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German Pages 418 Year 2003
Schriften zum Europäischen Recht Band 93
Inspektionen im Europäischen Verwaltungsrecht
Von Antje David
Duncker & Humblot · Berlin
ANTJE
DAVID
Inspektionen i m Europäischen Verwaltungsrecht
Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von
Siegfried Magiera und Detlef Merten Band 93
Inspektionen im Europäischen Verwaltungsrecht
Von Antje David
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2001/2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 16 Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-10723-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde i m Wintersemester 2001/2002 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Sie ist während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für deutsches und europäisches Verwaltungsrecht i m Rahmen eines von der DFG geförderten Forschungsprojektes zum Thema EG-Verwaltungskooperation entstanden. Besonderer Dank gebührt Herrn Professor Dr. Eberhard Schmidt-Aßmann für den Vorschlag des Themas, für die Begleitung bei der Bearbeitung sowie für wertvolle Hinweise und hilfreiche Anregungen. Herr Professor Dr. Rüdiger Wolfrum hat dankenswerterweise das Zweitgutachten erstellt. Für ihre Unterstützung bedanke ich mich herzlich bei allen Mitarbeitern des Instituts für deutsches und europäisches Verwaltungsrecht der Universität Heidelberg und des G. J. Wiarda Instituut (Centre for Enforcement of European Law) der Universität Utrecht. Besonders hervorheben möchte ich Frau Bettina Schöndorf-Haubold, Herrn Privatdozent Dr. Hans Christian Röhl sowie die Herren Dr. Klaus Knipschild, Dr. Oswald Jansen und Erik Kraai, deren Diskussionsbereitschaft und Ideen mir sehr geholfen haben. Schließlich danke ich den Herausgebern, Herrn Professor Dr. Siegfried Magiera und Herrn Professor Dr. Dr. Detlef Merten, für die Aufnahme meiner Arbeit in die „Schriften zum Europäischen Recht". Karlsruhe, i m August 2002
Antje David
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
19
Α. Inspektionen als Institut des Verwaltungsverfahrens
20
B. Inspektionen und Verwaltungskooperation in der EG
21
I. Trennungsprinzip und Grundsatz der Zusammenarbeit als Grundkomponenten eines europäischen Verwaltungskonzepts II. Inspektionen als Erscheinungsform kooperativen Verwaltens in Europa III. Neue Herausforderungen an das europäische Verwaltungsrecht C. Begriffliche Eingrenzungen
22 23 25 25
I. Der Begriff der Inspektion
25
II. Der Begriff der Kooperation
28
Kapitel 1 Inspektionen in ausgewählten Gebieten des Europäischen Verwaltungsrechts
30
A. Inspektionen in ausgewählten Gebieten des Gemeinschaftsrechts
30
I. Recht der Gemeinsamen Agrarpolitik 1. Inspektionen im Marktordnungsrecht a) Inspektionen durch die Mitgliedstaaten
32 35 37
(1) Inspektionspflichten
37
(2) Einrichtung von speziellen Dienststellen mit Inspektionsbefugnissen
38
b) Kommissionsinspektionen
39
c) Kooperationselemente
40
8
Inhaltsverzeichnis 2. Inspektionen im Recht der Agrarfinanzierung
41
a) Inspektionen durch die Mitgliedstaaten
43
b) Kommissionsinspektionen
44
c) Kooperation
45
(1) Die Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung)
46
(2) Die EG-Amtshilfeverordnung
47
3. Das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem
49
a) Inspektionspflichten der Mitgliedstaaten
49
b) Kommissionsinspektionen
50
c) Kooperation
51
4. Fazit II. Wirtschaftsrecht 1. Wettbewerbsrecht
51 52 53
a) Kommissionsinspektionen nach der Verordnung Nr. 17
55
b) Kooperation mit den Mitgliedstaaten
56
c) Geplante Neuerungen nach dem Verordnungsvorschlag der Kommission ..
56
2. Bankenaufsicht
58
a) Inspektionen durch die Mitgliedstaaten
60
b) Kooperation
60
III. Lebensmittel- und Veterinärrecht 1. Inspektionen im gemeinschaftlichen Lebensmittelrecht
62 67
a) Lebensmitteliiberwachung durch nationale Inspektoren
67
b) Lebensmittelüberwachung durch EG-Inspektoren
69
c) Kooperation
71
(1) Unterstützung bei der Durchführung der Gemeinschaftsinspektionen
71
(2) Informationsaustausch
72
(3) Pläne und Berichte
73
2. Inspektionen im gemeinschaftlichen Veterinärrecht a) Inspektionen durch die Mitgliedstaaten (1) Kontrollen im Herkunftsland
74 75 76
(2) Kontrollen im Bestimmungsland
76
(3) Handel mit Drittländern: Kontrollen an den Grenzkontrollstellen
77
Inhaltsverzeichnis b) Kommissionskontrollen
78
(1) Kommissionsinspektionen in den Betrieben
78
(2) Inspektion der Grenzkontrollstellen nach den Drittländerrichtlinien ...
79
c) Kooperation ( 1 ) Kooperation bei der Durchführung der Inspektionen (2) Zusammenarbeit und Amtshilfe nach der Richtlinie Nr. 89/608/EWG
80 80 81
(3) Kooperation im Informationsverbund: EDV-gestützte Datenbanken ...
82
(4) Klärungsverfahren für Streitfälle
83
3. Fazit
84
IV. Schutz von Raum und Ressourcen 1. Umweltrecht
85 85
a) Inspektionen durch die Mitgliedstaaten
86
b) Inspektionen auf EG-Ebene
87
c) Kooperation
89
2. Fischereirecht
90
a) Inspektionen durch die Mitgliedstaaten
92
b) Kommissionsinspektionen
92
c) Kooperation
93
(1) Teilnahmemöglichkeiten
93
(2) Horizontale Kooperation und Amtshilfepflichten
93
(3) Kontrollpläne und -berichte
94
3. Fazit
95
V. Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft 1. Inspektionen zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft a) Inspektionen nach den sektoralen Vorschriften (1) Inspektionen nach den Strukturfondsverordnungen
95 98 99 99
(a) Kontrollen vor Ort
102
(b) Kooperation zwischen Mitgliedstaaten und Kommission
103
(2) Eigenmittel
104
(a) Kontrollen vor Ort
105
(b) Kooperation
106
b) Sektorübergreifende Inspektionsbefugnisse der Kommission nach der Verordnung Nr. 2185 / 96 (KontrollVerordnung)
108
(1) Anwendungsbereich
110
(2) Adressaten
110
10
Inhaltsverzeichnis (3) Inhalt der Kontroll- und Uberprüfungsrechte
111
(4) Kooperation mit den Mitgliedstaaten
112
2. Institutionelle Ausgestaltung der Inspektionen auf Gemeinschaftsebene: Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung 114 B. Strukturbildung I. Funktionale und systematische Einordnung 1. Funktionale Einordnung: Inspektionen zwischen Staatsaufsicht und Wirtschaftsaufsicht
117 117 117
a) Direktkontrolle
119
b) Vollzugskontrolle
119
2. Systematische Einordnung: Inspektionen zwischen Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht a) Inspektionen im Gemeinschaftsverwaltungsrecht
122 122
(1) Harmonisierung der nationalen Überwachungssysteme durch normative Vorgaben
124
(2) Überwachungsmodell 1: Unter den Mitgliedstaaten aufgeteilte Uberwachungszuständigkeiten und Prinzip gegenseitiger Anerkennung
126
(3) Uberwachungsmodell 2: Gemeinschaftsweite Überwachungszuständigkeit eines Mitgliedstaats 126 b) Inspektionen im Recht der EG-Eigenverwaltung
127
II. Kooperationselemente
128
1. Teilnahmeformen
129
a) Vertikale Kooperation (1) Beteiligung der Kommission an den Inspektionen der Mitgliedstaaten
129 129
(2) Teilnahme der Mitgliedstaaten an Kommissionsinspektionen
132
(3) „Gemeinsame" Kontrollen
134
b) Horizontale Kooperation
134
c) Kombination horizontaler und vertikaler Kooperationselemente
135
2. Informationstransfer und Informationsvorsorge
136
a) Ziel: Schaffung von Entscheidungsgrundlagen
137
b) Mechanismen zur Steuerung des Informationstransfers
138
(1) Mitteilung von Inspektionsergebnissen auf Antrag
138
(2) Spontane Mitteilung von Informationen ohne Antrag
140
(3) Schaffung von (EDV-gestützten) Datenbanken
143
Inhaltsverzeichnis 3. Vor- und Nachsteuerung durch Kontrollpläne und Kontrollberichte
144
a) Ziele
144
b) Mechanismen
145
(1) Steuerung im Vorfeld: Kontrollpläne
145
(2) Nachsteuerung: Kontrollberichte
147
Kapitel 2 Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen für Inspektionsregelungen
150
A. Völkerrechtlicher Ausgangspunkt
151
B. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung (Art. 5 Abs. 1 EGV)
153
I. Die Souveränität der Mitgliedstaaten und das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
154
II. Grenzüberschreitende nationale Inspektionsbefugnisse als Gemeinschaftskompetenz
155
III. Ermächtigungsgrundlagen im EGV für Inspektionen
157
1. Ermächtigungsgrundlagen für normative Vorgaben der EG an die Mitgliedstaaten 157 a) Sachgebietsbezogene Ermächtigungsgrundlagen
159
b) Koordinierung und Rechtsangleichung
165
c) Fazit
167
2. Ermächtigungsgrundlagen zum Erlaß von Regelungen über Kommissionsinspektionen 167 a) Durchführung von Inspektionen durch die Kommission
168
(1) Auskunfts- und Nachprüfungsrechte der Kommission nach Art. 284 EGV 168 (a) Unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 284 EGV
169
(b) Art. 284 EGV als selbständige Ermächtigungsgrundlage
170
(2) Die sachgebietsbezogenen Ermächtigungsgrundlagen
173
(3) Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EGV
174
(4) Art. 308 EGV
178
(5) Verhältnis der Rechtsgrundlagen zueinander
180
12
Inhaltsverzeichnis b) Kompetenzen zur institutionellen Ausgestaltung der Inspektionen auf Gemeinschaftsebene und ihre Grenzen 180 (1) Zuweisung von Inspektionsbefugnissen an unselbständige Amter der Kommission 181 (a) Das Amt für Lebensmittel- und Veterinärfragen
182
(b) Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung
183
(2) Zuweisung von Inspektionsbefugnissen an selbständige Agenturen mit Rechtspersönlichkeit 185 (a) Zulässigkeit einer Ausstattung selbständiger Agenturen mit Uberwachungsbefugnissen
187
(b) Umweltinspektionen unter dem Dach der Europäischen Umweltagentur 192 (c) Einrichtung einer unabhängigen Lebensmittelbehörde mit Inspektionsbefugnissen 195 (3) Fazit C. Art. 10 EGV als Grundlage für Inspektionen I. Loyale Zusammenarbeit und Inspektionspflichten der Mitgliedstaaten
197 198 199
II. Loyale Zusammenarbeit und Pflicht der Mitgliedstaaten zur Einführung geeigneter Sanktionssysteme 204 III. Loyale Zusammenarbeit und Inspektionstätigkeiten der Kommission
205
D. Das Subsidiaritätsprinzip als Grenze der Ausübung gemeinschaftlicher Kompetenzen 207 I. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einrichtung spezieller Verwaltungsstellen mit Inspektionsaufgaben 208 II. Kooperationspflichten als Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips
209
III. Kommissionskontrollen beim Wirtschaftsteilnehmer nur bei besonderem Gemeinschaftsinteresse 211 I V Fazit
214
E. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Grenze der Ausübung gemeinschaftlicher Kompetenzen 215 I. Normative Vorgaben für die Inspektionstätigkeiten der Mitgliedstaaten
216
1. Existenz gleich wirksamer Kontrollsysteme
216
2. UnVerhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands, insbesondere der Kosten ..
219
Inhaltsverzeichnis II. Einführung von Kommissionsinspektionen III. Fazit
221 223
F. Fazit zu den primärrechtlichen Grundlagen
224
Kapitel 3 Interadministrative Rechtsbeziehungen
225
A. Kooperation im Vertikalverhältnis: Rechtsbeziehungen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten 226 I. Kooperationsfördernde Prinzipien im Vertikal Verhältnis: Die Kommission als Hüterin des Gemeinschaftsrechts (Art. 211 EGV) und der Grundsatz der Amtsermittlung 227 II. Kooperationsbegrenzende Prinzipien im Vertikalverhältnis
231
1. Rücksichtnahme auf die Belange der Mitgliedstaaten
231
2. Diskriminierungsverbot
234
3. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
236
4. Rechtliches Gehör
239
5. (Auskunfts-)Verweigerungsrechte der Mitgliedstaaten, Art. 296 EGV und ordre public 241 6. Fazit III. Sanktionen und Folgemaßnahmen im Vertikalverhältnis
244 244
1. Informelle Maßnahmen
245
2. Finanzielle Konsequenzen
246
a) Die Anlastung im Rechnungsabschlußverfahren
246
b) Zurückhaltung von Strukturfondsmitteln und Quotenkürzungen im Fischereirecht 250 3. Weisungen und weisungsähnliche Instrumente
252
IV. Bewertung der Inspektionen als Instrument vertikaler Verwaltungskooperation: Aufsichts- und Kontrollstrukturen im EG-Recht 254 B. Kooperation im Horizontalverhältnis: Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten 259 I. Kooperationsfördernde Prinzipien im Horizontalverhältnis
259
14
Inhaltsverzeichnis 1. Der Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit und das Diskriminierungsverbot ... 260 2. Gebot loyaler Zusammenarbeit und Effektivitätsgrundsatz II. Kooperationsbegrenzende Prinzipien im Horizontalverhältnis
264 267
1. Die Souveränität der Mitgliedstaaten als Grenze für grenzüberschreitende Inspektionen 267 2. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
269
3. Ordre public
270
4. Fazit
271
III. Sanktionsmöglichkeiten im Horizontal Verhältnis?
272
IV. Bewertung der Inspektionen als Instrument horizontaler Verwaltungskooperation: Verantwortungsteilende und vertrauensbildende Strukturen im EG-Recht ... 274 C. Fazit: Inspektionen zwischen Aufsicht und Vertrauensbildung
276
Kapitel 4 Rechtsbeziehungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern und den zuständigen Verwaltungsstellen
277
A. Überblick über die Eingriffsbefugnisse im Zusammenhang mit Inspektionen
279
B. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
280
I. Einführung: Die Adressaten der Allgemeinen Rechtsgrundsätze und ihre Wirkung im gemeinschaftlichen und nationalen Verwaltungsvollzug 281 II. Die Wahrung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung
285
1. Betretungsrecht und Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung
285
a) Ein europäisches Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung
286
b) Vorgaben aus dem deutschen Verfassungsrecht: Art. 13 und Art. 2 GG
288
(1) Schutzbereich
289
(2) Eingriff
289
(3) Rechtfertigung
291
c) Vergleich der Anforderungen 2. Durchsuchungen a) Die Ebene des Gemeinschaftsrechts (1) Fehlen eines europäischen Durchsuchungsbegriffs
292 293 293 294
Inhaltsverzeichnis (2) Nationaler Richtervorbehalt
295
(3) Fehlen eines europäischen Richtervorbehalts
296
b) Die Ebene des deutschen Verfassungsrechts
298
c) Fazit
300
III. Verfahrens- und Verteidigungsrechte der Wirtschaftsteilnehmer 1. Einführung
301 301
a) Verfahrens- und Verteidigungsrechte als Allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts 301 b) Verfahrens- und Verteidigungsrechte in Kooperationskonstellationen
302
2. Vorherige Ankündigung, Mitteilung der Vorwürfe und Begründungspflicht...
303
3. Das Recht auf rechtliches Gehör
306
4. Das Recht auf Schutz vor Selbstbezichtigung
309
5. Das Recht auf Hinzuziehung eines Anwalts und der Schutz der verteidigungsrelevanten Anwaltskorrespondenz (legal professional privilege) 313 6. Fazit IV. Daten-und Geheimnisschutz 1. Grundlagen des Daten- und Geheimnisschutzes
314 315 317
a) Die europäische Ebene
317
b) Die Ebene des deutschen Verfassungsrechts
319
2. Regelungstechniken zur Gewährleistung von Daten- und Geheimnisschutz für den Informationsaustausch
321
a) Grundsatz der Zweckbindung
323
b) Beschränkung des Kreises der Teilnehmer am Informationsaustausch
326
c) Anwendbares Recht
327
(1) Das Aquivalenzprinzip
327
(2) Anwendbares Recht auf die Übermittlung von Informationen
328
(3) Harmonisierung von Datenschutz und Datenzugang d) Änderungsbefugnisse und Fristen
330 332
e) Fazit
333
C. Individualrechtsschutz und Haftung I. Die Grundlagen der Rechtsschutzgarantie und das Trennungsprinzip 1. Die Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
335 335 335
16
Inhaltsverzeichnis 2. Das Trennungsprinzip II. Primärrechtsschutz
337 339
1. Der Rechtsschutz des einzelnen gegen die Anordnung und Durchführung grenzüberschreitender Inspektionen 339 a) Selbständige Kommissionskontrollen
340
(1) Inspektionsmaßnahmen als Eingriffsakte
340
(2) Die Frage der selbständigen Anfechtbarkeit
342
b) Gemischte Inspektionen
343
c) Inspektionen auf Ersuchen und Vollzugshilfe
345
2. Rechtsschutz des einzelnen gegen Inspektions- oder Vollzugshilfeersuchen .. 347 3. Rechtsschutz des einzelnen gegen Sanktionen auf der Basis grenzüberschreitender Informationsverwertung
348
a) Beweiswürdigung durch die mitgliedstaatlichen Gerichte
348
b) Bestandskraftfragen und Rügepotential
350
c) Rechtsschutz des einzelnen gegen an die Mitgliedstaaten gerichtete Wiedereinziehungsaufforderungen der Kommission 352 III. Haftung und Sekundärrechtsschutz
356
1. Grundsatz: Trennungsprinzip
356
a) Haftungsmaßstäbe für das mitgliedstaatliche Handeln
358
b) Haftungsmaßstäbe für Handlungen der Gemeinschaft
359
2. Modifizierungen des Trennungsprinzips in Kooperationskonstellationen: Normative Haftungszuweisungen und Haftungskonkurrenzen 361 a) Normative Haftungszuweisungen (1) Inspektionen „unter der Leitung" eines der Kooperationspartner
362 362
(2) Ausdrückliche Haftungszuweisungen an einen der Kooperationspartner im Datenschutzrecht 363 b) Haftungskonkurrenzen
365
(1) Anteilige Haftung im Außenverhältnis oder Gesamtschuld
365
(2) Fälle vertikaler Kooperation
366
(3) Fälle horizontaler Kooperation
370
(4) Nichtermittelbarkeit der Haftung(santeile)
371
I V Fazit D. Fazit: Rechtsbeziehungen zu den Wirtschaftsteilnehmern
372 373
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung und Ausblick
374
Verzeichnis der zitierten EG-Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen
383
A. Richtlinien
383
B. Verordnungen
385
C. Entscheidungen
391
Literaturverzeichnis
392
Sachverzeichnis
415
2 David
Einleitung Gesetze entfalten nur in dem Maße Wirkung, in dem auch für ihre Befolgung Sorge getragen wird. Für die Realisierung der mit einer Norm verfolgten Ziele spielt ihr Vollzug eine entscheidende Rolle. Gesetzliche Regelungen verlieren ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie nicht einheitlich angewendet und durchgesetzt werden. In noch stärkerem Maße als der Nationalstaat wird die Europäische Union daran gemessen, ob sie die durch den EU-Vertrag und den EG-Vertrag gesetzten Ziele auch erreicht. 1 Die Funktionsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der Gemeinschaft, aber auch der Mitgliedstaaten, hängt nicht nur von der Qualität ihrer Rechtsetzung, sondern auch maßgeblich von der Effektivität ihrer Rechtsdurchsetzung ab. 2 Die Kontrolle der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts ist damit eine wichtige Aufgabe, die in erster Linie - neben den Gerichten - durch die Verwaltungen zu leisten ist. Zur Überwachung der Einhaltung des (Gemeinschafts-)Rechts benötigen die zuständigen Stellen, d. h. entweder die mitgliedstaatlichen Verwaltungen oder die Kommission, zunächst Informationen über den jeweils relevanten Sachverhalt. Diese Informationen können sie auf verschiedenen Wegen erhalten. Wenn sich ζ. B. ein Unionsbürger mit Beschwerden über Vollzugsdefizite an eine mitgliedstaatliche Verwaltung oder die Kommission wendet oder wenn Zeitungsberichte Schwachstellen aufdecken, handelt es sich um eher informelle Vorgänge. Die zuständige Stelle kann diesen Hinweisen nachgehen und - sollten die Hinweise zutreffen - Abhilfemaßnahmen ergreifen. 3
1 Majone, Mutual Trust, S. 24; ähnlich Piihs, Vollzug von Gemeinschaftsrecht, S. 46: „Dieser Zielsetzung liegt die Einsicht zugrunde, daß die Gemeinschaft langfristig nur bestehen kann, wenn es ihr gelingt, glaubhaft zu machen, daß sie die ihr übertragenen Kompetenzen und Aufgaben tatsächlich wirksam ausübt bzw. erfüllen kann." von Bogdandy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Informationsgesellschaft, S. 133, 139 spricht von „Legitimation durch Leistung". Das Erfordernis der Effizienz betont auch Scharpf, Regieren in Europa, S. 30; zu Vollzugsproblemen im EG-Recht auch Swart, in: Harding / S wart, Enforcing European Community Rules, S. 1 ff. Allgemein zum Vollzugsdefizit im EG-Recht Jans/de Lange / Prêchai /Widdershoven, Europees bestuursrecht, S. 223 f. 2
Ausführlich zur Bedeutung der Rechtsdurchsetzung für die europäische Integration Magiern, DÖV 1998, S. 173 ff.; vgl. auch Majone, Mutual Trust, EUI Working Paper RSC No. 95/1, S. 8 ff.: „The implementation deficit has become so serious over the years that the member states now realize that non-compliance threatens the credibility of their collective decisions." Auch Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 9, 12 stellt als wichtige Aufgabe einer Verwaltung des Unionsraumes die Sorge für eine einwandfreie und gleichmäßige Anwendung der EG-Vorschriften heraus. 3 Gii Ibânez, Administrative Supervision, S. 64 spricht von „reactive enforcement". 2·
20
Einleitung
Eine andere Möglichkeit der Informationsgewinnung, die weniger von Zufälligkeiten geprägt ist als die zuerst genannte, besteht darin, daß die Verwaltung selbst die Initiative ergreift. Sie entwickelt eigene Aktivitäten, indem sie um Auskünfte nachsucht oder selbst Nachprüfungen bzw. Inspektionen vornimmt. 4 Das Instrument der Inspektion ist in fast allen Gebieten des Gemeinschaftsrechts nachzuweisen. Exemplarisch werden hier die Bereiche des Agrar-, Kartell-, Bankenaufsichts-, Lebensmittel- und Umweltrechts untersucht. Der bestandsaufnehmende Teil der Untersuchung beschäftigt sich mit den vielfältigen Ausgestaltungen dieses Instruments. Inspektionen sind ein praktisch-technisches Instrument zur Sicherstellung der Implementation des Gemeinschaftsrechts. Das sonst vor allem aus dem nationalen Gewerberecht bekannte Institut wird auch i m EG-Recht aktiviert, um eine Kontrolle zu ermöglichen, die hier in einem noch zu spezifizierenden Sinne als „Aufsicht" bezeichnet wird. Inspektionen sind geprägt durch den Kontext des gestuften Vollzuges. Die analysierten Rechtsakte machen daher zugleich die gestuften Vollzugsverhältnisse bei der Verwaltung des Gemeinschaftsraumes anschaulich. 5
A. Inspektionen als Institut des Verwaltungsverfahrens Inspektionen bilden in all ihrer Variabilität eine typische Konstellation des Verwaltungsverfahrensrechts. 6 Sowohl der Inspektionsvorgang selbst als auch die i m Zusammenhang damit stattfindende Verwaltungskooperation laufen nach mehr oder weniger formalisierten Verfahrensregeln ab. Das Verwaltungsverfahren wird in der deutschen Literatur als planvoll geordneter Vorgang der Informationsgewinnung und -Verarbeitung umschrieben, der in der Verantwortung eines Trägers der öffentlichen Verwaltung abläuft und der Hervorbringung einer administrativen Entscheidung dient. 7 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind „jedenfalls" solche Bestimmungen verwaltungsverfahrensrechtlicher Natur, „die die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden i m Blick auf die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der be4
Das kann man mit Gii Ibânez, a. a. O. „proactive enforcement" nennen. Mehrstufige Verwaltungsrechtsverhältnisse sind ein Spezifikum europäischer Verwaltungskooperation, vgl. allgemein Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 9, 40 f. 6 Schmidt-Aßmann, in: Müller-Graff, Perspektiven des Rechts, S. 131, 161. 7 Schach, DV 25 (1992), S. 21, 23; Schmidt-Aßmann, in: Müller-Graff, Perspektiven des Rechts, S. 131, 132; für weitere (vor allem englische und französische) Definitionen der Begriffe Verwaltungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht in den anderen Mitgliedstaaten vgl. Harlow, in: Craig/de Burca, Evolution of EU Law, Kap. 7, S. 263 ff.: dort Unterscheidung zwischen sog. ,control theories', die im Verwaltungsrecht vor allem die Funktionen der rechtsstaatlichen Kontrolle und Disziplinierung des Verwaltungshandelns betonen, und sog. instrumentalist theories', die mit Formeln wie ,Verwaltungsrecht ist das auf die Verwaltung und ihre Verfahren anwendbare Recht' eher instrumentalen und beschreibenden Charakter haben. 5
Β. Inspektionen und Verwaltungskooperation in der EG
21
hördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne M i t wirkungs- und Kontroll Vorgänge in ihrem Ablauf regeln". 8 Zeitlich gesehen steht die Inspektion nach diesen Definitionen am Anfang eines VerwaltungsVerfahrens. Sie ist ein Instrument administrativer Sachverhaltsermittlung und dient der Informationsgewinnung oder der Uberprüfung bereits vorhandener Informationen. Daran anschließend folgt ein Vorgang der Informationsverarbeitung und schließlich als Ergebnis des Verwaltungsverfahrens in der Regel eine administrative Entscheidung. Je nach dem Grad der Verselbständigung können Inspektionen auch Bestandteil eines Vorverfahrens sein, an dessen Ende noch keine endgültige, sondern erst die Entscheidung darüber steht, ob ein bestimmtes Verfahren überhaupt eingeleitet wird. 9 Das EG-Recht hat durch die Einführung von Elementen horizontaler und vertikaler Kooperation den prozeduralen Charakter der Inspektion verstärkt. Wechselseitige Teilnahmemöglichkeiten und Regeln zum Informationsaustausch stellen zwischenbehördliche Mitwirkungsvorgänge dar, die ebenfalls dem Verwaltungsverfahren zuzuordnen sind. Bei einem entsprechend weiten Verständnis des Begriffs der „verwaltungsinternen Mitwirkungs- und Kontrollvorgänge" können auch diese Vorgänge der interadministrativen Zusammenarbeit dem Verwaltungsverfahrensrecht zugeordnet werden. I m Interesse einer systematischen Analyse ist es sinnvoll, die zwischenbehördlichen KooperationsVorgänge als eigenen Typ des Verwaltungs Verfahrensrechts anzusehen. 10 Die Inspektionen stehen insofern für einen Ausschnitt aus einem sich ausbildenden Europäischen Verwaltungsverfahrensrecht.
