Die Beweislast im Verwaltungsrecht: Zur Verteilung des Aufklärungsrisikos im Verwaltungsprozeß [1 ed.] 9783428453863, 9783428053865


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Die Beweislast im Verwaltungsrecht: Zur Verteilung des Aufklärungsrisikos im Verwaltungsprozeß [1 ed.]
 9783428453863, 9783428053865

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 443

Die Beweislast im Verwaltungsrecht Zur Verteilung des Aufklärungsrisikos im Verwaltungsprozeß

Von

Hans-Hermann Peschau

Duncker & Humblot · Berlin

HANS-HERMANN

PESCHAU

Die Beweislast im Verwaltungsrecht

Schriften zum öffentlichen Band 443

Recht

Die Beweislast im Verwaltungsrecht Zur Verteilung des Auiklärungsrisikos im Verwaltungsprozeß

Von

Dr. Hans-Hermann Peschau

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Peschau, Hans-Hermann: Die Beweislast i m Verwaltungsrecht: zur V e r teilung d. Aufklärungsrisikos i m Verwaltungsprozess / v o n Hans-Hermann Peschau. — Berlin: Duncker u n d Humblot, 1983. (Schriften zum öffentlichen Recht; Bd. 443) I S B N 3-428-05386-9 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1983 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1983 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 05386 9

Vorwort I m öffentlichen Recht haben Beweislastprobleme bisher recht wenig Beachtung gefunden. Erst i n den letzten Jahren ist eine Diskussion wiederaufgenommen und erweitert worden, die — auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts — vor allem durch den 46. Deutschen Juristentag (Essen 1966) bereichert worden war. Die vorliegende Abhandlung hat die Verteilung des Aufklärungsrisikos i m Verwaltungsprozeß zum Gegenstand. Ihr Ziel ist die Erörterung der tragenden Verteilungsgründe unter Einbeziehung verfassungsrechtlicher Prinzipien sowie die Untersuchung typischer verwaltungsrechtlicher Tatbestände. Dabei w i r d deutlich, daß die Beweislastverteilung weder aus der schematischen Handhabung einer angeblich allgemeingültigen Grundregel abgeleitet, noch auf vage Billigkeitserwägungen i m Einzelfall abgestützt werden kann. Die Arbeit wurde i m Wintersemester 1982/83 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu K ö l n als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Assistentenzeit bei Herrn Professor M a r t i n Kriele; i h m verdanke ich auch die Anregung zur Beschäftigung m i t Beweislastfragen. Herr Professor Kriele hat m i r jede Freiheit bei der Bearbeitung des Themas gewährt; ich bin i h m für alle Förderung, die er m i r hat zuteil werden lassen, sehr dankbar. Herrn Professor Klaus Stern danke ich für K r i t i k und Anregungen. — Ich widme diese Schrift meinen Eltern i n Dankbarkeit. Köln, i m Februar 1983 Hans-Hermann

Peschau

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Einführung: Beweislast und Verwaltungsrecht I. Z u r F u n k t i o n u n d Wirkungsweise der objektiven Beweislast I I . Die Bedeutung der objektiven Beweislast i m Verwaltungsprozeß Zweites

11 14

Kapitel

Kriterien der Beweislastverteilung I. Klageart u n d Parteistellung

17

1. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts . . . .

17

2. Stellungnahme

19

I I . Das Normbegünstigungsprinzip i n Verbindung m i t dem anzuwendenden Recht 1. Die Rechtsprechung

21 21

a) Belastende Verwaltungsentscheidungen

23

b) Ansprüche gegen Träger öffentlicher Gewalt

24

c) Grund- u n d Gegennormen; Regel- u n d Ausnahmenormen; rechtsbegründende u n d rechtshindernde Merkmale

27

d) Gesetzesfassung gegen Gesetzeszweck?

28

e) Das Normbegünstigungsprinzip — ein manchmal untaugliches „Hilfsmittel"

31

f) Vorrang der besonderen gesetzlichen Regelung

32

2. Die Auffassungen i n der L i t e r a t u r

33

3. Stellungnahme

38

I I I . Das Prinzip v o n der Erhaltung des Status quo

40

I V . Das Regel-Ausnahme-Argument

42

1. Die Rechtsprechung

42

2. Stellungnahme

46

8

Inhaltsverzeichnis V. Wahrscheinlichkeit

48

1. Abstrakte Wahrscheinlichkeit

48

2. Konkrete Wahrscheinlichkeit

49

3. Tatsächliche Vermutungen i n der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

51

V I . Beweisnähe, Einflußsphäre, Gefahren- u n d Verantwortungsbereich

56

1. Die Rechtsprechung

57

2. Stellungnahme

58

V I I . Sanktion

60

1. Die Beweis Vereitelung

60

2. E i n Sonderfall: Die Rücknahme eines begünstigenden V e r w a l tungsakts

64

V I I I . Freiheitsvermutung u n d Rechtmäßigkeitsvermutung

68

1. I n dubio pro libertate

68

2. I n dubio pro auctoritate

70

I X . Zumutbarkeit

72

1. Rechtsprechungsbeispiele

73

2. Beweisnot

74

3. Güterabwägung u n d Folgenorientierung

76

4. Exkurs: Z u r Beweislast i m Kriegsdienstverweigerungsverfahren

78

Drittes

Kapitel

Das Verfassungsrecht und die Beweislastverteilung i m Verwaltungsrecht I. Einleitung

82

I I . Die Begründungsbedürftigkeit der Freiheitsbeschränkung — das Rechtsstaatsprinzip u n d die Grundrechte I I I . Die Begründungsbedürftigkeit Leistungsversagung?

der Leistungsgewährung oder der

1. Die Regel

85

88 88

a) Sozialstaatsprinzip

88

b) Grundrechte als Teilhaberechte

90

Inhaltsverzeichnis

9

c) Soziale Grundrechte

94

d) A r t . 19 Abs. 4 GG

95

e) Zusammenfassung

96

2. Eine Ausnahme: Die Sicherung des Existenzminimums I V . Das faire rechtsstaatliche Verfahren

98

V. Verfassungsrecht u n d Genehmigungsvorbehalte 1. Präventives Verbot m i t Erlaubnisvorbehalt Verbot m i t Befreiungsvorbehalt

97

104 und

repressives

104

2. Die Beweislast beim präventiven Verbot — Beispiele

109

3. Die Beweislast beim repressiven Verbot — Beispiele

117

Viertes

Kapitel

Besonderheiten der Beweislastverteilung bei speziellen verwaltungsrechtlichen Tatbeständen I. Ermessensakte

120

I I . Soll-Vorschriften u n d Regelvermutungen

123

I I I . Planungsentscheidungen

126

I V . Unbestimmte Gesetzesbegriffe m i t Beurteilungsspielraum

130

1. Prüfungsentscheidungen 2. Prognosen

130 132

a) Umfang u n d Grenzen der gerichtlichen Nachprüfung

132

b) Die Prognose der Verfassungstreue bei der Einstellung i n den öffentlichen Dienst 135 V. Verwaltungsmaßnahmen m i t mehrseitiger W i r k u n g

139

1. Mehrdimensionale Freiheitsprobleme

139

2. Drittbetroffenenklagen

142

V I . Verhältnismäßigkeit

145

V I I . Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt

149

Zusammenfassende Schlußbetrachtung

153

Literaturverzeichnis

156

Erstes Kapitel

Einführung: Beweislast und Verwaltungsrecht I. Zur Funktion und Wirkungsweise der objektiven Beweislast Richterliche Entscheidung heißt Sachverhaltsermittlung und Rechtsgewinnung. Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Überzeugungsbildung ist i m Normalfall dann gelungen, wenn ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit erreicht ist, daß kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt 1 . Auch wenn das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat (§ 86 Abs. 1 S. 1 VwGO), kann es vorkommen, daß sich ein entscheidungserheblicher Sachumstand nicht aufklären läßt. Trotz Scheiterns der Sadiverhaltsermittlung ist das Gericht zur Entscheidung des Rechtsstreits gezwungen. Dies folgt aus dem A n spruch auf Justizgewährung 2 . Ist aber das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen ungewiß, dann bleibt auch die vorgesehene Rechtsfolge zweifelhaft. Sie kann weder m i t einem positiven noch negativen Inhalt festgestellt werden 3 . Es bedarf demnach besonderer Regeln, die die Frage beantworten, wie i n dieser Situation zu verfahren ist. Die Bestimmungen, die eine richterliche Entscheidung i m Fall tatsächlicher Ungewißheit („non liquet") überhaupt erst ermöglichen und ihren Inhalt festlegen, sind die Regeln der materiellen (objektiven) Be1 Kopp, V w G O , §108 Rdnr.5; Redeker / v. Oertzen, V w G O , §108 Rdnr. 1; Eyermann / Fröhler, V w G O , § 108 Rdnr. 4.. 2 BVerfGE 3, 359 ff., 364; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, G r u n d gesetz, A r t . 101 Rdnr. 53; Rosenberg / Schwab , Zivilprozeßrecht, § 3 I , S. 12. 8 Vgl. dazu die überzeugenden Ausführungen bei Leipold, Beweislastregeln u n d gesetzliche Vermutungen, S. 19 ff.; zust. Musielak, Die G r u n d lagen der Beweislast i m Zivilprozeß, S.3, 19; Berg , Die verwaltungsrechtliche Entscheidung bei ungewissem Sachverhalt, S. 174; a. A.: Rosenberg , Die Beweislast, S. 12: „ . . . die A n w e n d u n g des Rechtssatzes unterbleibt nicht nur, w e n n der Richter v o n dem Nichtvorhandensein dieser Voraussetzungen überzeugt ist, sondern auch schon dann, w e n n i h m zweifelhaft geblieben ist, ob diese Voraussetzungen vorhanden seien." (Hervorhebung original); vgl. ferner zu der Frage, ob Rechtsnormen die Rechtsfolge an tatsächliche Vorgänge außerhalb des Gerichtsverfahrens oder an prozessuale Feststellungen k n ü p fen, ausführlich Musielak , S. 4 ff.

