese Lasten wuchsen mit der zunehmenden Unübersichtlichkeit des Einkommensteuerrechts und der immer komplizierter werdenden Ausgestaltung des Abzugverfahrens. Die Belastung des Arbeitgebers ist deshalb am verfassungsrechtlichen Maßstab der Angemessenheit, des Übermaßverbots zu prüfen. Dies ist für die Beurteilung des Abzugverfahrens maßgeblich. Es geht insoweit nicht um einen grundsätzlichen Widerstand gegen das Verfahren, sondern um eine Mäßigung der dem Arbeitgeber aufgebürdeten Verwaltungslasten, um eine Vereinfachung des Verfahrensablaufs. Dieser Auftrag an den Gesetzgeber schützt die Grundrechtsposition des Arbeitgebers, der nicht gleichsam als Auge des Staates im Dienst der Staatsverwaltung die Lohnentwicklung des Arbeitnehmers beobachtet, sondern als Privater in seiner grundrechtlich geschützten Freiheit durch die gesetzliche Verpflichtung eingeschränkt wird.

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BVerfGE 96, 1 (6) – Arbeitnehmerfreibetrag; 101, 297 (309) – Arbeitszimmer. Siehe hierzu BVerfGE 93, 121 (139) – Vermögensteuer.

E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers – Anforderung und Überforderung Der Arbeitgeber ist die zentrale Person im Abzugverfahren.1 Das Steuergesetz legt ihm verschiedene Pflichten auf. Zunächst muss der Arbeitgeber tatsächlich und rechtlich klären, ob er zum Abzug der Lohnsteuer verpflichtet ist. Besteht diese Pflicht, hat er den Arbeitslohn des Arbeitnehmers zu ermitteln, um für jeden Lohnzahlungszeitraum die Höhe der Lohnsteuer festzustellen und daraufhin die Steuer einbehalten zu können, die er dem Finanzamt anmelden und abführen muss.2 Um die Erfüllung dieser Pflichten transparent und kontrollierbar zu machen, muss der Arbeitgeber für jeden Arbeitnehmer ein Lohnkonto führen.3 Zudem hat er bei Beendigung eines Dienstverhältnisses eine elektronische Lohnsteuerbescheinigung auszustellen4 und, wenn er am Ende des Kalenderjahres mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen.5 Nimmt das Finanzamt eine Lohnsteueraußenprüfung vor, obliegen dem Arbeitgeber verschiedene Mitwirkungspflichten. Bei einer Pflichtverletzung drohen ihm neben der Haftung auch die Sanktionen von Straf- und Ordnungswidrigkeitstatbeständen.

I. Ermittlung der lohnsteuerpflichtigen Einnahmen – tatsächliche und rechtliche Aufklärungslasten 1. Die Ausgangsbegriffe des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers Zunächst muss der Arbeitgeber prüfen, ob er zum Steuerabzug nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG verpflichtet ist, ob er als Arbeitgeber lohnsteuerpflichtige Arbeitnehmer beschäftigt. Diese Feststellung ist im Regelfall einfach, kann aber insbesondere bei Staatsgrenzen überschreitenden Sachverhalten beachtliche Rechtsprobleme aufwerfen. 1 So ausdrücklich Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1987, S. V. 2 §§ 38 Abs. 1 und 3 Satz 1, 38a Abs. 1, 41a Abs. 1 Satz 1, 41a Abs. 2 EStG. 3 § 41 Abs. 1 Satz 1 EStG. 4 § 41b Abs. 1 Satz 2 EStG. 5 § 42b Abs. 1 insbes. Satz 2 EStG; siehe insgesamt zum Ablauf des Verfahrens jüngst Seer, in: ders., Bochumer Lohnsteuertag, 2005, S. 159 (159 bis 163).

I. Ermittlung der lohnsteuerpflichtigen Einnahmen

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a) Der Arbeitnehmer im Sinne des Lohnsteuerrechts Der Arbeitgeber hat zu ermitteln, ob er einem steuerpflichtigen Arbeitnehmer6 Lohn zahlt.7 Der Arbeitnehmer muss persönlich und sachlich steuerpflichtig sein. Die persönliche Steuerpflicht ist regelmäßig lediglich festzustellen, erfordert meist keinen erheblichen Aufwand beim Arbeitgeber.8 Liegen aber Fälle der erweiterten unbeschränkten (§ 1 Abs. 2 und Abs. 3 EStG), der beschränkten (§ 1 Abs. 4 EStG) und der erweiterten beschränkten Steuerpflicht9 sowie der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1a EStG) vor,10 entstehen komplizierte Rechtsprobleme, die der Arbeitgeber allerdings durch die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG vom Finanzamt klären lassen kann.11 Die sachliche Steuerpflicht regelt § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG, der durch § 19 EStG konkretisiert wird.12 Die Definition der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit wird durch die Begriffe des Arbeitnehmers, des Arbeitslohnes und des Arbeitgebers geprägt.13 Maßgeblich für die Feststellung der Abzugspflicht ist der Tatbestand des Arbeitnehmers,14 der in § 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung15 definiert wird. Arbeitnehmer sind hiernach Personen, 6 Der Arbeitnehmerbegriff ist nicht mit dem des Zivilrechts oder dem des Sozialversicherungsrechts identisch, weil zum Beispiel der Geschäftsführer einer GmbH oder ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft Arbeitnehmer im Sinne des Lohnsteuerrechts sein können (ständige Rechtsprechung, BFH, BStBl. II 1999, S. 534 (537); II 1988, S. 804 (807); II 1980, S. 303 (304); Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 6). 7 Diskutiert wird, ob der Begriff des Arbeitnehmers ein eigenes ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 19 Abs. 1 EStG ist oder als unselbstständiges Merkmal aus dem Dienstverhältnis abgeleitet wird (Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 19 Rdn. 55 m. w. H.). 8 Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten, regelmäßig unbeschränkt steuerpflichtig, weil sie als natürliche Personen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. 9 § 2 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen vom 8. September 1971 (BGBl. I, S. 1713) zuletzt geändert durch das so genannte Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 16. Mai 2003 (BGBl. I, S. 660); die beschränkte Steuerpflicht wird vom BFH als eingenständige Steuerpflicht beschrieben (BFH, BStBl. II 1995, S. 868). 10 Siehe insgesamt: Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommenatr, 101. Lfg. August 2000, § 1 Rdn. A 11 ff. (Überblick); Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, B Rdn. 18 ff. jeweils m. w. H. 11 Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2000, K Rdn. 9 12 Siehe zum steuerpflichtigen Lohn, den der Arbeitgeber ermitteln muss, sogleich unter II. 13 Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 34. Lfg. September 2002, C Rdn. 2. 14 Auch die Definition des abzugspflichtigen Arbeitgebers greift maßgeblich auf den Begriff des Arbeitnehmers zurück, siehe hierzu sogleich.

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

die im öffentlichen oder privaten Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen.16 Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Diensterbringer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet, er in der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder dessen Weisungen folgen muss,17 ohne ein unternehmerisches Risiko zu tragen oder Unternehmerinitiative zu entfalten.18 Ein Dienstverhältnis ist in der Regel daran erkennbar, dass die geschuldete Leistung persönlich innerhalb von bestimmten Arbeitszeiten erbracht werden muss und mit regelmäßig ausgezahlten, festen Bezügen vergütet wird.19 Ein Arbeitnehmer erbringt Leistungen nicht im Rahmen einer von ihm selbstständig ausgeübten Tätigkeit.20 Er unterscheidet sich von Selbstständigen oder Gewerbetreibenden, die grundsätzlich einen Arbeitserfolg schulden und in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko handeln. Für die Einordnung der Leistungen kommt es immer auf das Gesamtbild der Verhältnisse an.21 In Anwendung dieser Grundlinien muss der Arbeitgeber zum Beispiel erkennen, dass ein Bezirksstellenleiter einer Toto- und Lottoannahmestelle als Gewerbetreibender selbstständig tätig wird,22 Gesellschafter von Kapitalgesellschaften anders als solche von Personengesellschaften Arbeitnehmer sein können, da nur letztere einen Gewinnanteil beziehen und als Mitunternehmer gelten (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG).23 Der Arbeitgeber muss aber nicht nur Rechtskennt15 In der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Oktober 1989 (BGBl. I, S. 1848), zuletzt geändert durch das Steueränderungsgesetz vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2645), im Folgenden LStDV. 16 § 1 Abs. 1 Satz 1 LStDV. Das Gesetz regelt auch den Fall, dass die Arbeitnehmer eingestellt waren und weiterhin Lohn beziehen: Rechtsnachfolger von Arbeitnehmern wie zum Beispiel Erben werden auch als Arbeitnehmer behandelt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 LStDV; Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 5). 17 § 1 Abs. 2 LStDV. 18 Ständige Rechtsprechung des BFH, siehe BStBl. II 1985, S. 661 sowie II 1999, S. 534 (536); II 1997, S. 254; II 1991, S. 409 (411). 19 Insgesamt Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 6; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 31. Lfg. März 2001, C Rdn. 10 ff. 20 § 1 Abs. 3 LStDV. 21 BFH, BStBl. II 1985, S. 661; II 1975, S. 513; siehe auch § 1 Abs. 3 LStDV. Beim Gewerbetreibenden müssen zudem die Voraussetzungen des Gewerbebetriebes vorliegen (§ 15 Abs. 2 EStG, § 2 GewStG, § 1 GewStDV). Siehe insgesamt Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 6. 22 BFH, BStBl. III 1967, S. 523 (525); Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 26. Lfg. Juli 1998, C Rdn. 1. 23 BFH, BStBl. II 1999, S. 720; II 1972, S. 949; II 1970, S. 824; II 1969, S. 268; II 1968, S. 234; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 19 Rdn. 100; Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 7; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 35. Lfg. Juli April 2003, C Rdn. 171 ff.

I. Ermittlung der lohnsteuerpflichtigen Einnahmen

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nisse besitzen. Oft sind außerhalb der Rechtsbeziehung zum Arbeitgeber liegende Sachverhalte zu erforschen. Ein Musiker, der nebenberuflich in einer Gaststätte auftritt, ist zum Beispiel dann Arbeitnehmer des Wirtes, wenn er diese Tätigkeit nach dem Gesamtbild seiner Auftritte freiberuflich ausübt, er nicht nur gelegentlich auftritt.24 Die Abzugspflicht fordert vom Arbeitgeber folglich nicht nur Rechtskenntnisse, sondern der Arbeitgeber muss darüber hinaus in besonderen Konstellationen Sachverhalte erforschen, die außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegen. b) Der Arbeitgeber im Sinne des Lohnsteuerrechts Der Begriff des Arbeitgebers ist in den Steuergesetzen nicht ausdrücklich definiert, lässt sich aber in einem Umkehrschluss aus der Definition des Arbeitnehmers in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 LStVG und in § 19 EStG ableiten.25 Arbeitgeber im steuerverfahrensrechtlichen Sinn sind die Schuldner des Lohnes in dem Rechtsverhältnis, das Rechtsgrundlage für die als Arbeitslohn zu qualifizierende Einnahme ist.26 Sie schulden den Arbeitslohn und zahlen ihn im eigenen Namen und für eigene Rechnung unmittelbar aus.27 Die Definition folgt unter anderem dem Umstand, dass es nur dem Schuldner des Arbeitslohnes möglich ist, die Lohnsteuer einzubehalten. Trotzdem muss nicht derjenige, der den Arbeitslohn als eigene Schuld leistet, abzugsverpflichteter Arbeitgeber im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG sein.28 Hat ein Arbeitnehmer tarifvertragliche An24 Siehe insgesamt auch zu den zahlreichen besonderen Arbeitsverhältnissen Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, C. Das Arbeitsverhältnis führt regelmäßig zu keinen Rechtsproblemen für den Arbeitgeber. Für die allerdings komplizierten Einzelfälle steht dem Arbeitgeber auch hier die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG zum Finanzamt zur Verfügung (Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 29. Lfg. Mai 2000, K Rdn. 9 m. w. H.) 25 Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 38 Rdn. 65; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 2. 26 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. B 8. 27 Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 38 Rdn. 5 m. w. H. 28 Dies wird jedoch stark diskutiert. Siehe insgesamt und insbesondere zu dem den Lohn auszahlenden Bürgen Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. B 8 ff. m. w. H., wobei die Diskussion zum Arbeitgeberbegriff hier nicht bis ins Detail geführt werden muss. Der Blick richtet sich darauf, welche Leistung der verpflichtete Arbeitgeber zu erbringen hat, wozu auch gehört, die eigene Verpflichtung festzustellen. Nur insofern muss hier erörtert werden, wer Arbeitgeber im Sinne des Lohnsteuerrechts ist (siehe aber insgesamt auch Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 38 Rdn. 65 m. w. H.).

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

sprüche unmittelbar gegenüber einem Dritten – zum Beispiel, weil die Sozialkasse des Baugewerbes zentraltarifliche Teilleistungen zahlt – und erfüllt dieser die Ansprüche, muss der Dritte den Lohnsteuerabzug vornehmen (§ 38 Abs. 3a Satz 1 EStG). Hierdurch sollen die Steuereinnahmen, die aus diesem Einkommen fließen, gesichert werden. Der Dritte kann aber die Lohnsteuer für einen sonstigen Bezug mit zwanzig Prozent unabhängig von einer Lohnsteuerkarte und damit einfacher ermitteln, wenn der Jahresarbeitslohn ausschließlich des sonstigen Bezugs 10.000 Euro nicht übersteigt (§ 39c Abs. 5 EStG). In diesen Fällen kommt es zur Veranlagung des Arbeitnehmers (§ 46 Abs. 2 Nr. 5 EStG).29 Zudem kann ein Dritter den Lohnsteuerabzug an Stelle des Arbeitgebers nach Zustimmung der Finanzverwaltung übernehmen, wenn er den Lohn auszahlt oder den Arbeitnehmer vermittelt hat und die Steuererhebung hierdurch nicht beeinträchtigt wird (§ 38 Abs. 3a Sätze 2 und 3 EStG). Die deutsche öffentliche Gewalt ist in ihrer Reichweite grundsätzlich auf das deutsche Hoheitsgebiet beschränkt.30 Die Abzugspflicht nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG trifft daher nur Arbeitgeber, die der deutschen öffentlichen Gewalt unterliegen, das heißt insbesondere inländische Arbeitgeber.31 Daneben sind auch ausländische Arbeitgeber zum Lohnsteuerabzug verpflichtet, wenn sie Dritten Arbeitnehmer gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung im Inland überlassen und so ein hinreichender Bezug zum Inland hergestellt wird (so genannte ausländische Verleiher, § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Ein in Deutschland ansässiges aufnehmendes Unternehmen, das den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt, muss ebenfalls den Lohnsteuerabzug vornehmen (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG).32

29 Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 12. 30 Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen, HStR V, 1992, § 115 Rdn. 82 ff.; Sachs, in: ders., Grundgesetz, 2. Auflage 1999, Einführung Rdn. 28; insgesamt aber zum offenen Staat: Di Fabio, Das Recht offener Staaten, 1998, insbesondere S. 97 ff. zum „Verlust der territorialen Radizierung des Staates“. 31 Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind dies Arbeitgeber, die ihren Wohnsitz (§ 8 AO), ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO), ihre Geschäftsleitung (§ 10 AO), einen Sitz (§ 11 AO), eine Betriebsstätte (§ 12 AO) oder einen ständigen Vertreter (§ 13 AO) im Inland haben (Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 38 Rdn. 7; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. B 21). 32 Ob für diese Verpflichtung ein hinreichender sachlicher Grund besteht, bezweifelt Trzaskalik, da die Vorschrift in erster Linie die akzessorische Haftung des Entleihers ermöglichen soll, der Gesetzgeber also die dem Verleiher auferlegte Pflicht selbst nicht ernst nahm oder zumindest ihre Vollziehbarkeit bezweifelte (ders., in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 38 Rdn. B 34; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 4 m. w. H.).

I. Ermittlung der lohnsteuerpflichtigen Einnahmen

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Auch wenn die hier skizzierten Rechtsprobleme oft sehr anspruchsvoll sind, wird der Arbeitgeber durch die beschriebene Prüflast nicht besonders stark beansprucht. Er muss regelmäßig lediglich ein Mal feststellen, ob er zum Steuerabzug verpflichtet ist. 2. Kein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff Ein einheitlicher Begriff des Arbeitnehmers im Einkommensteuer-, Sozialund Arbeitsrecht würde dem Arbeitgeber den hohen Ermittlungsaufwand sparen, der durch die Verpflichtungen aus diesen Teilrechtsordnungen33 und deren unterschiedliche Begriffsinhalte entsteht. Ein solcher einheitlicher Begriff müsste aber die unterschiedlichen Konzeptionen dieser Regelungsbereiche hinreichend berücksichtigen,34 was kaum zu leisten ist. Das steuerliche Abzugverfahren soll insbesondere die Steuereinnahmen des Staates durch Quellenabzug sichern, verpflichtet deshalb alle Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern Lohn zahlen. Der lohnsteuerrechtliche Begriff des Arbeitnehmers erfasst die Zugriffsmöglichkeit des Arbeitgebers auf den Arbeitslohn. Das Arbeitsrecht garantiert hingegen nicht die Steuereinnahmen des Staates, sondern schützt insbesondere die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber ihren Arbeitgebern. Der arbeitsrechtliche Begriff des Arbeitnehmers bestimmt deshalb die Schutzbedürftigkeit der abhängig Tätigen. Das Sozialrecht regelt bedarfsorientiert eine individuell verfügbare Finanzkraft in einer bestimmten Höhe. Der sozialrechtliche Begriff des Arbeitnehmers wird aus der in abhängiger Erwerbstätigkeit erzielten Leistungsfähigkeit entwickelt. Deshalb ist zum Beispiel der Geschäftsführer einer GmbH Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts, weil ihm der Arbeitgeber den Lohn zahlt, die Quellenbesteuerung durch das Abzugverfahren möglich ist. Der Geschäftsführer wird aber durch die zivilrechtlichen Fürsorgepflichten35 und den Kündigungsschutz36 regelmäßig verpflichtet und nicht berechtigt, ist daher kein Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts. Gesellschafter von Personengesellschaften sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts, weil sie Gewinnanteil beziehen, als Mitunternehmer gelten.37 Das Sozialrecht fasst sie aber insbesondere wegen des im Regelfall gleichmäßigen Bezugs der Gewinnanteile als Arbeitnehmer.38 33

Siehe oben unter B. II. Siehe zur Möglichkeit, die Begriffe zu vereinheitlichen Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 31. Lfg. März 2001, C Rdn. 3. 35 Siehe insbesondere § 618 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I, S. 42, ber. S. 2909 und BGBl. I, 2003, S. 738), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I, S. 718), im Folgenden BGB. 36 Insbes. §§ 622 ff. BGB. 37 Siehe bereits oben unter 1. a). 34

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber muss drei verschiedene Arbeitnehmerbegriffe beachten. Die ausdifferenzierte Rechtsordnung verlangt diese Unterscheidungen, verwendet aber trotz der Unterschiede denselben Rechtsbegriff. Sie stellt allein deshalb erhöhte Anforderungen an die Rechtskenntnisse des Arbeitgebers. 3. Lohnsteuerpflichtige Einnahmen und Lohnzahlungszeitraum Bevor der Arbeitgeber die Lohnsteuer abziehen kann, muss er feststellen, welche Einnahmen des Arbeitnehmers als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit lohnsteuerpflichtig sind.39 Den hierfür maßgeblichen Sachverhalt muss er aufklären, soweit die Lohnsteuerkarte nicht die notwendigen Informationen bereitstellt. Die Aufklärungspflicht regelt das Gesetz zwar nicht ausdrücklich, sie wird aber in der gesetzlich geregelten Pflicht, die Höhe der Lohnsteuer festzustellen, vorausgesetzt.40 Der Arbeitgeber muss somit tatsächliche und rechtliche Feststellungen treffen, ob er als Arbeitgeber steuerpflichtigen Arbeitslohn im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 zahlt und wann der Lohn gezahlt worden ist (Lohnzahlungszeitraum).41 Der lohnsteuerpflichtige Arbeitslohn ist im Gesetz nicht definiert, ergibt sich aber aus § 19 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 2 LStDV,42 dessen Lohnbegriff mit dem des § 38 EStG übereinstimmt.43 Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG Löhne, Gehälter, Gratifikationen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, sowie Wartegelder, Ruhegelder, Witwen- und Waisengelder, auch wenn dies auf Grund früherer Dienstleistungen geschieht. Arbeitslohn sind gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 2 LStDV alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer gleichgültig unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form aus einem Dienstverhältnis zufließen, das heißt auch Ein38 Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 35. Lfg. April 2003, C Rdn. 171 ff. 39 §§ 38 Abs. 1, 39b Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3 Satz 1 EStG, je nach dem, ob es sich um laufende oder sonstige Bezüge handelt. Siehe auch § 38a EStG und § 39c Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG. 40 Birkenfeld, in: Stolterfoth (Hrsg.), DStJG 9 (1986), 245 (252 ff.). Nach Geißler deutet das Gesetz die Aufklärungspflicht in § 39b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 und § 39c Abs. 1 Satz 1 EStG an, weil hier von der Pflicht des Arbeitgebers gesprochen wird, die Lohnsteuer „festzustellen“ oder zu „ermitteln“ (ders., Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaates, 2001, S. 27 f.). 41 § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG; Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 143; Birkenfeld, in: Stolterfoth (Hrsg.), DStJG 9 (1986), 245 (252 ff.). 42 Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 34. Lfg. September 2002, D Rdn. 2. 43 Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 5.

I. Ermittlung der lohnsteuerpflichtigen Einnahmen

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nahmen aus einem künftigen Dienstverhältnis sowie Zuschüsse im Krankheitsfall oder Lohnzuschläge für besondere Tätigkeiten.44 Einnahmen, die wie Sachbezüge oder andere geldwerte Vorteile nicht in Geld bestehen, sind mit dem am Abgabeort üblichen Endpreis als Arbeitslohn anzusetzen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG).45 Der Arbeitgeber muss in diesen Fällen somit nicht nur aufklären, wie hoch der übliche Endpreis für einen Sachbezug ist. Er hat – wie auch bei in Geld geleisteten Bezügen – zu ermitteln, ob ein Zufluss durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist, das heißt im weitesten Sinne Gegenleistung für die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist,46 wobei die Einnahme keiner konkreten Dienstleistung gegenüberstehen muss.47 Es darf sich daher nicht um Leistungen handeln, die insoweit unabhängig von einer Dienstleistung im überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers getätigt werden, wobei diese Grenze nicht trennscharf ist und Abgrenzungsprobleme schafft.48 Auch der im Rahmen des Dienstverhältnisses für eine Arbeitsleistung üblicherweise von dritter Seite gezahlte Arbeitslohn unterliegt der Lohnsteuer, wenn der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass derartige Vergütungen geleistet werden (§ 38 Abs. 1 Satz 3 EStG).49 Konkrete Beispiele verdeutlichen auch hier das Problem. Der Arbeitgeber muss bestimmen, ob Abfindungen oder Arbeitgeberbeiträge für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers zum Arbeitslohn gehören und nicht steuerfrei sind,50 in welchem Umfang Aktienüberlassungen steuerpflichtige Sachbezüge darstellen und wann diese zufließen,51 ob empfangene Nutzungsvorteile, zum Beispiel die unentgeltliche Überlassung eines Kraftfahrzeugs an den Arbeitnehmer52 oder die kostenlose oder verbilligte Nutzung des Telefons,53 als Lohn zu qualifizieren sind, ob eine aufgedrängte Bereicherung wie eine medizinische Untersuchung oder die Bereitstellung von Medikamenten für den krankenversicherten Arbeitnehmer eine Lohneinnahme darstellen oder inwieweit das Über44

Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 21. Im Falle des so genannten Personalrabatts greift die Sondervorschrift des § 8 Abs. 3 EStG; insgesamt Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, D Rdn. 264 ff. 46 Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 27. 47 BFH, BStBl. II 1985, S. 164. 48 Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 29. 49 Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 7 auch zur alten Rechtslage. 50 Siehe für die Steuerfreiheit § 3 Nrn. 9, 62 und § 34 EStG; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, E Rdn. 55 und 361 ff. 51 Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 19 Rdn. 150; Wagner, in: Seer, Bochumer Lohnsteuertag, 2005, S. 13 (15 ff.). 52 BFH, BStBl. II 1986, S. 148 (180). 53 BFH, BStBl. II 1986, S. 178 (180). 45

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

lassen von Wohnung, Kost, Darlehen oder Dienstleistung den Zufluss von Arbeitslohn begründet.54 Der Arbeitgeber muss zudem Sachverhalte ermitteln, weil beispielsweise nur solche Vorteile zu versteuernden Arbeitslohn darstellen, die dem Arbeitnehmer bei einer nach Häufigkeit, Dauer und Ausgestaltung herkömmlichen Betriebsveranstaltung zufließen, die allen Betriebsangehörigen offen stehen. Nicht zum Arbeitslohn gehören hingegen zweitägige oder längere Betriebsausflüge,55 der Besuch eines Kultur- oder Sportereignisses oder Veranstaltungen, die pro Kopf mehr als ca. 100 Euro einschließlich Umsatzsteuer kosten.56 Der Arbeitgeber hat zudem zu erkennen, wann der Arbeitnehmer einen Lohn tatsächlich entgegengenommen hat. Deswegen begründet bei einer betrieblichen Verlosung unter Arbeitnehmern nicht schon die Gewinnchance, sondern erst der Gewinn das steuerbare Einkommen des Arbeitnehmers,57 fließt Lohn erst zu, wenn zum Beispiel die Bediensteten einer Fluggesellschaft das Angebot von Freiflügen und verbilligten Flügen tatsächlich angenommen haben.58 Sollte der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer zu seinem Jubiläum eine Zuwendung oder einen betriebsinternen Preis zukommen lassen, oder anlässlich eines Besuches dem Kind des Arbeitnehmers ein großzügiges Geschenk überreichen, trübt der Gedanke an die mögliche Lohnsteuerpflicht diese Gesten. Zwar hat der Arbeitgeber – nach einem ordnungsgemäßen Auskunftsbegehren – einen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer vorbehaltlosen und eindeutigen Rechtsauskunft vom Finanzamt (Anrufungsauskunft, § 42e EStG). Der Arbeitgeber muss allerdings selbst den Klärungsbedarf erkennen und den Sachverhalt ermitteln, den das Finanzamt lohnsteuerrechtlich beurteilen soll.59 Je mehr das Einkommensteuergesetz sich im Detail verliert, desto mehr wird der Arbeitgeber belastet. 4. Pflicht des Arbeitgebers, den Sachverhalt zu ermitteln Grundsätzlich müsste der Arbeitnehmer als Steuerschuldner die Bemessungsgrundlage seines steuerpflichtigen Einkommens für den jeweiligen Veranlagungszeitraum ermitteln. Das Abzugverfahren überträgt diese Pflicht jedoch auf 54

§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. BFH, BStBl. II 1992, S. 856; II 1992, S. 655; kritisch Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 19 Rdn. 150 m. w. H. 56 R 72 IV Satz 2 LStR. Insgesamt Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 34. Lfg. September 2002, D Rdn. 114 ff.; ders., in: Seer, Bochumer Lohnsteuertag, 2005, S. 13 (20 ff.). 57 BFH, BStBl. II 1994, S. 254 (255). 58 BFH, BStBl. II 1990, S. 711. 59 Hierzu insgesamt Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, K Rdn. 9 ff. 55

II. Feststellen der Höhe der Lohnsteuer

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den Arbeitgeber.60 Von ihm wird verlangt, den steuerpflichtigen Lohn zu definieren. Dabei hat er vier Fragen zu beantworten: Was sind Einnahmen, insbesondere Geldzahlungen oder geldeswerte Güter (§ 8 Abs. 1 EStG)? Wie hoch sind die Einnahmen, wie sind die Sachbezüge zu bewerten? Wem sind sie zuzurechnen (sachliche Zurechnung)? Wann sind sie zu versteuern (zeitliche Zurechnung)? Dabei bleibt es zwar bei dem Grundsatz der Amtsermittlung (§ 88 Abs. 1 AO). Der Arbeitgeber kann zudem eine Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) einholen, die Verantwortlichkeit für die Antwort auf rechtliche Fragen der Finanzbehörde zurückgeben. Er trägt aber auch in diesem Falle eine Mitverantwortung, weil erst sein Auskunftsbegehren die Finanzverwaltung zur Rechtsprüfung veranlasst, er also insbesondere zu entscheiden hat, welcher seine Arbeitnehmer betreffende Sachverhalt für den Steuerabzug erheblich ist. Er muss diesen Sachverhalt verlässlich feststellen, begrenzen, um daraus selbst die ihm möglichen Rechtsfolgerungen zu ziehen oder aber der behördlichen Anrufungsauskunft einen Gegenstand zu geben. Bei der Klärung des steuererheblichen Sachverhalts ist der Arbeitgeber daher stärker in Anspruch genommen, als der Amtsermittlungsgrundsatz und die Anrufungsauskunft vermuten lassen.

II. Feststellen der Höhe der Lohnsteuer 1. Lohnsteuerkarte Der Arbeitgeber stellt die Höhe der Lohnsteuer nach Ermittlung der lohnsteuerpflichtigen Einnahmen insbesondere auf Grundlage der Angaben auf der Lohnsteuerkarte fest. Die Gemeinden haben jedem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmer für jedes Kalenderjahr unentgeltlich eine Lohnsteuerkarte nach amtlich vorgeschriebenem Muster61 auszustellen und zu übermitteln (§ 39 Abs. 1 Satz 1 EStG).62 Der Arbeitnehmer muss die Lohnsteuer60 § 150 Abs. 1 Satz 2 AO, § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG; siehe zudem §§ 56 ff. der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 2000 in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 2000 (BGBl. I, S. 717), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 19. September 2002 (BGBl. I, S. 3651; im Folgenden: EStDV). 61 Das Muster wird jeweils im BStBl. I veröffentlicht, BMF vom 17. Juli 2001, BStBl. I 2001, S. 460. 62 Zuständig ist die Gemeinde, in der der Arbeitnehmer am 20. September des Jahres, das dem Gültigkeitsjahr der Karte voranging, seine Hauptwohnung oder seinen gewöhlichen Aufenthalt hatte (§ 39 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Gemeinden stellen die Lohnsteuerkarten, die öffentliche Urkunden sind, an Hand ihrer melderechtlichen Unterlagen aus. Bis auf die der Gemeinde offen stehende Angabe der Berufsbezeichnung des Arbeitnehmers sind alle anderen Informationen auf der Lohnsteuerkarte für die Besteuerung maßgeblich. Derzeit wird erwogen, eine zentrale Datenbank für die Besteuerungsmerkmale zu schaffen und dabei die neuen steuerlichen Identifikationsmerkmale für eine so genannte elektronische Lohnsteuerkarte zu nutzen. Die Gemeinden müssten dann nicht

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

karte dem Arbeitgeber vorlegen.63 Die Angaben auf der Lohnsteuerkarte binden den Arbeitgeber, selbst wenn sie erkennbar unrichtig sind.64 Die Steuerkarte ist maßgeblich für das Abzugverfahren, für die Feststellung der Höhe der Lohnsteuer.65 Dies geschieht insbesondere durch die auf der Karte vermerkte Einteilung jedes Arbeitnehmers in eine der sechs Steuerklassen.66 In einer Steuerklasse werden Arbeitnehmer mit gleichen Besteuerungsmerkmalen zusammengefasst, werden die Frei- und Pauschbeträge, die beim Arbeitnehmer aus sozialen, familiären oder tariflichen Gründen Anwendung finden, in den Programmablauf aufgenommen, den der Staat dem Arbeitgeber für die maschinelle Berechnung der Lohnsteuer zur Verfügung stellt.67 Auf Antrag des Arbeitnehmers werden zudem auf der Lohnsteuerkarte ein Hinzurechnungsbetrag und ein Freibetrag eingetragen;68 hierdurch werden unter anderem Werbungskosten und bestimmte Sonderausgaben, soweit sie die entsprechenden Pauschbeträge übersteigen,69 sowie außergewöhnliche Belastungen und Steuervergünstigungen beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt (Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren).70 Insbesondere auf Grundlage der Angaben auf der Lohnsteuerkarte kann der Arbeitgeber die Höhe der Lohnsteuer feststellen.71 Die Karte ist maßgeblich für mehr die Lohnsteuerkarte ausstellen (insgesamt Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 42 f. m. w. H.). 63 § 39b Abs. 1 Satz 1 EStG. Legt der Arbeitnehmer die Lohnsteuerkarte schuldhaft nicht oder verspätet vor, zieht der Arbeitgeber eine höhere Lohnsteuer nach Lohnsteuerklasse VI ab. Dem Arbeitgeber entstehen hierdurch keine Nachteile. Die abgezogene Steuer wird verrechnet, wenn die Lohnsteuerkarte im Kalenderjahr noch vorgelegt wird, so dass die erhöhte Lohnsteuer keinen Strafcharakter hat (§ 39 c EStG). 64 BFH BStBl. II 1974, S. 756 (758); siehe bereits oben unter C. II. 3. 65 Beim Ausschreiben der Lohnsteuerkarte erfüllen die Gemeinden folglich eine Staatsaufgabe, sind insoweit gleichsam Landesfinanzbehörden (Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 42). 66 § 38b EStG, § 39 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG. 67 § 39b Abs. 8 EStG. 68 § 39b Abs. 2 Satz 3 EStG. 69 Die Pauschbeträge hat der Arbeitgeber nach Maßgabe des § 39b Abs. 2 Satz 6 EStG zu berücksichtigen. 70 Wobei die Mindestgrenze des § 39a Abs. 2 Satz 4 EStG zu beachten ist. Der Arbeitnehmer kann die Beträge auf mehrere Lohnsteuerkarten frei verteilen. Für Ehegatten gelten die Besonderheiten des § 39a Abs. 3 EStG. Siehe insgesamt Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 39a Rdn. 1 ff.; Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 197; Seer, in: ders., Bochumer Lohnsteuertag, 2005, S. 159 (159 ff.). 71 § 39 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG; BMF vom 28. September 2001, BStBl. I 2001, S. 672 und BMF vom 9. September 2000, BStBl. I, S. 1397; insgesamt, auch zu den einzelnen Steuerklassen und zum Wegfall der Lohnsteuertabellen (§ 38c a. F. EStG): Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, G Rdn. 21 ff.; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz.

II. Feststellen der Höhe der Lohnsteuer

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die vereinfachte Bemessungsgrundlage,72 nach der die Höhe der abzuführenden Lohnsteuer festgestellt wird. Der entrichtete Lohnsteuerbetrag wird so der Einkommensteuerschuld angeglichen, damit dem Arbeitnehmer im Vergleich zur Jahressteuerschuld kein zu hoher Anteil des verdienten Lohnes abgezogen wird.73 Der Arbeitgeber folgt den Angaben auf der Lohnsteuerkarte, darf diese nicht verändern oder ergänzen.74 Ihm werden über die Lohnsteuerkarte konkrete Vorgaben für den Lohnsteuerabzug gemacht. Die Lohnsteuerkarte ist gleichsam ein vorläufiger Steuerbescheid, der die Summe des Bruttolohnes und damit auch die Steuersumme offen lässt, die Abzugbeträge typisiert, dem Arbeitgeber aber – ergänzt um die Möglichkeit der Anrufungsauskunft – den konkreten Besteuerungsmaßstab vorgibt. Dieser „vorläufige Teilbescheid“ begleitet den Arbeitnehmer zu seinen Arbeitsstellen, ermöglicht jedem Arbeitgeber den Steuereinbehalt nach Maßgabe der Karte, schafft damit Rechtsfrieden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wirkt aber auch in dem Rechtsverhältnis zum Finanzamt. Dieses Steuerkartenprinzip75 ermöglicht, die Steuerschuld des Arbeitnehmers und die Abzugspflichten des Arbeitgebers nach der Karte zu erfüllen. Jeder Arbeitnehmer hat eine eigene Lohnsteuerkarte, deren Vorlage der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer zum Jahresbeginn verlangen muss, auf der er die Daten zur Berechnung einzugeben hat, die in Fällen einer Änderung dem Arbeitnehmer auszuhändigen ist und deren Rücklauf der Arbeitgeber daraufhin zu beaufsichtigen hat.76 Allein hierdurch wird der Arbeitgeber belastet. Die Lohnsteuerkarte erleichtert aber die Feststellung der Höhe der Lohnsteuer in erheblicher Weise. Von der tatsächlichen Feststellung und der rechtlichen Qualifikation des Arbeitslohnes kann die Karte allerdings nicht entlasten.

Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 38b Rdn. 10 ff. 72 Die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte ist eine gesonderte Feststellung einer Besteuerungsgrundlage, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (§ 39 Abs. 4 Satz 1 EStG). 73 § 37 EStG regelt die Steuervorauszahlungen von nicht an der Quelle erhobener Einkommensteuer. Insofern wird eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmern vermieden. Die Höhe der Vorauszahlung orientiert sich anders als beim Lohnsteuereinbehalt nicht an der voraussichtlichen Steuerschuld im Veranlagungszeitraum, sondern an den Ergebnissen der letzten Veranlagung; zudem unterscheiden sich beide Verfahren mit Blick auf die Stundung der Steuer und die Zeit der Erhebung (Gosch, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 37 Rdn. 1 und 5; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 39a Rdn. 1 m. w. H.). 74 § 39 Abs. 6 Satz 4 EStG. 75 Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Auflage 2004, § 39 Rdn. 1; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 39 Rdn. 1, jeweils m. w. H. 76 Siehe Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, 1997, S. 11 f.

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

2. Laufender Arbeitslohn Der Arbeitgeber stellt die Höhe der Lohnsteuer auf Grundlage der Lohnsteuerkarte und des Programmablaufplanes fest, muss aber zunächst die Höhe des mit Blick auf den maßgeblichen Lohnzahlungszeitraum steuerpflichtigen Arbeitslohns ermitteln.77 Der laufende Arbeitslohn – insbesondere Monatsgehälter, Wochen- und Tagelöhne sowie Zuschläge und Zulagen78 – gilt in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet;79 er wird mit dem entsprechenden Teilbetrag der Jahreslohnsteuer besteuert.80 Sonstige, nicht als laufender Arbeitslohn gezahlte Bezüge – zum Beispiel einmalige Abfindungen, Entschädigungen, Jubiläumsgelder sowie Erfindervergütungen – werden nach dem Zuflussprinzip zeitlich zugerechnet81 und nach dem Steuersatz des voraussichtlichen Jahresarbeitslohnes besteuert.82 Der Arbeitgeber muss zunächst den laufenden Arbeitslohn und den Lohnzahlungszeitraum feststellen.83 Der laufende Arbeitslohn wird für den Lohnzahlungszeitraum nach dem Arbeitsvertrag oder einer entsprechenden Regelung in regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen geleistet. Kann der Zeitraum nicht festgestellt werden, wird die Summe der tatsächlichen Arbeitstage oder Arbeitswochen zu Grunde gelegt.84 Der Arbeitgeber kann daher sowohl den laufenden Jahresarbeitslohn als auch den Lohnzahlungszeitraum aus seinen Unterlagen ermitteln. Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage muss der Arbeitgeber die auf den Lohnzahlungszeitraum entfallenden Anteile des Versorgungs-Freibetrags und des Altersentlastungsbeitrags vom laufenden Arbeitslohn abziehen, wenn die Voraussetzungen für den Abzug vorliegen.85 Diese Abzugbeträge hat der Arbeitgeber dem Grunde wie der Höhe nach selbst zu bestimmen. Die Lohnsteuer77 Die Durchführung des Lohnsteuerabzugs für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer regelt § 39d EStG. Dieser besondere Lohnsteuerabzug ändert grundsätzlich Auftrag und Perspektive des Lohnsteuerverfahrens nicht (siehe hierzu aber Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, G Rdn. 121 ff.). 78 R 115 Abs. 1 LStR. Nach- und Vorauszahlungen sind Teil des laufenden Arbeitslohnes, wenn sie sich ausschließlich auf den Lohnzahlungszeitraum beziehen. Der Arbeitgeber kann sie aber auch unter Abstimmung mit dem Arbeitnehmer als sonstige Bezüge behandeln (Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 39b Rdn. 7 und 9; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 17 f. und 78). 79 § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG. 80 § 38a Abs. 3 Satz 1 EStG. 81 § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG. 82 § 38a Abs. 3 Satz 2 EStG. 83 § 39b Abs. 2 Satz 1 EStG. 84 § 39b Abs. 5 Satz 4 EStG. 85 § 39b Abs. 2 Satz 2 EStG.

II. Feststellen der Höhe der Lohnsteuer

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richtlinien geben ihm hier aber genaue Vorgaben.86 Zudem sind der auf Antrag des Arbeitnehmers auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Hinzurechnungsbetrag und der Freibetrag zu berücksichtigen.87 Dieser Arbeitslohn ist auf einen Jahresarbeitslohn hochzurechnen, das heißt der Monatslohn zum Beispiel mit zwölf zu multiplizieren (hochgerechneter Jahresarbeitslohn).88 Je nach Steuerklasse sind insbesondere die Arbeitnehmer- und Sonderausgabenpauschbeträge, die Vorsorgepauschale und der Entlastungsbetrag abzuziehen (zu versteuernder Jahresbetrag).89 Die Lohnsteuer kann der Arbeitgeber nicht mehr von den Lohnsteuertabellen ablesen.90 Sie ist nach der Formel für den Einkommensteuertarif zu berechnen (§ 32 a EStG).91 Diese komplizierte Rechnung muss der Arbeitgeber zwar technisch selbst durchführen, ihm wird aber vom Staat ein Programmablaufplan92 für die maschinelle Berechnung der Lohnsteuer zur Verfügung gestellt.93 Der Ablaufplan ist allerdings derzeit fehlerhaft, der Arbeitgeber erhält falsche Direktiven für die Feststellung der Höhe der Lohnsteuer von Seiten des Staates.94 Trotzdem darf der Arbeitgeber diesen Plan verwenden, die Finanzverwaltung beanstandet dies nicht.95 Der Arbeitgeber wird also zu einer bewusst fehlerhaften Anwendung des Rechts veranlasst, das Rechtsvertrauen innerhalb des Arbeitsrechtsverhältnisses und des Lohnsteuerverhältnisses missbraucht. Eine eigenständige Lohnsteuerberechnung wird dem Arbeitgeber folglich nicht übertra-

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R 116 f. LStR. § 39b Abs. 2 Satz 3 EStG; siehe oben unter 1. 88 § 39b Abs. 2 Sätze 4 und 5 EStG. Hierbei wird davon ausgegangen, dass der Lohn in gleich bleibenden Beträgen in jedem Lohnzahlungszeitraum ausgezahlt wird und daher auf einen Jahreslohn hochgerechnet werden kann (Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 39b Rdn. 7). 89 § 39b Abs. 2 Satz 6 EStG. 90 § 38c EStG, der Grundlage hierfür war, ist mit Wirkung für das Kalenderjahr 2001 aufgehoben worden. 91 § 32a EStG. 92 BMF vom 18. Dezember 2003, BStBl. I, S. 750 (Programmablaufplan). 93 Das Bundesministerium der Finanzen stellt im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder diesen Plan auf und macht ihn bekannt (§ 39b Abs. 8 EStG). Die Lohnsteuertabellen wurden abgeschafft, weil auf eine stufenlose Einkommensteuerermittlung umgestellt wurde. Die Mehrbelastung des Arbeitgebers, die durch die Abschaffung der Lohnsteuertabellen entstanden ist, wird durch den Programmablaufplan des Ministeriums abgeschwächt. Zudem nimmt die Gesetzesänderung den Umstand auf, dass bis dahin viele Arbeitgeber die Lohnsteuer auf Grundlage des bisher vom Bundesministerium der Finanzen als „Service“ veröffentlichten Programmablaufs berechnet haben (insgesamt Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 34 f. und Rdn. 81c). 94 Siehe BMF vom 27. Januar 2004, BStBl. I, S. 173, sowie Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, G Rdn. 81c. 95 BMF vom 27. Januar 2004, BStBl. I, S. 173. 87

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

gen. Wird der Ablaufplan allerdings korrigiert, muss der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug ändern.96 Der Ablaufplan vermeidet, dass der Arbeitgeber die Höhe der Lohnsteuer selbst berechnen muss. Der Arbeitgeber muss aber die Bemessungsgrundlage für den laufenden Arbeitslohn ermitteln. Hierbei leiten ihn die Angaben auf der Lohnsteuerkarte. Die Ermittlung der maßgeblichen Anteile des VersorgungsFreibetrags und des Altersentlastungsbeitrags belasten ihn stärker als die Feststellung des laufenden Arbeitslohns. 3. Sonstige Bezüge Sonstige Bezüge werden nicht regelmäßig gezahlt, gehören nicht zum laufenden Arbeitslohn. Sie werden in dem Kalenderjahr bezogen, in welchem sie dem Arbeitgeber zufließen.97 Die Lohnsteuerschuld kann nicht wie bei laufenden Bezügen mit hinreichender Genauigkeit auf Grundlage eines hochgerechneten Jahresarbeitslohnes festgestellt werden; sie wird deshalb separat berechnet.98 Wegen der Steuerprogression muss sich die Höhe der Steuer aber am Jahreseinkommen orientieren. Deswegen wird zunächst der voraussichtliche Jahresarbeitslohn aus dem bisher erhaltenen Arbeitslohn – einschließlich bereits gezahlter sonstiger Bezüge – und dem noch zu erwartenden laufenden Arbeitslohn berechnet. Zu erwartende künftige sonstige Bezüge und pauschal versteuerte Bezüge bleiben unberücksichtigt.99 Die Lohnsteuer für den sonstigen Bezug ergibt sich dann aus dem Unterschied zwischen der Lohnsteuer aus dem voraussichtlichen Jahresarbeitslohn und dem sonstigen Bezug und der Lohnsteuer ohne den sonstigen Bezug.100 Handelt es sich bei den sonstigen Bezügen um einen nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuernden Arbeitslohn, wird die Lohnsteuerschuld in einem eigenem Verfahren ermittelt.101 96 Nach § 41c Abs. 1 Nr. 2 EStG; insgesamt Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, G Rdn. 81c. 97 § 38a Abs. 1 Satz 3, § 11 EStG. 98 Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 39b Rdn. 11; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 38 Rdn. 31 f. jeweils m. w. H. 99 Eine Pflichtveranlagung wird durchgeführt, wenn der Arbeitgeber sonstige Bezüge aus früheren Arbeitsverhältnissen nicht berücksichtigt hat (§ 46 Abs. 2 Nr. 5a EStG). 100 § 39b Abs. 3 EStG. Siehe insgesamt Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, G Rdn. 86 ff. und 136 ff. 101 Siehe für die Berechnung der Lohnsteuer der nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuernden sonstigen Bezüge § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG sowie Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 39b Rdn. 12 oder auch Hartmann/ Paus, Handbuch der Lohnsteuerpraxis, 1997, S. 187.

II. Feststellen der Höhe der Lohnsteuer

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Für die Berechnung der Lohnsteuer von sonstigen Bezügen wurde bislang entgegen der gesetzlichen Verpflichtung des § 39b Abs. 8 EStG noch kein Programmablaufplan aufgestellt und bekannt gemacht. Da die Lohnsteuer aber unter Rückgriff auf die Berechnung der Steuer vom laufenden Arbeitslohn berechnet werden kann, entsteht dem Arbeitgeber ein zwar vermeidbarer, jedoch kein tiefgreifender Mehraufwand.102 Diesen kann er in bestimmten Fällen durch die Pauschalierung der Lohnsteuer verringern. 4. Pauschale Erhebung der Lohnsteuer a) Entlastung des Arbeitgebers Die §§ 40 bis 40b EStG regeln ein besonderes Besteuerungsverfahren, nach welchem in bestimmten Fällen, insbesondere für Teilzeitbeschäftigte und geringfügig Beschäftigte sowie bei bestimmten Zukunftsicherungsleistungen, eine pauschale Lohnsteuer erhoben werden kann.103 Die pauschal erhobene Lohnsteuer hat Abgeltungscharakter. Sie bleibt bei der Veranlagung zur Einkommensteuer und beim Lohnsteuer-Jahresausgleich außer Ansatz, ist weder auf die Einkommensteuer noch auf die Jahreslohnsteuer anzurechnen.104 Der Arbeitgeber muss die pauschale Lohnsteuer übernehmen,105 zahlt sie aus eigener Kasse. 102 § 39 Abs. 5 EStG vereinfacht die Berechnung der Lohnsteuer für Abschlagzahlungen, § 39 Abs. 6 EStG regelt die Freistellung ausländischer Einkünfte vom Lohnsteuerabzug; der Arbeitnehmer muss bei letzterer eine Bescheinigung beim Betriebstättenfinanzamt beantragen. Auf diese Ausnahmeregelungen muss – wie auf den Fall der Rückzahlung von Arbeitslohn – hier nicht weiter eingegangen werden, weil sie die grundsätzliche Betrachtung des Abzugverfahrens von vornherein – anders als zum Beispiel die Nettolohnvereinbarung (siehe hierzu sogleich unter 5) – nicht verändern (siehe hierzu Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, G Rdn. 96 ff., Rdn. 101 ff. und Rdn. 109 ff.). 103 Siehe bereits oben unter C. II. 3, sowie Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 40 Rdn. A 1; Schmidt, in: Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, H Rdn. 2; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 40 Rdn. 1; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 40 Rdn. 2; siehe insgesamt auch Wagner, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 40 Anm. 1 ff.; Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 211 ff. sowie Giloy, DStJG 9 (1986), 209 ff., Heuermann, DB 1994, 2411 (2413 f.) und Thomas, DStZ 1994, 545. 104 § 40 Abs. 3 Sätze 3 und 4 EStG. 105 § 40 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Hs. 1 EStG; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 40 Rdn. 113. Auf § 40 Abs. 3 EStG wird in den anderen Fällen der pauschal erhobenen Lohnsteuer verwiesen (§§ 40a Abs. 5, 40b Abs. 4 EStG). Ob der Schuldnerwechsel mit der Pauschalierungsgenehmigung der Finanzverwaltung erfolgt – falls der Arbeitgeber einen Antrag gemäß § 40 Abs. 1 EStG stellen

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitnehmer muss die Steuerschuld grundsätzlich insoweit nicht begleichen, als sie pauschal berechnet wird, noch haftet er für sie.106 Ihm wird eine zu viel erhobene pauschale Lohnsteuer nicht erstattet, für zu gering erhobene Steuern kann er nicht in Anspruch genommen werden.107 Das Besteuerungsverfahren kann daher ohne unmittelbare Beteiligung des Arbeitnehmers durchgeführt werden. Dieses im Vergleich zur Regelbesteuerung weit weniger komplizierte Verfahren entlastet den Arbeitgeber, weil er nur den einfacheren Pauschalierungsregeln folgen muss.108 Die Pauschalierung wird zur Vereinfachung insbesondere in den Fällen zugelassen, in denen im Regelbesteuerungsverfahren ein besonders hoher Aufwand entstünde.109 Sie vermindert in der Regel die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers, weil die pauschale Steuer meist niedriger ist als die nach dem Regelverfahren berechnete Steuer.110 Auf Antrag des Arbeitgebers kann eine pauschale Lohnsteuer mit einem variablen Steuersatz erhoben werden, wenn ein Arbeitnehmer sonstige Bezüge in größerem Umfang, aber unter 1000 Euro im Kalenderjahr erhält oder Steuern in großem Umfang nacherhoben werden müssten, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht ordnungsgemäß einbehalten hat.111 Ohne Antrag und unabhängig muss – oder erst, wenn der Arbeitgeber von der Pauschalierungsbefugnis Gebrauch macht oder mit dem auf Grundlage des Pauschalierungsverfahrens ergehenden Bescheides, ist strittig, muss hier aber nicht weiter erörtert werden. Für die Pflichtenstellung des Arbeitgebers allein entscheidend ist, dass dieser Steuerschuldner der pauschalen Lohnsteuer wird (zum Streitstand Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 40 Rdn. D 2 ff. sowie Giloy, DStJG 9 (1986), 209 (219) m. w. H.). Die pauschale Lohnsteuer entsteht mit dem Zufluss des Arbeitslohnes beim Arbeitgeber (BFH, BStBl. 1994, S. 715 (715 f.)). 106 BFH, BStBl. II 1995, S. 507 (508); II 1990, S. 993 (996); Giloy, DStJG 9 (1986), 209 (219); Schlarb, FR 1980, 315 (316). 107 Schmidt, in: Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, H Rdn. 43. 108 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 40 Rdn. A 2; Schmidt, in: Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, H Rdn. 2. 109 Bestimmt sich die pauschal erhobene Lohnsteuer nach einem festen Steuersatz (§§ 40 Abs. 2, 40a, 40b EStG), wird der Vereinfachungseffekt dadurch erzielt, dass die individuelle Steuerschuld nicht ermittelt werden muss. 110 Schmidt, in: Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, H Rdn. 2; siehe auch Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 40 Rdn. A 2; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 40 Rdn. 3. 111 § 40 Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG. In der Regel bemerkt die Finanzverwaltung bei der Außenprüfung (§ 42f EStG i. V. m. insbesondere § 200 AO), dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht ordnungsgemäß einbehalten hat; der Arbeitgeber haftet

II. Feststellen der Höhe der Lohnsteuer

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von einer Einkommensgrenze kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem festen Steuersatz pauschal abziehen, soweit er den Arbeitnehmern Mahlzeiten unentgeltlich oder verbilligt gewährt, unübliche Zuwendungen bei Betriebsveranstaltungen zukommen lässt oder Erholungsbeihilfen, bestimmte Verpflegungsmehraufwendungen, Vergünstigungen bei der Beförderung zur Arbeitsstätte oder beim Verkauf von Computern sowie Zuschüsse für die Internetnutzung gewährt.112 Zudem kann die Lohnsteuer für Teilzeitbeschäftigte und von bestimmten Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers mit einem festen Steuersatz pauschal erhoben werden.113

dann für die fehlende Lohnsteuer (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG). Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kann er in diesen Fällen aber auch einen Antrag auf Erhebung der pauschalen Lohnsteuer stellen. Wie sich die Haftung zu dieser Möglichkeit verhält, ist nicht bis ins Detail geklärt. Keiner kann jedoch gleichzeitig eine Steuer schulden und für diese Steuer haften, so dass die Finanzverwaltung entweder einen Haftungs- oder Nachforderungsbescheid erlassen muss (siehe aber § 42d Abs. 4 Satz 2 EStG). Der eine Bescheid kann nicht in den anderen umgedeutet werden (BFH, BStBl. II 1985, S. 170 (172)). Das genaue Verhältnis des Haftungstatbestandes zu der pauschalen Lohnsteuer muss wegen dieser Alternativität bei der hier vorgenommenen Darstellung nicht weiter behandelt werden; die Grundkonzeption des Verfahrens wird hierdurch nicht beeinträchtigt (hierzu aber zum Beispiel Schmidt, in: Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, H Rdn. 43; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 40 Rdn. A 15 m. w. H.); nach Eisgruber geht das Pauschalierungsverfahren der Haftung vor (ders., in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 42d Rdn. 4; siehe auch Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 28. Lfg. August 1999, J Rdn. 7 m. w. H.). 112 § 40 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG. Insgesamt Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 40 Rdn. 20 ff. Liegen die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 und Abs. 2 EStG vor, kann der Arbeitgeber zwischen beiden Pauschalierungsarten wählen. Dieses Wahlrecht legt der Wortlaut des § 40 Abs. 2 Satz 1 nahe, der dem Arbeitgeber eine Möglichkeit eröffnet, die eine Anwendung des § 40 Abs. 1 EStG nicht ausschließt („Abweichend von Absatz 1 kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 vom Hundert erheben, soweit er [. . .].“). Zudem spricht ein systematischer Umkehrschluss aus § 40b Abs. 4 Satz 2 EStG für das Wahlrecht, da hier die Anwendung des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 auf Bezüge im Sinne des § 40b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EStG ausdrücklich ausgeschlossen wird, das heißt ohne diese Vorschrift möglich wäre (nach anderer Ansicht ist § 40 Abs. 2 EStG lex specialis zu § 40 Abs. 1 EStG; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 40 Rdn. 87, sowie Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 40 Rdn. 19 jeweils m. w. H.). 113 §§ 40a, 40b EStG. Siehe zu der einheitlichen pauschalen Lohnsteuer für so genannte geringfügig Beschäftigte § 40a Abs. 2 und Abs. 2a EStG sowie Heuermann/ Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 35. Lfg. April 2003, H Rdn. 62 ff. m. w. H.