B. Inspektionen und Verwaltungskooperation in der EG In Art. 2 Abs. 1 E U V ist als eines der Ziele der Union „die Förderung wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts, . . . , insbesondere durch Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen, durch Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und durch Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion" genannt. Die Errichtung des in dieser Bestimmung anvisierten Binnenmarktes ist neben den Aufgaben, die der Gesetzgeber zu erfüllen hat, in großem Umfang auch Verwaltungstätigkeit: Daher wird die Verwaltung des Gemeinschaftsraums in der jüngeren Literatur 1 1 und in Dokumenten der Kommission 1 2 als eine wichtige Aufgabe i m
8 BVerfGE 55, 274, 320 f.; ähnlich BVerfGE 37, 363, 385, 390. 9 So ζ. B. im europäischen Kartellrecht. 10
So auch Schmidt-Aßmann, in: Müller-Graff, Perspektiven des Rechts, S. 131, 133. h Grundlegend Schmidt-Aßmann, EuR 1996, S. 270 ff.; ders., Ordnungsidee, S. 318 f., 7/ 18 f.; ders., in: ZÖR 2000, S. 159 ff., 173 f.; ferner die Beiträge von Schmidt-Aßmann, Benz, Priebe, Hufen, Pitschas, von Danwitz und Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-
Einleitung
22
Integrationsprozeß herausgestellt. Die Union ist nicht nur eine Verfassungs- und Rechtsetzungsgemeinschaft, sondern auch eine Verwaltungsgemeinschaft. 13
I. Trennungsprinzip und Grundsatz der Zusammenarbeit als Grundkomponenten eines europäischen Verwaltungskonzepts Von der traditionellen Verwaltung i m Nationalstaat, die geprägt ist durch das Bild von der Einheit der Verwaltung, unterscheidet sich europäische Verwaltung grundlegend: A u f europäischer Ebene wird sowohl gegenüber den Unionsbürgern als auch gegenüber den Mitgliedstaaten verwaltet. Den Mitgliedstaaten kommt eine Doppelfunktion zu: Sie sind nicht nur Vollzugsinstanz, sondern auch selbst Adressaten von Verwaltungsmaßnahmen der Gemeinschaft. Es entstehen gestufte Rechtsverhältnisse, die in dieser Art für das nationale Verwaltungsrecht ungewohnte Phänomene darstellen. 14 Das Verwaltungssystem der Gemeinschaft beruht auf einer dualistischen Grundstruktur: Nach dem Trennungsprinzip 15 sind die Aufgaben und Zuständigkeiten zum Vollzug des Gemeinschaftsrechts zwischen den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft aufgeteilt. 1 6 Der direkte Vollzug erfolgt durch die gemeinschaftseigenen Organe, der indirekte Vollzug durch die Verwaltungsorgane der Mitgliedstaaten. Aus dem in Artikel 5 Abs. 1 EGV normierten Prinzip der begrenzten Ermächtigung folgt ein grundsätzlicher Vorrang für den indirekten Vollzug durch die Mit-
Riem (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht; Hatje, Gemeinschaftliche Steuerung; Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht. 12 Vgl. nur Mitteilung der Kommission an den Rat „Die optimale Gestaltung des Binnenmarktes - Strategisches Programm", KOM (93) 632 endg.; Mitteilung der Kommission „Zusammenarbeit der Verwaltungen" KOM (94) 29 endg. = EuZW 1994, 323 f., auch als BRDrs. 241 /94; Bericht der Kommission „Verwaltungszusammenarbeit bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Rahmen des Binnenmarktes", KOM (96) 20 endg. Kahl, in: Calliess / Ruffert, EUV/EGV, Art. 10, Rn. 7 unter Bezugnahme auf Häberle, in: FS Schelsky, 1978, S. 141 ff.; Schmidt-Aßmann, in: ders. / Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 9, 10, weist daraufhin, daß die Gründungsverträge der Gemeinschaften mit den Handlungsermächtigungen der Art. 46 ff., 54 ff., 65 EGKSV und der Art. 85 ff.EGV von Anfang an eine gewichtige verwaltungsrechtliche Komponente enthielten. 14
Von Schmidt-Aßmann, in: ders. / Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 9, 40 f. problematisiert unter dem Gesichtspunkt „unterschiedlicher Tiefengliederung" europäischer Verwaltungsentscheidungen in Folge der Kooperation zwischen EG-Verwaltung und nationalen Verwaltungen. 15 Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 311, 7/7. ι 6 Zur Verteilung der Verwaltungskompetenzen zwischen EG und Mitgliedstaaten vgl. Suerbaum, Kompetenzverteilung, S. 92 ff.; zu den Verwaltungskompetenzen der Gemeinschaft Schreiber, Verwaltungskompetenzen, S. 69 ff.; zur Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Vollzug vgl. nur Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 45 ff.; Pühs, Vollzug von Gemeinschaftsrecht, S. 73 ff.; Stettner, in: Dauses (Hrsg.), HBEUWiR, B.IIL, Rn. 11 ff.
Β. Inspektionen und Verwaltungskooperation in der EG
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gliedstaaten. Bei diesem Grundsatz handelt es sich aber lediglich um eine „Grundlinie mit erheblichen Abweichungstoleranzen". 17 Angesichts immer engerer Verflechtung der Wirtschafts- und Sozialbeziehungen i m europäischen Binnenmarkt kann ein effektiver Vollzug des Gemeinschaftsrechts allerdings nicht erreicht werden, wenn das Verwaltungsrecht auf die Schaffung eines gemeinschaftsrechtlichen Rahmens und dessen isolierte Anwendung in den 15 Mitgliedstaaten beschränkt bleibt. 1 8 Gerade wenn es beim Grundsatz des dezentralen Vollzuges des Gemeinschaftsrechts bleiben soll, muß das Vollzugsmodell um eine funktionale Komponente der Zusammenarbeit ergänzt werden. Die Kooperation erfolgt horizontal zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten und vertikal zwischen den Mitgliedstaaten einerseits und den EG-Verwaltungsstellen andererseits. Kooperation hat i m Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftsraums verschiedene Funktionen zu erfüllen und kann unterschiedliche Formen annehmen: 19 - Basis jeglicher Verwaltungszusammenarbeit ist die informationelle Kooperation. Der Austausch von Informationen versetzt die beteiligten Kooperationspartner erst in die Lage, die gemeinschaftsrelevanten Aspekte in ihr eigenes Verwaltungshandeln zu integrieren. 20 - Prozedurale Kooperation liegt vor, wenn Verfahren gemeinsam geführt oder zumindest gegenseitige Unterrichtungen oder Abstimmungen erfolgen. - Eine besonders verfestigte Form ist die institutionelle Kooperation: Sie erfolgt in eigens dazu gebildeten Gremien, etwa in den Komitologieausschüssen oder den Verwaltungsräten der Europäischen Agenturen. Aufgabe des Rechts ist es, diese Verwaltungsvorgänge, die die Realität der Kooperation ausmachen, rechtlich zu durchdringen und zu strukturieren. Gerade an den Schnittstellen, an denen die Beiträge der beteiligten Kooperationspartner aufeinanderstoßen, entsteht eine Fülle neuer Rechtsprobleme. 21 Maßstäbe für ihre Lösung bietet vor allem Art. 10 EGV. Diese Bestimmung bildet die primärrechtliche Grundlage für die Entwicklung eines Systems gegenseitiger Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit.
II. Inspektionen als Erscheinungsform kooperativen Verwaltens in Europa Inspektionen sind eine Erscheinungsform dieses funktionalen Zusammenwirkens der europäischen Verwaltungen. Sie sind aus dem nationalen öffentlichen 17 Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 312, 7/8. ι 8 Vervaele, in: ders. (Hrsg.), Compliance and Enforcement, S. 361. 19 Zum folgenden vgl. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, S. 314, 7/11. 20 Dazu auch Harding, in: Harding / S wart, Enforcing European Community Rules, S. 22, 37 f. 21 Schmidt-Aßmann, EuR 1996, S. 270 ff., 274.
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Einleitung
Recht als behördliche Kontrollinstrumente in Form von Betretungsrechten und Nachschaubefugnisse vor Ort bekannt. Sie sind Mittel der behördlichen Informationsbeschaffung und bilden einen Ausschnitt aus dem umfangreichen Überwachungsinstrumentarium, das den Verwaltungsbehörden zur Kontrolle der Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften zur Verfügung steht. Sie sind nicht Selbstzweck, sondern dienen u. a. i m Gewerbe-, Umwelt- und Gesundheits-, Bauordnungs- und Wettbewerbsrecht der Gefahrenabwehr und Gefahrenverhütung. Die im Zusammenhang mit diesen Kontrollrechten auftretenden Rechtsprobleme sind für das deutsche Recht vor allem unter dem Aspekt der Sicherung der Grund- und Verfahrensrechte der Beteiligten untersucht und geklärt worden. 2 2 I m EG-Recht werden Inspektionen genutzt, um Unionsbürger oder mitgliedstaatliche Verwaltungen vor Ort zu überwachen. A u f europäischer Ebene erfüllen Inspektionen - wie noch näher zu zeigen sein wird - eine Doppelfunktion: Mikroadministrativ bleiben sie Ausdruck von Direktkontrollen gegenüber den EUBürgern. A u f einer mittleren Ebene dienen sie zugleich dazu, einen Überblick über und Vertrauen in die Ordnungsgemäßheit mitgliedstaatlichen Verwaltens zu schaffen. Die Kommission nutzt Inspektionen vor Ort einerseits als behördliches Kontrollinstrument gegenüber Wirtschaftsteilnehmern wie die nationalen Verwaltungen auch. Daneben führt sie - häufig als Systemkontrollen ausgestaltete - Inspektionen bei den mitgliedstaatlichen Verwaltungen durch, um sich von der ordnungsgemäßen Implementation des Gemeinschaftsrechts zu überzeugen. Die Mitgliedstaaten müssen bei der Durchführung der Inspektionen in vielfältiger Weise mit der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. Die Inspektionen gehen häufig mit vielfältigen weiteren Pflichten zum Informationsaustausch einher. Die Ergebnisse von Inspektionen können Eingang finden in die Entscheidungen anderer Verwaltungseinheiten. Sie erscheinen in unterschiedlichen Formen institutioneller Verfestigungen. Durch diese Funktionserweiterung und die Ergänzung um Elemente horizontaler und vertikaler Kooperation sind Inspektionen im EG-Recht im Vergleich zum nationalen Recht zu einem sehr viel komplexeren Institut geworden. I m Rahmen dieser Untersuchung werden zunächst anhand der weit verstreuten Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts Charakteristika eines europäischen Rechtsinstituts der Inspektion herausgearbeitet. Die genannten Kernelemente der Verwaltungskooperation - informationelle, prozedurale und institutionelle Kooperation - finden sich im Rechtsinstitut der Inspektion gebündelt wieder. Die Inspektion ist daher in besonderem Maße geeignet, als Referenzinstitut für ein sich ausbildendes Rechtsregime der administrativen Kooperation im europäischen Binnenmarkt zu dienen.
22 Vgl. Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse (1989); Figgener, Behördliche Betretungsrechte (2000); Beisel, Betretungs- und Nachschaurechte (1997); von einem umfassenderen Ansatz her Gröschner, Überwachungsrechtsverhältnis (1992) und Mösbauer, Staatsaufsicht (1990).
C. Begriffliche Eingrenzungen
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III. Neue Herausforderungen an das europäische Verwaltungsrecht Die Aufgaben der gemeinsamen Verwaltung des Binnenmarktes stellen die europäische Verwaltungsrechtsordnung vor neue Herausforderungen. Während immer neue Maßnahmen der Zusammenarbeit die Effektivität des Vollzuges verbessern sollen, müssen Mechanismen zur Sicherstellung von Legitimität, Transparenz und Verantwortungsklarheit sowie zur Gewährleistung eines adäquaten Rechtsschutzsystems erst noch entwickelt werden. A n den Inspektionen läßt sich eine wichtige Aufgabe des Europäischen Verwaltungsrechts aufzeigen: nämlich rechtsstaatlichen Individualrechtsschutz, darüber hinaus aber auch demokratisch-institutionell veranlaßte Transparenz und Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. I m ersten Teil der Untersuchung wird für ausgewählte Referenzgebiete die Vielfältigkeit der Inspektionsregelungen dargestellt (Kap. 1). A u f dieser Basis dient der dogmatische Teil der Arbeit der rechtlichen Analyse. Ein eigener Abschnitt (Kap. 2) ist den primärrechtlichen Grundlagen gewidmet, an denen sich die Inspektionen zu orientieren haben. Hier geht es vor allem um die Frage der Kompetenzgrundlagen, aber auch der Grenzen, die der EGV für die Einführung und Ausgestaltung von Inspektionsregeln zur Verfügung stellt. Aufgrund der bereits angedeuteten Doppelfunktion der Inspektionen und der mit ihnen einhergehenden Elemente horizontaler und vertikaler Kooperation entstehen mehrseitige Rechtsverhältnisse, deren Auflösung schwierige Verfahrens- und Rechtsschutzfragen stellt. Das dritte Kapitel behandelt die interadministrativen Rechtsbeziehungen, fragt also, nach welchen rechtlichen Regeln und Standards die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission abläuft. I m vierten Kapitel geht es um die rechtlichen Beziehungen zwischen einer gemeinschaftsweit agierenden, aber dezentral verteilten Verwaltung und den Unionsbürgern, die das Objekt der Kontrolle sind.
C. Begriffliche Eingrenzungen I. Der Begriff der Inspektion Für das traditionelle deutsche Verwaltungsrecht ist Inspektion kein eingeführter Rechtsbegriff. 23 Die einschlägigen deutschen Bestimmungen sind vielmehr durch 23 Inspektion kommt von dem lateinischen inspectio (das Hineinsehen, Besichtigung, Untersuchung). Der Begriff kann im Deutschen für den Vorgang des Inspizierens stehen und meint dann Überprüfung oder Kontrolle von etwas. Eine Inspektion ist eine prüfende Besichtigung durch einen Inspekteur. Daneben versteht man Inspektion auch in einem institutionellen Sinn: Inspektion als Behörde oder Dienststelle, der die Prüfung oder Aufsicht über etwas obliegt. Das lateinische Verb inspicere bedeutet wörtlich übersetzt hineinsehen. Inspizieren wird im Deutschen benutzt im Sinne von genau, in allen Einzelheiten prüfend, kontrollierend besichtigen (vgl. die entsprechenden Stichwörter „Inspektion" und „inspizieren" in Duden, Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 5).
