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German Pages 103 [88] Year 1940
Hamburger Rechtsstudien herausgegeben von Mitgliedern der Rechts- und Staatswissensdiaftlichen Fakultät der Hansischen Universität
Heft 38
Die Bciooiölaft unb bie Bciociöioüröigung im Derfidicrungsrcclit
(GIcidijcitig ein hritifchcr Beitrag 311m prima-facic-Beiocis)
von
Dr. iur. Werner Drefahl
I Hamburg Friederichsen, de Gruyter & Co. 1939
D. 18
Niemann & Moschlnskl, Hamburg 23, Kantstr.18
MEINEN LIEBEN ELTERN!
Inhaltsübersicht.
Seite
Einführung
11 I. H a u p t e i l : Die B e w e i s l a s t im
A. Die I. II. B. Die
Beweislast Beweislast Bedeutung Beweislast
Versicherungsrecht.
im allgemeinen und Beweiswürdigung der Beweislasttheorien im besonderen
-
Erster Abschnitt: G e f a h r t r a g u n g und Beweislast. I. Beweislast für das Vorliegen oder Fehlen der Gefahr 1. Grundsatz 2. Bei bedingter Gefahrtragung a) Regelfall b) Ausnahme II. Beweislast für vertragliche Gefahrbeschränkungen i." Möglichkeiten der Gefahrbeschränkung und ihre Bedeutung für die Beweislast a) Bestimmte Bezeichnung der übernommenen Gefahr . . . . b) Gefahrumstandsausschlußklauseln «) echte ß) unechte i . Die Beweislast in der See- und Transportversicherung . . . . a) Beweislast für den Versicherungsfall b) Gefahrbegriff in der See- und Transportversicherung . . . c) Beweislast . « ) Für die schuldhafte Herbeiführung des Versidierungsfalls. ß) Für Beschaifenheitsschäden 3. Die Beweislast in der Personenversicherung a) Für den Selbstmord in der Lebensversicherung b) Für die Selbstverstümmelung in der Unfallversicherung . . « ) Nach dem Gesetz ß) Nach den Unfall-AVB c) In der mit der Lebensversicherung verbundenen Unfalltodesversicherung Zweiter Abschnitt: Interesse und Beweislast. A. Der Begriff des Interesses B. Beweislast für das Vorliegen des Interesses I. Grundsatz II. Die Beweislast bei mangelndem Interesse 1. Für die Entschädigungspflicht des Versicherers 2. Für die Prämienzahlungspflicht des Versicherungsnehmers . . . a) Die Beweislast, wenn das Interesse von Anfang an gefehlt hat.
13 13 14 15
15 15 15 15 16 18 18 18 18 18 19 21 21 24 25 25 25 26 26 26 27 27 28
29 30 30 30 30 31 31
8 Seite aa) nach dem V V G 31 a ) Grundsatz 31. ß ) Für die Kenntnis, daß es an einem Interesse fehlt, des Versicherungsnehmers und 31 y ) wie ß des Versicherers 31 bb) nach den ADS 32 ß) im Fall des § 2 Abs. 2 ADS 32 ß) im Fall des § 2 Abs. 2 (Nachsatz) ADS 32 y ) des § 3 Abs. i ADS 32 d1) des § 3 Abs. i ADS 32 b) Die Beweislast, wenn das Interesse zwischen formellem und materiellem Beginn der Versicherung weggefallen ist . . . . 33 aa) Grundsatz 33 bb) Ausnahme in den ADS 34 c) Die Beweislast, wenn das Interesse nach dem materiellen Beginn der Versicherung weggefallen ist 34 III. Die Beweislast für das Interesse in besonderen Fällen 1. In der Versicherung für Rechnung wen es angeht 2. Bei der Klausel für behaltene Ankunft 3. a) Bei der Interessenbeweisklausel b) Verhältnis zur Auskunfts- und Belegpflicht « ) Die Auskunfts- und Belegpflicht ß) Beweislastbefreiung nur von der Belegpflicht, nicht von der Auskunftspflidit C. Die Beweislast für den Versicherungswert I. Der Begriff des Versicherungswertes II. Die Beweislast 1. Grundsatz 2. Bei einer Taxvereinbarung
35 35 35 36 36 36 37 38 38 38 38 38
III. Die Beweislast bei der Unter-, Uber- und Doppelversicherung . . . 1. Bei der Uberversicherung a) Bei nicht unredlicher Absicht « ) in der Binnenversicherung ß) in der Seeversicherung b) Bei unredlicher Absicht 2. Bei der Unterversicherung 3. Bei der Doppelversicherung a) Bei nicht unredlicher Absicht b) Bei unredlicher Absicht 4. Unter- und Uberversicherung bei einer Taxvereinbarung . . . a) Bei der Unterversicherung b) Bei der Uberversidierung
39 39 39 39 40 40 41 41 41 4*2 42 42 43
IV. Die Ermittelung des Versicherungswertes feststellung im Sinne des § 287 ZPO
43
ist
nicht
Schadens-
Dritter Abschnitt: V e r s i c h e r u n g s d a u e r und Beweislast. I. Beweislast für die formelle, materielle und technische Versidierungsdauer II. Beweislast- und Beweiswürdigungsfragen in einzelnen Versicherungszweigen 1. In der Transportversicherung 2. In der Viehversicherung 3. In der Haftpflichtversicherung 4. In der Rückwärtsversidierung
43 44 44 44 45 46
9 Seite Vierter Abschnitt: Versicherungsort und Beweislast. I. D e r Begriff des Versicherungsortes u n d die grundsätzliche Beweislast. II. Die A b g r e n z u n g des Versicherungsortes v o n anderen versicherungsrechtlichen Begriffen u n d i h r e Bedeutung f ü r die Beweislast . . . . 1. Die Möglichkeiten der Beweislastverteilung 2. Begriffliche A b g r e n z u n g zwischen Versicherungsort u n d Obliegenheit Fünfter
48 48 48 50
Abschnitt:
Versicherungsschaden
und
Beweislast.
I. G r u n d s a t z II. A u s n a h m e
52 53 II. H a u p 11 e i 1:
Die B e w e i s w ü r d i g u n g im
Versicherungsrecht.
A. Allgemeiner Teil I. Einleitung II. Das Wesen der freien Beweiswürdigung 1. I m allgemeinen 2. W a h r h e i t s - oder Wahrscheinlichkeitsbeweis?
.
.
55 55 55 55 56
III. D e r prima-facie-Beweis 1. Überblick über die Entwicklung des prima-facie-Beweises . . . 2. D e r Begriff der typischen Geschehensabläufe a) Berücksichtigung eines Erfahrungssatzes b) Das Schrifttum u n d die u n t e r e n Instanzen zu den typischen Geschehensabläufen c) Das Reichsgericht zu den typischen Geschehensabläufen . « ) Kein typischer Geschehensablauf beim Indizienbeweis . . ß ) Kein typischer Geschehensablauf in allen Fällen der Berücksichtigung eines Erfahrungssatzes y) Kein typischer Geschehensablauf beim Beweis der Unfreiwilligkeit in der Unfallversicherung d) Die reichsgerichtliche Auffassung u n d ihre K r i t i k
65 6G
IV. D e r Wahrscheinlichkeitsbeweis 1. Wahrscheinlichkeit u n d Billigkeit a) Wahrscheinlichkeit b) Billigkeit 2. D e r Gegenbeweis 3. Zusammenfassung
68 68 69 70 74 76
B. Besonderer Teil
59 59 61 Gl 63 G4 64 G5
77 Erster
Versicherungsvertrag
Abschnitt: und
Beweiswürdigung.
I. V o r b e m e r k u n g II. Beweiswürdigung im alten Assekuranzprozeß III. Beweiswürdigung nach geltendem Recht 1. Versicherungsnehmerfreundliche Beweiswürdigung? . . . . . 2. Eine individualistisch zugunsten des Versicherungsnehmers eingestellte Beweiswürdigung ist abzulehnen
77 77 78 78 81
10 Seite Zweiter Abschnitt: Der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r als B e w e i s p f l i c h t i g e r . I. Der Beweis des Versicherungsfalls 1. Allgemein 2. In der See- und Transportversicherung 3. a) In der Unfallversicherung « ) Kritische Betrachtungen zu einzelnen Entscheidungen . ß ) Insbesondere der Beweis der Unfreiwilligkeit b) In der Einbruchdiebstahlversidierung II. Der Beweis der Schuldlosigkeit
.
83 83 84 85 85 87 90 92
Dritter Abschnitt: Der V e r s i c h e r e r als B e w e i s p f l i c h t i g e r . I. Der Beweis von Ausschlußklauseln 94 1. Allgemein 94 1. Der Beweis der schuldhaften Herbeiführung des Versicherungsfalls. 95 II. Der Beweis der arglistigen Täuschung 97 C. Schlußwort 100
Einführung. Schon ein flüchtiger Blick in die versicherungsrechtliche Rechtsprechung zeigt, welche überragende Rolle die Fragen der Beweislast und insbesondere der Beweiswürdigung im Versicherungsrecht spielen. Eine Fülle von Entscheidungen legt Zeugnis davon ab, wie häufig allein diese Fragen für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidend waren. Für das Versicherungsrecht kann diese Frage so schwerwiegend sein, weil hier meistenteils hohe Vermögenswerte auf dem Spiele stehen. Der Verlust eines solchen Rechtsstreits kann für den einzelnen unabsehbare Folgen haben, kommt doch nicht selten der Verlust eines Rechtsstreits einer völligen Existenzvernichtung gleich 1 . Es ist dies teilweise eine Folge des im deutschen Versicherungsrecht geltenden Alles-oder-Nichts-Pririzips 2 , das dem Richter die Möglichkeit einer Aufteilung des Schadens unter die Parteien, wie es beispielsweise das schwedische und schweizerische Versicherungsrecht vorsieht, versagt 3 . Der Gewinn des Rechtsstreits bedeutet daher nicht selten Wohlstand des einzelnen, der Verlust hingegen bittere Armut. In versicherungsrechtlichen Streitigkeiten sind Beweisgegenstand häufig Vorgänge, die sich ohne Augenzeugen abgespielt haben. Der dadurch erschwerten Beweisführung der beweispflichtigen Partei hat die Rechtsprechung dadurch Rechnung zu tragen versucht, daß sie in weitem Umfange den sogenannten Wahrscheinlichkeitsbeweis zugelassen hat. Neben Fragen der Beweislast soll daher im Mittelpunkt dieser Arbeit die wissenschaftliche Erfassung dieses Wahrscheinlichkeitsbeweises stehen, auf den die Gerichte im Interesse einer volksnahen und gerechten Rechtsprechung angewiesen sind. Die Arbeit ist bewußt nicht auf den prima-iaoie-Beweis beschränkt worden, weil dieser einen Unterfall des Wahrscheinlichkeitsbeweises darstellt. Das Reichsgericht ist zwar anderer Auffassung, 1 Vgl. die bei Möller Versicherungsrecht S. 3 gegebenen Beispiele: Einem Bauern brennen Haus und Hof ab oder einem Fischer geht sein Fischkutter unter. 2 In der grundlegenden Entscheidung vom 3. Juli 1936 J W 1936, 2978 durchbricht das R G diesen Grundsatz, soweit es sich um die Frage der arglistigen Täuschung durdi den Versicherungsnehmer bei der Schadensermittelung handelt. Trotz arglistiger Täuschung läßt das RG dort unter ganz bestimmten Umständen die Leistungspflicht des Versicherers in einem gewissen Umfange bestehen. Über die Unbilligkeit des Alles-oder-Nidits-Prinzips siehe Möller Summenschaden S. 135. Vgl. auch zu der angef. Entscheidung Prölß in J W 1936, 2980 Anm. 3 § 23 des schwedischen Gesetzes, Art. 43 Abs. 1 des Schweizer Obligationenrechts. Das nach diesen Gesetzen verwirklichte elastische Prinzip, nach welchem der Richter die Größe des Ersatzes bestimmt, hat jedoch auch seine großen Schattenseiten. Denn das vielleicht im Einzelfall erzielte gerechte Ergebnis ist durch den Verzicht auf jede Rechtssicherheit teuer erkauft (vgl. Möller Einzelschaden S. 129).
12 weil es den Wahrscheinlichkeitsbeweis auf den prima-facie-Beweis und zwar auf Fälle mit einem typischen Geschehensablauf beschränkt wissen will. Tatsächlich f ü h r t es aber diesen Grundsatz, wie wir sehen werden, selbst nicht streng durch. Auf die reichsgerichtliche Einstellung ist es zurückzuführen, d a ß es nur ein umfangreiches Schrifttum über den prima-facie-Beweis gibt und die übrigen Fälle des Wahrscheinlichkeitsbeweises stark vernachlässigt sind. Zum Teil ist diese stiefmütterliche Behandlung des Wahrscheinlichkeitsbeweises im weiteren Sinne auch darauf zurückzuführen, daß entgegen der reichsgerichtlichen Rechtsprechung allgemein alle Fälle eines Wahrscheinlichkeitsbeweises als primafacie-Beweis ¡bezeichnet worden sind. Soweit es sich um die Beweiswürdigung im Versicherungsrecht handelt, wird sich unsere Aufmerksamkeit insbesondere diesem W a h r scheinlichkeitsbeweis zuwenden.
15 oder eine reditshindernde Norm, deren Tatbestand der Gegner zu beweisen hat, stets einer genauen Analyse des gesetzlichen T a t bestandes12 w .
B. Die Beweislast im besonderen. 1. Abschnitt:
Gefahrtragung und Beweislast. I. Beweislast für das Vorliegen oder Fehlen der Gefahr, i. G r u n d s a t z . Wesentlicher Bestandteil eines jeden Versicherungsvertrages ist die Gefahrtragung durch den Versicherer, die in dem dauernden Bereitsein des Versicherers zu einer geldlichen oder geldeswerten Leistung im Fall einer Verursachung des Vermögensbedarfs durdi das vertraglich festgelegte Gefahrereignis besteht 14 . Ein wirksamer Versicherungsvertrag liegt mithin nicht vor, wenn die vertraglich übernommene Gefahr nicht vorhanden und der Eintritt des Versitherungsfalles daher unmöglich ist 15 . Wird in einem Einzelfall die Frage der Gefahr streitig, so hat derjenige, der aus dem Vorliegen oder dem Fehlen einer Gefahr Rechtsfolgen ableitet, den Beweis für das eine oder andere zu führen 16 . Dazu bedarf es des Vortrages der konkreten Tatsachen, aus denen das Bestehen oder Nichtbestehen der Gefahr abgeleitet werden soll. In der Regel wird es aber wohl kaum eines besonderen Beweises bedürfen, weil sich dies wohl meistenteils aus allgemeinen Erfahrungssätzen ergeben wird 16 . 2. B e i b e d i n g t e r
a)
Gefahrtragung.
Regelfall.
Wie jede Leistung kann auch die Gefahrtragung als Leistung des Versicherers von einer Bedingung abhängig gemadit werden 17 . Bei einer bedingten oder befristeten Gefahrtragung ergibt sich folgende Beweislastverteilung. Klagt der Versicherungsnehmer den Rosenberg S. 156. Vgl. zum Vorgehenden insbesondere Müser S. 7 ff. 14 Bruck S. 367. 1 5 Die Rechtslage ist dieselbe wie bei fehlendem Interesse (Bruck Anm. 4 zu § 68 V V G ) vgl. daher auch die Ausführungen zum fehlenden Interesse auf S. 30 ff., ebenso Kisch 2, 41. " Kisch 2, 40. 17 Vgl. Möller J R P V 1937, 211 und JRPV 1934, jo Anm. 13. Beispiel: Wenn der Versicherungsschutz erst mit der Zahlung der ersten Prämie eintritt, eine Bestimmung, die fast alle A V B enthalten, dann ist der Beginn der Gefahrtragung von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemadit. Vgl. auch S. 17 Anm. 27. 12
13
16 Entschädigungsanpruch ein und macht der verklagte Versicherer geltend, daß die Gefahrtragung unter einer aufschiebenden, noch nicht eingetretenen Bedingung vereinbart odier daß die Gefahrtragung bis auf einen noch nicht erreichten Anfangstermin aufgeschoben sei, so muß der Versicherungsnehmer beweisen, daß die Gefahrtragung so, wie er behauptet, also unbedingt und unbefristet geschlossen oder daß die Bedingung erfüllt oder der Anfangstermin erreicht ist 18 . Räumt dagegen der verklagte Versicherer die unbedingt und unbefristete Übernahme der Gefahrtragung ein und behauptet er, daß nachträglich eine aufschiebende Bedingung oder ein Anfangstermin vereinbart worden sei, so liegt der Beweis für diese Behauptung dem Versicherer ob 1 9 . Desgleichen muß der Versicherer den Beweis führen, wenn er gegenüber der Klage aus einer angeblich unbedingten und unbefristeten Gefahrtragung die Behauptung aufstellt, daß die Gefahrtragung unter einer auflösenden Bedingung vereinbart oder daß für die Dauer der Gefahrtragung ein Endtermin bestimmt sei und daß die Gefahrtragung durch den Eintritt der Bedingung oder des Endtermins wieder aufgehört habe 20 21 . b)
Ausnahme.
Bei der Vereinbarung einer bedingten Gefahrtragung ist insofern Vorsicht geboten, als solche Bedingungen unzulässig sind, wenn durch sie absolut oder relativ zwingende Bestimmungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers abbedungen werden. Wären solche Bedingungen unbeschränkt zulässig, könnten durch sie unschwer die zum Schutze des Versicherungsnehmers ergangenen Gesetzesbestimmungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers abbedungen werden. Denn es läßt sich jede Obliegenheit in die Form einer Bedingung kleiden. Für die Frage der Beweislast ist es nun von entscheidender Bedeutung, ob im Einzelfall eine zulässig vereinbarte Bedingung oder eine Obliegenheit gegeben ist. Handelt es sich um eine Bedingung, ist die Leistung des Versicherers allein davon abhängig, ob die Bedingung eingetreten ist oder nicht. Liegt dagegen eine Obliegenheit vor, muß selbst bei einem Verstoß gegen die Obliegenheit der Versicherer leisten, wenn der Verstoß dem Versicherungsnehmer nicht zum Verschulden gereicht oder für den Eintritt des Versicherungs18 R G Z 18, 157; 29, 119; 68, 307; 107, 405. J W 1902, 312; 1903, 47; 1919, 304. S A 11, N r . 203; 27, N r . 209; 28, N r . 2j6. Gruchot 29, 730; 51, 828. Soergel Anm. 8 Vorbem. § 158 ff. 19 R G Z 107, 405, Soergel Vorbem. § 158 ff, A n m . 8. 20 R G Z 28, 144, Leonhard S. 317, Soergel Vorbem. § 158 ff. A n m . 8. 2 1 Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, daß der ganze Versicherungsvertrag bedingt ist. In diesem Fall könnte nämlich der Versicherungsnehmer bei der Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung die gezahlten Prämien zurückverlangen, wenn die aufschiebende Bedingung nicht eingetreten ist (Vgl. Bruck Krankenversicherungsrecht S. 21). O b das auch zutrifft, wenn nur die Gefahrtragung bedingt ist, hängt davon ab, ob die Bedingung gleichzeitig auch für die Verpflichtung zur Zahlung der Prämie vereinbart ist. (Vgl. Möller J R P V 1937, 211 Anm. 18).
17
falls nicht ursächlich gewesen ist. Im Gegensatz zur Bedingung wird hier also noch die Frage des Verschuldens und der Ursächlichkeit bedeutungsvoll. Die Beweislast ist dann so verteilt, daß der Versicherer die Verletzung der Obliegenheit beweisen muß22, während es dann Sache des Versicherungsnehmers ist, den Beweis der Schuldlosigkeit und der fehlenden Ursächlichkeit zu führen 23 . Beispiele24 für solche unzulässigen Bestimmungen sind der § 2 Kranken A V B 2 5 über die Versicherungsfähigkeit und die in jüngster Zeit häufig erörterte Führerscheinklausel in der Kraftfahrzeugversicherung26 27 . Wird in der Krankenversicherung die Leistungspflicht des Versicherers davon abhängig gemacht, daß der Antragsteller bei Abschluß des Vertrages gesund sein müsse, so ist diese Regelung angesichts der relativ zwingenden §§ 16 ff. W G nicht möglich, da es sich um einen Umstand handelt, der der vorvertraglichen Anzeigepflicht unterliegt28. Ebenso handelt es sich um eine Obliegenheit, wenn Versicherungsschutz nur dann gewährt wird, wenn der berechtigte Fahrer des Kraftfahrzeuges bei Eintritt des Schadens den zur Führung des Fahrzeuges vorgeschriebenen Führerschein hatte. Denn eint Obliegenheit liegt immer dann vor, wenn dem Versicherungsnehmer ein Verhalten im eigenen Interesse zur Erhaltung des Anspruchs auferlegt wird 29 . Das dem Versicherungsnehmer bei der Führerscheinklausel auferlegte Verhalten besteht darin, ohne vorgeschriebenen Führerschein das Kraftfahrzeug weder selbst zu lenken noch lenken zu lassen30. 22 Bruck A n m . 8 zu § 6 V V G , Prölß Anm. 14 zu § 6 V V G , R G Z J R P V 1 9 2 7 , 40, O L G Jena 1 4 . 7 . 1 9 0 9 , 9$6, O L G Hamburg 2 1 . 6 . 1 9 1 1 L Z 1 9 1 2 , 247. Anders R O H G 2, 2 4 7 ; i i , 1 3 2 . 23 Bruck Anm. 8 zu § 6 V V G , Prölß Anm. 14 zu § 6 V V G , R G Z 30. 5. 1924 V A 1926, 1 5 0 N r . 1499, 18. 1. 1 9 2 7 J R P V 1927, 40, J R P V 1926, 206, V A 1927 N r . 1698. 24 Weitere Beispiele enthalten auch noch die Einbruchdiebstahl- und die Juwelen-Versicherungs-AVB. Vgl. im einzelnen S. 48. 26
Abgedruckt bei Prölß S. 3 1 7 .
26
§ 3 Kraftfahrzeug A V B , abgedruckt bei Prölß, 279.
27
Wenn eine zulässig vereinbarte Bedingung vorläge, wäre nur die Gefahrtragung bedingt (ebenso Möller J R P V 1937, 2 1 1 ) . Anders Bruck Krankenversicherungsrecht S. 2 1 , der den ganzen Vertrag für bedingt ansieht. 28 Möller J R P V 1937, 209 ff., Prölß S. 319. Möller will auch die Bestimmung, daß sich der Versicherungsnehmer in dem Versicherungsbezirk aufhalten müsse, als eine Obliegenheit aufgefaßt wissen. Anderer Ansicht ist Bruck Krankenversicherungsrecht S. 21 und Prölß S. 3 1 9 . 29 30
Möller VersPraxis 193$, 47.
So Möller J R P V 1934, 51 mit eingehender Begründung, ebenso R G 2 1 . 10. 1 9 3 2 J R P V 1 9 3 2 , 342, vgl. auch Lebrecht J R P V 1932, 320. Neuerdings R G anders. A . A . Prölß S. 280, nach welchem die Führerscheinklausel eine objektive Risikobeschränkung ist. Nach ihm ist es belanglos, ob den Versicherungsnehmer ein Verschulden trifft oder nicht. Ebenso K G J R P V 1 9 3 1 , 303. 2
18 II. Beweislast für vertragliche Gefahrbeschränkungen. i. M ö g l i c h k e i t e n der G e f a h r b e s c h r ä n k u n g undi ihre B e d e u t u n g f ü r die B e w e i s l a s t . Der Mensch selbst und sein Vermögen sind einer Unzahl von Gefahren ausgesetzt. Versicherungstechnik und ein sicherer Aufbau der Versicherung verlangen daher vom Versicherer eine Einschränkung dieser unübersehbaren Gefahrumstände31. Für die Frage der Beweislast ist es von entscheidender Bedeutung, welchen Weg dier Versicherer dabei einschlägt. Zwischen zwei Möglichkeiten hat er die Auswahl. Er kann entweder die Gefahrtragung positiv auf eine einzige oder mehrere bestimmte Gefahren beschränken oder er kann aus der an sich übernommenen Gefahr einzelne Gefahrumstände ausschließen32. In der Praxis werden beide Wege nebeneinander beschritten. a) Bestimmte Bezeichnung der übernommenen Gefahr. Der einfachste Weg der Einschränkung der Gefahr liegt vor, wenn der Versicherer die Gefahr genau bezeichnet und dadurch alle übrigen Gefahren von vornherein von der Gefahrtragung ausschließt. Das ist der Fall, wenn beispielsweise der Versicherer nur die Feuersgefahr oder nur die Gefahr gegen Einbruchdiebstahl einzeln oder zusammen trägt. Wählt der Versicherer diesen Weg der Gefahreneinschränkung, trägt der Versicherungsnehmer die Beweislast dafür, daß der Bedarf durch die im Vertrag vom Versicherer übernommene Gefahr eingetreten ist. Das ergibt sich ohne weiteres aus der Tatsache, daß der Versicherungsnehmer für den Eintritt des Versicherungsfalls als Voraussetzung seines Entschädigungsanspruchs beweispflichtig ist. Denn dazu ist auch der Beweis gehörig, daß der Bedarf durch eine vertraglich übernommene Gefahr entstanden ist33. b)
Gefahmmstandsausschlußklausein, a) echte. Anders liegt die Beweislast, wenn der Versicherer aus der an sich übernommenen Gefahr einzelne Gefahrumstände ausschließt. Solche Bestimmungen, die Gefahrumstandsausschlußklauseln genannt werden34, sind dann gegeben, wenn ihr Inhalt eine Ausnahme von der grundsätzlich übernommenen Gefahrtragung darstellt. Ein Beispiel finden wir in der Feuerversicherung, wenn der Feuerversicherer nicht für Feuerschäden aufkommt, die in Erdbeben oder Kriegsereignissen ihre 31 Hier ist nur von der Beschränkung der Gefahr die Rede. Die Risikobesdiränkung kann daneben auch an die versicherte Beziehung und an den versicherten Schaden anknüpfen. (Möller VersPraxis 1935, 44). 32 Lötsdi S. 28, vgl. auch Möller J R P V 1934, 49. 38 Möller Versicherungsrecht S. 20, Lötsdi S. 36, Bruck S. 646, Ritter S. 48$. 34 Möller J R P V 1934, 49.