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

b) Keine Umgestaltung des Steuerschuldverhältnisses Der Arbeitgeber gestaltet durch die Wahl der pauschalen Lohnsteuer nicht einseitig verbindlich das Steuerschuldverhältnis grundlegend um, er reduziert die Steuerschuld des Arbeitnehmers nicht hoheitlich, obgleich die pauschale Lohnsteuer regelmäßig geringer ist als die Einkommensteuerschuld.114 Die pauschal erhobene Lohnsteuer ist keine Betriebssteuer besonderer Art. Das Einkommen des Arbeitnehmers und nicht des Arbeitgebers wird – wenngleich pauschal – besteuert.115 Der Arbeitgeber schuldet eine pauschale Lohnsteuer und keine Unternehmenssteuer.116 § 40 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG sprechen dabei von einer „Übernahme“ (Satz 1) und einem „Schulden“ (Satz 2) der Steuer.117 Übernahme meint, dass der Arbeitgeber nicht nur wie im Regelbesteuerungsverfahren die Steuer für Rechnung des Arbeitnehmers vom Arbeitslohn einbehält und an den Staat weiterleitet, sondern aus eigener Kasse entrichtet.118 Der Arbeitgeber zahlt insoweit nicht auf eine fremde Schuld, sondern gemäß § 40 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 EStG auf eigene Schuld. Die Pflicht des Arbeitgebers, die Lohnsteuer pauschal zu erheben, ist aber dennoch kein Belastungsgrund für eine Steuer.119 § 40 EStG begründet eine Wahlschuld. Die Steuer kann nach dem Regelsteuerverfahren für Rechnung des Arbeitnehmers abgezogen, oder aber statt dieser individuellen Berechnung mit einem durchschnittlichen120 oder festem121 Steuersatz auf Rechnung des Arbeitgebers und mit Abgeltungscharakter erhoben werden. Dem Arbeitgeber steht es frei, die 114

Siehe auch hierzu bereits oben unter C. II. 3. §§ 40 Abs. 2, 40a, 40b EStG. Die Lohnsteuer mit variablen Steuersatz wird unter Berücksichtigung des § 38a EStG, das heißt mit Bezug auf den Jahresarbeitslohn berechnet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 EStG). 116 Das Wortlautargument spiegelt sich in dem systematischen Argument wieder, da sich auch die Regelung des § 40 Abs. 3 EStG im VI. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes unter der Überschrift „Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer)“ befindet. Siehe insgesamt auch zur Entstehungsgeschichte der Norm BFH, BStBl. II 1990, S. 993 (995 f.); in Abweichung von BStBl. II 1983, S. 91 (92 ff.); Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, H Rdn. 1 ff. 117 Übernahme bedeutet daher nicht, dass der Arbeitgeber die Steuer materiell schuldet (siehe hierzu aber Kruse, FR 1985, 1 (2), mit dem die Schuldnerschaft Konsequenz der Übernahme ist und folglich § 40 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 EStG keinen eigenständigen Regelungsgehalt hat). 118 Die Vorschrift regelt deshalb auch nicht lediglich eine Zahlungspflicht des Arbeitgebers wie im Regelbesteuerungsverfahren, weil der erste Satz des § 40 Abs. 3 EStG gerade eine Besonderheit des pauschalen Besteuerungsverfahrens beschreibt. 119 § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG, nach dem der Arbeitgeber deshalb nicht der Einkommensteuer unterliegt; BFH BStBl. II 1990, S. 993 (995); Trzaskalik, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 40 Rdn. A 39. 120 § 40 Abs. 1 Satz 1 EStG. 121 §§ 40 Abs. 2, 40a, 40b EStG. 115

II. Feststellen der Höhe der Lohnsteuer

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pauschale Lohnsteuer zu erheben. Sie ist deshalb nicht allen auferlegt, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, ist keine Steuer.122 Die pauschale Lohnsteuer bleibt eine Entrichtungsform der Lohnsteuer.123 Der Arbeitgeber wird zu einem „rein formellen Steuerschuldner.“124 Er übernimmt die Steuer (§ 40 Abs. 3 Satz 1 EStG)125 und ist insofern auch „Schuldner der Steuer“ (§ 40 Abs. 3 Satz 1 EStG). Der Arbeitnehmer ist Steuerschuldner im Sinne des materiellen Steuerrechts. Diese Schuld berechtigt den Steuergläubiger jedoch nicht mehr zu einer Steuerforderung. Sie wirkt für den Arbeitnehmer nur noch als Zahllast innerhalb des Arbeitsrechtsverhältnisses, soweit der Arbeitgeber auf dieser Grundlage die von ihm gezahlte Steuer in Rechnung stellen kann. Die Schuldnerstellung des Arbeitnehmers im Steuerschuldverhältnis wird auch dadurch erkennbar, dass die Übernahme der pauschalen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber beim Arbeitnehmer eine geldwerte Einnahme im Sinne des § 8 Abs. 1 EStG ist.126 Zwar ist nach Pauschalierung und entsprechender Zahlung die Steuer abgegolten. Der pauschal besteuerte Arbeitslohn bleibt bei der Veranlagung des Arbeitnehmers außer Betracht,127 die pauschale Lohnsteuer kann auf die Einkommensteuerschuld nicht angerechnet werden. Für die Ermittlung des Pauschsteuersatzes ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer durch die Übernahme der pauschalen Lohnsteuer des Arbeitgebers eine Einnahme erzielt, die pauschale Lohnsteuer deshalb aus dem vollen Lohn zu berechnen ist. Die Pauschalierung verringert die Steuerschuld des Arbeitnehmers, begünstigt diesen,128 sie trifft dabei aber eine zulässige Typisierung.129 Der Arbeitgeber 122

Legaldefinition der Steuer in § 3 Abs. 1 Satz 1 AO. Giloy, DStJG 9 (1986), 209 (223). 124 BFH, BStBl. II 1995, S. 507 (508); siehe auch II 1990, S. 993 (996); in Abweichung von II 1983, S. 91 (92 ff.); Schmidt, in: Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 38. Lfg. September 2004, H Rdn. 41; siehe Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 40 Rdn. A 26. 125 Es handelt sich hierbei zumindest nicht um den typischen Fall der Schuldübernahme, da sich der pauschale Steueranspruch zwar nicht dem Grunde nach, aber in der Höhe im Vergleich zum Regelsteueranspruch ändert (Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 40 Rdn. 114; siehe auch Giloy, DStJG 9 (1986), 209 (219 f.), der sich, da die Steuerschuld in der Höhe modifiziert wird, gegen eine Schuldübernahme wendet; für die Schuldübernahme: Kruse, FR 1985, 1 (2)). 126 § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG. 127 § 40 Abs. 3 Satz 3 EStG. 128 Hier stehen die Steuervergünstigungen zum Beispiel bei der pauschalen Besteuerung von Arbeitgeberzuschüssen für das Internet (§ 40 Abs. 2 Nr. 5 EStG) und der Pauschalierung der Lohnsteuer bei bestimmten Zukunftssicherungsleistungen (§ 40b 123

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

kann die Steuerschuld des Arbeitnehmers folglich reduzieren, wenn er den Abzug der pauschalen Lohnsteuer wählt, zwischen festen und variablen Steuersätzen entscheidet. Diese Fremdbestimmung einer Steuerschuld stellt die Frage nach der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, nach dem unausweichlichen130 gesetzlichen Belastungsgrund.131 Der Arbeitgeber wird mit einer Entscheidung belastet, die Verfahrensvereinfachungen erlaubt, Steuervergünstigungen gewährt, ihn selbst zum formellen Steuerschuldner macht, zudem die anrechenbare Vorauszahlung durch eine Definitivsteuer ersetzt. Das Abzugverfahren der pauschalen Lohnsteuer bürdet dem Arbeitgeber – bei aller Vereinfachung – insofern eine besondere Last auf, ist verfassungsrechtlich zweifelhaft, weil die Arbeitnehmer auf Grundlage eines fremdbestimmten Optionsrechts ihrer Steuerlast ausweichen können. 5. Nettolohnvereinbarung Schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Nettolohnvereinbarung, erhält der Arbeitnehmer einen im Voraus festgelegten Nettobetrag, der Arbeitgeber übernimmt alle darauf entfallenden gesetzlichen Abgaben.132 Nach Maßgabe dieser Vereinbarung muss der Arbeitgeber die Abgaben, das heißt regelmäßig EStG) im Vordergrund (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 40 Rdn. C 3, § 40b Rdn. A1; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 40 Rdn. 1, § 40a Rdn. 1, § 40b Rdn. 1 jeweils m. w. H.). Der BFH (BStBl. II 1995, S. 507 (509)) wehrt sich aber zu Recht gegen den „subventionellen Charakter“ der Vorschriften. Die Vorschriften sollen in erster Linie vereinfachen, nicht subventionieren. Das Verfahren ist grundsätzlich verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber darf im Steuerrecht insbesondere für Zwecke der Verfahrenserleichterung typisierende und pauschalierende Regelungen treffen (siehe sogleich unter IX. 2.). 129 Siehe BVerfGE 82, 159 (185 f.) – Absatzfond; 96, 1 (6) – Arbeitnehmerfreibetrag; 101, 297 (309) – Arbeitszimmer; Brockmeyer, FS Offerhaus, 1999, S. 13 (17 ff.). 130 BVerfGE 96, 1 (6) – Arbeitnehmerfreibetrag; 101, 297 (309) – Arbeitszimmer. 131 Nach Trzaskalik verstößt das Wahlrecht des Arbeitgebers, die pauschale Lohnsteuer überhaupt zu erheben und, wenn er diesen Besteuerungsweg gewählt hat, zudem zwischen festen und variablen Steuersatz in den entsprechenden Fällen entscheiden zu dürfen, gegen das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, weil der Arbeitgeber durch die Wahl die Steuerschuld des Arbeitnehmers verringern kann. Dieser Missstand würde mit Blick auf den – wenngleich zweifelhaften – subventionsrechtlichen Charakter der Vorschriften noch deutlicher, da es von der Verfahrenswahl des Arbeitgebers abhängt, ob der Arbeitnehmer den Steuervorteil erhält oder nicht (ders., in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 40 Rdn. A 40 f.). Heuermann teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken in den Fällen, in denen die Pauschalierung der Lohnsteuer allein aus Gründen der Steuervergünstigung vorgenommen wurde, da dann die Aufweichung des Prinzips der materiellen Steuergerechtigkeit durch die Pauschalierung nur schwerlich gerechtfertigt sei (Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 40 Rdn. 13 m. w. H., der je nach Vergünstigungstatbestand differenziert).

II. Feststellen der Höhe der Lohnsteuer

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die Lohnsteuer des Arbeitnehmers entrichten. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Freistellung von der gegenüber dem Finanzamt bestehenden Schuld.133 Der Arbeitgeber ist dem Arbeitnehmer vertraglich zur Begleichung der Steuerschuld verpflichtet und haftet steuerrechtlich für die Steuerschuld des Arbeitnehmers. Das gesetzliche Steuerschuldverhältnis bleibt von der Abrede unberührt.134 Der Arbeitnehmer bleibt Schuldner der Lohnsteuer; § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG kann durch einen privatschriftlichen Vertrag nicht abbedungen werden. Die Lohnsteuerschuld geht nicht auf den Arbeitgeber über.135 Auch die Haftung des Arbeitgebers gemäß § 42d Abs. 1 EStG und die Gesamtschuldnerschaft von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach § 42d Abs. 3 EStG136 bleiben bestehen.

132 Die Nettolohnvereinbarung kann alle oder nur einzelne Abgaben umfassen (Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 39b Rdn. 131). Im Regelfall erhält der Arbeitnehmer aber einen bestimmten Betrag, der durch öffentliche Abgaben nicht vermindert wird. Der Arbeitgeber zahlt die auf diesen Lohn entfallende Lohn- und Kirchensteuer sowie die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (insgesamt zur Nettolohnvereinbarung R 122 LStR; BFH, BStBl. II 1994, S. 182 sowie Giloy, DStJG 9 (1986), 209 ff.; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 39b Rdn. C3 f.; Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 208 ff.; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 39b Rdn. 16 f.; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 39b Rdn. 130 ff.; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 103 ff.; Katterbe, DStZ 1984, 431). 133 Giloy, DStJG 9 (1986), 209 (215). Bei der so genannten abgeleiteten Nettolohnvereinbarung wird ein Bruttolohn vereinbart, aus dem sich der auszuzahlende Nettolohn nach Abzug der vertraglich geschuldeten Abgaben ergeben muss. Bei der originären Nettolohnvereinbarung wird kein Bruttolohn Geschäftsgrundlage, sondern nur der Nettolohn in die Vereinbarung aufgenommen. Beide Arten der Nettolohnvereinbarung sind steuerrechtlich gleich zu behandeln, so dass hier nicht weiter differenziert werden muss (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Auflage 2004, § 39b Rdn. 10; Giloy, DStJG 9 (1986), 209 (211 f.)). Die Nettolohnvereinbarung ist als Ausnahme von der Regel eindeutig zu treffen und muss von dem, der sich auf sie beruft, zweifelsfrei nachgewiesen werden (BFH, BStBl. II 1992, S. 733; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 39b Rdn. 132; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 104; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 39b Rdn. 16). 134 Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Auflage 2004, § 39b Rdn. 11; Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 208; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 39b Rdn. 17; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 39b Rdn. 131; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 103. 135 Giloy, DStJG 9 (1986), 209 (214 f.). 136 Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 42d Rdn. 65; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Auflage 2004, § 39b Rdn. 11 jeweils m. w. H.

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

Wurde eine Nettolohnvereinbarung getroffen, wird die Lohnsteuer in einem besonderen Verfahren berechnet, weil der Bruttoarbeitslohn ausgehend von einem Nettoarbeitslohn hochgerechnet werden muss.137 In der Übernahme der Lohnsteuer und der anderen Abgaben durch den Arbeitgeber liegt ein zusätzlicher Arbeitslohn, der mit dem ausgezahlten Nettolohn zufließt,138 deshalb in die Bemessungsgrundlage der Lohnsteuer einbezogen werden muss.139 Eine Verwaltungsvorschrift gibt dem Arbeitgeber hierzu klare Vorgaben mit einzelnen Beispielen.140 Die Nettolohnvereinbarung erweitert die Pflichten des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer gewinnt vertraglich die Sicherheit, ungeachtet der Zweifelsfragen des Abgabenrechts und der Änderungen der Steuergesetzgebung eine bestimmte Lohnsumme zu empfangen. Das Risiko einer unbestimmten oder veränderten Gesetzeslage wird auf den Arbeitgeber übertragen. Anknüpfungspunkt dieses Vertrages ist die Pflichtenstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugverfahren. Das steuergesetzliche Pflichtverhältnis wird vertraglich durch ein Zahlungsschuldverhältnis ergänzt. Der Arbeitgeber ist privatrechtlicher Zahlungsschuldner und öffentlich-rechtlicher Haftungsschuldner für die Abgabenschuld des Arbeitnehmers. Die Mehrbelastung des Arbeitgebers rechtfertigt sich aus der privatschriftlichen Vereinbarung, die der Arbeitgeber freiwillig trifft und die das gesetzliche Lohnsteuerschuldverhältnis nicht verändert.

III. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten Dem Arbeitgeber obliegen im Lohnsteuerverfahren verschiedene, zum Lohnsteuereinbehalt akzessorische Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten.141 Durch diese soll das Abzugverfahren für den Arbeitnehmer nachvollziehbar und für die Finanzverwaltung transparent gemacht werden. Zudem können die Aufzeichnungen die im Streitfall notwendigen Beweise erbringen.142 137 Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 210; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Auflage 2004, § 39b Rdn. 10; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 39b Rdn. 133 m. w. H. 138 BFH, BStBl. II 1993, S. 760. 139 BFH, BStBl. II 2001, S. 195; II 1993, S. 760; II 1979, S. 771; Offerhaus/ Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 208; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 39b Rdn. 17; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 39b Rdn. 131; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 103. 140 H 122 LStH. 141 Ein Arbeitgeber, der ausnahmsweise keinen Lohnsteuerabzug durchführen muss, muss diese Pflichten folglich nicht erfüllen (lediglich zu § 41 EStG: Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 41 Rdn. B 1).

III. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten

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In § 41 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 LStDV sind die Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers abschließend geregelt.143 Er muss grundsätzlich ein gesondertes Lohnkonto als „zentrales Datenblatt“ für jeden Arbeitnehmer führen.144 Im Konto sind die für den Lohnabzug erforderlichen und diesen dokumentierenden Daten insbesondere von der Lohnsteuerkarte einzutragen, das heißt neben den zur Identifikation des Arbeitnehmers notwendigen Informationen sind in erster Linie die Lohnsteuerklasse, die Zahl der Kinderfreibeträge, das Religionsbekenntnis, der Jahresfreibetrag, die steuerfreien Bezüge, die Art und Höhe des gezahlten Arbeitslohnes sowie die einbehaltene Lohnsteuer aufzuführen.145 Zudem hat der Arbeitgeber unter anderem den Tag der Lohnzahlung und den Lohnzahlungszeitraum sowie das Kurzarbeitergeld, das Schlechtwettergeld, das Winterausfallgeld und Zuschüsse für Mütter einzutragen.146 Ein Lohnkonto ist am Jahresende oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses abzuschließen und bis zum Ablauf des sechsten Kalenderjahres, das auf die zuletzt eingetragene Lohnzahlung folgt, einschließlich der zu ihm gehörenden Belege aufzubewahren.147 Nach Abschluss des Lohnkontos muss der Arbeitgeber die maßgeblichen Informationen aus dem Lohnkonto – insbesondere die Art und Höhe des gezahlten Arbeitslohnes sowie die einbehaltene Lohnsteuer – in einer elektronischen Lohnsteuerbescheinigung der Finanzbehörde übermitteln sowie dem Arbeitnehmer einen Ausdruck der Bescheinigung aushändigen oder elektronisch bereitstellen.148 Verstößt der Arbeitgeber gegen diese Pflicht, trägt er im Haftungsverfahren die Beweislast.149 Der Arbeitgeber muss zudem die Lohnsteuerkarte während des Dienstverhältnisses aufbewahren, sie dem Arbeitnehmer zur Vorlage beim Finanzamt oder der Gemeinde vorübergehend überlassen und nach Beendigung des Dienstverhältnisses innerhalb einer angemessenen Frist herausgeben.150 Der Arbeitgeber 142 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 41 Rdn. A 1 mit Blick auf eine mögliche Außenprüfung sowie allg. Rdn. A 14. 143 Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 41 Rdn. 1. 144 Pauschal besteuerte Bezüge können unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Nr. 8 LStDV in einem Sammelkonto aufgezeichnet werden. Nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 LStDV wird ein maschinelles Verfahren für die Lohnabrechnung zugelassen (siehe Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 41 Rdn. 1 und 3). 145 § 41 Abs. 1 Sätze 3 und 4, § 4 Abs. 1 und 2 LStVD, sowie Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 240. 146 § 41 Abs. 1 Satz 5 EStG. 147 §§ 41 Abs. 1 Satz 9, 41b Abs. 1 Satz 1 EStG; siehe Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 245 f. 148 § 41b Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG. 149 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 41 Rdn. A 16 m. w. H.

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

darf die auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Informationen nur für den Steuerabzug verwenden und ohne die Zustimmung des Arbeitnehmers nicht weitergeben.151 Wird das Dienstverhältnis vor Ablauf des Kalenderjahres beendet, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Lohnsteuerkarte aushändigen. Nach Ablauf des Kalenderjahres darf er dies nur, wenn die Karte eine Lohnsteuerbescheinigung enthält und der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt ist.152 Die zum Lohnsteuereinbehalt akzessorischen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten belasten den Arbeitgeber wegen der hohen Anzahl der einzutragenden Daten stärker, als die Art der archivarischen Verpflichtung es vermuten lässt.

IV. Lohnsteuer-Jahresausgleich Ein Arbeitgeber muss gemäß § 42b Abs. 1 Satz 2 EStG den Lohnsteuer-Jahresausgleich für seine unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer durchführen, wenn er am Ende des Ausgleichsjahres mindestens zehn Arbeitnehmer beschäftigt.153 Beschäftigt er weniger Arbeitnehmer, steht es ihm frei, den Ausgleich vorzunehmen. Der Ausgleich schließt das Abzugverfahren ab.154 Er ist noch Teil des Vorauszahlungsverfahrens und soll zu viel erhobene Lohnsteuer früh150 § 39b Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG. Das Finanzamt kann gemäß §§ 328 ff. AO den Arbeitgeber zwingen, die Lohnsteuerkarte an den Arbeitnehmer herauszugeben (Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 75; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 39b Rdn. A 12 jeweils m. w. H.). Strittig ist, ob eine Klage des Arbeitnehmers vor dem Arbeitsgericht auf Herausgabe der Lohnsteuerkarte Aussicht auf Erfolg hat. Gegen diesen Weg der Rechtsdurchsetzung wendet sich Trzaskalik, da allein das Finanzamt als Herrin des Abzugverfahrens die ordnungsgemäße Pflichterfüllung durch den Arbeitgeber kontrolliere und dem Arbeitnehmer nicht mit dem Herausgabeanspruch die Handlungslast zugewiesen werden dürfte (ders., in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 39b Rdn. A 12; dagegen: Heuermann/ Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 76; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 39b Rdn. 20 m. w. H. 151 § 39b Abs. 1 Satz 4 EStG. So darf er die eingetragenen Merkmale zum Beispiel nicht Prüfern von Sozialversicherungsverträgen weitergeben (Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 39b Rdn. 41; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 77). 152 § 41b Abs. 1 Sätze 4 und 5 EStG. 153 Unter den Voraussetzungen des § 39b Abs. 2 Satz 13 EStG kann ein so genannter permanenter Lohnsteuerabzug vom laufenden Arbeitslohn vorgenommen werden. 154 Siehe § 42b Abs. 1 Satz 1 EStG sowie Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42b Rdn. A 1, siehe für die Begründung auch § 38 Rdn. A 7; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 42b Rdn. 1 jeweils m. w. H.

V. Einbehalt, Anmeldung und Abführen der Lohnsteuer

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zeitig ausgleichen. Es wird folglich nicht die endgültige Jahressteuerschuld ermittelt. Grundlage des Ausgleichs ist die Jahreslohnsteuer155 und nicht die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers. Erstattet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Steuerbetrag, mindert sich demnach lediglich die einbehaltene Lohnsteuer.156 Trotzdem dient der vom Arbeitgeber vorgenommene Ausgleich auch der Entlastung der Finanzverwaltung.157 Diese kann die im Vergleich zum Lohnsteuerabzug berichtigten Beträge ihrer Steuerberechnung zu Grunde legen. In erster Linie soll dem Arbeitnehmer aber frühzeitig die zu viel entrichtete Lohnsteuer erstattet werden.158 Die Lohnsteuer wird aus dem vom Arbeitgeber für das gesamte Kalenderjahr gezahlten Arbeitslohn berechnet.159 Zu einer Erstattung kommt es, wenn der für den Lohnsteuerabzug maßgebliche hochgerechnete Jahresarbeitslohn geringer ist als der besteuerte Arbeitslohn, weil dem Arbeitnehmer zum Beispiel Bezüge in unterschiedlicher Höhe ausgezahlt oder die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte geändert worden sind.160 Der Lohnsteuer-Jahresausgleich gleicht den im Laufe des Jahres vorgenommenen Lohnsteuerabzug der Einkommensteuerschuld an, bezieht sich aber dennoch ausschließlich auf das Abzugverfahren, nicht auf das Erhebungsverfahren der Einkommensteuer. Der Arbeitgeber korrigiert in einem Gesamtzugriff am Ende des Jahres die einbehaltene Lohnsteuer. Der Ausgleich bereitet dem Arbeitgeber allein deshalb einen erheblichen Aufwand, weil er sich mit dem Steuereinbehalt für jeden seiner Arbeitnehmer erneut befassen muss.

V. Einbehalt, Anmeldung und Abführen der Lohnsteuer Der Arbeitgeber wird gesetzlich verpflichtet, die von ihm berechnete Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG).161 Er zahlt dem Arbeitnehmer lediglich den Netto-Arbeitslohn aus. 155

Siehe für die Berechnung der Jahreslohnsteuer § 39b Abs. 2 EStG. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42b Rdn. A 3. 157 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42b Rdn. A 1. 158 § 42b Abs. 2 Satz 5 EStG. 159 § 42b Abs. 2 Satz 1 EStG, nach welchem auf Grundlage der Lohnsteuerbescheinigungen auf der Lohnsteuerkarte vorangegangene Dienstverhältnisse berücksichtigt werden müssen; siehe für die genaue Berechnung den gesamten Absatz 2. 160 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42b Rdn. A 1; siehe auch Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 279. 161 Siehe bereits oben unter C. II. 3. § 38 Abs. 4 EStG modifiziert diese Pflicht. Der Arbeitgeber muss den Steuerabzug nur aus dem Barlohn bestreiten. Erhält der Arbeitnehmer hohe Sachbezüge, Lohn von 156

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat spätestens am zehnten Tag nach Ablauf des meist monatlichen162 Lohnsteuer-Anmeldungszeitraumes die einbehaltene Lohnsteuer anzumelden und abzuführen.163 Die nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugebende Lohnsteuer-Anmeldung164 ist auf elektronischem Wege zu übermitteln.165 Sie ist eine Steuererklärung,166 in welcher der Arbeitgeber die Summe der im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum einzubehaltenden und zu übernehmenden Lohnsteuer in der Regel167 dem zuständigen Finanzamt mitteilt.168 Der Arbeitgeber muss die Lohnsteuer aus dem regelversteuerten Arbeitslohn und der Nettolohnvereinbarung169 sowie die pauschal berechnete Lohnsteuer170 für jede Betriebsstätte einheitlich anmelden.171 Die Finanzverwaltung kann die Anmeldungen gegenüber dem Arbeitgeber mit den in den §§ 328 ff. AO geregelten Zwangsmitteln durchsetzen. Kommt der Arbeitgeber der Verpflichtung, die Lohnsteuer abzuführen,172 verspätet nach, muss er Säumniszuschläge entrichten, wenn er die Lohnsteuer bereits angemeldet hat.173

Dritten oder Abschlagzahlungen nach § 39b Abs. 5 EStG, kann es vorkommen, dass der vom Arbeitgeber geschuldete Barlohn für die Lohnsteuerzahlung nicht ausreicht. Kommt der Arbeitnehmer dann nicht der Verpflichtung nach, den Fehlbetrag dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen, und kann der Arbeitgeber einen entsprechenden Teil anderer Bezüge nicht zurückbehalten, fordert das Finanzamt die nicht erhobene Lohnsteuer nach entsprechender Anzeige durch den Arbeitgeber nach (Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 38 Rdn. 16, sowie Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, G Rdn. 5a). In ähnlicher Weise fordert das Finanzamt die Lohnsteuer nach, wenn ein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte fehlerhaft nicht eingetragen wurde (§ 39a Abs. 5 EStG), eine Änderung auf der Lohnsteuerkarte unterblieben ist oder es der Arbeitnehmer unterlässt, anzuzeigen, dass er beschränkt einkommensteurpflichtig geworden ist (§ 39 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5a Satz 4 EStG). 162 § 41a Abs. 1 Satz 1 EStG, teilweise auch im Kalendervierteljahr oder jährlich (§ 41a Abs. 2 Satz 2 EStG). 163 § 41a Abs. 1 Satz 1 NRdn. 1 und 2 EStG. 164 Legaldefinition in § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. § 41a Abs. 1 Satz 2 EStG normiert die Pflicht, einen Vordruck zu verwenden. 165 § 41a Abs. 1 Satz 2 EStG. 166 Im Sinne des § 150 Abs. 1 Satz 2 AO. 167 § 41a Abs. 3 EStG eröffnet die Möglichkeit, die Lohnsteuer einer anderen öffentlichen Kasse anzumelden und zuzuleiten. 168 § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, 1997, S. 24, sowie Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 41a Rdn. 2. 169 Siehe oben unter II. 5. 170 Siehe oben unter II. 4. 171 Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 237. 172 § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. 173 § 240 Sätze 1 und 3 AO.

VI. Lohnsteuer-Außenprüfung

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§ 41c EStG eröffnet dem Arbeitgeber allgemein die Möglichkeit, erhobene Lohnsteuer zu erstatten oder zu wenig erhobene Lohnsteuer nachzuerheben. Die Vorschrift bietet dem Arbeitgeber eine Korrekturmöglichkeit, wenn das Abzugverfahren fehlerhaft durchgeführt wurde, weil er einem Irrtum unterlegen ist oder weil die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte geändert wurden. Auch im Rahmen dieser Änderung bleibt der Arbeitgeber Garant des richtigen, allerdings steuerkartenorientierten und formalisierten Rechts. Er korrigiert sich selbst oder reagiert auf Korrekturen der Lohnsteuerkarte, garantiert insoweit gegenüber dem Finanzamt wie gegenüber dem Arbeitnehmer die Richtigkeit des Steuerabzugs. Erstattet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen eines LohnsteuerJahresausgleichs im Sinne des § 42b EStG174 die zu viel einbehaltene Lohnsteuer, ist die erstattete Lohnsteuer in der Anmeldung gesondert auszuweisen.175 Er wird nur dann von der Meldepflicht frei, wenn er den Arbeitnehmer, für dessen Rechnung er die Lohnsteuer einbehielt, nicht mehr beschäftigt und dies dem Finanzamt mitteilt.176 Der Arbeitgeber muss die Lohnsteuer mit eigener Arbeits- und Organisationskraft einbehalten, anmelden und abführen. Er wird mit dem Säumnisrisiko und der Verantwortung für Korrekturen belastet, ist für eine fremde Schuld erfüllungsverpflichtet.

VI. Lohnsteuer-Außenprüfung Das Finanzamt kann durch eine Außenprüfung kontrollieren, ob der Arbeitgeber das Lohnsteuerabzugverfahren ordnungsgemäß durchgeführt und seine lohnsteuerrechtlichen Pflichten erfüllt hat.177 Bei der Lohnsteuer-Außenprüfung obliegen dem Arbeitgeber die Mitwirkungspflichten, die dem Steuerpflichtigen nach Maßgabe des § 200 Absätze 1 und 2 AO auferlegt sind.178 Er muss unter anderem Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorlegen, die zum Verständnis dieser Unterlagen notwendigen Erläuterungen geben und allgemein Auskunft erteilen.179 Darüber hinaus 174

Siehe hierzu oben unter IV. Siehe § 42b Abs. 3 Satz 2 EStG sowie Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 41a Rdn. 3. 176 § 41a Abs. 1 Satz 4 EStG. Er hat die Lohnsteuer also auch dann anzumelden, wenn er sie nicht einbehalten hat (R 133 Abs. 1 LStR). 177 Zum Umfang der Außenprüfung siehe § 194 AO. 178 § 42f Abs. 2 Satz 1 EStG enthält einen rein deklaratorischen Verweis auf § 200 AO, da dieser als Spezialvorschrift zu § 90 AO für Außenprüfungen ohnehin anwendbar wäre (Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 42f Rdn. 6). 179 § 200 Abs. 1 Satz 2 AO. 175

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

müssen die Arbeitnehmer die für die Außenprüfung notwendigen Informationen erteilen.180 Diese Mitwirkungslasten sind folgerichtige Konsequenz des Abzugverfahrens, das den Arbeitgeber zur Feststellung der Höhe der Lohnsteuer sowie zum Einbehalt und zur Abführung der Steuer verpflichtet, ihn insoweit auch durch Außenprüfung kontrollieren muss.

VII. Die Haftung des Arbeitgebers und seine Stellung als Gesamtschuldner neben dem Arbeitnehmer 1. Die Haftung des Arbeitgebers für die Lohnsteuer Der Arbeitnehmer, nicht der Arbeitgeber ist Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG).181 Der Arbeitgeber haftet aber für die von ihm einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer, für die beim Jahresausgleich zu Unrecht erstattete und auf Grund von fehlerhaften Aufzeichnungen verkürzte Steuer (§ 42d Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 EStG).182 Die Haftung ist nach dem Wortlaut des § 42d EStG nicht an ein Verschulden des Arbeitgebers geknüpft.183 180 Weil § 42f Abs. 2 Satz 2 EStG ausdrücklich den Arbeitnehmer als Adressaten der Auskunftspflicht nennt und sich die Auskunftspflicht auf eigene Angelegenheiten der Arbeitnehmer bezieht, greift die allgemeine Heranziehungsmöglichkeit anderer Betriebsangehöriger des § 200 Abs. 2 Satz 3 AO nicht (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42f Rdn. C 2; genauso Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 42f Rdn. 6; mit Hiweisen auch auf die andere Ansicht). Nach Trzaskalik geht die Pflicht, „jede gewünschte Auskunft über Art und Höhe ihrer Einnahmen zu geben“ zu weit (ders., in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42f Rdn. C 3). 181 Auch wenn die Lohnsteuer über den Pauschsteuersatz erhoben wird, verdrängt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht aus der Schuldnerstellung, sondern ist lediglich Schuldner im formellen Sinne (siehe oben unter II. 4.). 182 Gemäß § 42d Abs. 5 EStG werden Haftungsforderungen, die insgesamt den Betrag von 10 Euro nicht übersteigen, nicht geltend gemacht. § 42d Abs. 6 bis 8 EStG regelt die Haftung bei der Überlassung von Arbeitnehmern. Die Haftung des Arbeitgebers nach § 42d EStG ist von der Haftung Dritter nach Maßgabe der §§ 69 ff. AO zu unterscheiden (siehe zu dieser Unterscheidung zum Beispiel Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 1). Zur Verfassungsmäßigkeit der Haftung BVerfGE 44, 103; 19, 226 – Kirchenlohnsteuer; sowie Gersch, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 8 m. w. H. Siehe zur Haftung zudem R 145 f. LStR; grundlegend: Hensel, Steuerrecht [1933], 1986, S. 69 ff.; Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1987, S. 87 ff.; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42d Rdn. A 1 ff.; Gast-de Haan, DStJG 9 (1986), 141 ff.; Schick, BB 1983, 1041 ff.; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 1 ff.; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 42d Rdn. 1 ff.; Blümich/ Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 1 ff.; Heuermann, DB 1994, 2411 (2414 ff.); Mar-

VII. Die Haftung des Arbeitgebers

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Die Haftung des Arbeitgebers bezieht sich während des Kalenderjahres auf die einbehaltene Lohnsteuer, nicht auf die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers.184 Auch nach Ablauf des Jahres haftet der Arbeitgeber für die Jahreslohnsteuer, für die Steuer, die auf Grundlage der Lohnsteuerkarte auf das Jahr bezogen berechnet wird.185 Zwar besteht neben dem Lohnsteueranspruch ein Einkommensteueranspruch des Arbeitnehmers. Beide Ansprüche sind auch miteinander verbunden, weil die Lohnsteuerzahlung auf die Einkommensteuerschuld angerechnet wird.186 Der Arbeitgeber haftet aber grundsätzlich nur, soweit Fehler im Abzugverfahren begangen werden. Er haftet lediglich für die im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG anzurechnende Lohnsteuer.187 Dem steht auch der Haftungstatbestand des § 42d Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht entgegen, nach dem der Arbeitgeber für die „Einkommensteuer (Lohnsteuer) [haftet], die auf Grund fehlerhafter Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung verkürzt wird“.188 Die Vorschrift regelt die Haftungsvoraussetzung, dass tens, StuW 1970, 310; Gehm, BuW 2001, 318; Mösbauer, BB 1995, 2195; Olbertz, DB 1998, 1787. Gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 4 EStG haftet der Arbeitgeber in bestimmten Fällen auch, wenn ein Dritter die Lohnsteuer für ihn abzieht. Der Arbeitgeber wird deshalb durch das Hinzutreten des Dritten nicht gänzlich von seiner Verantwortung befreit. 183 Gersch, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 37 ff.; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 36; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42d Rdn. B 7; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 58 ff. jeweils m. w. H. Zur Nettolohnvereinbarung siehe oben unter II. 5. Die Haftung für den Einbehalt der Kirchensteuer folgt ähnlichen Regeln (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42d Rdn. A 25 m. w. H.). 184 Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 29 m. w. H. 185 BFH, BStBl. II 1992, S. 565; III 1962, S. 37. Eine Verbindung zwischen der Arbeitgeberhaftung und der Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers besteht mit dem BFH nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel, wenn sich der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber über die Zugehörigkeit von Bezügen zum Arbeitslohn und der Eintragung der damit einhergehenden Werbungskosten irren oder irren konnten (BFH, BStBl. II 1976, S. 543 (544 f.); II 1972, S. 137 (139); II 1969, S. 173 (175); Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 33; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 17, jeweils m. w. H.). 186 § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG. 187 Hiergegen wird eingewandt, dass der Arbeitgeber nicht für eine Vorauszahlung haften könne, das heißt im Ergebnis für eine Steuerschuld, die in dieser Höhe gar nicht bestehe (Gast-de Haan, DStJG 9 (1986), 141 (158)). Jedoch ist nur die Einkommensteuerschuld ungewiss, die Lohnsteuerschuld gerade nicht (siehe oben unter II.; Thomas, DStR 1995, 273 (276); Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 18; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42d Rdn. A 10).

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

die Einkommensteuer wegen fehlerhafter Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung verkürzt wird, das heißt wegen Fehlern im Abzugverfahren. Auch nach § 42d Abs. 1 Nr. 3 EStG haftet der Arbeitgeber folglich für fehlerhaft erhobene Lohnsteuer, nicht aber für die Einkommensteuer.189 § 42d Abs. 3 Satz 3 EStG bestätigt, dass sich die Haftung nicht auf die Einkommensteuerschuld bezieht, weil der Arbeitgeber unabhängig von der Veranlagung des Arbeitnehmers in Haftung genommen werden kann. Die Systematik des Einkommensteuergesetzes bekräftigt diese Auffassung. § 42d EStG steht in dem mit „Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer)“ überschriebenen Abschnitt und nicht in dem Abschnitt über das Veranlagungsverfahren (§§ 46 ff. EStG).190 Die Haftung des Arbeitgebers allein für die Lohnsteuer entspricht auch deren Zweck, die lohnsteuerrechtliche Pflichterfüllung des Arbeitgebers und nur insofern die ordnungsgemäße Besteuerung sicherzustellen.191 Der Arbeitgeber dürfte sich ansonsten mit Blick auf die Haftung nicht mehr auf die 188 Der Klammerzusatz „Einkommensteuer (Lohnsteuer)“ bezog sich auf den auf Antrag des Arbeitnehmers von der Finanzverwaltung durchzuführenden LohnsteuerJahresausgleich und ist daher mit seinem Wegfall gegenstandslos geworden (Thomas, DStR 1995, 273 (276 Fußnote 22); für die alte Rechtslage Gersch, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 67). 189 Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 56 m. w. H. Der Wortlaut des § 43d Abs. 1 Nr. 3 EStG setzt die Lohnsteuer nicht mit der Einkommensteuer gleich. 190 Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 18. 191 Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1987, S. 89 ff. insbes. S. 94 f.; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 42d Rdn. 1; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42d Rdn. A 1; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 1; Gersch, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 7). Teilweise wird trotzdem – in der Hervorhebung fehlerhaft – die Sicherung der Steuerschuld als Haftungszweck betont (zum Beispiel Gast-de Haan, DStJG 9 (1986), 141 (159); Lang, StuW 1975, 113 (131) und Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Auflage 2004, § 42d Rdn. 2 m. w. H.). Die Haftungsmöglichkeit soll eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers nicht bestrafen (BFH, BStBl. II 1993, S. 775; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 6 und 11 m. w. H.). Die Erfüllung der Pflichten des Arbeitgebers könnte zwar auch über vollstreckungsrechtliche Maßnahmen durchgesetzt werden. Doch ist der vollstreckungsrechtliche Weg nicht nur komplizierter als der durch § 42d EStG eingeschlagene Weg, da jede Pflichtverletzung herausgegriffen und einzeln durchgesetzt werden müsste. Der Haftungsdruck verfolgt das Ziel auch deshalb effektiver, weil das Haftungsrisiko die ordnungsgemäße Pflichterfüllung zum Eigeninteresse des Arbeitgebers werden lässt (Im Ergebnis: Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42d Rdn. A 1; Gersch, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 7 a. E.).

VII. Die Haftung des Arbeitgebers

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Informationen insbesondere auf der Lohnsteuerkarte verlassen, sondern müsste mögliche Datenfehler überprüfen, oft sogar in die Privatsphäre des Arbeitnehmers eindringen.192 Diesem Ergebnis kann nicht die Akzessorietät der Arbeitgeberhaftung entgegengehalten werden, weil die Haftung nur von der Existenz der Steuerschuld abhängt, nicht jedoch von ihrer Höhe.193 Auch wenn die Haftungsschuld des Arbeitgebers die Steuerschuld des Arbeitnehmers übersteigen sollte, trägt dieser nicht die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers. Vielmehr kann er gegenüber dem Arbeitnehmer Regress nehmen, soweit der Arbeitnehmer bei ordnungsgemäßer Durchführung des Lohnsteuerabzugverfahrens zahlungsverpflichtet ist. Der Arbeitnehmer kann sich im Regressfall an die Finanzbehörde wenden, soweit seine Zahllast die Einkommensteuerforderung übersteigt.194 Im Ergebnis wird die Einkommensteuerschuld somit vom Arbeitnehmer beglichen, nicht vom Arbeitgeber. Dieses Konzept der Haftung entspricht der grundsätzlichen Ausgestaltung des Abzugverfahrens. Der Arbeitgeber zahlt die Lohnsteuer für den Arbeitnehmer. Die Haftung bezieht sich deshalb nur auf diese vorläufige Zahllast, nicht auf die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers.

192 Der Arbeitgeber kennt die für die Einkommensteuer maßgeblichen zum Beispiel persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers nicht, soweit sie nicht auf der Lohnsteuerkarte stehen. Er soll gerade nicht verpflichtet sein, in diesem Bereich Nachforschungen anstellen zu müssen und insofern die Privatsphäre des Arbeitnehmers anzutasten. Zudem könnte der Arbeitgeber alle Einwendungen gegen die Haftung erheben, die der Arbeitnehmer gegen die Einkommensteuerforderung vorbringen könnte; eine entsprechende Informationspflicht des Arbeitnehmers fehlt aber, so dass die Arbeitgeber unzureichend von freiwilliger Erteilung von Informationen durch den Arbeitnehmer abhängig wären (insgesamt Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42d Rdn. A 9 ff.; Heuermann/ Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 19). Das Lohnsteuerkartenprinzip berührt zwar nicht den materiellen Steueranspruch. Trotzdem darf hieraus nicht gefolgert werden, dass der Arbeitgeber für die Einkommensteuer des Arbeitnehmers hafte (so aber Fichtelmann, DStR 1974, 75 (77)). 193 § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO. Voraussetzung für die Haftung ist, dass eine Steuerschuld besteht (BFH, BStBl. II 1990, S. 526; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 29 m. w. H.). 194 Insgesamt Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42d Rdn. A 15 ff., auch zum Regress des Arbeitgebers vor und nach Abschluss des Jahresausgleichs oder einer Veranlagung des Arbeitnehmers.

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

2. Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Gesamtschuldner Arbeitgeber und der Arbeitnehmer haften für die Lohnsteuerschuld als Gesamtschuldner (§ 42d Abs. 3 Satz 1 EStG; § 44 AO).195 Dennoch zeigt auch das Haftungsrecht, dass der Arbeitgeber das Abzugverfahren eigenverantwortlich durchführt und er für eine fremde Schuld eigenverantwortlich einsteht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind Gesamtschuldner nur für die Haftung, nicht für die Einkommensteuerschuld. Der Arbeitgeber kann Einwendungen des Arbeitnehmers gegen die Einkommensteuerschuld nicht gegen die Haftung geltend machen.196 Auch ist der Arbeitgeber mit Blick auf die Haftungsschuld primär Verpflichteter. Zwar kann das Finanzamt diese Schuld nach pflichtgemäßen Ermessen grundsätzlich gegenüber jedem der beiden Gesamtschuldner geltend machen.197 Der Arbeitnehmer kann jedoch, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten oder die einbehaltene Steuer nicht ordnungsgemäß angemeldet hat, im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft nur in Anspruch genommen werden, wenn er vom Fehlverhalten des Arbeitgebers weiß und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt (§ 42d Abs. 3 Satz 4 Nrn. 1 und 2 EStG).198 Der Arbeitgeber entlastet den Arbeitnehmer daher auch haftungsrechtlich, wenn er für ihn die Steuer einbehält und abführt. Allerdings darf auch der Arbeitgeber durch den Rechtsstaat nicht oder nur nachrangig in Anspruch genommen werden, wenn die Fehler im Abzugverfahren in der Sphäre des Finanzamtes und nicht im Risikobereich des Arbeitgebers liegen oder wenn sich der Arbeitgeber in einem entschuldbaren Irrtum befand.199 Im Verhältnis zum Arbeitnehmer haftet der Arbeitgeber nachrangig, wenn die Lohnsteuer ebenso einfach und schnell beim Arbeitnehmer eingezo195 Die Vorschrift ergänzt § 44 AO i. S. e. Klarstellung (Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 42d Rdn. 35; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 79; einführend zur Gesamtschuld: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Auflage 2000, § 71 Tz. 101). 196 Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 28. Lfg. April 1999, J Rdn. 52. 197 § 42d Abs. 3 Satz 2 EStG; Gersch, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 126 ff. Der Begriff der Steuerschuld bezieht sich auf den Arbeitnehmer i. S. e. materiellen Steuerschuldners. Wird der Arbeitgeber in Anspruch genommen, erfüllt er seine Haftungsschuld (siehe Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 83). 198 Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 88 und 90 f. m. w. H. insbesondere auch zu den Fällen der Nettolohnvereinbarung. 199 R 145 Abs. 7 Nr. 2 LStR; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 100 ff. jeweils m. w. H.