12

1. Kap.: Einführung: Beweislast u n d Verwaltungsrecht

weislast. Sie ordnen an, daß der Richter entweder so zu entscheiden hat, als sei die zweifelhafte Tatsache gegeben oder als sei sie nicht gegeben. Die Existenz oder Nichtexistenz der entscheidungserheblichen Tatsache w i r d also zum Zweck der Sachentscheidung fingiert, keineswegs aber die Tatsachenbehauptung als wahr oder unwahr anerkannt 4 . Leipold vertritt die Auffassung, es sei nur eine Formulierungsfrage ohne sachliche Bedeutung, ob man die Fiktion auf das Tatbestandsmerkmal oder auf die zugrundeliegenden Tatsachen beziehe 5 , und Musieldk meint, der sonst vom Richter zu ziehende Schluß von bestimmten festgestellten Tatsachen auf die Erfüllung des Tatbestandselementes werde überflüssig gemacht, da die Beweislastnorm die Feststellung eines tatsächlichen Vorgangs so „maßgerecht" auf das Tatbestandsmerkmal h i n fingiere, daß sich der Schluß „verwirklicht oder nicht verwirklicht" von selbst ergebe 6 . Daß diese Ansichten nicht richtig sein können, zeigen normative Tatbestandsmerkmale, bei denen eine Vielzahl von Tatsachen festzustellen ist. Solche Tatbestandsmerkmale (wie z. B. gute Sitten, Verhältnismäßigkeit, Zuverlässigkeit) bedürfen der inhaltlichen Konkretisierung, ehe sich ihnen bestimmte Tatsachen zuordnen lassen. Die Beweislastnorm h i l f t dann über die Ungewißheit der Einzeltatsache hinweg, ersetzt aber nicht den Schluß von allen — feststehenden und fingierten — Tatsachen auf das Tatbestandsmerkmal 7 . Die Funktion der Beweislastregeln besteht also darin, „Ungewißheit i m Tatsächlichen i n eindeutige Rechtsfolgen zu transformieren" 5 ; sie entscheiden über die Folgen der Beweislosigkeit. Die Frage der Beweislast ist daher nach erbrachtem Beweis gegenstandslos. Von der Funktion der Beweislastnormen läßt sich ihre Wirkungsweise trennen. W i r d z. B. formuliert, „ X habe die objektive Beweislast" oder „ Y müsse das Aufklärungsrisiko tragen" oder „Das Risiko des ungeklärten Sachverhalts gehe zu Lasten des Z", so werden damit zwar die Reflexwirkungen auf die Parteien beschrieben, die m i t der Beweislastentscheidung unvermeidbar verbunden sind, die eigentlichen Aufgaben der Beweislastnormen als Entscheidungsregeln aber nur unge4 Vgl. Leipold, S. 64 ff.; Musielak, S. 21 ff.; Weber-Grellet, Beweis- u n d Argumentationslast i m Verfassungsrecht, S. 30; Greger, Beweis u n d W a h r scheinlichkeit, S. 11; diesen Unterschied verkennend Berg, S. 175. « Leipold, S. 66. « Musielak, S.24. 7 Vgl. Weber-Grellet, S.31; auf die Tatsachenbehauptung stellen z . B . auch Baumgärtel / Wittmann, J A 1979, S. 113 u n d Gottwald, Jura 1980, S. 225 ff., 227 ab. * So die einprägsame Formulierung v o n Berg, JuS 1977, S. 23 ff., 25; ähnlich ders., Die verwaltungsrechtliche Entscheidung bei ungewissem Sachverhalt, S. 175; ferner Börner, VEnergR, Bd. 50 (1982), S. 117 ff., 119 ff.

I. Z u r F u n k t i o n u n d Wirkungsweise der objektiven Beweislast

13

nau gekennzeichnet 9 . Wenn dies erkannt wird, ist gegen diese Formulierungen nichts einzuwenden, da sie sich besonders eignen, die praktische Relevanz der Beweislast — welche Partei nämlich den Nachteil aus der Beweislosigkeit trägt — zu beschreiben. Die Ausführungen über die Funktion der Beweislast haben zugleich deutlich werden lassen, wie eng die Verknüpfung von anzuwendendem Rechtssatz und Beweislastregel ist. Eine Beweislastentscheidung besteht immer aus zwei Elementen: aus einer Ungewißheit i m Tatsächlichen, die sich auf den Tatbestand (oder einen Teil desselben) eines Rechtssatzes bezieht, und aus einer Beweislastnorm, die die unbewiesen gebliebene Tatsachenbehauptung als wahr oder unwahr fingiert. Beweislastnormen haben deshalb ihren Sinn nur i n der Verbindung mit dem jeweiligen sachlich einschlägigen Rechtssatz und machen diesen i m Falle tatsächlicher Ungewißheit erst anwendungs- und entscheidungsfähig. Sie werden daher als „Ergänzungsrechtssätze" und „Ermöglichungsnormen" 10 , als „Entscheidungsnormen" 11 oder als „Aushilfsnorm e n " 1 2 bezeichnet. Aus dieser sachlichen Verknüpfung folgt schließlich auch, daß die Verteilung der Beweislast von dem anzuwendenden Rechtssatz abhängt 1 3 . Deshalb lautet die zutreffende A n t w o r t auf die vieldiskutierte Frage nach der Rechtsnatur 14 der Beweislastregeln: Sie „gehören zu demselben Rechtsgebiet wie der Rechtssatz, dessen Voraussetzungen die streitigen Tatsachen begründen sollen" 1 5 . Praktisch sind die meisten Beweislastentscheidungen materiell-rechtlicher Natur, weil von der Beweislosigkeit überwiegend die tatsächlichen Voraussetzungen der Normen materiellen Rechts betroffen sind 1 6 . • Z u r Trennung von F u n k t i o n u n d Wirkungsweise insbesondere Musielak, S. 19 ff., 32 ff. Nierhaus, B a y V B l . 1978, S. 745 ff., 749. 11 Leipold, S. 64 ff.; Musielak, S.23; Blomeyer, Gutachten 46.DJT, S. 9; Baumgärtel / Wahrendorf, Festschrift für Rammos, S. 41 ff., 44; Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, §118 I I I 1, S. 689; Gottwald, Jura 1980, S. 225 ff., 228. 12 E.Peters, Ausforschungsbeweis i m Zivilprozeß, S.98; Wahrendorf, Die Prinzipien der Beweislast i m Haftungsrecht, S. 25; k r i t . zu dem mißverständlichen Begriff „Rechtsanwendungsnorm" Musielak, S. 23 m. w . N. 13 Vgl. auch das 2. K a p i t e l unter I I . Dazu insbesondere Schmeling, Die Rechtsnatur der Beweislastfrage, Diss. Erlangen 1952; Rosenberg, S. 77 ff.; Leipold, S. 67 ff.; Blomeyer, S. 9 ff.; Musielak, S.26ff.; Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, §118 I I I 1, S. 689; Wahrendorf, S. 26 ff.; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 50 I I 2, S. 260 f. 15 Rosenberg, S. 81; Rosenberg / Schwab, S. 689; Musielak, S.30; ferner B V e r w G , U r t . v. 23. 5.1962 — V I C 39.60 —, B V e r w G E 14, 181 ff., 186 f.; U r t . v. 19.2.1964 — V I C 107.61 —, B V e r w G E 18, 66 ff., 71; U r t . v. 31.10.1968 — V I I I C 97.67 —, B V e r w G E 30, 358 ff., 361 f.; U r t . v. 6.2.1975 — H C 68.73 —, B V e r w G E 47, 330 ff., 339 u n d öfter.

14

1. Kap.: Einführung: Beweislast u n d Verwaltungsrecht

I I . Die Bedeutung der objektiven Beweislast im Verwaltungsprozeß Nach den Feststellungen zur Funktion der Beweislastnormen i m allgemeinen kann es nicht überraschen, daß die ganz herrschende Meinung die Existenz der objektiven Beweislast auch i m Verwaltungsprozeß bejaht 1 7 . Ältere Äußerungen, die eine Beweislast i m Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz verneinen wollen 1 8 , unterscheiden nicht zwischen objektiver und subjektiver Beweislast. Daß die Sachverhaltsermittlung auch unter Geltung des Untersuchungsgrundsatzes scheitern kann, ist eine Selbstverständlichkeit 19 . Hingegen gibt es eine subjektive (formelle) Beweislast (Beweisführungslast), also die einer Partei obliegende Last, zur Vermeidung des Prozeßverlustes den Beweis einer streitigen Tatsache durch eigene Tätigkeit zu führen, nur i n Verfahren m i t Verhandlungsmaxime, i n denen die Sammlung des Streit- und Beweisstoffes den Parteien übertragen ist 2 0 . Wenn sich i n der Rechtsprechung gelegentlich Formulierungen finden, die auf eine Beweisführungs- oder Behauptungslast hinzudeuten scheinen 21 , so handelt es sich regelmäßig — wie der Sachzusami« Dies f ü h r t häufig zu der verkürzenden Aussage, die Beweislast ergebe sich aus dem materiellen Recht; z.B. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, §41 I I I 1, S. 425; vgl. ferner Berg, S. 177 m . w . N. aus L i t . u n d Rspr. zum Verwaltungsrecht u n d das 2. K a p i t e l unter I I . Berg weist zutreffend darauf hin, daß die Meinungsverschiedenheiten über die rechtliche Einordn u n g häufig ihre Ursache i n terminologischen Unstimmigkeiten — z. B. über den Begriff des materiellen Rechts — haben. So liest m a n etwa bei Stein! Jonas / Schumann / Leipold, ZPO, §282 A n m . I V 3: „ U n t e r der Zuordnung zum materiellen Recht ist dabei zu verstehen, daß die Beweislastnormen zum selben Rechtsgebiet gehören w i e jene Normen, u m deren A n w e n d u n g es geht." 17