19 Ursache haben. Aus dem Grundsatz, daß der Versicherer für jeden durch Feuer entstandenen Schaden haften will, sind also bestimmte Fälle ausgenommen. Unrichtig ist die Beweislast dafür, daß der Inhalt dieser Klauseln nicht gegeben ist, dem Versicherungsnehmer mit der Begründung auferlegt worden, daß der Inhalt dieser Klauseln negative Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers sei35. Aus der Tatsache, daß die Gefahrumstandsausschlußklauseln der grundsätzlichen Regelung des Gefahrbegriffs als Ausnahmebestimmungen gegenübergestellt sind, ist nach allgemeiner Auffassung zu folgern, daß für deren Vorliegen derjenige beweispflichtig ist, der sich auf sie beruft. Das wird stets der Versicherer sein, da nur er allein an diesen Klauseln Interesse hat36. ß) unechte. Von den eben erörterten echten Ausschlußklauseln sind die sogenannten unechten oder nur klarstellenden37 Ausschlußklauseln zu unterscheiden. Die echten Aussdilußklauseln haben wir als Ausnahmebestimmungen gegenüber der grundsätzlichen Regelung der Gefahrtragung kennengelernt. Dieses Merkmal ist bei den klarstellenden Ausschlußklauseln nicht gegeben. Wie ihr Name schon sagt, sollen sie lediglich den Gefahrbegriff klarstellen, ohne daß sie als Ausnahme von der grundsätzlich geregelten Gefahrtragung anzusehen sind. Ob sich eine Bestimmung als Ausnahme darstellt, kann erst dann festgestellt werden, wenn Klarheit über die grundsätzliche Regelung der Gefahrtragung besteht. Soll daher im einzelnen Fall festgestellt werden, ob eine Bestimmung eine echte oder nur klarstellende Ausschlußklausel enthält, wird man sich erst fragen müssen, welche Gefahr der Versicherer grundsätzlich trägt. Die Entscheidung dieser Frage wird o f t dadurch erleichtert, daß solche klarstellenden Bestimmungen unmittelbar im Anschluß an die Begriffsbestimmung der zu tragenden Gefahr erörtert werden 38 . § i Feuer AVB 3 9 enthält beispielsweise für den Brand folgende Begriffsbestimmung: „Als Brand gilt ein Feuer, das ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder ihn verlassen hat und 36
Wilhelm S. 1 1 7 . Möller H a n s R G Z A 1929 Sp. 559, Ehrenberg S. $87, Bruck S. 646. Siehe audi R G 1 9 . 4 . 1 9 3 2 J R P V 1932, 1 5 0 = V A 1 9 3 2 N r . 2439. Dort heißt es: „Hätte der Bezugsberechtigte im Falle einer Risikobeschränkung die Beweislast, so trüge er die Gefahr einer nicht völligen Aufklärung des Unfalls und da ihm solche A u f klärung nadi der Natur der Sache nicht möglich ist, so hätte die Versicherung für den Versicherungsnehmer einen großen Teil ihres Wertes verloren." Diese Begründung ist allerdings weniger überzeugend, weil solche Gesichtspunkte nur bei der Beweiswürdigung, nicht aber bei der Beweislastverteilung zu berücksichtigen sind. 37 Diesen Ausdruck finden wir bei Möller Versicherungsrecht S. 20, R G j. 1 1 . 193 j J R P V 193 j , 3 7 3 spricht von einer „besonderen Hervorhebung", daß kein Versicherungsschutz bestände. 38 Darauf weist auch Möller Versicherungsrecht S. 20 hin. 39 Abgedruckt bei Prölß S. 169. 38
r
20 sich aus eigener K r a f t auszubreiten vermag. Sengschäden, die nicht durch einen Brand entstanden sind, sowie Schäden, die an den versicherten Sachen dadurch entstehen, daß sie einem Nutzfeuer oder der Wärme zur Bearbeitung oder zu sonstigen Zwecken ausgesetzt werden, fallen nicht unter den Versicherungsschutz." Dadurch ist also der Brandbegriff nach drei Seiten begrenzt: a) jeder Brand muß ein Feuer sein, b) das Feuer muß ohne bestimmungsgemäßen Herd entstanden sein, c) es muß sich aus eigener K r a f t auszubreiten vermögen. Schon aus dieser Begriffsbestimmung ergibt sich, daß Sengschäden, die nicht durch einen Brand entstanden sind, nicht ersatzpflichtig sind, ebensowenig wie Schäden, die an den versicherten Sachen dadurch entstehen, daß sie einem Nutzfeuer oder der Wärme zur Bearbeitung oder sonstigen Zwecken ausgesetzt waren. Es handelt sich daher offensichtlich nur um klarstellende Bestimmungen, wenn im Anschluß an den allgemeinen Gefahrbegriff noch ausgeführt wird, daß die erwähnten Fälle keinen Versicherungsschutz genießen. Da die klarstellenden Bestimmungen nichts anderes besagen, als was bereits aus der allgemeinen Begriffsbestimmung hervorgeht, schließt der Beweis für den Eintritt der vertraglich übernommenen Gefahr schon den Beweis ein, daß die in den klarstellenden Klauseln enthaltenen Tatbestände nicht gegeben sind. Dem Versicherungsnehmer als dem Beweispflichtigen für die Gefahrverwirklichung liegt daher auch die Beweislast hinsichtlich der klarstellenden Klauseln ob. Es ließe sich vielleicht die Ansicht vertreten, daß der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Beweislast für die in den klarstellenden Klauseln enthaltenen Tatsachen habe abnehmen wollen. Diese Absicht wäre jedoch vom Standpunkt des Versicherers aus gesehen widersinnig, da er sich damit einen kaum erbringbaren Beweis freiwillig auferlegen würde. Eine solche Absicht ist dem Versicherer um so weniger zu unterstellen, als der Beweis oftmals vom Versicherungsnehmer wesentlich leichter erbracht werden kann. Solche klarstellenden Ausschlußklauseln haben also lediglich den Zweclc der Verdeutlichung. Eine vertragliche Umkehrung der Beweislast ist in ihnen nicht zu erblicken40. Das gilt auch dann, wenn die klarstellenden Klauseln nicht unmittelbar im Anschluß an die Gefahrbestimmung erörtert werden. Ein Beispiel ist die Selbstmordklausel in der Unfallzusatzversicherung (Tod durch Unfall) zur Lebensversicherung. Es handelt sich um eine nur klarstellende Ausschlußklausel, weil nach der in den A V B gegebenen Begriffsbestimmung ein Unfall nur dann vorliegt, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet. Ein solches unfreiwilliges Ereignis ist aber nicht gegeben, wenn sich der Versicherte selbst entleibt hat. Der Beweis der Unfreiwilligkeit schließt daher den Beweis, daß kein Selbstmord vorliegt, ein. Dieses Ergebnis der Beweislastverteilung wird auch nicht dadurch geändert, 40
Ebenso RG j. n . 1935 SA 90 Nr. 71.
21 daß die Selbstmordklausel im Zusammenhang mit echten Ausschlußklauseln behandelt wird, für die der Versicherer beweispflichtig ist. „Die Ziffer 4 41 der besonderen Bedingungen bezweckt vielmehr nur, einzelne Unfall- und Todesarten, welche die Leistung aus der Unfallzusatzversicherung ausschließen, noch besonders hervorzuheben. Eine abweichende Regelung der Beweislast soll damit nicht getroffen werden 4 2 ". U m bei solchen klarstellenden Klauseln jeglichen Zweifel über die Frage der Beweislast auszuschließen, ist dem Versicherer dringend zu empfehlen, solche Klauseln nur im unmittelbaren Anschluß an die allgemeine Begriffsbestimmung der G e f a h r des betreffenden Versicherungszweiges zu behandeln, um schon durch die Anordnung eine scharfe Trennung von den echten Gefahrausschlußklauseln herbeizuführen 43 . 2. D i e B e w e i s l a s t in d e r S e e - u n d T r a n s p o r t v e r s i c h e r u n g . a) Beweislast für den
Versicherungsfall.
Schrifttum 44
Das pflegt zu sagen, daß die See- und Transportversicherung von dem Grundsatz der Universalität oder dem Grundsatz der Totalität der Gefahren beherrscht werde, während im übrigen Schadensversicherungsrecht der Grundsatz der Spezialität der Gefahren gelte. W ä r e das richtig, dann müßte der See- und Transportversicherer alle Gefahren tragen, die das versicherte Interesse während der Beförderung bedrohen. Demzufolge trüge mithin der Versicherte keine Beweislast hinsichtlich einer bestimmten Verursachung eines entstandenen Bedarfs. Er könnte sich darauf beschränken, einen Bedarf als Negation des Interesses nachzuweisen. Tatsächlich trägt der Transportversicherer aber nicht alle Gefahren. Der Binnenversicherer übernimmt nämlich nur die Transportgefahr und der Seeversicherer die Gefahren der Seeschiffahrt 45 . Unter die Transportgüterversicherung fallen also nicht Schäden, die selbst dann eingetreten wären, wenn die Güter keine Transportgüter gewesen wären 40 . Diese enthält die Selbstmordklausel neben anderen Klauseln. R G J . I I . 1935 J R P V 1935, 373 = S A 90, 141 N r . 71 ebenso R G . 6. 11. 1934 R G Z 1 4 j , 326 ohne nähere Begründung. 1 3 V g l . hierzu § 2 U n f a l l A V B der überschrieben ist „Unfallbegriff. Grenzf ä l l e " und wie f o l g t angeordnet ist: I. Unfallbegriff. II. i . A l s Unfälle gelten auch, a . . b . . . 2. A l s U n f ä l l e gelten nicht a . . . b . . . c . . . W e n n nach II. 1 b Wundinfektionen als U n f ä l l e gelten, bei denen der Ansteckungsstoff durdi eine Unfallverletzung in den Körper gelangt ist, dann ist hier der U n f a l l noch näher spezifiziert. D e r Versicherungsnehmer ist daher f ü r diesen besonderen Fall eines Unfalls beweispflichtig (vgl. R G Z 13$, 137). Es ist also nicht zu folgern, daß hier ein Gefahrenausschluß, w o f ü r der Versicherer beweispflichtig wäre, gegeben sei. 44 Bruck S. 371, Hagen S. 213, 214, Ritter S. 460, Lötsch S. 30. 45 Ebenso Möller C i f S. 8 i , derselbe Mitteilungen 1939, 65, Ritter S. 46$, Hagen S. 219, Lötsch S. 30, Sieveking S. 89. 4® Möller Mitteilungen 1939, 6 j . 41
42
22 Wenn aber der See- und Transportversicherer nur die Seeschiffahrts- und' die Transportgefahr trägt, dann ist damit die übernommene Gefahr, mag der Gefahrenkreis auch sehr weit gezogen sein, konkret bestimmt. Der Versicherte muß daher auch im Einzelfall beweisen, daß sich eine solche Gefahr verwirklicht hat. Nach der herrschenden Meinung47 braucht der Versicherte allerdings keinen Versicherungsfall nachzuweisen. Es soll vielmehr dem Versicherer der Beweis der negativen Tatsache abliegen, daß sich die Transportgefahren nicht verwirklicht haben. Dieses Ergebnis finden wir mit dem Grundsatz der Totalität, der Beweisnot48 des Versicherten, der Nichtzumucbarkeit49 eines soldien Beweises und Zweckmäßigkeitserwägungen50 begründet. Diese Begründungen können einer Kritik nicht standhalten. Der Grundsatz der Totalität kann diese Ansicht nicht stützen, weil, wie bereits ausgeführt ist, dieser in der See- und Transportversicherung keine Verwendung findet. Was die Begründung der Beweisnot des Versicherten und der Nichtzumutbarkeit angeht, so läßt sich allerdings nicht leugnen, daß der Beweis eines Versicherungsfalls auf ganz erhebliche Schwierigkeiten stoßen kann. Die versicherten Sachen befinden sich eigentlich niemals im Gewahrsam des Versicherten, so daß weder er selbst noch seine Leute über eine Schadensursache Angaben machen können. Überdies ist es eine Erfahrungstatsache, daß sich die Schadensereignisse ohne Augenzeugen abspielen, so daß die Gerichte häufig allein auf Sdilüsse angewiesen sind, die sich aus dem beschädigten Zustand des versicherten Gutes ergeben. Es ist aber nicht richtig, wenn mit diesen Gesichtspunkten eine Umkehrung der Beweislast begründet wird. Wie später noch zum Wahrscheinlichkeitsbeweis51 ausgeführt wird, ist eine solche Beweisnot nicht nur eine Besonderheit des Transportversicherungsrechts. Sie begegnet uns vielmehr auf allen Rechtsgebieten, ohne daß deswegen aber eine Umkehrung der Beweislast in Frage kommt. Eine solche Begründung kann auch schon deswegen nicht überzeugen, weil die gleiche Beweisnot für den Versicherer bestehen würde. Es ist aber auch bedenklich, wenn die Umkehrung der Beweislast mit Zweckmäßigkeitserwägungen begründet wird, weil die allermeisten während eines Transportes eingetretenen Schäden auf die Transportgefahren zurückzuführen sind, und es daher der zweckmäßigere Weg sein soll, statt den Versicherungsnehmer in allen Regelfällen mit einem positiven Beweis zu belasten, dem Versicherer für seltene Ausnahmefälle einen negativen Beweis aufzubürden. Die Frage der Beweislast würde auf eine zu unsicherere Grundlage 47 Möller Mitteilungen 1939, 66, derselbe Versicherungsredit S. 17, Ritter S. 463, 464 (sehr eingehend), Hagen S. 214, Lötsch S. 30. 48 Ritter S. 461. 49 Bruck S. 646. 50 Möller Mitteilungen 1939, 66. 51 Vgl. S. 68 ff.
23 gestellt werden, wenn allein schon Zweckmäßigkeitserwägungen und das seltene Vorkommen eines 'bestimmten Beweises beweislaständernde Wirkung haben sollen. Ein gerechtes und volksnahes Ergebnis wird im Einzelfall dann gefunden werden, wenn die Beweisnot und der Gedanke einer Ausnahmeerscheinung bei der Beweiswürdigung, nicht also bei der Beweislast, Berücksichtigung finden. Verfolgen wir daraufhin die Rechtsprechung, dann können wir feststellen, daß die Gerichte diesen Umständen vollauf Rechnung getragen haben. So heißt es beispielsweise, „es wird wohl selten möglich sein, genau anzugeben und nachzuweisen, daß die bei Beendigung des Transportes der versicherten Güter festgestellte Beschädigung gerade durch diesen oder jenen bestimmten Unfall herbeigeführt sei. Es würde deshalb dem den Versicherungsvertrag ganz besonders 'beherrschenden Prinzip von Treu und Glauben zuwiderlaufen, wenn der Versicherer bei Übernahme der Versicherung im Schadensfälle einen Beweis von der Strenge zu verlangen beabsichtigt hätte, wie ihn das Berufungsgericht für erforderlich erachtet"62. Das Reichsgericht deckt also die Ansicht des Berufungsgerichts, daß der Versicherte ibeweispflichtig ist und rügt nur eine Überspannung der Anforderungen an die Beweisführung. Mit Recht lehnt das Reichsgericht die Ansicht ab, die den Nachweis eines bestimmten Unfalls verlangt, denn ein solcher wird häufig nicht geführt werden können, und es ist nicht anzunehmen, daß diese schwer nachweisbaren Fälle von der Versicherung nicht miterfaßt werden sollten. In diesem Sinne äußern sich auch die Protokolle zu § 882 Abs. 2 Nr. 3 HGB 03 , wenn es dort heißt, der Versicherungsnehmer müsse jedenfalls die Gattung des Unfalls angeben. Sie legen also dem Versicherungsnehmer nicht den Beweis eines bestimmten Unfalls, sondern den irgendeines Unfalls auf 51 . Diese Auffassung der Protokolle wird noch weiter dadurch erhärtet, daß es an anderer Stelle heißt, der vom Versicherungsnehmer zu erbringende Beweis sei nicht „im strengen Sinn" auszulegen55. Zum Beweise eines Versicherungsfalls genügt es also, wenn ein Schaden bewiesen wird!, der seiner Natur nach56 auf eine Gefahr der Seeschiffahrt zurückzuführen ist. Der Beweis einer bestimmten Verursachung ist nicht erforderlich. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Versicherte nicht einen strengen Beweis in der "Weise zu erbringen hat, daß er den Unfall nach Zeit, Ort und Ursache nachweisen muß, sondern daß er seiner Beweispflicht genügt, wenn er Umstände dartun kann, aus welchen 62
RGZ HGZ
I89J, 7.
Siehe bei Ritter S. 461. So versteht audi Ritter S. 461 die Protokolle. 55 Siehe bei Ritter S. 461. 56 So O L G Hamburg H G Z 188S, 27 „Dazu bedarf es nicht immer der Bezeichnung des besonderen Unfalls, z. B., wenn die Natur des Schadens selbst es außer Zweifel stellt, daß die ursächliche Gefahr zu Lasten des Versicherers geht". Vgl. audi Hagen, Seeversidierungsrecht S. 25 m. w. N. 54
24 mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Verwirklichung einer Gefahr der Seeschiffahrt als Ursache des erlittenen Schadens geschlossen werden kann 57 . b) Gefahrbegriff
in der See- und
Transportversicherung.
Wie bereits ausgeführt ist, hängt die Frage, ab es sich im Einzelfall um eine echte oder nur klarstellende Ausschlußklausel handelt, von dem Gefahrbegriff des betreffenden Versicherungszweiges ab. Nach Hagen 58 soll die Transportgefahr und die Gefahr der Seeschiffahrt einen objektiven Inhalt haben. Er folgert dies einmal aus dem Begriff „der reinen Transportgefahr" und weiter aus der Tatsache, daß nach der gesetzlichen Regelung der Unfall nicht vom Versicherungsnehmer schuldhaft herbeigeführt sein dürfe. Folgerichtig kommt er daher zu dem Ergebnis, daß es sich bei der Frage des Verschuldens nicht um einen Einwand des Versicherers, sondern um eine wirkliche vertragliche Abgrenzung des versicherten Risikos handle 59 . Diese Ansicht ist abzulehnen. Sie wird ohne weiteres dadurch widerlegt, daß nach dem Gesetz und nach dem A D S die Leistungsfreiheit des Versicherers nur dann eintritt, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall schuldhaft herbeigeführt hat. Der Versicherer ist also leistungspflichtig, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall schuldlos oder andere Personen den Unfall schuldhaft oder schuldlos herbeigeführt haben. Tatsächlich trägt daher der Versicherer manche subjektiven Gefahrumstände. Andererseits liegt ein haftpflichtiges Schadensereignis nur dann vor, wenn die Seefahrt oder der Transport die nicht wegdenkbare Bedingung (condicio sine qua non) des eingetretenen Schadens ist00. Unter den Gefahrenbegriff der Transport- und Seeversicherung fallen daher nicht Schäden, die durch die natürliche Beschaffenheit der versicherten Güter entstanden sind. Denn es sind Schäden, die auch ohne den Transport und ohne die Seefahrt eingetreten wären, mithin Schäden, „die gewisse Güter gewöhnlich im regelmäßigen Verlauf der Dinge vermöge ihrer natürlichen Beschaffenheit erleiden" 61 . Sie werden daher auch von der Gefahrtragung nicht mit erfaßt 62 , ohne daß dies besonders erwähnt zu werden brauchte63. 57 Ebenso Sieveking S. 184, 185. H G Z 1875, 372, H G Z 1888, 27, H G Z 1880, 170, H G Z 1889 N r . 43, H G Z 1894, 19, H G Z 1896 N r . 86 u. a. 5S Hagen S. 219. 69 Es soll aber gleichwohl der Versicherer beweisen, daß der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall schuldhaft herbeigeführt habe. 60 Möller Mitteilungen S. 65. 61 R G Z 65, 171, H G Z 1894, 19, H G Z 1895, 161. 68 Ebenso H a n s O L G 28. 10. 1920 H G Z 1920, 290 und Möller C i f S. 88: „Neben den Gefahren der Seeschiffahrt bedrohen noch andere Gefahren das Güterinteresse. Unter ihnen ist die Beschaffenheitsgefahr von besonderer Bedeutung." Ähnlich Sieveking, Vorbem. zu § 821 H G B : „ § 821 H G B enthält nicht Ausnahmen von den Vorschriften des § 820 H G B , sondern hebt den Grundsatz der Seeversicherung hervor, daß der Versicherer nur für solche Schäden haftet, welche Folgen einer Gefahr der Seeschiffahrt sind. Es scheiden daher diejenigen Schäden aus dem Haftungsbereich aus, welche ihren Grund in einem Mangel der versicherten Sache
25 c) Beweislast. a) Für die schuldhafte Herbeiführung des Versicherungsfalls. Wenn, wie Hagen meint, der Begriff der Transport- und der Seeschiffahrtsgefahr objektiv wäre, und es sich daher bei der Frage des Verschuldens nicht um einen Einwand des Versicherers, sondern um eine wirkliche vertragliche Abgrenzung des versicherten Risikos handeln soll, dann müßte der Versicherungsnehmer beweisen, daß ihn keine Schuld trifft. Tatsächlich handelt es sich aber um einen echten Ge'fahrenausschluß, wenn, wie bereits ausgeführt ist, die vom Versicherungsnehmer ausgehenden subjektiv verschuldeten Gefahren aus dem großen Kreis der subjektiven Gefahrenumstände herausgenommen werden. Infolgedessen hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer ein Verschulden nachzuweisen64. ß) Für Beschaffenheitsschäden. Im Gegensatz zu der eben behandelten Klausel hat der Versicherungsnehmer zu beweisen, daß es sich im Einzelfall um keinen Beschaffenheitsschaden handelt, weil die Beschaffenheitsklausel einen unechten Ausschluß enthält. Einer solchen Bestimmung hätte es eigentlich nicht bedurft, weil die Beschaffenheitsschäden, wie bereits ausgeführt ist, ohnehin von der Gefahrtragung des Transport- und Seeversicherers nicht miterfaßt worden wären. Wenn es trotzdem f;eschehen ist65, so lediglich zum Zwecke der Klarstellung. Die Beweisast dieser Frage hängt schon unlöslich mit dem vom Versicherungsnehmer zu erbringenden Beweis zusammen, daß überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt. Der Beweis, daß sich im Einzelfall eine Gefahr der Seeschiffahrt oder die Transportgefahr verwirklicht hat, schließt schon begrifflich den Beweis ein, daß kein BeschafTenheitsschaden vorliegt 66 . haben oder welche auf den gewöhnlichen von einem U n f a l l unabhängigen Einwirkungen der Reise beruhen." Sollen solche Beschaffenheitsschäden unter den Versicherungsschutz fallen, bedarf es einer ausdrücklichen Bestimmung. So kommt es vor, daß Gefahren der Selbstentzündung in die Versicherung ausdrücklich einbezogen werden (vgl. Möller C i f S. 88, 99). 63 Ebenso Möller W u R 1931, 45. „ D i e Vorschriften der ersten Halbsätze der § § 1 3 1 Abs. 2 V V G , 821 Ziff. 3 H G B , 86 Abs. 1 A D S betr. das Nichteinstehen des Gütertransportversicherers für Beschaffenheitsschäden sind überflüssig, insbesondere keine Ausschlußklauseln." M Möller H a n s R G Z A 1929 Sp. $59. 05 V g l . § 131 W G , § 821 Ziff. 3 H G B , § 86 Abs. 1 A D S . 66 Im Ergebnis wohl ebenso Sieveking S. 28 Anm. 3, auch wohl Prölß Anm. 2 zu § 131 W S , wenn er hier v o n einer objektiven Risikobeschränkung spricht. A . A . Möller Mitteilungen 1939, 65, 66. Bruck S. 37, Ritter S. 1036, H G Z 1890, 150, O A G Lübeck S A 11 N r . 170. Desgleichen Behr S. $2, der unrichtig meint, daß es sich um einen richtigen Gefahrenausschluß handelt. A l s Begründung scheinen die Gegner den Grundsatz der Universalität der Gefahren, sowie die Beweisnot und die Nichtzumutbarkeit des Beweises für den Versicherungsnehmer anzusehen. Beide Gründe sind bereits widerlegt worden. — Zur Begründung könnte allenfalls noch angeführt werden, daß diese Klauseln nur aufgeführt sind, um dadurch eine Umkehrung der Beweislast zum Ausdruck zu bringen. D a s wäre jedoch unrichtig,
26 3. D i e B e w e i s l a s t in d e r P e r s o n e n v e r S i c h e r u n g . Die alte Rechtsprechung zum Beweis des Selbstmordes in der Unfall- und in der Lebensversicherung war uneinheitlich, so daß das Schrifttum häufiger Veranlassung hatte, sich mit diesen Beweislastfragen zu befassen67. Auch hier hat der Beweispflichtige mit kaum überwindlichen Beweisschwierigkeiten zu kämpfen, weil Augenzeugen in den seltensten Fällen vorhanden sind. Diese Beweisnot darf aber nicht dadurch überwunden werden, daß die Beweislastverteilung nach den Umständen des Einzelfalls vorgenommen wird 68 . Wie bereits mehrfach hervorgehoben wurde, steht die Beweislast ein für allemal fest, während es der Beweiswürdigung im Einzelfall überlassen bleiben muß, den Einzelumständen Rechnung zu tragen. Die heutige Rechtsprechung und das heutige Schrifttum stehen auf dem Standpunkt einer scharfen Trennung zwischen Beweislast und Beweiswürdigung69. Auch diese Beweislastfrage löst sich einfach über den Weg der echten und unechten Aussdilußklauseln.