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gen werden kann.200 Diese Handhabung der gesetzlichen Haftung des Arbeitgebers folgt dem zu Grunde liegenden Schuldverhältnis, das den Arbeitgeber zur Entrichtung einer fremden Schuld verpflichtet. Darüber hinaus nimmt die Verwaltungspraxis den Arbeitgeber nur in Anspruch, wenn er die Fehler im Abzugverfahren bewusst oder grob fahrlässig begangen hat oder wenn die Inanspruchnahme zu Verfahrensvereinfachungen zum Beispiel bei einer Mehrzahl gleich gelagerter Fälle führt.201 Insofern sucht die Verwaltungspraxis gegenwärtig einen Weg zu gehen, der den Arbeitgeber nur verhältnismäßig belastet, im Ergebnis einer Verschuldenshaftung gleicht. 3. Regress unter den Gesamtschuldnern a) Verantwortlichkeit des Arbeitgebers Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Haftungsschuldner und Steuerschuldner sind Gesamtschuldner. Der Arbeitnehmer wird von seiner Zahlungspflicht frei, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers erfüllt.202 Der Arbeitgeber kann sich die Zahlung aber grundsätzlich vom Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 426 BGB erstatten lassen.203 Als Schuldner der Lohnsteuer trägt der Arbeitnehmer auch im Innenverhältnis grundsätzlich die Zahllast, kann regelmäßig vom Arbeitgeber in der Höhe der Haftung in Anspruch genommen werden.204 Dies gilt auch, wenn die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet wurde und der Arbeitnehmer hiervon weiß und dem Finanzamt das Fehlverhalten des Arbeitgebers nicht unverzüglich mitteilt.205 Kennt der Arbeitnehmer das Fehlverhalten aller200 R 145 Abs. 7 Nr. 1 Satz 2 LStR; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 108 ff. jeweils m. w. H. 201 R 145 Abs. 7 Nr. 2 LStR; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 116 ff. m. w. H. 202 § 44 Abs. 2 Satz 1 AO; BFH, BStBl. II 1992, S. 696; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 42d Rdn. 35. 203 Gersch, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 110; Stolterfoth, DStJG 9 (1986), 175 (205); Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Auflage 2003, § 44 Anm. 1. 204 § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG kann insoweit als eine andere Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB verstanden werden und schränkt den Forderungsübergang des § 426 Abs. 2 BGB in diesem Umfang ein („Soweit“, § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB). Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 381; Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 263. 205 § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG nennt die Fälle der Arbeitgeberhaftung, wenn die Lohnsteuer nicht ordnungsgemäß angemeldet und abgeführt wurde (§ 42d Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG). Zwar geht es nach dem Wortlaut nur um die regelwidrige Anmel-

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

dings nicht oder teilt er es dem Finanzamt mit, trägt er gemäß § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft keine Zahllast.206 Sonst würde § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG die Finanzverwaltung lediglich mit Blick auf ein mögliches Liquiditätsrisiko entlasten. Dies gilt auch für die Haftungsfälle, bei denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer fehlerhaft beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zu viel Steuer erstattet hat (§ 42d Abs. 1 Nr. 2 EStG) oder auf Grund von fehlerhaften Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung die Einkommensteuer verkürzt wurde. Wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer ordnungsgemäß abführt oder beim Lohnsteuer-Jahresausgleich keinen zu hohen Steuerbetrag erstattet, wird die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers getilgt, so dass die Zahllast für den Lohnsteueranspruch nicht mehr besteht.207 Weiß der Arbeitnehmer nicht, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehält, kann er sich darauf verlassen, dass er die Zahllast nicht tragen muss. Würde der Arbeitnehmer im Innenverhältnis den Teil der Lohnsteuerschuld tragen, den der Arbeitgeber nicht beglichen hat, wäre der Arbeitgeber um diese Summe bereichert. Seine Pflichtverletzung soll aber nicht belohnt werden.208 dung der Lohnsteuer. Doch ist eine Arbeitgeberhaftung nicht sachgerecht, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer zwar fehlerhaft angemeldet, aber den korrekten Lohnsteuerbetrag abgeführt hat. Die Anmeldung verfolgt keinen Selbstzweck, sondern dient der ordnungsgemäßen Abführung der Lohnsteuer (für das Ergebnis: Gersch, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 145; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42d Rdn. D 8; Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 220 ff.). 206 Ob in diesen Fällen keine Gesamtschuld zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht, ist schon vom Wortlaut her fraglich („im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft“). Jedenfalls muss, wenn zum Beispiel der Arbeitnehmer auf die gegenüber dem Finanzamt wegen einer fehlerhaften Erstattung im Lohnsteuer-Jahresaugleich offen gebliebenen Steuerforderung zahlt (der Arbeitgeber haftet in diesem Fall für die Forderung gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 2 EStG), die Erfüllung dieser Forderung auch für den Arbeitgeber wirken (bei Bestehen der Gesamtschuld: § 422 Abs. 1 BGB). Die Finanzverwaltung kann die Zahlung des Steuerbetrages nicht ein zweites Mal vom Arbeitgeber verlangen (Gersch, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 110, Anm. 116 zu einer Zahlung während des Klageverfahrens und Anm. 151, wenn der Arbeitgeber bereits auf die Haftungsschuld gezahlt hat; gegen das Vorliegen einer Gesamtschuld in den Fällen des § 42d Abs. 3 Satz 4 BGB: Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 381; Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 220 und 227). 207 Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42d Rdn. D 7. 208 Dieses Ergebnis korrespondiert mit der gesetzlichen Wertung des § 41a Abs. 1 Satz 1 EStG, nach welchem der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer die Lohnsteuer anmelden und abführen muss. § 41a Abs. 1 Satz 1 EStG könnte daher als eine andere Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB verstanden werden und

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Der Arbeitnehmer darf sich hiernach grundsätzlich darauf verlassen, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer ordnungsgemäß abführt. Außer bei Kenntnis einer Pflichtverletzung des Arbeitgebers haftet er nicht. Hierdurch wird bestätigt, dass der Arbeitgeber die Zahllast für den Arbeitnehmer übernimmt und ihm mit dieser Last auch die Verantwortung übertragen wird. b) Durchsetzung des Regressanspruchs Die Durchsetzung des Regressanspruchs ist dem Arbeitgeber ebenfalls in eigener Verantwortlichkeit und auf eigenes Risiko überlassen. Das Steuerrecht gewährt ihm keine Durchsetzungshilfe. Der Rückgriffanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer ist zivilrechtlicher 209 und nicht öffentlich-rechtlicher Natur.210 Die Rechtsnatur eines Anspruchs richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Anspruch hergeleitet wird.211 Ein Anspruch schränkt den Forderungsübergang des § 426 Abs. 2 BGB in diesem Umfang ein („Soweit“, § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB; Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 381 f.; Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 263). Unabhängig vom Gesamtschuldnerausgleich können Schadenersatzforderungen wegen Verletzung von arbeitsvertraglichen Fürsorgepflichten zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer bestehen (siehe zum Beispiel Gersch, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 123). 209 Für diese Rechtsnatur des Anspruchs: BFH, BStBl. II 1972, S. 816; III 1963, S. 226; BAG, IPRspr 1991, Nr. 68; DB 1984, 1888; BStBl. II 1977, S. 581; BGH, NJW 1981, 1666; RGZ 75, 208 (209); RFHE 6, 171 (176); 41, 135 (137); Gersch, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 121; Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 350 ff; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 85 f.; Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 123; Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 42d Rdn. 68; Altehoefer, in: Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Band VII, Stand: 126. Nachtrag Januar 2000, § 42d Rdn. 102; Barein, in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Band V, Stand: 36. Lfg. Juli 1998; § 42d Rdn. 56; Walz, BB 1991, 880 (882). 210 So aber Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42d Rdn. A 20 m. w. H.; Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 255 ff.; Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, 1983, S. 28; Stolterfoth, DStJG 9 (1986), S. 175 (205 ff. insbes. S. 207); Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug, 1987, S. 37 und 100 ff., der jedoch in der Argumentation primär auf die öffentlich-rechtliche Beziehung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer abstellt und insofern nicht mit einem gesonderten Blick auf die Haftung argumentiert. 211 BGH, NJW 1991, 1687 m. w. H.; NJW 1991, 2826; NJW 1993, 2680; BVerwGE 75, 112; 96, 73; Wolff/Bachhof/Stober, Verwaltungsrecht, Band I, 11. Auflage 1999, § 22 Rdn. 45, die einen untrennbar sachlichen Zusammenhang zu einer Rechtsnorm

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

ist dabei nicht allein deshalb öffentlich-rechtlicher Natur, weil das Gesamtschuldverhältnis und damit auch der Rückgriffsanspruch im Lohnsteuerverhältnis wurzeln.212 Vielmehr müssen zur Bestimmung des Rechtscharakters des Rückgriffanspruchs alle im Rahmen der Anspruchsgrundlage heranzuziehenden Normen gewürdigt werden.213 Nach dieser Gesamtwürdigung hat der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer einen privatrechtlichen Freistellungsanspruch, der nach Begleichung der Haftungsforderung zu einem zivilrechtlichen Zahlungsanspruch wird.214 Der Arbeitgeber wird für den Arbeitnehmer auf der Grundlage des zivilrechtlichen Arbeitsvertrages tätig. Seine Pflichtenstellung ist privatrechtlich begründet; das Lohnsteuerverfahrensrecht nimmt die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Lohnzahlung an den Arbeitnehmer auf und knüpft daran die lohnabhängige Entrichtungspflicht. Aus dieser privatrechtlichen Beziehung leiten sich auch die Ausgleichsansprüche für Entrichtungsfehler ab; Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindet ein arbeitsrechtliches, nicht ein steuerrechtliches Verhältnis.215 Zwar regelt die steuerrechtliche Vorschrift des § 42d Abs. 3 EStG die Gesamtschuldnerschaft. Doch knüpfen alle Haftungs- und Gesamtschuldnerregelungen des § 42d EStG an den Ausgangstatbestand von Arbeitgeber und Arbeitnehmer an, modifizieren also arbeitsvertragliche Rechtsbeziehungen zwischen Privatrechtssubjekten, ohne dabei den Geltungsgrund dieser gegenseitigen Verbindlichkeiten zu verändern. Haftung und Gesamtschuldnerschaft gelten nur, wenn und so lange das Arbeitsrechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht. Der Arbeitgeber nimmt mit dem Regress keine steuerrechtliche Aufgabe

fordern, die eindeutig entweder dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht zugeordnet werden kann. 212 Für die §§ 1004, 823 Abs. 2, 906 BGB und insgesamt: Rennert, in: Eyermann, VWGO, 11. Auflage 2000, § 40 Rdn. 32 m. w. H. 213 Siehe insoweit auch Rennert, in: Eyermann, VWGO, 11. Auflage 2000, § 40 Rdn. 32 m. w. H. 214 Gersch, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand: 195. Lfg. 1999, § 42d Anm. 121; Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 350 ff. jeweils m. w. H. 215 BGH, NJW 1991, 1687 m. w. H.; NJW 1991, 2826; NJW 1993, 2680; BVerwGE 75, 112; 96, 73. Allein der Umstand, so Heuermann, dass am Rückgriffsverhältnis mit Arbeitgeber und Arbeitnehmer andere Personen beteiligt sind als am Steuerschuldverhältnis, in welchem die Finanzverwaltung der Steuerschuldner ist, deute darauf hin, dass sich die Rechtsnatur der Ansprüche geändert habe und ein zivilrechtliches Ausgleichsverhältnis besteht. Die Rechtsnatur des Ausgleichsanspruchs muss unabhängig von der Rechtsnatur der Steuerforderung behandelt werden, wegen deren Erfüllung der Ausgleich erfolgt. Denn würde das Ausgleichsverhältnis nicht bestehen, würde es zum Beispiel nicht zur Legalzession des § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB kommen. Das Ausgleichsverhältnis ist folglich maßgeblich für die Ermittlung der Rechtsnatur der Forderung. Es besteht zwischen zwei Privatpersonen (ders., Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 350 ff.).

VII. Die Haftung des Arbeitgebers

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wahr,216 sondern führt die Zahlungspflichten wieder auf ihren arbeitsrechtlich definierten Ausgangspunkt zurück. Die monetären Interessen des Staates sind bereits mit der Steuerzahlung befriedigt, mag der Arbeitgeber Regress beim Arbeitnehmer nehmen oder nicht.217 Der Rückgriff dient nicht der Zahlung einer Steuerschuld, sondern dem internen Ausgleich zwischen Privatrechtssubjekten.218 Dort ist insbesondere auch eine Aufrechnung mit privatrechtlichen Forderungen möglich. Damit steht der Arbeitgeber im Regressfall vor der Aufgabe, vor den Arbeitsgerichten arbeitsvertragliche Forderungen geltend zu machen, deren Inhalt und Höhe durch das Steuerrecht bestimmt werden.219 Die arbeitsrechtlich begründete Forderung wird letztlich steuerrechtlich bestimmt.220 Der Arbeitnehmer begegnet dem Arbeitgeber im Regressprozess als ein Steuersubjekt, das Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 19 EStG) bezieht und dabei in einer an das Arbeitsverhältnis anknüpfenden221 Rechtsposition Regress schuldet. Die Entrichtungspflicht des Arbeitgebers hat somit im Regressfall zur Folge, dass der Arbeitgeber einen fremden Rechtsmaßstab in das Arbeitsrecht und die Arbeitsgerichtsbarkeit hineintragen muss. c) Wirkung für das Lohnsteuerverhältnis Die Regressforderung kann auch auf das Lohnsteuerverhältnis zurückwirken. Verzichtet der Arbeitgeber auf den Rückgriff, fließt dem Arbeitnehmer in der Regel in entsprechender Höhe steuerbarer Arbeitslohn zu;222 die festzustellende 216 Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 125; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, J Rdn. 86 jeweils m. w. H. 217 RGZ 135, 25 (30). 218 Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 125; siehe auch Stolterfoht, JZ 1975, 658 (659). 219 Stolterfoth, DStJG 9 (1986), S. 175 (207) auch mit Verweis auf Clemens, Steuerprozesse zwischen Privatpersonen und die Wechselwirkung im Dreiecksverhältnis von Steuerschuldner, -fiskus und -bürge, 1980, S. 27 ff., siehe insbes. S. 29. 220 Stolterfoth, DStJG 9 (1986), S. 175 (183 f., siehe auch zu den Ausschlussklauseln 187 f.). 221 Stolterfoth, DStJG 9 (1986), S. 175 (184 m. w. H.), der darüber hinaus auf das Beamtenrecht und auf die Amtsverhältnisse der Geistlichen verweist, die dem Kirchenrecht unterliegen. 222 BFH, BStBl. II 1985, S. 164; III 1961, S. 285; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz. Kommentar, Stand: 19. Lfg. April 1990, § 42d Rdn. A 20 m. w. H.; siehe auch Eisgruber, in: Kirchhof, EStG KompaktKommentar, 4. Auflage 2004, § 42d Rdn. 68; Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, 1997, S. 41; Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugverfahren, 1998, S. 352 f.; Blümich/Heuermann, Einkommensteuer-

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

und zu entrichtende Lohnsteuer ist um den entsprechenden Betrag zu erhöhen. Der Arbeitgeber verzichtet innerhalb des Arbeitsrechtsverhältnisses auf eine bestehende Forderung. Dieser Verzicht gilt noch als Gegenleistung für die Tätigkeit des Arbeitnehmers.223 Der Verzicht ist durch die Arbeitsleistung veranlasst und deshalb224 steuerpflichtiger Arbeitslohn. Hierdurch entstehen im Lohnsteuerverhältnis neue Rechtspflichten, aber auch rechtliche Unsicherheiten für den Arbeitgeber. Ist ihm im Abzugverfahren ein Fehler unterlaufen, hat er hierfür zu haften. Entrichtet er daraufhin die richtige Lohnsteuer, ist er zum Rückgriff beim Arbeitnehmer, dem Schuldner dieser Steuer, berechtigt. Verzichtet er auf den Rückgriff, erhöht sich der steuerpflichtige Lohn des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber hat eine entsprechend höhere Lohnsteuer zu entrichten, was wiederum zu einem Fehler im Abzugverfahren führen kann. Diese Rechtspflichten und Unsicherheiten treten zu der Zahllast, zu der lohnsteuerrechtlichen Verantwortung des Arbeitgebers hinzu, die dieser für den Arbeitnehmer mit Blick auf die Haftung und den Regress übernimmt.

VIII. Veranlagung Die Veranlagung nach § 46 EStG ist Teil des Erhebungsverfahrens, nicht des Abzugverfahrens, fällt deshalb in die Zuständigkeit der Finanzbehörden und nicht in die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers. Sie gleicht die vorläufig abgezogene Lohnsteuer der Einkommensteuerschuld an. Die Veranlagung wird von Amts wegen durchgeführt, wenn Steuernachzahlungen erwartet werden, liegt dann im Allgemeininteresse, im Interesse des Steuergläubigers.225 Sie wird auf Antrag des Arbeitnehmers, des Steuerschuldners, durchgeführt, wenn dieser Steuerermäßigungen berücksichtigt wissen will, die im Abzugverfahren nicht beachtet wurden.226 Insbesondere die Möglichkeit der Antragsveranlagung verdeutlicht, dass der Arbeitgeber die Steuer für den Arbeitnehmer nur vorläufig zahlt. Dies wird dadurch bekräftigt, dass durch die Veranlagung nicht das Abzugverfahren überprüft, sondern die Einkommensteuerschuld ermittelt wird.227 Beide Verfahren werden durch § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG verknüpft, nach dem die erhobene Lohnsteuer durch eine selbstständige Verfügung auf die Einkommengesetz. Körperschaftsteuergesetz. Gewerbesteuergesetz, Stand: Oktober 2001, § 42d Rdn. 126. 223 Offerhaus/Schmidt, Lohnsteuerrecht für Arbeitgeber, 2. Auflage 1990, Rdn. 27. 224 Anders aber Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug, 1990, S. 261. 225 § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG. 226 § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG. Insgesamt: Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 37. Lfg. April 2004, N Rdn. 1. 227 Heuermann/Wagner, Lohnsteuer. Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Stand: 28. Lfg. August 1999, N Rdn. 12.

IX. Wachsende Anforderungen an den Arbeitgeber

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steuer angerechnet wird. Im Streitfall über die Höhe der anzurechnenden Lohnsteuer entscheidet das zuständige Finanzamt durch einen Abrechnungsbescheid im Sinne des § 218 Abs. 2 AO. Mit dem Veranlagungsverfahren endet somit die Verpflichtung des Arbeitgebers. Die Festsetzung und Durchsetzung der Einkommensteuer obliegt dem Finanzamt; der Arbeitgeber hat vorher seine Schuldigkeit getan.

IX. Wachsende Anforderungen an den Arbeitgeber – Verfassungsgebot der Typisierung und der Vereinfachung 1. Die Belastung des Arbeitgebers Der Arbeitgeber hat zunächst zu prüfen, ob er überhaupt zum Steuerabzug verpflichtet ist. Er muss hierfür insbesondere feststellen, ob er einen steuerpflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, dabei unter anderem differenzierte Teilverselbstständigungen oder Unternehmensbeteiligungen von Mitarbeitern beurteilen. Im Anschluss ist der steuerpflichtige Lohn zu ermitteln und einem Lohnzahlungszeitraum zuzuordnen. Dabei ist nicht nur der arbeitsvertraglich geschuldete Lohn, sondern es sind zudem zum Beispiel Gratifikationen und geldwerte Sachleistungen – wie die unentgeltliche Nutzung eines Dienstfahrzeuges – zu erfassen und zu bewerten, Leistungen wie bei einer innerbetrieblichen Tombola dem Besteuerungszeitraum zuzuordnen. Hierbei trifft den Arbeitgeber nicht nur die Last der rechtlichen Qualifikation, sondern er muss den für den Lohnsteuerabzug maßgeblichen Sachverhalt in einem größeren Umfang aufklären, als der Amtsermittlungsgrundsatz und die Anrufungsauskunft nahe legen. Erbringt der Arbeitgeber einmalige Zahlungen oder Sonderzahlungen, ist die progressive Lohnsteuer in Anlehnung an den für den Jahreslohn geltenden Spitzensteuersatz zu ermitteln. Bei der Feststellung der Höhe der Lohnsteuer entlasten den Arbeitgeber die Lohnsteuerkarte, von Seiten des Staates lediglich teilweise bereitgestellte Programmablaufpläne sowie Pauschalierungen und eine Anrufungsauskunft. Ihm obliegen verschiedene Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten, er muss insbesondere ein gesondertes Lohnkonto für jeden Arbeitnehmer führen. Fehler im Abzugverfahren sind vom Arbeitgeber oft im Rahmen des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zu korrigieren. Die Mehrbelastungen, die ihn auf Grund einer Nettolohnvereinbarung treffen, rechtfertigen sich allerdings aus dieser privatschriftlichen Vereinbarung, die der Arbeitgeber freiwillig eingeht und die das gesetzliche Lohnsteuerschuldverhältnis nicht verändert. Die festgestellte Lohnsteuer muss der Arbeitgeber einbehalten, anmelden und abführen. Dabei ist er durch amtlichen Vordruck, elektronische Datenwege und bestimmte Verfahrensabläufe gebunden. Er unterliegt behördlichen Kontrollen und muss bei der Lohnsteueraußenprüfung mitwirken. Insgesamt haftet er für

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

die ordnungsgemäße Erfüllung der lohnsteuerrechtlichen Pflichten, ist insofern auch straf- und ordnungsrechtlich verantwortlich. Einen möglichen Regress beim Arbeitnehmer hat er in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko letztlich beim Arbeitsgericht geltend zu machen. 2. Die gebotene Typisierung – pauschale Erhebung der Lohnsteuer Bei der Abwicklung steuerlicher Massenverfahren hat der Gesetzgeber einen breiten Gestaltungsraum für typisierende und pauschalierende Regelungen,228 den er nutzen sollte. Die Freiheitsgarantien des Grundgesetzes und der Gleichheitssatz fordern gerade keine individualisierende Gesetzgebung,229 insbesondere wenn diese letztlich dem gleichmäßigen Gesetzesvollzug im Wege steht. Vielmehr verlangen der Gleichheitssatz und das Gebot der Rechtssicherheit eine allgemein verständliche, möglichst unausweichliche Besteuerung des Einkommens.230 Der Gesetzgeber könnte diesen Gestaltungsauftrag erfüllen, indem er grundsätzlich die pauschale Erhebung der Lohnsteuer anordnet, wodurch die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers beglichen würde,231 gleichsam ein einfaches Steuerrecht für Arbeitnehmer schafft, oder das Einkommensteuerrecht grundlegend umfänglich vereinfachen.232 Beide Rechtsgestaltungen würden nicht nur die Belastung des Arbeitgebers erheblich reduzieren. Zudem würde die Lohnsteuerschuld der Einkommensteuerschuld entsprechen, weswegen sich Veranlagungen erübrigen würden, die Finanzverwaltung würde entlastet. Der Arbeitgeber würde erheblich geschont, weil ihn letztlich – neben den reduzierten Aufzeichnungspflichten – nur noch eine schwerwiegende Last treffen würde, die Bemessungsgrundlage für die pauschale Lohnsteuer zu ermitteln, 228 BVerfGE 82, 159 (185 f.) – Absatzfond; 96, 1 (6) – Arbeitnehmerfreibetrag; 101, 297 (309) – Arbeitszimmer; siehe zum Steuerrecht: Brockmeyer, FS Offerhaus, 1999, S. 13 (17 ff.); L. Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, 1992. 229 Di Fabio, Wege zu besserer Gesetzgebung, 65. DJT in Bonn 2004, S. 3 sowie S. 5 ff., im Erscheinen, zitiert nach dem Manuskript. 230 BVerfGE 96, 1 (6) – Arbeitnehmerfreibetrag; 101, 297 (309) – Arbeitszimmer; siehe zur Folgerichtigkeit der Rechtsordnung BVerfGE 84, 239 (271) – Zinsbesteuerung; 87, 153 (170) – Grundfreibetrag; 93, 121 (136) – Vermögensteuer; 98, 106 (118 f.) – Verpackungsteuer. 231 Siehe zum geltenden Verfahren des pauschalen Lohnsteuerabzugs oben unter II. 4.; siehe zum Lohnsteuerrecht allgemein Albert, in: Seer, Bochumer Lohnsteuertag, 2005, S. 139 ff.; zur pauschalen Lohnsteuererhebung ohne Abgeltungscharakter jedoch mit Blick auf ein vereinfachtes Steuerrecht Seer, ebenda, S. 159 (166 ff. m. w. H.). 232 Siehe zum Konflikt zwischen Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit Jachmann, FS Offerhaus, 1999, S. 1071 (1083 ff.); Lang, FS Meyding, 1994, S. 33 (34 ff.).

IX. Wachsende Anforderungen an den Arbeitgeber

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diesbezügliche Nachprüfungen der Finanzverwaltung zu dulden und an diesen mitzuwirken. Diese reduzierte Belastung ist sachgerecht, weil sie die Informationen des Arbeitgebers über seine Arbeitnehmer nutzt; die über diesen Blickwinkel hinausgehenden sachfremden Verpflichtungen des Arbeitgebers würden reduziert. Die – trotz der staatlichen Unterstützung – komplizierte Ermittlung der Höhe der Lohnsteuer würde wie der Lohnsteuer-Jahresausgleich und das Lohnsteuerermäßigungsverfahren entbehrlich. Letzteres würde die Gemeinden, die die Lohnsteuerkarte ausstellen, erheblich entlasten, ihre Tätigkeit ebenfalls auf die ihnen zugänglichen Informationsquellen, das heißt sachgerecht zurückschneiden. Würde eine zentrale Datenbank für Besteuerungsmerkmale geschaffen und dieser die Tätigkeit der Gemeinden übertragen, würden letztere gänzlich entlastet, aber insbesondere die notwendige Kommunikation mit dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer nicht nur durch den elektronischen Datenverkehr, sondern in erster Linie durch den spezialisierten einen Kommunikationspartner erleichtert.233 Nach einer grundsätzlichen, gesetzlichen Anordnung der pauschalen Erhebung der Lohnsteuer würde nicht mehr der Arbeitgeber, sondern der hierfür zuständige Gesetzgeber die Entscheidung für eine Vereinfachung und Steuerentlastung treffen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Pauschalierung der Lohnsteuer würden ausgeräumt.234 Der Arbeitnehmer würde gänzlich entlastet, weil die Besteuerung ohne seine unmittelbare Mitwirkung durchgeführt werden könnte. Seine private Finanzsphäre würde geschont und damit ein in Vergessenheit geratenes ursprüngliches Ziel des Abzugverfahrens235 wieder erreicht. Auch der Arbeitsaufwand der Finanzverwaltung würde erheblich verringert, weil die zeitraubenden Veranlagungsverfahren nicht durchgeführt werden müssten. 3. Verfassungsgebot der verhältnismäßigen Belastung Die erheblichen, derzeit geltenden lohnsteuerrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers sind Spiegelbild des komplizierten, sich ständig ändernden Einkommensteuerrechts,236 Konsequenz eines auch in Reaktion hierauf im Laufe der Jahre immer komplizierter ausgestalteten Lohnsteuerabzugverfahrens.237 Die Arbeitskraft des Arbeitgebers wird durch das Abzugverfahren gebunden, seinem Unternehmen entzogen, die Gründung und Führung eines Unternehmens wesentlich 233

Siehe hierzu oben unter II. 1. Siehe hierzu auch oben unter II. 4. 235 Siehe oben unter D. 236 Das geltende Einkommensteuerrecht wird als „Steuerdschungel“ oder „Steuerchaos“ bezeichnet (K. Vogel, JZ 1993, 1121 (1123); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, 2. Auflage, 2003, S. 574 f.; Jachmann, Wider das Steuerchaos, 1998; dies., Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000). 237 Siehe zur Entwicklung des Abzugverfahrens oben unter D. 234

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E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers

erschwert. Selbst ein Arbeitgeber, der Kenner des Steuerrechts ist, hat nur selten die Rechtssicherheit, bei der Entrichtung der Lohnsteuer für seine Arbeitnehmer rechtmäßig zu handeln. Das Lohnsteuerrecht verpflichtet aber im Regelfall einen Arbeitgeber, der nicht auf die Steuerrechtsanwendung spezialisiert ist, die komplizierten Pflichten folglich nicht aus eigener Kraft erfüllen kann, auf Steuerberatung oder – bei größeren Unternehmen – auf spezialisierte Lohnsteuerabteilungen angewiesen ist. Insbesondere vor diesem Hintergrund lenken die Haftungsfolgen, auch das Gebot der allgemeinen Rechtssicherheit den Blick auf die Freiheitsgefährdung, die durch die lohnsteuerrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers entsteht. Es stellt sich die Frage, ob der im Grundsatz verfassungsrechtlich zumindest nahe gelegte238 Steuerabzug in seiner gesetzlichen Ausgestaltung den Arbeitgeber überfordert, ihm eine von ihm selbst nicht tragbare, unverhältnismäßige Last auferlegt, auf Grund der komplizierten Ausgestaltung verfassungswidrig ist, ob eine durch das Abzugverfahren in Anspruch genommene Sozialpflichtigkeit der Unternehmertätigkeit – seiner Berufs- und Eigentümerfreiheit – durch ein staatliches Entgelt für die Verwaltungsleistung des Arbeitgebers derart abgemildert werden kann, dass ein Überschreiten der Grenze zur grundrechtlichen Unverhältnismäßigkeit vermieden wird.239 Die erheblichen Vorzüge des Abzugverfahrens, seine Effizienz, die Sicherung der Steuereinnahmen, die Unausweichlichkeit der Steuerschuld – beides auch Garanten einer maßvollen Steuerlast240 – sowie die Schonung der finanzwirtschaftlichen Privatsphäre des Steuerpflichtigen werden durch die Überforderung des Arbeitgebers erkauft, damit verfassungsrechtlich in Frage gestellt.

238 239 240

Siehe oben unter D. VII. Siehe insgesamt sogleich unter F. Siehe hierzu oben unter D. VII.

F. Die Grundrechte des Arbeitgebers Der Arbeitgeber wird durch das Lohnsteuerrecht verpflichtet, als Erfüllungshelfer des Arbeitnehmers erhebliche Leistungen zu erbringen, die ihn regelmäßig überfordern, die er ohne fremde Hilfe kaum erfüllen kann. Durch diese Verpflichtung ist er in seiner Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG), in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), vom allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weniger in der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) betroffen.

I. Die Verpflichtung des Arbeitgebers als methodische Herausforderung 1. Die Trennung des grundrechtlichen Lebensbereichs vom Schutzbereich Die Grundrechtsdogmatik hat die Aufgabe, den Rechtsanwender zweckmäßig, folgerichtig und verlässlich zur Lösung der Rechtsfrage zu führen, ihm die verschiedenen Wege der Grundrechtsinterpretation zu weisen.1 Dabei muss die vorgefundene Wirklichkeit sachgerecht und umfassend berücksichtigt werden, um den grundrechtlichen Garantien der Freiheit und Gleichheit gerecht zu werden, den freiheitlichen Respekt vor der vorgefundenen Wirklichkeit zu entfalten, der Rechtsanwendung Überzeugungskraft zu geben. Die Lehre empfiehlt, die Freiheitsgrundrechte dreistufig zu prüfen.2 Im Rahmen der Prüfung des Schutzbereichs wird die Freiheitsgarantie eines Grund1 Cremer, Freiheitsgrundrechte, 2003, S. 16 ff. m. w. H., insbes. S. 18 f.; siehe zudem Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, im Erscheinen, 2005, „Prolegomena“. Dogmatik ist ein System, das die Anwendung des Rechts steuern soll. Eine „allgemeine Dogmatik“ ist dabei von einer „bereichsspezifischen“ wie der Grundrechtsdogmatik zu unterscheiden (Volkmann, JZ 2005, 261 (262), mit einem konzentrierten Blick auf die Grundrechtsdogmatik; siehe zudem grundlegend Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, 5. Auflage 1911, S. IX; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, inbes. S. 263 ff.; A. Schmitt Glaeser, Vorverständnis als Methode, 2004, zum Begriff der Methodik S. 128 ff., zur Aufgabe der Dogmatik S. 236 ff.; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band 1, 2. Auflage 2002, insbes. Rdn. 402 ff.; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 3. Auflage 1999, insbes. Rdn. 6 ff.). 2 Pieroth/Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 20. Auflage 2004, Rdn. 195 ff.; Ipsen, Staatsrecht II. Grundrechte, 7. Auflage 2004, S. 39 ff.; Maurer, Staatsrecht I.

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

rechts mit Blick auf die zu lösende Rechtsfrage erörtert. Die Eingriffsprüfung untersucht die maßgebliche staatliche Maßnahme, fragt, ob eine rechtserhebliche Belastung oder Begünstigung vorliegt, rechnet gegebenenfalls das Handeln Dritter oder faktische Beeinträchtigungen dem Staat zu. Danach wird die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Maßnahme geprüft, erörtert, ob das staatliche Handeln die Verfassung verletzt, insbesondere ob die Maßnahme auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und verhältnismäßig, unter Wahrung der praktischen Konkordanz,3 ihr Ziel verfolgt.4 In Abweichung von dieser gefestigten Grundrechtsprüfung ist vorgeschlagen worden, den Schutzbereich eines Grundrechts von seinem Sach- und Lebensbereich zu unterscheiden.5 Der Lebensbereich erfasse den Raum, in dem die Freiheit sich ereignet, beispielsweise der Beruf gewählt und ausgeübt wird, der Schutzbereich hingegen die grundrechtliche Gewährleistung, die Freiheitsgarantie.6 Mit dieser Lehre werden in erster Linie die weiten Schutzbereiche insbesondere der Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt in Frage gestellt. Der LebensGrundlagen Verfassungorgane Staatsfunktionen, 3. Auflage 2003, S. 284 ff.; Dietlein, Examinatorium Staatsrecht, 2002, S. 7; Dreier, in: ders., Grundgesetz. Kommentar, Band I, 2. Auflage 2004, Vorb. Rdn. 119 ff. m. w. H.; Enders, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: April 2003, vor Art. 1 Rdn. 94 ff., erörtert aber in einem Prüfpunkt den Eingriff in den Schutzbereich; siehe insgesamt zudem Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, S. 318 ff.; Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (167); Volkmann, JZ 2005, 261 (263) mit jeweils weiteren Hinweisen. 3 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auflage 1995, Rdn. 317 ff. 4 Die vierstufige Prüfung, nach der die so genannten Schranken von den Schranken-Schranken unterschieden werden, hat folgende Schwächen. Der Begriff der Schranken, den das Grundgesetz selbst in Art. 5 Abs. 2 GG verwendet, und der Schranken-Schranken erfassen die Rechtsprüfung nicht genau (siehe zu dem ohnehin mehrdeutigem Begriff der Schranke Pieroth/Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 20. Auflage 2004, Rdn. 208; siehe insgesamt insbesondere Kokott, Grundrechtliche Schranken und Schrankenschranken, HGR I, 2004, § 22). Der staatliche Eingriff in ein Freiheitsrecht wird entweder verhindert oder darf insbesondere zur Sicherung der Freiheitsentfaltung eines Dritten vorgenommen werden. Es geht folglich in erster Linie nicht um Schranken, sondern um Freiheitsentfaltung. Das treffendere Substantiv zum Verb einschränken ist in diesem Kontext ohnehin Be- oder Einschränkung, nicht Schranke (dies stellt Lerche, Grundrechtsschranken, HStR V, 1992, § 122 Rdn. 1, im ersten Satz des Beitrages über die Grundrechtsschranken durch einen Klammerzusatz fest). Der Begriff der Schranken würde insofern besser durch Einschränkung der Beschränkung ersetzt, wodurch jedoch ebenfalls der Gedanke der Freiheitssicherung nicht entfaltet würde. Schließlich verleitet der Begriff Schranke zu der bildlichen Vorstellung eines Bahnüberganges. In diesem Kontext ist die Vorstellung einer SchrankenSchranke absurd. 5 Siehe bereits Wahl, UTR 14 (1991), 7 (8 f.), und Schmidt-Aßmann, FS Hoppe, 2000, S. 649 (653); deutlicher: E.-W. Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (167 f.); siehe zudem Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (203 f.). 6 F. Müller, Normstruktur und Normativität, 1966, S. 185 f., unterscheidet zwischen Normbereich und Norm, betont dabei aber, dass Recht und Wirklichkeit miteinander verbunden sind; siehe hierzu Radbruch, FS Laun, 1948, S. 157 (160).

I. Die Verpflichtung des Arbeitgebers als methodische Herausforderung

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bereich wurde bisher – mangels eines anderen Prüfpunktes – im Rahmen des Schutzbereichs erörtert, der Schutzbereich daraufhin im Sog der Lebensbereiche mit diesen gleichgestellt. Dies hat zu einer erheblichen Ausweitung des Gesetzesvorbehalts geführt, zu einer Flut von Sonderregelungen, von Ausnahmetatbeständen,7 einer gesetzlichen Ausgestaltung fast des gesamten gesellschaftlichen Lebens, einer Einschränkbarkeit von grundrechtlichen Gewährleistungen ohne Gesetzesvorbehalt auf Grundlage von verfassungsimmanenten Schranken, die dem besonderen Schutz dieser vorbehaltlos geschützten Grundrechte nicht gerecht wird.8 Ergebnis ist letztlich ein Verlust, kein Gewinn an Freiheit.9 2. Normwirklichkeit und Norminhalt Auf Grundlage der Unterscheidung zwischen Lebensbereich und Schutzbereich kann letzterer in der Tat eigenständig definiert, auf die nur einen Teil des Lebensbereichs regelnde Aussage zurückgeführt werden. Die Erörterung des Sach- und Lebensbereichs erfasst aber nur ein Grundrecht, blendet folglich Verbindungen zwischen Grundrechten aus.10 Für einen Künstler greifen beispielsweise die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Kunst- und die Berufsfreiheit ineinander. Diese Wirklichkeit lässt sich nicht in verschiedene „Bereiche“ trennen. In einem ersten Prüfpunkt ist vielmehr die „Normwirklichkeit“ festzuhalten. In einer dogmatisch gesicherten Erörterung ist der Teil der Wirklichkeit zu zeichnen, auf den sich das Grundrecht bezieht, der von diesem vorgefunden und aufgenommen wird. Der konzentrierte Blick auf den zu prüfenden Einzelfall ist sachgerecht zu weiten. Für die richtige Anwendung des Rechts ist die Analyse der Wirklichkeit essentiell.11 So nimmt die Grundrechtsmündigkeit die 7

Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (230). Letzteres betont E.-W. Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (insbes. 170). 9 Siehe hierzu jüngst BVerfGE 105, 252 (265 ff.) – Glykol; 105, 279 (292 ff.) – Osho; Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (214 ff.); E.-W. Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (188 ff.); Kahl, Der Staat 43 (2004), 167 (insbesondere 185 ff.); Höfling, FS Rüfner, 2003, S. 229 ff.; P. M. Huber, JZ 2003, 290 (293 ff.), spricht davon, dass die genannten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts den Eingriff mit der Rechtfertigung gleichsetzen; siehe hierzu auch Murswiek, NVwZ 2003, 1 ff. Siehe insgesamt insbesondere auch das Sondervotum des Richters Grimm zu BVerfGE 80, 137 (164 ff.) – Reiten im Walde. Kritisch mit Blick auf engere Schutzbereiche und gleichzeitig auf die Trennung des Lebensbereichs vom Schutzbereich Dreier, in: ders., Grundgesetz. Kommentar, Band I, 2. Auflage 2004, Vorb. Rdn. 122; ders., Die Verwaltung 36 (2003), 105 (insbesondere 135 f.). 10 Siehe hierzu auch sogleich unter 3. sowie zu der grundsätzlichen Kritik an den Begrifflichkeiten, die räumliche Assoziationen hervorrufen Ipsen, Staatsrecht II. Grundrechte, 7. Auflage 2004, S. 38 f.; Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (226). 8

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

Realität auf, wenn sie mit Blick auf die Berufsfreiheit für einen Dreijährigen verneint, aber für einen Dreißigjährigen bejaht wird. In der Wirklichkeit angelegte Differenzierungen entsprechen z. B. der Unterscheidung der Religionsmündigkeit von der Wahlfähigkeit;12 der Blick auf den Einzelfall weitet sich, wenn nicht nur der durch den Rechtsfall Betroffene, sondern wenn der Typus Mensch leitende Anschauung bietet. Über die Bezugspunkte der Rechtsfrage und der grundrechtlichen Norm wird die Wirklichkeit handhabbar, kann sie in die Rechtsprüfung aufgenommen werden. Auch um dies zu verdeutlichen, wird hier die Bezeichnung „Normwirklichkeit“ vorgeschlagen. Die Normwirklichkeit ist von der grundrechtlichen Gewährleistung, vom „Norminhalt“ zu trennen. Der Begriff des „Schutzbereichs“ ist wie der Prüfschritt des „Eingriffs“ zu stark auf die abwehrrechtliche Funktion eines Grundrechts zugeschnitten. Die sich entwickelnde Grundrechtsdogmatik13 hat aber nicht nur die Abwehrfunktion der Grundrechte verdeutlicht, sondern Schutzund Leistungsansprüche hervorgehoben, die Grundrechtsbindung in der Drittwirkungslehre gestärkt. Das eine grundrechtliche Freiheit einschränkende Gesetz, aber auch das gesetzgeberische Unterlassen gefährden die Freiheit. Die Grundrechte müssen den neuen Gefährdungslagen hinreichend begegnen, die durch die Macht privater weltumspannender Unternehmen entstehen können, 11 Siehe BVerfGE 105, 252 (265 ff.) – Glykol; wobei in dieser Entscheidung die Normwirklichkeit zwar erörtert, aber nicht klar vom Norminhalt unterschieden wird, worunter die Entscheidung leidet. Zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen richten ihren ersten Blick auf die Wirklichkeit, um ausgehend von dieser die Rechtsprüfung zu entfalten. H.-P. Schneider, VVDStRL 43 (1985), 7 (12 ff.), stellt seiner Erörterung nach dem Blick auf die staatsphilosophischen Wurzeln und die historische Entwicklung die Analyse der „Berufswirklichkeit“ voran. Siehe auch Wahl, UTR 14 (1991), 7 (8 f.), und Schmidt-Aßmann, FS Hoppe, 2000, S. 649 (653), die den „Lebensbereich“ eines Grundrechts darstellen. Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 26, hält – mit konkreten Blick auf Art. 12 GG – eine „Realanalyse“ für notwendig: „Die Interpretation des Art. 12 Abs. 1 GG muß sich der wirtschaftlichen und sozialen Funktion der Berufsfreiheit bewusst sein. Nur durch eine solche Realanalyse werden die wirtschaftlichen und sozialen Problemlagen dieses Grundrechts sichtbar, denen sich die Verfassungsinterpretation stellen muß.“ Siehe jüngst auch Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, im Erscheinen, 2005, insbes. Prolegomena und Kapitel 8 III., der fordert, in einem ersten Schritt der Grundrechtsprüfung die „tatsächlichen Interessenkonstellationen“ exakt zu analysieren. 12 Zur Grundrechtsmündigkeit Pieroth/Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 20. Auflage 2004, Rdn. 123 ff. m. w. H. 13 Dreier, in: ders., Grundgesetz. Kommentar, Band I, 2. Auflage 2004, Vorb. Rdn. 119 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auflage 1995, Rdn. 349 ff.; H. H. Klein, Grundrechte am Beginn des 20. Jahrhunderts, HGR I, 2004, § 6 Rdn. 62 ff.; Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203 (208 f.); Lerche, Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsprägung und Grundrechtseingriff, HStR V, 1992, § 121 Rdn. 52, der insbesondere die Notwendigkeit einer klaren Dogmatik hervorhebt; siehe bereits Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, insbes. S. 34 ff.

I. Die Verpflichtung des Arbeitgebers als methodische Herausforderung

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durch den Rückzug des Staates auf eine Gewährleistungsverantwortung, wenn eine Aufgabe privatisiert wird,14 durch die Öffnung des deutschen Staates für die supranationale Europäische Union und für die Völkerrechtsordnung. Der Staat ist nicht nur Feind der Freiheit, wie es die Überschriften „Schutzbereich“ und „Eingriff“ suggerieren, sondern oft ihr Garant.15 Nach der Normwirklichkeit ist daher die maßgebliche „staatliche Maßnahme“ zu beleuchten, die dem Staat zurechenbar sein muss, die in ein Freiheitsrecht eingreift, aber insbesondere auch der Verwirklichung der Freiheit dienen kann.16 Die staatliche Maßnahme sollte vor dem Norminhalt geprüft werden, weil dieser mit Blick auf die konkrete Falllösung, auf die staatliche Maßnahme und die durch sie verursachte Grundrechtsbetroffenheit nicht in seiner ganzen Breite entfaltet werden muss. Der den Norminhalt sachgerecht eingrenzende Blickwinkel sollte so offen gelegt werden, ist folglich vor der Erörterung des Norminhalts zu diskutieren. Schließlich ist zu prüfen, ob die Maßnahme unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Interessen die Verfassung verletzt, ob sie mit Blick auf das Grundgesetz gerechtfertigt ist („Rechtfertigung“). 3. Sicherung realitätsgerechter, sachgerechter Rechtsanwendung Durch die Analyse der Normwirklichkeit anerkennt die Grundrechtsinterpretation das freiheitlich Vorgefundene – das Leben, die Integrität des Körpers, die Familie. Sie achtet die Gestaltung der individuellen Lebensbedingungen – die berufliche Qualifikation, die Bindung in der Ehe, die Firmengründung –, zeichnet umfassend die tatsächlichen Probleme, die zur Probe des Verfassungsrechts werden – die Lebens- und Gesundheitsgefährdung oder das Wohl der Kinder in der Familie, im Staat. Durch die Trennung des Norminhalts von der Normwirklichkeit fällt es leichter, den Norminhalt eines Grundrechts eigenständig, mit klareren Konturen darzustellen.17 Doch leistet die Analyse der Normwirklichkeit, die vorgeschlagene Prüfung der Grundrechte Entscheidendes mehr. 14

Siehe oben unter C. II. 5. Di Fabio, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, 43. Lfg. Februar 2004, Art. 2 Abs. 2 Rdn. 4 ff.; P. Kirchhof, Der Staat als Garant und Gegner der Freiheit, 2004. 16 Im Falle der mittelbaren Drittwirkung existiert regelmäßig zunächst keine staatliche Maßnahme, weil die Grundrechte hier in der Rechtsbeziehung zwischen Privaten wirken. Doch schon der unmittelbar durch die Grundrechte gebundene Richter der ersten Instanz muss sich die Frage stellen, ob sein Urteil als staatliche Maßnahme die mittelbare Drittwirkung hinreichend berücksichtigt, kann folglich mit Blick auf das zu fällende Urteil dem Aufbau folgen (siehe hierzu G. Kirchhof, in: Di Fabio, Verfassungsrecht und Verfassungsprozessrecht, 2004, S. 89 (100)). 15

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

Wird die Normwirklichkeit umfassend entfaltet, können in der Realität bestehende Verbindungen zwischen Grundrechten berücksichtigt werden, denen die Grundrechtsdogmatik bisher nicht gerecht wurde. Ein Pfarrer entfaltet seine Persönlichkeit im Glauben, im Beruf, den er ausübt. Bei der Diskussion der Glaubensfreiheit, der Berufsfreiheit und der allgemeinen Handlungsfreiheit ist diese Wirklichkeit maßgeblich, muss die tatsächliche Verschränkung von Glauben, Beruf und allgemeiner Lebensführung dargestellt werden, um den Ausgangspunkt der rechtlichen Erörterung trefflich zu erfassen. Diese Verschränkungen sollten nicht im Norminhalt diskutiert werden.18 Der Blick konzentriert sich hier auf die Frage, ob das zu prüfende Grundrecht Schutz spendet oder ob eine andere grundrechtliche Gewährleistung greift, ob das geschützte Verhalten auf Grundlage eines Gesetzesvorbehalts eingeschränkt werden kann. Erst wenn das Grundrecht einschlägig ist, die Art der Einschränkbarkeit feststeht, kann sich dessen Schutz durch eine bestimmte Verschränkung ggf. intensivieren und insbesondere die Zumutbarkeitsprüfung beeinflussen. Im Rahmen der Normwirklichkeit sind zudem Verbindungen zwischen verschiedenen Beeinträchtigungen festzuhalten, kann eine durch diese gesteigerte Betroffenheit des Grundrechtsträgers berücksichtigt werden. Das Bundesverfassungsgericht benennt dieses Problem in einer aktuellen Entscheidung, wenn es mit Blick auf moderne, insbesondere dem Betroffenen verborgene Ermittlungsmethoden von den Strafverfolgungsbehörden fordert, „mit Rücksicht auf das dem „additiven“ Grundrechtseingriff innewohnende Gefährdungspotential besondere Anforderungen an das Verfahren [zu] beachten“, insbesondere um eine verfassungswidrige Rundumüberwachung durch verschiedene Behörden zu verhindern.19 Auch die Gesamtbelastung des Arbeitgebers durch die zahlreichen an das Arbeitsverhältnis anknüpfenden Indienstnahmen muss als Rechtsproblem erkannt werden, was durch die Analyse der Normwirklichkeit geleistet wird, selbst wenn sich die Rechtsfrage nur auf einen Eingriff in die Berufsfreiheit, nur auf die Abzugspflicht des Arbeitgebers konzentriert. Nur dann wird die Beeinträchtigung des Arbeitgebers umfassend, realitätsgerecht erfasst, wird die mögliche verfassungswidrige kumulative Belastung erkannt, reduziert und durch geeignete Maßnahmen in Zukunft verhindert.20 17 E.-W. Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165 (insbes. 170), hebt hevor, dass nach Darstellung des Lebensbereichs insbesondere der Schutzbereich der Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt in Abgrenzung zur Normwirklichkeit enger definiert werden kann (siehe bereits oben unter 1.). 18 So aber BVerfGE 104, 337 (345 f.) – Schächten. Hier spricht das Bundesverfassungsgericht davon, dass der Schutz der Berufsfreiheit durch den „speziellen Freiheitsgehalt des Grundrechts der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verstärkt wird“ (346); siehe hierzu bereits BVerfGE 101, 361 (386) – Caroline von Monaco II. 19 BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 12. April 2005, 2 BvR 581/01 – GPSObservation, C. I. 3.

I. Die Verpflichtung des Arbeitgebers als methodische Herausforderung

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Demgegenüber überzeugt es nicht, mehrere Grundrechtseingriffe in der Rechtsprüfung zusammenzufassen. So wird vorgeschlagen, die Gesamtlast verschiedener Eingriffe zu erörtern, wenn der Grundrechtsträger in demselben Grundrecht beeinträchtigt wird und die Eingriffe im Wesentlichen dem gleichen Zweck dienen.21 Doch ist es mit Blick auf die Betroffenheit eines Grundrechtsberechtigten ebenso wie für den grundrechtlichen Schutz unerheblich, ob nur in ein Grundrecht – wie die Berufsfreiheit – oder in verschiedene Freiheiten – beispielsweise zusätzlich in die Religionsfreiheit oder den Schutz des Eigentums – eingegriffen wird, wenn die Gesamtlast nicht zu tragen ist. Die Grundrechte schützen den Betroffenen vor einer unzumutbaren kumulativen Belastung, gleichgültig ob diese die Berufsfreiheit oder die allgemeine Handlungsfreiheit betrifft. Führen isoliert betrachtet zulässige Indienstnahmen zu einer verfassungswidrigen kumulativen Belastung, liegt die Entscheidung beim Gesetzgeber und nicht bei den Gerichten, welche Indienstnahmen gemäßigt oder abgeschafft werden, um die Belastung in das Maß der Verfassung zu führen.22 20 Siehe zur Gesamtlast des Arbeitgebers unter B., zu der weiteren rechtlichen Erörterung der Gesamtbelastung unten unter G. 21 Lücke, DVBl. 2001, 1469 (1474, 1470), differenziert zwischen schlichten additiven Grundrechtseingriffen, bei welchen verschiedene Eingriffe zeitgleich erfolgen, und den sog. fortgesetzten Eingriffen dieser Art, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten aber noch andauern (insbes. 1470 f. und 1474 ff.). Das grundsätzliche Problem der Grundrechtsdogmatik zeichnete bereits Hufen, NJW 1994, 2913 (2916), der von der „kumulativen Wirkung von Grundrechtseingriffen“ spricht, jedoch anders als Lücke keine Verbindung zwischen Grundrechtseingriffen unter bestimmten Kriterien verlangt; siehe zuvor Grimm, NJW 1989, 1305; BVerfGE 82, 60 (84) – Familienexistenzminimum. Geißler, Der Unternehmer im Dienste des Steuerstaates, 2001, geht einen anderen Weg und diskutiert, ob der Halbteilungsgrundsatz (BVerfGE 93, 121 (137 f.) – Einheitswerte) unter anderem auf die Berufsfreiheit anzuwenden ist, lehnt dies aber im Ergebnis zu Recht ab (siehe zudem Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, 2002, S. 136 ff.; siehe zur allgemeinen Anwendbarkeit des Halbteilungsgrundsatzes auf Steuerlasten Arndt/Schumacher, NJW 1995, 2603). Der Grundsatz setzt ein Höchstmaß für Steuerbelastungen, zieht aber nicht eine generelle Grenze für Indienstnahmen. 22 Muss z. B. das Bundesverfassungsgericht eine isoliert betrachtet zulässige Indienstnahme am Maßstab der Verfassung prüfen – beispielsweise weil der Arbeitgeber eine geforderte Arbeitsleistung verweigert und daraufhin gegen den Bescheid vorgeht, der ihn zur Erfüllung der Verpflichtung auffordert –, führt die Erörterung der Normwirklichkeit, der Gesamtbelastung nicht dazu, dass diese oder andere Indienstnahmen vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nichtig erklärt werden. Das Prozessrecht bleibt – auch bei Erörterung der Normwirklichkeit – darauf ausgerichtet, einen Eingriff der Rechtsprüfung zu unterziehen (mit den konkreten Blick auf die Berufsfreiheit Hufen, NJW 1994, 2913 (2916); zum Verfassungsprozess Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, 2. Auflage 2001, Rdn. 178 ff. und Rdn. 190 f.). Es bleibt die Entscheidung des Betroffenen, gegen welchen Eingriff er vorgeht; er sollte nicht verpflichtet werden, sich gegen mehrere Eingriffe wehren zu müssen. Auch das Gericht urteilt folglich regelmäßig über die Verfassungsmäßigkeit eines Eingriffs. Das Bundesverfassungsgericht darf nur auf Antrag über den Antragsgegenstand entscheiden (siehe insgesamt Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, 2. Auflage 2001, Rdn. 178 ff. und Rdn. 190 f.; G. Kirchhof, Das Bundesverfassungsgericht, in: Menzel/Pierlings/

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

Die Darstellung der Normwirklichkeit leitet den Rechtsanwender dazu an – und bringt ihn nicht wie die übliche Dogmatik davon ab –, die beschriebenen Zusammenhänge zwischen Grundrechten und Eingriffen zu erfassen und rechtlich zu beurteilen. Die vorgeschlagene Grundrechtsprüfung hat zudem den Vorteil, dass die Normwirklichkeit in einem Prüfpunkt, gleichsam aus einem Guss dargelegt werden muss. Diese Abbildung der Wirklichkeit ist schärfer, vermeidet verfälschende Hervorhebungen, präsentiert den Ausgangspunkt der Rechtsprüfung transparent, wodurch dieser leichter überprüft werden kann. Der dann mögliche Vergleich mit einem anderen Zugang zu der Normwirklichkeit z. B. in vergleichbaren Gerichtsentscheidungen fördert die Realitätsgerechtigkeit der Rechtsprüfung. Diese muss sich in erster Linie bewähren, wenn sich die Wirklichkeit im Vergleich zu dem Zeitpunkt gewandelt hat, zu dem die Norm erlassen wurde.23 Insbesondere wird aber ein unzulässig reduzierter Blick auf die Realität vermieden, der die Auslegung des Rechts verfälscht, indem z. B. im Rahmen der Rechtfertigung Teile der Wirklichkeit willkürlich betont, andere jedoch sachwidrig ausgeblendet werden.24 Bei der Analyse der Realität muss regelmäßig auf andere Disziplinen zurückgegriffen werden, wofür insbesondere die Normwirklichkeit den methodisch überzeugenden Ort bietet und so unzulässige Grenzüberschreitungen, eine sachwidrige Vermischung der wissenschaftlichen Diskurse verhindert.25 Die Unterscheidung des Norminhalts von der Normwirklichkeit nimmt die grundrechtlichen Garantien der Freiheit und Gleichheit überzeugender auf als die bisherige Dogmatik, unterstützt die Entfaltung der grundrechtlichen Gewährleistungen. Die Garantie der Freiheit fordert den Respekt vor der Realität, vor den Gegebenheiten, die der Freiheitsberechtigte vorgefunden, auf die er sich eingestellt, die er selbst geschaffen hat. Ein Freiheitsrecht gewährleistet, dass der Freiheitsberechtigte nach seinen Vorstellungen in der Wirklichkeit wirken, diese verändern kann. Die dogmatisch gesicherte Erörterung der NormwirklichHoffmann, Völkerrechtsprechung, 2005, S. 59 ff.). Es kann und muss aber den Gesetzgeber, wenn es nach der Analyse der Normwirklichkeit eine verfassungswidrige Gesamtbelastung erkennt, in einer Appellentscheidung, einem Hinweis im Tenor (Benda/ Klein, Verfassungsprozeßrecht, 2. Auflage 2001, Rdn. 1279 ff. insbesondere auch zur rechtlichen und faktischen Bindungswirkung der Appellentscheidung; Stuth, in: Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 1992, § 78 Rdn. 22 ff. jeweils m. w. H.) zu der von der Verfassung geforderten Reduzierung der Gesamtlast aufrufen. 23 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage 1999, S. 170 ff., sprechen hier von einer geänderten „Normsituation“; siehe zudem jüngst A. Schmitt Glaeser, Vorverständnis als Methode, 2004, S. 273 ff. 24 Siehe zu diesem Problem Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 1967, S. 162 ff.; Voßkuhle, JuS 2004, 2 (5). 25 Siehe zu Fällen, in denen das Gesetz auf die Erkenntnisse einer anderen Wissenschaft verweist, Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 3. Auflage 1999, Rdn. 560 ff.