Vgl. n u r Berg, Die verwaltungsrechtliche Entscheidung bei ungewissem Sachverhalt, S. 169 f.; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme i n der öffentlichrechtlichen A r b e i t , S. 153 ff., 161 ff.; Tietgen, Gutachten 46. DJT, S. 7 ff.; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 50 I, S. 259 f.; B V e r w G i n st. Rspr., z. B. U r t . v. 4. 5.1956 — V C 172.55 —, B V e r w G E 3, 267 ff.; U r t . v. 23. 5.1962 — V I C 39.60 —, B V e r w G E 14, 181 ff.; U r t . v. 28.1.1965 — V I I I C 293.63 —, B V e r w GE 20, 211 ff.; U r t . v. 3. 7.1974 — V I I I C 98.73 —, B V e r w G E 45, 297 ff., 303 ff.; U r t . v. 30.3.1978 — 5 C 20.76 —, B V e r w G E 55, 288 ff., 297 f. i« z. B. Schultzenstein, J W 1917, S. 433 ff., 435 f.; weitere Nachweise bei Berg, S. 164. w So schon Rosenberg, Die Beweislast, S. 24. 20 Vgl. Rosenberg / Schwab, Zivilprozeßrecht, §118 I 2 b, S. 682; außer den oben (Fn. 17) Z i t i e r t e n noch Kopp, V w G O , § 108 Rdnr. 11; Redeker I v. Oertzen, V w G O , § 108 Rdnr. 11; seit dem U r t . v. 18.4.1956 — V C 145.55 —, B V e r w G E 3, 245 ff. st. Rspr. des BVerwG. 21 z. B. U r t . v. 29.1.1965 — I V C 61.64 —, B V e r w G E 20, 219 ff., 224: „ . . . derjenige, der sich u m eine B e w i l l i g u n g bemüht, dafür die Voraussetzungen zu behaupten u n d darzulegen hat . . . " ; U r t . v. 10.5.1961 — V I I I C 118.60—, B V e r w G E 12, 230 ff., 235: „Wer . . . Leistungen i n Anspruch n i m m t , muß die

I I . Die Bedeutung der objektiven Beweislast i m Verwaltungsprozeß

15

menhang ergibt — u m sprachliche Ungenauigkeiten, die ihre Ursache offenbar i n dem prägenden Einfluß des Zivilprozeßrechts auf die verwaltungsgerichtliche Praxis haben 2 2 . Die tatsächliche Bedeutung der objektiven Beweislast i m Verwaltungsprozeß hängt von einer Reihe von Umständen ab, die den Anwendungsbereich und die Häufigkeit von Beweislastentscheidungen mitbestimmen 2 3 . Es gibt sicher Rechtsgebiete, für die besondere Aufklärungsschwierigkeiten typisch sind, weil sie zeitlich weit zurückliegende Sachverhalte regeln und beweiskräftige Unterlagen i n den Wirren der Zeitläufe verlorengegangen sind. Man denke etwa an die i m Zusammenhang m i t Krieg und Kriegsfolgen stehenden Gesetzes werke wie z. B. das Lastenausgleichsgesetz, das Bundesvertriebenengesetz, das Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes. Darüber hinaus w i r d man generell sagen dürfen, daß innere Tatsachen schwieriger festzustellen sind als äußere — sinnlich wahrnehmbare — Tatsachen. Diese Problematik spielt z. B. eine Rolle bei der Prüfung der Gewissensentscheidung des Kriegsdienstverweigerers und der Gewähr der Verfassungstreue als Einstellungsvoraussetzung für den öffentlichen Dienst. Sodann bedingen sich Beweismaß und Beweislast. Je höher die für den Beweis einer Tatsache erforderliche Beweisstärke angesetzt wird, desto größer ist der Anwendungsbereich der Beweislast. „Verlangt man vom Richter die volle persönliche Überzeugung, so greift die Beweislastregelung stets dann ein, wenn der Richter aus irgendwelchen i n seiner Person oder i n der Sache liegenden Gründen diese Überzeugung nicht erlangen kann, mag die betreffende Tatsache auch noch so wahrscheinlich sein. Fordert man hingegen nur einen »geringeren Grad von Gewißheit', so verkleinert man den Anwendungsbereich der Beweislast u m jene Zone, die zwischen der ,vollen 4 Überzeugung und diesem Gewißheitsgrad liegt, und stellt man gar nur auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit ab, so reduziert sich ihr Wirkungskreis auf jene Fälle, i n denen die Wahrscheinlichkeitsrechnung exakt ein 50 : 50 ergibt 2 4 ." Eine Minderung des Beweismaßes kennt der Verwaltungsprozeß z. B. i m Eilverfahren, das nur Glaubhaftmachung erfordert. Unter beTatsachen darlegen, aus denen sich die E r f ü l l u n g der gesetzlichen Voraussetzungen ergibt"; V G B e r l i n , U r t . v. 17.12.1970 — I I A 8 2 / 7 0 —, N J W 1971, S. 1100 ff., 1102: „Darlegungs- u n d beweispflichtig für die Erschöpfung ihrer Ausbildungsmöglichkeiten ist die Beklagte . . . " 22 Berg, S. 167, dort auch weitere Nachweise. 23 Hierzu auch Berg, S. 170 ff. 24 Greger, Beweis u n d Wahrscheinlichkeit, S. 13.

16

1. Kap.: Einführung: Beweislast u n d Verwaltungsrecht

stimmten Umständen kann auch Beweisnot zu einer Milderung der Beweisanforderungen führen 2 5 . Verschiedentlich findet ein minderer Gewißheitsgrad als Tatbestandsmerkmal Eingang i n einen Rechtssatz. Das ist etwa der Fall bei den verschiedenen A r t e n der polizeilichen Gefahr. Die Tatbestände der Überwachungsgesetze stufen die Voraussetzungen für verschiedenartige gefahrenabwehrende Maßnahmen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und der Schwere der Rechtsgutbeeinträchtigung ab 2 0 . Schließlich kann sich das Problem der Ungewißheit i m Verwaltungsprozeß gar nicht stellen, wenn der Verwaltungsbehörde ein eigener Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, und es u m die behördliche Einschätzung als solche geht 2 7 , oder wenn die Ungewißheit Tatbestandsmerkmal und Rechtsfolgenvoraussetzung ist 2 8 . Die Häufigkeit von Beweislastentscheidungen w i r d zudem aus zwei weiteren Gründen begrenzt. Das vorausgegangene Verwaltungsverfahren — meistens folgt ein Widerspruchsverfahren — führt schon i m Vorfeld eines Prozesses zu verbesserter Sachaufklärung. Das w i r d man auch als Wirkung des Untersuchungsgrundsatzes i m Verwaltungsprozeß feststellen können, wenngleich sich Verhandlungs- und Untersuchungsgrundsatz i n den Prozeßordnungen nicht idealtypisch gegenüberstehen, und auch i m Zivilprozeß der Richter die Sachverhaltsermittlung fördern kann. Dies alles vorausgeschickt ist auch i m Verwaltungsprozeß die Entscheidung nach der Beweislast nicht selten unvermeidbar, wie die i m einzelnen zu analysierende Rechtsprechung belegt.

25 Vgl. das 2. K a p i t e l unter I X 2. 2« Vgl. Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht I I I , §125 R d n r n . 2 5 f f . ; ferner Berg, S. 135 ff. 27 Dazu insbesondere das 4. K a p i t e l unter I V . 28 Vgl. z.B. § 14 Abs.2 S. 1 BDSG, dazu Mallmann, in: S i m i t i s / D a m m a n n / M a l l m a n n / Reh, Bundesdatenschutzgesetz, § 14 Rdnr. 20.