a) Für den Selbstmord in der Lebensversicherung. In der Lebensversicherung ist die Selbstmordklausel der typische Fall einer editen Ausschlußklausel. Aus dem großen Kreis der den Tod eines Menschen herbeiführenden Gefahrumstände ist der der vorsätzlichen Herbeiführung durch den Versicherungsnehmer herausgenommen. Für das Vorliegen eines Selbstmordes ist daher der Versicherer beweispflichtig70.
b) Für die Selbstverstümmelung in der Unfallversicherung. In der Unfallversicherung hängt die Entscheidung von dem Unfallbegriff ab. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Unfallbegriff nach dem Gesetz und nach den A V B . wie zu den unechten Ausschlußklauseln in Ubereinstimmung mit dem Reichsgericht ausgeführt ist (vgl. S. 20). Diese Begründung scheint jedoch Ritter nicht einmal anführen zu wollen, denn er vertritt beispielsweise für die Franchise-Klausel (keine Haftung für die ersten 3 % ) die Ansicht, der Versicherungsnehmer müsse beweisen, daß der Schaden über 3 % hinausgehe, weil dieser für den Umfang des Schadens beweispflichtig sei (Ritter S. 581). Hier ist also auch nach Ritter eine Klausel gegeben, für deren Inhalt nicht der Versicherer, sondern der Versicherungsnehmer beweispflichtig ist. Wenn Ritter also ebenfalls auf dem hier vertretenen Standpunkt stände, daß der Versicherungsnehmer einen Unfall beweisen muß, müßte er entsprechend der Beweislast zur Franchise-Klausel gleichfalls dem Versicherungsnehmer die Beweislast dafür auferlegen, daß ein Beschaffenheitsschaden nicht vorliegt. 47
Das Schrifttum siehe bei Wilhelm S. 120 ff. Hanausek S. 43, vgl. die Kritik von Hagen ZVersWiss. 1 7 , 585. 69 Leonhard S. 1 ff., 100, Rosenberg S. 2 1 3 , 2 1 6 , 2 1 8 , Wilhelm S. 1 3 7 , vgl. auch S. 13. 70 Ebenso Möller H a n s R G Z A 1929, Sp. 559, Prölß Anm. $ zu § 169 V V G , Bruck Anm. 3 zu § 169 V V G , Gerhard-Hagen Anm. 4 zu § 169 V V G , BruckDörstling S. 156, Bruck S. ¿44 Anm. 7 2 , Framheim S. 68. A . A . Wilhelm S. 1 1 9 , 120, der den Versicherungsnehmer mit der Begründung für beweispflichtig hält, daß es sich um eine negative Voraussetzung handle. 68
27 a) Nadi dem Gesetz. Das Gesetz enthält zwar keine ausdrückliche Begriffsbestimmung. Daß aber die Unfreiwilligkeit der erlittenen Gesundheitsbeschädigung nicht zu den gesetzlichen Begriffsmerkmalen gehört, ergibt sich zweifelsfrei aus § 181 Abs. i Satz i V V G , in welchem von einem Unfall auch dann die Rede ist, wenn die Gesundheitsbeschädigung vorsätzlich vom Verletzten selbst herbeigeführt ist. Die Selbstmordklausel enthält mithin einen echten Gefahrenausschluß, für den der Versicherer beweispflichtig ist 71 .
ß ) Nach den Unfall-AVB. Nach den Unfall-AVB ist dagegen die Unfreiwilligkeit zum Tatbestandsmerkmal des Unfallbegriffs erhoben worden. Nach § 2 A V B liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet. Der Versicherungsnehmer muß daher beweisen, daß er die Gesundheitsbeschädigung unfreiwillig erlitten oder, was dem gleichkommt, daß er sie nicht selbst vorsätzlich herbeigeführt hat 72 . Durch die A V B ist mithin die gesetzliche Regelung der Beweislast abgeändert worden. Rechtliche Bedenken sind gegen eine solche vertragliche Abänderung der Beweislast nicht zu erheben, weil die gesetzlichen Bestimmungen über die Unfallversicherung vom Gesetzgeber nicht als unabdingbar bezeichnet sind73. Der Beweis der Unfreiwilligkeit kann im Einzelfall sehr schwierig sein. Das trifft insbesondere dann zu, wenn sich das Schadensereignis ohne Augenzeugen abgespielt hat. Das Reichsgericht hat daher in ständiger Rechtsprechung den Satz aufgestellt, daß in solchen Fällen die Anforderungen an die Beweisführung nicht überspannt werden dürfen, sofern nicht vom Versicherer der ernsthafte Verdacht eines Selbstmordes nachgewiesen ist74. Durch die in den A V B gegebene Begriffsbestimmung wird indes die Beweislast nur insoweit abgeändert, als es sich um die vorsätzliche Herbeiführung der Gesundheitsbeschädigung durch den Versicherungsnehmer handelt. Unberührt bleibt davon die gesetzliche Beweislast 71 Bruck Anm. 7 zu § 181 W G , Prölß Anm. 2 zu § 181 R G 6. 1 1 . 1934 R G Z 145, 327, R G 18. 2. 1938 J W 1938, 1 1 1 8 . A. A. Wilhelm S. 128 mit der Begründung, daß es sich um eine negative Voraussetzung handle. 72 Der Versicherungsnehmer braucht aber auch nicht mehr als einen Unfall, also nicht etwa audi die Ursache und den Verlauf des Unfalls zu beweisen (vgl. R G 19. 4. 1932 J R P V 1932, 150 = V A 1932 Nr. 2439). Heißt es in der Ohnmachtsklausel (§ 3 Ziff. 4 der Unfall AVB), daß Unfälle infolge von Ohnmachtsfällen von der Versicherung ausgeschlossen sind, es sei denn, daß die Ohnmacht durch einen Versicherungsfall hervorgerufen ist, dann genügt der Versicherungsnehmer zunächst seiner Beweispflicht, wenn er einen Unfall beweist. Sache des Versicherers ist es dann, zu beweisen, daß der Unfall durch einen Ohnmachtsanfall entstanden ist. Demgegenüber muß dann der Versicherungsnehmer nachweisen, daß die Ohnmacht durch einen Unfall hervorgerufen ist (vgl. die oben angeführte RGEntscheidung). 73 Vgl. die auf S. 88 Anm. 351 angeführten Entscheidungen. 71 Prölß Anm. 3 zu § 182 V V G , vgl. audi S. 87 ff. unter ß).
28 in den Fällen des § 1 8 1 Abs. i Satz z, Abs. z V V G , wenn in Frage steht, ob die Gesundheitsbeschädigung durch den bezugsberechtigten Dritten oder durch den Versicherungsnehmer, der die Versicherung gegen einem Andern zustoßende U n f ä l l e abgeschlossen hat, vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt ist. In diesen Fällen ist daher der Versicherer beweispflichtig 75 . c) In der mit der Lebensversicherung verbundenen U nfalltodesver Sicherung. In neuerer Zeit w i r d die Lebensversicherung häufig mit der Unfall-Todesversicherung derart verbunden, daß sich die f ü r die Lebensversicherung vereinbarte Versicherungssumme um einen bestimmten Betrag erhöht, wenn der T o d durch einen U n f a l l eingetreten ist. Umstritten ist die Frage der Beweislast, soweit es sich um die f ü r den Fall des Unfalltodes zu zahlende erhöhte Versicherungssumme handelt. Das H a n s O L G 7 6 verlangt vom Versicherten f ü r das Fälligwerden der erhöhten Versicherungssumme den Nachweis des Unfalltodes dann nicht, wenn feststehe, daß der Verstorbene keines natürlichen Todes gestorben sei. Es entspreche dem „Sinn des Vertrages", daß die einfache Versicherungssumme nur f ü r den Fall eines nicht auf ein gewaltsames Ereignis zurückführenden Todes vereinbart sei. K o m m e ein T o d dieser A r t nicht in Betracht, so stehe nur in Frage, ob Selbstmord vorliege und der Versicherer nichts oder ob U n f a l l vorliege und der Versicherer die erhöhte Versicherungssumme schulde. Könne der Versicherer Selbstmord nicht beweisen, müsse er die erhöhte V e r sicherungssumme zahlen. Das H a n s O L G unterscheidet mithin zwischen einem natürlichen und einem gewaltsamen T o d , wobei es unter einem gewaltsamen den T o d durch Selbstmord oder U n f a l l versteht. Die Ansicht des H a n s O L G ist abzulehnen. Sie verkennt, daß es sich um eine mit der Lebensversicherung verbundene zusätzliche Unfallversicherung handelt und daß die Voraussetzungen eines A n spruchs aus dieser andere sind, als die f ü r den Lebensversicherungsanspruch 77 . Nach den „Ergänzenden Bedingungen f ü r den T o d durch U n f a l l " liegt ein U n f a l l , der im Todesfalle die Erweiterung des V e r sicherungsanspruchs auf einen erhöhten Betrag bedingt, dann vor, „ w e n n der Versicherte unfreiwillig durch ein plötzlich von außen auf seinen K ö r p e r wirkendes Ereignis eine Körperbeschädigung erfährt und wenn dadurch sofort oder innerhalb von 30 Tagen nach dem U n f a l l als dessen unmittelbare Folge der T o d des Versicherten eintritt". Danach steht außer Z w e i f e l , daß der Rechtsnachfolger des Versicherungsnehmers oder der Bezugsberechtigte als Voraussetzung seines erweiterten Anspruchs das Vorliegen eines U n f a l l s in dem 75 76 77
R G 18. 2. 1938 J W 1938, 1 1 1 8 . HansOLG 15. 2. 1934 J R P V 1934, 166. Vgl. RG 18. 1 1 . 1932 H R R 1933 Nr. 498.
29 bezeichneten Sinn zu beweisen hat 78 . Diese Beweislast hat sich auch nicht dadurch verändert, daß die Unfall-Todes-Versicherung mit der Lebensversicherung verbunden ist. Denn die Unfallversicherung ist selbständig neben die Lebensversicherung getreten. Es ist nicht etwa eine neue Versicherung aus der Verbindung der beiden Versicherungen entstanden, was aber Voraussetzung wäre, wenn sich an den Anspruchsvoraussetzungen in den einzelnen Versicherungen etwas geändert haben sollte. Die Selbständigkeit der beiden Versicherungen kommt schon äußerlich dadurch zum Ausdruck, daß die beiden AVB unverändert nebeneinandergestellt und nicht zu einheitlichen Versicherungsbedingungen verarbeitet sind 79 . Auch ist die durch den gleichzeitigen Abschluß einer Unfallversicherung fällig werdende Zusatzprämie so gering, daß auch daraus entnommen werden kann, der Versicherer habe nur in ganz seltenen Fällen mit der Zahlung der erhöhten Versicherungssumme gerechnet. Das träfe aber nicht zu, wenn die Zweifelhaftigkeit, ob Unfall oder Selbstmord, immer zu Lasten des Versicherers ginge. Es ist also unrichtig, wenn das HansOLG bei einer Verbindung der beiden Versicherungen einen Unterschied machen will zwischen einem natürlichen und einem gewaltsamen Tod, der bei den einzelnen Versicherungen völlig bedeutungslos ist. Es hat bei der Beweislast zu verbleiben, die bei den einzelnen Versicherungen gilt. Der Versicherer ist im Rahmen der Lebensversicherung für den Selbstmord beweispflichtig, sofern er erreichen will, daß der Versicherungsanspruch abgewiesen wird. Soweit der Ansprucherhebende über den gewöhnlichen Betrag der Versicherungssumme hinaus auch den Unfallzusatzbetrag begehrt, ist der Anspruch davon abhängig, daß der Tod durch Unfall herbeigeführt ist, was vom Anspruchsteller nachgewiesen werden muß 80 . 2. A b s c h n i t t :
Interesse und Beweislast. A. Der Begriff des Interesses. Das Interesse, neben der Gefahr und dem Schaden ein Zentralbegriff der Versicherung, ist die Wertbeziehung einer Person zu einem 78 So das die Entscheidung des HansOLG aufhebende Reichsgerichtsurteil v. 6. N o v . 1934 R G Z 1 4 5 , 326, vgl. auch R G 13. Dez. 1927 J W 1928, $54 N r . 2. 79 Mit der Frage, ob es sich um zwei selbständige Versicherungen oder um eine einheitliche Versicherung handelt, hat sich in einem anderen Zusammenhang das RG-Urteil vom 18. 1 1 . 1 9 3 2 V A 1932, 297 N r . 2482 befaßt. Audi dort wird die Ansicht zweier selbständiger Versicherungen, die unabhängig voneinander nebeneinander bestehen, vertreten und damit die Ansicht des O L G Düsseldorf (Urteil vom 2 1 . April 1932. V A 1932, 239 N r . 2434), das einen einheitlichen Vertrag angenommen hatte, widerlegt. Auf die eingehend begründeten Urteile wird verwiesen. 80 Ebenso Drickes J R P V 1934, 310, Heilmann J R P V 1 9 3 $ , 22, Prölß Anm. 3 zu § 182, R G 6. N o v . 1934 R G Z 145, 326.
29 bezeichneten Sinn zu beweisen hat 78 . Diese Beweislast hat sich auch nicht dadurch verändert, daß die Unfall-Todes-Versicherung mit der Lebensversicherung verbunden ist. Denn die Unfallversicherung ist selbständig neben die Lebensversicherung getreten. Es ist nicht etwa eine neue Versicherung aus der Verbindung der beiden Versicherungen entstanden, was aber Voraussetzung wäre, wenn sich an den Anspruchsvoraussetzungen in den einzelnen Versicherungen etwas geändert haben sollte. Die Selbständigkeit der beiden Versicherungen kommt schon äußerlich dadurch zum Ausdruck, daß die beiden AVB unverändert nebeneinandergestellt und nicht zu einheitlichen Versicherungsbedingungen verarbeitet sind 79 . Auch ist die durch den gleichzeitigen Abschluß einer Unfallversicherung fällig werdende Zusatzprämie so gering, daß auch daraus entnommen werden kann, der Versicherer habe nur in ganz seltenen Fällen mit der Zahlung der erhöhten Versicherungssumme gerechnet. Das träfe aber nicht zu, wenn die Zweifelhaftigkeit, ob Unfall oder Selbstmord, immer zu Lasten des Versicherers ginge. Es ist also unrichtig, wenn das HansOLG bei einer Verbindung der beiden Versicherungen einen Unterschied machen will zwischen einem natürlichen und einem gewaltsamen Tod, der bei den einzelnen Versicherungen völlig bedeutungslos ist. Es hat bei der Beweislast zu verbleiben, die bei den einzelnen Versicherungen gilt. Der Versicherer ist im Rahmen der Lebensversicherung für den Selbstmord beweispflichtig, sofern er erreichen will, daß der Versicherungsanspruch abgewiesen wird. Soweit der Ansprucherhebende über den gewöhnlichen Betrag der Versicherungssumme hinaus auch den Unfallzusatzbetrag begehrt, ist der Anspruch davon abhängig, daß der Tod durch Unfall herbeigeführt ist, was vom Anspruchsteller nachgewiesen werden muß 80 . 2. A b s c h n i t t :
Interesse und Beweislast. A. Der Begriff des Interesses. Das Interesse, neben der Gefahr und dem Schaden ein Zentralbegriff der Versicherung, ist die Wertbeziehung einer Person zu einem 78 So das die Entscheidung des HansOLG aufhebende Reichsgerichtsurteil v. 6. N o v . 1934 R G Z 1 4 5 , 326, vgl. auch R G 13. Dez. 1927 J W 1928, $54 N r . 2. 79 Mit der Frage, ob es sich um zwei selbständige Versicherungen oder um eine einheitliche Versicherung handelt, hat sich in einem anderen Zusammenhang das RG-Urteil vom 18. 1 1 . 1 9 3 2 V A 1932, 297 N r . 2482 befaßt. Audi dort wird die Ansicht zweier selbständiger Versicherungen, die unabhängig voneinander nebeneinander bestehen, vertreten und damit die Ansicht des O L G Düsseldorf (Urteil vom 2 1 . April 1932. V A 1932, 239 N r . 2434), das einen einheitlichen Vertrag angenommen hatte, widerlegt. Auf die eingehend begründeten Urteile wird verwiesen. 80 Ebenso Drickes J R P V 1934, 310, Heilmann J R P V 1 9 3 $ , 22, Prölß Anm. 3 zu § 182, R G 6. N o v . 1934 R G Z 145, 326.
30 Gut 81 . Es wird daher durch die Bezeichnung des Gutes und der Person gekennzeichnet. Als weiteres Merkmal ist nodi die Art der Beziehung genannt worden. Darauf kann indes verzichtet werden, wenn das Gut genügend bestimmt ist82. Es ist denkbar, daß nur die beziehungsverknüpfte Person dem Interesse einen Wert beilegt. Man spricht dann von einem subjektiven Interesse. Davon zu unterscheiden ist der objektive Wert, unter welchem der Wert zu verstehen ist, den der Verkehr dem Interesse beilegt. Diese Unterscheidung ist insofern von Bedeutung, als ein Interesse nur versicherungsfähig ist, wenn es einen objektiven Wert besitzt 83 . Ein versidierbares Interesse liegt ferner dann nicht vor, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt 84 .
B. Die Beweislast für das Vorliegen des Interesses. I. Grundsatz. In der Interesseversicherung ist das Interesse wesentliches Merkmal eines jeden Versicherungsvertrages. Liegt daher dem Versicherungsvertrag kein oder kein versicherungsfähiges Interesse zugrunde, besteht kein wirksamer Vertrag 85 . Hinsichtlich der Frage der Beweislast kommt hier der allgemeine Beweisgrundsatz zur Anwendung, daß diejenige Partei, die aus einem Vertrage Rechte herleiten will, auch dessen Wirksamkeit zu beweisen hat. Da ein wirksamer Vertrag ohne Interesse nicht bestehen kann, schließt der Beweis eines wirksamen Vertrages den Nachweis ein, daß dem Vertrage ein versicherungsfähiges Interesse zugrunde liegt86. II. Die Beweislast bei mangelndem Interesse. i. F ü r d i e E n t s c h ä d i g u n g s p f l i c h t des Versicherers. Nach dem obigen Grundsatz hat der Versicherungsnehmer das Interesse zu beweisen, wenn er einen Entschädigungsanspruch gegen den Versicherer geltend macht. Fehlt es an einem Interesse, so muß sein Anspruch auch schon daran scheitern, daß er keinen ersatzfähigen Vermögensschaden, wofür er gleichfalls beweispflichtig ist, nachweisen kann. Denn ein solcher kann nur dann entstanden sein, wenn ein versicherungsfähiges Interesse gegeben war 87 . Möller Cif S. 35. Möller WuR 1931, 46, 47, derselbe Cif S. 56. Möller Cif S. $6. Uber das Verhältnis von Interesse und objektivem Wert siehe bei Bruck S. 479, 480. 84 Vgl. Bruck S. 48$, 49$, Kisch 3, 53. 86 So ausdrücklich § 2 ADS, vgl. aber auch Bruck S. 495 ff., Kisdi 3. 58, 219. 86 Bruck Anm. 11 zu § 68 V V G , Kisch 3, 219. 87 Bruck S. 49J, Kisch 3, 219. 81
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31 2. F ü r d i e P r ä m i e n z a h l u n g s p f l i c h t des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s . Soweit es sich um die Prämienzahlungspflicht handelt, ist für die Beweislast zwischen den Fällen, daß das Interesse von Anfang an gefehlt hat, dem Wegfall des Interesses nach dem formellen, aber vor dem materiellen Beginn der Versicherung und dem Interessewegfall nach dem materiellen Beginn der Versicherung zu unterscheiden. Ferner bestehen Abweichungen zwischen dem Binnen- und dem Seeversicherungsrecht. a) Die Beweislast, wenn das Interesse von Anfang an gefehlt hat. aa) Nach dem V V G . a) Grundsatz. Hat dem Vertrage niemals ein versicherungsfähiges Interesse zugrunde gelegen, entfällt grundsätzlich jeglicher Prämienanspruch des Versicherers, da ein wirksamer Versicherungsvertrag als rechtliche Grundlage dieses Anspruchs nicht vorhanden ist. Klagt der Versicherer auf Zahlung der Prämie, muß er nicht nur den äußerlichen Tatbestand des Abschlusses eines Versicherungsvertrages, sondern auch die materielle Wirksamkeit desselben beweisen88. An den Beweis dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden, weil Versicherungen ohne Interesse eine seltene Erscheinung sind und der Versicherungsnehmer in aller Regel das Interesse erheblich leichter zu beweisen vermag als der Versicherer89. ß) Für die Kenntnis, daß es an einem Interesse fehlt, des Versicherungsnehmers. Dieser Grundsatz ist durchbrochen, wenn der Versicherungsnehmer zur Zeit des Vertragsabschlusses gewußt hat, daß kein versicherungsfähiges Interesse vorhanden war. In diesem Fall wird dem Versicherer die Prämie zugebilligt bis zum Schluß der Versicherungsperiode, in welcher er die Kenntnis von der Unversicherbarkeit oder dem Fehlen des Interesses erlangt hat90. Die Kenntnis des Versicherungsnehmers ist Voraussetzung für den Prämienanspruch des Versicherers, so daß diesen die Beweislast trifft. y) Wie ß des Versicherers. Der Prämienanspruch des Versicherers entfällt jedoch dann wieder, wenn er selbst Kenntnis von dem mangelnden Interesse gehabt hat 91 . 88
Kisch 3, 219. Kisdi 3, 219, Anm. 6. Das gilt aber nur für den Versicherer, nicht für den einen in der Klagerolle befindlichen: Versicherungsnehmer. 90 Vgl. im einzelnen Bruck S. 49$, 496, Kisch 3, $8. " Bruck S. 495, Kisch 3, j8. 80
32 Die Beweislast f ü r die Kenntnis des Versicherers trägt der V e r sicherungsnehmer, da er den Prämienanspruch des Versicherers wieder vernichten will. F ü r einen solchen rechtsvernichtenden T a t bestand ist derjenige beweispflichtig, der sich auf ihn beruft, infolgedessen also der Versicherungsnehmer 9 2 93 . bb) N a c h den A D S . a) I m F a l l des § 2 Abs. 2 A D S . N a c h der ausdrücklichen k a n n der Versicherer trotz Fehlens eines versicherbaren der Prämie verlangen. D e r Versicherer braucht anspruchs nur den Abschluß nachzuweisen.