I. Die Verpflichtung des Arbeitgebers als methodische Herausforderung

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keit bestätigt den Respekt des freiheitlichen Staates vor der vorgefundenen und freiheitlich geschaffenen Realität. Die Gewährleistung eines Freiheitsrechts wird besser entfaltet, wenn zunächst festgehalten wird, welche vorgefundene Wirklichkeit – wie z. B. die körperliche Integrität oder die Geburt eines Kindes durch die Mutter – rechtlich reguliert wird und wie die Berechtigten ihre Freiheit genutzt haben, beispielsweise durch die Gründung eines Unternehmens und die Einstellung von Arbeitnehmern. Auch der Gleichheitssatz anerkennt die Wirklichkeit, die Unterschiede der Menschen, wenn er fordert, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln.26 Die Grundrechte fordern vom Staat, die Realität zu respektieren. Die Erörterung der Normwirklichkeit fasst diesen Respekt in einem Prüfpunkt, ein Wirklichkeitsverlust der Rechtsauslegung wird verhindert, der tatsächliche Ausgangspunkt der Rechtsfrage hervorgehoben,27 die Entfaltung der Gewährleistung der Grundrechte unterstützt. Die Analyse der Normwirklichkeit ist die dogmatische Reaktion darauf, dass das Recht das Leben regelt, der Blick des Juristen zwischen Wirklichkeit und Norm immer wieder hin und her wechselt.28 Insbesondere in der Natur des Menschen liegende, kaum veränderbare Gegebenheiten muss das Recht, muss die Auslegung des Rechts aufnehmen, will es den Menschen dienen und nicht von vornherein überfordern.29 Ein Familienrecht, das im Regelfall der Mutter das Kind entzieht, verletzt Art. 6 GG.30 Das Baurecht, das eine Konstruktion in Widerspruch zu den Regeln der Statik anordnet, verfolgt das Ziel der Bausicherheit in ungeeigneter Weise, ist folglich unverhältnismäßig und muss von keinem Architekten befolgt werden. Die vorgeschlagene Grundrechtsprüfung leitet dazu an, Recht und Wirklichkeit in Einklang zu halten, das Recht wirklichkeitsgerecht auszulegen.31 26

Siehe hierzu unter F. VI. Dabei weiß der Rechtskundige, auf welche Umstände es ankommen wird, ohne die Rechtsprüfung punktgenau vorweg nehmen zu müssen (Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage 1999, S. 99 ff.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 9. Auflage 1997, S. 45 f.). Trotzdem muss die Darstellung der Normwirklichkeit Ausgangspunkt der Rechtsprüfung sein und kann nicht am Schluss erfolgen, weil sie die tatsächlichen Grundlagen erfasst, auf die sich die gesamte Rechtserörterung bezieht. 28 Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Auflage 1963, S. 15; ders., Einführung in das juristische Denken, 9. Auflage 1997, S. 45 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage 1999, S. 101 f. m. w. H. 29 Insgesamt Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage 1999, S. 236 ff., insbes. S. 237. 30 Siehe insgesamt G. Kirchhof, AöR 129 (2004), 542, zur Normwirklichkeit des Grundrechts insbesondere S. 544 ff. 31 Realität und Recht stehen nicht beziehungslos nebeneinander, dürfen nicht auseinander fallen (Hesse, Die normative Kraft der Verfassung, 1959, insbes. S. 22; F. Müller, Normstruktur und Normativität, 1966, S. 185 f.; siehe hierzu auch Radbruch, FS Laun, 1948, S. 157 (160)). Recht und Wirklichkeit sollten grundsätzlich nicht in 27

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

Ungeachtet dieses neuen dogmatischen Ansatzes und des notwendigen Blickes auf die Gesamtlast des Arbeitgebers durch verschiedene Indienstnahmen32 empfiehlt es sich für die Rechtsprüfung der lohnsteuerrechtlichen Abzugspflichten, insbesondere für den gesetzlichen Eingriff in die Berufsfreiheit des Arbeitgebers,33 die Normwirklichkeit von dem Norminhalt zu trennen. Hierdurch wird hervorgehoben, dass der Arbeitgeber auf einen Markt angewiesen ist, in dem er seine unternehmerische Tätigkeit entfalten kann, auf die staatliche Organisationshilfe, das staatliche Recht, die Friedensordnung, die gut ausgebildeten Arbeitskräfte. Es wird bewusst, dass letztlich der Staat die Grundlagen, die Bedem „Rigorismus neukantischer Trennung von „Sein“ und „Sollen“ einander entgegengesetzt“ (Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band 1, 2. Auflage 2002, insbes. Rdn. 84; insges. Rdn. 84 ff. m. w. H.), nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es geht hier nicht darum, das Recht durch die Analyse der Wirklichkeit zu schwächen. In diese Richtung geht allerdings Carl Schmitt, Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1934, 2. Auflage der unveränderten Ausgabe 1993, insbes. S. 11 ff., S. 40 ff. und 50 ff. Die konkrete Ordnung könne jedenfalls den Grundsatz der Gewaltenteilung aber auch das Rechtsstaatsprinzip, die Herrschaft des Rechts durchbrechen (siehe zu diesem Verständnis von Schmitts Text Dahm, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 95. Band 1935, 181 (181); jüngst Anter, Die Macht der Ordnung, 2004, S. 187 ff., der jedoch die Kritik am konkreten Ordnungsdenken mit anderen Schriften Schmitts in Verbindung bringt, insofern Schmitt insgesamt, ausgehend vom konkreten Ordnungsdenken kritisiert). E.-W. Böckenförde (Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 6, 1984, Spalte 1312) stellt fest, dass das konkrete Ordnungsdenken eine rechtsmethodische und eine rechtsphilosophische Position verbinde; „beide wurden – möglicherweise bewusst – nicht deutlich voneinander unterschieden [. . .].“ (Siehe zum wissenschaftlichen Einfluss und insbesondere den philosophischen Quellen des konkreten Ordnungsdenkens Kaiser, Konkretes Ordnungsdenken, in: Quaritsch, Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt, 1988, S. 319 (insbes. 320 f.); jüngst Anter, ebenda, S. 187 ff.) Das konkrete Ordnungsdenken hatte in seiner Anwendung „ausgesprochen antiindividualistische, entrechtende Folgen für den einzelnen“ (Stolleis, Aussprache zu Kaiser, Konkretes Ordnungsdenken, ebenda, S. 339; siehe auch E.-W. Böckenförde, ebenda, Spalte 1313; Anter, ebenda, S. 187 ff.). Schmitt gewann den Eindruck, dass 1933 „eine einzigartige Machtzusammenballung vorhanden [sei] und damit die Chance, neue Ordnungen zu stiften. Das war der politische Impetus. [. . . Das konkrete Ordnungsdenken] sollte Einfluß nehmen auf die Rechtsentwicklung, wie sie sich 1933 abzeichnete, und sie in eine bestimmte Richtung lenken“ (E.-W. Böckenförde, Aussprache zu Kaiser, Konkretes Ordnungsdenken, ebenda, S. 336 f.). Hier interessiert eine wirklichkeitsgerechte Grundrechtsprüfung, die nicht die Wirklichkeit gegen das Recht ausspielt, sich nicht gegen den Rechtsstaat wendet, sondern diesem dient und so insbesondere die Freiheit, die Rechtssicherheit, die Kontinuität des Rechts schützt. Insofern sind Parallelen zum konkreten Ordnungsdenken nur schwer zu ziehen, welches aber im Kern – so Isensee, Aussprache zu Kaiser, Konkretes Ordnungsdenken, ebenda, S. 339 – „der alten Lehre von der Natur der Sache wie der späteren Lehre von den sachlogischen Strukturen“ entspricht (so auch Radbruch, FS Laun, 1948, S. 157 (158)). Isensee bemerkt hiernach – und insofern knüpft die vorgeschlagene Grundrechtsprüfung an das konkrete Ordnungsdenken an – „vielleicht könnte man heute versuchen, die Methode zu rehabilitieren dadurch, dass man [. . .] den Zusammenhang mit dem Kontinuum des Rechtsdenkens sichtbar macht.“ 32 Hierzu unten unter G. 33 Siehe hierzu sogleich unter IV.

II. Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG)

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dingung der freiheitlichen Entfaltung des Arbeitgebers schafft, aber auch, dass die gegenwärtigen lohnsteuerrechtlichen Erfüllungspflichten den Arbeitgeber überfordern, von ihm verlangen, Steuerexperten einzusetzen und zu vergüten. Insbesondere der Schutz der Berufsfreiheit fordert deshalb, den Norminhalt des Grundrechts im Anschluss an die Darstellung der freiheitlich gestalteten und rechtlich geformten Normwirklichkeit zu erörtern.

II. Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG) 1. Normwirklichkeit Jede Indienstnahme34 berührt die Normwirklichkeit der Arbeit, für die Art. 12 Abs. 2 GG Freiheit von Arbeitszwang gewährleistet. Der Indienstgenommene wird zu einer Handlung verpflichtet, die nicht lediglich in der Zahlung eines Geldbetrages liegt. Er wird zu einer bestimmten Arbeit gezwungen. Die Rechtsordnung kennt unterschiedliche Arbeitspflichten, die dem Grundrechtsträger gesetzlich auferlegt werden und für die er kein Entgelt erhält. Schüler sind zur Arbeit in der Schule verpflichtet,35 Eltern zur Erziehung ihrer Kinder,36 Straßenanlieger zur Gehwegreinigung.37 Jedenfalls die Verpflichtungen der Schüler und der Eltern sind für eine freiheitliche Verfassung unverzichtbar. Alle genannten Pflichten sind dem Grundrechtsträger in der Regel geläufig, er stellt sich auf die Erfüllung der Verpflichtungen ein, erwartet aber gleichzeitig, grundsätzlich selbstbestimmt über seine Arbeitskraft zu verfügen, sich die Arbeit selbst auszuwählen, jedenfalls zu keiner Arbeit gezwungen zu werden, die ihm schadet. In der Normwirklichkeit des Arbeitens herrscht grundsätzlich Freiheit. Sie gibt dem Staat vor, den Einzelnen nur zu einer Arbeit zu verpflichten, auf die er sich bereits eingestellt hat, die ihn jedenfalls nicht so stark belastet, dass sie der selbst gewählten Arbeit, dem Beruf, im Wege steht; insbesondere ein Arbeitgeber akzeptiert eine Arbeitspflicht eher, wenn er sie von Dritten erfüllen lassen kann. War nach dem Krieg die Mitwirkung jedes Einzelnen vonnöten, um ein zerstörtes Land wieder aufzubauen, so ist heute der Staat, der auf Staatsunternehmen verzichtet, eher auf die Mitarbeit der Bürger, der Steuerpflichtigen, bei der Steuererhebung angewiesen. Ausgehend von dieser Normwirklichkeit ist der Norminhalt des Art. 12 Abs. 2 GG zu entwickeln. 34

Siehe zu dem Begriff der Indienstnahme oben unter C. II. 3. Art. 7 Abs. 1 GG; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 7. Auflage 2004, Art. 7 Rdn. 5 f. mit Blick auf die Rechte der Eltern. 36 Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. 37 Siehe hierzu BVerwGE 22, 26. 35

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2. Staatliche Maßnahme Die gesetzliche Verpflichtung zur Mitarbeit im Lohnsteuerverfahren kann unmittelbar auf den Staat zurückgeführt werden. Sie ist dem Staat zuzurechnen, weil er den Arbeitgeber durch Gesetz zwingt, den Lohnsteuerabzug durchzuführen, ihn also hoheitlich zu einer Tätigkeit verpflichtet. Sie veranlasst eine Prüfung des Art. 12 Abs. 2 GG, weil diese Mitwirkungspflicht als Zwang zu einer bestimmten Arbeit verstanden werden könnte. 3. Norminhalt a) Freiheit von Arbeitszwang und Menschenwürde Das Bundesverfassungsgericht38 rückt Art. 12 Abs. 2 GG in die Nähe des Art. 1 Abs. 1 GG und legt – wie die überwiegenden Stimmen in der Literatur39 – das Grundrecht insbesondere mit Blick auf dessen Entstehungsgeschichte einschränkend aus. Das Grundrecht solle „die im nationalsozialistischen System üblich gewordenen Formen der Zwangsarbeit mit ihrer Herabwürdigung der menschlichen Persönlichkeit“ ausschließen.40 Auf diese historische Interpretation, die Arbeitszwang und Zwangsarbeit kaum noch unterscheidet, verwies das Gericht auch in späteren Entscheidungen.41 Erklärtes Ziel des „einheitlichen 38 Grundlegend: BVerfGE 22, 380 (383) – Kuponsteuer; 74, 102 (116 ff.) – erzieherische Arbeitsleistungen. 39 Siehe für die Litartur: Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz. Kommentar, Band 1, 4. Auflage 1999, Art. 12 Abs. 2 und 3 Rdn. 286; Tettinger, in: Sachs, Grundgesetz. Kommentar, 3. Auflage 2003, Art. 12 Rdn. 148; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 7. Auflage 2004, Art. 12 Rdn. 88 ff.; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Auflage 2000, Art. 12 Rdn. 77; Umbach, in: ders./Clemens, Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band I, 2002, Art. 12 Rdn. 127; Leibholz/Rink/ Hesselberger, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar an Hand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Band 1, 16. Lfg. Mai 1989, Art. 12 Rdn. 1121; Cannivé, Infrastrukturgewährleistung in der Telekommunikation zwischen Staat und Markt, 1999, S. 140 ff. Nach anderer Ansicht greift das Verbot des Art. 12 Abs. 2 GG auch dann, wenn der Zwang nicht entwürdigend wirkt oder die Gefahr der Entwürdigung mit ihm einher geht (siehe bereits – wenngleich nicht ausdrücklich – Scheuner, Die Vereinbarkeit des Kirchenlohnsteuerabzugverfahrens mit dem Grundgesetz, Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Band 2, 1971, S. 41 (44 ff.); Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 88 ff.; Gusy, JuS 1989, 710 (711); Heydemann, Die Durchsetzbarkeit von Verhaltensbindungen im Recht der begünstigenden Verwaltung, 1995, S. 122 f.; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz. Kommentar, 2. Auflage 2004, Art. 12 Rdn. 68; Pieroth/ Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 20. Auflage 2004, Rdn. 866 ff.; Ipsen, Staatsrecht II. Grundrechte, 7. Auflage 2004, S. 194 ff.). 40 BVerfGE 22, 380 (383) – Kuponsteuer. 41 BVerfGE 92, 91 (111 f.) – Feuerwehrabgabe; 83, 119 (125 ff.) – gemeinnützige Leistungen; 74, 102 (116, 120) – erzieherische Arbeitsleistungen; 30, 292 (312) – Erd-

II. Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG)

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Grundrechts“42 aus Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 GG sei, die Herabwürdigung der Person durch die Anwendung bestimmter Methoden des Arbeitseinsatzes auszuschließen. Beide Absätze besitzen hiernach die gleiche Schutzrichtung, sind nur mit Blick auf die Intensität des Eingriffs voneinander abzugrenzen. Art. 12 Abs. 2 GG schütze vor einer bestimmten, herabwürdigenden Tätigkeit, Art. 12 Abs. 3 GG verbiete hingegen, die gesamte Arbeitskraft des Verpflichteten über einen erheblichen Zeitraum oder unbegrenzt in Anspruch zu nehmen.43 Zwangsarbeit ist in dieser Lesart ein besonders schwerer Fall des Arbeitszwangs.44 Doch bereits im Jahre 198745 lockerte das Bundesverfassungsgericht den Bezug des Art. 12 Abs. 2 GG zur Garantie der Menschenwürde ohne ihn jedoch zu lösen.46 Das Verbot des Art. 12 Abs. 2 GG sei umfassend zu verstehen.47 Der Verfassungsgeber wolle „jede Art zwangsweiser Heranziehung untersagen [. . .], die auch nur im Ansatz die Gefahr begründet auszuufern, mißbraucht zu werden, und so in der Praxis zu einer Verletzung der Menschenwürde führen könnte. Dementsprechend sah er selbst herkömmliche allgemeine, für alle gleiche öffentliche Dienstleistungsverpflichtungen als Zwang zu einer bestimmten Arbeit an; er ließ sie, weil unerläßlich und verhältnismäßig, als Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot des Arbeitszwangs ausdrücklich zu (Art. 12 Abs. 2 GG) [. . .]. Das Verbot erfasst ebenfalls uneingeschränkt eine Verpflichtung zur Arbeit, die „ungerecht“ oder „bedrückend“ ist oder deren Durchführung eine „vermeidbare Härte“ darstellt, mit anderen Worten „unnötig beschwerlich“ oder „in gewisser Weise schikanös“ ist [. . .]. Der grundrechtliche Schutz richtet

ölbevorratung; siehe zudem 47, 285 (319), sowie das Urteil zur Bezahlung von Vollzugsarbeit, in dem das Gericht die im Rahmen der Gefangenenarbeit begründete Pflichtarbeit dem Art. 12 Abs. 3 GG zuordnet, sie aber als herkömmliche Form der Arbeit im Strafvollzug rechtfertigt (BVerfGE 98, 169 (199, 204 ff.) – Arbeitspflicht). 42 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Auflage 2000, Art. 12 Rdn. 77; Scholz, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band II, 19. Lfg., Art. 12 Rdn. 479; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 7. Auflage 2004, Art. 12 Rdn. 88; Umbach, in: ders./Clemens, Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band I, 2002, Art. 12 Rdn. 127 ff. 43 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Auflage 2000, Art. 12 Rdn. 90; Rittstieg, Reihe Alternativkommentare. Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage 2001, Art. 12 Rdn. 162; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz. Kommentar, Band 1, 4. Auflage 1999, Art. 12 Abs. 2 und 3 Rdn. 288 f. 44 Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 7. Auflage 2004, Art. 12 Rdn. 88 ff.; Umbach, in: ders./Clemens, Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band I, 2002, Art. 12 Rdn. 132; siehe insgesamt unten unter III. 2. 45 BVerfGE 74, 102 (116 ff.) – erzieherische Arbeitsleistungen. 46 BVerfGE 83, 119 (126) – gemeinnützige Leistungen 47 BVerfGE 74, 102 (118, 119) – erzieherische Arbeitsleistungen; das Gericht verweist ausdrücklich auf die Kuponsteuer-Entscheidung.

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sich aber auch gegen Zwangs- oder Pflichtarbeit als Methode der Rekrutierung und Verwendung von Arbeitkräften für Zwecke der wirtschaftlichen Entwicklung [. . .].“48 Vor der Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug schütze den Arbeitgeber dennoch die Berufsfreiheit und nicht Art. 12 Abs. 2 GG. Nicht „schon jeder Zwang zu einer mit der Berufsausübung in Beziehung stehenden Tätigkeit [falle] unter den besonderen Regelungsbereich des Art. 12 Abs. 2 GG. Ausschlaggebend [. . . ist nicht] die Anerkennung eines Vorrangs des Prüfungsmaßstabes der Berufsfreiheit, [. . . sondern] daß die auferlegten Tätigkeiten schon nach ihrer Art und ihrem Umfang ersichtlich nicht dem Schutzbereich des grundsätzlichen Verbots erzwungener Arbeit zugerechnet werden [. . . können], die Frage einer Einordnung unter die in Art. 12 Abs. 2 GG vorgesehenen Ausnahmen sich demnach gar nicht“ stellt.49 Nach dieser Rechtsprechung können die Banken, die die Kapitalertragsteuer einbehalten müssen,50 und der Arbeitgeber, der den lohnsteuerrechtlichen Erfüllungspflichten folgen muss,51 keinen Schutz durch Art. 12 Abs. 2 GG erwarten. Diese Auslegung des Art. 12 Abs. 2 GG ist nur schwer mit dessen Wortlaut in Einklang zu bringen.52 Die Freiheit von Arbeitszwang regelt das prinzipielle Verbot53 „zu einer bestimmten Arbeit gezwungen zu werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.“ Unzulässiger Zwang besteht hiernach nicht nur, wenn die Verpflichtung Gefahr läuft, die Menschenwürde zu verletzen, missbräuchlich ist oder eine „bedrückende“ oder „schikanöse“ Wirkung entfaltet. Der Wortlaut, aber auch die Entstehungsgeschichte des Grundrechts wenden sich gegen diese das prinzipielle Verbot verwässernde, die Freiheit der Bürger einengende Auslegung. b) Die Entstehung des Artikels 12 Abs. 2 GG aa) Abwehr der Sklavenarbeit und Gebot der gemeinsamen Aufbauarbeit Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee und der Parlamentarische Rat haben das grundsätzliche Verbot von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG) und Zwangsarbeit (Art. 12 Abs. 3 GG) sorgfältig erörtert. Unterschiedliche Anliegen prägten die Diskussion. Einerseits sollte nach der Erfahrung des Nationalso48

BVerfGE 74, 102 (120 f.) – erzieherische Arbeitsleistungen. BVerfGE 74, 102 (120) – erzieherische Arbeitsleistungen. 50 BVerfGE 22, 380 (383) – Kuponsteuer. 51 BVerfGE 74, 102 (119 f.) – erzieherische Arbeitsleistungen. 52 Zur Auslegung des Wortlautes und einem Rangverhältnis zwischen den einzelnen Auslegungsmethoden jüngst Cremer, Freiheitsgrundrechte, 2003, S. 50 ff. m. w. H. 53 Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 88. 49

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zialismus und angesichts des 1948 als bedrohlich empfundenen Totalitarismus im Osten Europas eine verlässliche Barriere gegen jegliche Form der Arbeitsverpflichtung errichtet werden. Andererseits bot gerade in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine allgemeine Pflicht zur Trümmerbeseitigung, zum Schutträumen, zum Wiederaufbau eine Grundlage für einen Zusammenhalt, auf den die freiheitliche Demokratie in Deutschland aufbauen musste. Der Herrenchiemseer Entwurf hatte in Art. 16 nach der Garantie der freien Wahl von Beruf und Arbeitsplatz einen Satz 2 vorgesehen, nach dem „Zwangsarbeit in jeder Form [. . .] unzulässig [sei], außer aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung.“54 Das Verbot der Zwangsarbeit wurde auf Vorschlag von Baade, Hülsmann und Carlo Schmid aufgenommen, die auf die „Bill of Rights“ hinwiesen und in den Westgebieten Deutschlands eine politische Freiheitszone schaffen wollten, ein deutliches Signal für die Ostgebiete.55 Das Verbot des Arbeitszwangs sollte verhindern, „unter anderem Namen effektiv Sklavenarbeit auf Zeit oder auf Dauer zu fordern.“56 Der Begriff Zwangsarbeit berge „in sich die Vorstellung von Sklavenarbeit.“57 Die Gefahr, junge Menschen zum Uranbergbau zu verpflichten, stand unmittelbar vor Augen.58 Später wurde der Tatbestand „Zwangsarbeit“ als „Zwang zur Arbeit nur im Vollzug einer gerichtlich angeordneten Freiheitsbeschränkung“59 gefasst und damit der heutige Art. 12 Abs. 3 GG entworfen. Dabei vergewisserte sich der Allgemeine 54 Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 2. Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, bearbeitet von Peter Bucher, 1981, S. 581. 55 Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 2. Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, bearbeitet von Peter Bucher, 1981, S. 225 mit Fußnote 110; Hülsmann wies auf die Schwierigkeiten mit den französischen Behörden hin, „weil auf deren Weisung laufend Arbeitskräfte aus ihren bisherigen Berufen herausgelöst werden müssen.“ 56 Abgeordneter Schmid, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 96. 57 Abgeordneter Zinn, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 98. 58 Abgeordneter Schmid, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 90 f.; Abgeordneter v. Mangoldt, 23. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 19. November 1998, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/II. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 619. 59 So der Entwurf zum Grundgesetz in der vom Allgemeinen Redaktionsausschuss redigierten Fassung, Stand vom 13.–18. Dezember 1948, Art. 12 Abs. 2 Satz 2, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 7. Entwürfe zum Grundgesetz, bearbeitet von Michael Hollmann, 1995, S. 140.

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Redaktionsausschuss, dass jede Zwangsarbeit – sei es im Strafvollzug, sei es in der Fürsorgeerziehung – nur auf Grund gerichtlicher Entscheidung zulässig ist.60 Grundsätzlich sollte damit der hoheitliche Zugriff auf die individuelle Arbeitskraft unterbunden werden. Andererseits wurden herkömmliche, maßvolle, allgemeine Dienstleistungspflichten als Bestandteil der neu zu bildenden Gemeinschaft verstanden. Einig war man sich darin, dass herkömmliche Dienstpflichten wie „Hand- und Spanndienste, Hilfe in Feuersnot, Wassernot, Deichnot, Aktionen gegen die Kartoffelkäfer und dgl.“ möglich bleiben müssten.61 Lebhaft umstritten war die Frage, ob die damals notwendigen Schutträumaktionen durch Dienstverpflichtung oder auf freiwilliger Basis organisiert werden sollten.62 Uneinigkeit bestand zudem über die Zulässigkeit der Verpflichtung zum Wegebau63 und zum Bau von Kanälen; letzteres könne „eine sehr schöne Sache“, aber auch „eine teuflische Sache“ sein.64 bb) Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft Die insofern schon exemplarisch diskutierte juristische Grenze zwischen der Abwehr einer staatlich erzwungenen Arbeit und der Zulassung maßvoller Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft sollte zunächst durch die Tatbestandselemente „im Interesse des gemeinen Wohls“, „im Rahmen einer allgemeinen öffentlichen Dienstleistungspflicht“ und durch den Gesetzesvorbehalt gezogen werden.65 Das Gemeinwohlerfordernis wurde dann aber verworfen, weil der Begriff 60 Stellungnahmen des Allgemeinen Redaktionausschusses, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 7. Entwürfe zum Grundgesetz, bearbeitet von Michael Hollmann, 1995, S. 140 Anm. 3; siehe auch der Abgeordnete Zinn, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 89 f. 61 Der Abgeordnete v. Mangoldt, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 94, siehe bereits S. 92, sowie den Abgeordneten Heuss, ebenda, S. 93. 62 Siehe die Abgeordneten Schmid, Nadig, v. Mangoldt, Wunderlich und Weber, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 94; der Abgeordnete Schrage, ebenda, S. 95; der Abgeordnete Paul, ebenda, S. 97. 63 Der Abgeordnete Wunderlich, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 92, und die Abgeordneten Heuss und Schmid, ebenda, S. 93. 64 Der Abgeordnete Schmid, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 93.

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des Gemeinwohls in der Vergangenheit überspannt worden und nicht scharf genug sei.66 Der Gesetzesvorbehalt schien nicht angemessen, weil er einerseits keine materielle Grenze setze,67 andererseits für die herkömmlichen kommunalen Hand- und Spanndienste ein Hindernis sei.68 Damit blieb das Tatbestandsmerkmal der allgemeinen, für alle gleichen, öffentlichen Dienstleistungspflicht.69 Teilweise wurde dieses Kriterium abgelehnt, weil eine Pflicht immer nur gewisse Schichten, aber nicht alle treffe.70 Dennoch wurde an der „allge65 Siehe Art. 5a in der Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses zu den Formulierungen der Fachausschüsse vom 10. November–5. Dezember 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 7. Entwürfe zum Grundgesetz, bearbeitet von Michael Hollmann, 1995, S. 37. 66 Die Abgeordneten Schmid und Heuss, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 93. Der Abgeordnete v. Mangoldt stellte – wie der Abgeordnete Schmid, ebenda, S. 96 – fest, dass im Interesse des gemeinen Wohls auch die Dienstverpflichtung zum Uranbergbau liegen könne, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/II. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 619; siehe auch oben unter C. II. 5. b). 67 Siehe insbes. Abgeordneter Schmid, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 96. 68 Siehe insbes. Abgeordneter Heuss, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 93. 69 Siehe hierzu die vorläufigen Formulierungen der Fachausschüsse vom 18. Oktober 1948, Art. 5 Abs. 3, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 7. Entwürfe zum Grundgesetz, bearbeitet von Michael Hollmann, 1995, S. 3; Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses zu den Formulierungen der Fachausschüsse, vom 10. November–5. Dezember 1948, Art. 5a Abs. 2, ebenda, S. 37; vom Hauptausschuss in erster Lesung angenommene Fassung vom 10. Dezember 1948, Art. 12 Absätze 2 und 3, ebenda, S. 94 f. – dies ist bereits mit Blick auf die hier interessierende Abgrenzung die Fassung des heute geltenden Art. 12 Absätze 2 und 3 GG; im Entwurf zum Grundgesetz in der vom Allgemeinen Redaktionsausschuss redigierten Fassung vom 13.–18. Dezember 1948 wurde lediglich noch vorgeschlagen, statt „bestimmter Arbeit“ „Dienstleistung“ zu schreiben, um einer nicht beabsichtigten zu engen Auslegung entgegenzutreten; außerdem wurde empfohlen, die Formulierungen „herkömmlich“ und „für alle gleich“ zu streichen; für Abs. 3 war von „Freiheitsbeschränkung“ statt „ Freiheitsentziehung“ die Rede, Art. 12 Abs. 2 Satz 1 und 2, ebenda, S. 140 mit Anm. 2 und 3; zur weiteren Entwicklung: vom Hauptausschuss des Parlamentarischen Rats in zweiter Lesung beschlossene Fassung vom 20. Januar 1949 und Stellungnahmen des Allgemeinen Redaktionsausschusses vom 25. Januar 1949, Art. 12, ebenda, S. 212; Vorschlag des Fünfer-Ausschusses für die dritte Lesung des Grundgesetzes im Hauptausschuss vom 5. Februar 1949, Art. 12 Abs. 2 und 3, ebenda, S. 343; vom Hauptausschuss in dritter Lesung angenommene Fassung vom 10. Februar 1949, Art. 12 Abs. 2 und 3, ebenda, S. 400; Fassung der vierten Lesung des Hauptausschusses vom 5. Mai 1949, Art. 12 Abs. 2 und 3, ebenda, S. 535; Entwurf des Grundgesetzes in der Fassung der zweiten Lesung des Parlamentarischen

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meinen“, das heißt im Interesse der Allgemeinheit liegenden71 und an der „für alle gleichen“ Pflicht72 festgehalten, um eine Arbeitsverpflichtung zu Gunsten gesellschaftlicher Gruppen oder zu Lasten einzelner Schichten auszuschließen. Hier konkretisiert sich folglich die Idee des Gleichheitssatzes. Diese Abgrenzung genügte den Urhebern des Grundgesetzes jedoch nicht, um einen Arbeitszwang verlässlich zu vermeiden. Nach eingehender Debatte73 verständigte man sich, dass lediglich „herkömmliche“ Dienstleistungspflichten zulässig seien, begrenzte mögliche Verpflichtungen also auf hergebrachte, zum Zeitpunkt der Verfassunggebung bereits – in einem Rechtsstaate74 – übliche Dienstleistungspflichten und entwarf gleichzeitig den heutigen Art. 12 Abs. 2 GG. Somit wurde die in der Normwirklichkeit angelegte Erwartung der Bürger nach Rechtssicherheit,75 sich auf die bestehenden Arbeitspflichten einzustellen und keinen neuen Verpflichtungen folgen zu müssen, in einem Tatbestandsmerkmal konkretisiert. Weitere Erläuterungen des Tatbestandes durch „Nachbarschaftshilfe,“76 „soziale Gemeinschaftsverpflichtung,“77 oder die ReduzieRates vom 6. Mai 1949, Art. 12 Abs. 2 und 3, ebenda, S. 574; und schließlich Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. 1). 70 Der Abgeordnete Paul, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 96. 71 Der Abgeordnete v. Mangoldt, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 94. 72 Der Abgeordnete v. Mangoldt, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 97; der Abgeordnete Wunderlich, ebenda, S. 97. 73 Siehe insbes. der Abgeordnete Wunderlich, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 97; der Abgeordnete v. Mangoldt, ebenda und die nachfolgende Erörterung. 74 Diese Prüfung spart gerade die Zeit des Nationalsozialismus aus (siehe oben). Das Tatbestandsmerkmal stellt sich insbesondere mit Blick auf die Missbrauchsgefahr gegen Neuregelungen (der Abgeordnete v. Mangoldt, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 97; siehe hierzu aber gleich unter 3. 75 Siehe oben unter 1. und allgemein unter I. 3. 76 Der Abgeordnete Schmid, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 91. 77 Der Abgeordnete Heuss, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle,

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rung auf die „Abwehr eines begrenzten Notstandes“78 nehmen Ausnahmesituationen in den Blick, erweitern aber den Tatbestand einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht nicht. Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 GG wehren nicht nur gesetzliche Anordnungen und deren Durchsetzung mittels Zwang ab.79 Das Verbot des Arbeitszwangs sollte ausdrücklich davor bewahren, dass jemand keine Arbeitslosenunterstützung erhält, wenn er „nicht schippt“80. Die Menschen sollten nicht zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, indem man ihnen die Unterstützung entzieht, die Lebensmittelkarten sperrt.81 Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 GG schützen in dieser Lesart auch vor mittelbaren Einwirkungen, die zu einer bestimmten Arbeit zwingen. Der Arbeitszwang definiert sich somit nicht durch den Eingriff, durch eine entwürdigende Wirkung. Auch dies wurde beim Bemühen, die „althergebrachten öffentlichen Dienstleistungsverpflichtungen“ von unzulässigen Verpflichtungen82 abzugrenzen, erörtert. „Die Grenze ist im Einzelfall nicht immer klar zu bestimmen. Es handelt sich im wesentlichen um eine Relation zwischen dem Nutzeffekt und dem Opfer, das der einzelne dabei zu bringen hat.“83 Dieser Gedanke der Verhältnismäßigkeit wird durch das Erfordernis der Gleichheit ergänzt. Der Vorschlag, eine für alle bestehende Dienstleistungspflicht nur anzuerkennen, wenn sie „der gleichen Gemeinschaft dient“84, wurde Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 93. 78 Der Abgeordnete Schmid, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 98. 79 Hierzu Waldhoff, Der Verwaltungszwang, 2002, der insbes. auf den Seiten 35 ff. [zitiert nach dem Manuskript] mit der Vollstreckung und der Sanktionierung die grundlegenden Arten der Rechtsdurchsetzung benennt. 80 Der Abgeordnete v. Mangoldt, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 94. 81 Der Abgeordnete Paul, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 96. 82 Hierzu der Abgeordnete Heuss, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 93. 83 Der Abgeordnete Schmid, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 93. 84 So der Abgeordnete Bergsträsser, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Proto-

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verworfen, weil das Kriterium keine hinreichende Grenze ziehe.85 Hingegen sollte der Arbeitszwang nicht ausschließlich auf „gewisse Schichten“ bezogen und insbesondere Fabrikanten nicht faktisch aus dem Zwang ausgenommen werden.86 Schließlich wurde auf ein verwaltungspraktisches, für die Steuerentrichtungspflicht aktuelles Anliegen hingewiesen: „Wir dürfen nicht die Trägheit und Bequemlichkeit des Regierens und Verwaltens unterstützen, wie sie unter dem Naziregime87 in Übung gewesen sind, wo man, sobald eine Schwierigkeit auftauchte, sich mit Zwangsmitteln behalf [. . .].“88 c) Maßstab für das Abzugverfahren Art. 12 Abs. 2 GG schützt nach seiner Entstehungsgeschichte als umfassendes Verbot des Arbeitszwangs89 Private grundsätzlich vor einer Indienstnahme durch den Staat,90 damit auch den Arbeitgeber vor der Verpflichtung, für den Arbeitnehmer die Lohnsteuer zu zahlen. Das Verbot konkretisiert sich dabei in einem besonderen Verhältnismäßigkeitsprinzip, das den Nutzen der Arbeit in Relation zum Opfer bringt, einem Kontinuitätsgebot und einem besonderen Gleichheitssatz. Die Arbeitsverpflichtung muss alle treffen, eine Klassengesetzgebung ist nicht möglich. Die Indienstnahme der Arbeitgeber ist hiernach zwar nicht von vornherein unzulässig, darf aber nicht in der „Trägheit und Bequemlichkeit“ der staatlichen Verwaltung ihren Ursprung haben. Allein die Entlastungsfolgen bei der Finanzverwaltung können die Verpflichtung des Arbeitgebers nicht rechtfertigen.

kolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 96. 85 Der Abgeordnete Schmid, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 96. 86 Der Abgeordnete Paul, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 96. 87 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 98 Fußnote 11: Korrigiert aus „Totalitarismus.“ 88 Der Abgeordnete v. Mangoldt, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 98 89 BVerfGE 74, 102 (118, 119) – erzieherische Arbeitsleistungen. 90 Siehe zu dem Begriff der Indienstnahme oben unter C. II. 3.

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Art. 12 Abs. 2 GG schließt eine maßvolle Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft nicht aus. Die Sozialpflichtigkeit ist durch die zugelassenen „herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflichten“ (Art. 12 Abs. 2 GG) im Kern verfassungsrechtlich vorgezeichnet. Insbesondere das Bemühen um eine Grenzziehung zwischen dem unzulässigen Zwang zur Arbeit im Uranbergwerk und zulässigen Indienstnahmen wie zur Abwehr eines Notstandes oder zur Nachbarschaftshilfe sucht Pflichten in dem zukünftigen demokratischen Rechtsstaat zu definieren und die übermäßigen, ungleichmäßigen und neuartigen Zugriffe auf die Arbeitskraft auszuschließen. Zulässige Dienstleistungspflichten werden so von dem Verbot ausdrücklich ausgenommen, obwohl durch sie regelmäßig keine entwürdigende Tätigkeit gefordert wird. Nach dem Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 GG erstreckt sich das Verbot folglich nicht nur auf herabwürdigende Arbeiten.91 Die Antithese zwischen totalitären Staaten und demokratischen Rechtsstaaten ist ein Anlass, aber nicht Gegenstand der Regelung des Art. 12 Abs. 2 GG. Art. 12 Abs. 2 GG schützt vor der Verpflichtung zu arbeiten, das heißt eine körperliche Handlung mit einer gewissen Schwere vornehmen zu müssen. Das Grundrecht bewahrt folglich von vornherein nicht vor Verpflichtungen, Geldund Sachleistungen92 zu erbringen oder kleinere Tätigkeiten auszuüben, die kaum beeinträchtigende Wirkung entfalten.93 Zwang zu einer bestimmten, konkretisierten94 Arbeit liegt nicht nur dann vor, wenn der Gezwungene die Arbeit selbst verrichten muss.95 Das Grundrecht soll 91 So aber die überwiegende Lesart, siehe oben unter a). Anders aber – wenngleich nicht ausdrücklich – bereits Scheuner, Die Vereinbarkeit des Kirchenlohnsteuerabzugverfahrens mit dem Grundgesetz, Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Band 2, 1971, S. 41 (44 ff.); ausdrücklich: Gusy, JuS 1989, 710 (711, 712 f.); Heydemann, Die Durchsetzbarkeit von Verhaltensbindungen im Recht der begünstigenden Verwaltung, 1995, S. 122 f.; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz. Kommentar, 2. Auflage 2004, Art. 12 Rdn. 68. 92 Gusy, JuS 1989, 710 (712); wenngleich nicht in gleicher Ausdrücklichkeit: Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Auflage 2000, Art. 12 Rdn. 78; Scholz, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band II, 19. Lfg., Art. 12 Rdn. 481. 93 Insgesamt Scholz, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band II, 19. Lfg., Art. 12 Rdn. 481; siehe zudem Göppel, Die Zulässigkeit von Arbeitszwang nach Art. 12 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes, 1967, S. 62 ff. 94 Art. 12 Abs. 2 GG verbietet den Zwang zu einer bestimmten, das heißt konkretisierten Tätigkeit, verhindert folglich zum Beispiel nicht die verfassungsrechtliche Pflicht, jeder solle sich eine Arbeit suchen (Scholz, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band II, 19. Lfg., Art. 12 Rdn. 482; Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 89). 95 So aber BVerwGE 22, 26 (27 ff.), das so begründet, warum die Pflicht der Straßenanlieger zur Reinigung von Wegen kein Arbeitszwang sei; Scholz, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band II, 19. Lfg., Art. 12 Rdn. 483; anders aber – wenngleich nicht audrücklich – Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 91 f.

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umfassend vor dem staatlichen Zugriff auf die Arbeitskraft bewahren. Es kommt nicht darauf an, wie der Gezwungene auf diesen Zugriff reagiert, ob der verpflichtete Vater seinen Sohn in den Kampf gegen die Feuersnot schickt. Der Vater bleibt der grundrechtlich Betroffene, die Beziehung zwischen Sohn und Vater ist für die Prüfung des Art. 12 Abs. 2 GG nicht entscheidend. Auch die Spanndienste, die zulässigen Arbeitszwang darstellen, konnten durch den Bauern oder durch seine Knechte verrichtet werden.96 Entscheidend ist, dass der Staat hoheitlich einwirkt, den Grundrechtsträger zwingt, seine Arbeitskraft gegen seinen Willen bindet, der Gezwungene nicht einvernehmlich, nicht freiwillig selbst tätig wird oder Dritte für sich arbeiten lässt.97 Wie er die Pflicht erfüllt, ist nicht maßgeblich. Auch dem Arbeitgeber, der den Lohnsteuerabzug durch ein Lohnbüro oder einen Steuerberater durchführen lässt, ist deshalb der Schutz durch Art. 12 Abs. 2 GG nicht von vornherein verwehrt. Das Verbot, Arbeitskraft in unzulässiger Weise zu binden, entfaltet seine schützende Kraft unabhängig davon, ob sich ein Arbeitgeber als juristische Person organisiert oder nicht, ob jeder Bewohner eines Dorfes oder das Unternehmen vor Ort zu einer Arbeit, zur tatkräftigen Hilfe gegen die Feuersnot verpflichtet wird. Das Grundrecht schützt auch eine juristische Person, die die Arbeit, zu der sie gezwungen wird, selbst nicht verrichten kann, sondern durch ihre Angestellte verrichten lässt; Art. 12 Abs. 2 GG ist seinem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar (Art. 19 Abs. 3 GG).98 Die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und nicht Art. 12 Abs. 2 GG schützt allerdings vor Verpflichtungen, die im Rahmen eines Berufs erfüllt werden müssen und diesen als Teilelement der Berufsausübung kennzeichnen, wie zum Beispiel die verpflichtende Prozessvertretung eines Anwalts oder die Anwesenheitspflicht eines Arbeitnehmers am Arbeitsplatz.99 Der Berufstätige wird zu diesen Tätigkeiten nicht gezwungen, sondern entscheidet sich freiwillig mit der Wahl des Berufs auch für die Erfüllung dieser, den Beruf kennzeichnenden Pflichten. Insoweit ist erheblich, ob die Arbeit als Nebenwirkung100 im Rahmen einer Berufstätigkeit erfüllt werden muss.101 96 Heydemann, Die Durchsetzbarkeit von Verhaltensbindungen im Recht der begünstigenden Verwaltung, 1995, S. 123. 97 Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 91; Scholz, in: Maunz/ Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band II, 19. Lfg., Art. 12 Rdn. 483; siehe insgesamt zur Typologie und rechtsbegrifflichen Erfassung des Zwangs Waldhoff, Der Verwaltungszwang, 2002, S. 70 ff., zum Rechtsbegriff insbes. S. 79 ff. [zitiert nach dem Manuskript]. 98 Rüfner, AöR 89 (1964), 312; Plewa, Die Verfassungsmäßigkeit der Indienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben am Beispiel des Gesetzes über Mindestvorräte an Erdölerzeugnissen vom 09.09.1965 in der Fassung vom 04.09.1975, 1978, S. 77. 99 Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 90. 100 Scholz, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band II, 19. Lfg., Art. 12 Rdn. 478, spricht von berufsinharenten Tätigkeiten, die keinen Arbeitszwang

II. Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG)

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Die lohnsteuerrechtlichen Abzugspflichten treffen den Arbeitgeber nicht als Berufstätigen, sondern als Schuldner von Einkommenszahlungen. Auch der private Arbeitgeber, der zum Beispiel eine Haushaltshilfe, einen Altenbetreuer oder einen Nachhilfelehrer beschäftigt, ist abzugspflichtig. Die Pflicht knüpft an die Einkommensquelle, nicht an eine Berufstätigkeit an, verpflichtet also zu einer Arbeit jenseits der gewählten Berufsausübung. Diese originäre Arbeitspflicht bindet wesentliche Arbeitskraft auf Dauer und mit wechselnden Maßstäben, verkürzt also die Berufsfreiheit der Arbeitgeber erheblich. Das Lohnsteuerrecht zwingt den Arbeitgeber daher zu einer bestimmten, von ihm nicht gewählten, seine Freiheit erheblich einschränkenden Arbeit, beansprucht insoweit den Schutz des Art. 12 Abs. 2 GG.102 4. Rechtfertigung der Erfüllungspflichten als herkömmliche Dienstleistungspflicht Die lohnsteuerrechtlichen Erfüllungspflichten des Arbeitgebers sind herkömmliche allgemeine, für alle gleiche öffentliche Dienstleistungspflichten im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG. Das Lohnsteuerrecht verletzt Art. 12 Abs. 2 GG nicht. Diese Pflichten existierten bereits bei Erlass des Grundgesetzes,103 sollten nach den Intentionen des Verfassungsgesetzgebers verfassungsrechtlich auch nicht abgeschafft werden. Zwar hat sich die Verpflichtung des Arbeitgebers seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes verändert und sogar erheblich gesteigert.104 Doch darf das Merkmal der Herkömmlichkeit nicht so missverstanden werden, dass die zu prüfende Pflicht in der vorgefundenen Form verharren müsste. Der Verfassungsgeber wollte vor neuen Arbeitspflichten schützen, um so eine sichere Barriere gegen Arbeitszwang zu errichten und nicht allein auf die weniger starren Tatbestandsmerkmale der allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht bauen. Der Gesetzgeber sollte aber weiterhin darstellen; siehe zudem Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 89; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Auflage 2000, Art. 12 Rdn. 78, der von Nebentätigkeiten spricht. Mit Schirra, Die Indienstnahme Privater im Lichte des Steuerstaatsprinzips, 2002, S. 87 f., schützt Art. 12 Abs. 2 GG nur vor Tätigkeiten, die nicht unter die Garantie eines anderen Grundrechts, insbesondere des Art. 12 Abs. 1 GG fallen. Diese Deutung ist aber mit dem Auftrag, umfassend vor Zwangsarbeit zu schützen, nicht vereinbar. 101 Zur „unselbstständigen Tätigkeit“ siehe Heydemann, Die Durchsetzbarkeit von Verhaltensbindungen im Recht der begünstigenden Verwaltung, 1995, S. 126 ff. m. w. H. 102 So auch BFHE 77, 408 (410); anders insbesondere das Bundesverfassungsgericht (ausdrücklich in BVerfGE 74, 102 (120 f.) – erzieherische Arbeitsleistungen) sowie Scholz, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band II, 19. Lfg., Art. 12 Rdn. 478. 103 Siehe oben unter D. 104 Siehe oben unter D. sowie auch unter B.

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

die zulässigen, herkömmlichen Dienstleistungspflichten an sich verändernde tatsächliche Umstände anpassen können. Die Indienstnahme muss dann im Wesentlichen dem gleichen Zweck wie die herkömmliche Pflicht dienen, ihr in Art und Intensität der Inanspruchnahme ähneln.105 Befällt zum Beispiel an Stelle des Kartoffelkäfers ein anderes Tier das Land und gefährdet die Ernte der Bauern oder wird eine neue Steuer eingeführt, verbietet Art. 12 Abs. 2 GG nicht, die Bürger für den Kampf um die Ernte einzusetzen oder die neue Steuer auf Grundlage einer Indienstnahme Privater an der Quelle zu besteuern.106 Der Gesetzgeber kann grundsätzlich auch auf eine gänzlich neue Entwicklung durch eine Indienstnahme reagieren, selbst wenn es dann regelmäßig keine Verpflichtung gibt, auf die sich das Kontinuitätsgebot sinnvoller Weise beziehen könnte. Herkömmlich meint dann gebräuchlich, überliefert mit Blick auf den Problembereich, die Fragestellung, die Art und Intensität der Verpflichtung allgemein in Vergleich zu herkömmlichen Indienstnahmen, weniger in Bezug auf eine bereits gebräuchliche konkrete Normwirklichkeit, auf eine tatsächlich bestehende Verpflichtung. Die Grundrechte beziehen sich nicht realitätsfern auf eine unveränderbare Normwirklichkeit, sondern halten Recht und eine sich entwickelnde Realität in Einklang. Forderten in der Mitte des letzen Jahrhunderts unbekannte, unvorhersehbare neue Techniken z. B. im Rahmen der Telekommunikation den Staat heraus, verbietet das Kontinuitätsgebot daher eine Indienstnahme nicht allein deshalb, weil es bisher keine vergleichbare Verpflichtung im Bereich des Postwesens gab. Die in der Grundform vor Inkrafttreten des Grundgesetzes bereits bestehenden lohnsteuerrechtlichen Erfüllungspflichten des Arbeitgebers verstoßen hiernach jedenfalls nicht gegen das Kontinuitätsgebot des Art. 12 Abs. 2 GG.107 Das spezielle Gleichheitsgebot des Art. 12 Abs. 2 GG, das insbesondere „Fabrikanten“ nicht von einer Verpflichtung ausnehmen sollte, scheint bei den steuerlichen Erhebungslasten zugunsten der „Fabrikanten“ zu wirken. Sie werden sich dagegen wehren, als einzige „Schicht“ – Arbeitgeber und Banken kön105 Scholz, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band II, 19. Lfg., Art. 12 Rdn. 486. 106 So ist – mit Scheuner, Die Vereinbarkeit des Kirchenlohnsteuerabzugverfahrens mit dem Grundgesetz, Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Band 2, 1971, S. 41 (45) – die erst nach 1945 eingeführte Pflicht der Arbeitgeber, die Kirchensteuer abzuziehen, herkömmlich im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG, weil durch die Pflicht die bereits bestehenden lohnsteuerrechtlichen Erfüllungspflichten in zulässiger Weise ausgedehnt werden. 107 Für das Ergebnis bereits Scheuner, Die Vereinbarkeit des Kirchenlohnsteuerabzugverfahrens mit dem Grundgesetz, Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Band 2, 1971, S. 41 (44 f.); siehe insgesamt auch Göppel, Die Zulässigkeit von Arbeitszwang nach Art. 12 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes, 1967, S. 132 ff., nach dem eine herkömmliche Dienstleistungspflicht „zum Zeitpunkt der Arbeitsanordnung im verfassungsgeprägten Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit als überkommener Bestandteil der Pflichtenordnung verankert ist“ (S. 133).

II. Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG)

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nen hier als Einheit gesehen werden – zu einer bestimmten Arbeit, zum Steuerabzug verpflichtet zu werden. Doch meint die „Allgemeinheit“ der herkömmlichen Dienstleistungspflicht in der Tradition der Hand- und Spanndienste und der ehrenamtlichen Tätigkeiten nicht eine Verpflichtung einer großen Zahl oder gar der Mehrheit der Inländer, sondern eine Allgemeinheit im Sinne des allgemeinen Gesetzes.108 Dieses errichtet durch seine Generellität eine Barriere gegen Gruppen- und Klassengesetzgebung. Die generell-abstrakte Verpflichtung aller Arbeitgeber belastet jeden, der Quelle eines Arbeitnehmereinkommens ist, unterscheidet also nicht nach Gruppen und Schichten, sondern wählt einen sachgerechten Anknüpfungspunkt für eine Quellenbesteuerung. Diese herkömmliche Dienstleistungspflicht ist „allgemein“ im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG. Die Urheber der Verfassung wollten darüber hinaus nur solche Pflichten zulassen, deren Nutzen das Opfer des Verpflichteten überwiegt, wie zum Beispiel die genannten Hand- und Spanndienste und Ähnliches. Es sollte verhindert werden, dass jemand in Person zu einer übermäßigen Verpflichtung herangezogen wird. Der Arbeitgeber wird durch das Abzugverfahren zwar erheblich belastet.109 Jedoch zeigt der Blick auf die Normwirklichkeit, dass er diese Dienstleistung nicht selbst erfüllen muss, sondern einen Steuerberater oder eine unternehmerische Steuerverwaltung dafür einsetzen kann, die Kosten hierfür über den Preis seiner Produkte am Markt die Konsumenten tragen. Derartige, durch Dritte erfüllbare Mitwirkungspflichten, betreffen weniger die individuelle Arbeit, mehr die Arbeitsorganisation eines Betriebes oder die Beauftragung eines Steuerberaters. Sie treffen nicht den Kern der Arbeit, sondern eine übertragbare, meist auch finanziell Dritte treffende Arbeitspflicht. Diese Mitwirkungslast sichert effektiv und unausweichlich das Steueraufkommen des Staates, dient damit einer maßvollen Besteuerung, gibt dem Steuerpflichtigen im Nettoaufkommen Planungssicherheit und schützt ihn vor staatlichen Informationseingriffen. Dieser hohe Nutzen des Quellenabzugs rechtfertigt, den Arbeitgeber zur Mitwirkung zu zwingen. Diese Beurteilung der Sozialpflichtigkeit der Arbeit wird durch einen anderen Aspekt der Normwirklichkeit bestätigt. Der Staat kann auf eine Selbstfinanzie108 Hofmann, in: Starck, Die Allgemeinheit des Gesetzes, 1987, S. 9 (33 f.); Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 93; Tettinger, in: Sachs, Grundgesetz. Kommentar, 3. Auflage 2003, Art. 12 Rdn. 155; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz. Kommentar, Band 1, 4. Auflage 1999, Art. 12 Abs. 2 und 3 Rdn. 302; Umbach, in: ders./Clemens, Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band I, 2002, Art. 12 Rdn. 138; ebenfalls, wenngleich nicht ausdrücklich: Scholz, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band II, 19. Lfg., Art. 12 Rdn. 487; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 7. Auflage 2004, Art. 12 Rdn. 93; mit Blick auf den Gleichheitssatz Wieland, in: Dreier, Grundgesetz. Kommentar, 2. Auflage 2004, Art. 12 Rdn. 69. 109 Siehe oben unter E.

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rung durch Staatsunternehmen nur verzichten, wenn er durch ein Steuersystem gestützt wird. Bei der Besteuerung ist der Staat auf die Mitwirkung der Steuerpflichtigen, auf deren Mitarbeit angewiesen. Jedoch darf die Mitarbeit den Einzelnen nicht derart belasten, dass er – wenn auch nur partiell – aus seinem Beruf gedrängt wird. Ansonsten würde die Mitwirkung der Steuerpflichtigen den Fluss aus der Steuerquelle reduzieren, das Steueraufkommen könnte – möglicherweise sogar besser – durch das Veranlagungsverfahren gesichert werden, der Nutzen der Quellenbesteuerung wäre nicht erkennbar, könnte das Opfer der Verpflichteten nicht rechtfertigen. Dies wird durch die Erwartung der Menschen bestätigt, dass eine staatliche Verpflichtung ihrer Berufstätigkeit nicht im Weg stehen darf. Die Abzuglasten des Arbeitgebers reduzieren aber nicht den Strom der Steuerquelle, gerade weil sie einschließlich der Kosten von dem Arbeitgeber Dritten übertragen werden können. Diese Normwirklichkeit weist aber gleichzeitig darauf hin, dass die konkrete Ausgestaltung der Mitwirkungspflichten die Sozialpflichtigkeit der Berufstätigkeit, also Art. 12 Abs. 1 GG, betreffen kann. Die Mitwirkungslasten des Arbeitgebers waren bei Erlass des Grundgesetzes geltendes Recht, sind also herkömmlich, treffen jedermann, der Quelle eines steuerbaren Einkommens ist, sind also allgemein, begründen für jeden Lohnzahler gleiche Mitwirkungslasten, sind deshalb für alle Gesetzesadressaten gleich. Das Lohnsteuerrecht bleibt im Rahmen der ausdrücklich benannten Ausnahmen des Art. 12 Abs. 2 GG, zwingt den Arbeitgeber somit in zulässiger Weise zu einer Arbeit. Das grundrechtliche Verbot des Arbeitzwangs wird nicht verletzt.

III. Freiheit von Zwangsarbeit (Art. 12 Abs. 3 GG) 1. Normwirklichkeit Die Wirklichkeit, die das Leben in Deutschland vor Ende des Zweiten Weltkriegs kennzeichnete und die Art. 12 Absätze 2 und 3 GG betrifft, war nicht nur von einer allgemeinen Arbeitspflicht geprägt, sondern auch von Strafanstalten, Arbeits- und Vernichtungslagern, in denen „Sklavenarbeit“110 verrichtet wurde. Die von Art. 12 Abs. 3 GG historisch nicht vorgefundene, aber nunmehr bestehende Normwirklichkeit ist durch eine Freiheit von Arbeitszwangsanstalten gekennzeichnet. Art. 12 Abs. 3 GG nimmt heute insofern nicht eine vorgefundene Wirklichkeit auf, sondern verbietet eine früher erlebte unzulässige Erscheinung staatlicher Gewalt. Der Einzelne erwartet von einem Rechtsstaat, grundsätzlich zu keiner Arbeit gezwungen zu werden (Art. 12 Abs. 2 GG), verlangt 110 Abgeordneter Zinn, 5. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen vom 29. September 1948, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Band 5/I. Ausschuß für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhard Pikart und Wolfram Werner, 1993, S. 98.

III. Freiheit von Zwangsarbeit (Art. 12 Abs. 3 GG)

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von ihm, Zwangsarbeit schlechthin zu unterlassen (Art. 12 Abs. 3 GG), vertraut seine Sicherheit, die Ordnung aber gleichzeitig einem Staat an, der für diese Gewährleistung Justizvollzugsanstalten einsetzt; in diesen Anstalten arbeiten die Verurteilten. Diese Wirklichkeit nimmt das grundrechtliche Verbot der Zwangsarbeit auf. 2. Staatliche Maßnahme und Norminhalt Die Absätze 2 und 3 des Art. 12 GG verbieten beide eine staatliche Arbeitsverpflichtung. Das Verbot des Arbeitszwangs unterbindet eine staatliche Verpflichtung zu einer bestimmten, vom Betroffenen nicht gewollten Arbeit. Das Verbot der Zwangsarbeit hingegen richtet sich gegen eine Arbeitsverpflichtung, die unter staatlicher Zwangsaufsicht steht und durch einen staatlich beherrschten Arbeits- und Tagesablauf charakterisiert wird, der nicht zwingend den ganzen Tag bindet, aber in der Regel den Zugriff auf die Arbeitskraft jederzeit ermöglicht. Arbeitszwang zwingt zur Arbeit, Zwangsarbeit meint Arbeiten in einer Zwangslage. Die Unterscheidung beider Absätze ist notwendig, weil Art. 12 Abs. 3 GG die Zwangsarbeit strikt verbietet, nur bei einer individuell gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässt, Arbeitszwang aber unter den Voraussetzungen einer allgemeinen, gleichen, herkömmlichen Dienstleistungspflicht möglich ist.111 Die Entstehungsgeschichte bestätigt diese Trennung zwischen der grundsätzlichen Abwehr einer Arbeitsverpflichtung und dem Verbot der Zwangsarbeit, das sich generell gegen die Sklavenarbeit wendet.112 Auch die Abgrenzung der Zwangsarbeit vom Arbeitszwang legt dies nahe, wie – parallel hierzu – der Richtervorbehalt und die Zulässigkeit allgemeiner herkömmlicher Dienstleistungspflichten. Bei einer Freiheitsentziehung kann der Verurteilte den Tagesablauf nicht mehr selbst beherrschen, in den staatlich diktierten Ablauf kann Arbeit integriert werden – Zwangsarbeit ist ausnahmsweise zulässig. Dieses Ergebnis wird durch die Normwirklichkeit bestätigt, die das prinzipielle Verbot des Arbeitszwangs vorgibt, aber gleichzeitig Strafvollzug kennt. Zu einer Arbeit darf der Grundrechtsträger hingegen grundsätzlich nicht gezwungen, kann aber im Rahmen herkömmlicher allgemeiner Dienstleistungen verpflichtet werden. Art. 12 Absätze 2 und 3 GG unterscheiden sich folglich in der Struktur der Inanspruchnahme, die regelmäßig durch deren Intensität bestätigt wird. Die In-

111 Andere betonen die gleiche Schutzrichtung des Art. 12 Absätze 2 und 3 GG; eine scharfe Unterscheidung der Absätze sei deshalb nicht erforderlich (deutlich: Umbach, in: ders./Clemens, Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band I, 2002, Art. 12 Rdn. 132). 112 Siehe oben unter II. 3.

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

tensität des Zwangs allein – die Dauer und der Umfang der Inanspruchnahme113 – kann die Abgrenzung aber nicht leisten.114 Einen Arbeitgeber, der zum Lohnsteuerabzug verpflichtet wird, nimmt der Staat so lange in Anspruch, wie er Arbeitnehmer beschäftigt, also für einen nicht begrenzten Zeitraum. Eine zulässige Inanspruchnahme zum Trümmerräumen kann die gesamte Arbeitskraft eines Leistungsfähigen binden, ihn gänzlich aus dem Berufsleben drängen. Trotzdem sind dieses keine Fälle der unzulässigen Zwangsarbeit. Art. 12 Abs. 3 GG verbietet die insgesamt von staatlicher Zwangsaufsicht beherrschte Arbeitsverpflichtung, wie sie in den so genannten Arbeits-, Erziehungs- und Konzentrationslagern mit Gewalt durchgesetzt wurde, dem freiheitlichen Staat deswegen prinzipiell fremd ist. Zwangsarbeit ist von vornherein nur möglich, wenn sie im Rahmen des Strafvollzugs,115 von Erziehungsmaßnahmen116 oder für die strafrechtliche Sicherungsverwahrung gerichtlich angeordnet worden ist. Der Norminhalt der „Zwangsarbeit“ steht der Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug nicht entgegen. Der Arbeitgeber erfüllt die Verpflichtung in seiner freiheitlich bestimmten Verantwortungssphäre und Unternehmensorganisation, steht nicht unter staatlicher Zwangsaufsicht, erfüllt im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses eine steuerliche Bringschuld für den Arbeitnehmer und auf dessen Rechnung.117 113 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Auflage 2000, Art. 12 Rdn. 90; Rittstieg, Reihe Alternativkommentare. Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage 2001, Art. 12 Rdn. 162; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz. Kommentar, Band 1, 4. Auflage 1999, Art. 12 Abs. 2 und 3 Rdn. 288 f.; Wieland, in: Dreier, Grundgesetz. Kommentar, 2. Auflage 2004, Art. 12 Rdn. 69; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 7. Auflage 2004, Art. 12 Rdn. 91; Umbach, in: ders./Clemens, Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band I, 2002, Art. 12 Rdn. 132. 114 In dieser Weise kritisch bereits Scholz, in: Maunz/Dürig/u. a., Grundgesetz. Kommentar, Band II, 19. Lfg., Art. 12 Rdn. 492; siehe auch Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 95 m. w. H. Nach anderer Auffassung verhindert das Verbot des Arbeitszwangs, für staatliche Zwecke verpflichtet zu werden, die Zwangsarbeit untersage Arbeitsverpflichtungen, die anderen Zielen dienen (Gusy, JuS 1989, 710 (714); in diese Richtung auch Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz. Kommentar, Band 1, 4. Auflage 1999, Art. 12 Abs. 2 und 3 Rdn. 297). Diese Trennung ist einerseits unscharf, weil nicht hinreichend klar ist, wann eine Arbeit staatlichen Zwecken dient (siehe hierzu oben unter C. II. 5. b). Andererseits lässt sich – bei aller Unklarheit – nur schwer widerlegen, dass die bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung gemäß Art. 12 Abs. 3 GG zulässige Zwangsarbeit auch staatlichen Zwecken dienen kann, wie beispielsweise einem funktionierenden Strafvollzug oder – bei sinnvoller Zwangsarbeit – auch weiteren Zwecken. 115 BVerfGE 98, 169 (199 ff.) – Arbeitspflicht. 116 BVerfGE 74, 102 (122) – erzieherische Arbeitsleistungen. 117 Siehe insgesamt oben unter C. II. und III.

IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

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IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) 1. Normwirklichkeit Art. 12 Abs. 1 GG garantiert die freie Wahl und Ausübung des Berufs. Das Grundrecht ist ausgehend von der Normwirklichkeit der Erwerbstätigkeit, der Sicherung individueller wirtschaftlicher Lebensgrundlagen durch Arbeit zu erörtern.118 Die Freiheitsausübung des Arbeitgebers ist auf einen Markt ausgerichtet,119 der von der privatrechtlichen Vertragsfreiheit geprägt ist, von einer gemeinsamen Währung, von der Zusammenarbeit mit – an staatlichen Schulen und Hochschulen – gut ausgebildeten Arbeitnehmern. Die Tätigkeit des Arbeitgebers hängt von der Nachfrage des Marktes ab, die dem Leistungsanbieter erst eine konkrete Erwerbschance schafft. Insoweit schützt die Berufsfreiheit einen Erwerb, der nicht nur staatliches Handeln abwehrt, sondern sich wesentlich auch auf den Staat, seine Rechtsordnung und Friedensgarantie, auf den Markt und die Nachfragekraft der Rechtsgemeinschaft stützt.120 Ein Unternehmer erwartet, dass er nicht in Konkurrenz mit Staatsunternehmen tritt, der Staat vielmehr den beruflichen Erwerb und die privatnützige Herrschaft über Wirtschaftsgüter in privater Hand belässt, sich durch Teilhabe am privaten Erfolg des Wirtschaftens, also durch Steuern finanziert. Die Gewährleistung der Berufsfreiheit hängt folglich von einem funktionierenden Markt ab, von dem Verzicht auf Staatsunternehmen und damit gleichzeitig von einer Staatsfinanzierung durch Steuern.121 Die Berufsfreiheit entfaltet sich in der so vorgefundenen und von der Verfassung aufgenommenen Normwirklichkeit. Die durch die Berufsfreiheit gezogene Begrenzung der lohnsteuerrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers ist mit Blick auf das Marktsystem, auf den Steuerstaat zu bestimmen. Das Abzugverfahren verpflichtet den Erwerbenden, bindet sein Kapital, insbesondere wenn er Dritte für den Steuerabzug einsetzt. Die nähere Betrachtung der tatsächlichen Betroffenheit des Arbeitgebers zeigt aber, dass die Mitwirkung im Lohnsteuerverfahren seine Erwerbstätigkeit belastet, weniger das von ihm 118

Siehe hierzu Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 27. BVerfGE 105, 252 (265 ff.) – Glykol. 120 Der Staat sichert die Voraussetzungen der Freiheit des gemeinschaftsgebundenen Menschen (Di Fabio, FS Badura, 2004, S. 77 (77 f.)). 121 Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, HStR VI, 1989, § 148 Rdn. 60 f., nach dem der Staat, wenn er durch eigene Unternehmen in den Wettbewerb mit privaten Unternehmen tritt, in die Berufsfreiheit eingreift; der Staat darf aber, weil er sich durch Steuern finanziert, nicht allein aus Gründen der Gewinnerzielung erwerbswirtschaftlich tätig werden. Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001, S. 41 ff., betont, dass sich die Wirtschaft von den Grenzen des Staates gelöst hat, der steuerfinanzierte Staat deshalb in einen „Standortwettbewerb“ mit anderen Staaten treten muss, sich folglich die Gewichte zwischen Staat und Wirtschaft verschieben (S. 43). 119

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

erworbene Kapital berührt.122 Die Abzugsverpflichtung knüpft an die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer an, die Kosten für den Einsatz von Dritten tragen über den Preis der Produkte die Konsumenten. Bereits die Normwirklichkeit qualifiziert die Abzugspflicht als eine gesetzliche Auflage der Erwerbstätigkeit, verweist damit auf den Grundrechtsschutz durch die Berufsfreiheit, nicht auf die das Erworbene schützende Eigentümerfreiheit. Doch verwischt die Wirklichkeit gleichzeitig die strikte Trennung der Eigentümerfreiheit von der Berufsfreiheit. Der Eigentümer, der sein Eigentum nutzt und hierdurch Geld verdient, sichert wie der Berufstätige durch Gelderwerb seine Lebensgrundlage. Diese Normwirklichkeit, die die Berufsfreiheit insofern in die Nähe der Eigentümerfreiheit rückt, ist bei der Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zu berücksichtigen. Die Unterscheidung zwischen der Normwirklichkeit der Erwerbstätigkeit und dem grundrechtlichen Norminhalt des Art. 12 Abs. 1 GG verdeutlicht zudem, dass das Grundrecht nicht jede staatliche Beeinträchtigung der Erwerbstätigkeit berührt. Der Erwerbende wird behindert, wenn er sich als Händler nach geänderten Ladenöffnungszeiten richten muss,123 Einkommensteuer zu zahlen hat, für die Fahrt mit dem Lieferwagen einen Führerschein benötigt124 oder wenn er bei einer eiligen Dienstfahrt vor einer lange verschlossenen Bahnschranke halten muss125 und deshalb die Ware verspätet liefert, hierdurch sein Ruf nachhaltig beschädigt, er weniger Aufträge erhalten wird. Durch all diese tatsächlichen Beschränkungen wird der Erwerb in eine allgemeine Ordnung integriert, die Pflicht zur Steuerzahlung, die Fahrerlaubnis, die verschlossene Bahnschranke beeinträchtigen die Erwerbstätigkeit. Dies bedeutet aber nicht notwendig, dass der Norminhalt des Grundrechts der Berufsfreiheit betroffen ist. Der Berufstätige übt seine Erwerbstätigkeit in der vorgefundenen staatlichen Ordnung aus. Dort findet er nicht nur die Regelungen des Straßenverkehrs, des allgemeinen Polizeirechts, des Baurechts oder des Umweltschutzrechts vor, sondern auch 122 Die Berufsfreiheit schützt den Erwerb. Hieran knüpft die Eigentumsfreiheit an (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG), die bestehendes Eigentum, erworbene vermögenswerte Güter garantiert und dem Eigentümer so einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich sichert. Die Eigentumsgarantie schützt folglich nur Rechtspositionen, die dem Grundrechtsträger bereits zustehen, aber nicht den Erwerb, nicht in der Zukunft liegende Chancen oder Verdienstmöglichkeiten (BVerfGE 105, 252 (277) – Glykol; 84, 133 (157) – Warteschleife; 30, 292 (334 f.) – Erdölbevorratung). 123 Insbesondere § 1 und § 3 des Gesetzes über den Ladenschluss in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 2003 (BGBl. I, S. 744; im Folgenden LadschlG). 124 § 2 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I, S. 310, ber. S. 919) zuletzt geändert durch das Änderungsgesetz vom 14. Januar 2004 (BGBl. I, S. 74; im Folgenden StVG); insbesondere § 2 Abs. 11 StVG i.V. m § 6 Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18. August 1998 (BGBl. I, S. 2214). 125 § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Straßenverkehrs-Ordnung vom 16. November 1970 (BGBl. I, 1565, ber. 1971, S. 38) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 22. Januar 2004 (BGBl. I, S. 117; im Folgenden StVO).

IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

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Zahlungslasten und Nebenpflichten zu diesen Lasten. Er muss Einkommensteuer zahlen, hierfür Vorauszahlungen leisten,126 eine Steuererklärung abgeben,127 als Arbeitgeber die Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer einbehalten und abführen.128 Jede dieser Verpflichtungen beeinträchtigt das Erwerben. Der Norminhalt ist demgegenüber aber enger gefasst, schützt nicht gegen jede dieser einschränkenden Verpflichtungen. Das Bundesverfassungsgericht grenzt den grundrechtlichen Norminhalt der Berufsfreiheit von den allgemeinen Rahmenbedingungen ab, die lediglich die den Erwerb stützende Rechtsordnung ausformen, nur die Normwirklichkeit der Berufsfreiheit betreffen. Das Gericht prüft nur Normen am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG, die die berufliche Betätigung unmittelbar zum Gegenstand haben,129 sowie – falls dies nicht der Fall ist – eine „berufsregelnde Tendenz“ deutlich erkennen lassen130 oder in ihren tatsächlichen Auswirkungen im Schwerpunkt typische Berufstätigkeiten betreffen.131 Maßnahmen des Staates mit berufsneutraler Zwecksetzung oder Wirkung, wie regelmäßig die Normen des Privatrechts,132 allgemeine staatsbürgerliche Pflichten,133 Besuchsverbote für Strafgefangene134 oder Zwangsmitgliedschaften135 betreffen den Norminhalt des Art. 12 Abs. 1 GG nicht. Diese Zuordnung wird präziser, wenn sie auf die Normwirklichkeit bezogen werden kann, auf die das Grundrecht freiheitschützend und freiheitsgewährleistend einwirkt. 2. Staatliche Maßnahme Die lohnsteuerrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers ist dem Staat zuzurechnen,136 beeinträchtigt den Arbeitgeber in seiner Erwerbstätigkeit. Der Staat zwingt den Arbeitgeber, seine für den privatnützigen Erwerb verfügbaren Handlungsmittel für den Lohnsteuerabzug einzusetzen. Das Gesetz, das den Arbeitgeber freiheitseinschränkend belastet, berührt die Berufsausübungsfreiheit des 126

§ 37 EStG. § 149 Abs. 1 Satz 1 AO, § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG. 128 § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG. 129 BVerfGE 13, 181 (185); Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 7. Auflage 2004, Art. 12 Rdn. 11 m. w. H. 130 BVerfGE 37, 1 (17) – Weinwirtschaftsabgabe; 70, 191 (214) – Fischereirechte; 97, 228 (253 f.) – Kurzberichterstattung; siehe bereits 13, 181 (186); 16, 147 (162); kritisch Seer, DStJG 23 (2000), 87 (92 ff. m. w. H.). 131 BVerfGE 97, 228 (254) – Kurzberichterstattung. 132 BVerfGE 31, 255 (265) – urheberrechtliche Vergütungspflicht. 133 BVerfGE 54, 251 (270) – Übernahme von Vormundschaften. 134 BVerfGE 49, 24 (48) – Kontaktsperre für Strafgefangene. 135 BVerfGE 10, 354 (363) – Erftverband; 32, 54 (63) – Betriebsbetretungsrecht. 136 Siehe bereits oben unter II. 2. 127

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

Art. 12 Abs. 1 GG. Der Norminhalt ist mit Blick auf diese staatliche Maßnahme zu entwickeln. 3. Norminhalt Art. 12 Abs. 1 GG garantiert allen Deutschen, ihren Beruf frei zu wählen und frei auszuüben.137 Der Arbeitgeber handelt als Teil der freiheitsberechtigten Gesellschaft138 und wird als natürliche Person und Deutscher oder als inländische juristische Person von Art. 12 Abs. 1 GG geschützt.139 Das Grundrecht hat einen einheitlichen Norminhalt; die Wahl und die Ausübung des Berufs können nicht trennscharf unterschieden werden.140 Der Norminhalt wird gleichwohl durch die Begriffe „Beruf“, „Arbeitsplatz“ und „Ausbildungsstätte“ bestimmt.141 Beruf ist jede dem Erwerb dienende Tätigkeit, die der Schaffung und Aufrechterhaltung einer ökonomischen Lebensgrundlage dient.142 Auch 137 BVerfGE 105, 252 (265) – Glykol; Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 32 ff. jeweils m. w. H.; siehe grundlegend: H.-P. Schneider, VVDStRL 43 (1985), 7 ff.; Lecheler, VVDStRL 43 (1985), 48 ff.; Pietzcker, NVwZ 1984, 550 ff.; Tettinger, AöR 108 (1983), 92 ff.; Hege, Das Grundrecht der Berufsfreiheit im Sozialstaat, 1977. 138 Siehe oben unter C. II. und III. 139 Bei juristischen Personen i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG (BVerfGE 105, 252 (265) – Glykol; 102, 197 (212 ff.) – Spielbankengesetz BW). Ausländer erfahren den notwendigen Schutz durch Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfGE 78, 179 (196 f.) – Heilpraktiker; 104, 227 (346) – Schächten; siehe aber für Bürger der Europäischen Union, die nicht Deutsche sind, Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, 7. Auflage 2004, Art. 12 Rdn. 10 f.; hierzu und insgesamt: Rüfner, Grundrechtsträger, HStR V, 1992, § 116 Rdn. 2 ff., insbes. Rdn. 29 ff., jeweils m. w. H.). 140 BVerfGE 7, 377 (400 f.) – Apothekenurteil: Die „Begriffe „Wahl“ und „Ausübung“ des Berufes lassen sich nicht so trennen, dass jeder von ihnen nur eine bestimmte zeitliche Phase des Berufslebens bezeichnete, die sich mit der andern nicht überschnitte; namentlich stellt die Aufnahme der Berufstätigkeit sowohl den Anfang der Berufsausübung dar wie die gerade hierin – und häufig nur hierein – sich äußernde Betätigung der Berufswahl; ebenso sind der in der laufenden Berufsausübung sich ausdrückende Wille zur Beibehaltung des Berufs und schließlich die freiwillige Beendigung der Berufsausübung im Grunde zugleich Akte der Berufswahl. Die beiden Begriffe erfassen den einheitlichen Komplex „berufliche Betätigung“ von verschiedenen Blickpunkten her.“ 141 Pieroth/Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 20. Auflage 2004, Rdn. 809. 142 BVerfGE 105, 252 (265) – Glykol; 97, 228 (253) – Kurzberichterstattung; 7, 377 (397) – Apothekenurteil. Geschützt werden nicht nur Berufe, die den traditionellen oder sogar rechtlich fixierten Berufsbildern folgen, sondern auch eigenwillige, unkonventionelle, unvorhersehbare Erwerbstätigkeiten. Insbesondere nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts muss die Tätigkeit aber auf Dauer angelegt sein (BVerfGE 97, 228 (253) – Kurzberichterstattung). Diese Eingrenzung überzeugt jedoch nicht. Wenn ein Hobbykünstler für einen einmaligen Auftritt eine seinen Lebensunterhalt stärkende Entlohnung erhalten soll, konkretisiert sich im Auftritt die spezifische Schutzrichtung des Art. 12 Abs. 1 GG. Er erbringt eine individuelle, wenngleich einmalige Leistung, die

IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

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Art. 12 Abs. 1 GG gewährt ein Freiheitsrecht, eine in die Rechtsgemeinschaft eingefügte Freiheit;143 schlechthin gemeinschaftsschädliche Tätigkeiten sind nicht geschützt.144 Ausbeutende oder wucherische Erwerbstätigkeiten gehören deshalb zur Normwirklichkeit des Erwerbens, aber nicht zum Norminhalt des Art. 12 Abs. 1 GG. Die Ausbeutung muss nicht erst durch ein – freiheitsbeschränkendes – Gesetz aus dem Norminhalt ausgenommen werden, sondern wird von vornherein vom Grundrecht der Berufsfreiheit nicht geschützt. Die Berufsfreiheit bewahrt als Abwehrrecht das Erwerbsleben vor jedem staatlichen Handeln, das dem Einzelnen ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Verhalten ganz oder teilweise unmöglich macht (Berufswahlfreiheit) oder wesentlich behindert (Berufsausübungsfreiheit).145 Von diesen für Art. 12 Abs. 1 GG erheblichen Maßnahmen sind die Normen zu unterscheiden, die lediglich den rechtlichen Rahmen des Wirtschaftslebens regeln, damit nicht speziell die Berufsfreiheit, sondern die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in ihrer Ausprägung als allgemeine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit146 betreffen. Art. 12 Abs. 1 GG mäßigt nur staatliche Maßnahmen, die den Beruf, den Erwerb durch Arbeit zum Gegenstand haben, die in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen und objektiv eine „berufsregelnde Tenseine wirtschaftliche Existenz sichert. „Es kommt letztlich darauf an, ob die Tätigkeit im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung und die wirtschaftliche Existenzsicherung hinreichend gewichtig ist.“ (Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Band 1, 4. Auflage 1999, Art. 12 Abs. 1 Rdn. 38). Die Berufsfreiheit schützt die Entscheidung des Bürgers, „jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als Beruf zu ergreifen und zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen. Er konkretisiert das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung und zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung“ (BVerfGE 82, 209 (223) – Krankenhausplan), mag er die Tätigkeit auch nur einmal ausüben (G. Kirchhof, in: Di Fabio, Verfassungsrecht und Verfassungsprozessrecht, 2004, S. 203 (215 f.)). 143 Siehe bereits oben unter 1. 144 Siehe BVerfGE 7, 377 (397) – Apothekenurteil. Das Bundesverwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass aus der Garantie des Art. 12 Abs. 1 GG nicht die Tätigkeiten herausgenommen werden dürfen, die gesetzlich verboten sind. Sonst könnte der Gesetzgeber den Schutzbereich des Grundrechts definieren, obgleich das Grundrecht den Bürger auch vor dieser staatlichen Gewalt schützen soll (BVerwGE 22, 386 (387 ff.); kritisch insgesamt Breuer, Freiheit des Berufs, HStR VI, 1989, § 147 Rdn. 43 f.). 145 Gleichgültig ist, „ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich (faktisch, informal), mit oder ohne Befehl und Zwang erfolgt [. . .]. Allerdings muss die Wirkung von einem zurechenbaren Verhalten der öffentlichen Gewalt ausgehen“ (BVerfGE 66, 39 (69) – Nachrüstung; Pieroth/ Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 20. Auflage 2004, Rdn. 240). 146 BVerfGE 37, 1 (18) – Weinwirtschaftsabgabe; Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, HStR VI, 1989, § 148 Rdn. 30 ff., spricht sich insbesondere auch mit Blick auf Steuernormen gegen diese Eingrenzung und für eine erweiterte, materielle Betroffenheit aus, weil die Abgrenzungsschwierigkeiten zu Lasten des Grundrechtsschutzes gingen.

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

denz“ deutlich erkennen lassen147 oder in ihren tatsächlichen Auswirkungen Tätigkeiten betreffen, die typischerweise beruflich ausgeübt werden.148 Deshalb greift die Verpflichtung, Einkommensteuer zu zahlen, nicht in die Berufsfreiheit ein. Sie berührt zwar die Normwirklichkeit, die Bedingungen des Erwerbs, beschränkt aber nicht den einzelnen Berufstätigen bei der Ausübung seines Berufs.149 Insofern unterscheidet sich das vom Norminhalt geschützte Verhalten von den Tätigkeiten, die sich in der Normwirklichkeit ereignen. Auch die Bahnschranke, die den Händler bei der Auslieferung behindert, seinen Umsatz zurückgehen lässt, oder das Erfordernis, einen Führerschein zu besitzen, regeln nicht die Erwerbsarbeit, greifen nicht in die Berufsfreiheit ein.150 Doch auch unter diesem Blickwinkel betrifft die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer zu ermitteln und abzuführen, seine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit. Der Grund hierfür besteht aber nicht darin, dass der Arbeitgeber erheblich belastet wird,151 weil er für einen Dritten – den Arbeitnehmer – Erfüllungslasten trägt,152 die Verpflichtung insofern den Rahmen der üblichen allgemeinen steuerrechtlichen Mitwirkungspflichten verlässt. Maßgeblich ist auch nicht, dass die Arbeit, zu der der Erwerbstätige verpflichtet wird, seiner Erwerbstätigkeit dient.153 Ansonsten würde jedenfalls die Verpflichtung der Arbeitgeber, die Kirchensteuer einzubehalten, nicht in die Berufsfreiheit eingreifen.154 Es kommt darauf an, dass die Verpflichtung aus der Erwerbstätigkeit folgt, Rechtsfolge des Erwerbs ist,155 die Arbeitskraft bindet, die für den Erwerb eingesetzt werden sollte, gerade bestimmten Erwerbstätigen, nicht jedermann auferlegt ist und so die Ausübung des Berufs beschränkt. Die vom Staat den Arbeitgebern durch Gesetz hoheitlich auferlegte Verpflichtung, die Lohnsteuer abzuführen, zwingt zur Arbeit (Art. 12 Abs. 2 GG), wirkt dann aber für die Erwerbsarbeitgeber auf deren Berufsausübung ein. Der 147 Siehe hierzu BVerfGE 37, 1 (17) – Weinwirtschaftsabgabe; 97, 228 (253 f.) – Kurzberichterstattung. 148 BVerfGE 97, 228 (254) – Kurzberichterstattung. 149 BVerfGE 47, 1 (21 f.); 81, 108 (121 f.) zu steuerlichen Vergünstigungen. 150 Die Verpflichtung eines Fernfahrers, eine besondere Fahrerlaubnis für einen LKW zu erwerben, greift aber in die Berufsfreiheit ein, weil die LKW-Fahrt gerade kennzeichnend für diesen Beruf ist. 151 Siehe oben unter D. und unter E., hier insbeonsdere IX. 1. und 3. 152 Siehe oben unter C. II. und III. 153 So aber Trzaskalik, DStJG 12 (1989), 157 (162 f.). 154 Anders aber eben Trzaskalik, DStJG 12 (1989), 157 (162 f.), der die Verpflichtung der Banken zum Einbehalt der Kapitalertragsteuer in konsequenter, wenngleich nicht überzeugender Weise nicht als Eingriff in die Berufsfreiheit, sondern in die allgemeine Handlungsfreiheit begreift. 155 Siehe hierzu BVerfGE 22, 380 (384) – Kuponsteuer; Seer, DStJG 23 (2000), 87 (94).

IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

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Quellenabzug begründet eine Arbeitsbelastung, bindet nicht jedermann, sondern die Arbeitskraft eines Arbeitgebers und seines Unternehmens, die unternehmerische, dem Erwerb dienende Verwaltung, betrifft die Ausübung seines Berufs.156 Der Arbeitgeber zahlt seinen Arbeitnehmern den Lohn als Gegenleistung für deren Arbeit, die seinem Erwerb dient, die diese ohne die Gegenleistung nicht für ihn verrichten würden. Die Lohnzahlung ist folglich wesentlicher Teil seiner Erwerbstätigkeit. Der Lohnsteuerabzug verknüpft gerade diese Tätigkeit mit der Pflicht, seine beruflich genutzte Verwaltungs- und Organisationskraft nicht für den eigenen Erwerb, sondern für die Erfüllungspflichten im Abzugverfahren einzusetzen. Insoweit ist der Arbeitgeber in der Ausübung seines Berufs beeinträchtigt. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber keine Erwerbsarbeit abnimmt, wie zum Beispiel bei einer Hilfe im privaten Haushalt. Den Arbeitgeber der Haushaltshilfe schützt die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und mehr noch der eine Gleichstellung aller Einkommensquellen fordernde Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die gesetzliche Maßgabe, nach der der Arbeitgeber den lohnsteuerrechtlichen Erfüllungspflichten nachkommen muss, greift somit in den Norminhalt der Berufsfreiheit des Arbeitgebers ein. 4. Rechtfertigung Der Staat verpflichtet den Arbeitgeber durch Gesetz, die Höhe der Lohnsteuer des Arbeitnehmers festzustellen, die Steuer einzubehalten und zu entrichten, greift deshalb unter Wahrung des Gesetzesvorbehaltes in die Berufsfreiheit des Arbeitgebers ein. Ein solcher Eingriff verletzt nicht grundsätzlich die grundrechtliche Gewährleistung, weil die Grundrechte weniger eine rechtsstaatliche Maßnahme abwehren, sie eher nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips mäßigen. Ein Grundrechtseingriff verletzt aber regelmäßig dann die abwehrrechtliche Gewährleistung, wenn er dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht genügt. Ein Eingriff in ein Grundrecht ist verhältnismäßig, wenn unter Berücksichtigung aller maßgeblichen, insbesondere der gegenüberstehenden Interessen der Beteiligten ein legitimer Zweck in geeigneter, erforderlicher und den Belasteten zumutbarer Weise verfolgt wird.157 Das Bundesverfassungsgericht hat im so ge156

Depenheuer, BB 1996, 1218 (1218). BVerfGE 30, 292 (315 ff.) – Erdölbevorratung, ständige Rechtsprechung; Pieroth/Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 20. Auflage 2004, Rdn. 279 ff.; v. Campenhausen, Verfassungsrechtliche Prüfung der Verpflichtung des Arbeitgebers zu Berechnung und Abführung der Kirchenlohnsteuer, Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, Band 2, 1971, S. 9 (9 f.), mit Blick auf die Kirchenlohnsteuer; siehe zum Kindergeld Depenheuer, BB 1996, 1218; für die Praxisgebühr Linke, NZS 2004, 186; siehe insgesamt zudem v. Mutius, VerwArch 63 (1972), 329 (insbes. 332 ff.). 157

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

nannten Apothekenurteil158 die Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Berufsfreiheit typisiert. Hiernach kann ein Eingriff in die Berufsausübung nur durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls159 gerechtfertigt werden. Subjektive Berufszulassungsbeschränkungen160 – Eingriffe in die Berufswahl – verletzen die grundrechtliche Gewährleistung der Berufsfreiheit nicht, wenn besonders wichtige Gemeinschaftsgüter sie zwingend erfordern. Objektive Berufszulassungsbeschränkungen161 hingegen kann nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut rechtfertigen.162 Die so genannte Stufentheorie typisiert die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs im Rahmen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit. Die Unterscheidung zwischen Berufswahl und Berufsausübung und innerhalb der Berufswahl zwischen subjektiven und objektiven Zulassungsvoraussetzungen nimmt die Normwirklichkeit auf. Für den Betroffenen ist der Eintritt in das Erwerbsleben, die Berufswahl, bedeutungsvoller als die Berufsausübung im Rahmen gesetzlicher, die Berufstätigkeit aber nicht ausschließender Vorgaben. Bei der Berufswahl beeinträchtigen ihn von seiner Anstrengung und persönlichen Entwicklung abhängige Zulassungsvoraussetzungen weniger als außerhalb seiner Person liegende Zulassungsbedingungen. Die Übergänge zwischen Berufswahl und -ausübung können zwar fließend sein;163 trotzdem muss der Grundrechtsinterpret die Gewährleistungsverletzung des Art. 12 Abs. 1 GG, die Verhältnismäßigkeitsprüfung, auf Grundlage der drei Eingriffs- und Rechtfertigungsstufen entwickeln.164 Dabei gibt die Normwirklichkeit vor, das Leben und die Gesundheit anderer, bestimmte Umweltbelange, tatsächliche Qualifikationserfordernisse für einen bestimmten Beruf zu berücksichtigen. Andere Vorgaben

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BVerfGE 7, 377 – Apothekenurteil. Siehe aber zur Unbestimmtheit dieses Begriffs oben unter C. II. 5. b). 160 Subjektive Zulassungsvoraussetzungen beziehen sich auf persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten, die insbesondere die Vor- und Ausbildung zu Berufen betreffen. Hierzu gehören auch Anforderungen an das Alter, auch wenn der Betroffene hierauf keinen Einfluss nehmen kann. Mit der Altersgrenze wird eine widerlegbare oder nicht widerlegbare Vermutung aufgestellt, dem Bewerber fehle die erforderliche Leistungsfähigkeit (BVerfGE 9, 338 (345) – Hebammenaltersgrenze). 161 Objektive Zulassungsvoraussetzungen knüpfen nicht an persönliche Eigenschaften an, sondern orientieren sich an allgemeinen Kriterien und sind dem Einfluss des Berechtigten schlechthin entzogen. Sie sperren den fachlich und persönlich qualifizierten Bewerber von einem Beruf aus – zum Beispiel aus Gründen einer Bedarfsprüfung – und sind deshalb prinzipiell unzulässig (Pieroth/Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 20. Auflage 2004, Rdn. 826 ff.). 162 BVerfGE 7, 377 (378; siehe auch 405 ff.) – Apothekenurteil. 163 BVerfGE 30, 292 (313 f.) – Erdölbevorratung; Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, HStR VI, 1989, § 148 Rdn. 10. 164 Siehe insgesamt Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, HStR VI, 1989, § 148 Rdn. 6 ff. 159

IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

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wurden durch den Gesetzgeber gezeichnet, der insbesondere durch das Wettbewerbs- und Kartellrecht wirtschaftliche und gesellschaftliche Anforderungen an den einzelnen Beruf geregelt sowie das Bildungs- und Ausbildungswesen definiert hat. Diese Vorgaben für das Berufsleben bieten vorgefundene Zwecke für die Verhältnismäßigkeitsprüfung, geben Vergleichsziele für den Vergleich im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG vor.165 Die dreistufige Prüfung genügt jedoch nicht immer den maßgeblichen Interessen des Grundrechtsbetroffenen. Deswegen muss die gestufte Verhältnismäßigkeit so gelesen werden, dass sie auch den konkreten Rechtsfall sachgerecht löst, wenn ein generell unbedenkliches Gesetz für den Einzelnen unverhältnismäßig wirkt,166 muss folglich als Typisierung und nicht als starres Gerüst verstanden werden. Den hierfür notwendigen Raum bietet das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Prüfung der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit, wobei auch hier die Normwirklichkeit in Bezug zum Norminhalt gesetzt werden muss. Ein Lohnsteuerabzug, der dem Staat das ihm gebührende Steueraufkommen vorenthielte, wäre tatsächlich nicht geeignet, die Steuereinnahmen zu sichern. Ein Abzug, der höhere Kosten als Erträge verursacht, wäre nach rechtlicher Wertung ungeeignet. Eine Quellenbesteuerung, die dem Staat nur ein durch Veranlagungsverfahren in gleicher Weise erreichbares Steueraufkommen sichert, ist tatsächlich nicht erforderlich. Ein Abzugverfahren, das zwar in der Effizienz einen für das Veranlagungsverfahren unerreichbaren Steuerertrag erzielt, aber durch Lohnmitteilungen der Arbeitgeber an das Finanzamt ersetzt werden könnte, durch die schonender der gleiche Erfolg erzielt würde, ist nach Maßgabe des Rechts nicht erforderlich. Die Prüfung der Zumutbarkeit fragt schließlich nach der konkreten Normwirklichkeit des Einzelnen, ob das Abzugverfahren für den einzelnen Arbeitgeber – nach seiner Verwaltungskraft, den ihm verfügbaren Rechtskenntnissen, der Komplexität seiner Fälle – angemessen ist. a) Legitime Zwecke Dem Arbeitgeber werden die lohnsteuerrechtlichen Erfüllungspflichten aus verschiedenen Gründen auferlegt. Das staatliche Steueraufkommen wird gesichert, weil die Quellenbesteuerung Steuerbetrug ausschließt. Der Quellenabzug 165 Siehe hierzu sogleich unter VI. und insgesamt zudem G. Kirchhof, in: Di Fabio, Verfassungsrecht und Verfassungsprozessrecht, 2004, S. 151 (157 ff.). 166 Es darf folglich nicht starr nach dem Typ der Regelung unterschieden werden. Berufsausübungsregelungen, die wie subjektive Berufszulassungsbeschränkungen wirken, verletzen wie diese die Berufsfreiheit, wenn besonders wichtige Gemeinschaftsgüter sie nicht zwingend erfordern (BVerfGE 82, 209 (230 m. w. H.) – Krankenhausplan; Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, HStR VI, 1989, § 148 Rdn. 10 f. und Rdn. 45).

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

mäßigt den staatlichen Eingriff in die finanzwirtschaftliche Privatsphäre des Arbeitnehmers, weil er das ohnehin vorhandene Wissen des Arbeitgebers zur Lohnbesteuerung nutzt, sich oft keine weiteren staatlichen Nachforschungen und Kontrollen beim Arbeitnehmer anschließen. Das Abzugverfahren führt zu einer kostengünstigeren Besteuerung als ein staatliches Veranlagungsverfahren, erspart folglich einen vermeidbaren Verwaltungsaufwand. Zugleich schützt es den Arbeitnehmer regelmäßig vor der Erklärungspflicht in einem Veranlagungsverfahren, erspart ihm den Aufwand, der durch Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer und durch die Veranlagung bei ihm entstehen würde. Gerade bei größeren Betrieben erweist sich das lohnsteuerliche Massenverfahren167 als erheblich effizienter und kostengünstiger als andere denkbare Verfahren. Ein Verfahren, das Kosten lediglich dadurch spart, dass staatlicher Aufwand zu privatem Aufwand gemacht wird, verfolgt gemäß Art. 12 Abs. 2 GG168 keinen legitimen Zweck. Das Abzugverfahren dient aber nicht diesem Zweck. Der Arbeitgeber wird für den Arbeitnehmer tätig, nicht für den Staat. Er nimmt der Verwaltung insofern keine Arbeit ab, sondern wird grundsätzlich losgelöst von den weiterhin bestehenden Pflichten der Verwaltung in besonderer Weise in ein Verfahren eingebunden.169 Jedoch verringert die Verpflichtung des Arbeitgebers den Aufwand der Verwaltung faktisch,170 der Steuerabzug rückt insofern in die Nähe des verfassungswidrigen Zweckes. Dies ist im Rahmen der Erforderlichkeit zu berücksichtigen.171 b) Geeignetheit Das Abzugverfahren ist ein taugliches Mittel, durch das dem Staat die Steuereinnahmen gesichert werden. Der Quellenabzug verhindert effektiv Steuerhinterziehungen, weil der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine fremde Steuerschuld erfüllt, ihm in der Regel ein Eigeninteresse an der Steuerverkürzung fehlt, er für die ordnungsgemäße Entrichtung der Steuer haftet. Das Abzugverfahren sichert gleichzeitig die zur Steuerzahlung nötige Liquidität des Steuerschuldners, erlaubt dem Arbeitnehmer nicht, auf Grund von Fehldispositionen oder Leichtfertigkeit Mittel auszugeben, die durch die Steuer gebunden sind.

167 Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 241. 168 Siehe oben unter II. 3. b) und c); siehe hierzu Drüen, in: Seer, Bochumer Lohnsteuertag, 2005, S. 59 (78 m. w. H.), der in diesem Zusammenhang von einer „offenen Verfassungsfrage“ spricht. 169 Siehe oben unter C. II. und III. 170 Siehe oben unter B. I. 171 Siehe unten unter c) dd).

IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

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Der Quellenabzug durch den Arbeitgeber ist kostengünstiger als eine Veranlagung und Vollstreckung durch die Finanzbehörde. Allerdings sind die Einsparungen, die durch das Abzugverfahren im Vergleich zum Veranlagungsverfahren erzielt werden, weit geringer, als man vermuten könnte. Bund, Länder und Gemeinden werden durch das Abzugverfahren nicht nur entlastet, sondern auch belastet. Die Gemeinden müssen die Lohnsteuerkarten ausstellen und den Arbeitnehmern zusenden. Es entsteht Arbeitsaufwand, weil zahlreiche Änderungen auf den Lohnsteuerkarten einzutragen sind. Der Arbeitsaufwand steigt mit der Anzahl der Arbeitnehmer, die eine Eintragung von Ermäßigungsbeträgen auf der Lohnsteuerkarte beantragen. Mehr als drei Viertel der Arbeitnehmer beanspruchen trotz des Quellenabzugs die Finanzverwaltung.172 Zudem fordert das komplizierte Steuerrecht vom Staat, den Arbeitgebern Programmablaufpläne für die Steuerberechnung anzubieten173 und Anrufungsauskünfte zu erteilen.174 Die Finanzverwaltung muss Lohnsteuerprüfungen175 durchführen. Trotzdem verfolgt das Abzugverfahren im derzeit geltenden Einkommensteuerrecht die legitimen Zwecke der Sicherung des Steuerverfahrens und der Kostenersparnis bei der Finanzverwaltung und den Arbeitnehmern in geeigneter Weise. c) Erforderlichkeit Das Lohnsteuerrecht nimmt den Arbeitgeber für den Steuerabzug in Dienst, beeinträchtigt seine Berufsausübungsfreiheit. Zu prüfen ist daher die Erforderlichkeit einer Ausübungsregelung, die in den Norminhalt der Berufsfreiheit auf der niedrigsten Stufe – für eine vernünftige Erwägung des Gemeinwohls – eingreift. Die Quellenbesteuerung verfolgt die legitimen Ziele, die Steuereinnahmen zu sichern, Kosten für den Staat und den Bürger zu sparen, die wirtschaftliche Privatsphäre der Steuerpflichtigen zu schonen. Dieses Verfahren ist erforderlich. 172 Im Jahre 1998 wurden von den 25,5 Millionen lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmern ca. 86 Prozent veranlagt, wobei etwas mehr als 39 Prozent der Arbeitnehmer auf Antrag veranlagt worden sind. Im Jahre 1971 waren 24,6 Millionen Arbeitnehmer lohnsteuerpflichtig. 18,5 Prozent dieser Arbeitnehmer stellten einen Antrag auf Lohnsteuerermäßigung, 57 Prozent beantragten den Lohnsteuer-Jahresausgleich. Zwar wurden – im Vergleich zum Jahre 1998 – lediglich 13,4 Prozent veranlagt, jedoch wurden 85 Prozent der Arbeitnehmer aus unterschiedlichen Gründen beim Finanzamt vorstellig (siehe insgesamt: Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 240, S. 242; Statistisches Bundesamt, Lohn- und Einkommensteuer 1998, 2004; BMF, Mitteilung vom 12.10.2003, BMF – IA6; Seer, in: ders., Bochumer Lohnsteuertag, 2005, S. 159 (166 f., insbes. Fn. 38)). 173 § 39b Abs. 8 EStG. 174 § 42e EStG. 175 § 42f EStG; siehe oben unter E. VI.