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Einleitung
eine außerordentliche begriffliche Vielfalt gekennzeichnet: So ist in den verschiedenen Überwachungsvorschriften die Rede von Besichtigungen, 24 Prüfungen, 25 Ermittlungen, 2 6 Feststellungen, 27 Überprüfungen 28 und Nachschau. 29 Häufig werden die Formulierungen auch miteinander kombiniert. 3 0 Für das EG-Recht ist eine mindestens ebenso große Variabilität in der Begriffswahl zu verzeichnen: I m Primärrecht ermächtigt Art. 284 EGV die Kommission dazu, alle erforderlichen Nachprüfungen vorzunehmen. Auch in der Kartellverordnung Nr. 17 ist die Rede von Nachprüfungsbefugnissen. Der Begriff der Nachprüfung i m Kartellrecht wird in Abgrenzung zum Einholen von Auskünften definiert als das Recht, sich selbständig eine Information zu beschaffen oder von sich aus eine bereits erteilte Auskunft zu verifizieren. 31 In anderen Vorschriften finden sich die Wendungen Kontrollen, 3 2 Kontrollen vor O r t 3 3 oder an Ort und Stelle, 3 4 (Über-) Prüfungen vor O r t , 3 5 Kontrollen und Überprüfungen vor O r t , 3 6 Inspektion(en), 37 Ermittlungen, 3 8 Untersuchungen 39 oder ganz einfach Überwachung. 4 0
24 z. B. § 22 Abs. 1 Nr. 3 BtMG, § 64 Abs. 4 Nr. 1 AMG, § 45 BBiG, § 22b Abs. 1 Nr. 1 F1HG, § 14 Abs. 3 Nr. 3 KrWG. 25 Z. B. § 13 S. 1 GSG, § 44 Abs. 1 S. 2 Κ WG, § 25 S. 2 BSeuchG, § 93 Abs. 1 BNotO, § 44 Abs. 1 S. 4 AWG, § 45 Abs. 1 Nr. 2 PostG, § 19 Abs. 2 S. 1 AtomG. 26 Z. B. § 54a Abs. 1 PBefG. 2v Z. B. § 99 Abs. 1 S. 1 AO. 28 Ζ. Β. §41 Abs. I S . 2 LMG. 29 So ζ. Β. die Rechtsverordnungsermächtigungen in der GewO (§§ 34 ff.) i.V.m. den entsprechenden Verordnungen. 30 Ζ. B. Prüfungen und Besichtigungen (§ 22 Abs. 2 S. 1 GastG, § 21 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und 2 ChemG, § 7 Abs. 2 S. 1 GSG, § 139b Abs. 1 S. 2 GewG, § 46 Abs. 2 S. 1 WaffG); Prüfungen und Ermittlungen (§ 40 Abs. 2 S. 2 KrW-/AbfG, § 52 Abs. 2 S. 1 BImSchG, § 21 Abs. 1 S. 3 WHG); Prüfungen und Untersuchungen (§ 23 Abs. 3 AEG); Ermittlungen und Untersuchungen (§ 10 Abs. 2 S. 1 BseuchG). 31 Arnold, EuR Beiheft 1 / 1995, S. 7, 18. 32 Art. 38 Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse) - hier ergänzend die Unterscheidung zwischen Stichprobenkontrollen und systematischen Kontrollen; Art. 7 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung n.F.); Art. 14 Verordnung Nr. 2262/84 (Olivenöl) - in Abs. 4 ist die Rede von „Stichprobenkontrollen an Ort und Stelle"; Art. 1 und 2 Richtlinie Nr. 89/662 (Veterinärkontrollen Binnenmarkt) - dort auch Definition: veterinärrechtliche Kontrolle ist jede physische Kontrolle und/oder jede Verwaltungsformalität, die ... mittelbar oder unmittelbar den Schutz der menschlichen Gesundheit bezweckt. 33 Art. 2 Abs. 2 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung n.F); Art. 19 Abs. 2 Richtlinie Nr. 91/496 (Veterinärkontrollen Drittländer); Art. 23 Abs. 1 Richtlinie Nr. 97/78 (Veterinärkontrollen Drittländer). 34 Art. 12 Richtlinie Nr. 64/433 (Frisches Fleisch); Art. 12 Richtlinie Nr. 77/99 (Fleischerzeugnisse). 35 Art. 9 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL); Art. 39 Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse). 36 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung).
C. Begriffliche Eingrenzungen
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Auch die Formulierungen in den anderen Sprachen sind uneinheitlich. Die Wendung „Kontrollen und Uberprüfungen vor Ort 4 ' in der Kontrollverordnung Nr. 2185/96 heißt in der englischen Fassung „on-the-spot-checks and inspections", in der französischen „contrôles et vérifications sur place" und in der niederländischen „contrôles en verificaties ter plaatse". Der Begriff „inspection" findet sich also nur in der englischen Version. Die deutsche Fassung der LebensmittelÜberwachungsrichtlinie Nr. 89 / 397 verwendet als Oberbegriff „Lebensmittelüberwachung". Diese besteht aus Inspektion (hier dann i m Sinne von Besichtigung), Probenahme und Analyse und anderen Aktivitäten. 4 1 Die englische Fassung umschreibt schon den Oberbegriff der Lebensmittelüberwachung mit „inspection" (französisch „contrôle"), wechselt in Art. 5 dann zu „control" (französisch wiederum „contrôle"), um anschließend „inspection" als Unterbegriff verwenden zu können. Neuere Vorschriften sind ersichtlich um präzisere Definitionen bemüht. Auch hier variieren die Fassungen der verschiedenen Sprachen allerdings. Als Beispiel kann eine Regelung aus dem Veterinärrecht angeführt werden. 4 2 Die Entscheidung Nr. 9 8 / 1 3 9 (Veterinärkontrollen) enthält in ihrem Art. 1 die folgende Definition: - D: „ I m Sinne dieser Entscheidung sind Kontrollen vor Ort i m Veterinärbereich (nachstehend ,Kontrollen' genannt) die Aktionen zur Überprüfung und Inspektion, die erforderlich sind, um die einheitliche Anwendung der Gemeinschaftsregelung zu gewährleisten." - GB: „For the purpose of this decision „on-the-spot-checks carried out in the veterinary field (hereinafter referred to as ,checks') means auditing actions necessary to ensure that the provisions of Community legislation are complied with in a uniform matter." - F: „ A u x fins de la présente décision, on entend par contrôles sur place dans le domaine vétérinaire (ci-après dénommés ,contrôle'), les actions de vérification et d'inspection nécessaires pour assurer l'application uniforme des dispositions de la législation communautaire." 37 Art. 23 Abs. 2 Richtlinie Nr. 97/78 (Veterinärkontrollen Drittländer); Art. 19 Abs. 3 Richtlinie Nr. 91/496 (Veterinärkontrollen Drittländer); Art. 6 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung). 38 Art. 9 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung). 39 Art. 6 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung); Art. 4 Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung). 40 Art. 7 und 14 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung); Artt. 1 ff. Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung). 41 Artt. 1, 5, 6 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung); dazu auch Gorny, ZLR 1990, S. 115, 116. 42 Auch die geplante Empfehlung zur Festlegung von Mindestkriterien für Umweltinspektionen in den Mitgliedstaaten enthält eine ausführliche sachbereichsbezogene Bestimmung des Begriffs „Umweltinspektion", vgl. den Gemeinsamen Standpunkt Nr. 24 / 2000, vom Rat festgelegt am 30. 3. 2000, ABl. Nr. C 137 v. 15. 5. 2000, 1.
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Einleitung
- I: „ . . . le azioni di verificace e di ispezione .. - N L : „ . . . acties van nazicht (,audits') die nodig zijn om . . . " Der Vergleich der verschiedenen Fassungen zeigt, daß die Doppelung „Aktionen zur Überprüfung und Inspektion" sich zwar in den französischen und italienischen, nicht aber den englischen und niederländischen Fassungen wiederfindet. Dort taucht stattdessen der Begriff Audit auf. I m weiteren Wortlaut der Entscheidung wird nicht weiter zwischen den Begriffen Überprüfung und Inspektion differenziert. In Ermangelung einer einheitlichen Begrifflichkeit ist danach zu fragen, was inhaltlich hinter den unterschiedlichen Formulierungen steckt. Ausgangspunkt muß die Überwachungsaufgabe sein, die der (Gemeinschafts-)Gesetzgeber den zuständigen Behörden übertragen wollte. Dafür ist ein bestimmtes Handlungsinstrumentarium erforderlich. Eines davon ist die Sachverhaltsermittlung durch Prüfungsbefugnisse vor Ort. Diese Prüfungsbefugnisse vor Ort werden wie gesehen mit unterschiedlichen Begriffen belegt. Meistens bleibt es nicht bei der allgemeinen Normierung des Inspektionsrechts, sondern es wird zusätzlich festgelegt, über welche Befugnisse die Kontrollbediensteten i m Einzelfall verfügen: Sie dürfen z. B. Betriebs- und Geschäftsräume betreten, Einblick in Bücher und Geschäftsunterlagen nehmen, Proben ziehen, Arbeitseinrichtungen und Produktionsverfahren untersuchen usw. Inhalt und Umfang der Überwachungsbefugnisse richten sich nach der jeweiligen Überwachungsaufgabe. Gerade wegen der Vielfältigkeit dieser Überwachungsaufgaben gibt es keinen feststehenden Begriffsinhalt der Nachprüfung oder Inspektion, sondern dieser wird durch die jeweils zugewiesenen Einzelbefugnisse bestimmt und eingegrenzt. 43 I m Zusammenhang dieser Untersuchung soll unter Inspektion ganz allgemein der Vorgang der Sachverhaltsermittlung mittels Prüfungsbefugnissen vor Ort verstanden werden. Welche Befugnisse dann i m konkreten Fall dahinter stecken, hängt von der jeweiligen Regelung ab. Auch aus Gründen der sprachlichen Vielfalt werden daneben weitere Begriffe wie Prüfungen oder Kontrollen vor Ort verwendet. Für zukünftige Entwicklungen hat der Begriff der Inspektion nicht zuletzt den Vorteil, daß er „international kompatibel" ist.
II. Der Begriff der Kooperation Kooperation wird gemeinhin verstanden als aufeinander abgestimmtes Handeln verschiedener Akteure, die dadurch - zumindest auch - ein gemeinsames Ziel erreichen wollen. Dabei kann mit dem Begriff der Kooperation sowohl ein Prozeß als auch ein Ergebnis abgestimmten Handelns gemeint sein. 4 4 Unter dem Stichwort 43
Vgl. für die Nachschaubefugnisse im deutschen Recht Figgener, Betretungsrechte und Nachschaubefugnisse, S. 17 f. 44 Benz, in: Schmidt-Aßmann /Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 45, 47; ders. in: Dose/Voigt, Kooperatives Recht, S. 297, 301.
C. Begriffliche Eingrenzungen
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„kooperatives Verwaltungshandeln" ist in den Rechts- und Sozialwissenschaften vor allem das Phänomen der Kooperation zwischen Staat und Bürger behandelt und analysiert worden: Durch die verschiedenen Formen kooperativen Umgangs soll ein Ausgleich zwischen privaten und öffentlichen Interessen gesucht werden, der effizienter ist als ein dem Uber-Unterordnungsverhältnis entsprechender Voll-
Zug.45 In der vorliegenden Untersuchung geht es um einen anderen Aspekt der Kooperation: Es geht um die Verwaltungskooperation zwischen den Stellen, die mit der Verwaltung des Unionsraums betraut sind: Unter den Begriff der Verwaltungskooperation sollen die verschiedenen Erscheinungsformen der administrativen Zusammenarbeit in Europa gefaßt werden. 4 6 Mindestinhalt jeder Kooperation ist die Kommunikation der Beteiligten. Kooperation beinhaltet als aktive Komponente ein „Miteinander-in-Kontakt-Treten" der beteiligten Verwaltungen. Sie geht insofern weiter als die reine Koordination, die sich auf das eher passive Aufeinanderabstimmen verschiedener Dinge oder Vorgänge beschränkt. 47
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Vgl. dazu vor allem die Beiträge in: Dose/Voigt (Hrsg.), Kooperatives Recht. Dazu grundlegend Schmidt-Aßmann, EuR 1996, S. 270 ff. Vgl. auch die Beiträge von Benz, Priebe, Hufen, Pitschas, von Danwitz und Schmidt-Aßmann in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht. 47 Zum Begriff der Koordination vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Band 12, Stichwort Koordination. 46
Kapitel 1
Inspektionen in ausgewählten Gebieten des Europäischen Verwaltungsrechts A. Inspektionen in ausgewählten Gebieten des Gemeinschaftsrechts Die Inspektionen sind ein Instrument der Informationsbeschaffung und Verwaltungskontrolle, das in zahlreichen Rechtsgebieten zum Einsatz kommt. Als Referenzgebiete werden i m Rahmen dieser Arbeit das Recht der Gemeinsamen Agrarpolitik, das Wettbewerbsrecht, das Lebensmittel- und Veterinärrecht, das Bankenrecht, das Umweltrecht und - als Querschnittsmaterie - das Recht der Betrugsbekämpfung herangezogen. Die ausgewählten Materien stehen für unterschiedliche Typen europäischer Verwaltung: - Das Recht der Gemeinsamen Agrarpolitik läßt sich wegen seines Formen- und Zweckreichtums noch am wenigsten einem bestimmten Typ zuordnen. Es handelt sich um sektorbezogene Wirtschaftsverwaltung mit stark planwirtschaftlichen Elementen und enthält sowohl Elemente der Ordnungs- als auch solche der Leistungsverwaltung. 1 Teilweise sind die Beiträge, die die nationalen Verwaltungen und die Kommission zu erbringen haben, derartig miteinander verwoben, daß ein Typ der Mischverwaltung entstanden ist. Entsprechend der Vielfältigkeit der Regelungszwecke sind auch die Inspektionen durch ihre Vielfältigkeit gekennzeichnet (A.I.). - Das Wettbewerbsrecht ist Wirtschaftsaufsicht in der Form der Eigenverwaltung. Hier finden sich traditionell weit reichende selbständige Inspektionsbefugnisse der Kommission. Die hier vorkommenden „reinen Kommissionskontrollen" sind den Mitteln der Gewerbeaufsicht i m nationalen Recht vergleichbar. Die in ihrem Zusammenhang auftretenden Rechtsfragen wurden in der EuGH-Rechtsprechung und Literatur schon vergleichsweise intensiv behandelt. Sie können insofern Anhaltspunkte für Lösungen auch in anderen Rechtsgebieten liefern (A.II.l.)· - Das Lebensmittel- und Veterinärrecht und das Recht der Bankenaufsicht nem Modell der Überwachungsverwaltung in den Formen des indirekten
sind eiVollzu-
1 Zuordnung „überwiegend dem Bereich des Wirtschaftsverwaltungsrechts" auch bei Priebe in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 254; Schmidt-Aßmann, in: FS Steinberger, S. 1377 spricht von „Lenkungsverwaltung".
Α. Gemeinschaftsrecht
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ges zuzuordnen. M i t der Einführung des Binnenmarktes dürfen Waren frei zirkulieren sowie Dienstleistungen gemeinschaftsweit erbracht und in Anspruch genommen werden. Aspekte des Gesundheits- und Verbraucherschutzes erhalten damit eine europäische Dimension. Die Überwachung der Aktivitäten der Wirtschaftsteilnehmer, die traditionell durch die einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden durchgeführt wird, muß den grenzüberschreitenden Gefahren Rechnung tragen. Die rein nationale Gewerbeaufsicht muß um Elemente einer europäischen Marktaufsicht ergänzt werden. Grenzüberschreitende Aufsichtskonzepte, die aus Subsidiaritätsgründen dennoch den Vorrang des indirekten Vollzuges durch die Mitgliedstaaten i m wesentlichen unangetastet lassen, werden erforderlich. Auch das Instrument der Inspektion wandelt sich von einem Mechanismus nationaler Gewerbeaufsicht zu einem komplexen Institut, das in vielfältigen Kooperationszusammenhängen die Gesundheits- und Finanzinteressen der Verbraucher sichern soll. Da sich für die unterschiedlichen Regelungsbereiche differierende Aufsichtskonzepte entwickelt haben, wird auch die Inspektion in vielfältigen Formen eingesetzt. Als Referenzgebiete werden das Lebensmittel- und Veterinärrecht (A.III.) sowie das Recht der Bankenaufsicht (A.II.2.) herangezogen. Ersteres ist schon allein deshalb ein wichtiges Referenzgebiet, weil der Europäische Binnenmarkt in herausragender Weise ein Lebensmittelmarkt ist und folglich das europäische Lebensmittelrecht zu den zentralen Gebieten des materiellen Europarechts gehört. 2 Das Bankenrecht bietet einen herausragenden Anwendungsfall der Dienstleistungsfreiheit. A n die Stelle der rein nationalen Bankenaufsicht ist mit der Verwirklichung des Binnenmarktes ein bisher einmaliges System transnationaler Aufsicht getreten. - Schutz von Raum und Ressourcen (A.IV.): Das Gebiet des Umweltrechts steht als Beispiel für einen Politikbereich, für den immer wieder Vollzugsdefizite beklagt werden. 3 Das mag nicht zuletzt an einem vergleichsweise schwach ausgeprägten Kontrollregime liegen. I m Umweltrecht bildet sich ein neuer Typ „lenkender" bzw. „ressourcenschondender" Verwaltung 4 heraus. Das Schwergewicht liegt auch hier auf dem indirekten Vollzug durch die Mitgliedstaaten. Relativ weitgehende Inspektionsmöglichkeiten für Kommission und Mitgliedstaaten finden sich lediglich i m Fischereirecht. - Eine typische Querschnittsmaterie bilden die Vorschriften, die unter dem plakativen Oberbegriff der Betrugsbekämpfung zusammengefaßt werden können. M i t dem Anwachsen des Gemeinschaftshaushalts wird ein effektiver Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft vor Unregelmäßigkeiten und Betrug immer wichtiger. In allen Gebieten der Leistungsverwaltung muß durch effektive Kontrollen sichergestellt werden, daß die Finanzmittel der Gemeinschaft nicht unberechtigt in Anspruch genommen werden. Daneben ist der Gemeinschafts2 Hufen, in: Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT 2, § 12, Rn. 2. 3 4
Vgl. nur die Beiträge in: Lübbe-Wolff, Vollzug des europäischen Umweltrechts. Schmidt-Aßmann, in: FS Steinberger, S. 1378.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten haushalt vor Verlusten durch unberechtigte Vorenthaltung von Geldern aufgrund von Betrügereien zu schützen. Die Auszahlung von Geldern aus dem Gemeinschaftshaushalt und die Erhebung von Abgaben erfolgt hauptsächlich i m indirekten Vollzug durch die Mitgliedstaaten. Diesen obliegt demzufolge auch in erster Linie die Durchführung von Inspektionen zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Vollzuges. Die Mitgliedstaaten haben allerdings nicht immer ein eigenes Interesse daran, die finanziellen Interessen der Gemeinschaft zu schützen. Unter Umständen sind ihre Interessen sogar gegenläufig, da die Aufdekkung von Unregelmäßigkeiten dazu führen kann, daß sie bestimmte Ausgaben anstelle des Gemeinschaftshaushalts selbst zu tragen haben. U m dem entgegenzuwirken, ist in letzter Zeit eine Tendenz zur Zentralisierung der Inspektionsbefugnisse zu verzeichnen. Vollzugsdefizite in den Mitgliedstaaten machen die Einführung von autonomen Inspektionsbefugnisse für die Kommission erforderlich (A.V.).
Die folgende Darstellung dient dazu, zunächst das Rechtsinstitut der Inspektion in den gerade vorgestellten Referenzgebieten nachzuweisen. Sie erfolgt anhand eines Grundrasters, das je nach Notwendigkeit variiert wird. Diesem Grundraster liegen in der Regel drei Hauptpunkte zugrunde. Zunächst wird nach typischen Merkmalen des betreffenden Rechtsgebietes gefragt. Anschließend werden die Inspektionsregelungen vorgestellt und in die Systematik des Gebietes eingeordnet. Es wird aufgezeigt, welche Inspektionsaufgaben und -befugnisse in dem jeweiligen Rechtsgebiet normiert sind und welche Verwaltungsebene für die Durchführung zuständig ist. Diese Zuständigkeiten stehen allerdings nicht isoliert nebeneinander. Die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und auf EG-Ebene haben in vielfältigen Formen zusammenzuarbeiten. In einem dritten Schritt gilt es daher, die vielfältigen Kooperationselemente in den einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts aufzuzeigen. Dabei wird sich zeigen, daß Möglichkeiten und Pflichten zur Zusammenarbeit nicht nur bei der Durchführung der Inspektionen selbst, sondern auch i m Vorfeld bei der Vorbereitung oder i m Nachhinein, etwa durch den Austausch der bei den Inspektionen erhaltenen Informationen, bestehen. So unterschiedlich die Ausgestaltungen in den einzelnen Referenzgebieten sind - es lassen sich doch immer wiederkehrende Funktionszusammenhänge, Regelungsmuster und Kooperationskonstellationen ermitteln. Die Betrachtung der Inspektionsregelungen in den einzelnen Referenzgebieten dient damit als „Fundus" für die Entwicklung bereichsübergreifender Strukturen und Kooperationsmuster (unter B.).
I. Recht der Gemeinsamen Agrarpolitik Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. e EGV umfaßt die Tätigkeit der Gemeinschaft „eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet der Landwirtschaft und der Fischerei". Schwerpunkt der Gemeinsamen Agrarpolitik ist die in den Artt. 34, 37 Abs. 3 und
Α. Gemeinschaftsrecht
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38 näher umschriebene Marktordnungspolitik, die die Schaffung einer gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte zum Ziel hat und zugleich den Rahmen des Gemeinsamen Marktes für landwirtschaftliche Erzeugnisse bildet. 5 Das Agrarrecht hat innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnung sowohl was die Vielzahl der Regelungen als auch was den finanziellen Aufwand betrifft, traditionell eine gewichtige Stellung. 6 Mehr als 40% der Gemeinschaftsausgaben werden in diesem Bereich getätigt. 7 Umfang, Vielfältigkeit und Technizität der gemeinschaftlichen Agrarvorschriften haben im Lauf der Zeit derartig zugenommen, daß aus dem Gebiet heute eine hochkomplexe Materie geworden ist, die nur noch von Spezialisten zu überblicken ist. 8 Dazu kommen noch die jeweiligen nationalen Regelungen, so daß zu Recht von einer „wohl einmaligen Verknüpfung zwischen Regelungen der Europäischen Gemeinschaft und nationalen Regelungen" 9 gesprochen wird. Dieses fast unübersehbare Geflecht gemeinschaftlicher und nationaler Regelungen wird von europäischen und mitgliedstaatlichen Organen erlassen und angewendet. Durch die wechselseitige Einbeziehung von Gemeinschaftsbehörden in den nationalen Vollzug und umgekehrt ist eine Art gemeinschaftlich-mitgliedstaatlicher Mischverwaltung entstanden. 10 Nicht zuletzt aufgrund des hohen Integrationsniveaus 11 bildet das gemeinschaftliche Agrarrecht ein besonders geeignetes Analyseobjekt für die Entwicklung des europäischen Verwaltungsrechts. 12 Es hat grundsätzliche Fragen des Gemein5 Die Gemeinschaft betreibt neben der Marktordnungspolitik auch eine eigene Agrarstrukturpolitik, auf die hier nicht näher eingegangen wird, vgl. dazu Hix, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 32, Rn. 1 f., 22. Zu den Strukturfonds der Gemeinschaft näher im Abschnitt Betrugsbekämpfung unter V. 1 .a)( 1 ). 6 Körte /Van Rijn, in: Groeben / Thiesing / Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Vorbemerkung zu Art. 38-47, Rn. 1: „Schlüsselthema der Einigungspolitik". Allgemein zum gemeinschaftlichen Agrarrecht vgl. die Darstellungen von Priebe/Mögele, in: Dauses, HBEUWiR, G, Priebe, in: Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht BT 2, § 11; Turner /Werner, Agrarrecht, S. 259 ff. und Boest, Agrarmärkte. 7 In den letzten Jahren waren das jeweils über 40 Milliarden ECU, vgl. die Übersichten im Gesamthaushaltsplan der EU für das Haushaltsjahr 2001, ABl. Nr. L 56 v. 26. 2. 2001, S. 1, 7, 127; dort auch Vergleichszahlen für die Haushaltsjahre 1999 und 2000. 8 Zu Umfang, Vielfalt, Kurzlebigkeit und Technizität des gemeinschaftlichen Agrarrechts siehe Priebe, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 261. 9 Priebe, in: Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT 2, § 11, Rn. 8.