Regelung im § 2 Abs. 1 , Abs. 2 A D S U n w i r k s a m k e i t des Vertrages wegen Interesses grundsätzlich die Zahlung also zur Begründung seines Prämiendes formellen Versicherungsvertrages
ß ) I m F a l l des § 2 Abs. 2 (Nachsatz) A D S . Durchbrochen ist dieser Grundsatz, wenn der Versicherer G r u n d der U n w i r k s a m k e i t kannte (§ 2 Abs. 2 A D S ) . W i e aus Fassung des Gesetzes hervorgeht (. . . . es sei denn), handelt es hier um einen Ausnahmetatbestand. Beweispflichtig ist daher Versicherungsnehmer 9 4 .
den der sich der
y) Des § 3 Abs. 1 A D S . D e r Versicherungsnehmer ist weiter von der Verpflichtung zur Zahlung der Prämie frei, wenn er bei Schließung des Vertrages den G r u n d der U n w i r k s a m k e i t weder kannte, noch kennen mußte (§ 3 Abs. 1 A D S ) . I n diesem F a l l ist er allerdings nicht gänzlich leistungsfrei. E r hat eine Ristornogebühr zu entrichten (§ 3 Abs. 3 A D S ) . Auch f ü r diesen Sachverhalt ist der Versicherungsnehmer beweispflichtig, weil er damit eine rechtshindernde Tatsache geltend macht. Offensichtlich ist § 3 Abs. 1 A D S der grundsätzlichen Regelung des § 2 A D S als Ausnahme gegenübergestellt 95 . o) Des § 3 A b s . 2 A D S . D e r Versicherer kann aber trotzdem die volle Prämie verlangen, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer von der Kenntnis der U n w i r k s a m k e i t nicht unverzüglich Mitteilung gemacht hat oder 92 Diese Beweislastverteilung ergibt sich auch daraus, daß ein solcher Vertrag, in welchem beide Parteien von dem fehlenden Interesse Kenntnis haben, als sittenw i d r i g nichtig ist (§§ 1 3 4 , 1 3 8 B G B , siehe im einzelnen Bruck S. 4 9 J , Kisch 3, 58). F ü r die Unsittlichkeit eines Vertrages ist nach der herrschenden Ansicht diejenige Partei beweispflichtig, die sich darauf beruft (Rosenberg S. 1 7 0 ) . In dem v o r liegenden Fall beruft sich der Versicherungsnehmer auf die Unsittlichkeit, so daß ihm der Beweis obliegt. 83 So scheint auch Brudk die Beweislast verteilen zu wollen (Bruck S. 49$)84 Ritter S . 1 9 9 . 85 Ebenso Ritter S. 200.
33 wenn seit dem Abschluß des Vertrages ein Jahr verstrichen ist und der Versicherungsnehmer den Unwirksamkeitsgrund nicht in dem Jahre mitgeteilt hat (§ 3 Abs. 2 ADS). Es handelt sich hier um zwei Ausnahmen von der Regelung des § 3 Abs. 1 ADS, mithin um zwei Ausnahmen von einer Ausnahme96. In diesem Fall beruft sich also der Versicherer auf eine Ausnahme, so daß er beweispflichtig ist97. Er braucht jedoch nur den Zeitablauf oder die Verletzung der Mitteilungspflicht zu beweisen. Demgegenüber trifft den Versicherungsnehmer die Beweislast dafür, daß sich die Mitteilung schuldlos verzögert hat98. b) Die Beweislast, wenn das Interesse zwischen formellem und materiellem Beginn der Versicherung weggefallen ist. aa) Grundsatz. Der Wegfall des versicherten Interesses zwischen formellem und materiellem Beginn der Versicherung schließt die Möglichkeit der Entstehung eines ersatzfähigen Schadens, also die Leistungspflicht des Versicherers aus. Ebensowenig kann ein ersatzfähiger Schaden eintreten, wenn die Versicherung für ein künftiges Interesse genommen und dieses nicht entstanden ist. Der engen Verknüpfung zwischen Prämie und der Gefahrtragung zufolge befreit daher das Gesetz auch den Versicherungsnehmer von seiner Verpflichtung zur Zahlung der Prämie und verpflichtet ihn lediglich zur Entrichtung einer Geschäftsgebühr (§ 68 Abs. 1 VVG). Streitig ist in diesem Fall die Frage der Beweislast. Sie wäre dem Versicherer aufzuerlegen, wenn der Fortbestand des Interesses oder der Eintritt des künftigen Interesses Voraussetzung für den Prämienanspruch des Versicherers wär.e. Umgekehrt wäre dem Versicherungsnehmer die Beweislast aufzuerlegen, wenn der Wegfall des Interesses als rechtshindernde Tatsache auszulegen wäre. Von diesen beiden Möglichkeiten ist der letzteren der Vorzug zu geben. Das Gesetz läßt deutlich erkennen, daß diese Ereignisse keine Voraussetzungen für den Prämienanspruch des Versicherers sein sollen. Wenn das Gesetz davon spricht, daß der Versicherungsnehmer von der Verpflichtung zur Leistung frei sein soll, so ist damit unzweideutig nicht eine Rechtsfolge an den Fortbestand oder die Entstehung des Interesses, sondern vielmehr an den Wegfall und die Nichtentstehung des Interesses geknüpft99. Es ist mithin eine Rechtsfolge zugunsten des Versicherungsnehmers ausgesprochen, so daß dieser 80
Ritter S. 196. Da es sich hier um die Ausnahme von einer Ausnahme handelt, kommt der Beweis des Versicherers immer erst dann in Frage, wenn der Versicherungsnehmer die ihm günstige Ausnahme bewiesen hat. 88 Ritter S. 200. 88 Ebenso Kisch 3, 224, wenn der Wegfall des Interesses nach ihm ein „Erlöschungsgrund" ist. 87
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34 also beweispfliditig ist, wenn er sich auf die zu seinen Gunsten ausgesprochene Rechtsfolge berufen will 100 . Der Versicherer braucht also nur zu beweisen, daß entweder das Interesse bei Abschluß des Vertrages bestanden hat oder daß ein künftiges Interesse zum Gegenstand des Vertrages gemacht ist 101 . bb) Ausnahme in den A D S . Eine Ausnahme besteht in der vertraglich geregelten Seeversicherung. Hier bleibt trotz nicht bestehendem und nicht entstehendem Interesse der Versicherungsnehmer zur Zahlung der Prämie verpflichtet, wenn seit Vertragsabschluß ein Jahr verstrichen ist und der Versicherungsnehmer nicht unverzüglich nach Ablauf des Jahres mitteilt, daß das Interesse weggefallen oder nicht entstanden ist (§ 4 Abs. 1 Satz 3 ADS). Für diesen Sachverhalt ist der Versicherer beweispflichtig, denn es handelt sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß der Versicherungsnehmer leistungsfrei ist. Hat der Versicherungsnehmer bewiesen, daß das Interesse weggefallen oder nicht entstanden ist, liegt dem Versicherer der Beweis ob, daß die einjährige Frist verstrichen und die Mitteilung verzögert ist, dem Versicherungsnehmer, daß die Verzögerung nicht schuldhaft war 102 . c) Die Beweislast, wenn das Interesse nach dem materiellen Beginn der Versicherung weggefallen ist. Fällt das Interesse, für welches die Versicherung genommen ist, nach dem materiellen Beginn der Versicherung fort, gebührt dem Versicherer die Prämie für die laufende Versicherungsperiode ( § 6 8 Abs. 2 V V G ) . Die Beweislast ist ebenso verteilt wie in dem vorher erörterten Fall des Interessewegfalls zwischen formellem und materiellem Versicherungsbeginn. Auch in diesem Fall trägt also der Versicherungsnehmer die Beweislast für den Wegfall dies Interesses103 104. 100 Im Ergebnis ebenso Bruck S. 500 Anm. 89, Bruck Anm. 15 zu § 68 W G , Ritter S. 20$, Kisch 3, 224. A . M. Wilhelm S. 94. Bruck S. 500 Anm. 89 führt fälschlich Kisch für die gegenteilige Meinung auf. Auf S. 219, die Bruck anführt, behandelt Kisdi den Fall, daß dem Vertrage niemals ein Interesse zugrunde gelegen hat und legt dafür mit Recht dem prämienverlangenden Versicherer die Beweislast auf. 101 Ist das künftige Interesse nicht versicherungsfähig, hat von Anfang an ein unwirksamer Vertrag vorgelegen. Der Versidierer muß also beweisen, daß das zukünftige Interesse versicherungsfähig ist. 102 Ebenso Ritter S. 205. 103 Bruck Anm. 15 zu % 68. 104 Es liegt hier ein Fall vor, der mit der nachträglichen Unmöglichkeit zu vergleichen ist. Fällt nämlich das Interesse weg, wird damit ohne weiteres auch die Gefahrtragung als die Leistung des Versicherers gegenstandslos, so daß man von einer nachträglichen Unmöglichkeit der Gefahrtragung sprechen kann. Auch bei der Heranziehung dieses Gesichtspunktes ist der Versicherungsnehmer beweispfliditig, weil im Falle des § 323 BGB derjenige die Unmöglichkeit der Leistung zu beweisen hat, der sich auf sie beruft (u. a. Staudinger Anm. IV, 1 b zu § 323, vgl. hierzu luch Bruck S. 386).
35 III. Die Beweislast für das Interesse in besonderen Fällen. Es ist 'bereits ausgeführt, daß ein gültiger Versicherungsvertrag nur dann vorliegt, wenn sich beide Vertragsparteien über das Interesse der Person und dem Gute nach einig sind. Dieser Grundatz ist in zwei Fällen durchbrochen. i. I n d e r V e r s i c h e r u n g f ü r R e c h n u n g w e n es a n g e h t . In der Versicherung „für Rechnung wen es angeht" bleibt dieser Grundsatz, was die Bezeichnung des Gutes angeht," vollkommen aufrechterhalten 105 . Eine Ausnahme besteht nur insoweit, als es sich um die Bezeichnung der beziehungsverknüpften Person handelt. Bei Vertragsabschluß darf nämlich unbestimmt bleiben, wer tatsächlich der Interesseträger ist, so daß es ungewiß ist, ob die versicherte Beziehung dem Versicherungsnehmer oder einem Dritten zusteht oder zugestanden hat oder zustehen wird 106 . Es ist, wie sich das Reichsoberhandelsgericht einmal ausdrückt, bei dem Beginn der Versicherung ein „individuell bestimmter, wenngleich auch nicht notwendig gekannter Versicherter vorhanden" 107 . Werden allerdings Entschädigungsansprüche gegen den Versicherer geltend gemacht, muß der Versicherte selbstverständlich feststehen108. Für die Frage der Beweislast folgt daraus, daß die Partei, die sich auf die Gültigkeit des Vertrages beruft, ausnahmsweise nicht einen bestimmten, sondern vielmehr nur einen bestimmbaren Interesseträger nachzuweisen braucht. 2. B e i d e r K l a u s e l f ü r b e h a l t e n e A n k u n f t . In der Versicherung „für behaltene A n k u n f t " ist der Versicherte davon befreit, zu Beginn der Versicherung das beziehungsverknüpfte Gut anzugeben 109 . Zum Beweis der Gültigkeit des Vertrages braucht daher nicht ein beziehungsver knüpf tes G u t nachgewiesen zu werden. Da in der Seeversicherung — auch 'bei Versicherung „ f ü r behaltene Ankunft" — die Versicherung „ f ü r Rechnung wen es angeht" vorkommen kann, ist ein gültiger Versicherungsvertrag denkbar, in welchem bei Abschluß des Vertrages das Interesse weder dem Gut noch der Person nach genau bestimmt zu sein braucht 110 . Für den Nachweis eines gültigen Vertrages genügt also in einem solchen Fall der Beweis, daß eine Versicherung „für Rechnung wen es angeht" mit der Klausel „für behaltene Ankunft" abgeschlossen worden ist, und der Beweis der Bestimmbarkeit hinsichtlich des Gutes und der Möller Cif S. 136. Möller Cif S. 136, Bruck S. 481, 610, Friedmann S. 60 Anm. 5. R O H G 14, 122, vgl. auch Brudc S. 610. 108 Möller Cif S. 136. 1 0 ' Bruck S. 481, 482, Friedmann S. 60. 1 , 0 Möller Cif S. 136, weist darauf hin, daß es zweifelhaft sei, ob eine Versicherung, die beide Klauseln enthält, zulässig ist, weil hier die Interessen nicht nur nicht bestimmt, sondern auch nur schwer bestimmbar seien. Er bejaht aber dennoch die Frage. 105
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36 Person. Des Nachweises für ein bestimmtes Gut oder eine bestimmte Person bedarf es nicht. Diese Beweiserleichterung ist aber von verhältnismäßig geringer Bedeutung, weil sie von der Angabe des beziehungsverknüpften Gutes nur bei Beginn der Versicherung befreit 111 . Ist daher der Versicherungsfall eingetreten und macht der Versicherte Entschädigungsansprüche geltend, muß selbstverständlich das beziehungsverknüpfte Gut und damit das Interesse feststehen und auch bewiesen werden. j. a) Bei der
Interessenbeweisklausel.
Die Parteien können vereinbaren, daß der Versicherte von der Beweislast für das Interesse beim Eintritt des Versicherungsfalls frei sein soll. Beispiele für solche Interessenbeweisklauseln sind „Interesse erwiesen" 112 , „ohne weiteren Beweis als die Police" 1 1 8 , „ohne weiteren Nachweis des Interesses" 114 , „ohne Nachweis des Interesses abseiten des Versicherungsnehmers" 115116 . Audi wenn eine Interessenbeweisklausel vereinbart ist, muß das Interesse beim Vertragsabschluß bezeichnet werden, es sei denn, daß eine der bereits behandelten Ausnahmen vorliegt. Die Interessenbeweisklausel befreit aber nur von dem Nachweis des Interesses, nicht auch von dem Nachweis, daß ein Versicherungsschaden entstanden ist 117 . Es kann aber auch eine besondere Klausel vereinbart werden, wodurch der Versicherte gleichfalls von dem Nachweis des Schadens befreit werden kann, z. B. die Erreichungsklausel: „Die Versicherungssumme ist mit 100% zu bezahlen, wenn das Schiff wegen eines Seesdiadens seinen Bestimmungsort nicht erreicht" 11S . Bei der Güterversicherung befreit die Klausel, „daß das Konnossement nicht vorzulegen ist", nur von dem Nachweis der Verladung, nicht vom Beweis des Interesses, auch nicht von dem Nachweis, daß der Schaden während der Dauer der Versicherung entstanden ist 119 . b) Verhältnis zur Auskunfts-
und Belegpflicht,
a) Die Auskunfts- und Belegpflicht. Die Schadensanzeige reicht nicht aus, um dem Versicherer ein klares Bild über seine Leistungspflidit zu verschaffen. Er ist darauf angewiesen, durch Vermittlung des Versicherungsnehmers die T a t sachen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistung erforderlich sind, kennenzulernen. Diesem Zweck dient Friedmann S. 60. R G Z 4 j , 143. 1 1 3 R G Z 83 166 1 1 4 R G H G Z 1890, 83, H G Z 1889, 261, H G Z 189s, 791 1 5 LG Hamburg H G Z 1896, 309. 1 1 6 Weitere Klauseln sind bei Ritter S. 666, 667 zu finden. Über die Zulässigkeit solcher Klauseln siehe im einzelnen bei Ritter S. 188, 667. 117 H G Z 1855, 102, H G Z 1893, 189, H G Z 1897, 13, H G Z 1908, 222. 1 1 8 Vgl. Ritter S. 669. Vgl. Ritter S. 669. 111
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37 die Auskunftspflicht 120 . Eine besondere Art der Auskunftserteilung ist die Beibringung bestimmter Belege (Belegpflicht)121. "Was die Beweislast angeht, so hat der Versicherer zu beweisen, daß die von ihm geforderte Auskunft erforderlich ist und daß dem Versicherten die Beschaffung der von ihm geforderten Belege billigerweise zugemutet werden kann 122 . Unabhängig von der Auskunftspflicht ist die Beweislast im Prozeß 123 . Will der Versicherungsnehmer im Prozeß obsiegen, hat er den Eintritt des Versicherungsfalls und den Umfang des Schadens zu beweisen 121 . Audi die Befugnis zu der Beantragung einer Beweissicherung (§ 485 ff. ZPO) bleibt durch die Auskunftspflicht unberührt125.
ß) Beweislascbefreiung nur von der Belegpflicht, nicht von der Auskunftspflicht. Die Interessenbeweisklauseln lassen nicht erkennen, ob der Versicherte nur von der Beweislast frei sein oder ob sich die Befreiung auch auf die von der Beweislast unabhängige Auskunfts- und Belegpflicht erstrecken soll. Es ist hier zu unterscheiden zwischen der Auskunfts- und der Belegpflicht. Die Auffassung, daß diese Klauseln die Belegpflicht des Versicherungsnehmers unberührt lassen, läßt sich nicht rechtfertigen. Denn auch die Belegpflicht ist, worauf Ritter mit Recht hingewiesen hat, eine Beweispflicht. Es würde nicht mit dem Sinn und dem Zweck dieser Klauseln in Einklang zu bringen sein, wenn der Versicherte gleichwohl sein Interesse belegen müßte126. Diese Auffassung ist aber nicht für die Auskunftspflicht vertretbar. Auch diese wegzuibedingen, besteht für den redlichen Verkehr keine Veranlassung. Es ist daher mit Recht darauf hingewiesen worden, daß der Versicherte trotz solcher Klauseln Auskunft erteilen müsse127. Jedenfalls muß das dann gelten, wenn ein anderer Wille nicht klar zum Ausdruck gekommen ist 128 . 120
Bruck A n m . 2 zu § 34 V V G , Bruck S . 3 2 , Ritter S . 658 ff. Bruck S. 3 3 5 . Ritter hält die Belegpflicht auch f ü r eine Beweispflicht. Z u m Unterschied zur Beweislast (Beweispflicht) im Prozeß nennt er sie eine p r i v a t rechtliche Beweispflicht (Ritter S. 667). 122 Bruck A n m . 1 5 zu § 34 V V G . Anders f ü r gewisse Auskünfte und Belege in der Lebensversicherung (Bruck-Dörstling S . 164). 123 Vgl. Anm. 121. 124 Bgdg. zu § 34 V V G . Bruck S . 3 3 2 , Bruck A n m . I J zu § 34 W G , unrichtig O A G Lübeck S A 2 3 , 2 1 6 N r . 1 3 2 Z H R 19, 280, O L G Kiel S A 4 1 , 88 N r . 56. 126 Bruck S . 3 3 2 . 126 Ebenso Ritter S. 668. — Die Versicherer sind bei der Abfassung der A D S anderer Meinung gewesen. Sie hatten sich gegen die G e f a h r des Mißbrauchs der Klauseln durch die Bestimmung schützen wollen, daß der Versicherungsnehmer, der keine Belege vorzulegen brauche, seine Angaben über das versicherte Interesse usw. wenigstens glaubhaft machen müsse. Diese Forderung hat sich aber nicht durchsetzen lassen. V g l . im einzelnen Ritter S . 6 6 7 , 668. 127 Ritter S . 668 und die dort angeführte Rechtsprechung. 128 Bei der folgenden Klausel ist der Versicherte beispielsweise audi von der Auskunftspflicht befreit: . . . „ A u f die behaltene A n k u n f t des Schiffes — wobei . . . 121
38 C. Die Beweislast für den Versicherungswert. I. Der Begriff des Versicherungswertes. Der Versicherungswert ist der objektive Wert des versicherten Interesses bei Abschluß des Vertrages 129 . Er ist nicht gleichbleibend, denn er sinkt und steigt mit den Wertschwankungen des beziehungsverknüpften Gutes 130 . Diese Änderung während der Versicherungsdauer tritt aber, abgesehen von der Uber- und Doppelversicherung, nur bei dem Eintritt des Versicherungsfalls in Erscheinung131. Der Versicherungswert im Augenblick des Eintritts des Versicherungsfalls heißt Ersatzwert. Er ist also zu unterscheiden von dem jeweiligen Versicherungswert vor Eintritt des Versicherungsfalls und dem Versicherungswert im Augenblick des Abschlusses des Vertrages. II. Die Beweislast, i. G r u n d s a t z . Ist die Bestimmung des Versicherungswertes dem Versicherungsnehmer bei Abschluß des Vertrages überlassen geblieben, ist also die Bestimmung des Versicherungswertes einseitig vom Versicherungsnehmer vorgenommen — offene Police — , trägt der Versicherungsnehmer nach dem Eintritt des Versicherungsfalls die Beweislast für die Höhe des Versicherungswertes im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und für den Ersatzwert 132 . 2. B e i e i n e r T a x v e r s i c h e r n g . Der Beweis des Versicherungswertes bei Abschluß des Vertrages und des Ersatzwertes kann sehr schwierig, zeitraubend und kostspielig sein. Zwecks Abschneidung dieser Nachteile können sich daher die Parteien bei Abschluß des Vertrages über einen bestimmten Betrag des Versicherungswertes einigen. Man spricht dann von einer Taxe. Die Vereinbarung einer Taxe bedeutet nicht eine Umkehrung der Beweislast, denn sie gilt nicht bloß vorläufig bis zur Erbringung des Gegenbeweises, sondern vielmehr schlechthin133. Für den Versicherungsnehmer hat die Vereinbarung einer solchen T a x e also das Interesse auf M jo ooo.— taxiert wird, ohne daß dafür ein weiterer Beweis als diese Police oder eine Angabe des Interesses gefordert werden kann." Vgl. H G Z 1903, 41, ebenso Ritter S. 669. 126 Möller Cif S. $6, Bruck S. 503. im Yg( ¡JJ, einzelnen bei Bruck S. 504. 1 3 1 Bruck S. 504. 132 Bruck S. 506. — Da der Versicherungsnehmer die Beweislast trägt, kann der Versicherer unbedenklich dem Versicherungsnehmer die einseitige Bestimmung des Versicherungswertes bei Abschluß des Vertrages überlassen. Der Versicherer ist ausreichend geschützt durdi die Bestimmungen über die Unter-, Uber- und Doppelversicherung. 133 Eine Ausnahme gilt nur bei wesentlicher Übersetzung der Taxe, was nach der Praxis der Gerichte etwa bei 10 % angenommen wird.
39 die bedeutsame Folge, daß er von dem Nachweis der Höhe des Versicherungswertes befreit ist. Da die Taxe gleichzeitig als Ersatzwert gilt, so ist damit der Versicherte auch von dem Beweis des Ersatzwertes entbunden. (§ 57 V V G ) Ob die Vereinbarung einer Taxe getroffen ist, richtet sich nach dem Willen der Parteien. Diese müssen sich also darüber einig sein, daß dem als Versicherungswert bestimmten Betrag die Bedeutung einer Taxe zukommen soll, ohne daß allerdings die Vereinbarung ausdrücklich als Taxe bezeichnet zu sein braucht134. Ist es zweifelhaft, ob eine Taxvereinbarung zustande gekommen ist, so spricht die Vermutung dagegen135. Die Beweislast für die Vereinbarung einer Taxe trägt derjenige, welcher Rechte daraus herleitet136. Infolgedessen ist der Versicherungsnehmer ibeweispflichtig, wenn er zum Nachweis des Versicherungswertes auf eine Taxe verweist. Ausnahmsweise gilt eine vereinbarte Taxe nur als Versicherungssumme bei der Frachtversicherung, der Versicherung von Schiffsmiete und der Versicherung von Uberfahrtsgeldern (§§ 107 Abs. 3, 108 Abs. 3, 109 Abs. 1 ADS). Sie hat daher keine beweislastbefreiende Wirkung. Dazu bedarf es dann einer besonderen Klausel, die beispielsweise lauten kann: „Ohne weiteren Nachweis hinsichtlich der Taxe" 1 3 7 . Gegen die Zulässigkeit einer solchen Bestimmung sind keine Bedenken zu erheben, weil die von den ADS aufgestellte Fiktion abdingbar ist 138 . III. Die Beweislast bei der Unter-, Ueber- und Doppelversicherung. x. B e i der U b e r v e r s i c h e r u n g . a) Bei nicht unredlicher Absicht. a) in der Binnenversicherung. Für den Versicherungsnehmer ist die Überversicherung unwirtschaftlich, da die Prämie im Verhältnis zum Versicherungswert zu hoch ist. Er kann daher gemäß § 5 1 V V G verlangen, daß zu ihrer Beseitigung die Versicherungssumme unter verhältnismäßiger Minderung der Prämie für die künftigen Versicherungsperioden herabgesetzt wird. Dasselbe Recht steht allerdings auch dem Versicherer zu. Dieser wird daran aber wohl kaum Interesse haben, weil er genügend dadurch geschützt ist, daß er nur in Höhe des Ersatzwertes zu haften braucht ( § 5 5 V V G ) . 134 Bruck S. J07. Beispiel: Bei der Versicherung auf das Kasko eines Dampfschiffes ist in der Police eine Million Mark mit dem Zusatz „auf Grundlage gegenseitiger Vereinbarung ohne weiteren Beweis" als Wert des Schiffes angegeben (RG SA 4 0 , 7 0 Nr. 4 3 ) . 135 Bruck S. 507, R G Z 19, 207, Bolze 15 Nr. 401. 136 Hagen S. 473, Ritter S. 240, Bruck S. 507, R G Z 19, 211. 137 H G Hamburg H G Z 1872, 31. 138 Ritter S. 241.