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

Ein im Vergleich zur Quellenbesteuerung gleich geeignetes Verfahren, das schonender in die Grundrechte des Arbeitgebers eingreift, gibt es nicht. Die gesetzliche Ausgestaltung der Quellenbesteuerung, des Lohnsteuerabzugverfahrens, des erforderlichen Verfahrens ist aber gegenwärtig zu kompliziert. Effektivere, die Grundrechte schonendere Ausgestaltungen wären ein einfacheres Abzugverfahren auf Grundlage eines vereinfachten Einkommensteuergesetzes, ein pauschaler Lohnsteuerabzug mit Abgeltungscharakter176 – im Ergebnis ein einfacheres Steuerrecht nur für Arbeitnehmer. Ein den Arbeitgeber schonender, im Vergleich zur geltenden Ausgestaltung ebenso effektiver Weg wäre aber auch, die Verwaltungslast des Arbeitgebers durch ein Entgelt zu honorieren und zu mäßigen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen seines Beurteilungsraumes das erforderliche Mittel der Quellenbesteuerung gewählt. Er ist nicht verpflichtet, dieses Mittel besser auszugestalten, das Abzugverfahren zu vereinfachen. Er muss dem Arbeitgeber aber ein Entgelt zahlen, um die erhebliche Belastung zu mildern, die diesem auf Grund des Abzugverfahrens übertragen wird. aa) „Information von der Quelle“ Das Abzugverfahren muss nicht durch eine Informationspflicht des Arbeitgebers über den Lohn und eine Verpflichtung des Arbeitnehmers ersetzt werden, die Lohnsteuer zu entrichten. Der Staat hat grundsätzlich den Schuldner der Leistung auch zur Erfüllung der Schuld zu verpflichten, sollte deshalb den Arbeitnehmer als Lohnsteuerschuldner für Vorauszahlungen oder andere Zahlungen auf seine Steuerschuld in Anspruch nehmen. Für fremde private Interessen darf ein Dritter – wie der Arbeitgeber – nur herangezogen werden, wenn das verfolgte Ziel allein durch die Verpflichtung des Dritten erreicht werden kann. Das Abzugverfahren sichert das staatliche Steueraufkommen nur effizient, wenn der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer die Vorauszahlungen leistet. Steuerverkürzungen werden praktisch ausgeschlossen, weil der Arbeitgeber eine fremde Schuld auf fremde Rechnung erfüllt, dabei für die richtige Entrichtung haftet, der Arbeitgeber deswegen kaum rechtswidrig zur Steuerverkürzung mit dem Arbeitnehmer zusammenwirken wird. Eine bloße „Information von der Quelle“ über den Lohn, die in der Schweiz an Stelle des Lohnsteuerabzugs für Steuerinländer tritt,177 genügt dem Erfordernis eines gesicherten Steueraufkommens nicht.178 Die Trennung des Entrichtungspflichtigen vom Steuerschuldner 176 Siehe hierzu oben unter E. II. 4 und unter E. IX., hier insbesondere zu dem Gestaltungsraum des Gesetzgebers, der ihm erlaubt, den Lohn pauschal zu besteuern (IX. 2). 177 Auf der Ebene des Bundes gibt es in der Schweiz einen Lohnsteuerabzug nur für Steuerausländer (siehe insgesamt Höhn/Walburger, Steuerrecht, Band I, 2. Auflage 2001, S. 939; Zinsli, Die Quellenbesteuerung des unselbständigen Erwerbseinkommens

IV. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

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ist die wesentliche Grundlage, um das Steueraufkommen zu sichern. Diese Trennung würde jedoch durch eine Entrichtungspflicht der Arbeitnehmer aufgehoben. Die Steuereinnahmen des Staates wären nicht mehr in gleicher Weise gesichert. Das erste Ziel des Abzugverfahrens würde nicht vollständig erreicht. bb) Vereinfachung des Abzugverfahrens und des Einkommensteuergesetzes als milderes, effizienteres Mittel Eine pauschale Quellenbesteuerung des Arbeitslohnes oder ein insgesamt vereinfachtes Abzugverfahren auf Grundlage eines vereinfachten Steuerrechts würde das erforderliche Verfahren der Quellenbesteuerung für den Arbeitgeber schonender ausgestalten. Diese Ausgestaltung würde die Ziele des Verfahrens mit größerer Effizienz verfolgen. Die Steuerbefreiungen im Einkommensteuergesetz könnten entfallen, die Absetzungsmöglichkeiten drastisch reduziert oder durch einen Pauschbetrag typisiert werden. Die Pauschbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben müssten derart angehoben werden, dass die Arbeitnehmer regelmäßig nur noch diese in Anspruch nähmen, Individualabzüge, Sondereintragungen und Einzelnachweise auf Ausnahmefälle beschränkt wären. Insbesondere die gegenwärtig kaum überschaubaren, auf Einzelfälle zugeschnittenen Absetzungsmöglichkeiten sind Ursache dafür, dass das komplizierte Abzugverfahren der Summe nach oft die Einkommensteuerschuld nicht trifft. Sie veranlassen die Arbeitnehmer, ihre steuerrechtlichen Finanzinteressen außerhalb des Abzugverfahrens selbst wahrzunehmen. Die Zahl der Veranlagungen steigt jährlich, wofür die Arbeitnehmer kostenpflichtige Rechtsberatungen in Anspruch nehmen.179 Die Zahl der Lohn-

in der Schweiz, 1970; Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, S. 108 ff.). 178 Isensee, Referat, 57. DJT, 1988, Band 2, N 32 (N 53 f. m. w. H.), spricht sich für die „Information von der Quelle“ und gegen das Abzugverfahren mit folgendem Grund aus: Der Wechsel des Verfahrens „könnte einen grundlegenden Wandel von der Netto- zur Bruttolohnmentalität und damit ein neuartigen, eigenverantwortlichen Umgang mit der Steuer zeitigen und staatsbürgerlichen common sense in der Arbeitnehmerschaft erzeugen.“ Dieses Argument für die „Information von der Quelle“ wird – wenngleich lediglich geringfügig – dadurch geschwächt, dass die Arbeitnehmer nach dem Blick auf den im Vergleich zum Bruttolohn reduzierten Nettolohn genau wissen, wie viel Steuern sie zahlen, sie sich insofern – wenngleich ohne über den Bruttolohn zu verfügen, ohne die von der Quelle abgezogenen Steuer einsparen zu müssen – ihrer Unterstützung des Gemeinwesens bewusst sind. Das so leicht geschwächte Argument gewinnt hier allerdings deshalb keine durchschlagende Kraft, weil der Quellenabzug die Steuereinnahmen des Staates effektiver sichert als die „Information von der Quelle“ (s. o.). 179 Wobei hier die modernen so genannten Steuerprogramme eine kostengünstige und für Regelfälle genügende Hilfestellung bieten (so schon das Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 93).

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steuer-Ermäßigungsverfahren erhöht sich kontinuierlich; insoweit wahrt der Arbeitnehmer seine Steuerungsmöglichkeiten selbst.180 Der Lohnsteuer-Jahresausgleich181 wird für den Arbeitgeber komplizierter, zwingt ihn zu Rückzahlungen, ohne dabei die Lohnsteuerschuld mit der Einkommensteuerschuld tatsächlich in Ausgleich zu bringen. Nach einer Lohnsteuer-Prüfung182 müssen die Arbeitnehmer regelmäßig noch offene Steuerbeträge begleichen.183 Der Aufwand, den das komplizierte Steuerrecht den Arbeitgebern zumutet, kann von den breiten Schultern der Lohnbüros großer Unternehmen noch bewältigt werden, beansprucht Betreiber von Kleingewerbebetrieben und Angehörige freier Berufe aber besonders stark; der Effizienzgewinn ist bei einer geringen Anzahl an Arbeitnehmern kaum vorhanden.184 Ein pauschaler Lohnsteuerabzug mit Abgeltungscharakter oder ein insgesamt einfacheres Steuerrecht würde diese Missstände beseitigen, den Arbeitgeber umfassend entlasten, die Kostenersparnis durch das Abzugverfahren erheblich steigern. Würde das Einkommen – nach Wegfall aller Ausnahme- und Privilegientatbestände – mit einem niedrigeren Einkommensteuersatz belastet, könnte die Lohnsteuer ohne komplizierte Hochrechnungen in der Regel in der Höhe der endgültigen Einkommensteuerschuld erhoben werden, Lohnsteuerschuld und Einkommensteuerschuld wären identisch. Eintragungen und deren Änderungen auf den Lohnsteuerkarten sowie das Lohnsteuerermäßigungsverfahren würden entbehrlich, Veranlagungen und Anrufungsauskünfte wären kaum mehr notwendig, erhebliche Kosten würden gespart. Den Arbeitgeber würde – neben den wenngleich reduzierten Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten und dem Einbehalt, der Anmeldung und der Abführung der Lohnsteuer – letztlich nur noch die – weiterhin beachtliche – Last treffen, die Bemessungsgrundlage für die pauschale Lohnsteuer zu ermitteln, diesbezügliche Nachprüfungen der Finanzverwaltung zu dulden und an diesen mitzuwirken. Diese verminderte Belastung wäre sachgerecht, weil sie die Informationen des Arbeitgebers über seine Arbeitnehmer nutzt, gleichzeitig die über diesen Blickwinkel hinausgehenden sachfremden Verpflichtungen des Arbeitgebers reduziert. Den Arbeitgebern würde zudem die Feststellung des steuerpflichtigen Arbeitslohnes erleichtert, wenn zum Beispiel Steuerbefreiungen des Arbeitslohnes entfielen. Das vereinfachte Abzugverfahren würde insbesondere für kleinere

180 Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 241 f. 181 § 42b EStG; siehe oben unter E. IV. 182 Siehe hierzu oben unter E. VI. 183 Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 93. 184 Siehe hierzu bereits Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 63.

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Betriebe mit nur einem oder wenigen Arbeitnehmern die Beanspruchung auf ein erträgliches Maß reduzieren. Der Arbeitnehmer gewänne die Rechtssicherheit, dass für ihn keine zu hohe Steuer abgeführt wird. Er müsste keine Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte bewirken, könnte auf eine Veranlagung verzichten; seine private Finanzsphäre würde geschützt und damit ein in Vergessenheit geratenes Ziel der Quellenbesteuerung185 wieder erreicht. cc) Grenzen der direktiven Kraft der Verfassung Das verfassungsrechtliche Erforderlichkeitsprinzip ist aber keine Rechtsgrundlage, um rechtspolitisch erwünschte, die grundrechtliche Freiheit weniger einschränkende und mit Blick auf das Regelungsziel effektivere Ausgestaltungen eines grundsätzlich erforderlichen Mittels durchzusetzen. In einer parlamentarischen Demokratie muss der Gesetzgeber die Verfassung konkretisieren. Hierbei hat er einen Gestaltungsraum, welches Mittel er zur Verfolgung der selbst gewählten Zwecke einsetzen will. Entscheidungen, die innerhalb dieses Gestaltungsraumes getroffen werden, verletzen das Grundgesetz nicht, sind einer näheren gerichtlichen Kontrolle entzogen.186 Das Grundgesetz kennt kein Optimierungsgebot, das dem Gesetzgeber den Gestaltungsraum nimmt, ihn grundsätzlich verpflichtet, eine bestimmte, die beste Lösung zu wählen.187 Eine solche Verpflichtung des Gesetzgebers zum Besten zwänge das 185

Siehe hierzu oben unter D. Lerche, Grundrechtsschranken, HStR V, 1992, § 122 Rdn. 19 m. w. H. 187 Nur in Ausnahmefällen, wenn zum Beispiel nur ein effektives Mittel in einer bestimmten Ausgestaltung bereit steht, kann sich der Gestaltungsraum mit Blick auf das Mittel und die Ausgestaltung reduzieren. Siehe insbesondere Alexy, VVDStRL 61 (2003), S. 7 ff. und S. 216 ff. der eine sog. „Spielraumtheorie“ zeichnet und dieser eine dreistufige Skalierung zu Grunde legt, an der die Größe des Gestaltungsraumes gemessen werden soll; grundlegend: ders., Theorie der Grundrechte, 1994, S. 75 f., S. 414 und S. 420 ff., nach dem Prinzipien Optimierungsgebote sind, „die dadurch charakterisiert sind, daß sie in unterschiedlichen Graden erfüllt werden können und dass das gebotene Maß ihrer Erfüllung nicht nur von den tatsächlichen, sondern auch von den rechtlichen Möglichkeiten abhängt. [. . .] Demgegenüber sind Regeln Normen, die stets nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden können“ (S. 75 f.); siehe zudem: E. Klein, NJW 1989, 1633 (1637); Isensee, Verfassungsrecht als „politisches Recht“, HStR VII, 1992, § 162, Rdn. 45, betont, dass der Politik Gestaltungsräume bleiben; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/2, 1994, S. 1768 ff.; Rüßmann, Möglichkeiten und Grenzen der Gesetzesbindung, in: Alexy/ Koch/Kuhlen/ders., Elemente einer juristischen Begründungslehre, 2003, S. 135 (140 ff.); siehe in diesem Zusammenhang auch: Koch, Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis als Gegenstände gerichtlicher Plankontrolle, in: Alexy/ders./Kuhlen/ Rüßmann, Elemente einer juristischen Begründungslehre, 2003, S. 287; Kuhlen, Regel und Fall in der juristischen Methodenlerhe [1990], in: Alexy/Koch/ders./Rüßmann, Elemente einer juristischen Begründungslehre, 2003, S. 61. 186

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

Parlament unter ein oft unerreichbares Bewertungsziel, würde es deshalb lähmen, seine politische Freiheit verletzen. Eine in eine demokratisch-repräsentative Staatsordnung eingebettete Verhältnismäßigkeit stellt die parlamentarische Entscheidung nicht unter die Forderung eines Superlativs. Maßgeblich für die parlamentarische Diskussion, für die repräsentative Vertretung des Volkes ist die Willensbildung in der parlamentarischen Debatte, im Plenum wie in den Ausschüssen, und mit ihr die Suche nach einem politischen Kompromiss. Der in den Gesetzen greifbare Gesetzgebungswille des Parlaments muss daher grundsätzlich gewahrt werden. Ein Gesetz ist folglich nicht verfassungswidrig, wenn es das gesetzgeberische Ziel nicht optimal verfolgt. Mögliche Effizienzgewinne reichen nicht, um ein Gesetz für nicht erforderlich, für verfassungswidrig zu erklären. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das erforderliche Verfahren – die Quellenbesteuerung – gewählt wurde, aber lediglich die gesetzliche Ausgestaltung dem Grundsatz der Erforderlichkeit nicht entspricht, wenn das Hauptziel des Abzugverfahrens, das Steueraufkommen des Staates zu sichern, mit höchster Effizienz erreicht wird. Die Erforderlichkeit verlangt regelmäßig das schonendere Mittel, nicht aber eine schonendere, politisch wünschenswerte, optimale Ausgestaltung des erforderlichen Mittels. Ansonsten würde der Gesetzgeber durch das Grundgesetz letztlich an ein Optimierungsgebot gebunden, sein Gestaltungsraum, der ihm politische Kompromisse ermöglicht, wäre zu stark eingeengt. Gemessen an diesem Maßstab bleibt das Abzugverfahren auch in der derzeitigen Ausgestaltung ein erforderliches Mittel, das die Ziele des Gesetzes, insbesondere das erste Ziel, die Sicherung staatlicher Steuereinnahmen, effizient verfolgt. Der Gesetzgeber muss insbesondere nicht die pauschale Quellenbesteuerung des Lohnes anordnen. Die gesetzliche Ausgestaltung des Abzugverfahrens ist – im Rahmen dieses weiten Vertretbarkeitsraumes – grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, missachtet aber eine mögliche, schonendere Alternative, wenn die übermäßig belastende Ausgestaltung durch eine Entgeltzahlung zu mäßigen ist. dd) Mäßigung des Eingriffs in die Berufsfreiheit durch Entgelt Die Zahlung eines Entgelts ändert grundsätzlich die Intensität eines Grundrechtseingriffs nicht in maßgeblicher Weise. Der Berechtigte kann sich seine Freiheit nicht „abkaufen lassen“, der Staat eine Grundrechtsverletzung nicht durch finanzielle Zuwendungen „heilen“.188 Ein Grundrechtsbetroffener würde 188 Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (181); Hey, AöR 128 (2003), 227 (230 f. m. w. H.); Burgi, GewArch 1999, 393 (396 ff.); dies vernachlässigt Hendel, Die Belastung der Arbeitgeber durch die Lohnsteuer, 1997, insbes. S. 66 ff., wenn er – entge-

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sonst stets ein Entgelt fordern; ein Eingriff wäre entweder freiheitswidrig oder gegen Bezahlung zulässig. Die Grundrechte entfalten ihre schützende Kraft dadurch, dass sie rechtswidrige Eingriffe abwehren. Diese abwehrende Kraft darf grundsätzlich nicht durch die Möglichkeit geschwächt werden, einen Eingriff durch die Zahlung eines Entgelts in das Maß der Verfassung zu führen. Eine Vergütung der Indienstnahme ändert deshalb prinzipiell nichts an der Verfassungswidrigkeit eines Freiheitseingriffs, kann aber durch den Gleichheitssatz gefordert sein.189 Nach Art. 14 Abs. 3 GG muss für eine rechtmäßige Enteignung eine Entschädigung entrichtet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat für die Grenze zwischen Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und entschädigungspflichtiger Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) entschieden, dass bestandswahrende, aber besonders intensiv beeinträchtigende Inhaltsbestimmungen zur finanziellen Entschädigung verpflichten können,190 obgleich dies die Verfassung nicht ausdrücklich vorsieht. Wenn ein Gesetz Verleger verpflichtet, von jedem Druckwerk Belegstücke unentgeltlich an öffentliche Bibliotheken abzuliefern, und diese Verpflichtung auch auf Druckwerke angewandt wird, die künstlerisch besonders aufwendig gefertigt und nur in einer geringen Auflage publiziert werden, ist ein Verleger, ein Eigentümer dieser Druckwerke von der Ablieferungspflicht besonders intensiv betroffen.191 Zwar ist diese Belastung nicht schon eine Enteignung, weil das Pressegesetz „in genereller und abstrakter Weise eine Naturalleistungspflicht“ begründet, das „Eigentum am Druckwerk [. . .] schon bei seiner Entstehung mit der Verpflichtung zur Ablieferung eines Exemplars belastet“ ist.192 Ein Verleger ist aber ggf. in einer solchen Intensität beeinträchtigt, dass nur finanzielle Ausgleichsleistungen die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs herstellen können. Die Entschädigungsbestimmungen der Naturund Denkmalschutzgesetze können ebenfalls als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmungen gedeutet werden.193 Auch hier gleicht eine Geldzahlung eine starke Belastung aus, die zwar keine Enteignung ist und deshalb nicht zu der hierfür verfassungsrechtlich vorgesehenen Entschädigung führt (Art. 14 Abs. 3

gen der hier vertretenen Auffassung (siehe oben insbesondere unter C. II. 7.) – den Steuerabzug als staatliche Aufgabe begreift und hieraus die staatliche Verpflichtung ableitet, dem Arbeitgeber ein Entgelt zu zahlen. 189 Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (182); Burgi, GewArch 1999, 393 (399 ff.); Hey, AöR 128 (2003), 226 (231 ff.), erarbeitet Voraussetzungen, wann Vorund Nachteile bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes saldiert werden können; grundlegend in diesem Zusammenhang: Voßkuhle, Das Kompensationsprinzip, 1999. 190 BVerfGE 58, 137 (150) – Pflichtexemplare; 100, 226 (244 ff.) – Denkmalschutz. 191 BVerfGE 58, 137 (150) – Pflichtexemplare. 192 BVerfGE 58, 137 (144) – Pflichtexemplare. 193 BVerfGE 100, 226 (244 ff.) – Denkmalschutz; Papier, DVBl. 2000, 1398.

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Sätze 2 und 3 GG), wohl aber durch ein Entgelt in die Verfassungsmäßigkeit geführt werden kann. Die Freiheitsrechte schützen den Betroffenen, indem sie verfassungswidrige Eingriffe abwehren. Diese schützende Kraft wird geschwächt, wenn die Zahlung eines Entgelts die Abwehr des Eingriffs verhindert, die staatliche Maßnahme wegen der Verpflichtung zur Entgeltzahlung verfassungsmäßig wird. Die Ausgleichspflicht im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmungen soll besonderen Härte-, soll Ausnahmefällen gerecht werden. Art. 12 Abs. 2 GG194 schützt den Bürger davor, durch den Staat in Dienst genommen zu werden. Dieser Schutz wird insbesondere bei Eingriffen, die wie die Abzugsverpflichtung des Arbeitgebers durch die Freiheit von Arbeitszwang nicht abgewehrt werden,195 durch das Grundrecht der Berufsfreiheit ergänzt. Art. 12 Abs. 1 GG fordert dabei – anders als Art. 14 Abs. 2 GG mit Blick auf das Eigentum – nicht die Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft. Die freiheitschützende Kraft der Grundrechte, die besondere Ausnahmesituation im Falle der Ausgleichspflicht für eine Inhalts- und Schrankenbestimmung und die spezielle Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) untersagen grundsätzlich, die Konstruktion der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen auf andere Fälle anzuwenden. Jedoch zeigt diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch, dass es besondere Fälle geben kann, in denen es sachgerecht ist, einen Eingriff in ein Grundrecht durch die Zahlung eines Entgelts in das Maß der Verfassung zu führen. Finanzielle Ausgleichszahlungen passen in ein System des Grundrechtsschutzes, wenn der wesentliche Inhalt der garantierten Freiheit gerade auf den Erwerb von Entgelt und Einkommen gerichtet ist. Die Berufsfreiheit wurzelt in der Normwirklichkeit des Einkommenserwerbs, der Nutzung der eigenen Arbeitskraft, um Entgelt zu erzielen. Die grundrechtliche Gewährleistung der Erwerbsfreiheit wendet sich daher nicht gegen ein Entgelt, sondern schützt gerade die Freiheit zur entgeltlichen Arbeit. Das Lohnsteuerrecht würde zwar auch nach der Entrichtung eines Entgelts den Arbeitgeber mit der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitstätigkeit belasten. Die Belastung würde aber insoweit gemildert, als der freiheitliche Wille, die Arbeitskraft nur entgeltlich einzusetzen – also die Berufsausübungsfreiheit wahrzunehmen –, beachtet würde. Die Abzugsverpflichtung des Arbeitgebers greift in die grundrechtliche Gewährleistung der Berufsausübungsfreiheit ein. Die Freiheit der Berufswahrnehmung sichert die Entfaltung des Grundrechtsträgers mit Blick auf seine Wirtschaftsgüter, schützt regelmäßig den Gelderwerb. Insoweit wirken die Berufsfreiheit und die Eigentumsfreiheit in einer Normwirklichkeit, die nur schwer in zwei Bereiche getrennt werden kann, die deshalb in bestimmten Fällen die glei194 195

Siehe oben unter II. 3. b) bb) und c). Siehe oben unter II. 3. c) und 4.

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che Rechtsfolge – ein Entgelt – für den Berufstätigen wie den Eigentümer fordert. Regelt der Gesetzgeber bei der Einschränkung der Berufsausübung die Art und Weise dieses Erwerbs, ist es sachgerecht, dem Berufstätigen eine Ausgleichspflicht zugute kommen zu lassen, wenn ihm eine zwar erforderliche, aber dennoch besonders intensive Belastung zugemutet wird. Für eine Einschränkung der Freiheit der Berufswahl196 gilt dies allerdings von vornherein nicht, weil diese nicht in erster Linie den Erwerb, sondern grundlegend die berufliche Entfaltung der Persönlichkeit schützt. Eine Beeinträchtigung der Berufsausübung muss jedenfalls dann durch ein Entgelt gemildert werden, wenn die Belastung lediglich deshalb erforderlich ist, weil das erforderliche Verfahren gewählt wurde und eine die Grundrechte keineswegs schonende Ausgestaltung dieses Mittels den Gestaltungsraum des Gesetzgebers nicht verlässt. Der grundrechtliche Schutz muss sich auch auf überbelastende Ausgestaltungen erstrecken, wenn ein erforderliches Verfahren gewählt wurde. Wenn die Ausgestaltung wegen ihrer Belastungswirkungen so nicht hingenommen werden kann, ist der Eingriff durch ein Entgelt zu mildern, steht dieser schonendere Weg offen. Wenn der Gesetzgeber dem Arbeitgeber durch das Abzugverfahren eine große Arbeitslast aufbürdet, ihn in die Rolle eines steuerrechtlichen Erfüllungsexperten zwingt,197 legt er dem Berufstätigen Pflichten auf, die dieser aus eigener Arbeitskraft nicht erfüllen kann. Kein Arbeitgeber kennt heute alle lohnsteuerrechtlichen Einzelverpflichtungen. Der Arbeitgeber kann daher nicht aus eigenem Wissen, nicht aus eigener Anstrengung den lohnsteuerrechtlichen Erfüllungspflichten nachkommen. Er benötigt fremde Hilfe durch Steuerberater, außerbetriebliche Datenbearbeiter oder durch eine Lohnsteuerabteilung in seinem Betrieb. Das Lohnsteuerrecht verpflichtet den Arbeitgeber weitgehend zu Tätigkeiten, die er mit seinen eigenen Händen nicht erfüllen kann, die ihn folglich veranlassen, entgeltlich fremde Hände in Anspruch zu nehmen. Die besondere Intensität des lohnsteuerrechtlichen Eingriffs liegt somit regelmäßig in der Notwendigkeit, fremde Arbeitsleistungen entgeltlich zu erwerben. Damit drängt sich die Lösung auf, diese Last durch ein staatliches Entgelt zu mäßigen. Eine Beteiligung des Arbeitnehmers an den Kosten für den Steuerabzug scheidet aus, auch wenn der Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug für diesen tätig wird.198 Das Entgelt erhält der Arbeitgeber nicht für den Lohnsteuerabzug.199 196

BVerfGE 7, 377 (378) – Apothekenurteil. Siehe oben unter E. IX. 198 Siehe oben unter C. II. und III. 199 Aber selbst wenn der Arbeitgeber das Entgelt für den Steuerabzug für Rechnung des Arbeitnehmers erhalten würde – was nicht der Fall ist –, wäre es nicht sachgerecht, die Kosten vom Arbeitnehmer zu fordern. Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden durch das Lohnsteuerrecht verpflichtet. Der Arbeitgeber stellt sich bei der Einstellung eines Arbeitnehmers auf den Lohnsteuerabzug ein, wälzt die Kosten hierfür über 197

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Es mildert die überbelastende Ausgestaltung der Quellenbesteuerung, des erforderlichen Verfahrens, um die Steuereinnahmen des Staates zu sichern. Insofern wirkt es nicht im Verhältnis des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber, sondern betrifft ausschließlich die Verpflichtung des Arbeitgebers durch den Staat; es muss vom Staat – und nicht vom Arbeitnehmer – getragen werden, weil dieser die unzureichende Ausgestaltung verantwortet, für die verfassungsrechtlich geforderte Milderung des Eingriffs einstehen muss. Wenn die Prüfung der Erforderlichkeit nicht zu einem einfacheren, schonenderen Besteuerungsverfahren führt, darf der Gesetzgeber an dem übermäßig komplizierten Abzugverfahren in der derzeitigen Ausgestaltung nur festhalten, wenn er die Intensität der Belastung der Berufsausübungsfreiheit durch Kostenerstattung mildert. Die Summe der Ausgleichszahlungen würde dem Parlament bei den Haushaltsberatungen bewusst, könnte dort als vermeidbare Last erkannt werden und insofern auf eine Deregulierung, auf ein einfacheres Abzugverfahren und Einkommensteuerrecht hinwirken. Die finanzielle Ausgleichspflicht für eine Regelung der Berufsausübungsfreiheit kann sich an anderen Ausgleichszahlungen orientieren, insbesondere an der Erhebung der Kirchensteuer, bei der sich der Staat seinen Aufwand durch Belastung der Kirchen mit einer Ausgleichszahlung von zweieinhalb bis vier Prozent der erhobenen Steuersumme entlohnen lässt.200 Die Höhe der Ausgleichszahlungen könnte aber auch nach den Aufwendungen bemessen werden, die die Finanzverwaltung durch das Abzugverfahren spart.201 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip würde insoweit das Mittel allein auf die Sicherstellung der Steuererhebung und die Schonung der wirtschaftlichen Privatsphäre des Arbeitnehmers ausrichten, die Nebenwirkung der Aufwandersparnis der Verwaltung zurücknehmen, welche in der Nähe des illegitimen Zieles steht, Verwaltungsden Preis seiner Produkte auf den Markt oder über einen niedrigeren Lohn auf den Arbeitnehmer ab. Der Gesetzgeber, der vom Arbeitnehmer die Zahlung eines Entgelts für den Arbeitgeber fordern würde, würde nicht nur gleichsam eine entgeltliche gesetzliche Geschäftsführung ohne Auftrag normieren, sondern den Arbeitgebern letztlich vorgeben, die Kosten der Quellenbesteuerung nicht vom Markt, sondern vom Arbeitnehmer zu fordern. Der Arbeitgeber hätte wenig gewonnen, viel mehr die Freiheit verloren, wie er mit Blick auf die Kosten und den Markt agiert. Der Eingriff wäre kaum gemildert. Zudem würden die Grundrechte des Arbeitnehmers ihre abwehrende Kraft gegen diese entgeltliche Fremdgeschäftsführung ohne Auftrag entfalten. 200 Siehe zur Höhe der in den Bundesländern variierenden Ausgleichszahlung Weber, NVwZ 2002, 1443 (1445 m. w. H.); insgesamt: Axer, FS Rüfner, 2003, S. 13 ff.; siehe zur Verpflichtung exemplarisch § 23 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juni 1978 (GBl. S. 369), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 6. Februar 2001 (GBl. S. 116), im folgenden KiStG Bad-Württ, sowie § 18 Abs. 1 Satz 2 der bayerischen Verordnung zur Ausführung des Kirchensteuergesetzes vom 15. März 1967 (BayRS 2220-4-1-K), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 2. Januar 2002 (GVBl. S. 26), im Folgenden AVKiStG Bay. 201 Siehe hierzu oben unter B. I.

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aufwand auf Private zu übertragen und dadurch Kosten zu sparen.202 Rechtspolitisch sollte der Gesetzgeber darüber hinaus erwägen, die staatlichen Ausgleichszahlungen mit wachsender Komplizierung des Rechts ansteigen zu lassen, nicht nur um die Zahlungen dem zunehmenden Aufwand anzupassen, sondern auch um mit den steigenden Ausgaben das Augenmerk des Parlamentes auf die Deregulierung zu lenken. Durch das geltende Abzugverfahren wird somit das Ziel dieses Quellenabzugs in erforderlicher Weise verfolgt, wenn der Staat die erhebliche Belastung des Arbeitgebers durch ein Entgelt mildert. d) Zumutbarkeit Die Prüfung der Zumutbarkeit,203 die abwägende Erörterung des Verhältnisses von Zweck und Eingriff insbesondere mit Blick auf die individuelle Betroffenheit des Arbeitgebers, bestätigt dieses Ergebnis. Erster Zweck des Abzugverfahrens ist die Sicherung des staatlichen Steueraufkommens. Darin liegt die vernünftige Erwägung des Gemeinwohls, die die lohnsteuerrechtliche Berufsausübungsregelung rechtfertigt.204 Das Bemühen der Finanzverwaltung, Mittel zu sparen, fällt zwar unter den Verfassungsmaßstab der „Wirtschaftlichkeit“ des Verwaltens,205 ist aber kein Anliegen des Gemeinwohls, das eine Belastung des Arbeitgebers allein rechtfertigen könnte.206 aa) Realitätsnahe und sachgerechte Indienstnahme des Arbeitgebers Dem Arbeitgeber kann es wegen seiner besonderen Sachnähe und seines besonderen Wissens grundsätzlich zugemutet werden, die Steuerschuld seiner Arbeitnehmer zu zahlen, als Dritter für eine fremde Schuld in Anspruch genommen zu werden. Er wird durch das Lohnsteuerrecht verpflichtet, die ihm unmittelbar zugänglichen Informationen über seine Arbeitnehmer, insbesondere über deren Lohn, für den Steuerabzug einzusetzen. Der Arbeitgeber muss ohnehin die Lohnzahlung an die Arbeitnehmer organisieren. Gerade wenn ein Arbeitge202

Siehe oben unter a). Der Prüfpunkt wird auch Proportionalität, Angemessenheit oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne genannt (Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/2, 1994, S. 782 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 20. Auflage 2004, Rdn. 289). 204 BVerfGE 7, 377 (378; siehe auch 405 ff.) – Apothekenurteil. 205 Siehe Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG. 206 Siehe bereits oben unter a) und c) sowie unter II. 3. b) und c) zu Art. 12 Abs. 2 GG. 203

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ber eine große Anzahl von Arbeitnehmern hat, erscheint es sachnah, dass das Lohnbüro, dem die notwendigen Informationen ohnehin zur Verfügung stehen, diese Daten für den Einbehalt der Lohnsteuer bei der Lohnzahlung nutzt. Die Finanzverwaltung hat an Stelle der zahlreichen Arbeitnehmer nur einen Kommunikationspartner, den Arbeitgeber. Ein Massenverfahren ist leichter durchzuführen als eine große Anzahl einzelner Verfahren. Der Arbeitgeber wird durch den Lohnsteuerabzug – im Grundsatz – zumutbar belastet. Die Indienstnahme des Arbeitgebers legt auch die Normwirklichkeit der Berufsfreiheit nahe. Die Berufsausübung durch den Arbeitgeber, sein Erwerb, ist auf einen Markt angewiesen, der nur existieren kann, wenn eine gemeinsame Währung bereitsteht, der Staat eine in erster Linie die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb sichernde Rechtsordnung garantiert, die Arbeitnehmer gut ausbildet, wenn er insbesondere nicht in staatlichen Unternehmen erwerbswirtschaftlich tätig wird, sich durch Steuern finanziert und den freien Wettbewerb auch auf diese Weise schützt. Grundlage für die Berufsausübung des Arbeitgebers ist daher, dass der Staat sich durch Steuern finanziert. Insofern ist die lohnsteuerrechtliche Indienstnahme realitätsnah und sachgerecht, dem Arbeitgeber zumutbar, weil sie ein hoch effizientes Verfahren zur Sicherung der staatlichen Steuereinnahmen erst ermöglicht. So wird auch die gleichmäßige und maßvolle, die verfassungsgemäße Besteuerung garantiert.207 bb) Entgelt für die Indienstnahme Das Zumutbarkeitsprinzip verlangt aber, die Abzugspflichten des Arbeitgebers zu mäßigen, insbesondere auf die Mitwirkung bei der Sicherung des Steueraufkommens zu beschränken. Der Arbeitgeber wird gegenwärtig durch die lohnsteuerrechtlichen Erfüllungspflichten überfordert.208 Die mit Blick auf das Ausmaß, auf die Ausgestaltung, unzumutbare Indienstnahme könnte durch ein einfacheres Einkommensteuergesetz, eine pauschale Lohnbesteuerung auf ein sachgerechtes Maß reduziert werden.209 Solange der Gesetzgeber einen solchen Weg nicht beschreitet, sind die gegenwärtigen Belastungen des Arbeitgebers durch ein Entgelt auf ein zumutbares Maß zu reduzieren. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich selbst die Bemessungsgrundlage für die Lohnsteuer ermitteln. Hierbei muss er zwar die Sachverhalte in einem größeren Umfang aufklären, als der Amtsermittlungsgrundsatz und die Anrufungsauskunft vermuten lassen.210 Doch ändert die Intensität dieser Verpflichtung grundsätzlich nichts daran, dass der Arbeitgeber sachgerecht in Dienst genommen 207 208 209 210

Siehe Siehe Siehe Siehe

insgesamt oben unter D., insbesondere D. VII. oben unter E., insbesondere unter E. IX. 1. oben unter c) bb) und E. IX. 2. oben unter E. I.

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wird, weil die Indienstnahme die Informationen des Arbeitgebers über seine Arbeitnehmer nutzt. Auch die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten knüpfen wie der Einbehalt, die Anmeldung und die Abführung der Lohnsteuer folgerichtig an die Verfügungsmacht des Arbeitgebers über den Lohn des Arbeitnehmers an.211 Insofern ist die Verpflichtung realitätsgerecht, 212 dem Arbeitgeber zumutbar. Die übrigen Abzugspflichten, insbesondere die komplizierte Berechnung der Lohnsteuer sowie der Lohnsteuer-Jahresausgleich, beanspruchen den Arbeitgeber aber in sachfremder Weise. Sie fordern von ihm losgelöst von einer gerade ihm eröffneten Informationsquelle, einem ihm zuzuordnenden Verantwortungsbereich in fremder Sache – für den Arbeitnehmer213 – dauerhaft wie ein Steuerexperte zu handeln.214 Wegen der Komplizierung des Rechts können diese Abzugspflichten nur von Steuerexperten, im Regelfall also nicht vom Arbeitgeber selbst erfüllt werden. Könnte der Arbeitgeber nicht Dritte hierfür einsetzen, wäre die Verpflichtung insoweit unerfüllbar und ihm deshalb nicht zuzumuten. Doch setzt der Arbeitgeber Steuerexperten gegen Vergütung ein. Hier mäßigt das Entgelt die Abzugsverpflichtung daher sachgerecht, verringert die finanzielle Belastung, die dem Arbeitgeber durch Einsatz von Experten entsteht,215 führt die unzumutbare Belastung in das Maß des Zumutbaren. cc) Kleinere Unternehmen, private Haushalte Der individualisierende Maßstab der Zumutbarkeit verlangt darüber hinaus eine angemessene Belastungsminderung von Arbeitgebern, die nur wenige, nur einen Arbeitnehmer beschäftigen, den Steuerabzug nicht selbst leisten können, kaum in der Lage sind, Dritte hierfür einzustellen, mit Blick auf das Volumen lediglich einen kleinen Beitrag zur Sicherung der Steuereinnahmen leisten. Dies gilt insbesondere für private Haushalte, die eine Haushaltshilfe beschäftigen, insofern aber von Art. 2 Abs. 1 GG und nicht durch die Berufsfreiheit geschützt werden.216 Hier hat der Gesetzgeber seinen Gestaltungsraum in verfassungskonformer Weise genutzt. § 40a Abs. 2 EStG regelt den pauschalen Steuerabzug für geringfügig Beschäftigte. Die Regelung knüpft folglich für die Ermittlung der zu entlastenden Arbeitgeber an die Höhe des Lohnes der Arbeitnehmer und damit gleichzeitig an die maßgebliche Finanzkraft der Arbeitgeber an. Der Gesetzgeber lässt so – im Rahmen einer zulässigen Typisierung – einen 211 212 213 214 215 216

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

oben unter E. IX. 2. oben unter aa). oben unter C., insbesondere unter C. III. oben unter E. IX. bereits oben unter c) dd). oben unter 3.

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wesentlich einfacheren und damit zumutbaren Steuerabzug für Arbeitgeber zu, die insbesondere mangels Finanzkraft keine Dritten für den Steuerabzug einsetzen können. dd) Haftung Die Zumutbarkeit fordert, die Arbeitgeberhaftung auf ein Verschulden zu beschränken.217 Der Staat darf vom Arbeitgeber grundsätzlich nur erwarten, dass er vorwerfbare Verwaltungsfehler vermeidet, nicht aber – in einer Art Gefährdungshaftung –, dass er unabhängig von subjektiver Vermeidbarkeit für den Erfolg eines richtigen Steueraufkommens einsteht. Dies gilt insbesondere für den Lohnsteuerabzug, der dem Arbeitgeber Pflichten auferlegt, die er nur durch Steuerexperten erfüllen lassen kann, deren Arbeit nachzuprüfen er sich folglich außer Stande sieht. Nach einer Haftung des Arbeitgebers führt zudem der mögliche Regress beim Arbeitnehmer zu Rechtsunsicherheiten. Korrigiert der Arbeitgeber einen Fehler im Lohnsteuerverfahren und unterlässt er daraufhin, beim Arbeitnehmer Regress zu nehmen, ist dies erneut als steuerpflichtiger Arbeitslohn beim Lohnsteuerabzug zu berücksichtigen.218 Es wäre zu erwägen, den Arbeitgeber jedenfalls nur insoweit haften zu lassen, als auch der öffentlich Bedienstete einen Rückgriff bei Amtspflichtverletzungen befürchten muss (Art. 34 Satz 2 GG), das heißt die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu beschränken.219 Der private, nicht zur Erfüllung von öffentlichen Verwaltungsaufgaben ausgebildete Arbeitgeber darf nicht stärker belastet werden als der Angehörige des öffentlichen Dienstes, der bei Erfüllung vergleichbarer Aufgaben in einem „öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis“ steht (Art. 33 Abs. 4 GG), für diese Aufgabe besonders ausgebildet ist, bei der Erfüllung einer Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht unterliegt. Doch führen diese Erwägungen nicht dazu, dass § 42d EStG verfassungswidrig ist, obwohl diese Regelung eine dem Arbeitgeber prinzipiell unzumutbare verschuldensunabhängige Haftung normiert. Die Verwaltungspraxis wendet § 42d EStG in verfassungskonformer Weise an, wenn sie im Ergebnis den Arbeitgeber nur bei Verschulden heranzieht.220 217 Verschulden ist nach dem Wortlaut des § 42d EStG aber nicht Voraussetzung für die Haftung des Arbeitgebers, siehe oben unter E. VII. 1.; siehe zum verfassungsrechtlichen Blickwinkel auf die Haftung des Arbeitgebers Hahn, NJW 1998, S. 20 ff. m w. H., der an Hand eines Beispiels die Überforderung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug darstellt und für den erörterten Fall eine Haftungsbefreiung des Arbeitgebers fordert; nach Offerhaus, BB 1982, 793 (797), darf der Arbeitgeber nicht zur Haftung herangezogen werden, wenn er sich in einem unverschuldeten Irrtum über seine Pflicht zum Steuerabzug befunden hat. 218 Siehe oben unter E. VII. 3. c). 219 Siehe hier aber auch § 32 AO sowie jüngst Drüen, in: Seer, Bochumer Lohnsteuertag, 2005, S. 59 (80 ff. m. w. H.).

V. Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG)

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5. Entgelt für den Lohnsteuerabzug Art. 12 Abs. 1 GG garantiert, dass der Berufstätige seine Erwerbstätigkeit in der vorgefundenen staatlichen Ordnung ausüben, den freien Wettbewerb zwischen privaten Unternehmen nutzen kann; der Staat wird deshalb auf die Steuerfinanzierung verwiesen. Insbesondere vor diesem Hintergrund darf der Arbeitgeber zum Lohnsteuerabzug verpflichtet werden. Das Abzugverfahren muss wie das Einkommensteuerrecht von Verfassungs wegen nicht einfacher ausgestaltet werden, obgleich es dann die Steuern mit gleicher Effizienz, aber in einer die Grundrechte des Arbeitgebers schonenderen Weise sichern würde. Der Gesetzgeber hat mit der Quellenbesteuerung das erforderliche Verfahren gewählt, zu einer besseren Ausgestaltung ist er grundsätzlich nicht verpflichtet. Jedoch sind die Belastungsfolgen, die durch das Abzugverfahren beim Arbeitgeber entstehen, erheblich, die Ausgestaltung des Verfahrens weder erforderlich noch dem Arbeitgeber zumutbar. Die Indienstnahme ist deshalb verfassungswidrig, wenn sie nicht durch ein staatliches Entgelt für den Arbeitgeber gemildert wird. Zwar kann ein Entgelt grundsätzlich einem verfassungswidrigen Eingriff nicht zur Rechtmäßigkeit verhelfen, weil der Staat dem Bürger seine Freiheit gleichsam nicht abkaufen kann. Bei einem Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist dies aber ausnahmsweise anders, gerade wenn ein Belasteter wie der Arbeitgeber Dritte gegen Entgelt für die Indienstnahme anstellen muss. Der Grundrechtsberechtigte wird daran gehindert, seine Mittel für seine Erwerbstätigkeit einzusetzen, muss sie für den Steuerabzug aufwenden. Ein staatliches Entgelt gleicht deshalb im Ergebnis nicht nur dem Ziel des Erwerbs, der Ausübung der Berufsfreiheit, sondern mildert trefflich die konkrete Beeinträchtigung des Arbeitgebers, dämpft den Eingriff in verfassungskonformer Weise.

V. Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) Die Eigentumsfreiheit wird durch die lohnsteuerrechtliche Indienstnahme des Arbeitgebers nicht verletzt. Die Mitwirkungspflichten treffen den Arbeitgeber im Rahmen seiner Berufsausübung, nicht seiner Kapitalnutzung. Sie sind deshalb in erster Linie an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.221 Allerdings muss der Arbeitgeber Kapital aufwenden, wenn er den Lohnsteuerabzug nicht selbst vornimmt, sondern durch Dritte – in der Regel Steuerspezialisten – vornehmen lässt. In diesen Fällen, in denen das Lohnsteuerrecht nicht die Arbeitskraft des Arbeitgebers, sondern sein Kapital belastet, stellt sich die Frage eines Eigentümerschutzes nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG. Die 220 221

Siehe oben unter E. VII. Siehe oben unter IV.

188

F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

Normwirklichkeit einer Finanzierung der Lohnsteuerbüros verweist auf einen Vermögensverlust. Der Norminhalt des Art. 14 Abs. 1 GG ist von der Indienstnahme dennoch nicht berührt. Art. 14 Abs. 1 GG schützt auch Geldeigentum und Forderungen. Das ursprüngliche, vom zivilrechtlichen Begriff des Sacheigentums bestimmte Eigentumsverständnis gewährleistete zwar nur das gegenständliche Wirtschaftsgut. Nachdem heute jedoch die Grundrechtsträger die ökonomische Grundlage ihrer Freiheit weniger in Betrieben und anderen Sachgegenständen und mehr im Lohn- und Sozialversicherungsanspruch, zunehmend auch in gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen finden, schützt die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie heute alle rechtlich ausgeformten vermögenswerten Rechtspositionen, die der Berechtigte durch Leistung erworben hat und nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben kann.222 Ein wesentlicher Inhalt der Freiheitsgarantie besteht insbesondere darin, Sachgüter und Geld gegeneinander austauschen zu können. Die Freiheitsfunktion des Eigentums wird gerade in Geld sichtbar.223 Dementsprechend schützt die Eigentumsgarantie den Steuerpflichtigen vor einem erdrosselnden Eingriff und einer grundlegenden Beeinträchtigung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse.224 Insoweit ist die Aussage, Art. 14 Abs. 1 GG schütze „nicht das Vermögens als solches“,225 missverständlich. Art. 14 GG schützt jedes durch Leistung erworbene Einkommen, jede Forderung, jede erworbene Liquidität, auch die Summe der Eigentumsgegenstände. Allerdings wehrt die freiheitschützende Eigentumsgarantie nicht jede Belastung des Erworbenen ab. Vielmehr ist insbesondere eine Steuer Bedingung der Eigentumsfreiheit. Wenn Art. 14 GG den Produktionsfaktor Kapital in private Hände gibt, muss sich der Staat durch Teilhabe am Erfolg privaten Wirtschaftens – durch Steuern – finanzieren. Die Grundrechte fordern die Steuererhebung und mäßigen sie.226 Nach Art. 14 GG darf eine Steuer die Eigentümerfreiheit 222 BVerfGE 45, 142 (179) – Kaufpreisanspruch; 70, 278 (286) – steuerlicher Erstattungsanspruch; 79, 174 (191) – Erbbaurecht; 89, 1 (6) – Mietrecht; ständige Rechtsprechung. 223 BVerfGE 97, 350 (370) – Euro. 224 BVerfGE 14, 221 (241) – Fremdrente; 82, 159 (190) – Absatzfonds. 225 Siehe BVerfGE 4, 7 (17) – Investitionshilfegesetz; Depenheuer, in: v. Mangoldt/ Klein/Stark, Das Bonner Grundgesetz, Band 1, 4. Auflage 1999, Art. 14 Rdn. 164 ff.; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 7. Auflage 2004, Art. 14 Rdn. 15 f. Das Grundgesetz bewahrt den Bürger hiernach durch Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG und nicht über Art. 14 GG vor einer steuerlichen Überlastung. Art. 3 Abs. 1 GG sichere daneben die Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, Das Bonner Grundgesetz, Band 1, 4. Auflage 1999, Art. 14 Rdn. 166). 226 Insgesamt P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HStR IV, 1990, § 88 Rdn. 88 ff.

VI. Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)

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nur so weit beschränken, dass „dem Steuerpflichtigen ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten wird. [. . .] Die Zuordnung der vermögenswerten Rechtsposition zum Eigentümer und die Substanz des Eigentums müssen gewahrt bleiben. [. . .] Nach Art. 14 Abs. 2 GG dient der Eigentumsgebrauch zugleich dem privaten Nutzen und dem Wohl der Allgemeinheit. [. . . Die] steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages [muss] bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand“ verbleiben (so genannter „Halbteilungsgrundsatz“).227 Dieser Eigentumsschutz für den Steuerzugriff unterscheidet sich allerdings von dem verfassungsrechtlichen Schutz gegen einen Aufwand zur Finanzierung des unternehmerischen Lohnsteuerpersonals. Bei der Einkommensbesteuerung entzieht der Staat dem Eigentümer erworbenes Eigentum. Bei den Abzuglasten im Lohnsteuerverfahren gestaltet er eine allgemeine Bürgerpflicht so aus, dass sie eigenhändig oder mit fremder Hilfe erfüllt werden kann. Der Steuerschuldner schuldet Eigentum, der Abzugsverpflichtete Dienstleistungen. Auch wenn die Kompliziertheit dieser Mitwirkungslast die Beteiligung Dritter erforderlich macht, zielt der Eingriff nicht auf den finanziellen Aufwand, sondern auf die Dienste des Lohnsteuerabzugs. Die lohnsteuerrechtlichen Handlungspflichten betreffen den Norminhalt des Art. 12 Abs. 1 GG, nicht des Art. 14 GG.

VI. Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) 1. Normwirklichkeit Alle Menschen unterscheiden sich. Trotzdem erwartet der Bürger vom Staat, dass dieser grundsätzlich jeden gleich behandelt, dass er keinen bevorzugt, keine Privilegien gewährt. Es wird sich jedoch kaum einer beklagen, wenn der hervorragende Sportler eine Auszeichnung erhält, der Staatsmann auf Kosten der Allgemeinheit mit Limousine und Chauffeur vorfährt, dem Mittellosen eine Unterstützung gezahlt wird. Insofern schärft die Normwirklichkeit die Frage der Vergleichbarkeit, verbietet aber gleichzeitig, die Ergebnisse der Freiheitsentfal227 BVerfGE 93, 121 (137 f.) – Einheitswerte; siehe insgesamt auch G. Kirchhof, in: Di Fabio, Verfassungsrecht und Verfassungsprozessrecht, 2004, S. 203 (214 f. m. w. H.).

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

tung anzugleichen, untersagt die Ergebnisgleichheit. Ansonsten würde der Bürger die Folgen seiner Freiheit nicht erleben. Freiheit bedeutet, sich unterscheiden zu dürfen, vorgefundene Verschiedenheit zu genießen, auch zu vergrößern. Nivellierung verletzt letztlich Freiheit und Gleichheit.228 2. Staatliche Maßnahme und Norminhalt a) Die Gleichheit vor dem Gesetz Diese Wirklichkeit nimmt das Grundgesetz auf, wenn es „Gleichheit vor dem Gesetz“ fordert (Art. 3 Abs. 1 GG), dadurch Chancen-, Rechtsetzungs- und Rechtsanwendungsgleichheit garantiert, die freiheitsgefährdende, gleichheitswidrige Ergebnisgleichheit untersagt. Der Rechtsinterpret anerkennt die Unterschiede der Menschen, die Normwirklichkeit, berücksichtigt, dass keine Lebenssituation mit der anderen identisch ist, wenn er in jeweils bereichsspezifischer Anwendung fordert, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln.229 Dieser Vergleich findet niemals identische Menschen vor, fordert vielmehr, Vergleichspaare mit rechtserheblicher Ähnlichkeit oder Verschiedenheit zu bilden. Die Vergleichspaare werden an Hand eines Vergleichsziels ermittelt, das den Vergleichsmaßstab, das so genannte tertium comparationis, bestimmt. Dieses Ziel gibt der Gesetzgeber vor, muss es aber mit einer sachgerechten Unterscheidung verfolgen. Die Rechtfertigung von Ungleichheiten mit Blick auf das Vergleichsziel führt auch für den Gleichheitssatz zu der Frage, ob die Differenzierung verhältnismäßig ist, ob der Gesetzgeber einen legitimen Regelungszweck durch die Ungleichbehandlung geeignet, notwendig und zumutbar verfolgt. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip fordert beim Freiheitsrecht ein angemessenes Verhältnis von Mittel und Zweck, verlangt beim Gleichheitssatz eine Angemessenheit der zu vergleichenden Betroffenheiten hinsichtlich des Zwecks. Der Gesetzgeber handelt durch abstrakt-generelle Regelungen, die bestimmte Aspekte der Wirklichkeit für rechtserheblich erklären, andere als rechtsunerheblich aus dem Blickfeld des Rechts verdrängen, setzt auf eine Typisierung. Im Rahmen dieser Typisierung darf sich der Gesetzgeber grundsätzlich am Regelfall orientieren, ohne allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung tragen zu müssen; Einzelfallgesetze sind verboten (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG). Dem Gesetzgeber steht grundsätzlich ein Gestaltungsraum offen. 228 Siehe hierzu insgesamt P. Kirchhof, Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, 1996, S. 7 ff., ohne jedoch von einer Normwirklichkeit zu sprechen. 229 BVerfGE 103, 242 (258) – Pflegeversicherung; sowie Pieroth/Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 20. Auflage 2004, Rdn. 431 ff. m. w. H.