10 So auch Stettner, in: Dauses, HBEUWiR, B.III, Rn. 27 f., der als Beispiel das Rechnungsabschlußverfahren für den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) nennt. •ι Gilsdorf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 38, Rn. 40 spricht von der „am weitesten durchstrukturierten Materie des Gemeinschaftsrechts überhaupt". Zum Zusammenwirken von mitgliedstaatlichem Verwaltungsrecht und Gemeinschaftsrecht im Agrarbereich vgl. auch Götz, EuR 1986, S. 29 f. 12 So auch Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Band I, S. 34 bzw. 381; Gilsdorf/ Priebe, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 40, Rn. 58j sehen in verschiedenen beispielhaft aufgeführten Regelungen Ansätze eines allgemeinen Agrarverwaltungsrechts auf Gemeinschaftsebene. 3 David
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
schaftsrechts früher aufgegriffen und einer Lösung zugeführt, als das in anderen Sektoren der Fall war. 1 3 Im Bereich des materiellen Rechts hat das gemeinschaftliche Agrarrecht vorwiegend Regeln und Maßnahmen wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Art zum Gegenstand: Elemente der Leistungsverwaltung (Subventionen, Abnahme- und Einkommensgarantien) finden sich ebenso wie solche der Eingriffsverwaltung, etwa bei Maßnahmen zum Abbau und zur Verhinderung von Überschüssen (ζ. B. Anpflanzungsbeschränkungen oder Quotenregelungen). Weiterhin umfaßt das gemeinschaftliche Agrarrecht mit Vorschriften in den Bereichen der menschlichen, tierischen und pflanzlichen Gesundheit sowie der Umwelt Regelungen mit wirtschaftsordnendem Charakter. Dazu kommen detaillierte Bezeichnungs-, Aufmachungsund Vermarktungsregeln zum Schutz von Verbrauchern und Konkurrenten, denen Funktionen der Wettbewerbsordnung zukommen. 1 4 Auch für die Entwicklung verwaltungsverfahrensrechtlicher Elemente auf europäischer Ebene bietet das Agrarrecht reiches Anschauungsmaterial. 15 Deren Regelungsintensität bleibt zwar hinter den materiellen Regelungen zurück, sie sind aber dennoch im gemeinschaftlichen Agrarrecht in ausgeprägterer Form zu finden als in anderen Bereichen des Gemeinschaftsrechts. Verfahrensregeln dienen einerseits der Sicherung der Funktionsfähigkeit der durch das materielle Gemeinschaftsrecht eingeführten Marktlenkungsinstrumente. Daneben spielt auch die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für die Marktteilnehmer eine große Rolle. Geschriebenes Agrarverfahrensrecht erfaßt praktisch alle Stationen des Verwaltungsverfahrens von der Antragstellung über die Art und Weise der Sachverhaltsermittlung bis hin zur abschließenden Entscheidung und ihrer Bestandskraft. Verfahrensrechtlicher Art sind auch die Bestimmungen über Inspektionen. Inspektionen sind i m gemeinschaftlichen Agrarrecht in erster Linie deshalb notwendig, weil die Europäische Gemeinschaft mit ihrer materiellen Rechtsetzung auf diesem Gebiet hochspezielle wirtschaftliche Lenkungs- und Steuerungsziele verfolgt. Deren überdifferenzierter Perfektionismus bietet zahlreiche Möglichkeiten 13
Ρ riebe, ZLR 1990, S. 266, 287 spricht denn auch zutreffend von der Vorrei terrolle des gemeinschaftlichen Agrarrechts für viele Materien des gemeinschaftlichen Verwaltungsrechts trotz seines aufgrund seiner Unübersichtlichkeit und Masse im allgemeinen eher schlechten Rufs. 14 Einteilung bei Priebe, in: Dauses, HBEUWiR, G 5, Rn. 255; zur Einteilung des gemeinschaftlichen Agrarrechts vgl. auch Götz, in: Götz / Hudault, Harmonisierung des Agrarrechts, S. 5, der die drei Bereiche Marktordnungen, Strukturmaßnahmen der Gemeinschaft und Harmonisierung unterscheidet. Der Bereich der Harmonisierung umfaßt nach Götz, a. a. O., in erster Linie „die produktbezogenen Anforderungen an die Qualität, die Sicherheit, den Schutz der Gesundheit und des Verbrauchers landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie die produktionsbezogenen Anforderungen des Schutzes der Umwelt einschließlich des Tierschutzes". 15
Boest, Agrarmärkte, S. 288 nennt als Beispiele Form-, Verjährungs-, Beweis-, Kontrollund Sanktionsvorschriften. Ausführlich allgemein zur verfahrensrechtlichen Steuerung des nationalen Verwaltungsvollzuges Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 173 ff.
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zur Umgehung, Ausnutzung oder einfach unbewußt fehlerhaften Anwendung. Einerseits geht es darum, die materiellen Regelungsziele der jeweiligen Vorschrift zu wahren, so etwa bei Bestimmungen über Kontrollen zur Wahrung lauteren Wettbewerbs oder gesundheitspolizeilicher Erfordernisse. In fast allen Fällen soll durch Kontrolle und Inspektionen (zumindest auch) verhindert werden, daß durch die Nichteinhaltung des gemeinschaftlichen Agrarrechts die finanziellen Interessen der Gemeinschaft geschädigt werden. 1 6 Aus diesem Grund ist eine streng nach Kontrollzwecken getrennte Darstellung nicht möglich - dienen doch viele Inspektionsregelungen sowohl den unmittelbar agrarpoli ti sehen Zielsetzungen des EGV (ζ. B. in Form von Qualitäts- und Vermarktungsregelungen) als auch Umwelt-, Gesundheits- oder Verbraucherschutzaspekten, der Finanzkontrolle oder ganz allgemein der Betrugsbekämpfung. 17 Ihre Zweckvielfalt ist damit charakteristisch für die Inspektionen i m Agrarrecht. A m speziellsten, da jeweils auf ein bestimmtes Produkt zugeschnitten, ist das Marktordnungsrecht. In vielen Marktorganisationen finden sich Inspektionsregime, die von Produkt zu Produkt durchaus unterschiedlich ausgestaltet sein können (dazu unter 1.). Für das Recht der Agrarfinanzierung enthält die auch als „Basistext der gemeinschaftlichen Agrarfinanzierung", 1 8 bezeichnete Verordnung Nr. 1258/ 1999 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik ( E A G F L ) 1 9 die Inspektion als Kontrollinstrument (dazu unter 2.). M i t der zunehmenden Ausdifferenzierung des Agrarfinanzierungsrechts ergab sich auch die Notwendigkeit einer detaillierteren Ausgestaltung der Kontrollmechanismen. Die Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL) wird daher durch zahlreiche weitere Vorschriften ergänzt und konkretisiert. Dabei ist die Einführung des sogenannten Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (Invekos) 20 im Zuge der Agrarreform besonders hervorzuheben (dazu unter 3.).
1. Inspektionen im Marktordnung s recht Die europäischen Marktorganisationen sind eine typische Regulierungsform des gemeinschaftlichen Agrarrechts. 21 Sie regeln unter Berücksichtigung der in Art. 33 •6 Mögele, in: Dauses, HBEUWiR, G 5, Rn. 191, 238; Pache, Schutz der finanziellen Interessen, S. 67; Tiedemann, in: FS Pfeiffer, S. 109; vgl. auch Mögele, EWS 1998, S. 1, 10 zur Betrugsanfälligkeit des Agrarrechts als Folge seiner Komplexität und des Einfallsreichtums betrügerischer Wirtschaftsteilnehmer. Allgemein über Inspektionen zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft unter V. 17
Zu den Schwierigkeiten der Einordnung vgl. auch Priebe, ZLR 1990, S. 266, 267. So Mögele, Fehlerhafte Ausgaben, S. 21 f. 19 Die Verordnung Nr. 2158/99 stellt eine Neufassung der mehrfach geänderten Verordnung Nr. 729/70 dar. 20 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos); dazu Mögele, EWS 1993, S. 305 ff. 18
21 Ausführlich zum System sowie zur Vielfalt und zum Gegenstand der gemeinsamen Marktorganisationen Priebe, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 66 ff., der differenziert zwischen
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
EGV genannten Z i e l e 2 2 den Inhalt und das Instrumentarium für die marktordnungslenkenden Maßnahmen nach den besonderen Gegebenheiten der einzelnen Erzeugnisse. 23 Herkömmliche Marktlenkungsmechanismen sind Preisfestsetzungen, Interventionen, Beihilfen und Abschöpfungen oder Maßnahmen zur Begrenzung der Uberschußerzeugung wie ζ. B. Quotenregelungen. Daneben wurden i m Zuge der Agrarreform Anfang der 90er Jahre 2 4 direkte flächenbezogene Einkommensbeihilfen für die Landwirte eingeführt. Als Besonderheiten einzelner Marktorganisationen finden sich Herstellungs-, Bezeichnungs- und Vermarktungsregeln, Bestimmungen über Aufgaben, Einrichtung und Förderung von Erzeugergemeinschaften sowie Sonderregeln betreffend die speziellen Gegebenheiten einzelner Regionen oder die Behandlung von Währungsfragen. 25 Die komplexen Regelungsmechanismen der gemeinsamen Marktorganisationen können nur dann effektiv wirken, wenn ihre Einhaltung auch kontrolliert wird. Besondere Bestimmungen sehen daher Kontrollen vor, die die Erreichung des jeweiligen Marktlenkungsziels sicherstellen sollen. Auch für die einzelnen Marktorganisationen gilt: Entsprechend der Vielfalt der materiellen Regelungsgehalte haben die Kontrollen verschiedene Zwecke zu erfüllen. Ein Hauptgewicht liegt auf den Kontrollen unter gesundheitlichen, qualitäts- oder verbraucherschützenden Aspek-
Marktorganisationen für tierische Produkte (Milch, Eier, Geflügel, Rind-, Schaf-, Ziegenund Schweinefleisch) und solchen für pflanzliche Erzeugnisse (Ackerkulturen wie Getreide, Reis, Zucker und Sonderkulturen wie Obst und Gemüse, Wein, Olivenöl und Tabak); ders., in: Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht BT 2, R 11, Rn. 33 ff.; Boest, Agrarmärkte, S. 171 ff.; eine Ubersicht über die mehr als 25 bestehenden Marktorganisationen oder marktordnungsähnlichen Regelungen findet sich bei Gilsdorf/ Ρ riebe, in: Grabitz / Hilf, EUV/ EGV, Anh. zu Art. 40 und Körte/van Rijn, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/EG-Vertrag, Art. 40, Rn. 9 (dort Fn. 7). Definition der Marktordnung: Nach der Definition des EuGH (Rs. 48/74 - Charmasson - , Slg. 1974, 1383, Rn. 26) ist eine (einzelstaatliche) Marktordnung „ein Bündel rechtlicher Mittel, das die Regulierung des Marktes der betreffenden Erzeugnisse hoheitlicher Aufsicht unterstellt". Diese Definition wird auch auf den Begriff der Marktordnung auf Gemeinschaftsebene ausgedehnt, vgl. Allkemper, RIW 1992, S. 121, 123 m. w. N. 22 Diese Ziele umfassen die Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft, die Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung für die landwirtschaftliche Bevölkerung, die Stabilisierung der Märkte, die Sicherstellung der Versorgung und die Sicherstellung einer Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen, vgl. Art. 33 Abs. 1 lit. a) - e) EGV. 23
Barnstedt, Gemeinsame Marktorganisationen, S. 10 f. Die Hauptziele der Agrarreform waren: Wiederherstellung des Marktgleichgewichts, Verringerung der Produktionsüberschüsse, Förderung umweltverträglicher Produktionsweisen, Verbesserung der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft; vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament über „Die künftige Entwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik", KOM (91) 258 endg./3 v. 22. 7. 1991; siehe zur Agrarreform auch Scherer, DVB1. 1993, S. 281 ff., 285; Priebe, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 71 ff., ders., in: Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT 2, § 11, Rn. 49 ff.und Körte/van Rijn, in: HBEuR, I A 24, Art. 40, Rn. 14 ff. 2 5 Vgl. ausführlich Priebe, in: Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT 2, § 11, Rn. 55 ff. 24
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ten, d. h. also der Lebensmittelkontrolle im eigentlichen Sinne. 2 6 Daneben dienen die Kontrollvorschriften der Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen und Diskriminierungen, zu denen die Gewährung von Leistungen aufgrund falscher Angaben oder die Mißachtung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards führen kann. In der Regel bezwecken die Kontrollen zumindest auch die Wahrung der finanziellen Interessen der Gemeinschaft. 27 In einem ersten Zugriff lassen sich die Inspektionen i m Marktordnungsrecht als ein gestuftes Kontrollregime mit Kooperationselementen kennzeichnen. Da die Durchführung der Maßnahmen der gemeinsamen Agrarpolitik überwiegend den Mitgliedstaaten obliegt, 2 8 tragen sie auch die Primärverantwortung für die Uberwachung der Einhaltung dieser Vorschriften [a)]. Ergänzt werden die mitgliedstaatlichen Inspektionen durch Inspektionsbefugnisse der Kommission [b)]. Durch horizontale und vertikale Zusammenarbeit soll die Überwachung effektuiert werden [c)].
a) Inspektionen durch die Mitgliedstaaten Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat in die Marktorganisationen eine Reihe verfahrensrechtlicher Regelungen eingeführt. Dazu gehört auch die Normierung von Inspektionspflichten [unter (1)]. Zusätzlich enthalten einige der Marktorganisationen i m Zusammenhang mit Inspektionen auch Vorgaben organisatorischer Art [unter (2)].
(1) Inspektionspflichten Teilweise legen die Marktorganisationen lediglich fest, daß die Mitgliedstaaten „die erforderlichen Maßnahmen" zu treffen haben, um die Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften zu gewährleisten. 29 In anderen Marktorganisationen finden sich detaillierte Vorgaben für die Durchführung von Inspektionen vor Ort und für die den Kontrollbediensteten einzuräumenden Befugnisse. Für den Tabaksektor gilt ζ. B. eine Regelung, nach der die Kontrollbediensteten in die Lage versetzt werden müssen, alle „notwendigen Nachprüfungen vornehmen zu können". Ihnen muß 26 So auch Priebe, ZLR 1990, S. 266, 268. 27 Dazu näher s.u. unter V. 28 Die Vollzugsverantwortung der Mitgliedstaaten wird auch vom EuGH deutlich herausgestellt, vgl. EuGH, verb. Rs. 205 bis 215/82 (Deutsches Milchkontor), Slg. 1983, 2633, Rn. 17: Es sei nach den für die institutionelle Struktur der Gemeinschaft geltenden Grundsätzen gemäß Art. 5 (jetzt Art. 10) EGV Sache der Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet für die Durchführung der Gemeinschaftsregelungen, namentlich im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, zu sorgen. 29 Art. 38 Abs. 1 Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse); zu den Kontrollen im Obst- und Gemüsesektor siehe auch Priebe, ZLR 1990, S. 266, 273 f.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
insbesondere die Befugnis eingeräumt werden, bei den kontrollierten natürlichen oder juristischen Personen Tabakproben zu entnehmen. 30 Die Mitgliedstaaten haben nach der Weinkontrollverordnung 31 sicherzustellen, daß die zuständigen Kontrolleure Zugang zu den Anbauflächen, Lager- und Geschäftsräumen sowie zu den Transportmitteln der Landwirte und Vermarkter erhalten. 32 Sie müssen in Geschäftsunterlagen Einsicht nehmen und Kopien anfertigen dürfen. 3 3 Außerdem muß ihnen das Recht zur Entnahme von Proben 3 4 und beim Verdacht auf schwerwiegende Verstöße das Recht zum Ergreifen geeigneter einstweiliger Maßnahmen eingeräumt werden. 3 5
(2) Einrichtung von speziellen Dienststellen mit Inspektionsbefugnissen Die Olivenöl- und Tabakmarktorganisationen sind die fast schon klassisch zu nennenden Beispiele dafür, wie die Gemeinschaft auch durch Vorgaben i m verwaltungsorganisatorischen Bereich auf das mitgliedstaatliche Verwaltungsrecht einwirken kann. 3 6 In beiden Sektoren wurde den Mitgliedstaaten durch EG-Verordnung vorgeschrieben, spezielle administrativ unabhängige Kontrollstellen einzurichten. 3 7 Die Bediensteten dieser Kontrollstellen sind nach einem von den M i t gliedstaaten vorher aufzustellenden Tätigkeitsprogramm für die Durchführung der Inspektionstätigkeiten im Rahmen der Olivenöl- und Tabakmarktorganisationen zuständig. Diese Eingriffe in die Verwaltungsorganisation der Mitgliedstaaten werden mit Effektivitätsargumenten und den „Erfordernissen des Marktes" 3 8 gerechtfertigt: Die Erfahrung habe gezeigt, daß trotz der Einführung zahlreicher spezifischer Kontrollvorschriften Probleme hinsichtlich der fristgerechten und wirksamen Durchführung dieser Kontrollen bestünden und daß die Verwaltungsstruktur der Erzeugermitgliedstaaten für die Durchführung der in der Gemeinschaftsregelung vorgesehenen Kontrollen unzureichend sei. Infolgedessen sei die Schaffung admi-
30 Art. 2 Abs. 4 Verordnung Nr. 85/93 (Kontrollstellen im Tabaksektor). 31
Verordnung Nr. 2729/2000. Die Verordnung hat die alte Weinkontroll Verordnung Nr. 2048/89 abgelöst, die durch die neue Marktorganisation für Wein (Verordnung Nr. 1493/ 1999) aufgehoben worden war. Die alte Weinkontrollverordnung Nr. 2048/89 enthielt in Art. 5 praktisch wortgleiche Vorgaben (dazu Priebe, ZLR 1990, S. 266, 274 ff.). 32 Art. 4 Sp.str. 1 und 2 Verordnung Nr. 2729/2000 (WeinkontrollVerordnung). 33 Art. 4 Sp.str. 5 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung). 34 Art. 4 Sp.str. 4 Verordnung Nr. 2729/2000 (WeinkontrollVerordnung). 35 Art. 4 Sp.str. 6 Verordnung Nr. 2729/2000 (WeinkontrollVerordnung). 36 Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 117; Wittkopp, Sachverhaltsermittlung, S. 122 f.; Mogele, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 206. 37 Verordnung Nr. 2262/84 (Sondermaßnahmen für Olivenöl); Verordnung Nr. 2075/92 (Marktorganisation Rohtabak) i.V.m. der Verordnung Nr. 85/93 (Kontrollstellen im Tabaksektor). 38 Erwägungsgrund Nr. 17 Verordnung Nr. 2075/92 (Marktorganisation Rohtabak).
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nistrativ selbständiger Einrichtungen in den Mitgliedstaaten für die Wahrnehmung dieser Aufgaben unerläßlich. 3 9 Die Regelungen der entsprechenden Marktorganisationen schreiben den Mitgliedstaaten also nicht nur vor, daß sie Inspektionen vor Ort durchzuführen haben und was dabei zu kontrollieren ist, sondern auch, in welchen Organisationsformen diese Kontrolle stattzufinden hat.
b) Kommissionsinspektionen Die Kontrollen der Mitgliedstaaten werden durch Kommissionsinspektionen ergänzt. Die Inspektionsbefugnisse der Kommission i m Marktordnungsrecht sind von unterschiedlicher Intensität. Für den Weinsektor wird eine spezielle Gruppe von Kommissionsbediensteten gebildet, die im Zusammenwirken mit den mitgliedstaatlichen Stellen bei deren Kontrollen an Ort und Stelle mitwirken kann. 4 0 Eine ähnliche Regelung findet sich in der Marktorganisation für Obst und Gemüse: Eine besondere Inspektorengruppe soll in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten Überprüfungen vor Ort durchführen. Ziel dieser Inspektionen ist die Sicherung der gemeinschaftsweit einheitlichen Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften für den Sektor Obst und Gemüse. 41 Die Inspektorengruppe besteht aus fachkundigen und erfahrenen Inspektoren der Kommission. Daneben können auf Antrag der Kommission und mit Zustimmung des jeweiligen Mitgliedstaats auch qualifizierte nationale Bedienstete in die Inspektorengruppe aufgenommen werden. 4 2 Die Inspektorengruppe wirkt an Inspektionen der M i t gliedstaaten m i t , 4 3 kann aber auf Initiative der Kommission auch selbständige Inspektionen durchführen. 44 Ausdrücklich wird ihr die Aufgabe zugewiesen, die Kontrolleinrichtungen der Mitgliedstaaten, die angewendeten Verfahren und die erzielten Ergebnisse zu beurteilen. 45 Es finden sich damit Ansätze eines gestuften Kontrollregimes: Kontrolleure der Mitgliedstaaten überwachen vor Ort die Einhaltung der Vorschriften des Marktordnungsrechts. Kommissionsbedienstete dürfen ebenfalls Inspektionen direkt bei den Wirtschaftsteilnehmern durchführen; dies allerdings mit der Zielsetzung einer Kontrolle der Qualität des mitgliedstaatlichen Vollzuges. 4 6
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Erwägungsgründe Nr. 2 und 4 Verordnung Nr. 2262 / 84 (Sondermaßnahmen für Olivenöl). 40 Art. 72 Abs. 3 Verordnung Nr. 1493/1999 (Marktorganisation Wein); vorher Art. 6 Verordnung Nr. 2048/89 (Weinkontrollverordnung a.F.). 41 Art. 39 Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse). 42 Art. 40 Abs. 1 Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse). 43 Art. 40 Abs. 2 lit. a) Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse). 44
Art. 40 Abs. 2 lit. b) Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse). 5 Art. 40 Abs. 2 lit. c) Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse).