Zweites Kapitel

Kriterien der Beweislastverteilung Der praktisch bedeutsamste Aspekt der Beweislastregeln ist ihre Wirkung auf die Parteien, indem sie bestimmen, wer das Risiko der Beweislosigkeit zu tragen hat. Die entscheidende Frage ist deshalb die nach den tragenden Gesichtspunkten, den legitimierenden Gründen der Beweislastverteilung. I. Klageart und Parteistellung 1. Die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht hat i n seinem vieldiskutierten Urteil vom 18. A p r i l 19561 die Beweislastverteilung an die Klageart und die Parteistellung gebunden: „Bei der Anfechtungsklage trägt i n der Regel der Kläger die Beweislast. Denn dieser kann nach §23 MRVO Nr. 1652 eine Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes nur dann verlangen, wenn die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes feststeht." Es hat damit — wenn auch nicht ausdrücklich — an die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zur A n fechtung von Polizeiverfügungen angeknüpft 3 . i V C 145.55, B V e r w G E 3, 245 f.; vgl. dazu Tietgen, DVB1. 1956, S. 683 ff.; ders., DVB1.1957, S. 86 ff.; Bettermann, DVB1.1957, S. 84 f.; Dahlinger, NJW 1957, S. 7 ff. u n d 620; Newerla, N J W 1957, S. 619 f.; Ruckriegel, DÖV 1958, S. 531 ff., 533 ff.; Auer, Die Verteilung der Beweislast i m Verwaltungsstreitverfahren, S. 87 f.; Bernhardt, JR 1966, S. 322 ff., 326; Maetzel, DÖV 1966, S. 520 ff., 522; Tietgen, Gutachten 46. DJT, S.43ff.; Bettermann, Referat 46. DJT, S. E 38; Menger, Die Grundrechte I I 1/2, S. 717 ff., 747 f.; Michael, Die Verteilung der objektiven Beweislast i m Verwaltungsprozeß, S. 85 ff.; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 50 I I 3, S. 262. ß § 23 M R V O Nr. 165 lautete: Abs. 1: „Die Anfechtung eines Verwaltungsakts k a n n n u r darauf gestützt werden, daß der Verwaltungsakt den Kläger i n seinem Recht beeinträchtige, w e i l er rechtswidrig sei. Abs. 2: E i n Verwaltungsakt ist als rechtswidrig anzusehen, w e n n die Tatsachen, die i h n gerechtfertigt hätten, nicht vorhanden waren." (VO Nr. 165 v. 15.9.1948, VOB1. B Z 1948, S. 263). 2 Peschau

18

2. Kap.: K r i t e r i e n der Beweislastverteilung

Ob das Gericht in der Parteistellung oder i n der Klageart den entscheidenden Gesichtspunkt gesehen hat, läßt sich anhand der Formulierung nicht entscheiden. Immerhin liegt der Schluß nahe: Wenn der Kläger bei der Anfechtungsklage die Beweislast trägt, so muß er sie doch wohl bei der Verpflichtungsklage erst recht tragen. Damit liefe die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auf den Satz hinaus: I m Verwaltungsprozeß trägt der Kläger die Beweislast 4 . Scheint das Gericht also eher an die Parteistellung gedacht zu haben, so ist doch eine gemeinsame Betrachtung der Beweislastverteilung nach Klageart und Parteistellung wegen ihrer engen Verknüpfung gerechtfertigt, zumal nach beiden Kriterien prozessuale Erwägungen entscheiden. I n einer Interpretation der Entscheidung hat Bettermann — der an ihr mitgewirkt hatte 5 — allerdings gemeint, das Bundesverwaltungsgericht habe dem Bürger die Beweislast nicht deshalb gegeben, weil er i n der Rolle des Klägers gewesen sei, sondern weil er sich auf eine Norm (§ 23 Abs. 1 S. 1 MRVO 165) berufen habe, die die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zur Voraussetzung der begehrten Rechtsfolge mache 6 . Bettermann w i l l damit sagen, das Gericht habe nach dem sog. Normbegünstigungsprinzip entschieden 7 . Das ist abwegig und auch weder i n späteren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts noch von der übrigen Literatur so verstanden worden 8 . Die von Bettermann herangezogene Norm — i h r entspricht heute § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO — äußert sich überhaupt nicht zu den materiellen Voraussetzungen der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts; sie setzt die Rechtswidrigkeit schlicht voraus, diese hängt ab von dem jeweiligen Verwaltungsrechtssatz. Deshalb läßt sich nicht überzeugend bestreiten, daß die Entscheidung auf prozessualen Erwägungen basiert. Schon wenige Wochen später hält das Bundesverwaltungsgericht 9 die Berücksichtigung der prozessualen Gegebenheiten nicht mehr für ausreichend. Zwar sei an der dargelegten Auffassung 10 „für den Regelfall 3 Vgl. die Belege bei Tietgen, DVB1. 1956, S. 683 ff.; Michael, S. 56 ff.; k r i t . zu dieser Rspr. schon Schultzenstein, J W 1917, S. 257 ff., 327 f., 433 ff.; Tietgen, Gutachten 46. DJT, S. 42 f. m. w . Literaturnachweisen. 4 Vgl. Sacklowski, Die Beweislastverteilung i m Verwaltungsprozeß unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, S. 35 f. ß s. Tietgen, DVB1. 1957, S. 86. « DVB1. 1957, S. 84 f.; Referat 46. DJT, S. E 38. 7 Dazu das 2. K a p i t e l unter I I . e Vgl. schon Tietgen, DVB1. 1956, S. 683 ff.; ders., DVB1. 1957, S. 86 f. « U r t . v. 4. 5.1956 — V C 172.55 —, B V e r w G E 3, 267 ff.; vgl. dazu Tietgen, DVB1. 1957, S. 86 ff., 87; Auer, S. 88; Maetzel, DÖV 1966, S. 520 ff., 522; Sacklowski, S. 58 ff. ™ B V e r w G E 3, 245 f.

I. Klageart u n d Parteistellung

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festzuhalten", doch habe, wer sich auf eine Ausnahmevorschrift berufe, die Beweislast für das Vorliegen ihrer Voraussetzungen, also die Gefahr des Unterliegens zu tragen, wenn eine für ihre Anwendung erhebliche Tatsache nicht zur richterlichen Gewißheit festgestellt werden könne 1 1 . Damit führt das Gericht — zunächst noch zusätzlich — einen materiell-rechtlichen Gesichtspunkt ein 1 2 . I n späteren Entscheidungen gibt das Bundesverwaltungsgericht die ursprünglich vertretene Ansicht ausdrücklich auf, weil es nicht darauf ankommen könne, ob ein Prozeßbeteiligter mehr oder weniger zufällig diese oder jene Parteirolle habe oder ob ein Kläger zur Durchsetzung seines Begehrens diese oder jene Klageart gewählt habe 13 . 2. Stellungnahme

Die vom Bundesverwaltungsgericht vorübergehend vertretene Beweislastverteilung nach Parteistellung und Klageart ist i n der Literat u r nahezu einhellig abgelehnt worden 1 4 . I m Zivilprozeß gilt die Feststellungsklage i n ihrer positiven und negativen Ausprägung als klassisches Beispiel für die Unbeachtlichkeit der Parteirolle 1 5 . Auch i m Verwaltungsprozeß müssen die materiell-rechtliche und die prozessuale n B V e r w G E 3, 267 ff., 273. Vgl. dazu näher das 2. K a p i t e l unter I V . 13 Urt. v. 3.10.1958 — V I I C 235.57 —, B V e r w G E 7, 242 ff., 250; Urt. v. 31. 8. 1961 — H C 117.58 —, BVerwGE 13, 36 ff., 41; Urt. v. 25.3.1964 — V I C 150.62 —, BVerwGE 18, 168 ff., 171; Urt. v. 30.11.1973 — V I C 148.73 —, Buchholz 448.0 § 25 WPflG Nr. 64. Das O V G Münster, Besch, v. 11. 3.1960 — V I A 1212/58 —, N J W 1960, S. 1412 ff., 1413, empfand die Auffassung, daß die Prozeßstellung einer Partei dafür ausschlaggebend sei, ob sie die Beweislast zu tragen habe, als „ebenso p r i m i t i v w i e verkehrt". 14 Vgl. Gellrich, JR 1955, S. 175 f.; Tietgen, DVB1. 1956, S. 683 ff., 684; Engelhard, N J W 1956, S. 1377 ff., 1379; Dahlinger, N J W 1957, S. 7 ff., 8; Bachof, JZ 1957, S. 374 ff., 377; Ruckriegel, DÖV 1958, S. 531 ff., 533 f.; Rupp, A ö R 85 (1960), S. 301 ff., 318 f.; Peter Schneider, Festschrift 100 Jahre DJT, Bd. I I , S. 263 ff., 277; Auer, Die Verteilung der Beweislast i m Verwaltungsstreitverfahren, S. 57 f.; De Clerck, JZ 1960, S. 13 ff., 14; Luke, JuS 1961, S.41 ff., 44 f.; Deppe, Die Beweislast i m Verwaltungsverfahren u n d i m Verwaltungsprozeß, S. 27 f.; Schwindel, Das non liquet i n der Tatfrage — Gedanken zur Lehre von der Beweislast, S. 210 f.; Buss, DRiZ 1966, S. 291 ff., 292; Tietgen, Gutachten 46. DJT, S. 46 f.; André , Beweisführung u n d Beweislast i m Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, S. 206 ff., 212 ff.; Sacklowski, Die Beweislastverteilung i m Verwaltungsprozeß unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, S. 35 ff., 44 ff.; Menger, Die Grundrechte I I I / 2 , S. 717 ff., 747; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. 430, 433; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, §50 I I 3, S.262; Berg, JuS 1977, S. 23 ff., 26; Michael, Die Verteilung der objektiven Beweislast i m V e r waltungsprozeß, S. 85 ff.; a.A.: Bettermann, DVB1. 1957, S. 84 f.; (vgl. aber ders., Referat 46. DJT, S. E 38 f.). 12

15 Vgl. n u r Rosenberg, Die Beweislast, S. 174 f.; Rosenberg / Schwab, Z i v i l prozeßrecht, § 118 I I I 2 d, S.690; ebenso für den Verwaltungsprozeß Menger, Rechtsschutz i m Sozialrecht, S. 145 ff., 161. 2*

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2. Kap.: K r i t e r i e n der Beweislastverteilung