40 Wer sich auf die Überversicherung zwecks Herabsetzung beruft, muß auch ihre Voraussetzungen, insbesondere also die Erheblichkeit der Uberversicherung beweisen139. ß) in der Seeversicherung. Das Seeversicherungsrecht kennt nicht die Möglichkeit der Herabsetzung der Versicherungssumme. Ebenso wie in der Binnenversicherung ist der Versicherer auch hier genügend dadurch geschützt, daß er nur in Höhe des wirklich entstandenen Bedarfs zu haften hat ( § 9 ADS). Das Schicksal der Prämie hingegen ist so geregelt wie bei fehlendem Interesse. Grundsätzlich erhält der Versicherer also die ganze Prämie. Gekürzt wird die Prämie nur dann, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer die Kenntnis der Uberversicherung zur Zeit des Vertragsabschlusses beweisen kann. Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis, daß er die Überversicherung weder kannte noch kennen mußte, so wird hinsichtlich des den Versicherungswert übersteigenden Betrages lediglich eine Ristornogebühr fällig. Der Versicherer erhält wiederum die ganze Prämie, wenn er beweisen kann, daß ihm der Versicherungsnehmer nicht unmittelbar nach Kenntnis der Uberversicherung Mitteilung gemacht hat oder bereits ein Jahr seit Abschluß des Vertrages verstrichen ist140. b) Bei unredlicher Absicht. Eine in betrügerischer Absicht geschlossene Uberversicherung führt die Nichtigkeit des ganzen Vertrages herbei141. Die Übersetzung der Versicherungssumme braucht nicht erheblich zu sein142. Der Beweis für die betrügerische Absicht des Versicherungsnehmers ist vom Versicherer zu erbringen143. Der Beweis einer betrügerischen Absicht läßt sich aus dem bloßen Verdacht der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls nicht ohne weiteres herleiten 144 . Es müssen auf jeden Fall noch weitere belastende Merkmale hinzukommen. Die Entscheidung wird immer vom Einzelfall 139 Bruck S . 5 3 0 A n m . 7, Bruck A n m . 1 4 zu § 54 V V G . Das gilt aber nur für den Fall, daß die Uberversicherung v o r dem Eintritt des Versicherungsfalls entdeckt w i r d ( § 5 1 W G ) . Stellt sie sich erst beim Schadensfall heraus, gilt § 55 V V G . In diesem Fall kommt f ü r den Versicherer eine Beweislast hinsichtlich der Erheblichkeit nicht in Frage, weil sich dies ohne weiteres aus dem Versicherungswert ergibt, der aber beim Schadensfall v o m Versicherungsnehmer zu erbringen ist. 140 Ritter S. 2 6 2 . 141 § 51 W G § 9 A D S . 142 D a s gilt unbestritten f ü r das Seeversicherungsrecht (Ritter S. 2 6 3 ) . — N a c h Bruck soll im Binnenversicherungsredit nur eine erhebliche Übersetzung die Nichtigkeit herbeiführen. Diese Ansicht muß abgelehnt werden. Die betrügerische Absicht muß bei noch so kleiner Ubersetzung der Versicherungssumme ausreichend sein. Ein Betrüger ist nicht schutzbedürftig. D e r Versicherer behält seinen Anspruch auf die Prämie, sofern er nicht Kenntnis von der Unwirksamkeit hatte. F ü r die Kenntnis ist der Versicherungsnehmer beweispflichtig (Bruck S. 5 3 4 A n m . 2 3 ) . 143 144
V g l . im einzelnen Kisch Mehrfache Versicherung S. n o f f . O L G Kiel 30. 6. 1 9 2 8 J R P V 1 9 2 8 , 280, V A 1 9 2 9 , 2 0 2 N r .
1858.
41 abhängen, so daß sich allgemeine Regeln nicht aufstellen lassen. Eine betrügerische Absicht kann sich aber schon aus einem besonders starken Mißverhältnis zwischen Versicherungssumme und Versicherungswert ergeben 145 . 2. B e i d e r
Unterversicherung.
Beim Vorliegen einer Unterversicherung haftet der Versicherer f ü r den Schaden nur nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zu dem Ersatzwert, so daß sie nur der Versicherer geltend machen wird. Eine Beweislast trifft ihn jedoch nicht, weil sich die Feststellung, ob Unterversicherung gegeben ist oder nicht, aus der Höhe des Ersatzwertes, f ü r den der Versicherungsnehmer beweispflichtig ist, ergibt 146 . 3. B e i d e r
Doppelversicherung.
a) Bei nicht unredlicher Absicht. Ist Doppelversicherung gegeben und hat der Versicherungsnehmer von der anderen Versicherung keine Kenntnis gehabt, kann er von jedem Versicherer verlangen, daß die Versicherungssumme unter verhältnismäßiger Minderung der Prämie auf den Betrag des Anteils herabgesetzt wirdi, den der Versicherer im Verhältnis zu dem anderen Versicherer zu tragen hat. Dieses Recht auf Herabsetzung kann nur unverzüglich nach Kenntnis der Doppelversicherung geltend gemacht werden (§ 60 Abs. 1 Abs. 4 W G ) . Der Beweis f ü r das Vorliegen der Doppelversicherung und die mangelnde Kenntnis von der anderen Versicherung hat der Versicherungsnehmer zu erbringen 147 . Demgegenüber hat der Versicherer zu beweisen, daß das Verlangen nicht unverzüglich gestellt ist. Ferner hat er die Angemessenheit der Geschäftsgebühr, die er im Falle der Herabsetzung verlangen kann, zu beweisen. Gemäß § 58 Abs. 1 V V G hat der Versicherungsnehmer jedem Versicherer von der anderen Versicherung unverzüglich Mitteilung zu machen. Verstößt der Versicherungsnehmer hiergegen, verletzt er eine Obliegenheit, die vor dem Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen ist, so daß dem Versicherer die Rechte aus § 6 Abs. 1 V V G zustehen 148 . Will der Versicherer aus der Verletzung der Anzeigepflicht Rechte herleiten, so hat er die Doppelversicherung und die Unterlassung einer Mitteilung zu beweisen 149 . Er braucht nur das Nichtzugehen der Anzeige darzutun. Behauptet demgegenüber der Versicherungsnehmer, er habe die (nicht zugegangene) Anzeige abgesandt, so trifft 145
K G 1 5 . 6. 1 9 2 9 J R P V 1 9 2 9 , 3 2 0 . Für den Fall einer T a x v e r e i n b a r u n g vgl. die A u s f ü h r u n g e n auf S. 4 2 unter 4. Bruck A n m . n zu § 60 W G . 118 Bruck A n m . 18 zu § 58 V V G , a. A . Kisdi Mehrfache Versicherung S. 38 und das dort angeführte Schrifttum, nach welchem die Mitteilungspflicht eine Rechtspflicht ist. 149 Kisdi Mehrfache Versicherung S . 3 7 . 116
147
42 ihn dafür die Beweislast 150 . Als Beweis dürfte es nicht ausreichen, wenn die bloße Kopie eines nicht eingeschriebenen Briefes vorliegt 1 5 1 . H a t der Versicherer die Unterlassung der Anzeige bewiesen, ist es nunmehr Sache des Versicherungsnehmers, darzutun, daß ihn an der Unterlassung kein Verschulden trifft 1 5 2 , sei es, daß er die mehrfache Versicherung nicht kannte oder kennen mußte, sei es, daß er aus irgend welchen Gründen an ihrer Mitteilung schuldlos verhindert war. Als Entschuldigung wird nicht die bloße Annahme des Versicherungsnehmers ausreichen, daß dem Versicherer die wahre Sachlage bekannt sei 153 . Für die mangelnde Unverzüglichkeit der Anzeige ist ebenfalls der Versicherer beweispflichtig, denn er muß beweisen, daß der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht, wozu auch die Unverzüglichkeit gehört, verletzt hat. In der vertraglichen Seeversicherung kann der Versicherungsnehmer die Herabsetzung der Prämie nur dann verlangen, wenn die Versicherung materiell noch nicht begonnen hatte. D a f ü r ist der Versicherungsnehmer beweispflichtig 164 . b) Bei unredlicher Absicht. Eine in betrügerischer Absicht gestlilossene Doppelversidierung ist nichtig. Beweispflichtig ist der Versicherer 155 . 4. U n t e r - u n d
Uberversicherung
bei einer T a x V e r e i n b a r u n g .
D a die T a x e den Versicherungswert festlegt, behält die Versicherungssumme ihr gegenüber selbständige Bedeutung. Uberall, wo es auf das Spannungsverhältnis zwischen der Versicherungssumme und dem Versicherungswert ankommt, wie bei der Unter-, Uberund Doppelversicherung, ist also statt vom Versicherungswert von der T a x e auszugehen. a) Bei der Unterversicherung. Bei einer Taxvereinbarung ist der Einwand der Unterversicherung ausgeschlossen, so daß der Versicherer also selbst bei einem Teilschaden bis zur Versicherungssumme haften muß. Dem Versicherer nützt also nichts der Beweis, daß die T a x e zu niedrig angenommen ist 156 . Ebensowenig kann er die Heraufsetzung der T a x e verlangen. 150
Kisch Mehrfache Versicherung S. 3 7 Anm. 24. Unrichtig K G 4. 3. 1 9 2 5 , H a n s R Z 1925, 4 3 j . 152 Kisch Mehrfache Versicherung S. 37, und die dort angeführte Reditsprediung. 153 Kisdi Mehrfache Versicherung S. 37. 154 Bruck S. J J 3 Anm. 38. 165 Vgl. im einzelnen Kisch Mehrfache Versicherung S. n o f f . 156 Das gilt aber nur, wenn die Versicherungssumme gleich der T a x e ist. Sonst liegt Unterversicherung vor. — Das Seeversicherungsrecht hilft sich mit der Kaskoteilschadenklausel (vgl. Ritter S. 844 ff.), für deren Vereinbarung der Versicherer beweispflichtig ist. 151
43 b) Bei der Überversicherung. Auch wenn die Taxe den Versicherungswert übersteigt, also Uberversicherung gegeben ist, bleibt grundsätzlich die Taxe maßgeblich. Ihre verbindliche Kraft verliert sie nur dann, wenn die Übersetzung erheblich ist. Beide Parteien können dann die Herabsetzung verlangen. Die Beweislast für die erhebliche Übersetzung trifft denjenigen, der das Recht auf Herabsetzung geltend macht 15715S .
IV. Die Ermittelung des Versicherungswertes ist nicht Schadensfeststellung im Sinne des § 287 ZPO. Bei der Ermittelung des Wertes einer durch taxierte Police versicherten Sache zwecks Feststellung der Frage, ob Überversicherung vorliegt, handelt es sich nicht um die Feststellung eines Schadens oder Interesses im Sinne des § 287 ZPO. Es steht daher nicht, wie § 287 ZPO ausnahmsweise zuläßt, im Ermessen des Gerichts, ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme anzuordnen sei. Das Gericht hat vielmehr nach Maßgabe des § 286 ZPO die gestellten Beweisanträge auf ihre Erheblichkeit hin zu prüfen und danach die Anordnung der Beweisaufnahme zu treffen159.
3. Abschnitt:
Versicherungsdauer und Beweislast. I. Beweislast für die formelle, materielle und technische Versicherungsdauer. Im Versicherungsrecht werden die formelle, materielle und technische Versicherungsdauer unterschieden, je nachdem, ob es sich um den Zeitraum handelt, während welchem der Vertrag besteht, der Versicherer zur Gefahrtragung oder für die der Versicherungsnehmer zu Entrichtung der Prämie verpflichtet sein 90II160. Die Beweislast hinsichtlich dieser drei Arten der Versicherungsdauer ist so verteilt, daß immer diejenige Partei beweispflichtig ist, die aus dem Bestehen oder Nichtbestehen der formellen, materiellen und technischen Versicherungsdauer Rechte herleiten will 161 . Nimmt der Versicherungsnehmer den Versicherer wegen eines Schadensereignisses in Anspruch, muß er beweisen, daß dieses während der materiellen Versicherungsdauer stattgefunden hat 162 . Umgekehrt 157 Nicht ganz richtig, wenn Bruck Anm. 14 zu § 57 W G nur von einer Beweislast des Versicherers spricht. Der Versicherungsnehmer ist an der Herabsetzung interessiert, um wenigstens für die Zukunft Prämien zu sparen. Eine erhebliche Ubersetzung wird etwa bei 10 % angenommen. 158 K G 9. 10. 1929 J R P V 1929, 383, R G 10. 10. 1930, J R P V 1930, 379. 1M R G 19. 3. 1904 R G Z 58, 35. 1M Bruck S. 229 ff. 161 Bruck S. 462. 162 Bruck S. 462, Ritter S. 824, 1 0 5 3 , 4 8 5 , 4 6 2 . R G 2$. 5. 1 9 3 7 J R P V 1937, 200.
43 b) Bei der Überversicherung. Auch wenn die Taxe den Versicherungswert übersteigt, also Uberversicherung gegeben ist, bleibt grundsätzlich die Taxe maßgeblich. Ihre verbindliche Kraft verliert sie nur dann, wenn die Übersetzung erheblich ist. Beide Parteien können dann die Herabsetzung verlangen. Die Beweislast für die erhebliche Übersetzung trifft denjenigen, der das Recht auf Herabsetzung geltend macht 15715S .
IV. Die Ermittelung des Versicherungswertes ist nicht Schadensfeststellung im Sinne des § 287 ZPO. Bei der Ermittelung des Wertes einer durch taxierte Police versicherten Sache zwecks Feststellung der Frage, ob Überversicherung vorliegt, handelt es sich nicht um die Feststellung eines Schadens oder Interesses im Sinne des § 287 ZPO. Es steht daher nicht, wie § 287 ZPO ausnahmsweise zuläßt, im Ermessen des Gerichts, ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme anzuordnen sei. Das Gericht hat vielmehr nach Maßgabe des § 286 ZPO die gestellten Beweisanträge auf ihre Erheblichkeit hin zu prüfen und danach die Anordnung der Beweisaufnahme zu treffen159.
3. Abschnitt:
Versicherungsdauer und Beweislast. I. Beweislast für die formelle, materielle und technische Versicherungsdauer. Im Versicherungsrecht werden die formelle, materielle und technische Versicherungsdauer unterschieden, je nachdem, ob es sich um den Zeitraum handelt, während welchem der Vertrag besteht, der Versicherer zur Gefahrtragung oder für die der Versicherungsnehmer zu Entrichtung der Prämie verpflichtet sein 90II160. Die Beweislast hinsichtlich dieser drei Arten der Versicherungsdauer ist so verteilt, daß immer diejenige Partei beweispflichtig ist, die aus dem Bestehen oder Nichtbestehen der formellen, materiellen und technischen Versicherungsdauer Rechte herleiten will 161 . Nimmt der Versicherungsnehmer den Versicherer wegen eines Schadensereignisses in Anspruch, muß er beweisen, daß dieses während der materiellen Versicherungsdauer stattgefunden hat 162 . Umgekehrt 157 Nicht ganz richtig, wenn Bruck Anm. 14 zu § 57 W G nur von einer Beweislast des Versicherers spricht. Der Versicherungsnehmer ist an der Herabsetzung interessiert, um wenigstens für die Zukunft Prämien zu sparen. Eine erhebliche Ubersetzung wird etwa bei 10 % angenommen. 158 K G 9. 10. 1929 J R P V 1929, 383, R G 10. 10. 1930, J R P V 1930, 379. 1M R G 19. 3. 1904 R G Z 58, 35. 1M Bruck S. 229 ff. 161 Bruck S. 462. 162 Bruck S. 462, Ritter S. 824, 1 0 5 3 , 4 8 5 , 4 6 2 . R G 2$. 5. 1 9 3 7 J R P V 1937, 200.
44 hat der Versicherer die technische Versicherungsdauer zu beweisen, wenn er Prämienansprüchie für einen bestimmten Zeitraum geltend macht. II. Beweislast- und Beweiswürdigungsfragen in einzelnen Versicherungszweigen. i. I n der T r a n s p o r t v e r s i c h e r u n g . In der Transportversicherung muß der Versicherte, wie auch in jedem anderen Versicherungszweig, wenn er Ansprüche stellt, nachweisen, daß der Versicherungsfall während der materiellen Versicherungsdauer eingetreten ist. Er muß also beweisen, daß zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls die Güter vom Frachtführer entweder zur Beförderung oder zur einstweiligen Verwahrung angenommen und dem Empfänger am Ablieferungsort noch nicht abgeliefert odier, wenn ein Ablieferungshindernis vorhanden war, rechtmäßig hinterlegt oder verkauft waren (§ 134 V V G ) . Da es sich hier um die Frage handelt, wann sich der Unfall abgespielt hat, ist damit gleichzeitig der Beweis eines Unfalls verknüpft, wenn in einem Zweifelsfalle festzustellen ist, ob sich das Gefahrereignis während der Versicherungsdauer oder aber vorher oder nachher zugetragen hat. Die hier abgelehnte Absicht163, die vom Versicherten den Nachweis eines Unfalls nicht verlangt, muß daher die Einschränkung machen, daß der Beweis eines Unfalls ausnahmsweise zu führen ist, insoweit es sich um den zu beweisenden Zeitpunkt des Schadensereignisses handelt164. 2. I n der V i e h Versicherung. In der Viehversicherung besteht die Besonderheit, daß die materielle Versicherungsdauer die technische überdauert (§ 127 V V G ) . Endigt nämlich das Versicherungsverhältnis, nachdem das versicherte Tier erkrankt ist oder einen Unfall erlitten hat, so hat die Beendigung auf die Haftung keinen Einfluß, wenn die Erkrankung oder der Unfall den Tod binnen zwei Wochen nach der Beendigung herbeigeführt hat. Der Versicherungsfall wird also gewissermaßen auf den Zeitpunkt der Erkrankung (Unfall) vorverlegt. Der Versicherungsnehmer muß daher nicht nur beweisen, daß die Erkrankung vor der Beendigung eingetreten ist, sondern vor allem auch die Kausalität zwischen der Erkrankung (Unfall) und dem eingetretenen Tod. Ein solcher Beweis kann sehr schwierig sein, so daß die Beweisanforderungen nicht überspannt werden dürfen 165 . 183
Vgl. S. 22 ff. Ritter S. 462, R O H G 5, 91, H G Z 1897, 72, 1909, 134. 165 Vgl. Drube ZVersWiss 23, $9, Bruck Anm. 2 zu § 1 2 7 . Wilhelm S. 12. Es kann in weitem Umfange von dem Wahrscheinlichkeitsbeweis (vgl. S. 68 ff.) Gebrauch gemacht werden. 164
45 Dieser Beweisschwierigkeiten enthoben ist der • Versicherungsnehmer im Falle des § 128 W G . Nach dieser Bestimmung erlischt das Versicherungsverhältnis, wenn das versicherte Tier veräußert wird. Der Versicherer muß aber ausnahmsweise noch weiter haften, wenn der Tod des Tieres während der laufenden Versicherungsperiode oder zwei Wochen nach der Veräußerung eingetreten ist, sofern der Veräußerer dem Erwerber kraft Gesetzes zur Geährleistung verpflichtet ist. Die Beweispflicht beschränkt sich hier also darauf, daß das Tier infolge eines Hauptmangels im Sinne des § 482 B G B und der Kaiserlichen Verordnung vom 27. März 1899 binnen zwei "Wochen seit der Veräußerung verendet ist oder getötet werden mußte und daß der Versicherungsnehmer dem Käufer des Tieres gegenüber zur Gewährleistung verpflichtet ist 160 . Hält man sich vor Augen, daß diese gesetzliche Vermutung auf Erfahrungen der Praxis beruht, dann werden die Gerichte kaum fehlgehen, wenn sie den dieser Vermutung zugrunde liegenden Erfahrungssatz auch in dem vorher erörterten Fall des § 127 V V G bei der Beweiswürdigung in weitem Umfange Rechnung tragen, wenn sich auch eine analoge Anwendung wohl verbietet.
3. I n d e r H a f t p f l i c h t v e r s i c h e r u n g . In der Haftpflichtversicherung besteht die Merkwürdigkeit, daß der Versicherungsfall nicht notwendig innerhalb der materiellen Versicherungsdauer zu liegen braucht, um eine Haftpflicht des Versicherers zu begründen. In ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts167 ist Versicherungsfall in der Haftpflichtversicherung nicht das Schadensereignis, das den unter Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch begründet, sondern erst die Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers wegen des Schadensfalles. Es müßte daher eigentlich auch der Zeitpunkt der Inanspruchnahme entscheiden, ob der geltend gemachte Anspruch in die materielle Versicherungszeit fällt. In gleichfalls ständiger Rechtsprechung hat sidi das Reichsgericht indes auf den Standpunkt gestellt, daß für die Frage des Versicherungsschutzes in zeitlicher Hinsicht nicht die Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers, sondern vielmehr das Schadensereignis maßgebend ist. Der Versicherer haftet mithin nicht, wenn das Schadensereignis vor Beginn der Versicherungszeit liegt und der Versicherungsnehmer nach dem Beginn in Anspruch genommen wird. Entsprechend muß er haften, wenn das Schadensereignis in die Ver166
Ebenso Wilhelm S. 12, Bruck Anm. 4 zu § 128. R G Z 114, 1 1 9 ; 136, 3 7 j ; 144, 167; IJO, 49, 227. R G 2$. n . 1932 J R P V 1933, 202. 27. 4. 1934 Warn. Reditspr. 1934 Nr. 160, 27. 7. 1936 J R P V 1936, 278 = J W 1936, 2978 = H R R 1936 Nr. 1*29, Schack S. 177, zuletzt R G 24. 2. 1939 D J 1939, 873. A. A. Prölß Anm. 2 zu § 153, Bornemann J R P V 1935, 53, Ehrenberg WuR 1927, 169ff., Durst J R P V 1933, 35, Winkler J R P V 1933, 103, 104, OLG Düsseldorf 16. 6. 1932 J R P V 1933, 1 1 . 1,7
46 sidierungszeit fällt, der Haftpflichtansprudi gegen den Versicherungsnehmer aber erst nach Ablauf geltend gemacht wird 168 . Will daher der Versicherungsnehmer Ansprüche gegen den Haftpflichtversicherer stellen, liegt ihm der Beweis ob, daß das Schadensereignis in die materielle Versicherungszeit fällt 169 . 4. I n d e r R ü c k w ä r t s v e r s i c h e r u n g . In der Rückwärtsversicherung liegt der materielle und technische Versicherungsbeginn vor dem formellen. Dieser Tatbestand ist von demjenigen zu beweisen, der Rückwärtsversicherung behauptet170. So ist der Versicherungsnehmer beweispflichtig, wenn er Ansprüche aus dem früher eingetretenen Versicherungsfall geltend macht, der Versicherer, wenn er für die vor dem Vertragsabschluß liegende Zeit Prämien verlangt. Der Prämienanspruch des Versicherers entfällt, wenn er bei Schließung des Vertrages wußte, daß die Möglichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls ausgeschlossen war, während der Versicherungsnehmer seines Entschädigungsanspruchs verlustig geht, wenn er bei Schließung des Vertrages von dem bereits eingetretenen Versicherungsfall Kenntnis hatte (§ 2 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 V V G ) . Streitig ist die Frage, wer in diesen beiden Fällen die Beweislast für die Kenntnis trägt, ob nämlich der Ansprucherhebende seine Nichtkenntnis oder der Gegner die Kenntnis als Einwendung zu beweisen hat. Soweit es sich um die Kenntnis des Versicherungsnehmers handelt, ist die „Leistungsfreiheit" des Versicherers an die Kenntnis des Versicherungsnehmers geknüpft, so daß also der Versicherer, der sich auf die Leistungsfreiheit beruft, für die Voraussetzung dieser Rechtsfolge, nämlich die Kenntnis des Versicherungsnehmers, beweispflichtig ist. Im übrigen handelt es sich hier auch um einen Ausnahmetatbestand. Der Regelfall ist der, daß keine Rückwärtsversicherung abgeschlossen ist. Ist von einer der Parteien nachgewiesen, daß im Einzelfall eine Rückwärtsversicherung vereinbart ist, liegt grundsätzlich der materielle und technische Beginn der Versicherung vor dem formellen. Dieser Grundsatz ist durch die Ausnahme durchbrochen, daß der Versicherungsnehmer von dem bereits eingetretenen Versicherungsfall Kenntnis hatte, so daß also der Versicherer, der diesen Ausnahmetatbestand geltend macht, für diesen beweispflichtig ist. Aus dem gleichen Gesichtspunkt muß der Versicherungsnehmer dem Versicherer nachweisen, daß dieser von der Unmöglichkeit des 163 R G 17. 7. 1936 J R P V 1936, 278 = J W 1936, 2978, R G 2 j . 5. 1 9 3 7 J R P V 1 9 3 7 , 200. — Nadi dem R G ergibt sich dies aus § 149 V V G , wenn es dort heißt: „ A u f Grund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache", ebenso aus § 1 5 2 V V G , der den Ausdruck „Tatsache" in dem gleichen Sinne verwendet ( R G J R P V 1936, 278). 1,9 Unrichtig Bruck Anm. 1 1 zu § 1 5 3 V V G , wenn nach seiner Ansicht der Versicherungsfall nach dem materiellen Verskherungsbeginn eingetreten sein muß. 170 Bruck Anm. j zu § 2 W G .