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46 Dieses System gestufter Kontrolle findet sich im Recht der Agrarfinanzierung wieder: Art. 41 Abs. 1 Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse) verweist bei-
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
In den Regelungen für den Olivenöl- und Tabaksektor sind keine derart weitgehenden Befugnisse der Kommissionsbediensteten normiert: Sie können zwar jederzeit die Arbeiten der mitgliedstaatlichen Kontrollstellen verfolgen. 4 7 Selbständige Inspektionen bei den Wirtschaftsteilnehmern sind demgegenüber auf der Grundlage des Rechts der Tabak- und Olivenölmarktorganisationen nicht zulässig.
c) Kooperationselemente A u f der Ebene des Marktordnungsrechts sind Regeln für die Zusammenarbeit der zuständigen Verwaltungsstellen bei der Überwachung eher selten. Lediglich in den neueren Verordnungen finden sich einige Ansätze. Die gerade für den Obstund Gemüsesektor beschriebene gemischte Inspektorengruppe bietet ein Beispiel für institutionelle Kooperation. Die Aufgabe dieser Gruppe besteht ausdrücklich auch darin, den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden der verschiedenen Mitgliedstaaten zu fördern. 4 8 In horizontaler Hinsicht haben sich die zuständigen Kontrollbehörden gegenseitig Amtshilfe zu leisten. Für den Weinsektor besteht beispielsweise ein eigenes Amtshilferegime. 4 9 Die Amtshilfe findet auf Ersuchen 5 0 und teilweise auch spontan ohne vorheriges Ersuchen 51 statt. Sie kann verschiedene Formen annehmen. Informationshilfe liegt vor, wenn sich die zuständigen Stellen gegenseitig Auskünfte zur Erfüllung ihrer Aufgaben erteilen. Daneben kann die Verwaltungsbehörde eines Mitgliedstaats die zuständige Stelle eines anderen Mitgliedstaats um die Durchführung besonderer Kontrollen ersuchen. spielsweise ausdrücklich darauf, daß die selbständigen Kommissionskontrollen entsprechend Art. 9 Abs. 2 der EAGFL-Verordnung (jetzt Verordnung Nr. 1258/ 1999) durchzuführen sind, ebenso Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung n.F.); näher zu den Inspektionen nach Art. 9 Abs. 2 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL) unter 2. 47 Art. 1 Abs. 4 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2262/84 (Sondermaßnahmen für Olivenöl); Art. 20 Abs. 4 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2075/92 (Marktorganisation Tabak). 4
8 Art. 40 Abs. 2 lit. e) Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse). 49 Vgl. Artt. 7 ff.Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung n.F.). Bereits die Weinkontrollverordnung in ihrer alten Fassung enthielt einen eigenen Titel über die gegenseitige Unterstützung der Kontrollstellen (Art. 8 ff. Verordnung Nr. 2048/89). Die Verfahren der Zusammenarbeit im Weinsektor sollten sich in den mit der Verordnung Nr. 1468/81 (EG-Amtshilfeverordnung a.F.) geschaffenen Rahmen einfügen (so die Erwägungsgründe Nr. 21 und 23 der Verordnung Nr. 2048/89 (Weinkontrollverordnung a.F.). Diese parallele Struktur wurde auch in der neuen Verordnung beibehalten. Der ausführliche Hinweis in den Erwägungsgründen ist zwar weggefallen, die Parallelität wurde aber noch ausgebaut durch Angleichung der Titelüberschriften: Auch in der Weinkontrollverordnung heißt es jetzt nicht mehr „gegenseitige Unterstützung der Kontrollstellen", sondern „Amtshilfe zwischen den Kontrollstellen". Das entspricht dem Wortlaut der Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung n.F.), dazu näher unten 2.c) (2). 50 Art. 7 Verordnung Nr. 2729/2000 (WeinkontrollVerordnung). 51 Art. 8 Verordnung Nr. 2729/2000 (WeinkontrollVerordnung).
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Für Elemente vertikaler Kooperation stehen Regelungen, nach denen die Kommission die Mitgliedstaaten um Auskünfte über die von ihnen geplanten Kontroll e n 5 2 oder um die Durchführung bestimmter Kontrollen ersuchen kann. A n diesen Kontrollen können dann auch Bedienstete der Kommission mitwirken. 5 3 Beispiele für vertikale Kooperation bilden auch die Steuerungsmöglichkeiten der Kommission, die sie hinsichtlich der Tätigkeiten der nationalen Kontrollstellen hat. Die Kommission kann zunächst auf die von den Mitgliedstaaten jährlich zu erstellenden Tätigkeitsprogramme für die Kontrollstellen i m Olivenöl- und Tabaksektor Einfluß nehmen: Sie hat diese Programme zwar nicht zu genehmigen, kann aber jede Änderung verlangen, die ihr zweckdienlich erscheint. Vertreter der Kommission können jederzeit die Arbeiten der Kontrollstelle verfolgen. 5 4 Die Kommission hat außerdem ein Präsenzrecht bei den Sitzungen der Leitungs- und Beratungsgremien der Kontrollstellen. Es finden daneben besondere Sitzungen zwischen Vertretern der Kommission, der Mitgliedstaaten und der Kontrollstellen statt, bei denen die Tätigkeiten und das Funktionieren der Kontrollstellen begutachtet werden. 5 5
2. Inspektionen im Recht der Agrarfinanzierung Die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik erfolgt über den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft ( E A G F L ) . 5 6 Die wichtigsten Finanzierungsgrundsätze sind in der Verordnung Nr. 1258/1999 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik niedergelegt. Sie hat die Vorgängerverordnung Nr. 7 2 9 / 7 0 ersetzt und kann als Basistext der gemeinschaftlichen Agrarfinanzierung bezeichnet werden. 5 7 Der E A G F L ist „ein Teil des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Gemeinschaften" 5 8 und wird aus den gemäß Art. 269 EGV geschaffenen Eigenmitteln gespeist. Der Fonds hat zwei Abteilungen, von denen die eine strukturelle Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums (Abteilung Ausrichtung) und die andere die marktpolitischen Ausgaben, d. h. hauptsächlich die Ausfuhrerstattungen und die Interventionen auf dem Binnenmarkt finanziert. 5 9 Die laufende Finanzierung durch die Abteilung Garantie 6 0 erfolgt über nationale Zahlstellen, die ihre 52 Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 Sp.str. 1 Verordnung Nr. 2729/2000 (WeinkontrollVerordnung). 53 Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 Sp.str. 2 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung). 54 Art. 20 Abs. 4 Verordnung Nr. 2075/92 (Marktorganisation Rohtabak). 55 Art. 5 Abs. 3 und 4 Verordnung Nr. 85/93 (Kontrollstellen im Tabaksektor). 56 Zur Errichtung des EAGFL vgl. Verordnung Nr. 25 (Finanzierung Agrarpolitik). 57 Mögele, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 217. 58 Art. 1 Abs. 1 Verordnung Nr. 1258/99 (EAGFL). 59 Für die Agrarstrukturausgaben gelten eigenständige Finanzkontrollregeln (Art. 38, 39 Verordnung Nr. 1260/1999), näher dazu unten unter V. 1. a) (1). 60 Die Abteilung „Garantie" trägt die marktpolitischen Ausgaben, d. h. hauptsächlich die Ausfuhrerstattungen und die Interventionen auf dem Binnenmarkt. Die Abteilung „Ausrich-
42
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Ausgaben aus vorläufig bereitgestellten Gemeinschaftsmitteln bestreiten 61 . Die von den Zahlstellen vorgenommenen Ausgaben sind nach dem Ende des Haushaltsjahres Gegenstand des sogenannten Rechnungsabschlusses. 62 Die Kommissionsentscheidungen über den Rechnungsabschluß haben für die Mitgliedstaaten eine große Bedeutung, weil in ihnen nur die Ausgaben anerkannt werden, die in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsbestimmungen vorgenommen worden sind. Ist das nicht der Fall, werden die Beträge den Mitgliedstaaten „angelastet", d. h. sie haben eventuelle Verluste selbst zu tragen. Der Rechnungsabschluß stellt ein äußerst wirksames sanktionsgleiches Mittel dar, das faktisch zu einem - rechtlich an sich nicht vorgesehenen - Weisungs- und Sanktionsrecht der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten führt. 6 3 Schon anhand dieser groben Skizzierung wird ein Charakteristikum des Systems der Agrarfinanzierung deutlich: Während die Finanzierung der Agrarpolitik praktisch ausschließlich aus den Haushaltsmitteln der Gemeinschaft erfolgt, 6 4 obliegen die Vollzugsaktivitäten, d. h. die konkreten Zahlungen an die Empfänger, den nationalen Verwaltungen durch die zuständigen nationalen Zahlstellen. 6 5 Die Gemeinschaft hat ein besonderes Interesse daran, daß ihre Mittel ordnungsgemäß verwaltet und nur an wirklich Berechtigte ausgezahlt werden. Unter Umständen ist ihr Interesse an der Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten sogar größer als das der Mitgliedstaaten, weil letztere immer Gefahr laufen, nicht wieder einbringbare Beträge selbst übernehmen zu müssen. Dieser Sachlage trägt ein gestuftes Kontrollregime Rechnung: A u f einer ersten Stufe weist das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Durchführung möglichst wirksamer Kontrollen durch die nationalen Vollzugsor-
tung" finanziert die Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums, d. h. alle Strukturmaßnahmen, die nicht ausnahmsweise unter die Abteilung Garantie fallen. 61 Ar«. 4 u. 5 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL), Art. 4 Verordnung Nr. 729/70 (EAGFL a.F.). Zu näheren Einzelheiten der für die Zahlstellen geltenden Regelungen vgl. die Verordnung Nr. 1663/95 (EAGFL-Durchführung); Mögele, Fehlerhafte Ausgaben, S. 53 ff. Die wichtigsten deutschen Zahlstellen sind das Hauptzollamt Hamburg-Jonas (Ausfuhrerstattungen, Währungsausgleichsbeträge, Beitrittsausgleich) und das Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung in Frankfurt (direkte Beihilfen und öffentliche Intervention), vgl. Körte/van Rijn, in: HBEuR, Art. 40 EGV, Rn. 55. 62 Grundlegend zum Rechnungsabschlußverfahren Mögele, Behandlung fehlerhafter Ausgaben; Scherer, EuR 1986, S. 52 ff.; Strohmeier, in: FS Hahn, S. 497 ff. 63 Darauf wird an anderer Stelle noch zurückzukommen sein. Vgl. hier nur Gilsdorf /Priebe, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 40 Rn. 105; Priebe, in: van Gerven/Zuleeg (Hrsg.), Sanktionen, S. 55, 58; Yataganas, in: Commentaire Mégret, Le Droit de la CE et de l'Union Européenne, Band 11 (Les Finances), S. 424 ff., Rn. 924 ff.Einen Uberblick über den Ablauf des Rechnungsabschlußverfahrens gibt Gentzsch, ZfZ 1998, S. 74 ff. 64 Hier liegt ein Unterschied zur Strukturpolitik, für die der Grundsatz der Kofinanzierung gilt. 65 Diese Verflechtung der Rechts- und Haushaltssphären von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten betont auch Mögele, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 231.
Α. Gemeinschaftsrecht
43
gane zu [unter a]). Daneben ist die Kommission zur selbständigen Durchführung von Kontrollen befugt [unter b)].
a) Inspektionen durch die Mitgliedstaaten Die Zentralvorschrift für die mitgliedstaatlichen Vollzugspflichten i m Bereich der EAGFL-finanzierten Maßnahmen ist Art. 8 der Verordnung Nr. 1258/1999 ( E A G F L ) . 6 6 Danach treffen die Mitgliedstaaten „gemäß den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um - sich zu vergewissern, daß die durch den Fonds finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, - Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu verfolgen und - die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen abgeflossenen Beträge wiedereinzuziehen." Die Vorschrift konkretisiert die aus Art. 10 EGV ableitbaren allgemeinen M i t wirkungspflichten der Mitgliedstaaten. Insbesondere die Formulierung unter dem ersten Spiegelstrich (Vergewisserung, daß die durch den Fonds finanzierten Maßnahmen tatsächlich und ordnungsgemäß durchgeführt worden sind) zeigt, daß das Gemeinschaftsrecht der Durchführung möglichst wirksamer Kontrollen durch die nationalen Verwaltungen besondere Bedeutung zumißt. 6 7 Nach Art. 8 Abs. 3 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL) erläßt der Rat auf Vorschlag der Kommission die Grundregeln für die Anwendung dieses Artikels. A u f dieser Basis findet die generalklauselartig weite Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 ihre Ergänzung in vielfältigen detaillierten gemeinschaftlichen Vorgaben darüber, wie die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung der aus dem Fonds finanzierten Maßnahmen zu erfolgen hat. Zahlreiche Gemeinschaftsregelungen enthalten Vorschriften über die Uberprüfung von Geschäftsbüchern, über Mindestkontrollsätze, Kriterien für die Auswahl von Stichproben, Analysemethoden und allgemeine, am Betrugsrisiko ausgerichtete Kontrollkriterien. 6 8 Die durchzuführenden Kontrollen umfassen Verwaltungskontrollen im engeren Sinn wie ζ. B. die Überprüfung von Anträgen auf rechnerische Richtigkeit und Plausibilität, körperliche Kontrollen und Inspektionen in den Betrieben. 6 9
66
Die Artt. 8 und 9 der neuen Verordnung stimmen abgesehen von kleineren redaktionellen Änderungen wörtlich mit Artt. 8 und 9 Verordnung Nr. 729 / 70 (EAGFL) überein, so daß sich, was die Kontrollvorschriften betrifft, keine Änderungen ergeben haben. 67 Vgl. Mögele, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 172 ff., 191. 68 Vgl. die Beispiele bei Mögele, Fehlerhafte Ausgaben, S. 108 f., ders., in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 144. 69 Vgl. Mögele, HBEUWiR, G, Rn. 172 ff., 191.
44
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Für den Bereich der Ausfuhrerstattungen ist beispielsweise eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu umfassenden Warenstichproben normiert. Die Stichproben müssen mindestens 5 Prozent aller Ausfuhrsendungen erfassen, für die Erstattungen i m Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik geleistet werden. 7 0 Flankierend hierzu sieht die Verordnung Nr. 4045 / 89 (Buchprüfungen) die Kontrolle der Geschäftsunterlagen der beteiligten Unternehmen in Form nachträglicher Buchprüfungen vor. Ein weiteres Beispiel bietet die Verordnung Nr. 3002/92: Sie betrifft die Überwachung der Verwendung von Erzeugnissen aus den Beständen der Interventionsstellen. Die Verordnung Nr. 3002/92 (Überwachung von Interventionserzeugnissen) führt ein Kontrollsystem ein, um sicherzustellen, daß die Erzeugnisse auch tatsächlich den jeweiligen Zweckbestimmungen entsprechend verwendet werden bzw. ihren Bestimmungsort erreichen. 71 Die Mitgliedstaaten müssen die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die betreffenden Erzeugnisse einer Überwachung einschließlich körperlicher Kontrollen sowie Beleg- und Buchprüfungen zu unterziehen. 7 2 Sie haben insbesondere vorzusehen, daß sich Betriebe, die mit Interventionserzeugnissen handeln, jeder erforderlichen Kontrolle oder Überwachung unterwerfen. Die Betriebe müssen eine Buchführung aufweisen, die es den Behörden ermöglicht, alle Kontrollen durchzuführen, die sie als erforderlich erachten. 73 Die Einführung flächenbezogener Direktbeihilfen i m Zuge der Agrarreform 1992 hat neue Kontrollprobleme mit sich gebracht. 74 Durch die Einführung des sog. „integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems" hat die Gemeinschaft einen Rahmen geschaffen, der die Kontrolltätigkeiten der Mitgliedstaaten vereinheitlicht und aufeinander abstimmt. Dieses marktordnungsübergreifende integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem bildet ein umfassendes eigenes Regelungssystem, das deshalb unter einem eigenen Gliederungspunkt gesondert dargestellt werden soll (siehe unten 3.).
b) Kommissionsinspektionen Eigene Kontrollkompetenzen für Kommissionsbedienstete begründet Art. 9 der Verordnung Nr. 1258/1999: „Die Mitgliedstaaten stellen der Kommission alle für das Funktionieren des Fonds erforderlichen Auskünfte zur Verfügung und treffen alle Maßnahmen, die geeignet sind, etwai70 Vgl. die Verordnung Nr. 386/90 (Kontrolle bei Ausfuhrerstattungen) i.V.m. der Verordnung Nr. 2221/95 (Durchführung Kontrolle bei Ausfuhrerstattungen); dazu Roland Schmidt, RIW 1992, S. 69 ff. 71 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 2 Verordnung Nr. 3002/92 (Überwachung von Interventionserzeugnissen). 72 Art. 2 Abs. 1 Verordnung Nr. 3002/92 (Überwachung von Interventionserzeugnissen). 73 Art. 2 Abs. 2 Verordnung Nr. 3002/92 (Überwachung von Interventionserzeugnissen). 74 Mögele, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 197 spricht von einer „neuen Dimension" des Kontrollproblems.
Α. Gemeinschaftsrecht
45
ge Kontrollen - einschließlich Prüfungen an Ort und Stelle - zu erleichtern, deren Durchführung die Kommission im Rahmen der Abwicklung der gemeinschaftlichen Finanzierung als zweckmäßig erachtet" (Abs. 1). Die von der Kommission mit Prüfungen vor Ort beauftragten bevollmächtigten Vertreter können Bücher und Unterlagen einsehen und prüfen, - „ob die Verwaltungspraxis im Einklang mit den Gemeinschaftsvorschriften steht, - die erforderlichen Belege vorhanden sind, - unter welchen Bedingungen die vom Fonds finanzierten Maßnahmen durchgeführt und geprüft werden." Diese Vorschrift ist die Grundlage für Prüfungen der Kommission, die sie aus eigener Initiative bei den nationalen Behörden durchfühlt. Diese müssen den Gemeinschaftskontrolleuren Zugang zu allen relevanten Dokumenten einräumen. Aber auch Kontrollen bei den begünstigten Marktteilnehmern selbst, d. h. vor allem Uberprüfungen von Geschäftsbüchern und Betriebsabläufen, sind durch die Vorschrift gestattet. 75 Die Kontrollen bei den Marktteilnehmern haben allerdings nur ergänzenden Charakter. 76 Kontrollobjekt ist in erster Linie der Verwaltungsvollzug durch die nationalen Verwaltungsstellen, weniger das Verhalten der Marktbeteiligten. Ihre Kontrollbefugnisse nutzt die Kommission insbesondere für die Durchführung von Systemprüfungen, die sich auf die Wirksamkeit der mitgliedstaatlichen Kontrollregelungen und -systeme beziehen. Bei Indizien für gravierende Vollzugsmängel werden auch gezielt Sonderprüfungen durchgeführt. 77
c) Kooperation Hinsichtlich der Zusammenarbeit der Kommission mit den Mitgliedstaaten bei den Kontrollen im Recht der Agrarfinanzierung findet sich i m achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1258/1999 folgende Formulierung: „In einem dezentralisierten System der Bewirtschaftung der Gemeinschaftsmittel ist es wichtig, daß die Kommission als das für die Finanzierung zuständige Organ das Recht und die Möglichkeit hat, alle die Mittelbewirtschaftung betreffenden Kontrollen durchzuführen, die sie für notwendig erachtet, und daß die Transparenz und die gegenseitige Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission voll und ganz gewährleistet werden."
75
Vgl. die Darstellung bei Mögele, Fehlerhafte Ausgaben, S. 112 ff. 76 EuGH, Rs. C-366/88 (Frankreich / Kommission), Slg. 1990,1-3595, Rn. 20; EuGH, Rs. C-55/91 (Italien/Kommission), Slg. 1993 1-4858, Rn. 31; näher zu diesen Urteilen unten Kap. 3 A.I. 77 Mögele, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 238.
46
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Vor allem der zweite Halbsatz kann als Programmsatz für die Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission gedeutet werden. Die Verordnung Nr. 1258/1999 selbst enthält nur wenige konkrete Vorgaben zur näheren Ausgestaltung. Zur Transparenz tragen wechselseitige Teilnahmerechte bei der Durchführung von Inspektionen bei: Bedienstete der Kommission können an Prüfungen der Mitgliedstaaten, Bedienstete der Mitgliedstaaten an den autonomen Kommissionskontrollen teilnehmen. 7 8 Daneben finden sich gegenseitige Mitteilungspflichten. So müssen die Mitgliedstaaten der Kommission nach der Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten über den Stand der entsprechenden Verwaltungs- und Gerichtsverfahren berichten. 7 9 Die Kommission hat den betreffenden Mitgliedstaat rechtzeitig vor geplanten Prüfungen zu benachrichtigen. 80 Unter den Aspekt der Amtshilfe fällt die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Kommissionskontrollen und Prüfungen vor Ort zu erleichtern. 81 Detailliertere Regelungen über die administrative Zusammenarbeit enthalten die Verordnung Nr. 5 9 5 / 9 1 [Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung, unter (1)] und die EG-Amtshilfeverordnung Nr. 5 1 5 / 9 7 [unter ( 2 ) ] . 8 2 In diesen Verordnungen wird die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten beim Vollzug des gemeinschaftlichen Agrarrechts in horizontaler und vertikaler Hinsicht näher ausgestaltet.