Position der Partei keineswegs identisch sein. M i t einer Anfechtungsklage kann der Bürger einen Eingriffsakt der Behörde abwehren, unter Umständen aber auch einen Anspruch verfolgen wollen, wenn das Gesetz z. B. unter gewissen Voraussetzungen einen unmittelbaren A n spruch auf bestimmte Rechte gewährt, deren Ausübung die Behörde durch einen versagenden Bescheid hindert. A u f der anderen Seite muß bei der Verpflichtungsklage die Behörde nicht — inhaltlich betrachtet — i n eine Verteidigerstellung gedrängt sein. Man denke etwa daran, daß der Bürger m i t der Klage eine grundrechtlich geschützte Erlaubnis begehrt 16 . Z u m anderen macht gerade die Existenz der Anfechtungsklage eine Besonderheit des Verwaltungsrechts deutlich: Die Verwaltung w i r d durch die Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten i n die Lage versetzt, sich ohne Gerichtsverfahren vollstreckbare Titel beschaffen zu können. Dies zwingt den betroffenen Bürger — w i l l er die Vollstrekkung abwenden — dazu, sich zur Wehr zu setzen und die Klägerposition einzunehmen. A l l e i n durch das Institut des Verwaltungsakts w i r d also die Rolle des Klägers von der Behörde auf den Bürger verschoben. Es bedarf i n diesem Zusammenhang noch keines näheren Eingehens auf die — letztlich verfassungsrechtlichen — Erwägungen, die es verbieten, dem Bürger die Beweislast deshalb aufzuerlegen, weil er m i t einer Anfechtungsklage auf einen i h n belastenden Verwaltungsakt reagiert. Jedenfalls läßt sich feststellen, daß mit der Rechtsfigur des vollstreckbaren Verwaltungsakts eine bestimmte Beweislastverteilung nicht beabsichtigt war. Seine Funktion besteht vielmehr darin, der Verwaltung ein besonders effizientes Mittel für i h r Handeln zur Verfügung zu stellen 1 7 . Hinzu kommt, daß es von Zufälligkeiten abhängen kann, ob der Bürger Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage erheben muß. So ist z. B. nach § 7 PaßG der Paß unter bestimmten Voraussetzungen zu versagen, während gemäß § 8 PaßG ein Paß dem Inhaber unter den entsprechenden Umständen entzogen werden kann. Kann tatsächlich von Bedeutung sein, ob der Inhaber m i t der Anfechtungsklage gegen die Entziehung seines Passes vorgeht oder ob der Paßbewerber m i t der Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Passes klagt 1 8 ? Außerdem steht es gelegentlich i m Belieben der Verwaltung, ob sie i n einem Verwaltungsprozeß als Kläger auftreten muß oder dem Büri« Vgl. Menger, Die Grundrechte III/2, S. 717, 732 ff., 747; ders., V e r w A r c h 49 (1958), S. 272 ff., 282 f. u Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht I , §46 I a, S.370f.; vgl. auch André , S. 213 f. i« Bsp. nach Engelhard, N J W 1956, S. 1377 ff., 1379; zust. Schneider, S. 276 f. Fn. 44; dazu das 3. K a p i t e l unter V 2 a.

I I . Das Normbegünstigungsprinzip

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ger diese Prozeßposition zugewiesen wird. So kann die Verwaltung z. B. eine zu Unrecht gewährte Subvention sowohl durch einen Rückforderungsbescheid als auch durch eine auf Rückzahlung gerichtete Klage einfordern 1 9 . Oder: Sie kann einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung eines Kassenfehlbetrages sowohl durch einen Verwaltungsakt (Erstattungsbescheid) als auch durch eine Leistungsklage geltend machen 20 . Erhebt die Verwaltung Klage, so w i r d — von speziellen Beweislastregeln einmal abgesehen — niemand auf den Gedanken kommen, sie von der Beweislast für die Tatsachen, aus denen sie den Erstattungsanspruch herleitet, zu befreien. Folgt man der These von der Beweislast des Anfechtungsklägers, so könnte sich die Verwaltung durch den Erlaß eines Leistungsbescheides der Beweislast entziehen. Das kann nicht rechtens sein. Und schließlich hängt es vom Ausgang des Vorverfahrens ab, ob die Rolle des Klägers dem Bürger oder der Verwaltung zufällt 2 1 . Diese Beispiele zeigen, daß die Beweislast i m Verwaltungsprozeß nicht nach der A r t der erhobenen Klage und der prozessualen Stellung der Parteien verteilt werden kann.

I I . Das Normbegünstigungsprinzip in Verbindung mit dem anzuwendenden Recht 1. Die Rechtsprechung

Betrachtet man die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Beweislastverteilung, so erkennt man eine starke Anlehnung an zivilrechtliche Beweislastregeln. Sie steht überwiegend auf dem Fundament des insbesondere von Rosenberg theoretisch begründeten sog. Normbegünstigungsprinzips (oder „Normentheorie"). Rosenberg unterscheidet zwischen rechts(anspruchs)begründenden oder -erzeugenden, rechts(anspruchs)hindernden, rechts(anspruchs) vernichtenden und rechtsausschließenden oder rechtshemmenden Normen 2 2 . Verbunden m i t dem Grundprinzip der Beweislastverteilung, das kurz formuliert lautet: „Jede Partei hat die Voraussetzungen der i h r günstigen Norm ( = derjenigen Norm, deren Rechtswirkung i h r zugute kommt) zu behaupten B V e r w G , U r t . v. 26.2.1965 — V I I C 71.63 —, B V e r w G E 20, 295 ff., 298. 2« BVerwG, U r t . v. 12.2.1971 — V I C 15.66 —, B V e r w G E 37, 192 ff., 193; vgl. zu diesem Problemkreis Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme i n der öffentlichrechtlichen A r b e i t , S. 21, 73, 113 m. zahlr. Nachw. 21 Vgl. z. B. für das Kriegsdienstverweigerungsverfahren: BVerwG, U r t . v . 3.10.1958 — V I I C 235.57 —, B V e r w G E 7, 242 ff., 250. 22 Die Beweislast, S. 100 f.

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2. Kap.: K r i t e r i e n der Beweislastverteilung

und zu beweisen" 23 , folgt daraus: Wer einen Anspruch geltend macht, trägt die Beweislast für die den Anspruch begründenden Tatsachen; wer die Aufhebung oder die Hemmung der Wirksamkeit eines A n spruchs geltend macht, trägt die Beweislast für die die Aufhebung oder Hemmung begründenden Tatsachen. Ob sich eine Norm als rechtshindernde Ausnahmenorm gegenüber einer rechtsbegründenden Regelnorm darstellt, w i r d durch die Fassung des Rechtssatzes zum Ausdruck gebracht, indem die Ausnahmenorm z. B. mit den Worten „es sei denn, daß", „ausgenommen", „ausgeschlossen" oder „dies gilt nicht" angegliedert w i r d 2 4 . I m Anschluß an diese — kurz skizzierte — „Normentheorie" lautet die mit geringen Abweichungen wiederkehrende Formel des Bundesverwaltungsgerichts: „Wer die Beweislast trägt, kann sich nur aus dem anzuwendenden Rechtssatz ergeben derart, daß die Unerweislichkeit der Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, zu ihren Lasten geht, es sei denn, daß das Gesetz selbst eine besondere Regelung t r i f f t 2 5 . " Das Bundesverwaltungsgericht sieht diese Grundregel als „allgemeinen Grundsatz" des Verwaltungsprozeß- und des Verwaltungsrechts 26 bzw. als „allgemeinen Rechtsgrundsatz" 27 an, ohne darin allerdings ein abschließendes Verteilungskriterium zu erblicken 28 . Die folgenden Beispiele sollen zeigen, wie die Rechtsprechung diesen Grundsatz i n der Praxis anwendet. I n dem Beschluß vom 25. Februar 1955 stellt das OVG Münster 2 9 allgemein fest, daß auch i n der Verwaltungsgerichtsbarkeit der für die 23 Rosenberg, S. 98 f. 24 Rosenberg, S. 126 f. 25 BVerwG, U r t . v. 23.5.1962 — V I C 39.60 —, B V e r w G E 14, 181 ff., 186 f.; U r t . v. 19. 2.1964 — V I C 107.61 —, B V e r w G E 18, 66 ff., 71; Urt. v. 25. 3.1964 — V I C 150.62 —, B V e r w G E 18, 168 ff., 171; Beschl. v. 18.12.1972 — V B 20.72 —, Buchholz 424.01 § 36 F l u r b G Nr. 3; O V G Münster, Beschl. v. 25.2. 1955 — V I B 954/53 —, OVGE 10, 12 ff., 16; Beschl. v. 6. 6.1969 — I V B 202/ 69 —, OVGE 25, 63 ff., 64 u n d öfter. F ü r den Sozialgerichtsprozeß grdl. BSGE 6, 70 ff., 72 ff. 2« z.B. U r t . v. 31.10.1968 — V I I I C 97.67 —, B V e r w G E 30, 358 ff., 360 u n d 361. 27 U r t v. 6.2.1975 — H C 68.73 —, B V e r w G E 47, 330 ff., 339; Beschl. v. 26. 3. 1975 — H C 11.74 —, B V e r w G E 47, 365 ff., 375; U r t . v. 27.11.1980 — 2 C 38.79 —, B V e r w G E 61, 176 ff., 189. 28 Vgl. etwa B V e r w G , U r t . v. 19. 9.1969 — I V C 18.67 —, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 25: Das Normbegünstigungsprinzip sei neben (!) dem Regel-Ausnahme-Verhältnis u n d der größeren Beweisnähe ein H i l f s m i t t e l der Beweislastverteilung. 29 V I B 954/53, OVGE 10, 12 ff., 16. Die Entscheidung beruht nicht auf der Beweislast; die Auffassung Engelhards, N J W 1956, S. 1377 ff., 1379, u n d Ruckriegels, D Ö V 1958, S. 531 ff., 535, das Gericht spreche sich für eine Beweislastverteilung nach der Klageart aus, geht offensichtlich fehl. Vgl. zu dem Beschluß noch Auer, S. 91; Schwindel, S.210f. Wenn es i n Entscheidun-