47 Eintritts des Versicherungsfalls bei Schließung des Vertrages gewußt habe, denn auch er macht damit einen Ausnahmetatbestand geltend. Diese Beweislastverteilung entspricht auch der herrschenden Meinung 171 . Streitig ist häufig die Frage, ob nach dem Vertragswillen beider Parteien eine Zurückbeziehung der Versicherung gewollt war. Da eine gesetzliche Vermutung nicht aufgestellt ist, löst sich diese Frage nur durch Auslegung des Vertrages. Wenn auch keine gesetzliche Vermutung besteht, wird der Richter davon ausgehen können, daß mangels eines bestimmten Anhalts für das Gegenteil, die größere Wahrscheinlichkeit zugunsten der auf die Zukunft, nicht der auf die Vergangenheit gerichteten Versicherung spricht172. Diese Erwägung darf jedoch nur im Rahmen der Beweiswürdigung Verwendung finden. Durch sie unberührt bleibt die Verteilung der Beweislast 173 . Soweit es sich um die Auslegung des Vertrages handelt, wird von ausschlaggebender Bedeutung der Inhalt des Versicherungsscheins sein. Nach ihm fallen regelmäßig der technische und materielle Versicherungsbeginn auseinander, da wohl alle A V B , die als Bestandteil des Versicherungsscheins zum Vertragsinhalt geworden sind, die Bestimmung enthalten, daß der Versicherungsschutz erst mit der rechtzeitigen Zahlung der ersten Versicherungsprämie beginnt. Diese Spaltung zwischen materiellem und technischem Versicherungsbeginn ist aber praktisch aufgehoben, wenn schlechthin der Versicherungsbeginn im Versicherungsschein auf einen früheren Zeitpunkt bestimmt ist. Denn der unbefangene Versicherungsnehmer wird unter diesem Versicherungsbeginn den Beginn des Versicherungsschutzes verstehen und nicht, wie es die Versicherer wohl beabsichtigen, den technischen Versicherungsbeginn. Der Versicherungsnehmer hat nämlich kein Interesse an der Festsetzung des Versicherungsbeginns im Sinne des Laufes der Prämie, er hat aber ein großes Interesse an dem Beginn des Versicherungsschutzes. Daß der Versicherungsnehmer den Versicherungsbeginn so verstehen wird, muß der Versicherer gegen sich gelten lassen. Ist daher in einem Versicherungsschein der Versicherungsbeginn schlechthin auf einen früheren Zeitpunkt bestimmt, ist eine Rückwärtsversicherung im Sinne des § 2 V V G gegeben174. Der frühzeitige Versicherungsschutz tritt jedoch nur unter der Voraussetzung in Kraft, daß der Versicherungsnehmer seine Prämie rechtzeitig bezahlt. Andernfalls könnte der Versicherer seine Leistungsfreiheit aus § 38 V V G herleiten175. 171 Gerhard-Hagen, Anm. I J zu § 2 V V G , Kisch 2, 127, Schneider S. 86. A . A . Wilhelm S. 9, xo. 172
Kisch 2, i 2 i , Bruck Anm. 5 zu § 2 V V G , Wilhelm S. 9.
173
Kisch 2, i 2 i , Wilhelm S. 9.
174
So R G 17. 1 1 . 1936, J R P V 1937, 5 zustimmend Loppuch J R P V 1937, 51, 2J4. R G 25. 1 1 . 1 9 3 2 J W 1 9 3 3 , 7 6 1 . Eine Auslegung als „vorläufige Deckungszusage" hat das R G noch als Eventualbegründung angeführt ( J R P V 1937, $), vgl. auch R G 2 j . 5. 1 9 3 7 J R P V 1 9 3 7 , 200. 175
Vgl. R G J R P V 1937, 200.
48
4. A b s c h n i t t :
Versicherungsort und Beweislast. I. Der Begriff des Versicherungsortes und die grundsätzliche Beweislast. Unter dem Versicherungsort ist die Beschränkung der Versicherung auf einen vertraglich festgelegten Ort zu verstehen. Der Versicherer befriedigt den entstandenen Bedarf nur dann, wenn sich das den Bedarf auslösende Ereignis an dem vertraglich festgelegten Ort abgespielt hat 176 . Macht daher der Versicherungsnehmer gegen den Versicherer Ansprüche geltend, muß er, ebenso wie er die Beweislast in zeitlicher, ursächlicher und gegenständlicher Beziehung trägt, beweisen, daß sich der Versicherungsfall am Versicherungsort ereignet hat. II. Die Abgrenzung des Versicherungsortes von anderen versicherungsrechtlichen Begriffen und ihre Bedeutung für die Beweislast. i. D i e M ö g l i c h k e i t e n der B e w e i s l a s t v e r t e i l u n g . Im Einzelfall kann es zweifelhaft sein, ob eine Regelung des Versicherungsortes vorliegt. Diese Frage ist, wie die Rechtsprechung zur Einbruchdiebstahl- und Juwelenversicherung zeigt, von ausschlaggebender Bedeutung für die Frage der Beweislast. Die Rechtsprechung hatte sich mit folgenden Bedingungen zu befassen: „Die Versicherung ist dadurch bedingt, daß die versicherten Gegenstände sorgfältig aufbewahrt und behandelt und wenn sie nicht getragen, unter Versdiluß gehalten werden." 177 „Die Ersatzpflicht der Gesellschaft ist dadurch bedingt, daß . . . 2. die Versicherungsräumlichkeiten außerhalb der Geschäftszeit stets ordnungsgemäß verschlossen gehalten werden, 3. die Versicherungsräumlichkeiten mit vorstehend genannten Sicherheitsvorrichtungen versehen sind, letztere in gutem Zustand erhalten und . . . stets in Anwendung gebracht werden." 178 Diese Bedingungen haben in der Rechtsprechung keine einheitliche Auslegung gefunden. Ohne nähere Begründung ist das „bedingt" dahin ausgelegt, daß der Versicherungsschutz schon bei objektivem Verstoß gegen die Sicherheitsvorschriften entfallen soll17". Andere Entscheidungen haben die Sicherheitsvorschriften als Obliegenheit 176 Bruck S. 371, Prölß J R P V 1933, 182. Nach Prölß fällt der Versicherungsort unter den weiten Begriff der objektiven Risikobesdiränkungen. 177 Z. B. R G Z 121, 158 = J W 1928, 173$, K G J R P V 1928, 45. 178 Z. B. R G J W 1922, 100. 179 K G J R P V 1928, 45, 46.
49 aufgefaßt 180 . Ferner ist die Ansicht vertreten worden, daß es sich um eine Erweiterung des § 61 V V G handelt, indem schon leichte Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers die Leistungsfreiheit des Versicherers begründen soll 181 . Schließlich ist noch eine Auslegung denkbar, die in dem Behältnis die Festlegung eines Versicherungsortes und in dem Unterverschlußhalten eine Obliegenheit erblickt. Sind die Abreden aufschiebende Bedingungen, müßte der Versicherungsnehmer beweisen, daß die Bedingungen eingetreten sind182. Stellen sie Obliegenheiten dar, müßte der Versicherer ihre Verletzung dartun 183 , während dem Versicherungsnehmer der Beweis der Schuldlosigkeit obläge 184 . Legt man sie als Erweiterung des § 61 V V G aus, müßte der Versicherer sowohl den objektiven Tatbestand, auf den sich seine Leistungsfreiheit begründet als auch ein Verschulden des Versicherungsnehmers nachweisen185. Sieht man in dem Behältnis die Bestimmung eines Versicherungsortes, müßte der Versicherungsnehmer beweisen, daß die Sachen aus den Behältnissen gestohlen sind. Ist dem Versicherungsnehmer dieser Beweis geglückt, wäre der Versicherer gleichwohl leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer nachweisen kann, daß er das Behältnis nicht unter Verschluß gehalten hat, es sei denn, daß der Versicherungsnehmer den Nachweis der Schuldlosigkeit oder daß die Obliegenheitsverletzung für den Eintritt des Versicherungsfalls nicht ursächlich gewesen ist, erbringen könnte. Bei der Auslegung solcher Bestimmungen wird es nicht immer entscheidend auf den Willen der Parteien ankommen, weil dieser dann bedeutungslos ist, wenn die Vereinbarung mit zwingenden gesetzlichen Bestimmungen in Widerspruch steht186. Auf den Willen der Vertragsparteien kommt es erst dann an, wenn feststeht, daß die betreffende Frage nicht bereits zwingend, also unabdingbar, durch das Gesetz geregelt ist. Zu solchen zwingenden Bestimmungen gehört die gesetzliche Regelung über die Obliegenheiten 187 . Enthalten daher die hier auszulegenden Bestimmungen der A V B Sachverhalte, die der Gesetzgeber als Obliegenheiten geregelt wissen wollte, wäre damit die Beweislastfrage ohne weiteres im Sinne der gesetzlichen Regelung über die Obliegenheiten entschieden, ohne daß es noch auf den Vertragswillen der Parteien ankäme. 180 RG JW 1922, 100, KG V A 1918 Anhg. 74 V A 1920 Anhg. 80, 81, OLG Karlsruhe V A 1914 Anhg. $8. 181 RG 121, 158 (Revisionsentsch. zu KG JRPV 1928, 4$), RG JRPV 1927. 76, OLG Köln JRPV 1930, 321 und Prax. 1928, 170. 182 Prölß JRPV 1933, 182. 183 Bruck Anm. 8 zu § 6, Prölß JRPV 1933, 182, RG JRPV 1927, 40, OLG Hamburg 21. 6. 1911 LZ 1912, 247, OLG Jena 14. 7. 1909 LZ 1909, 9$6. 184 Bruck Anm. 8 zu § 6 V V G , Prölß JRPV 1933, 182, RG 30. j. 1924 V A 1926, 150 Nr. 1499, 18. 1. 1927 JRPV 1927, 40. 185 Bruck Anm. 19 zu § 61 V V G , Prölß JRPV 1933, 182, OLG Düsseldorf 1$. 2. 1927 HansRGZ A 1928, 109, OLG Stettin 18. 6. 1928 JRPV 1928, 246, RG 13. 12. 1927 JW 1928, 554. 180 Möller JRPV 1934, jo, derselbe OeffV 1932, 36, Prölß JRPV 1933, 182, Bruck Anm. 3 zu § 32. 187 Vgl. die §§ 6 Abs. 3, 16, 31, 32 V V G .
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50 2. B e g r i f f l i c h e A b g r e n z u n g zwischen V e r s i c h e r u n g s o r t und Obliegenheit. Der Versicherungsort ist gesetzlidi nicht geregelt. Der Gesetzgeber hat solche Bestimmungen bewußt der freien vertraglichen Vereinbarung überlassen, wenn es in der Begründung zum V V G heißt 188 : „Auf vertragsmäßige Beschränkungen der Versicherung . . . kann sich der Versicherer selbstverständlich . . . berufen. Das gilt namentlich von Vereinbarungen, nach welchen der Versicherer bei der Versicherung beweglicher Sachen nur für solche Schäden haftet, von welchen die Sachen an bestimmten Orten betroffen werden." Es gibt keine gegenteilige Meinung im Schrifttum oder in der Rechtsprechung, die eine solche vertragliche Beschränkung für einen bestimmten Versicherungsort für nicht zulässig hält. Bedenkenfrei ist eine solche Regelung aber nur dann, wenn wirklich nur der Versicherungsort geregelt wird und nicht etwa eine Obliegenheit in das unzulässige objektive Gewand eines Versicherungsortes gekleidet wird 189 . Wie bereits ausgeführt, ist diese Frage von einschneidender Bedeutung für die Beweislastverteilung. Schon in einer älteren Entscheidung hat das Reichsgericht richtungweisend ausgeführt, daß der Versicherer den Anspruch auf die Versicherungsentschädigung von rein objektiven Gesichtspunkten abhängig machen dürfe, „nur dürften diese Umstände nicht in Handlungen oder Unterlassungen bestehen, welche den Gegenstand von . . . Obliegenheiten des Versicherungsnehmers bilden" 190 . Die Frage wäre nicht schwer zu entscheiden, wenn Klarheit über den Begriff der Obliegenheit, insbesondere seine Abgrenzung von dem Begriff des Versicherungsortes bestände. Erschwert wird sie durch die Tatsache, daß weder der Begriff der Obliegenheit noch der des Versidierungsortes gesetzlich geregelt ist. Nach der herrschenden Meinung liegt eine Obliegenheit vor, wenn dem Versicherungsnehmer ein Verhalten auferlegt ist, dessen Erfüllung nur im eigenen Interesse des Versicherungsnehmers liegt 191 . Gegen diese Begriffsbestimmung wendet sich Prölß 192 mit der Begründung, daß es eine rein objektive Tatsadie nicht gebe. Nach seiner Auffassung wirke immer ein gewisses Verhalten des Versicherungsnehmers mit. Da es aber kein Verhalten gebe, das nicht Gegenstand einer Obliegenheit sein könne, so sei eine vertragliche Abgrenzung auf dieser Grundlage nicht möglich. 188
Gerhard-Hagen S. 327, vgl. audi bei Prölß J R P V 1 9 3 3 , 183. Vgl. zu dieser Frage im einzelnen Möller J R P V 1 9 3 4 , 49 ff., derselbe VersPraxis 193 j, 44 ff., derselbe O e f f V 1 9 3 4 , 80 ff., Lötsdi S. 47 ff. 180 R G J W 1922, 100. Diese Entscheidung ist in fast alle Kommentare übergegangen. Raiser Anm. 4 zu § 7, Bruck Anm. 3 zu § 37 W G , ablehnend allein Prölß Anm. 3 zu § 6 V V G . 1,1 Möller VersPraxis 1 9 3 $ , 44 ff., derselbe J R P V 1 9 3 4 , jo, Lötsdi S. 47 ff. m Prölß J R P V 1 9 3 3 , 183, 184, derselbe Anm. 3 zu § 6 W G . 189
51 An dieser Ansicht ist richtig, daß in der Tat auch bei der Frage des Versicherungsortes ein Verhalten des Versicherungsnehmers insofern mitspielt, als es seine Sache ist, ob er eine versicherte Sache an dem Versicherungsort beläßt (auch ein Unterlassen ist ein Verhalten) oder sie erst dorthin schafft. Tatsächlich trifft also die für die Obliegenheit gegebene Begriffsbestimmung auch auf den Versicherungsort zu. Audi die weiteren Begriffsmerkmale einer Obliegenheit, daß nämlich die Einhaltung des Versicherungsortes allein im Interesse des Versicherungsnehmers liegt und der Versicherer nur an der Auferlegung, nicht aber an der Erfüllung ein Interesse hat, sind gegeben. Diese Schwierigkeiten können nicht dadurch überwunden werden, wie Prölß 193 meint, daß von einer Bestimmung des Versicherungsortes die Rede sei, wenn es heiße: „Sind nur versichert, wenn . . .", während eine Obliegenheit in Frage komme, wenn die Fassung „der Versicherer ist von der Leistung frei" gewählt sei. Denn danach wäre der Vertragswille der Parteien entscheidend, der aber eben dann bedeutungslos ist, wenn zwingende Gesetze dadurch zum Nachteil des Versicherungsnehmers abbedungen werden. Aus dem gleichen Grunde können auch daraus keine Schlüsse gezogen werden, ob die Bestimmung räumlich unter anderen objektiven Risikoausschlüssen oder etwa unter anderen Obliegenheiten steht194. Geht man davon aus, daß zum Inkrafttreten der Versicherung in räumlicher Beziehung immer ein Verhalten des Versicherungsnehmers mitwirkt, aber dieses Verhalten keine Obliegenheit darstellt, dann läßt sich die Abgrenzung zwischen den Begriffen Versicherungsort und Obliegenheit finden, wenn man in allen übrigen Verhaltungsnormen eine Obliegenheit erblickt. Als Beispiel mag die Bargeldklausel in der Einbruch-DiebstahlVersicherung dienen. Nach dieser Klausel ist Bargeld nur dann versichert, wenn es sich in verschlossenen Behältnissen befindet. Das Behältnis stellt hier also den Versicherungsort dar, während das „Unterverschlußhalten" eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers zum Inhalt hat. Befindet sich das Bargeld nicht in einem Behältnis, fällt jegliche Haftung des Versicherers fort, einerlei, ob der Versicherungsnehmer dartun könnte, daß ihn daran kein Verschulden trifft. Dieses vielleicht als Härte aufzufassende Ergebnis finden wir bei jeder Bestimmung des Versicherungsortes195. Will also der Versicherungsnehmer Ansprüche stellen, muß er beweisen, daß das Bargeld aus einer Kassette gestohlen ist. Ein solcher Beweis ist allerdings schwer zu führen. Wie auch in anderen versicherungsrechtlichen Beweisfragen muß es dem Richter im Einzelfall überlassen bleiben, welche Beweisanforderungen zu stellen sind196. 193
Prölß S. 1 8 7 (Anm. 3 zu § 3 der Einbruch-Diebstahl A V B . ) . Prölß Anm. 2 zu § 6 V V G . Ist die Einbruchs-Diebstahl-Versicherung auf die Wohnung a räumlich beschränkt, werden die versicherten Sachen aber aus der Wohnung b gestohlen, besteht keine Ersatzpflicht des Versicherers, auch wenn die Wohnung a durch dieselbe Diebesbande völlig leergeräumt wurde. 186 Y g j dj e Ausführungen über den Beweis des Einbruchs auf S. 90 ff. 194 195
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52 Ist dem Versicherungsnehmer dieser Beweis geglückt, dann hat der Versicherer zu beweisen, daß der Versicherungsnehmer die Kassette nicht abgeschlossen gehabt hatte und damit eine Obliegenheitsverletzung begangen hat. Der Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers bleibt gleichwohl bestehen, wenn dieser demgegenüber nachweisen kann, daß er an dem Unverschlossensein des Behältnisses schuldlos war oder daß seine Unterlassung für den Eintritt des Versicherungsfalles nicht ursächlich gewesen ist (§§ 6 Abs. i , 32 V V G ) .
5. Abschnitt:
Versicherungsschaden und Beweislast. I. Grundsatz. Für die Entstehung eines ersatzpflichtigen Schadens, der die Negation des Interesses infolge Verwirklichung der vom Versicherer getragenen Gefahr ist, trägt grundsätzlich der Versicherungsnehmer als der Ansprucherhebende die Beweislast. Regelmäßig kann der Versicherungsnehmer den ganzen Schaden erstattet verlangen. Ebenso wie aber das Risiko des Versicherers dadurch verringert werden kann, daß die versicherten Interessen und Gefahren begrenzt werden, ist eine Einschränkung ferner dadurch möglich, daß aus dem an und für sich zu ersetzenden Schaden einzelne besonders umschriebene Arten herausgelöst werden, für die der Versicherer von der Ersatzpflicht befreit wird 197 . Ein solches Bedürfnis zur Einschränkung des ersatzpflichtigen Schadens besteht namentlich im Seerecht, weil der Seeversicherer grundsätzlich alle Gefahren der Seeschiffahrt trägt. Insbesondere aus Gründen der Prämienersparnis gibt es daher zahlreiche Klauseln, die den zu ersetzenden Schaden begrenzen. Die Art der Begrenzung kann verschieden sein. Sie kann entweder qualitativ den zu ersetzenden Schaden auf bestimmte Schadensfälle, wie beispielsweise durch die Totalverlustklausel auf den Totalverlust beschränken oder aber quantitativ bestimmen, daß ein gewisser Teil des Schadens vom Versicherungsnehmer selbst zu tragen ist 198 . Sind solche Einschränkungen für den Ersatz des Schadens festgelegt, so ist der Versicherungsnehmer dafür beweispflichtig, daß der 197
V g l . Möller C i f S . 9 1 . V g l . im einzelnen hierzu Möller C i f S . 9 3 . A l s qualitativ einschränkende Klausel ist namentlich die Klausel „ f r e i von Beschädigung" (§ 1 1 3 A D S ) mit ihren Abarten, besonders der Klausel „ f r e i von Beschädigung außer im Strandungsfall" (§ 1 1 4 A D S ) zu nennen. — Den Schaden quantitativ einschränkende Klauseln finden w i r häufig auch in der Binnenversidierung, und z w a r namentlich dann, wenn die Sorgfaltspflicht des Versicherungsnehmers gesteigert werden soll. S o haben haftpflichtversicherte Rechtsanwälte einen T e i l des Schadens selbst zu tragen. Beispiele aus der Seeversicherung bieten namentlich die Franchise-Klauseln (§ 1 1 7 , § 1 1 8 A D S ) V g l . dazu Möller C i f S . 93 ff. und Ritter S. 1 2 9 7 ff. 1,8
52 Ist dem Versicherungsnehmer dieser Beweis geglückt, dann hat der Versicherer zu beweisen, daß der Versicherungsnehmer die Kassette nicht abgeschlossen gehabt hatte und damit eine Obliegenheitsverletzung begangen hat. Der Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers bleibt gleichwohl bestehen, wenn dieser demgegenüber nachweisen kann, daß er an dem Unverschlossensein des Behältnisses schuldlos war oder daß seine Unterlassung für den Eintritt des Versicherungsfalles nicht ursächlich gewesen ist (§§ 6 Abs. i , 32 V V G ) .
5. Abschnitt:
Versicherungsschaden und Beweislast. I. Grundsatz. Für die Entstehung eines ersatzpflichtigen Schadens, der die Negation des Interesses infolge Verwirklichung der vom Versicherer getragenen Gefahr ist, trägt grundsätzlich der Versicherungsnehmer als der Ansprucherhebende die Beweislast. Regelmäßig kann der Versicherungsnehmer den ganzen Schaden erstattet verlangen. Ebenso wie aber das Risiko des Versicherers dadurch verringert werden kann, daß die versicherten Interessen und Gefahren begrenzt werden, ist eine Einschränkung ferner dadurch möglich, daß aus dem an und für sich zu ersetzenden Schaden einzelne besonders umschriebene Arten herausgelöst werden, für die der Versicherer von der Ersatzpflicht befreit wird 197 . Ein solches Bedürfnis zur Einschränkung des ersatzpflichtigen Schadens besteht namentlich im Seerecht, weil der Seeversicherer grundsätzlich alle Gefahren der Seeschiffahrt trägt. Insbesondere aus Gründen der Prämienersparnis gibt es daher zahlreiche Klauseln, die den zu ersetzenden Schaden begrenzen. Die Art der Begrenzung kann verschieden sein. Sie kann entweder qualitativ den zu ersetzenden Schaden auf bestimmte Schadensfälle, wie beispielsweise durch die Totalverlustklausel auf den Totalverlust beschränken oder aber quantitativ bestimmen, daß ein gewisser Teil des Schadens vom Versicherungsnehmer selbst zu tragen ist 198 . Sind solche Einschränkungen für den Ersatz des Schadens festgelegt, so ist der Versicherungsnehmer dafür beweispflichtig, daß der 197
V g l . Möller C i f S . 9 1 . V g l . im einzelnen hierzu Möller C i f S . 9 3 . A l s qualitativ einschränkende Klausel ist namentlich die Klausel „ f r e i von Beschädigung" (§ 1 1 3 A D S ) mit ihren Abarten, besonders der Klausel „ f r e i von Beschädigung außer im Strandungsfall" (§ 1 1 4 A D S ) zu nennen. — Den Schaden quantitativ einschränkende Klauseln finden w i r häufig auch in der Binnenversidierung, und z w a r namentlich dann, wenn die Sorgfaltspflicht des Versicherungsnehmers gesteigert werden soll. S o haben haftpflichtversicherte Rechtsanwälte einen T e i l des Schadens selbst zu tragen. Beispiele aus der Seeversicherung bieten namentlich die Franchise-Klauseln (§ 1 1 7 , § 1 1 8 A D S ) V g l . dazu Möller C i f S . 93 ff. und Ritter S. 1 2 9 7 ff. 1,8
53 gerade eingetretene Schaden ersatzpflichtig ist. Aus dem sogenannten Grundsatz der Universalität der Gefahren ist also nicht zu folgern, daß nun der Versicherer auch alle möglichen Schäden tragen müsse, so daß er, wie bei der Beweislast hinsichtlich der Gefahr, beweisen müsse, daß im Einzelfall kein ersatzpflichtiger Schaden vorliege 199 . Ist die Klausel „frei von Bruch außer im Strandungsfall" vereinbart, kann der Versicherte nur Ansprüche stellen, wenn er nachweist, daß der Bruch infolge einer Strandung entstanden ist. Dieser Beweis wird jedoch durch die Vermutung des § 1 1 4 Abs. 1 Satz 2 A D S erleichtert, wonach eine Beschädigung, die durch Strandung entstanden sein kann, im Zweifel als durcli sie verursacht gilt.