(1) Die Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung) Die Verordnung Nr. 5 9 5 / 9 1 betreffend Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge i m Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems enthält detaillierte Kooperationsregeln. Mitteilungs-, Untersuchungs- und Zusammenarbeitspflichten sollen ein koordiniertes und somit möglichst wirkungsvolles Vorgehen gegen betrügerische Praktiken i m Agrarsektor gewährleisten. 83
78 Art. 9 Abs. 2 UAbs. 4 und 5 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL). 79 Art. 8 Abs. 1 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL). so Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL). 81 Art. 9 Abs. 1 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL). 82 Grundlage für beide Verordnungen ist die bereits erwähnte Verordnungsermächtigung des Art. 8 Abs. 3 Verordnung Nr. 729/70 (jetzt Verordnung Nr. 1258/1999). Die EG-Amtshilfe Verordnung Nr. 515/97 ist zusätzlich auf Art. 235 EGV (jetzt Art. 308) gestützt, da ihr Anwendungsbereich über das gemeinschaftliche Agrarrecht hinausgeht. 83 Ausführlich zu dieser Verordnung Mögele, EWS 1998, S. 1,7. Zu Mängeln in der praktischen Anwendung und Durchführung der Verordnung in der Anfangsphase vgl. den Sonderbericht des Rechnungshofs Nr. 7/93 zu Kontrollen von Unregelmäßigkeiten und betrügerischen Praktiken im Agrarbereich, ABl. Nr. C 53 v. 19. 2. 1994, S. 1 ff., insbes. 17 ff.
Α. Gemeinschaftsrecht
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Jeder Mitgliedstaat teilt den anderen in Betracht kommenden Mitgliedstaaten und der Kommission unverzüglich die festgestellten oder vermuteten Unregelmäßigkeiten, bei denen sehr schnelle Auswirkungen außerhalb seines Hoheitsgebiets zu befürchten sind, sowie die Unregelmäßigkeiten mit, die die Anwendung einer neuen betrügerischen Praxis erkennen lassen. 84 Wenn die Kommission der Auffassung ist, daß in einem Mitgliedstaat Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, setzt sie sich mit ihm in Verbindung. Der betreffende Mitgliedstaat leitet so bald wie möglich eine Untersuchung ein, an der Bedienstete der Kommission teilnehmen können. 8 5 Die Bediensteten der Kommission haben ein Recht auf Teilnahme an den Inspektionen der mitgliedstaatlichen Verwaltungsstellen. Nehmen sie dieses Teilnahmerecht wahr, haben sie Zugang zu denselben Räumlichkeiten und denselben Unterlagen wie die Bediensteten der Mitgliedstaaten. Die Leitung der Untersuchungen liegt allerdings in jedem Fall bei den Bediensteten des Mitgliedstaats. Die Bediensteten der Kommission können die den einzelstaatlichen Bediensteten zuerkannten Kontrollbefugnisse nicht selbständig ausüben. A n Durchsuchungen und förmlichen Vernehmungen i m Rahmen des Strafrechts nehmen die Kommissionsbediensteten nicht teil. Sie haben jedoch Zugang zu den dabei erhaltenen Informationen. 8 6 Die bereits erwähnte Berichtspflicht des Art. 8 Abs. 1 Verordnung Nr. 1258/99 wird durch Art. 3 Verordnung Nr. 5 9 5 / 9 1 präzisiert: Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission in vierteljährlichen Abständen Aufstellungen übermitteln, in denen eine Vielzahl von Informationen enthalten sein muß. U.a. muß über Art und Höhe der unrechtmäßigen Ausgaben, die den Gegenstand der Unregelmäßigkeit bildenden gemeinsamen Marktordnungen und Erzeugnisse, die beteiligten natürlichen oder juristischen Personen und die Möglichkeiten der Wiedereinziehung fälschlich ausgezahlter Beträge Auskunft erteilt werden.
(2) Die EG-Amtshilfeverordnung Die umfassendste Regelung horizontaler und vertikaler Kooperation bildet die Verordnung Nr. 5 1 5 / 9 7 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission i m Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung (EG-Amtshilfe Verordnung). 87 Die Bestimmungen der EG-Amtshilfeverordnung sollen dazu beitragen, eine ordnungsgemäße Anwendung der Zoll84
Art. 4 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung). Art. 6 Abs. 1 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung). 86 Art. 6 Abs. 4 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung). 87 Dazu von Bogdandy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Informationsgesellschaft, S. 133, 184 ff.; von Bogdandy/Arndt, EWS 2000, S. 1, 2 f.; Dirkzwager, in: Vervaele, Compliance and Enforcement, S. 253, 261 ff. 85
48
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
und Agrarregelung und den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft zu gewährleisten. Durch die Festlegung von Regeln, nach denen die Mitgliedstaaten einander Amtshilfe zu leisten (horizontale Kooperation) und mit der Kommission zusammenzuarbeiten haben (vertikale Kooperation), sollen Zuwiderhandlungen ermittelt oder verhindert werden. 8 8 Die Mitgliedstaaten haben einander auf Antrag oder - wenn es für die Einhaltung der Zoll- und Agrarregelung zweckdienlich ist - auch ohne Antrag Amtshilfe zu leisten. Die Amtshilfe kann in einem einfachen Austausch von Informationen oder Schriftstücken über Vorgänge bestehen, auf die die Zoll- und die Agrarregelungen Anwendung finden. 8 9 Daneben ermöglicht die Verordnung eine enge Zusammenarbeit bei Überwachungs- und Ermittlungsmaßnahmen vor Ort. Behörden eines Mitgliedstaats können bei Ermittlungen, um die sie die Behörden eines anderen Mitgliedstaats ersucht haben, anwesend sein. 9 0 Elemente vertikaler Kooperation werden durch die Einbindung der Kommission in den Amtshilfeverbund eingeführt: Die Kommission erhält von den Mitgliedstaaten Informationen über Zuwiderhandlungen von besonderem Gemeinschaftsinteresse. 91 Sie kann ihrerseits die Mitgliedstaaten zur Durchführung von Ermittlungen und zur Zusammenarbeit auffordern. Bei diesen Ermittlungen der Mitgliedstaaten dürfen Kommissionsbedienstete anwesend sein. 9 2 Eine stärkere Verfestigung erhält die Zusammenarbeit der Verwaltungen i m Zoll- und Agrarbereich durch die Einführung des Zollinformationssystems. 93 In diesem Zollinformationssystem (ZIS) werden Daten zu Waren, Transportmitteln, Unternehmen, Personen, Tendenzen bei Betrugspraktiken und die Verfügbarkeit von Sachkenntnis gespeichert. Das System besteht aus einer zentralen Datenbank, auf die sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Kommission zugreifen können. 9 4
88
Vgl. Erwägungsgrund Nr. 2 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung). Vgl. insbesondere die Artt. 4, 5, 8, 14, 15 der Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung). 89
90
Vgl. insbesondere die Artt. 7, 9, 19 der Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung). Art. 18 Abs. 1 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung). 92 Art. 18 Abs. 3 und 4 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung). 93 Artt. 23 ff. Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfe Verordnung). Die Nutzung des ZIS auch für die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen, die unter die Agrarregelung fallen, ist durch die Verordnung Nr. 696/98 näher geregelt worden (dort Art. 1 lit. d: Daten, die in das ZIS einzugeben sind, beziehen sich u. a. auf den innergemeinschaftlichen Handel mit Erzeugnissen, die agrarrechtlichen Beschränkungen unterliegen oder für die die Gemeinschaft eine Unterstützung gewährt.) 94 Vgl. näher zum ZIS von Bogdandy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Informationsgesellschaft, S. 133, 186 f.; von Bogdandy/Arndt, EWS 2000, S. 1, 2 f.
Α. Gemeinschaftsrecht 3. Das integrierte
Verwaltungs-
49
und Kontrollsystem
Vor der Reformierung des Agrarsektors Anfang der neunziger Jahre bestanden die Interventionen aus dem E A G F L hauptsächlich in An- und Verkäufen landwirtschaftlicher Produkte. Die Zahlungen wurden von den Mitgliedstaaten gemäß den für jedes Beihilfesystem geltenden Regelungen verwaltet und kontrolliert. Die Umorientierung auf die Gewährung flächenbezogener Beihilfen brachte einen deutlich verstärkten Verwaltungs- und Kontrollaufwand mit sich. 9 5 Zur Stärkung von Effizienz und Rentablität der Verwaltungs- und Kontrollmechanismen wurde ein neues integriertes System geschaffen. 96 Es erfaßt zahlreiche Stützungsregelungen im Bereich der pflanzlichen und tierischen Produktion. 9 7 Das Ziel dieses integrierten Systems ist die Erzielung einer Bündelungs- oder Konzentrationswirkung durch die Einführung harmonisierter und sektorübergreifender Bestimmungen und die Zusammenfassung sachlich i m Zusammenhang stehender Verwaltungsvorgänge. M i t „integrativ" ist ein Ansatz gemeint, nach dem die Kontrollen nicht mehr nach Sektoren getrennt, sondern möglichst einheitlich und gleichzeitig für alle betroffenen Regelungen erfolgen. 9 8 . Das integrierte System umfaßt eine informati sierte Datenbank, alphanumerische Systeme zur Identifizierung der landwirtschaftlich genutzten Parzellen sowie zur Identifizierung und Erfassung von Tieren, Beihilfeanträge und ein integriertes Kontrollsystem. 9 9 Zu allen diesen Elementen sind insbesondere in der Durchführungsverordnung genaue Vorgaben enthalten. Kontrollelemente finden sich in zwei verschiedenen Schichten:
a) Inspektionspflichten der Mitgliedstaaten Zum einen werden die mitgliedstaatlichen Kontrollaktivitäten genau vorgeschrieben und koordiniert: Es haben Verwaltungskontrollen, d. h. eine Uberprüfung 95
Stellungnahmen noch zum Verordnungsentwurf prognostizierten einen immensen Personalaufwand, hohe Sachausgaben sowie die Notwendigkeit erheblicher technischer und organisatorischer Leistungen, vgl. Angerer, Agrarrecht 1992, S. 288, 292; vgl. auch Mögele, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 147. 96 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos); Verordnung Nr. 3887/92 (Invekos-Durchführung); maßgebliche Änderungen der Durchführungsverordnung u. a. durch Verordnung Nr. 1678/ 98, aktualisiert und kodifiziert nunmehr durch Verordnung Nr. 2419/2001 (Invekos Durchführung neu); ausführlich zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem Mögele, EWS 1993, S. 305 ff.; überblicksartig auch Lukanow, Agrarrecht 1994, S. 256 f. und (noch zum Verordnungsentwurf) Angerer, Agrarrecht 1992, S. 288, 292 f. Priebe, EuR Beihelft 1 /1995, S. 99, 101 qualifiziert das Invekos als „besonders ergiebiges Beispiel einer Teilkodifikation von Verwaltungsverfahrensrecht". 97
Vgl. Erwägungsgründe 2 u. 3 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos) mit der Möglichkeit einer sukzessiven Einbeziehung weiterer Regelungen. 9 8 Mögele, EWS 1993, S. 305, 307; Wittkopp, Sachverhaltsermittlung, S. 136; vgl. insbes. zur praktischen Durchführung in Deutschland auch Lukanow, Agrarrecht 1994, S. 94. 99
Art. 2 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos).
4 David
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
50
der rechnerischen Richtigkeit und vergleichende Untersuchungen der Angaben verschiedener Antragsteller zur Vermeidung der mehrfachen Inanspruchnahme von Tieren oder Flächen für Beihilfezahlungen zu erfolgen. Ergänzend müssen Stichprobenkontrollen vor Ort stattfinden. 1 0 0 M i t der Durchführung der Kontrollen dürfen die Mitgliedstaaten „spezialisierte Stellen oder Unternehmen" beauftragen, müssen aber selbst die Leitung und Verantwortung behalten. 1 0 1 Die Verwaltungskontrollen und die (i.d.R. unangekündigten) Kontrollen vor Ort müssen so durchgeführt werden, daß zuverlässig geprüft werden kann, ob die Bedingungen für die Gewährung der Beihilfen und Prämien eingehalten wurden. 1 0 2 Welche Anträge anhand von Stichprobenkontrollen vor Ort überprüft werden, wird mittels einer Risikoanalyse entschieden. Die Kontrollen müssen jedoch mindestens 10% der Beihilfeanträge „Tiere" und 5% der Beihilfeanträge „Flächen" erfassen. 1 0 3 Über jede Vor-Ort-Kontrolle ist ein Bericht anzufertigen, in dem u. a. die Gründe des Besuchs, die kontrollierten Beihilferegelungen und Anträge sowie die Ergebnisse der Kontrollen festzuhalten s i n d . 1 0 4 Zur Feststellung der Fläche, der Nutzung und des Zustandes der landwirtschaftlich genutzten Parzellen können die Mitgliedstaaten auch auf das Mittel der Fernerkundung, d. h. auf Luftaufnahmen und Satellitenbilder zurückgreifen. Der Einsatz der Fernerkundung ist allerdings nur eine Option für die Mitgliedstaaten. Wenn sie diese Form der Kontrolle wählen, müssen körperliche Kontrollen in den Fällen ergänzend vorgenommen werden, in denen die Fotoauswertung keine hinreichende Sicherheit für die Richtigkeit der Angaben in den Beihilfeanträgen gewährt.105
b) Kommissionsinspektionen Die Kommission selbst ist mit Fragen der Anspruchsberechtigung der betroffenen Landwirte, deren Nachweis die gerade beschriebenen Mechanismen dienen sollen, höchstens mittelbar befaßt: Ihre Bediensteten betreiben eine Art „Systemkontrolle". Sie können nach rechtzeitiger Unterrichtung der jeweils zuständigen loo Art. 8 Abs. 1 u. 2 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos). Nach Abs. 3 muß jeder Mitgliedstaat eine Behörde benennen, die die Koordinierung der Kontrollen sicherstellt. ιοί Art. 8 Abs. 5 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos). 102 Art. 6 Abs. 1 Verordnung Nr. 3887/92 (Invekos-Durchführung), Art. 15 Verordnung Nr. 2419/2001 (Invekos Durchführung neu). 103
Art. 6 Abs. 3 bis 5 Verordnung Nr. 3887/92 (Invekos-Durchführung); dazu Mögele, EWS 1998, S. 1, 4; leicht modifiziert durch Art. 18 Verordnung Nr. 2419/2001 (Invekos Durchführung neu). 104 Art. 7a Verordnung Nr. 3887/92 (Invekos-Durchführung) i.d.F. Verordnung Nr. 2801/ 99; Art. 20 Verordnung Nr. 2419/2001 (Invekos Durchführung neu). 105 Art. 8 Abs. 4 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos) i.V.m. Art. 7 Verordnung Nr. 3887/ 92 (Invekos-Durchführung); Art. 23 Verordnung Nr. 2419/2001 (Invekos Durchführung neu).
Α. Gemeinschaftsrecht
51
Behörden Prüfungen und Kontrollen in bezug auf alle Maßnahmen, die zur Einrichtung und Durchführung des integrierten Systems getroffen werden, vornehm e n . 1 0 6 Da zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem auch die Durchführung von Kontrollen vor Ort in den landwirtschaftlichen Betrieben gehört, können die Kommissionsbediensteten i m Rahmen ihrer Kontrolltätigkeiten auch daran teilnehmen. 1 0 7 Außerdem kontrollieren sie die Tätigkeit eventueller von den Mitgliedstaaten eingeschalteter spezialisierter Stellen oder Unternehmen. So haben sie die Möglichkeit, Schwachstellen aufzuzeigen und den Mitgliedstaaten die Gelegenheit zur Mängelbehebung zu bieten. Bedienstete des betroffenen Mitgliedstaats können jeweils an den Untersuchungen teilnehmen.
c) Kooperation Das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem soll in erster Linie die Kontroll- und Inspektionsaktivitäten in den Mitgliedstaaten vereinheitlichen. Dementsprechend finden sich nur wenige Vorschriften, die das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander oder zur Kommission betreffen. So enthielt die ursprüngliche Durchführungsverordnung nur in Art. 15 die eher allgemeine Vorgabe, daß sich die Mitgliedstaaten erforderlichenfalls gegenseitig bei der Durchführung der Kontrollen zu unterstützen hätten. In der letzten Änderungsverordnung wurde zusätzlich eine Verpflichtung zur Leistung von Amtshilfe eingeführt: „Soweit dies erforderlich oder vorgeschrieben ist, leisten sich die Mitgliedstaaten gegenseitige Amtshilfe, um zu gewährleisten, daß die Echtheit der übermittelten Dokumente und / oder die Richtigkeit der ausgetauschten Angaben wirksam kontrolliert werden." 1 0 8 I m Vertikalverhältnis haben die Mitgliedstaaten der Kommission jährlich über den Stand der Durchführung des integrierten Systems und Ergebnis der durchgeführten Kontrollen zu berichten. 1 0 9
4. Fazit Inspektionen im Recht der Gemeinsamen Agrarpolitik sind ein fester Bestandteil des auf diesem Sektor bestehenden Systems gestufter Kontrolle. Die Überwachung der Einhaltung des materiellen Agrarrechts ist in erster Linie eine Aufgabe der M i t 106 Art. 11 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos). 107 Das gilt allerdings nicht für Durchsuchungen und Vernehmungen, die die Mitgliedstaaten in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren durchführen. An solchen Aktivitäten dürfen die Kommissionsbediensteten nicht teilnehmen. Sie haben lediglich Zugriff auf die dabei gewonnenen Erkenntnisse (Art. 11 Abs. 2 UAbs. 3 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos). 108 Art. 15 Verordnung Nr. 3887/92 (Invekos-Durchführung) i.d.F. der Verordnung Nr. 2801 /1999; Art. 51 Verordnung Nr. 2419/2001 (Invekos Durchführung neu). 109 Art. 17 Abs. 3 Verordnung Nr. 3887/92 (Invekos-Durchführung) i.d.E der Verordnung Nr. 2801 / 1999; Art. 52 Verordnung Nr. 2419/2001 (Invekos Durchführung neu). 4*
52
Kap. 1: Inspektionen in ausgewählten Gebieten
gliedstaaten. Sowohl in den einzelnen Marktorganisationen als auch im Recht der Agrarfinanzierung konnten Inspektionspflichten der Mitgliedstaaten gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern, teilweise auch Vorgaben über die Organisationsform, in denen die Inspektionen durchzuführen sind, identifiziert werden. M i t der Einführung des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems wurde das zersplitterte Kontrollregime marktordnungsübergreifend einer einheitlichen Regelung zugeführt. A u f einer zweiten Stufe sind die Zuständigkeiten der Kommission angesiedelt. Die Inspektionen, die die Kommission durchführt, dienen hauptsächlich der Sicherung der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten. Die Inspektoren der Kommission, für die teilweise besondere Gruppen auch unter Beteiligung mitgliedstaatlicher Kontrolleure gebildet werden, haben zwar in einigen Fällen auch die Möglichkeit, direkte Kontrollen bei den Wirtschaftsteilnehmern durchzuführen. In der Regel bleiben ihre Befugnisse aber von denen der mitgliedstaatlichen Inspektoren abgeleitet oder rein begleitender Natur. Die punktuellen Kontrollbefugnisse bei den Wirtschaftsteilnehmern vor Ort sind eingegliedert in den umfassenderen Ansatz, durch Systemkontrollen die Uberwachungssysteme der Mitgliedstaaten zu bewerten. M i t der Möglichkeit, die Mitgliedstaaten zur Durchführung bestimmter Kontrollen aufzufordern, die Arbeiten der selbständigen Kontrollstellen zu verfolgen, Einfluß auf die Kontrollpläne der Mitgliedstaaten zu nehmen und als Sammelstelle für Berichte und Informationen der Mitgliedstaaten zu dienen, nimmt die Kommission insgesamt eine wichtige „Schaltstelle" i m gemeinschaftlichen Inspektionssystem ein.
II. Wirtschaftsrecht Unter der Uberschrift Überwachung i m Wirtschaftsrecht soll hier exemplarisch aufgezeigt werden, wie das Instrument der Inspektion im Wettbewerbsrecht und i m Bankenrecht zum Einsatz kommt. Beiden Bereichen ist gemeinsam, daß die staatliche Überwachung hauptsächlich Zwecke des Systemschutzes verfolgt: M i t Hilfe der Wettbewerbsaufsicht soll ein System unverfälschten Wettbewerbs erhalten und geschützt werden. Die Bankenaufsicht dient dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Geld- und Kreditgewerbes. Neben dem Hauptzweck der Erhaltung eines funktionsfähigen Wirtschaftssystems spielen auch individualschützende Aspekte eine Rolle. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang für das Wettbewerbsrecht der Konkurrenten schütz und für das Bankenrecht der Schutz der Einleger. 1 1 0 Für beide Bereiche gilt, daß die zunehmende europäische Integration das Aufsichtssystem vor besondere Herausforderungen gestellt hat. Die Problemlösung erfolgt jedoch auf durchaus unterschiedliche Art. Während das EG-Wettbewerbsrecht
110
Vgl. zu den jeweiligen Schutzrichtungen für das deutsche Recht nur Mösbauer, Staatsaufsicht, S. 187, 251 f. Allgemein zur Entwicklung eines Systems einer europäischen „Unionsaufsicht" Lühmann, DVB1. 1999, S. 752 ff.
Α. Gemeinschaftsrecht
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eine klassische Materie der EG-Eigenverwaltung geworden i s t , 1 1 1 ist für die Bankenaufsicht ein dezentrales Aufsichtssystem verwirklicht worden. In beiden Bereichen wird das Instrument der Inspektion als Erkenntnismittel für die zuständigen Aufsichtsbehörden eingesetzt. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Aufsichtssysteme hat auch zu jeweils unterschiedlichen Inspektionsregeln und Kooperationskonstellationen geführt.