I I . Das Normbegünstigungsprinzip

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Zivilgerichtsbarkeit entwickelte Grundsatz gelte: „Jede Partei trägt die Beweislast für das Vorhandensein aller (auch der negativen) Voraussetzungen derjenigen Normen, ohne deren Anwendung i h r Prozeßbegehren keinen Erfolg haben kann." Dieser Grundsatz bedeute i m Verwaltungsstreitverfahren, daß der Kläger mit seiner Anfechtungsklage Erfolg habe, wenn sich die den Verwaltungsakt rechtfertigenden Tatsachen nicht ermitteln ließen, er mit seiner Vornahmeklage hingegen unterliege, wenn die Tatsachen, aus denen er seinen Anspruch herleite, sich nicht erweisen ließen. Damit ist eine erste Einteilung getroffen. Die tatsächlichen Voraussetzungen belastenden Verwaltungshandelns gehören grundsätzlich zum Aufklärungsrisiko der Behörde, diejenigen begünstigender Verwaltungsentscheidungen zum Risiko des Anspruchstellers. a) Belastende

Verwaltungsentscheidungen

Macht die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr von der ihr gemäß § 23 Abs. 3 GüKG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch, einen Anspruch des Unternehmers auf Nachzahlung eines tarifwidrig und vorsätzlich zu niedrig berechneten Frachtentgelts auf sich überzuleiten, so trägt sie die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der angefochtenen Überleitungsverfügung 30. Die Behörde trägt die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Ordnungsverfügung gemäß § 19 OBG 3 1 und der Rechtmäßigkeit einer auf § 19 pr. WassG gestützten belastenden Verfügung 3 2 . Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften trägt bei einer Indizierungsentscheidung gemäß § 1 GjS die Beweislast dafür, daß die streitige Druckschrift nicht i. S. des § 1 Abs. 2 Nr. 2 GjS (sog. Kunstvorbehalt) von der Indizierung ausgenommen ist, da der fehlende Kunstrang Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Indizierung sei 33 . Fordert die Verwaltung überzahltes Wohngeld zurück, so hat sie die Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzung, daß der Empfänger die gen heißt, der Kläger (Beklagte) trage die Beweislast u n d dies m i t dem angewandten Recht begründet w i r d , ist es natürlich unsinnig, daraus eine V e r teilung nach Parteirolle oder Klageart zu folgern. Die Bezeichnung des Beweisbelasteten k n ü p f t n u r äußerlich an die Stellung i m entscheidenden V e r fahren — u n d das ist der Prozeß — an. so O V G Münster, Besch, v. 5.2.1957 — V I I A 329/56 —, OVGE 12, 128 ff., 130 f. Zudem habe die Maßnahme nach § 23 Abs. 3 G ü K G Strafcharakter, so daß der Grundsatz „ i n dubio pro reo" Berücksichtigung fordere. 81 O V G Münster, U r t . v. 19.12.1958 — I I A 563/56 —, OVGE 14, 265 ff., 270. 32 BVerwG, U r t . v. 25. 3.1960 — I V C 403.59 / B 313.59 —, DVB1. 1960, S. 489. 33 O V G Münster, Beschl. v. 6. 6.1969 — I V B 202/69 —, OVGE 25, 63 ff., 64 f. unter ausdrücklicher Berufung auf das Normbegünstigungsprinzip.

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2. Kap.: K r i t e r i e n der Beweislastverteilung

ungerechtfertigte Wohngeldgewährung zu vertreten hat (§31 Abs. 1 2. WoGG) 3 4 . W i l l die Verwaltung eine Ostrente gemäß § 160 BBG (a. F.) auf andere Versorgungsbezüge des Beamten anrechnen, trägt sie für die tatsächlichen Voraussetzungen die Beweislast 35 . b) Ansprüche gegen Träger öffentlicher

Gewalt

Verfolgt der Bürger hingegen Ansprüche gegen die Verwaltung, dann liegt das Aufklärungsrisiko für die anspruchsbegründenden Umstände bei ihm. Dem Kläger, der Gewährung von Hausratentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz beansprucht, fällt der fehlende Nachweis für die rechtsbegründenden Tatsachen zur Last 3 6 . Bei einer Klage auf Gewährung von Wiedergutmachung nach dem BWGöD trägt der Kläger die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen. Allerdings kommt i n den Fällen eines Beweisnotstandes eine Beweiserleichterung i n Betracht, so daß zum Beweis schon eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit" ausreicht 37 . „Es geht zu Lasten des Klägers (der eine Entschädigung nach dem Impfschädengesetz des Landes NW begehrte), daß die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen seinem Körperschaden und der Pockenschutzimpfung nicht festgestellt werden kann; denn eine Impfentschädigung kann i h m nur dann gewährt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen 3 8 ." Zu den Anspruchsvoraussetzungen für eine Bescheinigung nach dem Häftlingshilfegesetz (§ 10 Abs. 4 HHG) gehört, daß der Antragsteller die politischen Gründe des Gewahrsams nach freiheitlich-demokratischer Auffassung nicht zu vertreten hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 HHG). Eine verbleibende Ungewißheit geht zu Lasten des Antragstellers; denn derjenige, der aus der Erfüllung der Voraussetzungen Rechte für sich ableitet, trägt den Nachteil der Nichtaufklärung 3 9 . 84 BVerwG, U r t . v. 11. 6.1975 — V I I I C 12.74 —, B V e r w G E 46, 336 ff., 343. 35 B V e r w G , U r t . v. 19.2.1964 — V I C 107.61 —, B V e r w G E 18, 66 ff., 71 f. 3« BVerwG, U r t . v. 10. 6.1955 — I V C 55.54 —, Buchholz 427.3 § 339 L A G Nr. 4; U r t . v. 13.5.1976 — I I I C 93.74 —, Buchholz 427.3 § 335 a L A G Nr. 57 (Kriegssachschaden am Grundvermögen). 37 BVerwG, U r t . v. 26. 8.1959 — V I I I C 12.59 —, D Ö V 1960, S. 27; U r t . v. 2.6.1960 — V I I I C 49.59 —, R i A 1961, S. 159 (Verfolgungsgrund nach § 1 B W GöD). 3® O V G Münster, U r t . v. 28.10.1959 — I I I A 216/58 —, OVGE 15, 170 ff., 179. 3» BVerwG, U r t . v. 10.5.1961 — V I I I C 118.60 —, B V e r w G E 12, 230 ff., 235.

I I . Das Normbegünstigungsprinzip

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Der Antragsteller, der Gewährung einer Subvention verlangt, hat die Beweislast dafür, daß die Voraussetzungen für das Bestehen seines Anspruchs vorliegen. Verlangt dagegen die Behörde den gezahlten Betrag zurück, so muß sie beweisen, daß der die Leistung rechtfertigende Grund fehlt 4 0 . Sozialhilfe kann verlangen, wer den notwendigen Lebensbedarf nicht aus eigenen Kräften und M i t t e l n beschaffen kann. Das Nichtvorhandensein von eigenen M i t t e l n gehört damit als negatives Tatbestandsmerkmal zu den anspruchsbegründenden Tatsachen; etwaige Zweifel gehen zu Lasten des Anspruchstellers 41 . Der Nothelfer, der Erstattung seiner Aufwendungen gemäß § 121 BSHG von dem Sozialhilfeträger verlangt, trägt die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen eines derartigen Anspruchs 42 . Der Beamtenbewerber, der sich auf eine Zusage beruft, trägt die Beweislast für deren Erteilung 4 3 . I m Rahmen der Zustandsfeststellung eines Grundstücks gemäß § 36 Abs. 2 FlurbG obliegt dem Anspruchsteller die Beweislast, wenn sich die Ursachen von Schäden, die bei oder nach Durchführung vorläufiger Anordnungen eintreten, nicht aufklären lassen 44 . Den Antragsteller, der eine Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle gemäß § 8 Abs. 1 HandwO begehrt, ohne die Meisterprüfung abgelegt zu haben, t r i f f t die Beweislast dafür, daß er die zur selbständigen Ausübung des Handwerks notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt 45 . Das Gericht begründet diese Beweislastverteilung mit dem Argument, bei einer Verpflichtungsklage habe der Kläger generell die anspruchsbegründenden Tatsachen zu belegen; außerdem sei i n § 8 Abs. 1 HandwO ausdrücklich bestimmt, daß der Antragsteller die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachweisen müsse. 40 BVerwG, U r t . v. 26.2.1965 — V I I C 71.63 —, B V e r w G E 20, 295 ff., 298 f. 41 BVerwG, U r t . v. 19. 5.1965 — V C 81.64 —, Buchholz 310 § 86 V w G O A n h . Beweislast Nr. 28 (zu §5 RGr); vgl. jetzt §11 Abs. 1 S. 1 B S H G u n d dazu B V e r w G , U r t . v. 2.6.1965 — V C 63.64 —, B V e r w G E 21, 208 ff., 213. U r t . v. 15.11.1967 — V C 71.67 —, B V e r w G E 28, 216 ff., 222 f.: Beweislast für A n spruchsvoraussetzungen der Blindenhilfe (§ 24 Abs. 2 BSHG) beim H i l f e suchenden. 42 BVerwG, U r t . v. 28. 3.1974 — V C 27.73 —, B V e r w G E 45, 131 ff., 132 f.; vgl. auch U r t . v. 22. 6.1978 — 5 C 17.77 —, B V e r w G E 56, 79 ff. 43 BVerwG, U r t . v. 19.1.1967 — V I C 73.64 —, B V e r w G E 26, 31 ff., 35. 44 BVerwG, Beschl. v. 18.12.1972 — V B 20.72 —, Buchholz 424.01 § 36 F l u r b G Nr. 3. 4« O V G Lüneburg, U r t . v. 15. 9.1972 — V I I O V G A 58/72 —, GewArch 1973, S. 65 ff., 67.