II. Ausnahme Es bestehen keine Bedenken dagegen, wenn der Versicherungsnehmer vertraglich von dem Beweis des Schadens und seines Umfangs befreit wird und der Beweis, daß kein ersatzpflichtiger Sdiaden vorliege, dem Versicherer aufgebürdet wird. Einen solchen Inhalt hat die sogenannte Erreichungsklausel: „Die Versicherungssumme ist mit 100% zu bezahlen, wenn das Schiff wegen Seeschadens seinen Bestimmungsort nicht erreicht." Die Bedeutung dieser Klausel darf nicht dahin verstanden werden, daß die Versicherungssumme zu zahlen ist, „falls das Schiff durch Seeschaden untergeht und deshalb nicht ankommt oder falls es infolge Seeschadens kondemniert wird und deshalb nicht ankommt" 200 . Damit wird verkannt, welche Bedeutung die Klausel gerade für die Beweislast hat. Die Hauptbedeutung dieser Klausel liegt gerade darin, daß der Versicherungsnehmer ohne weiteres Zahlung der Versicherungssumme verlangen kann, wenn das Schiff den Bestimmungsort nicht erreicht. Weiterer Beweise durch den Versicherungsnehmer bedarf es nicht, insbesondere also nicht des Nachweises, daß das Schiff untergegangen oder kondemniert ist. Der Beweis des Gegenteils liegt vielmehr dem Versicherer ob. Er muß einwenden und beweisen, daß das Schiff nicht total untergegangen, abandonniert oder kondemniert ist201. 199 Ritter S. 487, 533. In dieser Arbeit ist ja auf S. 21 ff. die Ansicht vertreten, daß der Versicherungsnehmer den Beweis eines Versicherungsfalls auch in der See- und Transportversicherung führen müsse. 200 So H G Z 1900, 176. 101 Ebenso Ritter S.66% 1314, H G Z 1893, 169. Diese Klausel befreit aber nicht von dem Nachweis des Interesses (Sieveking S. 193, H G Z 189$, 257).
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B. Besonderer Teil. 1. Abschnitt:
Versicherungsvertrag und Beweiswürdigung. I. Vorbemerkung. Ähnlich wie in den Arztprozessen ist die Beweisnot eine Eigenart versicherungsrechtlicher Streitigkeiten. Es erschließt sich daher im Versicherungsrecht ein großes Anwendungsgebiet f ü r den Wahrscheinlichkeitsbeweis.
II. Beweiswürdigung im alten Assekuranzprozeß. Unter dem gemeinen Recht gab es in fast allen Staaten besondere „Tribunale" lür „Assekuranzprozesse" 3 1 3 , die ausschließlich f ü r versicherungsrechtliche Streitigkeiten zuständig und besonderen Verfahrensvorschriften unterworfen waren. Bemerkenswert ist die von diesen Tribunalen geübte Beweiswürdigung. Es galt die Besonderheit, daß es in Assekuranzprozessen nicht notwendigerweise eines Beweises nach Maßgabe der starren legalen Beweistheorie bedurfte 3 1 4 . Bereits damals setzte sich also schon das Rechtsgefühl und die Billigkeit durch, nach welchen in Anbetracht der bestehenden Beweisnot unbedingt eine Auflockerung daß sie auch von einem prima-facie-Beweis in Fällen sprechen, die das Reichsgericht ausdrücklich als einen solchen ablehnt. (Vgl. die Rechtsprechung zum Unfall (S. 68, 72, 87 ff.), zum Einbrudidiebstahl (S. 68, 90 ff.) und zur arglistigen Täuschung (S. 97 ff.). Offenbar wird also der Begriff der typischen Geschehensabläufe auch in dem Sinn von hoher Wahrscheinlichkeit gebraucht, zumal das Schrifttum fast ausschließlich auf dem Standpunkt steht, daß sich der prima-facieBeweis neben einer hohen Wahrscheinlichkeit auch auf Billigkeitserwägungen gründe (vgl. Marum S. 15, Locher S. 259, 260, Klopsch S. 20, Ehrlicher S. 1 ff., Leo S. 41 ff.). Ähnlich wie hier Ehrenzweig J W 1929, 85 ff. Er macht den sehr interessanten Versuch einer Grenzziehung zwischen den Fällen, in denen der strenge Wahrheitsbeweis gelten muß und solchen, die dem Wahrscheinlichkeitsbeweis unterliegen. Audi die Ausführungen von Locher S. 24 $ ff. stimmen in weitem Umfange mit der hier vertretenen Ansicht überein. Seine Darlegungen sind allerdings auf den prima-facie-Beweis im Arztprozeß beschränkt. 313 In Hamburg war das „Admiralitätsgericht" zuständig. Vorher mußte die .,gute Mannschaft" angerufen werden, die etwa die Aufgabe einer Sühnestelle hatte (vgl. Benecke 4, 377). In den einzelnen Staaten galt ein summarisches Verfahren (vgl. bei Benecke 4, 377). Dies bestand darin, daß der Versicherer gleich bezahlen mußte. Erst dann wurde der Anspruch gerichtlich ausgeklagt. Diese „provisorische Exekution" fand nicht statt: 1 . wenn der Versicherer Betrug nachweisen konnte, 2. wenn nicht die Verladung und die Ursache des Schadens gehörig erwiesen war, 3. wenn der Versicherer beweisen konnte, daß der Versicherte bei Abschluß des Vertrages vom Unglück bereits gewußt hatte und ähnliche Gründe (vgl. im einzelnen Benecke 4, 581, 584). Solche provisorische Zahlung gab es nicht in Hamburg (vgl. Benecke 4, 585). 311 Voigt S. 765.
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der bestehenden Beweisregeln gefordert werden mußte. So finden wir bereits den bedeutsamen Hinweis, daß die Beweispflichtanforderungen hinsichtlich des Eigentums nicht über die Grenzen ausgedehnt werden dürften, „welche die Billigkeit und der gegenseitige Nutzen vorzeichnete" 315 . Diese Billigkeitserwägungen setzten sich in allen Beweiswürdigungsfragen durch. Es konnte daher in einzelnen Fällen gerechtfertigt sein, „gegründete Mutmaßungen statt der Beweise gelten zu lassen" 316 . Aber auch sonst ist die Rechtsprechung und das Schrifttum der damaligen Zeit sehr lehrreich. Bereits bei Benecke317 finden wir den Hinweis, daß sich darüber, „wie stark die Wahrscheinlichkeit des Betruges sein müßte, um statt eines Beweises gelten zu können, keine allgemeinen Regeln" aufstellen ließen. Der Wahrscheinlichkeitsbeweis hat also in dem früheren Assekuranzprozeß einen sehr bedeutsamen, wenn auch bisher wohl kaum beachteten Vorläufer. Diese Einstellung der Assekuranzgeridite ist um so bemerkenswerter, als sie sich entgegen der damals geltenden gesetzlichen Beweistheorie durchsetzen mußte. III. Beweiswürdigung nach geltendem Recht. i.
Versicherungsnehmerfreundliche Beweis Würdigung? 318
Das Schrifttum führt bereits seit Jahrzehnten berechtigte Klage über die einseitig zugunsten des Versicherungsnehmers eingestellte Rechtsprechung. In erster Linie ist hier die Rechtsprechung zu nennen, die sich mit der Falschbeantwortung von Antragsfragen 319 zu befassen hatte. In auffallender Weise helfen die Gerichte dem Versicherungsnehmer oftmals in der Weise, daß sie die im Antrag vorgedruckte Frage wortwörtlich interpretieren und dann die Feststellung treffen, daß die Frage gar nicht falsch beantwortet ist320. Läßt sich im Einzelfall nicht bestreiten, daß der Antragsteller unrichtige Angaben gemacht hat, stellen die Gerichte in weitherziger Würdigung aller Umstände fest, daß die Fragen ohne Verschulden unrichtig beantwortet sind. Ist auch ein Verschulden im Einzelfall nicht zu leugnen, dann ist § 2 1 V V G der letzte Ausweg, indem die Gerichte feststellen, daß 315
Benecke 2, 18. « Benecke 3, 165. 317 Benecke 3, 166. B. weist noch auf Fälle im Schrifttum hin, in denen die Entscheidung nach dem größeren und dem geringeren Grade der Wahrscheinlichkeit des Betruges teils für die Versicherer, teils gegen sie ausgefallen ist. 318 Petersen S. 4 7 ff., Gottschalk S. I J 2 ff., Bornemann S. 129 ff., Moldenhauer S . $9 ff-, Manes S. 2 7 $ , Prölß J W 1934, 1073 ff., Hellweg ö f f l V e r s 1938, 49 ff. 319 Nach Prölß J W 1934, $9 ff. sollen 30 % aller Rechtsstreitigkeiten allein diese Frage betreffen. ao » Prölß J W 1934, 1093, Hellweg ÖfflVers 1938, 50. 31
79 der nicht oder falsch angezeigte Gefahrumstand den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistung nicht beeinflußt hat. Fechten die Versicherer den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an, dann räumen die Gerichte zwar häufig ein, daß die Angabe im Antrag unrichtig und daß sich der Versicherungsnehmer dieser Unrichtigkeit auch bewußt gewesen sei, halten aber ebenso oft für nidit erwiesen, daß sich der Antragsteller auch bewußt gewesen sei, die Kenntnis des verschwiegenen Umstandes könne den Entschluß des Versicherers beeinflussen321. Wenn das Gericht davon ausgeht, daß der Versicherungsnehmer drei Formularfragen wissentlich falsch beantwortet hat, und zwar unrichtig verneint hat, an Geschlechtskrankheiten, insbesondere Syphilis gelitten, Quecksilber und Jod gebraucht und außer den deklarierten Ärzten noch andere Ärzte zu Rate gezogen zu haben, und wenn ferner feststeht, daß die Kur gerade abgeschlossen war, dann ist es unbegreiflich, daß bei solchem Sachverhalt eine Arglist des Versicherungsnehmers verneint wird 322 . Ebenso bezeichnend ist es, wenn in einer Entscheidung323 zur Frage der Brandstiftung ausgeführt wird, daß die Ansicht der Zeugen und Sachverständigen auf Schlußfolgerungen beruhten, die sie aus ihren nach der Entdeckung des Brandes oder in einem noch späteren Zeitpunkt gemachten Wahrnehmungen gemacht hätten, und daraufhin das Vorliegen einer Brandstiftung mit der Begründung abgelehnt wird, daß diese Schlußfolgerungen zwar der Lebenserfahrung entsprächen, sie aber doch nicht zwingend seien, da durch eine ungewöhnliche Verkettung von Umständen der Verlauf der Dinge immerhin ein anderer wie gewöhnlich gewesen sein könne. Es bedarf keiner Worte, daß eine solche Entscheidung, die offenkundig den Versicherungsnehmer zu schützen versucht, unhaltbar ist. Solche lediglich auf theoretische Möglichkeiten gegründeten Erwägungen können einem Beweise, der sich auf die Lebenserfahrung stützt, niemals entgegenstehen. In diesem Zusammenhang ist ferner eine Entscheidung des HansOLG 324 zu nennen. Diese Entscheidung ist besonders eindrucksvoll, weil sich das HansOLG zweimal mit derselben Sache zu befassen hatte, das zweite Mal nach Zurückverweisung seitens des Reichsgerichts. Beide Male ist der Versicherer verurteilt worden. Im ersten Urteil hatte das HansOLG die Frage, ob der Versicherungsnehmer Selbstmord begangen hat, für unaufgeklärt angesehen und die Versicherungsgesellschaft als die angeblich beweispflichtige Partei für zahlungspflichtig erklärt. Als dann das Reichsgericht zurück321 Vgl. die bei Petersen ZVersWiss 1932, 47 = J W 1932, 2497 = J R P V 1 9 3 3 , 341 angeführte Rechtsprechung, Prölß J W 1934, 1073 und das dort angeführte Schrifttum und Hellweg ö f f l V e r s 1938, 49 ff. 322 Vgl. R G Z 8i, 14/17. 323 Vgl. R G 1 3 . 1 2 . 1 9 2 9 V A 1930 327 N r . 2078. 324 H a n s O L G 30. 7. 193 j J R P V 1 9 3 6 Z S. j mit einer Anmerkung von Heilmann.
80 verwies, weil der Versicherungsnehmer in der Unfalltodesversicherung f ü r das NichtVorliegen eines Selbstmordes beweispflichtig sei, v e r urteilte das H a n s O L G w i e d e r u m den Versicherer, indem es jetzt f ü r erwiesen ansah, daß der Versicherungsnehmer keinen Selbstmord begangen habe, o b w o h l , u n d das ist das A u f f a l l e n d e , eine neue Beweisa u f n a h m e nicht stattgefunden hat und überdies der V e r d a c h t eines Selbstmordes bestand 3 2 5 . A u s dem großen K r e i s der dem Versicherungsnehmer günstig gesonnenen Entscheidungen 3 2 6 , die noch in beliebiger Z a h l a n g e f ü h r t w e r d e n könnten, soll abschließend noch eine besonders krasse E n t scheidung des O L G C e l l e v o m 1 3 . September 1 9 3 j 3 2 7 genannt werden. A u c h hier handelte es sich um die F r a g e der Brandstiftung. Obgleich sowohl das Schwurgericht als auch das Reichsgericht den Versicherungsnehmer w e g e n vorsätzlicher B r a n d s t i f t u n g verurteilt hatten, hielt das Oberlandesgericht Celle, ohne daß sich neue Tatsachen gegenüber den Feststellungen der Strafgerichte ergeben hatten, eine B r a n d s t i f t u n g f ü r nicht erwiesen. E i n solches Ergebnis ist wirklich ungeheuerlich, w e n n m a n sich v o r A u g e n hält, daß die Beweis-; anforderungen im S t r a f v e r f a h r e n viel strenger sind u n d auch sein müssen als in dem Z i v i l p r o z e ß v e r f a h r e n 3 2 8 3 2 9 . D a ß eine solche Rechtsprechung nicht die Billigung der Versicherer findet, ist allerdings verständlich. Uberzeugender läßt sich nicht die ungleiche Behandlung der Vertragsparteien bei der B e w e i s w ü r d i g u n g dartun, eine Tatsache, die ferner auch dadurch b e k r ä f t i g t w i r d , daß es das Reichsgericht bis 323
Vgl. auch die Anmerkung von Heilmann zur Entscheidung. Siehe auch noch die in Anm. 374 angeführte Entscheidung. 327 O L G Celle 13. 9. 1935 V A 1936, 165 Nr. 2864. 328 In der KG-Entscheidung vom 2 8 . 9 . 1 9 3 5 J R P V 1936, 77 ist von einem hundertprozentigen Beweis im Strafverfahren im Gegensatz zum Wahrscheinlichkeitsbeweis im Zivilprozeßverfahren die Rede. Wegen der weniger strengen Beweisanforderungen im Zivilprozeßverfahren ist es keine seltene Erscheinung, daß der Versicherungsnehmer zwar im Strafverfahren wegen der strengeren Beweisanforderungen freigesprochen, aber mit seiner Entschädigungsklage abgewiesen worden ist (so beispielsweise R G 2. 1 1 . 1937 J R P V 1937, 35$). Audi in dem alten Werk von Benecke (1810) wird schon ein Fall erwähnt, in welchem der Versicherungsnehmer zwar im Strafverfahren freigesprochen, aber gleichwohl vom Zivilgericht in die Zurückzahlung der bereits ausgezahlten Versicherungssumme verurteilt worden ist. Vgl. R G 13. 12. 1929 V A 1930, 327 Nr. 2078 R G 2 . 1 1 . 1 9 3 7 J R P V 1937, 355. K G 1 . 7 . 1 9 3 6 J R P V 1937, 48. In der KG-Entscheidung vom 25. 5. 193$ J R P V 1935, 282 heißt es: „Der Beklagten ist zuzugeben, daß an diesen Beweis im vorliegenden Verfahren nicht die gleichen Anforderungen wie im Strafprozeß zu stellen sind, sondern daß der Beweis des ersten Anscheins ausreichen würde." 386
Vgl. auch § 17 Satz 2 FeuerAVB für die preußischen öffentlichen Anstalten, wonach der Versicherer frei ist, wenn der Versicherungsnehmer wegen vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Brandstiftung oder wegen eines bei Ermittelung der Entschädigung begangenen Betruges rechtskräftig zur Strafe verurteilt ist. Die Bestimmung soll also die öffentlichen Anstalten davor schützen, daß im Zivilprozeß die Anforderungen an ihre Beweispflicht überspannt werden, wie das bedauerlicherweise trotz rechtskräftiger Verurteilung im Strafverfahren geschieht. 329
Vgl. audi OLG Königsberg 2 0 . 3 . 1 9 3 4 , dazu Möller Kernfragen S. 42.
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zum Jahre 1930 überhaupt abgelehnt hat, den Anscheinsbeweis auch zugunsten des Versicherers anzuwenden 330 . Diese dem Versicherungsnehmer günstige Einstellung der Gerichte ist so offenbar, daß das Schrifttum 3 3 1 „ v o n einer in nahezu tendenziöser Weise gegen den Versicherer gerichteten Rechtsprechung" sprechen konnte. Wenn die Rechtsprechung diese Einstellung auch nicht besonders begründet, so sind die Gründe doch zweifelsohne darin zu suchen, daß eine Verurteilung für die kapitalstarken Versicherer weniger fühlbar sein soll, als für den meistenteils kapitalschwachen Versicherungsnehmer, wenn dieser mit seinen Ansprüchen abgewiesen wird 3 3 2 . Man glaubt offenbar, daß der reiche Versicherer einen kleinen Aderlaß vertragen könne. Es ist sicherlich nicht zu verkennen, daß allerdings sehr häufig die Abweisung der geltend gemachten Ansprüche f ü r den Versicherungsnehmer die völlige Existenzvernichtung bedeuten kann 3 3 3 . Dieser Umstand darf die Gerichte aber nur insoweit zu einer milden Beurteilung verleiten lassen, als dadurch nicht schutzwürdige Interessen des Versicherers und der Gefahrengemeinschaft, wie noch auszuführen ist, verletzt werden. 2. E i n e i n d i v i d u a l i s t i s c h z u g u n s t e n des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s e i n g e s t e l l t e B e w e i s w ü r d i g u n g ist abzulehnen. Die Gerichte 334 scheinen unter dem Eindruck zu stehen, daß Versicherungsunternehmungen wirtschaftliche Betriebe der üblichen A r t darstellen, deren Hauptzweck auf Erzielung von Gewinn gerichtet ist. Eine solche Betrachtungsweise ist indes sehr oberflächlich. Sie klebt an dem einzelnen Versicherungsvertrag und übersieht, daß dieser nur denkbar ist im Rahmen einer Vielheit von Verträgen. Das Versicherungsgeschäft ist notwendig Massengeschäft 335 . Das Versicherungsunternehmen ist nicht kapitalistischer Wirtschaftsträger, der durch möglichst vorteilhaften Güteraustausch aus jedem Geschäft Gewinn zu ziehen trachtet, sondern vielmehr Treuwalter des durch die Gefahrengemeinschaft aufgebrachten Vermögens. Wenn aber das Versicherungsunternehmen nur Repräsentant der Gefahrengemeinschaft ist, dann ergibt sich daraus die Haltlosigkeit der Rechtsprechung, die dem einzelnen vielleicht kapitalschwachen Versicherungsnehmer gegenüber dem kapitalstarken Versicherer schützen will. Jede Leistung an einen Versicherungsnehmer, 330 Vgl. R G 18. i i . 1930 R G Z 130, 263 = J R P V 1930, 4 2 7 = V A 1 9 3 1 S. 264 N r . 2220 = J W 1 9 3 1 S. 1026. 331 Vgl. bei Möller Kernfragen S. 38 Note 8 und bei Manes S. 343. 332 Vgl. Haasen J R P V 1928, 33, Hellweg ÖfflVers 1938, 50. 333 y g L j j g Ausführungen zum Alles-oder-Nichtsprinzip S. 1 1 . 334 Y g [ 2 u m folgenden insbesondere Kisch ZVersWiss 1 9 3 5 , 277 ff., Petersen S . 4 7 , Prölß J W 1934, 1073 ff., Hellweg ÖfflVers 1938, 49. 336 Kisch ZVersWiss 193 j, S. 279, 280.
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82 die mit dem Gemeinschaftsgedanken der Versicherung nicht in Einklang steht, beschwert daher alle übrigen Gemeinschaftsmitglieder. Der einzelne Versicherungsvertrag ist eben nur ein Glied in der endlosen Kette von Versicherungsverträgen336. Er darf daher nicht gesondert, sondern nur als ein Bestandteil einer Gruppe von zusammenhängenden Verträgen gewürdigt werden. Diese Forderung richtet sich nicht nur gegen die Versicherer, sondern insbesondere auch an die Gerichte. In diesem Zusammenhang muß neben dem Gemeinsdiaftsgedanken noch ein wichtiger Grundpfeiler der Versicherung, nämlich die Versicherungstreue, erwähnt werden. Nur wenn sich die Gerichte die Bedeutung der Versicherungstreue vor Augen halten, kann ein bestimmtes Verhalten, sei es des Versicherers oder des Versicherungsnehmers, richtig gewürdigt werden. Wenn die Gerichte immer beachtet hätten, daß die Versicherung ohne strenge Beachtung dieser Treue nur Stückwerk sein muß, hätte sich die Rechtsprechung nicht so nachsichtig dem einzelnen Versicherungsnehmer gegenüber zeigen können 337 . Schon ein flüchtiger Blick in die Versicherungstechnik zeigt, daß sich das Versicherungsverhältnis mehr als andere Vertragsarten auf der gegenseitigen Treue von Partei zu Partei aufbaut. Aus versicherungstechnischen Gründen muß der Versicherer genaueste Kenntnis von der Beschaffenheit der individuellen gefahrerheblichen Umstände haben, da er andernfalls nicht die Einstellung der von ihm zu übernehmenden Gefahr in eine bestimmte Gefahrengruppe vornehmen kann. Diese Kenntnis kann er sich aber in der Regel nur durch den Versicherungsnehmer verschaffen, indem er diesen nach den einzelnen Umständen befragt. So hat der Versicherungsnehmer sicherlich die bessere Kenntnis, insoweit sein Interesse und seine Person in Frage steht. Der Versichere* muß sich also unbedingt auf die Richtigkeit der ihm gemachten Angaben verlassen können, wenn nicht überhaupt jede Versicherung in Frage gestellt sein soll. Dieser Treuegedanke ist aber nicht nur einseitig. Auch die Treue, die der Versicherer dem Versicherungsnehmer entgegenzubringen hat, geht über die übliche Vertragstreue hinaus338. In diesem Gedanken gipfelt letzten Endes die Rechtsprechung, die den Versicherer für unvollständige und unrichtige Belehrung durch seine Agenten verantwortlich macht. Auch findet darin die Rechtsprechung ihre Begründung, die mißverständliche Bestimmungen in den Versicherungsbedingungen zuungunsten des Versicherers auslegt. Denn dem Treuegedanken entspricht es, daß sich der erfahrene Versicherer davor 33» Yg]_ insbesondere Bruck Gefahrengemeinschaft S. 1268. 397 Zur Versicherungstreue vgl. im einzelnen Möller Kernfragen S. 3 7 ff., Kiscfa J W 1936, 149, ders. ZVersWiss 1 9 3 5 , 283. Es gibt allerdings auch Stimmen im Schrifttum, die eine solche besondere Versicherungstreue leugnen. Diese A u f fassung ist aber unrichtig, vgl. im einzelnen die Widerlegung von Kisch ZVersWiss «935. 283338 Sehr ausführlich bei Kisch ZVersWiss 1935, 284 ff.