1. Wettbewerbsrecht Zu den Mitteln, durch die der Binnenmarkt geschaffen und erhalten werden soll, gehört u. a. ein System unverfälschten Wettbewerbs. Die Wettbewerbsregeln des EGV haben in erster Linie den Zweck, dieses System unverfälschten Wettbewerbs gegen private und staatliche Beschränkungen zu schützen. 1 1 2 Das primäre und sekundäre gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht umfaßt Regeln über das Verbot von Kartellabsprachen, die Fusionskontrolle, die Aufsicht über staatliche Beihilfen und das Wettbewerbsrecht für Unternehmen. Es ist eine klassische Materie der externen EG-Eigenverwaltung. 1 1 3 Der Kommission kommen in großem Maße eigene Vollzugsaufgaben z u . 1 1 4 Zum Vollzug des Kartellverbots des Art. 81 EGV und der Bekämpfung einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 82 EGV steht der Kommission ein umfangreiches verwaltungsrechtliches Instrumentarium zur Verfügung, das seine nähere Ausgestaltung in der Verordnung Nr. 17/1962 gefunden h a t . 1 1 5 Danach ob111 Zu Dezentralisierungsplänen vgl. aber jetzt das Weißbuch der Kommission über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Art. 85 und 86 EGV (ABl. Nr. C 132 v. 12. 5. 1999, S. 1 ff.) sowie den Kommissionsvorschlag für eine Verordnung des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag niedergelegten Wettbewerbsregeln und zur Änderung der Verordnungen Nr. 1017/68, Nr. 2988/74, Nr. 4056/86 und Nr. 3975/ 87), KOM (2000) 582 endg. v. 27. 9. 2000. Näher s.u. unter 1 .c). 112 Ausführlich Emmerich, in: Dauses, HBEUWiR, H.I., Rn. 1 ff. 113 Dieser Vollzugstyp wird auch „gemeinschaftsunmittelbare Vollziehung" genannt. Bei dieser Vollzugsart wird das Gemeinschaftsrecht von den Gemeinschaftsorganen selbst vollzogen. Daneben gibt es den mitgliedstaatlichen Vollzug, der sich nach den gebräuchlichen Einteilungen weiter aufgliedert in unmittelbaren Vollzug von Gemeinschaftsrecht (Verordnungen, unmittelbar wirkende Richtlinien) und mittelbaren Vollzug (deutsches Umsetzungsrecht); vgl. nur Streinz, Europarecht, Rn. 463 ff.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 424 ff.; Stettner, in: Dauses, HBEUWiR, B.III., Rn. 9 ff. Gerade die Analyse der Inspektionen wird aber zeigen, daß die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Vollzug durch die Mitgliedstaaten für die dabei auftretenden Rechtsfragen kaum noch Relevanz hat.
114 Einen Uberblick über die Vollzugsaufgaben der Kommission im Bereich des EG-Wettbewerbsrechts geben Schreiber, Verwaltungskompetenzen, S. 23 ff. und Suerbaum, Kompetenzverteilung, S. 112. 115 Vergleichbare Ermittlungsinstrumente stellen die Fusionskontroll Verordnung (Verordnung Nr. 4064 / 89) sowie weitere Verordnungen über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf den Gebieten des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffs Verkehrs (Verordnung Nr. 1017/
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
liegt der Kommission die Verfolgung, Feststellung und Ahndung von Wettbewerbsverstößen. Sie verfügt dazu über weitreichende Ermittlungs-, Verfolgungs-, Entscheidungs- und Sanktionskompetenzen. 116 Stellt die Kommission eine Zuwiderhandlung gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen oder den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung fest, kann sie die beteiligten Unternehmen durch Entscheidung zur Abstellung der entsprechenden Handlung verpflichten. 1 1 7 Ferner ist sie berechtigt, Zwangs- und Bußgelder zu verhängen, um die Beachtung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften oder die Vornahme bestimmter Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflichten zu erzwingen. 1 1 8 Bevor sie die entsprechenden Entscheidungen treffen kann, benötigt die Kommission allerdings zunächst zuverlässiges Tatsachenmaterial. Die von den Unternehmen und von Dritten eingereichten Anmeldungen, Anträge, Anzeigen und Beschwerden sowie die Mitteilungen der zuständigen nationalen Behörden reichen oftmals für eine umfassende Sachverhaltsaufklärung nicht aus. Neben den genannten Informationsquellen kann die Kommission daher auf zwei weitere Instrumente zurückgreifen: die Einholung von Auskünften und die Durchführung von Nachprüfungen. Für die Einholung von Auskünften sieht Art. 11 der Verordnung Nr. 17 ein zweistufiges Verfahren vor: A u f das einfache schriftliche Auskunftsverlangen der Kommission hin ist das Unternehmen noch nicht zur Antwort verpflichtet. Wenn es sich allerdings zur Auskunftserteilung entschließt, müssen die gegebenen Antworten richtig und vollständig sein. 1 1 9 Wird eine von einem Unternehmen verlangte Auskunft nicht oder nicht vollständig erteilt, fordert die Kommission auf der zweiten Stufe die Auskünfte durch förmliche Entscheidung a n . 1 2 0 Art. 13 und 14 der Verordnung Nr. 17 ermächtigen die Kommission, Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der Unternehmen vorzunehmen oder durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten vornehmen zu lassen. Die zuletzt genannte Möglichkeit - Nachprüfungen durch die mitgliedstaatlichen Kartellbehörden auf Ersuchen der Kommission - hat allerdings in der Praxis kaum Bedeutung. Der grenzüberschreitende Charakter der meisten von der Kommission untersuchten Fälle würde die Einschaltung mehrerer nationaler Behörden erfordern. Zur Vermei68), des Seeverkehrs (Verordnung Nr. 4056/86) oder des Luftverkehrs (Verordnung Nr. 3975/87) zur Verfügung, ebenso die (alte) Antidumpingverordnung (Verordnung Nr. 2423/88). Nach der neuen Antidumpingverordnung Nr. 384/96 darf die Kommission nur noch in Ausnahmefällen selbst Kontrollbesuche vornehmen. Auf diese Verordnungen wird in der vorliegenden Untersuchung nicht weiter eingegangen, us Dazu umfassend Krück, in: Dauses, HBEUWiR, H.I, Rn. 339 ff. 117 Art. 3 Verordnung Nr. 17. us Art. 15 und 16 Verordnung Nr. 17. ι· 9 Art. 11 Abs. 2 - 4 Verordnung Nr. 17. ι 2 0 Art. 11 Abs. 5 Verordnung Nr. 17; für Näheres vgl. die Darstellungen bei Krück, in: Dauses, HBEUWiR, H.I, Rn. 399 ff.; Harding, European Community Investigations, S. 16 f.; Idziok, Vollstreckungshilfe, S. 133 ff.; Dannecker, ZStW 111 (1999), S. 256, 259 ff.
Α. Gemeinschaftsrecht
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dung von Koordinierungsschwierigkeiten und potentiellen Ungleichbehandlungen nimmt die Kommission die erforderlichen Prüfungen daher meistens selbst v o r . 1 2 1
a) Kommissionsinspektionen nach der Verordnung Nr. 17 Art. 14 der Verordnung Nr. 17 ermächtigt die Kommission, Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der Unternehmen vorzunehmen. Bedienstete des betreffenden Mitgliedstaats können an diesen Nachprüfungen teilnehmen. Die Nachprüfung wird auf der Basis eines einfachen NachprüfungsVerlangens oder einer förmlichen Nachprüfungsentscheidung 122 durchgeführt. Beim einfachen Nachprüfungsverlangen setzt die Kommission auf die freiwillige Mitarbeit der Unternehmen. Die Nachprüfungsentscheidung ergeht, wenn sich das Unternehmen widersetzt oder wenn Widerstand zu erwarten ist. In diesem Fall ist das Unternehmen verpflichtet, die Nachprüfung zu dulden. 1 2 3 I m Rahmen ihrer Prüfungen vor Ort haben die Kommissionsbediensteten die folgenden Befugnisse: - Den Beamten der Kommission ist es gestattet, Bücher und sonstige Geschäftsunterlagen zu prüfen und Abschriften oder Auszüge anzufertigen. 1 2 4 - Sie können an Ort und Stelle mündliche Erklärungen anfordern. 1 2 5 Nach herrschender Ansicht dürfen die Fragen der Kommission nur der Erläuterung der vorgelegten Unterlagen dienen und nicht darüber hinaus gehen. 1 2 6 - S i e dürfen alle Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel der Unternehmen betreten. 1 2 7 Die Kommissionsbediensteten dürfen keine Durchsuchungen ohne Einwilligung der Verantwortlichen des Unternehmens vornehmen oder sich gewaltsam Zugang zu Räumen oder Möbeln verschaffen. 128 Die Anwendung unmittelbaren Zwangs bleibt den Behörden der Mitgliedstaaten vorbehalten.
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Burrichter/Hauschild, in: Immenga / Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Art. 14 Verordnung Nr. 17, Rn. 28. Nach Dannecker, ZStW 111 (1999), S. 256, 261. wird aber gerade in jüngerer Zeit auch von der Möglichkeit der Delegation der Nachprüfungsbefugnisse durch die Kommission Gebrauch gemacht. Zumeist sei dann aber ebenfalls ein Bediensteter der Kommission anwesend. •22 Art. 14 Abs. 3 Verordnung Nr. 17. 123 Zum Verhältnis der beiden Alternativen zueinander vgl. Nockelmann, Durchsuchungsrecht, S. 6 ff.; Burrichter/Hauschild, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Art. 14 Verordnung Nr. 17, Rn. 3; allgemein zum Ablauf des Nachprüfungsverfahrens Harding, European Community Investigations, S. 17 ff. 124 Art. 14 Abs. 1 lit. a) u. b) Verordnung Nr. 17. 125 Art. 14 Abs. 1 lit. c) Verordnung Nr. 17. 126 Burrichter/Hauschild, in: Immenga / Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Art. 14 Verordnung Nr. 17, Rn. 14; Nockelmann, Durchsuchungsrecht, S. 18 ff. 127 Art. 14 Abs. 1 lit. c) Verordnung Nr. 17.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten b) Kooperation mit den Mitgliedstaaten
Rechtzeitig vor der Durchführung einer Nachprüfung muß die Kommission die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Nachprüfung stattfinden soll, über den Prüfungsauftrag und die Person des beauftragten Bediensteten unterricht e n . 1 2 9 Bedienstete des betreffenden Mitgliedstaats können auf eigenen Antrag oder auf den der Kommission hin an diesen Nachprüfungen teilnehmen. 1 3 0 Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission Vollzugshilfe gewähren, wenn sich das Unternehmen der Nachprüfung widersetzt. 1 3 1 Hierfür müssen sie die zuständigen nationalen Behörden einschalten, die ihnen i m Wege der Amtshilfe die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderliche Unterstützung zu gewähren haben. Der ersuchte Mitgliedstaat darf das Ersuchen der Kommission nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur auf offensichtliche Mängel hin überprüfen. Dazu gehören die Echtheit der Nachprüfungsentscheidung und die Verhältnismäßigkeit der beabsichtigten Zwangsmaßnahmen. 1 3 2 Im wesentlichen dürfen die nationalen Gerichte ohne Kompetenzkonflikt also nur die Auswahl der Zwangsmittel und die Art und Weise der Durchführung der Zwangsmaßnahmen überprüfen. 1 3 3
c) Geplante Neuerungen nach dem Verordnungsvorschlag der Kommission Wie bereits im Weißbuch der Kommission über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Art. 85 und 86 E G V 1 3 4 angekündigt, plant die Kommission, das Anmeldungssystem der Verordnung Nr. 17 durch ein Legalausnahmesystem zu ersetzen. Nach dem neuen System soll nicht mehr nur die Kommission, sondern auch die Gerichte und Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten sowohl das Verbot des Art. 81 Abs. 1 als auch die Ausnahmeregel in Art. 81 Abs. 3 EGV unmittelbar anwenden. Die Kommission hat dazu im September 2000 einen Verordnungsvorschlag vorgelegt. 1 3 5 Die neue Regelung, die ohne Anmeldung und Ge>28 Grundlegend das Urteil des EuGH im Fall Hoechst, EuGH verb. Rs. 46/87 und 227/ 88 (Hoechst/Kommission) Slg. 1989, 2859 ff., Rn. 31-38; siehe auch Idziok, Vollstrekkungshilfe, S. 135 f. 129 Art. 14 Abs. 2 S. 2 Verordnung Nr. 17. 130 Art. 14 Abs. 5 Verordnung Nr. 17. 131 Art. 14 Abs. 6 Verordnung Nr. 17. 132 EugH, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst), Slg. 1989, 2959, Rn. 35. 133 Burrichter/Hauschild, in: Immenga / Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Art. 14 Verordnung Nr. 17, Rn. 20. 134 ABl. Nr. C 132 v. 12. 5. 1999, S. 1 ff. 135 Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag niedergelegten Wettbewerbsregeln und zur Änderung der Verordnungen Nr. 1017/68, Nr. 2988/74, Nr. 4056/86 und Nr. 3975/87), KOM (2000) 582 endg. v. 27. 9. 2000.
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nehmigung auskommt, soll es der Kommission ermöglichen, den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf Beschwerden und Verfahren von Amts wegen zu verlagern, die zu einer Untersagungsentscheidung führen. Die Kommission w i l l sich in Zukunft auf das Aufspüren und die Ahndung schwerwiegender Beschränkungen des Marktes wie Kartelle, Marktabschottung und Mißbräuche marktbeherrschender Stellungen konzentrieren. 1 3 6 In diesem Zusammenhang wird auch eine Erweiterung der Ermittlungsbefugnisse der Kommission vorgeschlagen. 137 Den Kommissionsbediensteten sollen zusätzlich zu den bisherigen Nachprüfungsbefugnissen folgende Befugnisse zustehen: - Die Kommissionsbeamten sollen auch Privatwohnungen betreten können, wenn der Verdacht besteht, daß dort Geschäftsunterlagen aufbewahrt werden. 1 3 8 Diese Bestimmung wird mit den Erfahrungen in Fällen aus jüngerer Zeit gerechtfertigt, in denen sich herausstellte, daß Mitarbeiter des betreffenden Unternehmens sachdienliche Unterlagen bei sich zu Hause aufbewahrten. 1 3 9 Wenn die Kommission von dieser Befugnis Gebrauch machen will, hat zuvor eine entsprechende gerichtliche Entscheidung zu ergehen. 1 4 0 -
Kommissionsinspektoren sollen das Recht erhalten, während der Dauer der Ermittlungen alle Räumlichkeiten und Geschäftsunterlagen zu versiegeln. 1 4 1 Damit soll das Verschwinden von Unterlagen in den Fällen verhindert werden, in denen sich die Nachprüfung über mehrere Tage erstreckt. 1 4 2
- S i e sollen von Vertretern oder Mitarbeitern des Unternehmens alle Auskünfte verlangen können, die mit Gegenstand und Zweck der Ermittlungen in Zusammenhang stehen. 1 4 3 Das ist eine Erweiterung gegenüber der alten Fassung, nach der die Ermittler lediglich mündliche Erklärungen in Bezug auf Geschäftsunterlagen verlangen dürfen. - Die Bediensteten der mitgliedstaatlichen Kartellbehörden haben wie bisher Vollzugshilfe zu leisten, damit die Kommissionsbediensteten ihren Auftrag erfüllen können. 1 4 4 Die nähere Ausgestaltung stellt eine nahezu wörtliche Umsetzung
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Zu den Merkmalen des vorgeschlagenen neuen Systems vgl. die Begründung der Kommission zum Verordnungsentwurf, KOM (2000) 582 endg. S. 6 ff. 137 Dazu kurz Schütz, WuW 50 (2000), S. 686 (695). 138 Art. 20 Abs. 2 lit. b) des Verordnungsentwurfs, KOM (2000) 582 endg. '39 Vgl. Begründung der Kommission, KOM (2000) 582 endg., S. 28. 140 Aus der Begründung der Kommission geht hervor, daß damit die Entscheidung eines einzelstaatlichen Gerichts und nicht die des EuGH gemeint ist, vgl. KOM (2000) 582 endg., S. 28. 141 Art. 20 Abs. 2 lit. e) des Verordnungsentwurfs. 142 Vgl. Begründung der Kommission, KOM (2000) 582 endg., S. 28. 14 3 Art. 20 Abs. 2 lit. f) des Verordnungsentwurfs.
1 44 Art. 20 Abs. 6 des Verordnungsentwurfs.
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der Rechtsprechung des Gerichtshofs i m Fall Hoechst 1 4 5 dar: Ist nach mitgliedstaatlichem Recht eine gerichtliche Durchsuchungsanordnung erforderlich, muß diese eingeholt werden. Das einzelstaatliche Gericht darf die Nachprüfungsentscheidung der Kommission nicht auf ihre Richtigkeit oder Zweckmäßigkeit hin überprüfen. Es muß sich auf die Prüfung der Frage beschränken, ob die beabsichtigten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich oder unverhältnismäßig s i n d . 1 4 6 - Das neue dezentrale Durchführungssystem erfordert eine engere Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten. Diese sollen in Zukunft in ihrem Gebiet auch Ermittlungsmaßnahmen i m Namen von Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten durchführen dürfen. 1 4 7 Diese Regelung dient der Verwirklichung des neuen dezentralen Systems: Sie soll die einzelstaatlichen Behörden in die Lage versetzen, auch Fälle zu behandeln, in denen Beweismittel zum Teil in anderen Mitgliedstaaten zu finden s i n d . 1 4 8 Sollte die vorgeschlagene Verordnung in dieser Fassung in Kraft treten, hätte die Kommission auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts so weitgehende Kontrollbefugnisse gegenüber den Unternehmen wie sonst in keinem anderen Bereich des EG-Rechts. M i t dem Recht, Räume zu versiegeln, Privaträume zu betreten und Vernehmungen zu Protokoll zu nehmen erhielte sie quasi-strafprozessuale Ermittlungsbefugnisse. Ihre Kompetenzen gingen deutlich über das hinaus, was nach der Verordnung Nr. 2185/96 i m Recht der Betrugsbekämpfung zulässig i s t . 1 4 9 M i t der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen durch Wettbewerbsbehörden eines Mitgliedstaates „ i m Namen von Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten 4 ' würde das bisher von vertikaler Kooperation dominierte Kontrollsystem um ein neues Element horizontaler Kooperation ergänzt.
2. Bankenaufsicht M i t der Vollendung des Finanzbinnenmarktes wurde auch eine wirksame grenzüberschreitende Bankenaufsicht erforderlich, die die Funktionsfähigkeit des Kreditgewerbes und den Einlegerschutz gewährleistet. „Vernetzte Finanzmärkte erfordern eine vernetzte A u f s i c h t . " 1 5 0 Die EG-Kommission hatte Anfang der 70er Jahre zunächst versucht, die Dienstund die Niederlassungsfreiheit für Banken über eine weitgehende und umfassende 145 146 147 148 149
EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst), Slg. 1989, 2959, Rn. 35. Art. 20 Abs. 8 des Verordnungsentwurfs. Art. 21 Abs. 1 des Verordnungsentwurfs. Vgl. Begründung der Kommission, KOM (2000) 582 endg., S. 29. Dazu siehe unten V.I b).
150 Lusser, ZBB 1989, S. 101, 103. Vergleichbare Aufsichtssysteme sind auch für den Versicherungs- und den Wertpapiersektor geschaffen worden, vgl. dazu umfassend Roy la, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht; auch Müller, Versicherungsbinnenmarkt.
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Angleichung der Aufsichtssysteme zu erreichen. Über den entsprechenden Entwurf einer Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Aufnahme und Ausübung der selbständigen Tätigkeiten der Kreditinstitute 1 5 1 konnte jedoch unter den Mitgliedstaaten keine Einigkeit erzielt werden. Statt dessen setzte man fortan auf eine stufenweise Harmonisierung. Den Kern des neuen Ansatzes der Kommission bildet das Prinzip der Anerkennung. Es wird konkretisiert durch die Einführung des sogenannten Sitzlandprinzips, verbunden mit einer Mindestangleichung der Aufsichtssy steme. 152 Die zentrale Vorschrift zur Verwirklichung des Sitzlandprinzips ist Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2 0 0 0 / 1 2 / E G über die Aufnahme und Tätigkeit der Kreditinstitute. 1 5 3 Er bestimmt, daß die einmalige Zulassung in einem Mitgliedstaat ausreicht, um in allen anderen Mitgliedstaaten durch Zweigstellen oder i m Dienstleistungsverkehr tätig zu werden. Die von einem Mitgliedstaat erteilte Bankzulassung gilt damit i m ganzen Unionsgebiet („Europapaß" oder „Single-licence-Prinzip"). Eng mit dem Single-licence-Prinzip verbunden ist das Prinzip der Herkunftslandkontrolle. 1 5 4 Für die Beaufsichtigung der EG-weit tätigen Kreditinstitute gibt es keine zentrale EG-Aufsichtsbehörde. Die Überwachung eines Kreditinstituts, das gemeinschaftsweit tätig werden will, obliegt vielmehr der Aufsichtsbehörde des Herkunftsmitgliedstaates. Sie erteilt nicht nur die gemeinschaftsweit gültige Zulassung, sondern übt auch die laufende Kontrolle über die Tätigkeit des Kreditinstituts i m eigenen und in anderen Mitgliedstaaten aus. Ist die Geschäftstätigkeit eines Kreditinstituts in einem Mitgliedstaat genehmigt worden, haben damit die anderen Mitgliedstaaten, auf deren Gebiet das betreffende Unternehmen über Zweigstellen tätig werden will, nur noch sehr beschränkte Überwachungs- und Kontrollbefugnisse. 1 5 5
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Ausführlich zu diesem Entwurf Römer, Harmonisierung der Bankenaufsicht, S. 80 ff. Dort findet sich auch ein Abdruck des Entwurfs. 152 Zur Entwicklung vgl. Hübner, in: Dauses, HBEUWiR, E. IV., Rn. 3 ff.; Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 32 ff.; siehe auch den Überblick bei Priesemann, WM 1994, S. 1155 ff.; allgemein zum Anerkennungsprinzip als Instrument gemeinschaftsweiten Freiverkehrs, Beyer, Rechtsnormanerkennung, S. 25 ff. 153 Durch die Richtlinie Nr. 2000/ 12 wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit die bisher ergangenen Richtlinien auf dem Gebiet der Koordinierung des Bankrechts kodifiziert und zu einem einzigen Text zusammengefaßt. Die Vorschrift entspricht Art. 18 Abs. 1 der Zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie (Richtlinie Nr. 89/646). ι 5 4 Ebenfalls eingeführt durch die Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie (Art. 13 Abs. 1); jetzt Art. 26 Abs. 1 Richtlinie Nr. 2000/12. 155 Ausnahmen in Art. 22 und 27 der Richtlinie Nr. 2000/12: Die Behörden des Aufnahmestaats haben eine Art Reservezuständigkeit, wenn die an sich zuständige Herkunftslandbehörde Verstöße nicht abstellt. Ferner liegen die Verantwortung für geldpolitische Maßnahmen und das Recht zur Überwachung der Liquidität beim Aufnahmestaat; vgl. näher Roy la, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 128 f.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten a) Inspektionen durch die Mitgliedstaaten
I m Rahmen ihrer umfassenden Überwachungszuständigkeit können die Behörden des Herkunftsmitgliedstaates aufsichtsrechtlich relevante Daten nicht nur bei den auf ihrem eigenen Territorium tätigen Kreditinstituten, sondern auch bei deren ausländischen Zweigstellen vor Ort nachprüfen. 1 5 6 Dieses Recht zur selbständigen Durchführung von Inspektionen außerhalb des eigenen Staatsgebiets findet sich in keinem der anderen untersuchten Referenzgebiete. 157 Es ist auch nicht vergleichbar mit den autonomen Inspektionsbefugnissen für Kommissionsbeamte im Recht der Wettbewerbsaufsicht oder der Betrugsbekämpfung. Aufsichtsbehörden eines Mitgliedstaats können im Kern gewerbepolizeiliche Befugnisse auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben, ohne daß dieser i m Einzelfall vorher zugestimmt h a t . 1 5 8 Das ist eine Neuerung, die mit Recht als revolutionär bezeichnet worden i s t . 1 5 9 Eigene Nachprüfungen vor Ort durch die Aufsichtsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats sind durch das Prinzip der Herkunftslandkontrolle freilich nicht völlig ausgeschlossen w o r d e n . 1 6 0 Solche Inspektionen dürfen allerdings nur der Wahrnehmung von Aufgaben dienen, für die die Aufnahmelandaufsicht weiterhin zuständig i s t . 1 6 1
b) Kooperation Auch wenn es sich um exklusive Aufsichtsrechte des Herkunftsmitgliedstaats handelt, läßt sich das Prinzip der Herkunftslandkontrolle nicht ohne eine enge grenzüberschreitende Zusammenarbeit der beteiligten Aufsichtsbehörden verwirklichen. Kooperation findet im Rahmen der Durchführung der Inspektionen selbst, durch den Austausch aufsichtsrelevanter Informationen und beim Erlaß eventueller Folgemaßnahmen statt. Duldet das betreffende Kreditinstitut die Inspektion der Aufsichtsbehörde seines Herkunftslandes, ergeben sich keine besonderen Kooperationserfordernisse mit den Aufnahmelandbehörden. Die grenzüberschreitende Prüfungsbefugnis wird generell eingeräumt und ist nicht an eine Zustimmung des Gastlandes gebunden. Le156 Art. 29 Abs. 1 Richtlinie Nr. 12/2000, Art. 15 Abs. 1 Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie. 157 Vergleichbare Modelle sind allerdings für die hier nicht näher untersuchten Gebiete der Versicherungs- und der Wertpapieraufsicht verwirklicht worden, vgl. näher Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 38 ff. 158 Groß, JZ 1994, S. 596 599. 159 Claroni, RMC 1989, S. 453, 459; Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 105; Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 98. 160 Art. 29 Abs. 3 Richtlinie Nr. 12/2000. 161 Vgl. Fn. 155; näher Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 60.