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2. Kap.: K r i t e r i e n der Beweislastverteilung

Der Unternehmer, der eine Bewilligung nach § 8 W H G begehrt, hat die gesetzlichen Voraussetzungen zu beweisen, also auch, daß i h m die Durchführung seines Vorhabens ohne eine gesicherte Rechtsstellung nicht zugemutet werden kann (§ 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WHG) 4 0 . Dem Wehrpflichtigen obliegt die Beweislast für alle Tatsachen, aus denen sich eine besondere Härte — also das Vorliegen eines Zurückstellungsgrundes gemäß § 12 Abs. 4 WPflG — ergibt 4 7 . Zur Beweislast bei der Einstellung von Beamtenbewerbern i n den öffentlichen Dienst führt das Bundesverwaltungsgericht aus, daß der Dienstherr unterliegen müsse, wenn es nicht gelinge, Umstände darzut u n und festzustellen, aus denen sich hinreichende Zweifel an der Verfassungstreue des Bewerbers herleiten ließen. Habe der Dienstherr i m Einzelfall begründete Zweifel dargetan, so müsse der Bewerber diese zerstreuen. Hierfür trage er angesichts des Normbegünstigungsprinzips die Beweislast 48 . Der Asylbewerber trägt die Beweislast für die asylbegründenden Tatsachen. Angesichts des häufigen sachtypischen Beweisnotstandes hält das Gericht i n der Regel die Glaubhaftmachung hinsichtlich außerhalb des Gastlandes liegender Vorgänge für genügend, während für Vorgänge innerhalb des Gastlandes grundsätzlich der volle Nachweis zu fordern sei 49 . Der einzelne Student kann von der Studentenschaft durch Unterlassungsklage fordern, daß sie von der Wahrnehmung des allgemeinpolitischen Mandats abläßt. Nicht auszuräumende Zweifel, ob eine Meinungskundgabe hochschulbezogen oder allgemeinpolitisch ist, gehen zu Lasten des Studenten, der einen Verstoß gegen das Unterlassungsgebot behauptet 50 . 4« BVerwG, U r t . v. 29.1.1965 — I V C 61.64 —, B V e r w G E 20, 219 ff., 224 f. 47 BVerwG, U r t . v. 3. 7.1974 — V I I I C 98.73 —, B V e r w G E 45, 297 ff., 303 ff.; vgl. hierzu u n t e n S. 125 f. 48 BVerwG, U r t . v. 6.2.1975 — I I C 68.73 —, B V e r w G E 47, 330 ff., 338 f.; Beschl. v. 26. 3.1975 — I I C 11.74 —, B V e r w G E 47, 365 ff., 375; Urt. v. 27.11. 1980 — 2 C 38.79 —, B V e r w G E 61, 176 ff., 189. Ferner B a y V G H , U r t . v. 7.12. 1973 — Nr. 125 I I I 73 —, ZBR 1974, S. 136 ff., 138: Einstellungsvoraussetzungen als rechtsbegründende Tatsachen. Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 16.2.1978 — 5 C 33.76 —, DVB1.1978, S. 622 ff.: Bestehen begründete Zweifel daran, ob ein Träger der freien Jugendhilfe die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche A r b e i t bietet, so geht dies zu seinen Lasten, w e n n er staatliche Unterstützung begehrt (§ 9 Abs. 1 JWG). Ausführlich zu der Beweislast bei Einstellung i n den öffentlichen Dienst das 4. K a p i t e l unter I V 2 b. 4» BVerwG, U r t . v. 29.11.1977 — 1 C 33.71 —, DVB1. 1978, S. 883 ff., 885 m. A n m . Wollenschläger, DVB1. 1978, S. 885 f. Der Entscheidung des B V e r f G (E 52, 391 ff., 406 f.) w i r d m a n eine K r i t i k an dieser (materiellen) Beweislastverteilung nicht entnehmen können. Die Ausführungen des Gerichts beziehen sich offenbar auf die formelle Beweislast, wie der Zusammenhang m i t den Äußerungen zur Sachverhaltsermittlung ergibt.

I I . Das Normbegünstigungsprinzip

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Ficht ein Prüfling die Entscheidung über die erste juristische StaatsPrüfung an, weil nicht alle Prüfer i n die Zeugnisse über seinen Studiengang Einblick genommen hätten, so t r i f f t ihn das Aufklärungsrisiko 5 1 . c) Grund- und Gegennormen; Regel- und Ausnahmenormen; rechtsbegründende und rechtshindernde Merkmale Eine stärkere Differenzierung nach der Struktur der Rechtssätze w i r d i n den folgenden Entscheidungen deutlich. I m Rahmen der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes trägt die Beweislast für die Zugehörigkeit zum begünstigten Personenkreis gemäß § 1 BWGöD der Verpflichtungskläger; für einen Ausschließungsgrund (z. B. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2; 31 BWGöD) als Ausnahmetatbestand die sich darauf berufende Wiedergutmachungsbehörde; für Tatsachen, die trotz Bestehen eines Ausschließungsgrundes ausnahmsweise die Wiedergutmachung rechtfertigen (§ 8 Abs. 1 S. 2 BWGöD), der Verpflichtungskläger 52 . Das OVG Bremen entnimmt der Fassung des § 2 Abs. 1 S. 2 StVG 5 3 , daß die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen eine rechtshindernde Voraussetzung sei, deren Nichterweislichkeit zu Lasten der Behörde gehe, während dem Fahrerlaubnisbewerber die Beweislast für seine Befähigung obliege 54 . Die Behörde habe die Beweislast für die Ungeeignetheit sowohl bei der Entziehung (§ 4 Abs. 1 StVG, § 15 b StVZO) als auch bei der (Wieder-)Erteilung der Fahrerlaubnis (§ 15 c StVZO, § 2 Abs. 1 S. 2 StVG) 5 5 . Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 B V F G ist u. a. Voraussetzung für die Anerkennung als Sowjetzonenflüchtling, daß der Antragsteller geflüchtet ist, „ u m sich einer von i h m nicht zu vertretenden und durch die politischen Verhältnisse bedingten besonderen Zwangslage zu entziehen". Das Bunw BVerwG, Urt. v. 13.12.1979 — 7 C 58.78 —, N J W 1980, S. 2595 ff., 2597. BVerwG, U r t . v. 11. 7.1958 — V I I CB 132.57 —, DVB1. 1959, S. 66 f. «2 O V G Münster, Beschl. v. 19.10.1956 — V I B 183/55 —, D Ö V 1957, S. 91 f. Da das Gericht sich ausdrücklich auf das Normbegünstigungsprinzip bezieht, ist es abwegig, zu meinen, es wolle die Beweislast nach der Klageart verteilen; so aber Auer, S. 91. 63 „Die Erlaubnis . . . ist zu erteilen, w e n n der Nachsuchende seine Befähigung durch eine Prüfung . . . dargetan hat . . . u n d w e n n nicht Tatsachen v o r liegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er zum Führen von K r a f t f a h r zeugen ungeeignet ist." w U r t . v. 11.12.1962 — I V A 2/61, b B A 60/61 —, N J W 1963, S. 1076 ff., 1077; ebenso BVerwG, U r t . v. 18.3.1982 — 7 C 69.81 —, DÖV 1982, S. 853 ff., 854. w BVerwG, U r t . v. 29.1.1965 — V I I C 147.63 —, B V e r w G E 20, 229 ff., 230; U r t . v. 20.12.1963 — V I I C 103.62 —, DVB1. 1964, S. 438 ff., 440 = B V e r w G E 17, 342 ff. (unvollständig); U r t . v. 20.12.1963 — V I I C 30.63 —, B V e r w G E 17, 347 ff.; V G H Bad.-Württ., U r t . v. 21. 2.1978 — X 535/77 —, DÖV 1978, S. 450 f.

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2. Kap.: K r i t e r i e n der Beweislastverteilung

desverwaltungsgericht 56 sieht i n dem Nichtvertretenmüssen der Zwangslage ein rechtsbegründendes Merkmal, so daß die Beweislast den A n tragsteller treffe. Zur Begründung stützt sich das Gericht auf den Wortlaut der Regelung und das systematische Verhältnis zwischen den Absätzen 1 und 2 des § 3 BVFG. I n § 3 Abs. 1 B V F G werde der Personenkreis bezeichnet, dem das Gesetz die Eigenschaft als Sowjetzonenflüchtling zuerkenne. I n § 3 Abs. 2 B V F G werde dagegen ein Personenkreis abgegrenzt, der als Ausnahme von der allgemeinen Regelung i n § 3 Abs. 1 BVFG von der Anerkennung selbst dann ausgeschlossen sei, wenn er an sich die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 B V F G erfülle. Dieses für die rechtliche Beurteilung der (materiellen) Beweislast i n der Regel maßgebende Verhältnis von Regel und Ausnahme bestehe also nur zwischen den Absätzen 1 und 2 des § 3 BVFG, dagegen nicht innerhalb des § 3 Abs. 1 BVFG. Erweist sich als unaufklärbar, wann der von einer Untersagungsverfügung Betroffene die beanstandete Nutzung seines Grundstücks aufgenommen hat und ob er dementsprechend Bestandsschutz genießt, so geht das zu seinen Lasten 57 . Die Überlegung, daß die angefochtene Ordnungsverfügung eine belastende Verfügung sei und infolgedessen die beklagte Behörde die Beweislast für alles trage, was die Rechtmäßigkeit der Verfügung voraussetze, hält das Gericht für ergänzungsbedürftig. „ I m Verhältnis zwischen einer Beseitigungsverfügung und einem ihr entgegenstehenden Bestandsschutz hat, was die Beweislast anbetrifft, der Bestandsschutz rechtlich die Stellung eines ,Gegenrechtes 4 (d.h. einer »Einwendung 4 ): M i t dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes verteidigt der Betroffene eine (mittlerweile) materiell rechtswidrige Nutzung. Er leitet aus der Vergangenheit ein Recht ab, das es i h m ermöglicht, sich gegen ein Beseitigungsverlangen durchzusetzen, obgleich die beanstandete Nutzung (derzeit) materiell rechtswidrig ist und dies an sich für eine Untersagung ausreicht. Erweist sich i m Einzelfall als unaufklärbar, ob ein solches ,Gegenrecht' besteht, so geht das zu Lasten dessen, der dieses Recht für sich i n Anspruch nimmt 5 8 ." d) Gesetzesfassung

gegen

Gesetzeszweck?