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hüten soll, über den Vertragsinhalt falsche Vorstellungen aufkommen zu lassen 339 . Wenn sich die Rechtsprechung diese Gesichtspunkte zu eigen macht, dann wird sie volksnah und mit dem Rechtsgefühl im Einklang stehen. Der Richter würde gegen diese Grundsätze gröblichst verstoßen, wenn ihn der Gedanke der wirtschaftlichen Machtstellung der Versicherungsunternehmung dazu verleiten würde, dem Versicherten etwas zuzusprechen, was ihm bei Berücksichtigung der Belange der Gemeinschaft nicht gebührt. Der Richter wird bei Zugrundelegung des Gemeinschaftsgedankens und der Versicherungstreue, den beiden großen ethischen Grundpfeilern des Versicherungsverhältnisses, immer dann das richtige Ergebnis finden, wenn er dem einzelnen Versicherten nicht das Versicherungsunternehmen, sondern die Gemeinschaft, in der sich das Versicherungsunternehmen verkörpert, gegenüberstellt 340 . 2. A b s c h n i t t :
Der Versicherungsnehmer als Beweispflichtiger. I. D e r B e w e i s des V e r s i c h e r u n g s f a l l s , i. A l l g e m e i n . Der Hauptanwendungsfall des Wahrscheinlichkeitsbeweises im Versicherungsrecht ist der Beweis des Versicherungsfalls, weil dieser Beweis, wie insbesondere in der Transport- und See-, der Unfallund der Einbruchdiebstahlversicherung, mit kaum überwindlichen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Der Wahrscheinlichkeitsbeweis des Versicherungsfalls zeichnet sich durch die Eigenart aus, daß es sich hier um den Beweis eines vertraglichen Hauptanspruchs handelt. Das Versicherungsverhältnis ist vom Versicherungsnehmer insonderheit zu dem Zweck begründet, um bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses einen Anspruch auf eine geldliche oder geldeswerte Leistung zu erlangen 341 . Weil solche BeKisch ZVersWiss I 9 3 J, 284, 285. Prölß J W 1934, 1074 verlangt, daß das Interesse des einzelnen hinter dem Gemeinschaftsinteresse zurücktreten müsse. 3 4 1 V g l . insbesondere Ehrenzweig Versicherungsrecht S. 300, 301: „Bei dem Beweis des Versicherungsfalls handelt es sich nicht um eine rechtlich regelwidrige Streitsache, sondern um die bestimmungsgemäße Abwicklung eines Vertragsverhältnisses. Das Versicherungsverhältnis ist gerade darum begründet, damit Ereignisse von der A r t des behaupteten Ereignisses Versicherungsdeckung finden. Anders ausgedrückt: Der Versicherungsfall ist im Versicherungsverhältnis eine rechtlich regelmäßige Erscheinung. Darum muß das „non liquet", vor dem der Richter steht, dem Vertragszweck gemäß überprüft werden, also mit rechtlichen Überlegungen. Nach dem Vertragszweck muß es zunächst genügen, wenn der festgestellte äußere Tatbestand erfahrungsgemäß auf die Verursachung durch das im Vertrag bezeichnete Ereignis weist. Das ist der sogenannte Beweis des ersten Anscheins". Ähnlich Bruck S. 646, wenn nach ihm der Eintritt des Versicherungsfalls in dem Versicherungsverhältnis eine durchaus normale Erscheinung ist. 339
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hüten soll, über den Vertragsinhalt falsche Vorstellungen aufkommen zu lassen 339 . Wenn sich die Rechtsprechung diese Gesichtspunkte zu eigen macht, dann wird sie volksnah und mit dem Rechtsgefühl im Einklang stehen. Der Richter würde gegen diese Grundsätze gröblichst verstoßen, wenn ihn der Gedanke der wirtschaftlichen Machtstellung der Versicherungsunternehmung dazu verleiten würde, dem Versicherten etwas zuzusprechen, was ihm bei Berücksichtigung der Belange der Gemeinschaft nicht gebührt. Der Richter wird bei Zugrundelegung des Gemeinschaftsgedankens und der Versicherungstreue, den beiden großen ethischen Grundpfeilern des Versicherungsverhältnisses, immer dann das richtige Ergebnis finden, wenn er dem einzelnen Versicherten nicht das Versicherungsunternehmen, sondern die Gemeinschaft, in der sich das Versicherungsunternehmen verkörpert, gegenüberstellt 340 . 2. A b s c h n i t t :
Der Versicherungsnehmer als Beweispflichtiger. I. D e r B e w e i s des V e r s i c h e r u n g s f a l l s , i. A l l g e m e i n . Der Hauptanwendungsfall des Wahrscheinlichkeitsbeweises im Versicherungsrecht ist der Beweis des Versicherungsfalls, weil dieser Beweis, wie insbesondere in der Transport- und See-, der Unfallund der Einbruchdiebstahlversicherung, mit kaum überwindlichen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Der Wahrscheinlichkeitsbeweis des Versicherungsfalls zeichnet sich durch die Eigenart aus, daß es sich hier um den Beweis eines vertraglichen Hauptanspruchs handelt. Das Versicherungsverhältnis ist vom Versicherungsnehmer insonderheit zu dem Zweck begründet, um bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses einen Anspruch auf eine geldliche oder geldeswerte Leistung zu erlangen 341 . Weil solche BeKisch ZVersWiss I 9 3 J, 284, 285. Prölß J W 1934, 1074 verlangt, daß das Interesse des einzelnen hinter dem Gemeinschaftsinteresse zurücktreten müsse. 3 4 1 V g l . insbesondere Ehrenzweig Versicherungsrecht S. 300, 301: „Bei dem Beweis des Versicherungsfalls handelt es sich nicht um eine rechtlich regelwidrige Streitsache, sondern um die bestimmungsgemäße Abwicklung eines Vertragsverhältnisses. Das Versicherungsverhältnis ist gerade darum begründet, damit Ereignisse von der A r t des behaupteten Ereignisses Versicherungsdeckung finden. Anders ausgedrückt: Der Versicherungsfall ist im Versicherungsverhältnis eine rechtlich regelmäßige Erscheinung. Darum muß das „non liquet", vor dem der Richter steht, dem Vertragszweck gemäß überprüft werden, also mit rechtlichen Überlegungen. Nach dem Vertragszweck muß es zunächst genügen, wenn der festgestellte äußere Tatbestand erfahrungsgemäß auf die Verursachung durch das im Vertrag bezeichnete Ereignis weist. Das ist der sogenannte Beweis des ersten Anscheins". Ähnlich Bruck S. 646, wenn nach ihm der Eintritt des Versicherungsfalls in dem Versicherungsverhältnis eine durchaus normale Erscheinung ist. 339
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weisschwierigkeiten bei dem Nachweis des Versicherungsfalls eine versidierungsrechtlidie Eigenart sind, würde der Sinn und Zweck des Versicherungsvertrages vereitelt werden, wenn die Ansprüche des Versicherungsnehmers häufig deswegen versagt werden müßten, weil dieser nicht den sicheren Beweis hinsichtlich der Verursachung eines eingetretenen Ereignisses erbracht hat. Mit Recht hat das Kammergericht342 einmal darauf hingewiesen, daß bei einer Uber Spannung der Beweisanforderungen „der Versicherungsschutz" entwerten würde." Von dem Grad der Beweisanforderungen wird es also abhängen, ob der Sinn und Zweck des Vertrages erreicht wird. Gerade dieser Gesichtspunkt des Wertes der Versicherung kann es im Einzelfall rechtfertigen, daß sich die Gerichte mit besonders leichten Beweisanforderungen begnügen dürfen, unter der Voraussetzung allerdings, daß nicht der geringste Verdacht einer Unredlichkeit besteht. Eine solche Beweiswürdigung verstößt nicht gegen die Interessen der Gemeinschaft, weil jeder einzelne selbst daran Interesse hat, nach den milden Beweisanforderungen behandelt zu werden. Wie jeder Kaufmann muß auch der Versicherer darauf bedacht sein, nach Möglichkeit jeden einzelnen Versicherungsnehmer zufriedenzustellen. Ähnliche Gedanken finden wir auch schon bei Benecke343, wenn dort von einer Beweispflicht die Rede ist, die die Billigkeit und den „gegenseitigen Nutzen" vorzeichnet. 2. I n d e r S e e - u n d
Transportversicherung.
Besonders schwer ist der Beweis für den Versicherungsfall in der See- und Transportversicherung344 zu führen, weil die Güter während der materiellen Versicherungsdauer nicht in dem Machtbereich des beweispflichtigen Versicherten sind. Wie oft sind die Gerichte vor die schwierige Frage gestellt, ob überhaupt eine Verschlechterung der Güter während des Transportes eingetreten und worauf diese gegebenenfalls zurückzuführen ist. Dieser Beweisschwierigkeiten sind sich die Gerichte auch bewußt und tragen ihnen vollauf Rechnung, wenn es heißt, „daß diese Wahrscheinlichkeit genügen" müsse und daß in solchen „nicht mehr klar zu ermittelnden Fällen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ein schärferer Beweis vom Versicherten nicht verlangt werden" dürfe, „wie der Senat schon in wiederholten Fällen in Übereinstimmung mit dem Reichsgericht angenommen" 345 habe. 342
KG
27.4.1929
JRPV
1929,
248.
343
Benecke 2, 1 8 . 341 Die folgenden Ausführungen haben auch für die Ansicht Bedeutung, die vom Versicherten nicht den Nachweis eines Versidierungsfalls verlangt. Denn es gilt bekanntlich die A u s n a h m e , daß ein solcher dann bewiesen werden muß, wenn es sich darum handelt, ob das Schadensereignis in die Versicherungszeit fällt. ( V g l . S. 44.) Diese Frage steht aber sehr o f t zur Erörterung. 345
So K G
30. 10. 1 9 2 9 J R P V
1929,
427.
85 Ähnlich lautet eine Entscheidung des Kammergerichts vom 27. 4. 1929 346 , wenn ein „voller Beweis" in Fällen einer solchen Beweisnot nicht gefordert werden könne, da sonst „der Versicherungsschutz entwertet werden würde" und wenn es dann abschließend heißt, daß das Schiff einen Unfall erlitten habe, der „seiner Natur nach wohl geeignet war, mit Wahrscheinlichkeit die Verschlechterung des Roggens herbeizuführen", und daß das Gericht daher annehme, daß die Verschlechterung durch das Eindringen von Feuchtigkeit veranlaßt worden sei," — mag nun die Feuchtigkeit von unten — oder was wahrscheinlicher sei, beim Umladen aus der Luft in die Ware eingedrungen sein". Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich die Gerichte mit einer solchen Beweisführung begnügen. Andernfalls würde eben der Zweck der Transportversicherung sehr oft nicht erreicht werden. 3. a) I n der U n f a l l v e r s i c h e r u n g . In der Unfallversicherung liegt nach § 2 Unfall A V B bekanntlich der Versicherungsfall vor, wenn der Versicherungsnehmer durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet. Beweisschwierigkeiten ergeben sich hier für den Versicherungsnehmer namentlich bei der Frage der Unfreiwilligkeit und der Frage, ob die Gesundheitsbeschädigung durch ein von außen kommendes Ereignis eingetreten ist. a) Kritische Betrachtungen zu einzelnen Entscheidungen. Bemerkenswert für eine sehr weitherzige Beweiswürdigung ist eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. Juli 1936 347 , die sich mit der Frage zu befassen hatte, ob sich der gegen Unfall versicherte Arzt die Infektion während der Berufsausübung und durch eine Hautverletzung zugezogen hatte. Diese Voraussetzungen, für die der Ansprucherhebende beweispflichtig ist, bejahte das Oberlandesgericht. Die Beweisanforderungen dürften nicht überspannt werden, weil der „sichere Nachweis" einer beruflichen Infektion nicht geführt werden könne. Aber andererseits sei die Annahme einer solchen Infektion nicht bloß eine „vage Vermutung". Vielmehr bestehe einmal eine „große Wahrscheinlichkeit" für eine Berufsinfektion und andererseits auch „eine größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Krankheitserreger durch eine Hautverletzung in den Körper eingedrungen" seien348. Eine solche Rechtsprechung, die sich mit größeren Wahrscheinlichkeiten, die tatsächlich kaum mehr als Vermutungen sind, begnügt, ist allerdings sehr bedenklich. Mit Recht hat Locher349 darauf hingewiesen, daß eine überwiegende oder, 346
J R P V 1929, 248. J R P V 1936 Z S. 33. Ähnlich R G 1 1 . 9. 1936 J R P V 1936, 312, wenn es das R G ausreichend sein läßt, daß die Grippe bei einem Arzt, der Grippe- und Anginakranke behandelt, „meist" auf Tropfeninfektion zurückzuführen sei. M " Locher S. 256 Anm. 1. 347
349
86 wie sich das Oberlandesgericht hier ausdrückt, eine größere Wahrscheinlichkeit zum Beweis nicht genügen könne, sondern daß es sich immer um eine hohe oder sehr starke Wahrscheinlichkeit handeln müsse. Eine soldie Rechtsprechung müßte dahin führen, daß jede Infektionskrankheit als Versidierungsfall gewürdigt werden müßte. Damit fiele also praktisch jede Grippe- und Anginaerkrankung eines Arztes unter die Versicherung, was aber dem klaren Wortlaut des Vertrages widerspricht, der nur Infektionen erfassen will, die während der Berufsausübung und durch eine Hautverletzung eingetreten sind. Eine Entscheidung des O L G Karlsruhe vom 22. November 1934 ( V A 1935, 19 Nr. 2767) ist nicht weniger bedenklich. Die Entscheidung hat es zum Beweis des Unfalls für ausreichend angesehen, daß der Versicherungsnehmer aus dem Wagen gefallen und alsbald verstorben war. Hiergegen wird in der Regel nichts einzuwenden sein. Wenn aber ferner eine Herzschwäche des Versicherungsnehmers festgestellt ist, aber nicht feststeht, ob diese vor oder nach dem Herausfallen aus dem Wagen eingetreten ist, dann kann von einer großen Wahrscheinlichkeit eines Unfalls nicht mehr die Rede sein. Damit liegt eine konkrete Tatsache vor, die einen Unfall erheblich in Frage stellt. Es handelt sich nicht, wie das O L G meint, um eine „bloße Möglichkeit", daß das Herausfallen durch die Herzschwäche eingetreten sein könne, sondern um eine konkrete Feststellung, die weit über eine bloße Möglichkeit hinausgeht. Der Sinn und Zweck der Beweislast würde illusorisch, wenn selbst Feststellungen konkreter Art, mögen sie auch keinen Beweis des Gegenteils darstellen, völlig mißachtet werden dürften. In solchen Fällen kann von einer hohen Wahrscheinlichkeit der festzustellenden Tatsache und von einer tatrichterlichen Uberzeugung des Geridits nicht mehr die Rede sein. Stehen sich zwei gleich hohe Wahrscheinlichkeiten gegenüber, kann das Gericht eine Tatsachenfeststellung nicht treffen 350 . Eine solche kann auch nicht damit begründet werden, daß es, wie das O L G meint, nicht „weniger unbillig" sei, wenn dem Versicherer und nicht dem Anspruchsberechtigten der Beweis dafür aufgebürdet würde, ob die Herzschwäche vor oder nach dem Herausfallen aus dem Wagen eingetreten ist. Das würde darauf hinauslaufen, daß die Beweislastverteilung von der Billigkeit im Einzelfall abhängig gemacht würde, ein Ergebnis, das vom Schrifttum mit Recht abgelehnt worden ist. Die Billigkeit darf nur bei der Beweiswürdigung Berücksichtigung finden, dann aber auch nur, wenn daneben eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht. 360 Ehrenzweig Versicherungsrecht S. 302 spricht sich ähnlich f ü r den Beweis des Einbruchdiebstahls aus: „Wenn jeder faßbare äußere Tatbestand fehlt — wenn z. B. bei der Einbruchdiebstahlsversicherung „einschleichen" behauptet wird, dann ist ein „non liquet", nicht weiter überprüfbar. Beide Teile sind vorweg in gleicher Beweislage. Der beweispfliditige Ansprudiswerber ist abzuweisen". Wieviel mehr also, wenn wie hier sogar ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, der gegen einen Unfall im Sinne der A V B spricht.
87 Als Gegenstück mag eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 4. März 1935 ( J W 1935, 2634) genannt werden. Nach dem unstreitigen Sachverhalt war einem Opernsänger auf der Bühne eine 6 cm dicke und 8 cm breite Holzlatte auf die vordere Kopfhälfte gefallen, und er war etwa zehn Tage später an Gehirnkrämpfen verschieden. Die Gehirnkrämpfe waren durch eine mit Blutaustritt verbundene Berstung einer in der Rinde des Vorderhirns vorhanden gewesene geschwulstartige Bildung veranlaßt worden. Die Sachverständigen hatten ihr Gutachten übereinstimmend dahin abgegeben, daß die Berstung einer solchen Geschwulst auch von selbst erfolgen könne. Daraufhin hat das Reichsgericht, obwohl feststand, daß der Verstorbene nach dem Unfall falsch gesungen hatte und eine tagelang dauernde Rötung des Gesichts eingetreten war, entgegen der Ansicht des Vorderrichters den Beweis des Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfall und dem Tod für nicht geführt angesehen. Denn jeder nicht zu behebende „Zweifel", ob der Tod durch den Unfall oder Selbstberstung eingetreten sei, gehe zu Lasten des beweispflichtigen Klägers. Hier ist in aller Deutlichkeit ausgesprochen, daß schon jeder Zweifel, wenn er auf einer festgestellten, nicht bloß theoretischen Möglichkeit beruht, einer Tatsachenfeststellung entgegensteht. Schon diese wenigen Beispiele zeigen, vor wie schwierige Aufgäben der Richter bei der Anwendung des Wahrsdieinlichkeitsbeweises gestellt ist. ß) Insbesondere der Beweis der Unfreiwilligkeit. Es ist bereits ausgeführt, daß der Ansprucherhebende in der Unfallversicherung nach den A V B die Unfreiwilligkeit beweisen muß. Es liegt ihm daher im Einzelfall der Beweis ob, daß sich der Versicherte nicht selbst verstümmelt oder selbst entleibt hat. Für den Fall, daß keine Augenzeugen vorhanden sind, hat das Reichsgericht bestimmte „Beweisregeln" aufgestellt. Diese bestehen darin, daß der Beweis der Unfreiwilligkeit als geführt anzusehen ist, sofern nicht der Versicherer Tatsachen vorbringt, die geeignet sind, den „ernsthaften" Verdacht der Selbstverstümmelung oder des Selbstmordes zu 'begründen. Grundsätzlich braucht also der Ansprucherhebende zum Beweis der Unfreiwilligkeit nicht mehr als die Verletzung oder den Tod nachzuweisen. Erst wenn der begründete ernsthafte Verdacht der Selbstverstümmelung oder des Selbstmordes besteht, sind nach der reichsgerichtlichen Rechtsprechung strenge Beweisanforderungen zu stellen. Die Gerichte haben sich daher, wenn der Versicherer einen solchen Verdacht behauptet, zuerst darüber klar zu werden, ob der geäußerte Verdacht begründet ist. Erst durch diese Vorfrage wird geklärt, ob an die Beweispflicht ausnahmsweise strenge Anforderungen zu stellen sind. Die Gerichte dürfen also nicht in den Fehler verfallen, leichte Anforderungen zu stellen, bevor
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geprüft ist, ob nicht etwaige Verdachtsgründe strenge Beweisanforderungen verlangen 351 . Damit hat das Reichsgericht Beweisregeln aufgestellt, die außerordentlich weitgehend sind. Wenn auch das Reichsgericht immer betont hat, daß die Beweislast bei dem Ansprucherhebenden liegt, so läßt sich doch nicht leugnen, daß diese Beweisregeln einen tiefen Eingriff in das Wesen der Beweislast bedeuten. Die Bedeutung der Beweislast besteht doch gerade darin, daß die Beweislosigkeit, wozu auch jeder Zweifel an dem aufzuklärenden Sachverhalt gehört, zu Lasten der beweispflichtigen Partei geht. Dieser Grundsatz ist aber nach den Regeln des Reichsgerichts stark ins Schwanken geraten, wenn der Beweis der Unfreiwilligkeit als geführt anzusehen ist, solange nicht ein ernsthafter Verdacht der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls besteht, wofür aber der Versicherer beweispflichtig ist. Sind also Einzelheiten über die Ursache des sehadenforingenden Ereignisses unbekannt, ist der Versicherer zu verurteilen. Obgleich also ein völlig unaufgeklärter Sachverhalt vorliegt, muß der Versicherer zahlen. Tatsächlich wirkt sich hier also die Beweislosigkeit zum Nachteil des nicht beweispflichtigen Versicherers aus. Trotzdem kann aber nicht von einer Umkehrung der Beweislast gesprochen werden, weil der Versicherer den Beweis der Unfreiwilligkeit schon dann zu Fall bringt, wenn er nur einen ernsthaften Verdacht der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls nachweisen kann. Der Versicherer braucht also nicht etwa zu beweisen, daß der Unfall absichtlich herbeigeführt ist. Ein bloßer Verdacht könnte für einen solchen Beweis natürlich niemals ausreichen. Das Reichsgericht hat in jüngster Zeit mehrfach darauf hingewiesen, daß diese Beweisregeln nichts mit dem prima-facie-Beweis zu tun hätten, weil hier kein typischer Geschehensablauf vorläge 353 . Vergleichen wir aber die vom Reichsgericht aufgestellten Beweisregeln mit denen des Anscheinsbeweises, dann zeigt sich, daß sie den gleichen Inhalt haben. Wie bereits erwähnt wurde, stützen sich die Regeln für den Beweis des Unfalls ebenso auf die Wahrscheinlichkeit und die Billigkeit wie der Anscheinsbeweis353. Aber auch die praktische Handhabung ist die gleiche. Wenn zur Widerlegung des Änscheinsbeweises die Entkräftung der grundsätzlich bestehenden hohen Wahrscheinlichkeit erforderlich, aber auch ausreichend ist und der Beweis des Unfalls dadurch widerlegt werden kann, daß der Versicherer einen Sachverhalt beweist, nach welchem der ernsthafte Verdacht eines Selbstmordes oder einer Selbstverstümmelung begründet ist, dann ist lediglich die Ausdrucksweise verschieden, der Inhalt aber 351 RG 2 0 . 1 0 . 1 9 3 6 JRPV 1936, 358, 6.11.1934 RGZ 145, 322 = JRPV '934> 376, 2 1 . j. 193$ HRR 1935 Nr. i486, j. 11. 1935 WarnRspr 1936 Nr. 9, 2 8 . 4 . 1 9 3 6 JRPV 1936, 183 = JW 1936, 2 J 3 7 , j. $. 1936 JRPV 1936, 184,
28. 8. 1936 J W 1936, 3234. 3M RG 2 8 . 8 . 1 9 3 6 JRPV 1936, 29J, 363 Vgl. S. 72.
11. 12.
1936
VA
1936, 296
Nr. 2950.
89 der gleiche. In beiden Fällen beruht das Ergebnis doch letztlich auf der Tatsache, daß das Gericht von der festzustellenden Tatsache nicht mehr „überzeugt" sein kann, wenn im Einzelfall konkrete Tatsachen feststehen, die der grundsätzlich bestehenden hohen Wahrscheinlichkeit entgegenstehen. Es überrascht daher gar nicht, sondern bestätigt nur die hier vertretene Ansicht über den Wahrscheinlichkeitsbeweis, daß es andere Entscheidungen gibt, die auch bei den Beweisregeln für den Beweis des Unfalls von einem prima-facieBeweis reden354. Darüber lassen sich keine allgemeinen Regeln aufstellen, wann der Verdacht des Selbstmordes oder der Selbstverstümmelung so stark ist, um als Gegenbeweis ausreichend zu sein. Die folgenden Ausführungen können daher nur Gesichtspunkte behandeln, die meistenteils bei dieser Frage eine Rolle spielen, ohne daß nun für den Einzelfall vorausgesagt werden kann, ob sie für eine Entkräftung genügen oder nicht. Jeder Fall erfordert schon mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der menschlichen Charakterveranlagung eine besondere Würdigung. Wohl ausnahmslos ist der Beweggrund zur vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls in den schlechten Vermögensverhältnissen zu suchen. Es ist kaum vorstellbar, daß jemand freiwillig aus dem Leben scheidet oder sich selbst verstümmelt, wenn er gesund ist und in geordneten Vermögensverhältnissen lebt. Fast alle Entscheidungen, in denen der Verdacht der Selbstverletzung eine Rolle spielt, befassen sich daher mit den Vermögensverhältnissen des Betroffenen. Zur Begründung eines starken Verdachts der Selbstverstümmelung kann es nun nicht genügen, daß die Vermögenslage nur schlecht war, weil dieser Gesichtspunkt namentlich in Zeiten einer Wirtschaftskrise oftmals zutreffen wird. Die Vermögensverhältnisse müssen vielmehr so „verzweifelt" 355 schlecht sein, daß die Herbeiführung des Versicherungsfalls die „letzte Rettung" war. Selbstverständlich muß sich der Versicherungsnehmer der schlechten Vermögensverhältnisse bewußt gewesen sein, wenn diese der Beweggrund zur Tat gewesen sein sollen. Mit Recht macht daher das OLG Nürnberg356 einen Unterschied zwischen bloß „objektiver" und „subjektiver" Verschuldung. Ferner kann der Verdacht dadurch begründet werden, daß die Versicherungssumme in einem krassen Mißverhältnis zu den Vermögensverhältnissen des Versicherungsnehmers steht, so daß die hohe Prämie für ihn kaum tragbar ist857. 354 Vgl. R G V A 1931, Nr. 2335, V A 1933 Nr. 2578, O L G Hamburg V A 1932 Nr. 2399, OLG Hamm V A 1932 Nr. 2498, O L G Karlsruhe 22. n . 1934 V A 1935, 19 Nr. 2767. Vgl. auch die ähnlich liegende Rechtsprechung zum Beweis des Einbrudidiebstahls in Anm. 366. 365 OLG Breslau 8. 1 1 . 1 9 3 $ J R P V 193$ Z. S. 3$. SÄE J R P V I 9 3 Ö > 2 Ö 9 . 357 ygj_ Bornemann S. 130.
90 Im Zusammenhang mit anderen Verdachtsmomenten wird es immer zu denken geben, wenn der Versicherungsfall kurz nach Abschluß des Versicherungsvertrages eintritt. Schließt nämlich der Versicherungsnehmer den Vertrag bereits mit dem Gedanken ab, auf unredliche Weise daraus Nutzen zu ziehen, wird er nicht viele Prämien „vergeuden" wollen 359 . Auffällig wird es auch immer sein, wenn der Versicherungsnehmer einen Körperschaden davonträgt, der seine Arbeitskraft verhältnismäßig wenig beeinträchtigt. Das Schulbeispiel ist