VI. Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)

191

Bei einer Regelung der allgemeinen, demokratisch gestaltbaren Lebensumstände des Menschen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur eine willkürliche Differenzierung verfassungswidrig, die keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung bietet (so genannte Willkürformel).230 Regelungen des persönlichen Status eines Menschen unterliegen einer „strengeren“ Gleichheit. Hier gilt nicht die so genannte Willkürformel, sondern das Erfordernis des sachlich rechtfertigenden Grundes, also der Rechtfertigung in der Sache, in der Wirklichkeit.231 b) Der Lohnsteuerabzug Der Gesetzgeber belastet nicht nur den Arbeitgeber mit dem Abzugverfahren, sondern verlangt von jedem eine Quellenbesteuerung, der hierzu in der Lage ist. Die Kreditinstitute müssen die Kapitalertragsteuer erheben,232 die Vergütungsschuldner beschränkt Steuerpflichtiger233 und Empfänger von Bauleistungen234 werden in ähnlicher Weise verpflichtet wie der Unternehmer, der die Umsatz-, Verbrauch- oder Verkehrsteuern als indirekte Steuern schuldet, über den Preis aber den Konsumenten als Steuerträger übergeben kann.235 Der Vergleichsmaßstab wird durch das Ziel des Abzugverfahrens bestimmt, staatliche Steuereinnahmen zu sichern, die Privatsphäre des Steuerpflichtigen zu

230 Ständige Rechtsprechung, BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat; siehe auch BVerfGE 96, 1 (6) – Arbeitnehmerfreibetrag. 231 Insgesamt BVerfGE 96, 1 (6 m. w. H.) – Arbeitnehmerfreibetrag. Die unterschiedliche Behandlung wäre nach der sog. neuen Formel verfassungsgemäß, wenn zwischen den Vergleichsgruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die die ungleiche Behandlung rechtfertigen (BVerfGE 55, 72 (88) – Präklusion I; ständige Rechtsprechung). Diese Formel konkretisiert nach einer Auffassung den legitimen Zweck (Pieroth/Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 20. Auflage 2004, Rdn. 441), könnte aber auch bei der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit herangezogen werden. Die sog. neue Formel überzeugt aber schon vom Ansatz her nicht. Eine Ungleichbehandlung kann – zumindest nicht immer – über die vorgefundenen Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen gerechtfertigt werden, weil der Gesetzgeber die Unterschiede selbst schaffen und ausformen kann (Pieroth/Schlink, ebenda, Rdn. 441.; siehe insgesamt BVerfGE 82, 126 (146) – Kündigungsfristen für Arbeiter; sowie zur Prüfung des Gleichheitssatzes auch G. Kirchhof, in: Di Fabio, Verfassungsrecht und Verfassungsprozessrecht, 2004, S. 151 (157 ff. m. w. H.). 232 § 43 ff. EStG. 233 § 50a Abs. 5 EStG. 234 § 48 EStG; siehe insgesamt Goez, Die Quellenbesteuerung als Erhebungsform der Einkommensteuer, 1993, sowie – für den Blick in das internationale Steuerrecht – K. Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (insbes. 17 f.). 235 Der Unternehmer kann hier Steuerschuldner sein und der Konsument Steuerträger, weil die Bemessung der Steuer – anders als bei den direkten Steuern – nicht von den persönlichen Verhältnissen des Konsumenten abhängt (Lang, in: Tipke/ders., Steuerrecht, 17. Auflage 2002, § 6 Rdn. 10, § 8 Rdn. 20).

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

schonen, den Verfahrensablauf zu vereinfachen. Für dieses Ziel wird jeder Schuldner steuerpflichtiger Einkommen, der diese Einkommen nach allgemeinen und einfachen Kriterien an die Steuerpflichtigen auszahlt, in Pflicht genommen. Mit dieser Entscheidung und ihrer konkreten tatbestandlichen Ausformung bleibt der Gesetzgeber in den Grenzen zulässiger Typisierung.236 Der Arbeitgeber wird zum Lohnsteuerabzug verpflichtet, weil er Regellöhne auszahlt und damit die steuerliche Bemessungsgrundlage kennt, an die arbeitsvertraglich geschuldete Auszahlung vereinfacht den Lohnsteuerabzug anschließen kann, er im Regelfall auch – anders als die Arbeitnehmer – für die Finanzbehörden leicht ermittelbar und kontrollierbar ist. Zudem ist gegenwärtig – in Zeiten grenzüberschreitender Arbeitsverhältnisse – der Arbeitgeber als Steuerinländer greifbar, so dass das Abzugverfahren auch dem Gebot des Gleichheitssatzes genügt, die Steuerschuld auch im Besteuerungsverfahren gleichmäßig durchzusetzen.237 Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug verletzt den Gleichheitssatz insoweit nicht. c) Entgelt für die Indienstnahme Der Staat ist verpflichtet, dem Arbeitgeber ein Entgelt für den Steuerabzug zu zahlen.238 Das Entgelt muss der Höhe nach angemessen sein, insofern vergleichbaren Vergütungen entsprechen. Hier kann sich der Staat an der Vergütung orientieren, die er selbst für die Mitwirkung bei der Erhebung der Kirchensteuer fordert,239 oder an den Aufwendungen, die eine Finanzverwaltung durch das Abzugverfahren spart.240 Ein weiteres Argument für diese Entgeltpflicht sowie gleichzeitig ein Anhaltspunkt für ihre Bemessung könnte auch das Entgelt sein, das Sozialversicherungsstellen für ihre Dienste im Rahmen der Sozialversicherung erhalten, insbesondere für den Einzug von Beiträgen.241 Die Funktion dieses Entgelts unterscheidet sich jedoch rechtserheblich von dem Entgelt für den Lohnsteuerabzug. Wird ein Dienst für die Sozialversicherung entgolten, wirkt der Dienstverpflichtete an der Abwicklung eines individuellen, den einzelnen Menschen berechtigenden Versicherungsverhältnisses mit. Die Indienstnahme des Arbeitgebers 236 Siehe BVerfGE 82, 159 (185 f.) – Absatzfond; 96, 1 (6) – Arbeitnehmerfreibetrag; 101, 297 (309) – Arbeitszimmer; siehe zum Steuerrecht: Brockmeyer, FS Offerhaus, 1999, S. 13 (17 ff.). 237 BVerfGE 84, 239 – Zinsbesteuerung. 238 Siehe oben unter IV. 4. und 5. 239 Der Staat fordert zweieinhalb bis vier Prozent der erhobenen Steuersumme (Weber, NVwZ 2002, 1443 (1445 m. w. H.)). 240 Siehe hierzu oben unter B. I. 241 Siehe oben unter B. II. Siehe zu der Forderung eines Entgelts für bestimmte Indienstnahmen aus Art. 3 Abs. 1 GG Burgi, GewArch 1999, 393 (398 ff.).

VI. Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)

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hingegen sichert die Finanzkraft des Gemeinwesens, der Arbeitgeber befolgt eine allgemeine Bürgerpflicht, die grundsätzlich unentgeltlich erbracht und nur wegen der besonderen Ausgestaltung – der vermeidbaren Komplizierung – durch Entgelt in ihrer belastenden Wirkung gemäßigt werden muss. Der Gleichheitssatz fordert insoweit nicht eine Gleichbehandlung der Entgelte im Sozialversicherungsrecht und im Steuerrecht. Der Vergleich zwischen Sozialrecht und Steuerrecht kann aber für die Bemessung des gemäß Art. 12 Abs. 1 GG geschuldeten Entgelts einen Maßstab bieten.242 d) Überhöhte Steuervorauszahlung Der Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber berücksichtig nicht alle ihm zustehenden Abzugbeträge,243 führt also zu Überzahlungen des Arbeitnehmers, der dem Staat so ein zinsloses Darlehen gewährt.244 Das Volumen dieses Darlehens wird auf jährlich mehrere Milliarden Euro geschätzt. In vielen Fällen beantragen die Arbeitnehmer auch keinen nachträglichen Ausgleich,245 so dass die Steueranmeldung des Arbeitgebers bestandskräftig wird, die individuelle Steuerschuld des Arbeitnehmers in der Höhe der Zuvielzahlung festgesetzt ist. Diese Steuervorauszahlungen der Arbeitnehmer unterscheiden sich von den übrigen Vorauszahlungen der anderen Einkommensteuerpflichtigen, die sich – unter Berücksichtigung aller Aufwands- und Abzugtatbestände – nach der Steuer des Vorjahres bemessen (§ 37 Abs. 3 Satz 2 EStG), bei laufenden Mindereinkommen auch angepasst werden (§ 37 Abs. 3 Satz 3 EStG), also in wirklichkeitsgerechter und gegenwartsnaher Höhe geschuldet werden. Zudem wird die Lohnsteuer in der Regel monatlich, die Einkommensteuervorauszahlung in der Regel vierteljährlich abgeführt (§ 37 Abs. 1 Satz 1 EStG). Diese Unterschiede verbleiben aber im Rahmen gesetzlicher Typisierung. Der Arbeitnehmer empfängt regelmäßig eine monatlich gleich bleibende Lohnzahlung, während die Einkommensbezieher im Übrigen wechselnde Gewinne und Überschüsse erzielen, nicht auf Grundlage kontinuierlich gleich bleibender Bemessungsgrundlagen zu Vorauszahlungen herangezogen werden können. Diese tatsächliche Verschiedenheit rechtfertigt die verallgemeinernde Typisierung: Die Einkommensteuervorauszahlung bietet die allgemeine Regel für schwankende Einkommen, der Lohnsteuerabzug für stetige Einkommen. 242

Siehe hierzu bereits oben unter IV. 4. c) dd). Selbst das kompliziert ausgestaltete Ermäßigungsverfahren berücksichtigt nicht alle maßgeblichen Beträge (siehe insgesamt oben unter E.). 244 Siehe für den Beginn der Verzinsung § 233a Abs. 2 AO. 245 Zahlreiche Arbeitnehmer nehmen beispielsweise auch die Möglichkeit nicht wahr, die Lohnsteuer durch das Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren zu reduzieren (Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, S. 241). 243

194

F. Die Grundrechte des Arbeitgebers

Das lohnsteuerrechtliche nicht.246

Abzugverfahren

verletzt

den

Gleichheitssatz

VII. Die angemessene Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft Das grundrechtliche Verbot des Arbeitszwangs (Art. 12 Abs. 2 GG) und die Grundrechtsgarantie der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) stehen der lohnsteuerrechtlichen Indienstnahme grundsätzlich entgegen. Die grundrechtlichen Gewährleistungen werden aber nicht verletzt, weil beide Grundrechte eine angemessene Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft erlauben. Die Abzugsverpflichtung des Arbeitgebers verletzt als herkömmliche Dienstleistungspflicht nicht Art. 12 Abs. 2 GG. Art. 12 Abs. 1 GG verlangt allerdings, die Belastung des Arbeitgebers durch ein Entgelt zu mildern. Die Normwirklichkeit stützt dieses Ergebnis, fordert aber eine weiter greifende verfassungsrechtliche Erörterung, die alle Indienstnahmen des Arbeitgebers, insbesondere die an das Arbeitsverhältnis anknüpfenden sozialrechtlichen Verpflichtungen berücksichtigt.

246 Siehe hierzu aber jüngst Drüen, in: Seer, Bochumer Lohnsteuertag, 2005, S. 59 (63 ff., insb. 75 f. m. w. H.); siehe zur allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) Drüen, ebenda, 76 m. w. H., mit Blick auf den Arbeitnehmer, siehe zudem oben unter IV. 3.

G. Die Indienstnahmen des Arbeitgebers als verfassungsrechtliches Problem des modernen Rechtsstaats I. Die Indienstnahmen, die kumulative Belastung des Arbeitgebers Die rechtliche Beurteilung der Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugverfahren ist exemplarisch für die Erörterung der Folgelasten, die dem Arbeitgeber anknüpfend an die Belastung durch das Abzugverfahren aufgebürdet werden, konzentriert sich auf die Rechtsmaßstäbe, die für die Prüfung anderer staatlicher Indienstnahmen maßgeblich sind. Die Analyse der Normwirklichkeit des in Dienst genommenen Arbeitgebers weitet den Blick der Rechtsprüfung, fordert und erlaubt anders als die herkömmliche Grundrechtsdogmatik, die Verwaltungslasten des Arbeitgebers in ihrem Zusammenwirken, die Gesamtbelastung zu würdigen.1 Die Bücher des Sozialgesetzbuchs, das Bundesausbildungsförderungsgesetz, das Bundeskindergeldgesetz, das Bundessozialhilfegesetz, das Lohnfortzahlungsgesetz, das Mutterschutzgesetz, das Unterhaltssicherungsgesetz, das Unterhaltvorschussgesetz, das Wohngeldgesetz, das Wohnungsbaugesetz, das Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie das Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit nutzen die Arbeitgeberstellung, um an sie Mitwirkungspflichten, Auskunftsobliegenheiten, Nachweis- und Bescheinigungspflichten, Berechnungs-, Zahlungs- und Aufzeichnungspflichten zu knüpfen, die ebenfalls unentgeltlich zu erfüllen sind.2 Damit wird der Lohnschuldner immer mehr zu einer Verwaltungsstelle, das Arbeitsrechtsverhältnis zu dem zentralen Anknüpfungspunkt für sozialstaatliche Organisationslasten. Wenn zurzeit gefordert wird, den Arbeitslohn von Sozialabgaben zu entlasten,3 so gilt dieses Entlastungspostulat in gleicher Weise für die dem Arbeitgeber aufgebürdeten Verwaltungspflichten. Gegenwärtig dürfte 1

Siehe hierzu insgesamt oben unter F. I., insbesondere unter 3. Siehe insgesamt oben unter B. II. 3 Siehe jüngst Wallerath, JZ 2004, 949, und Becker, JZ 2004, 929; insbesondere zur Diskussion über den Gesetzesentwurf zur Modernisierung der Krankenkassen vom 8. September 2003 und über die Ergebnisse der sog. „Rürupp-Kommission“ Richter, DStR 2004, 320; siehe Christmann, DStR 2004, 119, zur Diskussion der sog. „HartzGesetze“; siehe zudem Schneider, Der Bericht der Herzog-Kommission und der Beschluss des CDU-Parteitags, Arbeitspapier herausgegeben von der Konrad-AdenauerStiftung, Nr. 119, 2003. 2

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G. Die Indienstnahmen des Arbeitgebers als Problem des Rechtsstaats

niemand, weder der an der Gesetzgebung mitwirkende Parlamentarier noch ein der jeweiligen Fachbehörde zugeordneter Beamter, ein mit den verschiedenen Sachmaterien befasster Unternehmensjurist, schon gar nicht der einzelne Arbeitgeber, in der Lage sein, die geregelte Gesamtlast zu überschauen und – als Gesetzgeber, Gesetzesvollzieher oder Betroffener – zu verantworten. Der Staat verpflichtet den Arbeitgeber zu Leistungen, die er selbst nicht erfüllen kann, zwingt ihn, hierfür fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, beispielsweise für den Steuerabzug ein Lohnbüro oder einen Steuerberater einzusetzen. Diese Gesetzesflut, auch ihre verwirrende Judifizierung, ist am verfassungsrechtlichen Maßstab der Grundrechte, insbesondere am Verbot des Arbeitszwangs und der Berufsfreiheit, sowie am rechtsstaatlichen Gebot der Normklarheit zu messen.4 Die rechtspolitisch geforderte Deregulierung wird zu einem Verfassungsproblem. Wenn der Norminhalt des Art. 12 Abs. 2 GG jedoch sachwidrig reduziert wird, nicht jeden Arbeitszwang verbietet, sondern auf eine elementare Menschenwürdegarantie zurückgenommen zu werden droht, die Grundrechtsdogmatik den Rechtsanwender nicht anleitet sondern davon abbringt, die kumulative Belastung durch verschiedene Indienstnahmen zu erörtern, fördert die Verfassungsinterpretation eher die Übernormierung, als dass sie sie verhindert, verdeckt sie den Verfassungsauftrag zu einer maßvollen Gesetzgebung, zur Deregulierung. Hier wird eine Analyse der Normwirklichkeit nicht nur die Gesamtlast, die dem Arbeitgeber aufgeladen wird, sondern auch die Grenzen der tatsächlichen Belastbarkeit des Arbeitgebers offen legen und damit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip eine realitätsgerechte Vorgabe bieten. Der Norminhalt wird bewusst machen, dass die Wesentlichkeitsthese5 nicht mehr – wie ursprünglich6 – zur Ausdehnung des Gesetzesvorbehalts, sondern zu dessen Zurücknahme auf das Wesentliche eingesetzt werden muss. Dadurch werden die Freiheitsrechte wirklichkeitsgerecht verstanden. Der Gleichheitssatz findet einen „sachlich“ recht4 Die Regelungen eines Gesetzes müssen so aufeinander abgestimmt werden, dass Widersprüchlichkeit vermieden und Folgerichtigkeit geschaffen wird (BVerfGE 84, 239 (271) – Zinsbesteuerung; 87, 153 (170) – Grundfreibetrag; 93, 121 (136) – Vermögensteuer; 98, 106 (118 f.) – Verpackungsteuer; zur Normklarheit grundlegend: Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuergesetzgebung im Vergleich Deutschland – Schweiz, 1997, S. 135 ff., der betont, dass bisher keine Steuernorm wegen Unbestimmtheit oder Unklarheit für verfassungswidrig erklärt wurde, und zuvor feststellt, dass der Gesetzgeber bei der Steuergesetzgebung sich eher für die Präzision einer Norm, denn für die Bestimmtheit entscheiden werde, falls er vor diese Alternativität gestellt werden sollte (S. 138 f.); siehe zudem Scholz, FS Zacher, 1998, S. 988 ff., insbesondere zum Wachstum staatlicher Aufgaben, zum Übermaßverbot und dem Subsidiaritätsprinzip (993 ff.) sowie zu dem Zusammenhang zwischen Deregulierung und Privatisierung (1003 ff.). 5 BVerfGE 33, 125 (127 f.) – Facharzt; 33, 303 (345 f.) – numerus clausus; siehe insgesamt Hömig, FS 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, S. 273 (insbes. 283). 6 Grundlegend BVerfGE 58, 257 (268 ff., insbes. 271) – Schulentlassung.

II. Privatisierung und Indienstnahmen

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fertigenden Grund, das Parlament gewinnt seine Kompetenz als Entscheidungsmitte, als Entscheider der Grundsatzfragen der Demokratie zurück. Die Prüfung einer realitätsgerechten Verhältnismäßigkeit, einer sachgerechten Differenzierung findet in der Wirklichkeit eine maßstabgebende Vorgabe für das Gesetz und die Gesetzesanwendung. Der Gestaltungsraum, der zunächst dem Gesetzgeber und dann – bei der vollziehenden Befolgung des gesetzgeberischen Willens – der Verwaltung offen steht, erlaubt unterschiedliche Regelungen in Auseinandersetzung mit derselben Realität. Die Freiheitsrechte fordern, die vorgefundene Freiheit zu achten; Art. 12 GG konzentriert sich dabei auf den freiheitlichen Erwerb, Markt und Wettbewerb. Der Gleichheitssatz verlangt, die Realität in ihren für Verwaltungslasten erheblichen Unterschieden zu erkennen. Der Blick, der den Norminhalt immer wieder auf die Normwirklichkeit bezieht, trägt dazu bei, die im Zugriff der Norm auf die Wirklichkeit enthaltene Sachgerechtigkeit, die Struktur und Ordnung der Realität, die Betroffenheit der Normadressaten umfassend aufzudecken, eine realitätsgerechte, sachgerechte Rechtsanwendung zu sichern.7 Wer die Fülle der Belastungen des Arbeitgebers durch Mitwirkungspflichten in der Normwirklichkeit ermittelt und darstellt, wird den verfassungsrechtlichen, den grundrechtlichen Auftrag zur Deregulierung nicht verkennen.

II. Privatisierung und Indienstnahmen Bevor eine Indienstnahme am Maßstab der Grundrechte geprüft wird, hat der Verfassungsinterpret sich zu vergewissern, ob der jeweilige Dienst durch die Gesellschaft oder durch den Staat erbracht wird, der Verpflichtete den Dienst als Freiheitsberechtigter oder als Grundrechtsverpflichteter leistet. Damit stellt sich die Frage, ob mit der Indienstnahme eine Privatisierung verbunden ist, ob eine Indienstnahme die Bindungen des staatlichen Sonderrechts lockert, ob dies verfassungsrechtlich zulässig ist, ob insbesondere die grundrechtlichen Bindungen, die Vorgaben durch das Verwaltungsverfahren, die rechtsstaatlichen und demokratischen Bande gelöst werden dürfen. 1. Fünfteilige, rechtsfolgenorientierte Privatisierungstypologie Hier gibt eine rechtsfolgenkonzentrierte fünfteilige Privatisierungstypologie Orientierung, die jeweils die einzelnen Stufen der Lockerung des staatlichen Sonderrechts, den verfassungsrechtlichen Maßstab der Privatisierung darstellt, die Privatisierungsdiskussion mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Folgen strukturiert. Darf der Staat die Garantien aufgeben, die durch die öffentlich7

Siehe hierzu auch oben unter F. I. 3.

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G. Die Indienstnahmen des Arbeitgebers als Problem des Rechtsstaats

rechtliche Handlungsform, insbesondere durch das Verwaltungsverfahren gesichert werden, darf er die zivilrechtliche Ebene der Gleichordnung, des Vertragschlusses betreten, nicht mehr Gebühren erheben, sondern einen Preis für eine Leistung vereinbaren (Privatisierung der Handlungsform)? Darf der Staat zudem die Organisationsform privatisieren, – bei fortwährender Bindung durch das Verwaltungsprivatrecht, an die Grundrechte – die demokratische Aufsicht, die rechtsstaatlichen Kontrollen lockern, wenn in erster Linie Aufsichtsrat und Gesellschafter, erst in zweiter Linie die Verfassungsorgane die Tätigkeit überwachen? Darf er – als Folge der Privatisierung der Organisationsform – das Dienstrecht der Beamten und Angestellten, die klare Hierarchie der Verwaltung, die strenge Haushaltsbindung aufgeben? Näher liegen der Indienstnahme aber die Beleihung, die keine Privatisierung ist, sondern die Bindung des hoheitlich handelnden Privaten an das staatliche Sonderrecht bewirkt, sowie die Privatisierung der ausführenden Hand. Letztere führt zu der Frage, ob der Staat eine Tätigkeit in den auf Gewinnstreben ausgerichteten Wettbewerb entlassen darf, welcher rechtliche Rahmen hierbei zu setzen ist oder auf welche andere Weise er Einfluss auf die Tätigkeit behalten muss, um den Vorgaben des Demokratieprinzips und der Grundrechte – unterstützt durch den Vorbehalt des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 4 GG) und der Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) – gerecht zu werden. Bedeutsam wird hier die Unterscheidung zwischen dem Verwaltungshelfer und dem Beauftragten, weil die rechtlichen Bindungen, der Einfluss des Staates gegenüber dem Verwaltungshelfer stärker an dessen Tätigkeit als an die Person des Handelnden anknüpfen. Bei der Privatisierung der Aufgabe entfallen die Bindungen des staatlichen Sonderrechts, die Tätigkeit wird in den wirtschaftlichen Wettbewerb entlassen, der Staat zieht sich auf den Schutz dieses Wettbewerbs zurück, ihn trifft nur noch eine Gewährleistungsverantwortung, durch die er insbesondere eine flächendeckende, angemessene und ausreichende Versorgung mit Leistungen garantiert. Die Indienstnahme veranlasst regelmäßig keine Aufgabenprivatisierung. Gleiches gilt für die grundsätzlich nur als Teilprivatisierung mögliche Privatisierung der Verantwortung. 2. Die Erfüllungshilfe Eine Privatisierung verschiebt Zuständigkeiten vom öffentlichen in den privaten Bereich, den rechtlichen Maßstab vom öffentlichen Recht in das Privatrecht. Vielfach allerdings ist eine Tätigkeit – wie der Lohnsteuerabzug – von vornherein durch private Hände verrichtet worden, ist eine originär private Tätigkeit, die der Staat nie selbst ausgeübt hat, den Privaten deshalb auch nicht übergeben konnte; eine solche Tätigkeit kann nicht privatisiert werden. Das Abzugverfahren wird folglich vielfach zu Unrecht als Privatisierung gedeutet. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind Mitwirkungspflichtige, vom Ein-

III. Grundrechte und Indienstnahme

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kommensteuerrecht, von der Verwaltung Betroffene, Hoheitsunterworfene, nicht Hoheitsträger. Das Lohnsteuerrecht privatisiert nicht. Umgekehrt ist der Arbeitgeber auch kein beliehener Unternehmer, der die Steuerschuld des Arbeitnehmers hoheitlich festsetzt und erhebt. Der Arbeitgeber wird gesetzlich in ein Verfahren eingebunden, das im Vorfeld des Verwaltungsverfahrens liegt. Im vorläufigen Abzugverfahren setzt der Arbeitgeber die Höhe der Lohnsteuer nicht fest, sondern zieht die durch den Staat bereits festgesetzte Steuer vom Lohn des Arbeitnehmers ab, um sie an den Staat abzuführen. „Steuerschulden sind Bringschulden.“8 Auch deshalb handelt der Arbeitgeber im Abzugverfahren „für Rechnung des Arbeitnehmers“ (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG), erfüllt die dem Arbeitnehmer obliegenden steuerrechtlichen Mitwirkungspflichten, ist Erfüllungsverpflichteter des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss die verpflichtende Fremderfüllung dulden. Auch die sozialrechtlichen Folgelasten des Abzugverfahrens liegen regelmäßig originär in privaten Händen; ihnen liegt dann keine Privatisierung zu Grunde. Die Auskunftsobliegenheiten, die Mitwirkungs-, Nachweis- und Bescheinigungspflichten, die Berechnungs-, Zahlungs- und Aufzeichnungsobliegenheiten wurden vom Staat in der Regel zu keiner Zeit selbst erfüllt. Das Sozialrecht verpflichtet insoweit Grundrechtsberechtigte, verschiebt nicht Kompetenzen vom öffentlichen in den privaten Bereich. Maßstab der Indienstnahmen sind deshalb in der Regel die Grundrechte als Abwehrrechte, auch die Prinzipien des Rechtsstaats, weniger das Demokratieprinzip.

III. Grundrechte und Indienstnahme Die Grundrechte entfalten ihre abwehrende Kraft gegen eine Indienstnahme. Die Prüfung konzentriert sich hier auf die Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), nimmt aber auch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in den Blick.9 Ausgangspunkt ist die Belastung, die dem Indienstgenommenen hoheitlich auferlegt wird, sowie der Zweck dieser Verpflichtung. So sichert das Abzugverfahren in sachgerechter, effizienter Weise das Steueraufkommen des Staates. Es überlastet dabei aber den Arbeitgeber, fordert von ihm unzumutbare Leistungen in fremder Sache, die er selbst nicht erbringen kann. Dennoch werden ihm weitere sozialrechtliche Folgelasten auferlegt. Die in ihrer Grundkonzeption sachgerechten Indienstnahmen gefährden oft in der Ausgestaltung, jedenfalls durch die kumulative Belastung die grundrechtliche Freiheit des Arbeitgebers.10

8

BFH, BStBl. III 1964, S. 106 (107). Zu Art. 12 Abs. 3 GG und Art. 14 Abs. 1 GG siehe oben unter F. III. und V. 10 Siehe oben unter F. I. 3. 9

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G. Die Indienstnahmen des Arbeitgebers als Problem des Rechtsstaats

1. Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft, Kontinuitätsgebot und Opfer-Nutzen-Relation (Art. 12 Abs. 2 GG) Art. 12 Abs. 2 GG schützt Private grundsätzlich vor jeder Arbeitsverpflichtung, vor jeder Indienstnahme durch den Staat, den Arbeitgeber vor der Verpflichtung, für den Arbeitnehmer die Lohnsteuer zu zahlen. Das Grundrecht gibt dabei Raum für eine maßvolle Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft, indem es herkömmliche allgemeine, für alle gleiche öffentliche Dienstleistungspflichten ausdrücklich erlaubt, ein Kontinuitätsgebot, einen Gesetzesvorbehalt, einen Gleichheitssatz, aber auch ein besonderes Verhältnismäßigkeitsprinzip begründet, das den Nutzen der Dienstleistung in Relation zu dem damit verbundenen Opfer beurteilt und dem Staat verbietet, den Bürger allein aus Gründen der Verwaltungsentlastung zu verpflichten. Das besondere Verhältnismäßigkeitsprinzip wird durch die steuerrechtliche Indienstnahme des Arbeitgebers grundsätzlich nicht verletzt. Das Verfahren sichert die verfassungsgemäße, maßvolle Besteuerung, zwingt nicht unangemessen, verfassungswidrig zu einer Arbeit, insbesondere weil der Arbeitgeber die Erfüllungslasten nicht selbst tragen muss, sondern Dritte dafür einsetzen kann, der Markt es ihm erlaubt, die so entstehenden Kosten über den Preis seiner Produkte von den Konsumenten tragen zu lassen. Der Steuerabzug bei Lohn und Kapital ist zudem eine herkömmliche Dienstverpflichtung im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG. Art. 12 Abs. 2 GG nimmt durch das Kriterium der Herkömmlichkeit die Normwirklichkeit auf. Der Bürger erwartet einen Markt frei von Arbeitszwang, hat sich aber auf die Erfüllung der bestehenden Verpflichtungen eingestellt. Auch wenn dieses Kontinuitätsgebot das Abzugverfahren nicht verbietet, werden doch die an die Arbeitgeberstellung anknüpfenden Folgelasten, werden neuartige Indienstnahmen gerade an diesem Maßstab zu prüfen sein. Das Gebot errichtet eine Barriere gegen neuartigen Arbeitszwang, weil es grundsätzlich nur Indienstnahmen zulässt, die traditioneller Bestandteil der Pflichtenordnung sind. Der Gesetzgeber darf aber auf neue Herausforderungen in der Wirklichkeit auch durch eine Indienstnahme reagieren, kann bestehende Dienstleistungspflichten an sich verändernde tatsächliche Umstände anpassen, Indienstnahmen vornehmen, die eine herkömmliche Zielsetzung, die Art und Intensität einer bestehenden Verpflichtung realitätsgerecht erweitern. Dennoch bleiben Zweifel, ob die zahlreichen sozialrechtlichen Mitwirkungspflichten, die Auskunftsobliegenheiten, Nachweis- und Bescheinigungspflichten, die Berechnungs-, Zahlungs- und Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers vor diesem Maßstab des Art. 12 Abs. 2 GG bestehen bleiben können.

IV. Der Auftrag zur Deregulierung

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2. In den Markt eingebundene Verpflichtung – Entgelt als Mäßigung (Art. 12 Abs. 1 GG) Jede Indienstnahme, die an die Berufsausübung anknüpft, ist am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, muss verhältnismäßig in den Norminhalt dieses Grundrechts eingreifen, darf den Indienstgenommenen nur in erforderlicher und zumutbarer Weise belasten. Wählt der Gesetzgeber – anders als bei der Indienstnahme des Arbeitgebers für den Lohnsteuerabzug – nicht das erforderliche Mittel, verletzt er Art. 12 Abs. 1 GG. Im Rahmen der Ausgestaltung eines geeigneten und erforderlichen Mittels hat er einen weiten Gestaltungsraum. Greift die Ausgestaltung in die Berufsausübungsfreiheit eines Erwerbstätigen dennoch in nicht erforderlicher, unzumutbarer Weise ein, verletzt sie die Verfassung nicht, wenn der Eingriff durch ein Entgelt gemildert wird. Zwar kann der Staat grundsätzlich eine Grundrechtsverletzung nicht durch ein Entgelt ausgleichen, dem Grundrechtsträger die Freiheit gleichsam abkaufen. Bei Indienstnahmen von Erwerbstätigen, bei Eingriffen in die Berufsausübungsfreiheit kann ein Entgelt aber ausnahmsweise die Grundrechtsbeeinträchtigung in verfassungskonformer Weise mildern, den Verfassungsverstoß verhindern. Die Berufsausübungsfreiheit dient dem Erwerb, dem Einkommen; ein Eingriff schwächt die Wirtschaftskraft und kann folglich durch Stärkung derselben, durch ein Entgelt ausgeglichen werden. Diese Lösung wird durch die Normwirklichkeit bestätigt, die einerseits nahe legt, den Arbeitgeber zu bestimmten Arbeitslasten zu verpflichten, andererseits aber auch seine Betroffenheit erkennt, die regelmäßig darin liegt, Personal gegen Entgelt für die Erfüllung der Verpflichtung einzustellen. Wenn die Berufsfreiheit dem Erwerb dient, so legt diese Wirklichkeit es nahe, einen Eingriff in die Erwerbsfreiheit durch Entgelt zu mildern. Ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl kann jedoch nicht durch ein Entgelt in die Verfassungsmäßigkeit geführt werden, weil diese für die Entfaltung der Persönlichkeit wesentlich ist, insoweit nicht finanzwirtschaftlich modifiziert werden kann. Auch dieses Ergebnis ist in der Normwirklichkeit angelegt, weil die im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG typisierte Verhältnismäßigkeitsprüfung, die Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts,11 der Wirklichkeit entspringt.

IV. Der Auftrag zur Deregulierung Anbetracht der erheblichen Belastungen des Arbeitgebers, der zahlreichen, nicht zu überschauenden Indienstnahmen insbesondere durch das Steuerrecht und das Sozialrecht, wird selbst das insofern eher vage rechtsstaatliche Gebot der Normklarheit zu einem verfassungsrechtlichen Appell zur Deregulierung. Deutlicher wirkt das Kontinuitätsgebot des Art. 12 Abs. 2 GG, das grundsätz11

BVerfGE 7, 377 – Apothekenurteil.

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G. Die Indienstnahmen des Arbeitgebers als Problem des Rechtsstaats

lich neuartige Indienstnahmen verbietet, in einer strikten Anwendung bestehende Belastungen des Arbeitgebers, Übernormierungen im Bereich der Indienstnahmen abbauen und verhindern wird. Der freiheitswidrigen, überkomplizierten gesetzlichen Ausgestaltung eines grundsätzlich geeigneten und erforderlichen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit wirkt Art. 12 Abs. 1 GG entgegen, weil die Berufsfreiheit bei einer solchen Überbelastung ein Entgelt für den Verpflichteten fordert. Die wachsende Summe dieser Entgelte wird im Parlament als vermeidbare Last erkannt werden, das – bei steigendem Haushaltsdruck – auf einfachere Indienstnahmen, auf eine Deregulierung hinwirken wird. Die Normwirklichkeit weist auf die Notwendigkeit einer Deregulierung. Sie rückt die Verwaltungslasten der Gesellschaft ins Bewusstsein, verdeutlicht, dass der steuerfinanzierte Staat auf ein florierendes Erwerbsleben angewiesen ist, macht den Zusammenhang zwischen Steuerertrag und Verwaltungsentlastung der Wirtschaft sichtbar. Es wird deutlich, dass die Verlässlichkeit des Gesetzesvollzugs von einfachen und allgemeinverständlichen Gesetzen abhängt, jedenfalls wenn eine Mitwirkung am Gesetzesvollzug von privater Hand erwartet wird. Der Verfassungsstaat unterscheidet insbesondere im Norminhalt der Grundrechte zwischen freiheitsverpflichtetem Staat und freiheitsberechtigter Gesellschaft. Dieser Differenzierung liegt eine Wirklichkeit zu Grunde, in der Staat und Gesellschaft Wechselwirkungen unterliegen und aufeinander Rücksicht nehmen müssen, die vom Staat eine Deregulierung fordert.

H. Zusammenfassung A. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug als staatsrechtliches Grundsatzproblem 1. Der Verfassungsstaat baut auf die Unterscheidung zwischen freiheitsverpflichtetem Staat und freiheitsberechtigter Gesellschaft. Diese Unterscheidung muss im Rahmen eines mitwirkungsbedürftigen Verwaltens bestätigt, die Privatisierungsfrage überdacht werden. Die Verpflichtungen des Arbeitgebers sind insbesondere an Art. 12 Abs. 2 und Abs. 1 GG zu messen. Der Norminhalt des Art. 12 Abs. 2 GG schützt gegen eine staatliche Anweisung zu einer bestimmten Arbeit, der des Art. 12 Abs. 1 GG mäßigt vermeidbare Erschwerungen der Mitwirkungslasten. Diese Norminhalte werden deutlich, wenn sie – entgegen der bisherigen Methode der Grundrechtsprüfung – mit klarem Blick auf die Normwirklichkeit entfaltet werden. Dabei verdeutlicht die Normwirklichkeit der Grundrechte unter anderem, dass die Entfaltung der Berufsfreiheit von der Steuerfinanzierung des Staates und den damit verbundenen Mitwirkungslasten abhängt. Das Abzugverfahren stellt auch die Frage nach einer Verfassungspflicht zur Deregulierung, betrifft Grundsatzprobleme des Staatsrechts und des Verwaltungsrechts. B. Die Belastungen des Arbeitgebers 2. Das Einkommensteuerrecht verpflichtet den Arbeitgeber, die Höhe der Lohnsteuer seiner Arbeitgeber festzustellen, die Steuer einzubehalten und abzuführen. Diese Verwaltungslasten, für die der Arbeitgeber nach strengeren Maßstäben als die öffentlichen Bediensteten haftet und deren Bewältigung er aus eigenen Mitteln finanziert, dient der Rechtsordnung als ein Modell, nach dem insbesondere das Sozialrecht die Arbeitgeber zusätzlich verpflichtet, jährlich ca. 113 Millionen Meldungen an Einzugstellen abzugeben, ca. 120 Millionen Beitragsnachweise zu erbringen und Überweisungen vorzunehmen. Diese vom Arbeitgeber wiederum selbst zu verantwortenden Pflichten folgen unterschiedlichen Zielsetzungen und Grundkonzeptionen, sind verschiedenartigen Behörden mit unterschiedlichen Verwaltungsgepflogenheiten und kommunikationstechnischen Ausstattungen geschuldet, belasten damit die Organisations- und Finanzkraft von Unternehmern erheblich. 3. Wenn der Arbeitgeber verpflichtet wird, Arbeits- und Kapitalkraft unentgeltlich für den Lohnsteuerabzug einzusetzen, wird die Unterscheidung zwi-

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schen dem freiheitsverpflichteten Staat und der freiheitsberechtigten Gesellschaft, der grundrechtliche Schutz des Arbeitgebers gegen Verwaltungslasten, herausgefordert, stellt sich die Frage nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, nach einem staatspolitischen Maß, das diese Verwaltungslasten verringert, auch nach einem finanziellen Ausgleich für den privat erbrachten Verwaltungsaufwand. Das lohnsteuerrechtliche Abzugverfahren gewinnt so exemplarische Bedeutung für die Abwehrkraft der Grundrechte gegen Indienstnahmen, für die Effizienz der Grundsatzunterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft, für den verfassungsrechtlichen Maßstab der Privatisierung und der Deregulierung. Dabei übernimmt das Lohnsteuerverfahren eine Vorreiterfunktion für einen stetig erweiterten Quellenabzug im Steuerrecht und für ähnliche Verfahren in der übrigen Rechtsordnung.

C. Die Erfüllungshilfe des Arbeitgebers – Lohnsteuerabzug und Privatisierung 4. Das Rechtsproblem der Privatisierung stellt die Frage, ob der Steuerabzug durch den Arbeitgeber eine staatliche Tätigkeit ist, staatliche Steuerverwaltung privatisiert wird, oder ob auf privatvertraglicher Grundlage Pflichten des Vertragspartners, des Arbeitnehmers, erfüllt werden. Für die Antwort auf diese Frage ist die Unterscheidung zwischen dem staatlichen und dem privaten Bereich, zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht entscheidend, auf Grund welcher die Handlungsform, die Organisationsform, die ausführende Hand, die Aufgabe und die Verantwortlichkeit für eine Tätigkeit entweder dem einen oder dem anderen Bereich zugeordnet werden. 5. Der Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber wird nach nahezu einhelliger Meinung als eine Form der Privatisierung gedeutet, der Arbeitgeber als unselbstständige Hilfsperson der Finanzbehörde, als Beauftragter des Steuerfiskus, als Schulfall der Beleihung, als Fiskalgehilfe oder Fiskalgarant, als Steuerhilfseintreiber und Steuerinspektor qualifiziert. Diese Deutung ist anhand der Frage zu überprüfen, ob der Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug ausschließlich oder vorrangig für den Staat agiert, oder aber Erklärungs-, Veranlagungs- und Zahlungspflichten des Arbeitnehmers erfüllt, also in dessen Dienst tätig wird. 6. Eine unübersichtliche Typologie der Privatisierung, die bis zu 13 Privatisierungsformen unterscheidet, beschreibt vor allem das Phänomen der Verschiebung zwischen Staat und Gesellschaft. Demgegenüber hat eine rechtsfolgenkonzentrierte Typologie bewusst zu machen, wann sich der rechtliche Prüfmaßstab verändert, insbesondere verfassungsrechtliche Zulässigkeitsgrenzen greifen, die Bindungen des staatlichen Sonderrechts, vor allem der Grundrechte, gelockert werden oder entfallen. Das zu Grunde liegende einheitliche Unterscheidungskri-

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terium nimmt in den Blick, inwiefern eine Verschiebung vom staatlichen in den privaten Bereich – eben eine Privatisierung – erfolgt. Diese Typologie unterscheidet fünf Formen der Privatisierung: a) Der Staat kann in privatrechtlicher Form handeln (Privatisierung der Handlungsform), in Gleichordnung vom Vertragspartner Wirtschaftsgüter erwerben oder ihn vertraglich zu Arbeitsleistungen verpflichten; er setzt insoweit das Handlungsmittel der Enteignung oder des Arbeitszwangs nicht ein. Beim Lohnsteuerabzug handelt der private Arbeitgeber nach Maßgabe des Einkommensteuergesetzes; die privatrechtliche Handlungsform, der Leistungstausch unter gleichberechtigten Partnern, wird nicht gewählt. b) Insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge wird der Staat auch in der Organisations- und Rechtsform des Privatrechts tätig (Privatisierung der Organisationsform). Er tritt dabei in der Regel in den Markt, in den Wettbewerb mit privaten Anbietern, wandelt sich vom Dienstherrn zum Arbeitgeber, von der örtlich zuständigen Verwaltungsstelle zum weltoffenen Anbieter, vom Steuergläubiger zum Steuerschuldner, lockert parlamentarische Verantwortlichkeit, rechtsstaatliche Fach- und Rechtsaufsicht, sowie die Kontrolle durch den Rechnungshof, unterwirft sich der Steuerung durch Aufsichtsrat und Gesellschafter. Das Demokratieprinzip, die rechtsstaatliche Struktur des Verfassungsstaates und der Funktionsvorbehalt für das Berufsbeamtentum (Art. 33 Abs. 4 GG) würden eine solche Organisationsprivatisierung für die Steuerverwaltung als klassische Eingriffsverwaltung nicht erlauben. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug macht sein Unternehmen aber nicht zu einer staatlichen Eigengesellschaft, die unmittelbar dem Einfluss des Staates unterläge. Der private Arbeitgeber erfüllt zwar eine steuerrechtliche Pflicht; sein Privatunternehmen unterliegt deshalb aber nicht den Bindungen des Verwaltungsprivatrechts, des Haushaltsrechts, der Grundrechte. c) Bei der Privatisierung der ausführenden Hand überträgt der Staat einem Privaten eine Tätigkeit, setzt dieser Tätigkeit aber einen rechtlichen Rahmen, nimmt auf den Handelnden Einfluss durch diesen Rahmen, durch Auswahl der Person, Kontrolle seines Handelns, Abnahme oder Übernahme der privaten Leistung, übernimmt eine Garantenpflicht für den Gesamterfolg oder eine Ausgleichspflicht bei Leistungsmängeln, entlässt den privat Handelnden nicht gänzlich in die grundrechtliche Freiheit und den privaten Wettbewerb. Einem solchen staatlichen Einfluss unterliegt der Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug aber nicht. Der Arbeitgeber ist weder (selbstständiger) Beauftragter der Verwaltung noch (unselbstständiger) Verwaltungshelfer. Er erfüllt die Pflichten des Arbeitnehmers, ist Erfüllungshelfer dieses Steuerschuldners, handelt weder im Auftrag noch nach Weisung der Behörde. Der Arbeitgeber wird in der Sphäre des mitwirkungspflichtigen Steuerschuldners tätig, trägt dort eine sphärenorientierte Mitverantwortung.

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d) Die Aufgabenprivatisierung löst eine nach der geltenden Rechtsordnung dem Staat übertragene Aufgabe dauernd aus dem Organisationsbereich des Staates und vertraut sie der Gesellschaft zur Erfüllung an. Mit der Tätigkeit des Privaten geht der Schutz des öffentlichen Sonderrechts, insbesondere des Staatshaftungsrechts und der Grundrechte, verloren. Aus dem einem Verwaltungszweck gewidmeten Verwaltungsvermögen wird ein auf erwerbswirtschaftlichen Gewinn angelegtes Privatvermögen. Nicht mehr Parlament und Rechnungshof kontrollieren die Tätigkeit, sondern Aufsichtsrat und Aktionär. Der Private bescheidet nicht Antragsteller, sondern wirbt um Kunden, verfügt nicht über ein Verwaltungsmonopol, sondern steht im Wettbewerb mit Konkurrenten, bewegt sich nicht in einem rechtlich begrenzten Kompetenzbereich, sondern auf einem weltoffenen Markt, ist nicht Dienstherr, sondern Arbeitgeber, nicht Steuergläubiger, sondern Steuerschuldner. Diese Unterscheidung zwischen der rechtsgebundenen, insbesondere grundrechtsverpflichteten öffentlichen Gewalt und der grundrechtsberechtigten Gesellschaft darf nicht in der unscharfen Dualität von Staatsaufgabe und öffentlicher Aufgabe verwischt werden. Der die Lohnsteuer abführende Arbeitgeber verbleibt in seinem originären privatrechtlichen Aufgabenbereich und erfüllt dort eine gesetzlich auferlegte Handlungspflicht; die Sphären von staatlicher Steuererhebung und privater Mitwirkung werden nicht verändert. Im Übrigen gehört die Finanzverwaltung zum privatisierungsfesten Kernbereich hoheitlicher Staatsaufgaben. e) Von der Aufgabenprivatisierung ist die Privatisierung der Verantwortung zu unterscheiden. Der Staat behält bei der Aufgabenprivatisierung eine Gewährleistungsverantwortung für die sachgerechte Erfüllung der Aufgaben. Bei der Verantwortungsprivatisierung hingegen löst sich der Staat von der Rechtspflicht für eine Aufgabe. Diese Art der Privatisierung steht dem Staat allerdings nur eingeschränkt zu. Selbst bei einer durch den marktwirtschaftlichen Wettbewerb gesicherten Versorgung der Menschen in ihren Elementarbedürfnissen bleibt der Staat stiller Erfolgsgarant. Die Verantwortungsprivatisierung ist deshalb nur im Bereich verzichtbarer Leistungen möglich, beispielsweise für den Fremdenverkehr, die Freizeitgestaltung. Die Frage der Verantwortungsprivatisierung stellt das Lohnsteuerverfahren nicht, weil der Staat die volle Verantwortlichkeit für den finanzbehördlichen Vollzug der Steuergesetze, für den Erfolg einer gleichmäßigen Verteilung der Steuerlasten auf alle Einkommensbezieher behält. 7. Arbeitgeber und Arbeitnehmer bleiben im Lohnsteuerverfahren Verwaltungsbetroffene. Der Arbeitgeber trägt als Handlungspflichtiger, der Arbeitnehmer als Duldungspflichtiger Verantwortung für die Erfüllung der steuerlichen Bringschuld. Dabei wird der Arbeitgeber „für Rechnung des Arbeitnehmers“ (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) tätig, seine Aufgabe ist also nicht eine von Anfang an privatisierte öffentliche Aufgabe, sondern eine originär private.

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Die Indienstnahme des Arbeitgebers ist auch nicht das Spiegelbild der Privatisierung der Organisationsform, der „Schulfall der Beleihung“, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht rechtsverbindlich festsetzt und erhebt, sondern insbesondere auf Grundlage eines staatlich bereitgestellten Programmablaufplans und einer Steuerkarte vorläufig entrichtet. D. Der Quellenabzug als freiheitschonendes, effizientes, die Gleichheit und das Maß der Besteuerung sicherndes Instrument 8. Das Lohnsteuerabzugverfahren ist entstanden, um die Privatsphäre des Steuerpflichtigen zu schonen, vor fiskalischen Ermittlungen zu schützen, um dem Staat effizient Steuereinnahmen zu sichern und dabei die Gleichheit und das Maß der Besteuerung zu gewährleisten. a) Der Respekt vor der wirtschaftlichen Privatsphäre des Steuerpflichtigen hatte zunächst – insbesondere in Bayern und in Preußen – zur Folge, dass nur die Einkommen der Bediensteten des Staates besteuert wurden, der Quellenabzug auf die dem Staat bereits bekannten Löhne beschränkt blieb. b) Das in Großbritannien von Premierminister Addington im Jahre 1803 initiierte Einkommensteuergesetz führte eine Quellenbesteuerung ein, um die wirtschaftliche Privatsphäre der Steuerzahler zu schützen, vor allem aber, um den „menschlichen Unvollkommenheiten“ zu genügen, den Steuerbetrug zu unterbinden. Diese erst als Kriegssteuer, später auch in Friedenszeiten anerkannte Einkommensteuer wird bis heute nach dem „überlegenen“ Verfahren der Quellenbesteuerung erhoben. c) Bis nach dem Ersten Weltkrieg war in Deutschland verbreitete Meinung, dass das Verfahren der Quellenbesteuerung ungeeignet sei, weil es nur einen Teil der Einkommensbezieher erfasse. Gleichzeitig wurden sachgerechte Ermittlungen des Finanzamtes als „inquisitorische Maßnahmen“, als „Spionagesystem“ zurückgewiesen. Ein internes Gutachten des preußischen Finanzministeriums wies aber bereits im Jahre 1851 darauf hin, dass die Abneigung der Deutschen, ihre Vermögensverhältnisse aufzudecken, „zu nicht geringem Theile auf dem ziemlich allen Nationen eigenthümlichen Widerwillen [beruhe], Steuern zu zahlen.“ Nachfolgende Bemühungen von Bismarck und Miquel um eine allgemeine und gleiche Einkommensteuer führten lediglich zu einer allgemeinen Deklarationspflicht, nicht zu einer Quellenbesteuerung. d) Erst die „Erzbergersche Steuer- und Finanzreform“ von 1920 führte ein den Arbeitgeber nur wenig belastendes Abzugverfahren für die Lohnsteuer ein, das trotz eines progressiven Steuertarifs lediglich zur Abführung von zehn Prozent des Lohnes als starre Abschlagszahlung mit Abgeltungswirkung verpflichtete. In der Nationalversammlung wurde dieses Abzugverfahren befürwortet, weil es dem Staat die Steuereinnahmen sichere, dem Arbeitnehmer, dem ledig-

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lich das Nettoeinkommen gezahlt wird, eine verlässliche Planung erlaube, die Zahl der Zwangsbeitreibungsverfahren vermindere und den Steuerbetrug ausschlösse, in der so erreichten gleichmäßigen auch eine maßvolle Besteuerung gewährleiste. Die Gegner des Abzugverfahrens rügten die Belastung der Arbeitgeber und befürchteten, dass die Arbeitnehmer um die Abzugbeträge erhöhte Löhne fordern würden. e) Die „Popitzsche Steuerreform“ von 1925 behielt das Abzugverfahren bei und baute es aus, weil „gerade bei den durch die jetzigen Wirtschaftsverhältnisse bedingten Löhnen größere Steuerbeträge vielfach nicht mehr gezahlt“ würden. Das immer komplizierter werdende Einkommensteuerrecht führte später zu einer Vereinfachung des Erhebungsverfahrens, auf Grund der die Lohnsteuer fast zu einer Objektsteuer wurde. f) Das (Eberhard-)Gutachten der Steuerreformkommission 1971 schlug eine deutliche Entlastung der Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren vor. Das Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren müsse stark vereinfacht, oder aber zusammen mit dem Lohnsteuer-Jahresausgleich abgeschafft werden. Beide Reformvorschläge blieben im Ergebnis unbeachtet. Das Abzugverfahren und sein materieller Maßstab wurden vielmehr im Laufe der Zeit immer komplizierter; allerdings ist das Verfahren durch die neu geschaffene Möglichkeit des digitalen Datenaustausches zwischen der Finanzverwaltung und dem Arbeitgeber erleichtert worden.

E. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers – Anforderung und Überforderung 9. Das Lohnsteuerabzugverfahren entspricht in seiner Grundkonzeption eines Quellenabzugs den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Steuererhebung und hat sich grundsätzlich bewährt. Es schützt die finanzwirtschaftliche Privatsphäre des Steuerpflichtigen, stellt eine effiziente und zeitnahe Besteuerung sicher, dient der Allgemeinheit und Gleichheit der Besteuerung, verwirklicht die Forderung nach einem möglichst unausweichlichen Steuerrecht, vermeidet Steuerhinterziehungen und den Widerstand gegen die Zahlung der Steuerschuld. Das Verfassungsrecht stellt deshalb das Abzugverfahren nicht in Frage, fordert aber eine Mäßigung der dem Arbeitgeber aufgebürdeten Verwaltungslasten und eine Vereinfachung der Verwaltungsmaßstäbe und des Verfahrensablaufs. 10. Das Einkommensteuergesetz gibt dem Arbeitgeber Pflichten zur Erfüllung einer fremden Lohnsteuerschuld auf, die ihn rechtlich und tatsächlich stark beanspruchen, teilweise überfordern. a) Zunächst muss der Arbeitgeber seine Steuerabzugsverpflichtung prüfen, feststellen, ob er als Arbeitgeber einem Arbeitnehmer lohnsteuerpflichtige Einnahmen schuldet.

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Der Arbeitgebertatbestand ist insbesondere fraglich, wenn Dritte tarifvertragliche Ansprüche schulden oder bei grenzüberschreitenden Rechtsverhältnissen die Zuordnung zum deutschen Fiskus zweifelhaft ist. Der Tatbestand des Arbeitnehmers ist unter anderem beim Arbeitslohn des Gesellschaftergeschäftsführers rechtlich problematisch, ist bei differenzierten Teilverselbstständigungen und Unternehmensbeteiligungen von Mitarbeitern unklar, erfordert bei nebenberuflichen Tätigkeiten oft auch eine Tatsachenaufklärung außerhalb des Arbeitsrechtsverhältnisses. Zudem unterscheidet sich der Arbeitnehmerbegriff im Abzugverfahren, der auf der Möglichkeit des Quellenabzugs beruht, vom arbeitsrechtlichen Begriff zum Schutz des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und von dem sozialrechtlichen Begriff, durch den bedarfsorientiert versucht wird, abhängige Erwerbstätigkeiten zu erfassen. Bei der Qualifikation des lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns müssen der Lohn, die Lohnnebenkosten und mögliche Bezüge aus einem früheren Dienstverhältnis ermittelt werden, Sachbezüge und andere geldwerte Vorteile sind zu erkennen und zu bewerten, Leistungen Dritter müssen einbezogen, Abfindungen und Zukunftsicherungsleistungen, Aktienüberlassungen und Nutzungsvorteile, Annehmlichkeiten oder Dienstleistungen sowie aufgedrängte Bereicherungen beurteilt werden. Zwar hat der Arbeitgeber zur Klärung dieser Zweifelsfragen einen Anspruch auf Anrufungsauskunft. Er muss aber vorab den Klärungsbedarf erkennen und den relevanten Sachverhalt ermitteln. b) Die Höhe der Lohnsteuer stellt der Arbeitgeber auf der Grundlage der amtlich zur Verfügung gestellten Lohnsteuerkarte und des staatlich vorgegebenen Programmablaufplanes fest. Die Direktiven des Programmablaufplanes sind derzeit fehlerhaft, vom Arbeitgeber aber dennoch bei der Lohnermittlung zu Grunde zu legen. Dabei muss der Arbeitgeber den Lohn definieren, ihn nach dem Zuflussprinzip zeitlich zurechnen, den laufenden Arbeitslohn – Monatsgehälter, Wochen- und Tagelöhne sowie Zuschläge und Zulagen – auf den Lohnzahlungszeitraum aufteilen, Abzugbeträge, insbesondere den Versorgungsfreibetrag und den Altersentlastungsbetrag, berücksichtigen, eingetragene Hinzurechnungsbeträge und Freibeträge beachten. Sonstige, nicht laufende Bezüge werden separat berechnet, in der progressiven Belastung aber am Jahreseinkommen ausgerichtet. c) Der Arbeitgeber kann in Bagatellangelegenheiten sowie bei besonders schwierigen Fällen eine pauschale Lohnsteuer entrichten, die das Verfahren wesentlich erleichtert, den Arbeitgeber aber mit einer Entscheidung belastet, die nicht nur Verfahrensvereinfachungen erlaubt, die anrechenbare Vorauszahlung durch eine Definitivsteuer ersetzt, sondern ihn auch zum formellen Steuerschuldner macht und Steuervergünstigen gewährt. d) Dem Arbeitgeber obliegen wesentliche, zum Lohnsteuereinbehalt akzessorische Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten. Er hat insbesondere für je-

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den Arbeitnehmer ein gesondertes Lohnkonto zu führen, die Informationen aus dem Lohnkonto der Finanzbehörde zu übermitteln und für den Arbeitnehmer bereit zu halten, die Lohnsteuerkarte aufzubewahren, dem Arbeitgeber vorübergehend zu überlassen und später herauszugeben. Diese Pflichten belasten den Arbeitgeber insbesondere wegen der hohen Anzahl der einzugebenden Daten erheblich. e) Ein Arbeitgeber mit mindestens zehn Arbeitnehmern muss den Lohnsteuer-Jahresausgleich für seine unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer durchführen, dabei insbesondere zu viel erhobene Lohnsteuer erstatten. f) Der Arbeitgeber hat bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn – meist monatlich – die von ihm berechnete Lohnsteuer einzubehalten, anzumelden und abzuführen. Dabei wird er mit dem Säumnisrisiko und der Verantwortung für Korrekturen belastet. g) Bei der Lohnsteuer-Außenprüfung obliegen dem Arbeitgeber die Mitwirkungspflichten, die dem steuerpflichtigen Arbeitnehmer nach den allgemeinen Regeln der Abgabenordnung auferlegt sind. h) Der Arbeitgeber haftet für die abzuführende Lohnsteuer, für die beim Jahresausgleich zu Unrecht erstattete und auf Grund von fehlerhaften Aufzeichnungen verkürzte Steuer. Diese Haftung ist von Verschulden unabhängig, wird aber nach der Verwaltungspraxis und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip einschränkend gehandhabt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haften als Gesamtschuldner; auch insofern geht die Haftung davon aus, dass der Arbeitgeber die Zahllast für den Arbeitnehmer entlastend übernimmt. 11. Die Abwicklung der lohnsteuerlichen Massenverfahren wird immer anspruchsvoller und komplizierter, veranlasst damit die verfassungsrechtliche Frage, ob die gegenwärtige Ausgestaltung des Abzugverfahrens und seines materiellen Maßstabs dem Arbeitgeber eine nicht tragbare, unverhältnismäßige Last auferlegt, ob das Verfahren und sein Maßstab durch Typisierung vereinfacht werden müssen. Würde der Gesetzgeber grundsätzlich die pauschale und definitive Erhebung der Lohnsteuer anordnen, wären Arbeitgeber und Finanzverwaltung entlastet, die Aufgaben des Arbeitgebers, aber auch der Gemeinde entsprechend der ihnen zugänglichen Informationsquellen sachgerecht reduziert. Auch ist zu erwägen, ob ein staatliches Entgelt für die Verwaltungsleistung des Arbeitgebers seine Mitwirkungslast derart mildern kann, dass die Grenze zur grundrechtlichen Unverhältnismäßigkeit nicht überschritten wird.

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F. Die Grundrechte des Arbeitgebers 12. Zur Prüfung der Grundrechte wird vorgeschlagen, die herkömmliche dreistufige Prüfung von Schutzbereich, Eingriff und verfassungsrechtlicher Rechtfertigung zu modifizieren, die Normwirklichkeit von dem Norminhalt eines Grundrechts zu unterscheiden, die staatliche Maßnahme unmittelbar vor dem Norminhalt zu qualifizieren und so den Prüfmaßstab rechtzeitig und erkennbar einzugrenzen. Die Normwirklichkeit erfasst aus dem Blickwinkel der zu lösenden Rechtsfrage die Realität, auf die sich das Grundrecht bezieht, betont den freiheitlichen Respekt vor der vorgefundenen Wirklichkeit. Der Norminhalt eines Grundrechts kann in Abgrenzung zur Normwirklichkeit eigenständig, mit schärferen Konturen entwickelt werden. Die Wirklichkeit, der Ausgangspunkt der Rechtsprüfung, ist umfassend in einem Prüfpunkt darzulegen, letztlich schärfer und überprüfbarer abzubilden. Die Darstellung der Normwirklichkeit führt – anders als die übliche Dogmatik – die Rechtsprüfung zu maßgeblichen Zusammenhängen zwischen verschiedenen Grundrechten oder Eingriffen, entlarvt einen unzulässig reduzierten Blick, der z. B. verfälschend im Rahmen der Rechtfertigung einen Aspekt der Realität betont, den anderen aber ausblendet, hilft aber insbesondere, die grundrechtlichen Garantien der Gleichheit und Freiheit zu entfalten, weil der diese Garantien charakterisierende Respekt vor der Wirklichkeit gefördert wird. 13. Die Wirklichkeit des lohnsteuerpflichtigen Arbeitgebers zeigt, dass er auf einen Markt angewiesen ist, in dem er seine unternehmerische Tätigkeit entfalten kann, er sich damit auf das staatliche Recht, die gut ausgebildeten Arbeitskräfte, die Nachfragekraft des Marktes stützt, letztlich der steuerfinanzierte Staat die Grundlagen und die Bedingungen der freiheitlichen Entfaltung schafft, folglich auch der Arbeitgeber auf eine funktionierende Besteuerung angewiesen ist. In dieser zu beurteilenden Realität wirkt der Arbeitgeber in einem freiheitlichen Steuerstaat, in dem Steuerschulden und Steuerpflichten Bedingungen der Freiheit sind. Diese reale Vorgabe bestimmt den Blickwinkel, mit dem der staatliche Eingriff betrachtet, der maßgebliche Norminhalt definiert werden muss. 14. Die Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG) schützt nicht nur vor einer erniedrigenden, die Würde verletzenden Arbeit, sondern begründet ein umfassendes Verbot, jemanden zu einer bestimmten Arbeit, einer Tätigkeit von einer gewissen Schwere, zu zwingen. Allerdings anerkennt das Grundrecht eine Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft in herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflichten. Die Abzugspflicht des Arbeitgebers ist nicht rechtliche Folge einer freiwillig gewählten Berufstätigkeit, fordert freiheitserhebliche Verwaltungsarbeiten, fällt deshalb unter das grundsätzlich strikte Verbot des Art. 12 Abs. 2 GG. Allerdings sind diese Verwaltungslasten historisch vorgefundene, herkömmliche

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Dienstpflichten, die jeden Schuldner eines Arbeitnehmereinkommens nach den Regeln der Quellenbesteuerung sachgerecht belasten und durch den Zweck dieses Besteuerungsverfahrens gerechtfertigt werden. Sie sind als eine von Art. 12 Abs. 2 GG ausdrücklich zugelassene Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft gerechtfertig. 15. Art. 12 Abs. 3 GG garantiert die Freiheit von Zwangsarbeit, nicht auf Grund einer derzeit vorgefundenen Wirklichkeit, sondern um die vor In-KraftTreten des Grundgesetzes erlebte Realität von Arbeits-, Erziehungs- und Konzentrationslagern aus der Wirklichkeit des Verfassungsstaates zu verweisen. Das Verbot der Zwangsarbeit unterbindet jede Arbeitsverpflichtung, die unter staatlicher Zwangsaufsicht steht und in einem staatlich beherrschten Arbeits- und Tagesablauf erbracht werden muss. Eine solche staatliche Gewaltausübung liegt bei der Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug fern. 16. Die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) entfaltet sich in der vorgefundenen und von der Verfassung aufgenommenen Wirklichkeit eines beruflichen Erwerbs und einer privatnützigen Herrschaft über Wirtschaftsgüter in einem freien Markt, der eine Staatsfinanzierung durch Steuern zur Bedingung hat. Die Last des Abzugverfahrens berührt den Arbeitgeber in dieser Erwerbstätigkeit, weniger in dem von ihm Erworbenen, ist deshalb an Art. 12 GG, weniger an Art. 14 GG zu messen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob lohnsteuerrechtliche Pflichten im Rahmen einer steuerbedingten Erwerbstätigkeit überhaupt den grundrechtlichen Norminhalt des Art. 12 Abs. 1 GG berühren. Die lohnsteuerrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers beeinträchtigen zwar die Wirklichkeit des Erwerbens, sind aber Teil der allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Erwerbstätigkeit, die lediglich die den Erwerb stützende Rechtsordnung ausformen, ohne die berufliche Betätigung unmittelbar zum Gegenstand zu haben. Derartige Regelungen greifen nur dann in die Freiheit des Berufs – die dem Erwerb dienende Tätigkeit, die auf Einkommenserzielung gerichtete Arbeit – ein, wenn sie die Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise unmöglich machen (Berufswahlfreiheit) oder maßgeblich behindern (Berufsausübungsfreiheit). Die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug greift – anders als die allgemeine Verpflichtung, Einkommensteuer zu zahlen – in die Berufsfreiheit ein, weil diese Verpflichtung an die Erwerbstätigkeit anknüpft, während die Steuer das Erworbene erfasst. Sie bindet erwerbsgeeignete Arbeitskraft, behindert gerade den Erwerbstätigen bei der Ausübung seines Berufs. Der Arbeitgeber kann insoweit seine Verwaltungs- und Organisationskraft nicht für den eigenen Erwerb nutzen, sondern muss sie zur Erfüllung fremder steuerlicher „Bringschulden“ einsetzen. Lediglich für Arbeitgeber außerhalb einer Erwerbstätigkeit, etwa bei der Beschäftigung einer Haushaltshilfe, bietet Art. 2 Abs. 1 GG den Prüfmaßstab.

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17. In einer freiheitstützenden und freiheitfördernden Rechtsordnung wehren Grundrechte weniger eine staatliche Maßnahme ab, sondern mäßigen sie vielmehr nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Ein Grundrechtseingriff verletzt aber die abwehrrechtliche Gewährleistung, wenn er dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht genügt. a) Die Abzugspflichten des Arbeitgebers berühren seine Berufsausübung, sind deshalb durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls zu rechtfertigen. Das Lohnsteuerverfahren verfolgt die legitimen Zwecke, das staatliche Steueraufkommen zu sichern, einen staatlichen Informationseingriff zu mäßigen, die Besteuerung für Staat und Steuerpflichtigen kostengünstig zu gestalten, dem Arbeitnehmer ein Veranlagungsverfahren zu ersparen. Ein Verfahren hingegen, das staatlichen Aufwand lediglich zu privatem Aufwand macht, verfolgt keinen legitimen Zweck. b) Für diese Zwecke ist das Abzugverfahren das geeignete Mittel. Allerdings sind die Einsparungen des derzeit geregelten Abzugverfahrens im Vergleich zum Veranlagungsverfahren weit geringer, als allgemein vermutet, weil die Gemeinden mit Verwaltungsaufgaben belastet werden, mehr als drei Viertel der Arbeitnehmer trotz des Quellenabzugs die Finanzverwaltung beanspruchen, zudem das komplizierte Steuerrecht staatliche Programmablaufpläne und eine wachsende Zahl von Anrufungsauskünften sowie Lohnsteuerprüfungen erforderlich macht. c) Die Quellenbesteuerung, der Lohnsteuerabzug, ist das erforderliche Verfahren; allerdings ist die komplizierte Ausgestaltung durch die Zahlung eines Entgelts in das Maß der Verfassung zu führen. Das Verfahren und sein materieller Maßstab könnten wesentlich einfacher, damit grundrechtschonender und aufkommenseffizienter ausgestaltet werden, würde die Lohnsteuer pauschal und definitiv erhoben. Das verfassungsrechtliche Erforderlichkeitsprinzip bietet aber keine Rechtsgrundlage, um rechtspolitisch erwünschte, die grundrechtliche Freiheit weniger einschränkende, effektivere Ausgestaltungen durchzusetzen. Das Grundgesetz kennt kein Optimierungsgebot, das dem Gesetzgeber den politischen Gestaltungsraum nähme, ihn grundsätzlich verpflichtete, die optimale Lösung zu wählen. Die Intensität der Belastung durch dieses taugliche – aber vermeidbar erschwerte – Verfahren ist durch ein Entgelt zu mäßigen. Zwar kann die Zahlung eines Entgelts grundsätzlich die Intensität eines Grundrechtseingriffs nicht reduzieren; ein Eingriff bleibt auch nach einer Vergütung regelmäßig verfassungswidrig. Wenn aber ein grundrechtlich geschütztes Verhalten wie die Berufsausübung auf den Einkommenserwerb ausgerichtet ist, erfüllt das Entgelt dieses Ziel der Freiheitswahrnehmung, mindert die Freiheitsbelastung systemkonform. Eine Beeinträchtigung der Berufswahlfreiheit kann hingegen nicht durch ein Entgelt in die Verfassungsmäßigkeit geführt werden, weil die Berufswahlfreiheit

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in erster Linie die berufliche Entfaltung der Persönlichkeit schützt. Der Gesetzgeber darf die erheblichen Freiheitsbeeinträchtigungen durch vermeidbare Komplizierung des Einkommensteuerrechts und des Lohnsteuerverfahrens nur aufrechterhalten, wenn er diese Belastung der Berufsausübungsfreiheit durch Kostenerstattung mildert. Die Höhe der Vergütung kann sich an den Ausgleichszahlungen für die Erhebung der Kirchensteuer orientieren, nach den faktischen Ersparnissen der Finanzverwaltung durch das Abzugverfahren, ggf. auch nach der zunehmenden Komplizierung des Steuerrechts bemessen. d) Der ohnehin zur Lohnzahlung verpflichtete Arbeitgeber wird durch den Lohnsteuerabzug im Grundsatz zumutbar belastet. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer belastet den Arbeitgeber zwar erheblich, nutzt dabei aber sachgerecht die ihm offen stehenden Informationen über seine Arbeitnehmer. Die Aufbewahrungspflichten knüpfen wie der Einbehalt und die Abführung der Lohnsteuer folgerichtig an die Verfügungsmacht des Arbeitgebers über den Lohn des Arbeitnehmers an. Die übrigen Abzugspflichten, insbesondere die komplizierte Berechnung der Lohnsteuer sowie der Lohnsteuer-Jahresausgleich, verpflichten den Arbeitgeber aber in sachfremder, überbelastender Weise. Die Erfüllungspflichten verlangen vom Arbeitgeber eine Leistung, die er regelmäßig nicht selbst erfüllen kann. Er muss Steuerexperten einsetzen und vergüten. Die Angemessenheit fordert eine Mäßigung dieser Last durch ein staatliches Entgelt, solange der Gesetzgeber die Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers insbesondere nicht durch eine pauschale Lohnbesteuerung auf ein sachgerechtes Maß reduziert. e) Die Arbeitgeberhaftung ist nur angemessen, wenn sie auf ein Verschulden beschränkt wird. 18. Art. 14 Abs. 1 GG schützt zwar auch das Geld- und Forderungseigentum, den Arbeitgeber jedoch nicht vor dem Aufwand, den er zur Erfüllung der lohnsteuerrechtlichen Abzugspflichten einsetzen muss. Das Lohnsteuerrecht fordert Dienstleistungspflichten, nicht Geldleistungspflichten. Der Eingriff berührt die Berufsfreiheit, nicht die Eigentümerfreiheit. 19. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) fordert, die Menschen als Adressaten des Rechts in ihrer rechtserheblichen Ähnlichkeit oder Verschiedenheit zu vergleichen und dabei zu prüfen, ob ihre unterschiedliche Betroffenheit durch eine gesetzliche Regelung aus einem „sachlich rechtfertigenden Grund“, also aus der Normwirklichkeit gerechtfertig ist. Der Gleichheitssatz, der Vergleich des Verhältnisses von verschiedener Betroffenheit zum Regelungszweck, nimmt die vorgefundene Wirklichkeit auf und prüft, ob in ihr gesetzlich gewählte Unterscheidungen angelegt sind, oder zumindest vertretbare Gründe für die gewählten Differenzierungen erkennbar werden. Dabei muss das generellabstrakte Gesetz die Wirklichkeit im Typus erfassen, darf sich am Regelfall orientieren, Besonderheiten des Einzelfalles sachgerecht vernachlässigen.

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a) Der Gesetzgeber bleibt im Rahmen einer sachgerechten Typisierung, wenn er alle Schuldner, die nach grundsätzlich einfachen Maßstäben Einkommen zahlen, zu einer Quellenbesteuerung heranzieht. Die lohnsteuerrechtliche Indienstnahme des Arbeitgebers entspricht diesen gleichheitsgerechten Maßstäben. b) Auch wenn die Rechtsordnung für Entrichtungsdienste im Rahmen der Sozialversicherung ein Entgelt vorsieht, fordert der Gleichheitssatz kein gleiches Entgelt für das Lohnsteuerverfahren, weil die Mitwirkung bei der Sozialversicherung ein individuelles Leistungsaustauschverhältnis betrifft, die Mitwirkung bei der Besteuerung hingegen einer Gemeinlast dient, die grundsätzlich unentgeltlich zu erbringen ist. c) Die durch das Abzugverfahren bewirkte Vorauszahlung berücksichtigt wesentliche Abzugtatbestände des Arbeitnehmers nicht, gewährt dem Staat ein zinsloses Darlehen, das viele Arbeitnehmer oft nicht einmal im späteren Veranlagungsverfahren zurückfordern. Die Vorauszahlungen der übrigen Einkommensteuerschuldner werden realitätsgerecht und gegenwartsnah bemessen. Diese Unterscheidung rechtfertigt sich jedoch aus vorgefundenen Unterschieden: Das Lohnsteuerverfahren erfasst ein Einkommen, das in grundsätzlich gleich bleibenden Beträgen fließt, während die Einkommensteuer im Übrigen auf wechselnde Gewinne und Überschüsse zugreift, dementsprechend die Vorauszahlungen nur nach der Steuer des Vorjahrs mit Anpassungsvorbehalt bemessen werden können. G. Die Indienstnahmen des Arbeitgebers als verfassungsrechtliches Problem des modernen Rechtsstaats 20. Das Steuerrecht und das Sozialrecht knüpfen an das Arbeitsverhältnis eine Fülle von Mitwirkungspflichten, Auskunftsobliegenheiten, Nachweis- und Bescheinigungspflichten, Berechnungs-, Zahlungs- und Aufzeichnungspflichten, die jeweils unentgeltlich zu erfüllen sind. Diese Indienstnahmen sind in das Rechtssystem einzuordnen, das den freiheitsverpflichteten Staat von den privaten Grundrechtsträgern unterscheidet; es stellt sich die Frage der Privatisierung. Die Analyse der Normwirklichkeit leitet den Rechtsanwender – anders als die übliche Dogmatik – an, die kumulative Belastung durch die Indienstnahmen des Arbeitgebers als Rechtsproblem wahrzunehmen und zu lösen. Der Lohnschuldner wird immer mehr zu einer Verwaltungsstelle, das Arbeitsrechtsverhältnis zu einem Anknüpfungspunkt für Organisations- und Arbeitslasten. Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit dieser Pflichten verletzt das grundrechtliche Übermaßverbot, wenn die Verfahrenslasten nicht wesentlich vermindert werden, der Verwaltungsmaßstab nicht deutlich vereinfacht wird. Die Indienstnahmen sind zudem am Maßstab des rechtsstaatlichen Gebots der Normklarheit und am Kontinuitätsgebot des Art. 12 Abs. 2 GG zu messen. Die rechtspolitisch geforderte Deregulierung wird zum Verfassungsproblem. Entschließt sich der Gesetzgeber zu

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einem Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit durch ein grundsätzlich erforderliches Mittel, wählt er dann aber eine überfordernde Ausgestaltung, muss die Belastung durch ein Entgelt für die geschuldete Verwaltungsarbeit gemäßigt werden. Ein mit steigender Normenflut und Verfahrenskomplizierung wachsender Finanzbedarf des Staates wird dann das Parlament bei den Haushaltsberatungen nachdrücklich an die Forderung nach Deregulierung erinnern. Der Verfassungsstaat unterscheidet insbesondere im Norminhalt der Grundrechte zwischen freiheitsverpflichtetem Staat und freiheitsberechtigter Gesellschaft. Dieser Differenzierung liegt eine Wirklichkeit zu Grunde, in der Staat und Gesellschaft im Verwaltungsverfahren zusammenwirken, in der die steuerfinanzierte Finanzkraft des Staates von einer wirtschaftlich florierenden Gesellschaft abhängt, in der Staat und Gesellschaft weiteren Wechselwirkungen unterliegen, aufeinander Rücksicht nehmen müssen. Diese Normwirklichkeit weist deutlich auf die Notwendigkeit einer Deregulierung.

I. Zentrale Thesen 1. Der Verfassungsstaat baut auf die Unterscheidung zwischen freiheitsverpflichtetem Staat und freiheitsberechtigter Gesellschaft, zwischen öffentlichem Dienst und privatnützigem Handeln, zwischen prinzipieller rechtlicher Gebundenheit und grundsätzlichem Recht zur Freiheit. Diese Unterscheidung muss bei der Rechtsprüfung des mitwirkungsbedürftigen Verwaltens im Rahmen des Lohnsteuerabzugverfahrens bestätigt, die Privatisierungsfrage überdacht werden. Die Verpflichtungen des Arbeitgebers sind insbesondere an Art. 12 Abs. 2 und Abs. 1 GG zu messen. Das Abzugverfahren gibt dabei Anlass, die zahlreichen an das Arbeitsverhältnis anknüpfenden arbeits- und sozialrechtlichen Verwaltungslasten des Arbeitgebers als Grundsatzproblem des modernen Verfassungsstaates zu untersuchen. Der Blick auf die insofern exemplarische Rechtsprüfung des Abzugverfahrens ist wirklichkeitsgerecht zu weiten, die Verwaltungslasten des Arbeitgebers sind insgesamt rechtlich zu würdigen. 2. Der Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber wird nach nahezu einhelliger Meinung als eine Form der Privatisierung gedeutet. Wird durch das Lohnsteuerrecht eine Privatisierung vorgenommen, ändert sich der verfassungsrechtliche Maßstab, an dem das Abzugverfahren zu prüfen ist, sind nicht nur die Grundrechte des Arbeitgebers maßgeblich für die rechtliche Zulässigkeit der Verpflichtung, sondern insbesondere auch das Demokratieprinzip. 3. Literatur und Rechtsprechung greifen bei der rechtlichen Beurteilung des Abzugverfahrens auf eine unübersichtliche Typologie der Privatisierung zurück, die bis zu 13 Privatisierungsformen unterscheidet, dabei in erster Linie das Phänomen der Verschiebung zwischen Staat und Gesellschaft beschreibt. Demgegenüber hat eine rechtsfolgenkonzentrierte Typologie bewusst zu machen, wann sich der verfassungsrechtliche Prüfmaßstab verändert, wann die verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsgrenzen greifen, die rechtlichen Bindungen des Staates, vor allem der Grundrechte, gelockert werden oder entfallen. Diese Typologie unterscheidet fünf Formen der Privatisierung, die Privatisierung der Handlungsform, der Organisationsform, der ausführenden Hand, der Aufgabe und der Verantwortung, wobei letztere regelmäßig nur als Teilprivatisierung möglich ist. Im Bereich der Privatisierung der ausführenden Hand sollte der Verwaltungshelfer vom Beauftragten deutlich unterschieden werden, weil die rechtlichen Bindungen des Beauftragten stärker an der Person des Handelnden als an der Erledigung der Tätigkeit anknüpfen. Die Beleihung nimmt – gleichsam als Spiegelbild der Privatisierung der Organisationsform – eine Sonderrolle ein; sie ist keine Form der Privatisierung.

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4. Das Lohnsteuerrecht veranlasst keine Privatisierung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer bleiben im Lohnsteuerverfahren Verwaltungsbetroffene. Der Arbeitgeber trägt als Handlungspflichtiger, der Arbeitnehmer als Duldungspflichtiger die Verantwortung für die Erfüllung der steuerlichen Bringschuld. Dabei behält der Arbeitgeber die Lohnsteuer „für Rechnung des Arbeitnehmers“ (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) ein. Seine Aufgabe ist nicht eine von Anfang an privatisierte öffentliche, sondern eine originär private. Die Indienstnahme des Arbeitgebers ist auch nicht der „Schulfall der Beleihung“, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht rechtsverbindlich festsetzt und erhebt, sondern auf Grundlage eines staatlich bereitgestellten Programmablaufplans und einer Steuerkarte vorläufig entrichtet. Die Leistungen des Arbeitgebers sichern die Steuereinnahmen des Staates, entlasten dabei die Finanzverwaltung, gehören aber zur privaten Sphäre der Mitverantwortung des Steuerpflichtigen. Der Arbeitgeber ist Erfüllungshelfer des Arbeitnehmers. Der Maßstab der Rechtsprüfung des Abzugverfahrens konzentriert sich folglich auf die abwehrende Kraft der Grundrechte. 5. Die historische Analyse des Lohnsteuerabzugverfahrens schärft den Blick auf die für die Grundrechtsprüfung maßgebliche Zielsetzung des Verfahrens und nährt die Zweifel, ob der Arbeitgeber verhältnismäßig in Dienst genommen wird. Das Abzugverfahren ist entstanden, um die Privatsphäre des Steuerpflichtigen zu schonen, vor fiskalischen Ermittlungen zu schützen und effizient Steuereinnahmen zu sichern. Es verwirklicht die Forderung nach einem möglichst unausweichlichen Steuerrecht, vermeidet Steuerhinterziehungen, garantiert die Gleichheit und das Maß der Besteuerung. 6. Diese Vorzüge des Abzugverfahrens werden verfassungsrechtlich in Frage gestellt, weil das Einkommensteuergesetz dem Arbeitgeber Pflichten zur unentgeltlichen Erfüllung einer fremden Lohnsteuerschuld aufgibt, die ihn erheblich beanspruchen, teilweise überfordern. Würde der Gesetzgeber seinen breiten Gestaltungsraum nutzen und grundsätzlich die pauschale und definitive Erhebung der Lohnsteuer anordnen, wären Arbeitgeber und Finanzverwaltung entlastet, die Aufgaben des Arbeitgebers entsprechend der ihm zugänglichen Informationsquellen sachgerecht reduziert, das in Vergessenheit geratene Ziel des Abzugverfahrens, die private Finanzsphäre des Arbeitnehmers zu schützen, würde verwirklicht. 7. Die herkömmliche dreistufige Prüfung der Grundrechte, die zwischen Schutzbereich, Eingriff und verfassungsrechtlicher Rechtfertigung differenziert, sollte modifiziert werden. Die Normwirklichkeit eines Grundrechts ist dabei zunächst festzuhalten und von dessen Norminhalt zu unterscheiden, die staatliche Maßnahme unmittelbar vor dem Norminhalt zu qualifizieren, um so den Prüfmaßstab rechtzeitig und erkennbar einzugrenzen. Die Normwirklichkeit erfasst ausgehend vom konkreten Rechtsfall überprüfbar und umfassend die Realität, auf die sich das Grundrecht bezieht, erkennt – anders als die übliche Dogmatik

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– maßgebliche Zusammenhänge zwischen Grundrechten und Eingriffen, betont den freiheitlichen Respekt vor der vorgefundenen Wirklichkeit und entfaltet so die Wirkung der grundrechtlichen Gewährleistungen überzeugender als die herkömmliche Grundrechtsprüfung. 8. Die Freiheit von Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG) schützt nicht nur vor einer erniedrigenden, die Würde verletzenden Arbeit, sondern begründet ein umfassendes Verbot, jemanden zu einer bestimmten Arbeit, einer Tätigkeit von einer gewissen Schwere, zu zwingen. Allerdings anerkennt das Grundrecht eine Sozialpflichtigkeit der Arbeitskraft in herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflichten. Die Abzugspflichten des Arbeitgebers sind als eine solche ausdrücklich zugelassene Dienstleistungspflicht der Arbeitskraft gerechtfertigt. 9. Art. 12 Abs. 3 GG garantiert die Freiheit von Zwangsarbeit, nicht auf Grund einer derzeit vorgefundenen Wirklichkeit, sondern um die vor In-KraftTreten des Grundgesetzes erlebte Realität von Arbeits-, Erziehungs- und Konzentrationslagern aus der Wirklichkeit des Verfassungsstaates zu verweisen. Das Verbot der Zwangsarbeit unterbindet jede Arbeitsverpflichtung, die unter staatlicher Zwangsaufsicht steht und in einem durch eine staatliche Anstalt beherrschten Arbeits- und Tagesablauf erbracht werden muss. Eine solche staatliche Gewaltausübung liegt bei der Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug fern. 10. Die Ausgestaltung der Dienstleistungspflicht ist dem Kontinuitätsgebot des Art. 12 Abs. 2 GG verpflichtet und an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. In einer freiheitstützenden und freiheitfördernden Rechtsordnung wehrt die Berufsfreiheit weniger eine staatliche Maßnahme ab, sondern mäßigt sie vielmehr nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips. 11. Die Normwirklichkeit der Berufsfreiheit zeigt, dass der Arbeitgeber auf einen Markt angewiesen ist, in dem er seine unternehmerische Tätigkeit entfalten, Einkünfte erzielen kann. Er stützt sich auf das staatliche Recht, die gut ausgebildeten Arbeitskräfte, die Nachfragekraft des Marktes; letztlich schafft der Staat die Grundlagen und die Bedingungen der freiheitlichen Entfaltung. Der Arbeitgeber ist folglich auch auf eine funktionierende Besteuerung angewiesen. Er wirkt in einem freiheitlichen Steuerstaat, in dem Steuerschulden und Steuerpflichten Bedingungen der Freiheit sind. Die gegenwärtigen lohnsteuerrechtlichen Erfüllungspflichten überfordern den Arbeitgeber aber auf Grund ihrer Kompliziertheit, verlangen von ihm eine Leistung, die er eigenhändig nicht erfüllen kann. Er muss Steuerexperten einsetzen und vergüten. 12. Das Abzugverfahren beschränkt die Berufsfreiheit des Arbeitgebers in nicht erforderlicher und unzumutbarer Weise. Die übermäßige Beeinträchtigung kann jedoch durch ein Entgelt in das Maß des Erforderlichen und Zumutbaren geführt werden.

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a) Das Verfahren verfolgt insbesondere das Ziel, die Steuereinnahmen zu sichern, in geeigneter und grundsätzlich auch erforderlicher Weise. Allerdings wäre eine pauschale und definitive Erhebung der Lohnsteuer wesentlich einfacher und damit grundrechtschonender. Das verfassungsrechtliche Erforderlichkeitsprinzip bietet aber keine Rechtsgrundlage, um rechtspolitisch erwünschte, die grundrechtliche Freiheit weniger einschränkende, effektivere Ausgestaltungen durchzusetzen. Das Grundgesetz kennt kein Optimierungsgebot, das dem Gesetzgeber den politischen Gestaltungsraum nähme, ihn grundsätzlich verpflichtete, die optimale Lösung zu wählen. b) Eine vermeidbare Komplizierung des Einkommensteuerrechts und des Lohnsteuerverfahrens führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Freiheit, die der Gesetzgeber nur aufrechterhalten darf, wenn er die Belastung der Berufsausübungsfreiheit durch Kostenerstattung mildert. Zwar kann die Intensität eines Grundrechtseingriffs durch die Zahlung eines Entgelts grundsätzlich nicht gemäßigt werden; ein Eingriff bleibt auch nach einer Vergütung regelmäßig verfassungswidrig. Wenn aber ein grundrechtlich geschütztes Verhalten wie die Berufsausübung auf den Einkommenserwerb ausgerichtet ist, erfüllt das Entgelt dieses Ziel der Freiheitswahrnehmung, mindert die Freiheitsbelastung systemkonform und wirklichkeitsgerecht, führt sie in das Maß des Erforderlichen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betroffene Experten gegen Entgelt einstellen muss, um die ihm auferlegten Aufgaben zu erfüllen. Eine Beeinträchtigung der Berufswahlfreiheit kann hingegen nicht durch die Zahlung eines Entgelts gemäßigt werden, weil die Berufswahlfreiheit in erster Linie die berufliche Entfaltung der Persönlichkeit schützt. c) Die Höhe der Vergütung kann sich an den Ausgleichszahlungen für die Erhebung der Kirchensteuer orientieren, nach den faktischen Ersparnissen der Finanzverwaltung durch das Abzugverfahren, ggf. auch nach der zunehmenden Komplizierung des Steuerrechts bemessen. d) Die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Bemessungsgrundlage der Lohnsteuer zu ermitteln, notwendige Aufzeichnungen zu tätigen und die Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen, ist sachgerecht und dem Arbeitgeber zumutbar. Die übrigen Abzugspflichten nehmen den Arbeitgeber sachfremd für einen Dritten – den Arbeitnehmer – in Dienst. Der Arbeitgeber muss Steuerexperten einstellen, um die Pflichten erfüllen zu können. Diese Pflichten verlassen den Bereich des Zumutbaren, können aber durch Zahlung eines Entgelts auf ein zumutbares Maß reduziert werden. e) Die Haftung des Arbeitgebers ist auf ein Verschulden zu beschränken. 13. Art. 14 Abs. 1 GG schützt zwar auch das Geld- und Forderungseigentum, den Arbeitgeber jedoch nicht vor dem Aufwand, den er zur Erfüllung der lohnsteuerrechtlichen Abzugspflichten einsetzen muss. Das Lohnsteuerrecht fordert Dienstleistungspflichten, nicht Geldleistungspflichten.

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14. Der Gesetzgeber bleibt gemessen am Maßstab des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) im Rahmen einer sachgerechten Typisierung, wenn er alle Schuldner, die nach einfachen Maßstäben Einkommen zahlen, zu einer Quellenbesteuerung heranzieht und Einkommensgläubigern die Duldung des Steuerabzugs auferlegt, wenn ihnen Einkommen in grundsätzlich gleich bleibenden Beträgen zufließt. 15. Das Steuerrecht, das Arbeitsrecht und das Sozialrecht knüpfen an das Arbeitsverhältnis eine Fülle von Mitwirkungspflichten, Auskunftsobliegenheiten, Nachweis- und Bescheinigungspflichten, Berechnungs-, Zahlungs- und Aufzeichnungspflichten, die jeweils unentgeltlich zu erfüllen sind. Diese Indienstnahmen sind in das Rechtssystem einzuordnen, das Staat und Gesellschaft unterscheidet, stellen die Frage der Privatisierung. Die Darstellung der Normwirklichkeit leitet den Rechtsanwender – anders als die übliche Dogmatik – dazu an, die kumulative Belastung durch die Verpflichtungen als Rechtsproblem zu erkennen und zu lösen. Der Lohnschuldner wird immer mehr zu einer Verwaltungsstelle, das Arbeitsrechtsverhältnis zu einem Anknüpfungspunkt für Organisations- und Arbeitslasten. Niemand, insbesondere nicht ein einzelner Arbeitgeber, kann die geregelte Gesamtlast überschauen und – als Gesetzgeber, Gesetzesvollzieher oder Betroffener – verantworten. Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Pflichten, die der wirklichkeitsgerechte Blick auf die zahlreichen Indienstnahmen des Arbeitgebers offen legt, verletzen das grundrechtliche Übermaßverbot; die Indienstnahmen sind am Maßstab des Rechtsstaatsprinzips und des Kontinuitätsgebots des Art. 12 Abs. 2 GG zu prüfen. Die rechtspolitisch geforderte Deregulierung wird zu einem Verfassungsproblem. Die Lasten des Arbeitgebers sind wesentlich zu mindern, können aber, wenn der Gesetzgeber einen grundsätzlich erforderlichen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit überbelastend ausgestaltet, auch durch ein Entgelt für die geschuldete Verwaltungsarbeit gemäßigt werden. Ein mit steigender Normenflut und Verfahrenskomplizierung wachsender Finanzbedarf des Staates wird dann das Parlament bei den Haushaltsberatungen nachdrücklich an den Auftrag zur Deregulierung erinnern. 16. Der Verfassungsstaat unterscheidet zwischen freiheitsverpflichtetem Staat und freiheitsberechtigter Gesellschaft. Dieser Differenzierung liegt eine Wirklichkeit zu Grunde, in der Staat und Gesellschaft im Verwaltungsverfahren zusammenwirken, in der die steuerfinanzierte Finanzkraft des Staates von einer wirtschaftlich florierenden Gesellschaft abhängt, in der Staat und Gesellschaft weiteren Wechselwirkungen unterliegen, aufeinander Rücksicht nehmen müssen; diese Wirklichkeit weist deutlich auf die Notwendigkeit einer Deregulierung.

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Daseinsvorsorge 41, 62, 66 Datenaustausch, elektronischer 18 Demokratieprinzip 25, 34, 42–43, 52, 54, 60–61, 66, 198–199 Deregulierung 27, 182–183, 196–197, 201–202 Dienstverhältnis i. S. d. Steuerrechts 94 Dogmatik 135, 142

Beleihung 28, 32–34, 44, 52–53, 68, 198 – Spiegelbild der Privatisierung der Organisationsform 45 – und Abzugverfahren 47 Berufsfreiheit 135, 137–138, 140, 144, 148, 156–157, 163, 194, 196, 199, 201–202 – Apothekenurteil 166–167, 170, 181, 183, 201 – Beruf 166 – Berufsausübungsfreiheit 165, 167, 170, 173, 180, 182, 201 – berufsregelnde Tendenz 165, 168

Eigengesellschaft 33, 40–44 Eigentumsfreiheit 187 Eingriffsverwaltung 43, 60–61 Einkommensteuer – Einbehalt, vorläufiger 15 – Einkommensteuerschuld 15 – Vorauszahlungen 193 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit 93, 98 – laufender Arbeitslohn 104 – sonstige Bezüge 106 Erfüllungshilfe 198 Erzberger, Matthias 83 Europäische Union 23, 35, 139

– Berufswahlfreiheit 166–167, 170, 181, 201 – Stufentheorie 170, 201 Betriebsbeauftragte 28 Bruttolohn 25, 46–48, 113, 175 Bundesagentur für Arbeit 21 Bundesausbildungsförderungsgesetz 19, 21–22 Bundeserziehungsgeldgesetz 19 Bundeskindergeldgesetz 19, 21 Bundesrechnungshof 43, 54 Bundessozialhilfegesetz 19, 21 Bundestag 20, 54

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Sachregister

Fachaufsicht 43, 50, 54 Folgelasten 18 Freiheit von Arbeitszwang 135, 145, 161–162, 168, 172, 180, 194, 196, 199–201 – und Menschenwürde 146 Freiheit von Zwangsarbeit 160 Freiwillige Gerichtsbarkeit, Gesetz 19 Funktionsvorbehalt zugunsten des Berufsbeamtentums 43, 51, 54, 60–61, 64–65, 186, 198 Gebühren 38, 68, 198 Gemeinde 21, 26, 48, 89, 101–102, 133, 173 Gesellschaft 26, 31, 36, 40–41, 60, 63, 166, 197, 202 Gesetzesvorbehalt 137, 196 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 53 Gestaltungsraum des Gesetzgebers 54, 132, 174, 177–178, 181, 185, 190, 197, 201 Gewährleistungsverantwortung 31, 41, 56, 59, 61–62, 66, 139, 198 Gewaltenteilungsprinzip 42, 144 Glaubensfreiheit 140 Gleichheitssatz 74, 132, 135, 143, 154, 159, 169, 179, 189, 196–197, 199–200 – Gleichheit vor dem Gesetz 190 – neue Formel 191 – Willkürformel 191 Grundrechte – additiver Grundrechtseingriff Siehe Kumulation von Eingriffen – Eingriff 136 – Kumulation von Eingriffen 140, 195, 201 – Lebensbereich 136–138 – Norminhalt 138, 144–146, 161–162, 164–169, 171, 173, 188–190, 196–197, 201–202 – Normwirklichkeit 137, 145, 152, 158– 161, 163–165, 167–168, 170–171, 180, 184, 188–189, 194–197, 200–202

– – – –

Respekt vor der Realität 142 Schutzbereich 135 staatliche Maßnahme 136, 139, 166 Verbindungen zwischen Norminhalten (Schutzbereichen) 140 Grundrechtsdogmatik 24, 135, 138, 140–141, 195–196 Haftung für die Lohnsteuer 16 Halbteilungsgrundsatz 141, 189 Handlungsformen des Staates – öffentlich-rechtliche 38 – privatrechtliche 38 Handlungsfreiheit, allgemeine 140, 167– 169 Haushaltsbindung, staatliche 42, 54, 198 Hoheitliches Handeln des Staates 46 Indienstnahme 45, 53, 91, 145, 154, 158, 179, 183–185, 188, 197–201 Information von der Quelle 174 Jahresarbeitslohn, hochgerechneter 105 Kinderfreibetrag 48, 57 Kirchenlohnsteuer 20 Kirchensteuer 89, 113, 121, 158, 168, 182, 192 Klassensteuer 79–81 Kondiktionsteuer 74 Konkretes Ordnungsdenken 144 Kontrollmitteilungssystem 23 Kopfsteuer 79 Krankenkassen 21 Kriegs-Kontributionen 78 Lohnfortzahlungsgesetz 19, 21 Lohnsteuer 15 – Abführen der Steuer 117 – Abzug als originär private Aufgabe 67 – Anmeldung 117 – Einbehalt 117 – Gesamtschuldner der Haftung 124

Sachregister – Haftung des Arbeitgebers 120, 186 – pauschale Erhebung 49, 107, 109, 132 – pauschale Erhebung und Steuerschuldverhältnis 110 – Regress unter den Haftungsschuldnern 125 – und Veranlagung 130 Lohnsteuer-Außenprüfung 119 Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren 102 Lohnsteuer-Jahresausgleich 87–90, 92, 107, 116, 122, 126, 133, 173, 176, 185 Lohnsteuereinnahmen 16 Lohnsteuerkarte 48, 57, 70, 89, 96, 98, 101, 105–106, 115–119, 121, 123, 131, 133, 173, 177 Miquel, Johannes von 82 Mitverantwortung, sphärenorientierte 58, 69 Mitwirkungspflichten, allgemeine 18 Musterungsverordnung 19 Mutterschutzgesetz 18, 21 Natur der Sache 144 Nettolohnvereinbarung 112 Neutralität des Staates, wirtschaftspolitische 36 Öffentliche Aufgaben 60, 63, 67 – privatisierungsfeste 65 Öko-Audit 68 Pauschale Erhebung der Lohnsteuer 59 Peel, Robert 77 Pflichtexemplar-Entscheidung 179 Pitt, William 73, 75–76, 78 Popitz, Johannes 86 praktische Konkordanz 136 Privatisierung 25–26, 197 – Beauftragte 28, 32, 52, 57, 59 – der Aufgabe 31, 33, 35–37, 40, 53, 59, 198

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– der ausführenden Hand 35, 40–41, 51–53, 55, 60–61, 198 – der erwerbswirtschaftlichen Staatsbetätigung 33, 39 – der Finanzierung 27 – der Handlungsform 28, 33–36, 38, 53, 198 – der Organisationsform 40, 198 – der Verantwortung 40, 64, 66–67, 198 – diskutierte Typologiene 30 – echte, unechte 27, 31 – Erfüllungsprivatisierung 31 – Finanzierungsprivatisierung 32–33 – formelle 31 – funktionelle oder funktionale 31–32 – Klassifizierungen des Steuerabzugs 28 – Kostenprivatisierung 27, 32–33 – materielle 41 – materielle i. S. d. Vermögensprivatisierung 30 – materielle in Abgrenzung zur formellen 31 – mittelbare 33 – Organisationsprivatisierung 31–33, 41, 52 – Popularprivatisierung 31 – rechtsfolgenkonzentrierte Typologie 34 – unechte Verwaltungssubstitution 33 – Verfahrensprivatisierung 32–33, 52 – Vermögensprivatisierung 30, 39 – Verwaltungshelfer 52–53, 55, 57–58, 198 – Verwaltungsmittlung 33 – Verwaltungssubstitution 32–33, 60 Privatisierung, rechtsfolgenkonzentrierte Typologie 34 – Privatisierung der Aufgabe 59 – Privatisierung der ausführenden Hand 51 – Privatisierung der Handlungsform 38 – Privatisierung der Organisationsform 40 – Privatisierung der Verantwortung 40, 66 Programmablaufplan 49, 104–105, 107

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Sachregister

Quellenbesteuerung 15, Siehe Umsatzsteuer, Verbrauchsteuer, Verkehrsteuer – bei Bauleistungen 23 – bei beschr. Steuerpflichtigen 23 – Kapitalertragsteuer 23, 148, 191 – Steuerabzug für geringfügig Beschäftigte 185 Realität und Recht 143 Rechtsaufsicht 43, 54 Rechtsschutz, Garantie des effektiven 34, 43, 45, 54, 198 Rechtsstaatsprinzip 34, 61, 144 – Normklarheit 196, 201 Reichseinkommensteuergesetz 17, 83 Republikanische Prinzip 36 Reserveverantwortung 67 Schutzpflicht, grundrechtliche 56 Selbstverwaltung, kommunale 35–36 Solidaritätszuschlag 20 Solidaritätzuschlaggesetz 20 Sonderrecht, staatliche 34, 54–56, 61, 198 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch 19–22 – Elftes Buch 20 – Fünftes Buch 18, 20, 22 – Sechstes Buch 20, 22 – Siebtes Buch 18–20, 22 – Viertes Buch 20–22 – Zehntes Buch 19, 21 Staat und Gesellschaft 25 Staatshaftungsrecht 39, 42, 44, 54, 61 Statistische Landesämter 21 Statistisches Bundesamt 21 Stein, Freiherr Karl vom 78–79 Steuerart 15 Steuerbescheid 46, 48, 51, 89 Steuererklärung 48, 79–82, 89, 118, 165 Steuergläubiger 47, 58–59, 130 Steuerkartenprinzip 103 Steuerklasse 48, 70, 90, 102, 105 Steuern, indirekte 23

Steuerpflichtiger 59, 69, 191 – Mitwirkungspflichten 18, 50, 58, 71, 92, 119, 160, 168, 195, 197, 199–200 Steuerschuldner 17, 23, 46, 48, 50, 58, 63, 69, 71, 100, 108, 125, 128, 174, 189, 191 – formeller 50, 59, 110 – materieller 50, 59, 111 Steuersubjekt 41, 129 stoppage at source 76 Subsidiaritätsprinzip 36, 196 Subventionen 40 Technischer Überwachungsverein (TÜV) 50 Umsatzsteuer 23 Unparteilichkeit der Amtswalter 53 Unterhaltssicherungsgesetz 19, 21 Unterhaltsvorschussgesetz 19, 21 Untermaß 56 Untersuchungsgrundsatz 53, 58, 69 Verantwortungsgemeinschaft, kooperative 69 Verbrauchsteuer 23 Verkehrsteuer 23 Vermögensteuer 72, 74, 91 Verstaatlichung 26 Verwaltungsprivatrecht 39, 42, 44–45, 52, 198 Verwaltungsverfahren 32, 39, 41–42, 47, 53, 67, 197–199 Verwaltungsvorbehalt der Steuererhebung 36–37, 47, 66–67, 69 Wesentlichkeitstheorie 196 Wettbewerb 53, 56, 60, 65, 163, 184, 187, 197–198 Wettbewerbsrecht, internationales 35–36 Wohngeldgesetz 19, 21 Zinserträge, Richtlinie des Rates 23 Zusatzversorgungskassen 21 Zweites Wohnungsbaugesetz 19