Bei dem Versuch, die Beweislastregel auf diese Weise aus der Struktur des Rechtssatzes abzuleiten, ist die Rechtsprechung auf Schwierigkeiten gestoßen, die nicht ohne Widersprüchlichkeiten zu überwinden waren. 5« U r t . v. 28.1.1965 — V I I I C 293.63 —, B V e r w G E 20, 211 ff., 214 f.; vgl. dazu Michael, S. 91 ff. 57 BVerwG, U r t . v. 23.2.1979 — 4 C 86.76 —, N J W 1980, S. 252. 58 Ebd., S. 252; vgl. auch U r t . v. 24.6.1971 — I I I C 159.68 —, B V e r w G E 38, 241 ff., 242.

I I . Das Normbegünstigungsprinzip

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Ein instruktives Beispiel ist die Kontroverse zwischen verschiedenen Verwaltungsgerichten über die Beweislastverteilung i m Dienstunfallrecht Der Württ.-Bad. Verwaltungsgerichtshof 59 erlegt dem Dienstherrn eines Kriminalbeamten die Beweislast auf, wenn dieser einen Unfall erlitt, aber nicht feststeht, ob der Unfall sich i n Ausübung des Dienstes ereignete und daher als Dienstunfall i m Sinne der beamtenrechtlichen Bestimmungen anzusehen ist. Der Grund liege i m Zweck, den die Unfallfürsorgevorschriften verfolgten. Diese bestünden nicht nur i m Interesse des fürsorgeberechtigten Beamten, sondern auch i m Interesse des Dienstherrn und damit i m öffentlichen Interesse. Die Einsatzfreudigkeit eines Beamten würde nicht nur stark beeinträchtigt werden, wenn er befürchten müßte, i m Falle eines Dienstunfalls die finanziellen Auswirkungen tragen zu müssen, sondern auch dann, wenn die Gewährung der Unfallfürsorge von dem Vorliegen eines „restlosen Beweises" für die Eigenschaft eines Unfalls als Dienstunfall abhängig gemacht würde. Damit wäre der i n den Unfallfürsorgevorschriften liegende Schutz des Beamten stark entwertet. Ähnlich äußert sich das OVG Münster: „Können Zweifel daran, ob ein Dienstunfall vorliegt, nach dem gegenwärtigen Stande der ärztlichen Wissenschaft nicht ausgeräumt werden, ohne daß den Beamten an der Nichtaufklärbarkeit ein Verschulden t r i f f t und ohne daß er seine M i t w i r k u n g an der A u f klärung verweigert, und besteht eine — nicht nur ganz entfernte — Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen dienstlichem Ereignis und Körperschaden, so t r i f f t den Dienstherrn die Beweislast dafür, daß kein Dienstunfall vorliegt 6 0 ." Das Gericht hält das Normbegünstigungsprinzip i m Dienstunfallrecht für unanwendbar, da es mit Sinn und Zweck der Unfallfürsorge und der Fürsorgepflicht des Dienstherrn unvereinbar wäre und die Tatkraft des Beamten lähmen würde, wenn dieser m i t dem Nachteil der Ungewißheit belastet würde 6 1 . Demgegenüber t r i f f t nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts den Beamten die Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen, insonderheit für den Ursachenzusammenhang zwischen einem Dienstunfall und der späteren Dienstunfähigkeit 6 2 . Das Bundesverwal59 U r t e i l v. 3. 8.1950 — I I I 159/49 —, DVB1. 1951, S. 419. «o O V G Münster, Besch, v. 21.6.1957 — V I A 187/53 —, OVGE 12, 268 ff. (LS); Besch, v. 11.3.1960 — V I A 1212/58 —, N J W 1960, S. 1412 f.; k r i t . Deppe, S. 25 f.; Menger, V e r w A r c h 49 (1958), S. 272 ff., 281 ff.; Stich, Z B R 1958, S. 298 ff., 302 f.; ders., ZBR 1960, S. 291. O V G Münster, OVGE 12, 268 f f , 270 f.; a. A . OVG Koblenz, Urt. v. 10.11. 1959 — 2 C 31/58 —, DVB1. 1960, S. 175. «2 BVerwG, U r t . v. 23. 5.1962 — V I C 39.60 —, B V e r w G E 14, 181 ff.; i m U r t . v. 9.11.1960 — V I C 144.58 —, B V e r w G E 11, 229 ff., 231 w a r die Entscheidung offengeblieben; ferner U r t . v. 26. 6.1963 — V I C 157.60 Buchholz 232 § 135 B B G Nr. 12; U r t . v. 11.12.1963 — V I C 77.61 —, ZBR 1965, S. 20 ff., 22 (Kriegsunfallversorgung); B V e r w G , U r t . v. 11.6.1964 — H C 188.61 —, Buchholz 232

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2. Kap.: K r i t e r i e n der Beweislastverteilung

tungsgericht argumentiert so: Wer die Beweislast trage, könne sich nur aus dem anzuwendenden Rechtssatz i n Verbindung m i t dem Normbegünstigungsprinzip ergeben, sofern das Gesetz selbst keine besondere Regelung treffe. § 135 Abs. 3 BBG z. B. 6 3 bürde dem Dienstherrn die Beweislast dafür auf, daß ein der Ansteckung an bestimmten übertragbaren Krankheiten besonders ausgesetzter Beamter sich nicht i m Dienst angesteckt habe. Diese besondere Regelung zeige aber, daß es i m übrigen nach dem Willen des Gesetzgebers i m Dienstunfallrecht bei der Beweislast des Beamten für die die Unfallfürsorge begründenden Tatsachen bleibe. Das Anliegen, dem Beamten den Beweis zu erleichtern, sieht das Gericht durch die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises gewahrt und zieht darüber hinaus i n Erwägung, daß für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs aus dem Gedanken der Fürsorgepflicht statt einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ein geringerer Wahrscheinlichkeitsgrad genügen könnte 6 4 . Damit weist das Bundesverwaltungsgericht die auf den Sinn und Zweck der Dienstunfallfürsorge zielenden Argumente des OVG Münster zurück, weil diese Überlegungen i n der Fassung des Gesetzes keinen Niederschlag gefunden hätten. Andererseits mißt das Gericht i n seiner Wohngeldentscheidunif 5 dem Aufbau und Wortlaut der gesetzlichen Regelung keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Familienmitgliedern, die gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 des 2. WoGG 6 6 vom Familienhaushalt „vorübergehend abwesend" sind, w i r d gemäß § 22 Nr. 2 des 2. WoGG Wohngeld versagt. Läßt sich nicht aufklären, ob der Anspruchsteller nicht nur vorübergehend vom Familienhaushalt abwesend ist, so t r i f f t ihn die Beweislast 87 . Das Bundesverwaltungsgericht begründet diese Beweislastverteilung damit, daß die endgültige Lösung aus dem Familienverband als Anspruchsvoraussetzung und nicht als Ausschlußtatbestand verstanden werden müsse. Das Gericht legt dem Umstand, daß § 22 Nr. 2 2. WoGG nicht i m Ersten Teil des Gesetzes („Allgemeine Grundsätze"), sondern i m Dritten Teil („Ver§ 139 B B G Nr. 3; U r t . v. 21.10.1964 — V I C 132.61 —, Buchholz 232 § 135 B B G Nr. 22; Urt. v. 30.8.1966 — H C 16.63 —, Buchholz 232 §135 B B G Nr. 29 (Kriegsunfallversorgung); Beschl. v. 12.10.1972 — V I B 22.72 —, Buchholz 232 § 135 B B G Nr. 50; Urt. v. 22.10.1981 — 2 C 17.81 —, N J W 1982, S. 1893 f.; BayV G H , Urt. v. 13.1.1981 — Nr. 3 B 80 A . 1360 —, BayVBl. 1981, S. 304 f. (Gesetzeszweck, Dienstunfallvorschriften als Ausnahmeregelung). «3 Vgl. jetzt § 31 Abs. 3 BeamtVG. « 4 B V e r w G E 14, 181 ff., 186 f.; ablehnend zu einer M i l d e r u n g der Beweisanforderungen: B V e r w G , Beschl. v. 12.10.1972 — V I B 22.72 —, Buchholz 232 § 135 B B G Nr. 50; ferner das 2. Kapitel unter I X , Fn. 273. U r t . v. 16.1.1974 — V I I I C 117.72 —, B V e r w G E 44, 265 ff.