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diglich eine vorherige Mitteilung an die Behörden des Aufnahmestaates ist erforderlich. 1 6 2 Schwieriger wird es, wenn die betreffende Auslandszweigstelle die Duldung der Prüfungen vor Ort durch die Herkunftslandbehörde verweigert. Der Wortlaut von Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie Nr. 1 2 / 2 0 0 0 / E G enthält keinen Hinweis darauf, wie vorzugehen ist, wenn sich das Kreditinstitut den Prüfungen widersetzt. In ihrer jetzigen Ausgestaltung bietet die Vorschrift keine Grundlage für die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Herkunftslandbehörde. Die Inspekteure der Herkunftslandbehörden dürfen sich also nicht gewaltsam Zutritt zu den Geschäftsräumen verschaffen. Zur Durchsetzung ihrer Nachprüfungsbefugnisse sind sie auf die Amtshilfe der zuständigen Stellen des Aufnahmemitgliedstaats angewiesen. Eine Verpflichtung zur Leistung dieser Amtshilfe ist in der Richtlinie nicht ausdrücklich normiert. 1 6 3 Allerdings sehen bilaterale Vereinbarungen zwischen den Bankenaufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten für den Fall der Weigerung einer Zweigstelle vor, daß die Prüfer aus dem Herkunftsland durch den Aufnahmestaat unterstützt werden. 1 6 4 Arbeiten die Mitgliedstaaten bei der Beaufsichtigung der Kreditinstitute zusammen, erfordert dies den Austausch aller zweckdienlichen Informationen. Die zuständigen Behörden müssen einander daher alle Informationen über die Leitung, die Verwaltung und die Eigentumsverhältnisse der betreffenden Banken mitteilen, welche die Aufsicht über die Kreditinstitute erleichtern können. 1 6 5 Dazu gehören auch die Ergebnisse der Inspektionstätigkeiten der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden, soweit sie auch für die Aufsichtsbehörden anderer Mitgliedstaaten von Belang sind. Werden im Rahmen der Inspektionen und sonstigen Kontrolltätigkeiten Verstöße aufgedeckt, ist auch für den Erlaß der sich daran anschließenden Folgemaßnahmen eine intensive Zusammenarbeit vorgesehen. Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen die Aufnahmelandbehörde im Rahmen der ihr verbliebenen Zuständigkeit die Verletzung von Rechtsvorschriften feststellt. Sie selbst kann die Kreditinstitute zunächst nur auf diese Verstöße hinweisen und sie auffordern, die vorschriftswidrige Situation zu beenden. 1 6 6 Kommt das Unternehmen dieser Aufforderung nicht nach, wird die Herkunftslandbehörde in Kenntnis gesetzt, damit diese die geeigneten Maßnahmen ergreift. Die Art dieser Maßnahmen ist den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats mitzuteilen. Nur wenn dieses Vorgehen keinen Erfolg 162 Art. 29 Abs. 1 Richtlinie Nr. 12/2000. 163
Groß, JZ 1994, S. 596, 604; Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 62 f., 70 f. Roy la, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 128 f. 1 64 Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 75; vgl. als Beispiel den Gemeinsamen Standpunkt vom 1. 10. 1992 zwischen den französischen und den deutschen Bankaufsichtsbehörden. Inzwischen wurden entsprechende Vereinbarungen mit den Bankenaufsichtsbehörden aller EU-Mitgliedstaaten getroffen, vgl. Jahresbericht 1995 des BÄK,
2.2.2.
165 Art. 28 Abs. 1 Richtlinie Nr. 12/2000. 166 Art. 22 Abs. 2 Richtlinie Nr. 12/2000.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
hat, darf die Aufnahmelandbehörde selbst aktiv werden und ihrerseits geeignete Maßnahmen erlassen. In Eilfällen darf der Aufnahmestaat bereits vor der Einleitung dieses Informationsverfahrens eigene Sicherungsmaßnahmen ergreifen, über die die Herkunftslandbehörden und die Kommission unterrichtet werden müssen. 1 6 7 Die Kommission hat eine Art Schiedsrichterfunktion inne: Ihr kommt das Recht zu, nach Anhörung der zuständigen Behörden die Aufhebung der Eilmaßnahme zu verlangen. 1 6 8 Kennzeichnend für Inspektion und Aufsicht i m Bankenrecht ist damit die Zuweisung der zentralen und gemeinschaftsweit auszuübenden Aufsichtsbefugnisse an die Behörden des Herkunftsmitgliedstaats. Das Aufsichtssystem beruht vor allem auf Mechanismen horizontaler Kooperation zwischen den Aufsichtsbehörden. Vertikale Kooperation ist nur sehr schwach ausgeprägt: Eigene Inspektions- und Aufsichtsbefugnisse kommen der Kommission nicht zu. Sie hat nur die gerade beschriebenen Auffangkompetenzen, wenn es um die Beurteilung von Eilfällen geht, in denen die (eigentlich nicht zuständige) Aufsichtsbehörde des Aufnahmelandes Sicherungsmaßnahmen ergriffen hat.
III. Lebensmittel- und Veterinärrecht Weitere Beispiele für ausdifferenzierte Inspektionsregime bietet das Lebensmittel- und Veterinärrecht. 169 Das Lebensmittelrecht auf nationaler Ebene ist traditionell Sicherheitsrecht: Es geht darum, den Verbraucher in seiner Gesundheit und vor Irreführung und Täuschung zu schützen. 1 7 0 Die entsprechenden nationalen Regelungen, mit denen die Mitgliedstaaten diese Ziele zum Schutz ihrer Bürger zu erreichen suchen, stellen allerdings häufig Hindernisse für die Freiheit des Warenverkehrs in der Gemeinschaft dar. Das gilt auch für die mitgliedstaatlichen Lebensmittelüberwachungssysteme: Grenzkontrollen oder sonstige zusätzliche Kontrollen, denen grenzüberschreitende Lebensmittellieferungen unterworfen werden, führen zu Beeinträchtigungen des freien Verkehrs mit Lebensmitteln. 1 7 1 Qualitativ 167 Art. 22 Abs. 7 UAbs. 1 Nr. 12/2000. 168 Art. 22 Abs. 7 UAbs. 2 Nr. 12/2000. 169 Das Veterinärrecht umfaßt verschiedene Einzelmaterien wie z.B das Futtermittel-, Tierschutz· und Tierkörperbeseitigungsrecht, vgl. dazu Knipschild, Veterinärrecht (Diss. Heidelberg 2001). Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die lebensmittelrechtlichen Aspekte der Lebensmittelsicherheit und -Überwachung sowohl tierischer als auch sonstiger Lebensmittel. In diesem Sinne wird der Begriff Lebensmittel- und Veterinärrecht als Oberbegriff verwendet. Da die Uberwachungsregelungen für Tiere und tierische Erzeugnisse vom allgemeinen Recht der Lebensmittelüberwachung abweichen, ist im folgenden eine differenzierte Darstellung erforderlich (unter 1. und 2.). 170 Vgl. nur Horst, in: HBEU-WiR, C.IV, Rn. 37; Hufen, in: Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT 2, § 12, Rn. 58 ff.; ders., ZLR 1998, S. 1 ff.; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, B, Einführung, Rn. 1; zum Zweck des europäischen Lebensmittelrechts Horst, ZLR 2000, S. 475, 477. 171 Ausführlich Streinz, ZfRV 1994, S. 59, 60 ff.; ders. WiVerw 1993, S. 1, 55 ff.
Α. Gemeinschaftsrecht
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ungleichwertige Überwachungssysteme sind nicht nur hinderlich für den freien Wettbewerb i m Binnenmarkt, sondern schädigen auch die Gesundheits- und Verbraucherschutzinteressen der Endabnehmer von Lebensmitteln. Die Akzeptanz ausländischer Produkte setzt Vertrauen in eine in allen Mitgliedstaaten funktionierende und gleichwertige Lebensmittelüberwachung voraus. Folglich sind die Bestimmungen über die amtliche Lebensmittelüberwachung auch ein Faktor, der für die Wahl von Unternehmensstandorten von Interesse sein k a n n . 1 7 2 A u f EG-Ebene wurden daher schon früh unter dem Gesichtspunkt der Harmonisierung Strategien entwickelt, um durch den Erlaß gemeinschaftsweit gültiger Vorschriften diese Hemmnisse i m Handelsverkehr mit Lebensmitteln abzubauen. Betrachtet man die Entwicklung der europäischen Lebensmittelpolitik, 1 7 3 lassen sich mehrere Phasen unterscheiden: Bis 1985 war das Ziel der europäischen Lebensmittelgesetzgebung in erster Linie die Harmonisierung der nationalen Gesetze mittels einer „produktbezogenen Rezepturgesetzgebung' 4. Damit stand die sogenannte vertikale Harmonisierung 1 7 4 ganz i m Vordergrund. Es kam so zu einer Flut (über-)detaillierter Regelungen für zahlreiche Einzelprodukte. 1 7 5 Den Besonderheiten nationaler Entwicklungen und der Vielfalt europäischer Lebensmittel konnte jedoch durch die vertikale Harmonisierung nicht Rechnung getragen werden. 1 7 6
172 Eine ausführliche Analyse und Herleitung der Faktoren, die die Notwendigkeit einer gemeinschaftsweiten Harmonisierung der Lebensmittelüberwachung rechtfertigen, findet sich bei Verfürth, Lebensmittelüberwachung, S. 8 - 4 7 mit jeweils kurzen Zusammenfassungen auf S. 18, 29 f. und 47 und weiteren Nachweisen; Ringel, Lebensmittelrecht, S. 144 ff.; vgl. auch Adam, Veterinärrecht, S. 209-213 zu staatlichen Kontrollregelungen, die unter den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung fallen können. Illustrativ Heckner, ZLR 1993, S. 205, 206 zur Lebensmittelüberwachung im Binnenmarkt: „Die Grenzen fallen weg zwischen den Mitgliedstaaten, . . . . Und da wir den anderen nicht trauen, sehen wir eine neue Situation. Ich geniere mich fast, den banalen Spruch „Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser" zu zitieren"; zum „Zertifizierungseffekt" einer funktionierenden staatlichen Inspektion der Produktqualität Scharpf, in: Kohler-Koch, Regieren in entgrenzten Räumen, S. 121, 126. 173 Zur Entwicklung des deutschen Lebensmittelrechts als einer Geschichte hauptsächlich des Lebensmittelstrafrechts vgl. nur Dannecker, ZLR 1996, S. 313 ff.; Hufen, ZLR 1998, S. 1, 5; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, B, Einführung, Rn. 6 ff.; Hufen, in: Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT 2, § 12, Rn. 13 f. Zur Entwicklung des europäischen Lebensmittelrechts Hufen, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 99, 105 f.; Ν entwich, Lebensmittelrecht, S. 95 ff.; Lugt, European Food Law, S. 17 ff. 174 Im Gegensatz zur sog. horizontalen, d. h. nicht nur ein Einzelprodukt betreffenden Harmonisierung, näher dazu sogleich. 175 Die Idee, die hinter den frühen Lebensmittelrichtlinien steckte, bestand darin, jeden nationalen Rechtsakt im Prinzip durch eine Gemeinschaftsregelung zu ersetzen, um so den freien Warenverkehr zu ermöglichen. So kam es zu den rein produktbezogenen Richtlinien ζ. B. über Honig, Schokolade oder Fruchtsäfte; vgl. Lugt, European Food Law, S. 17 f.; kritisch Streinz, ZfRV 1994, S. 59, 66. 17 6 Streinz, in: Zipfel /Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, B, Einl., Rn. 53b; Lugt, European Food Law, S. 17; Hufen, in: Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT 2, § 12, Rn. 44; Adam, Veterinärrecht, S. 209 ff.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
In ihrem „Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes" 1 7 7 hat die Kommission daher eine neue Konzeption eingeleitet: Statt auf die Harmonisierung der die einzelnen Lebensmittel betreffenden materiellen Rechtsvorschriften sollte verstärkt auf das die nationalen Strukturen weniger beeinträchtigende Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, flankiert durch gemeinschaftliche Standardsetzung in besonders wichtigen Bereichen, gesetzt werden. 1 7 8 Das Anliegen der Harmonisierung wurde damit nicht ganz aufgegeben, sondern eher in den Bereich der horizontalen (d. h. nicht rein produktbezogenen) Rechtsetzung verlagert. 1 7 9 Beispiele für eine horizontale Harmonisierung sind u. a. die Europäische Etikettierungsrichtlinie 1 8 0 und die Zusatzstoffrahmenrichtlinie. 181 Ein A k t horizontaler Harmonisierung ist auch die Richtlinie über die amtliche Lebensmittelüberwachung. 182 Mittels solcher horizontaler Vorschriften soll die Zirkulierung der verschiedenen regionalen Produkte im Binnenmarkt auf eine einheitliche Grundlage gestellt und den Mitgliedstaaten die Anerkennung der aus den anderen Mitgliedstaaten kommenden Produkte erleichtert werden. 1 8 3 In der jüngeren Vergangenheit ist durch alarmierende Vorkommnisse (gepanschter Wein, Dioxin, BSE) das Vertrauen der Verbraucher in die Lebensmittelsicherheit nachhaltig erschüttert worden. Die Vertrauenskrise gab Anlaß zu einer Neubewertung der bestehenden Strukturen auf Gemeinschaftsebene und in den Mitgliedstaaten. Die Sicherung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus trat in den Vordergrund der Bemühungen um die Weiterentwicklung und Neuausrichtung des europäischen Lebensmittelrechts. M i t der Erarbeitung neuer Konzepte ist vor allem die Kommission beschäftigt, die mit dem Grünbuch „Allgemeine Grundsätze 177 KOM (85) 300 endg. = BR-Drs. 219/85 v. 10. 7. 1985; Präzisierungen in den Mitteilungen der Kommission v. 8. 11. 1985 „Vollendung des Binnenmarkts: das gemeinschaftliche Lebensmittelrecht" (KOM (85) 603 endg. = BR-Drs. 35/86 v. 27. 1. 1986) und v. 24. 10. 1989 „über den freien Verkehr mit Lebensmitteln innerhalb der Gemeinschaft" (ABl. Nr. C 271 / 3). 178 Weißbuch Vollendung des Binnenmarktes, KOM (85) 300 endg., S. 6; allgemein zu dieser „neuen Strategie" im gemeinschaftlichen Lebensmittelrecht vgl. Streinz, ZLR 1998, S. 145, 152 ff.; ders. ZfRV 1994, S. 59 ff., 62; ders., WiVerw 1993, S. 45 u. vorher; Hufen, in: Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT 2, § 12, Rn. 44; Horst, in: HBEUWiR, C IV, Rn. 7 ff.; Ringel, Lebensmittelrecht, S. 114 ff. 179 Als regelungsbedürftige Bereiche sah die Kommission den Schutz der öffentlichen Gesundheit, die Unterrichtung der Verbraucher, den lauteren Wettbewerb und die Notwendigkeit einer amtlichen Lebensmittelüberwachung an, vgl. Weißbuch Vollendung des Binnenmarktes, KOM (85) 300 endg., S. 6 Nr. 9. 180 Richtlinie Nr. 79/11, kodifiziert durch Richtlinie Nr. 2000/13. 181 Richtlinie Nr. 89/107, ergänzt durch weitere Einzelrichtlinien über Süßungsmittel, Farbstoffe und sonstige Lebensmittelzusatzstoffe. 182 Richtlinie Nr. 89/397; näher zum Inhalt sogleich unter l.a); siehe auch Heckner, ZLR 1990, S. 205 ff. 183 Als harmonisierungsbedürftige Bereiche nennt die Kommission weiter technische Hilfsstoffe, den Zusatz von Vitaminen und Mineralien zu Lebensmitteln und diätetische Nahrungsergänzungen, vgl. Grünbuch Lebensmittelrecht KOM (97) 176 v. 30. 4. 1997, S. 23.
Α. Gemeinschaftsrecht
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des Lebensmittelrechts in der Europäischen U n i o n " , 1 8 4 der Mitteilung „Gesundheit der Verbraucher und Lebensmittelsicherheit" 1 8 5 , dem „Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit" 1 8 6 und jüngst dem „Vorschlag einer Verordnung zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Erfordernisse des Lebensmittelrechts, zur Einrichtung der Europäischen Lebensmittelbehörde und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit" 1 8 7 wichtige Anstöße erarbeitet und zur Diskussion gestellt hat. Eines der Hauptziele des Lebensmittelrechts soll weiterhin das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes bleiben. Daneben erhält die Schaffung eines hohen Schutzniveaus der menschlichen Gesundheit und Sicherheit sowie der Schutz der Verbraucherinteressen ein eigenes und stärkeres G e w i c h t . 1 8 8 Allgemeine Ziele des Lebensmittelrechts sollen auch der Schutz von Gesundheit und Leben von Tieren und Pflanzen und der Umweltschutz sein, soweit dies mit der Art der jeweiligen Maßnahme vereinbar i s t . 1 8 9 Ein allgemeines Lebensmittelrecht soll die „Pfeiler" enthalten, auf denen die „Lebensmittelsicherheit ruht": Wissenschaftliche Beratung, Datenerhebung und -analyse, Rechtsetzung und Überwachung sowie Verbraucherinformation sollen ein homogenes Ganzes b i l d e n . 1 9 0 Für die Aufgabe der Lebensmittelüberwachung konzept avisiert: 1 9 1
wird ein dreistufiges Kontroll-
„Die Betreiber der Lebensmittelunternehmen tragen die Verantwortung für die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen und für die Minimierung des Risikos auf eigene Initiative. Die einzelstaatlichen Behörden sind dafür verantwortlich, sicherzustellen, daß die Standards der Lebensmittelsicherheit von den Betreibern der Lebensmittelunternehmen eingehalten werden. Sie müssen Kontrollsysteme schaffen, die sicherstellen, daß die gemeinschaftlichen Regelungen beachtet und erforderlichenfalls durchgesetzt werden. Diese Systeme sind auf Gemeinschaftsebene zu entwickeln, um ein einheitliches Vorgehen zu ge•84 KOM (97) 176 endg. v. 30. 4. 1997; dazu The Consumer Committee's Comments on the Commission's Green Paper on the General Principles of Food Law in the European Union - COM (97)176 final; einen Überblick über den Inhalt gibt Streinz, ZLR 1998, S. 145 ff. «85 KOM (97) 183 endg. v. 30. 4. 1997, näher dazu Streinz, ZLR 1998, S. 145, 155 f. '86 KOM (1999) 719 endg. v. 12. 1. 2000; zu den Möglichkeiten der Umsetzung einer im Weißbuch vorgeschlagenen Dachregelung europäisches Lebensmittelrecht Horst, ZLR 2000, S. 475 ff. •87 COM (2000) 716 endg., 8. 11. 2000; http://europa.eu.int/eur-lex/de/com/pdf/2000/ de_500PC0716.pdf. (1.7. 2001); dazu Köhler, ZLR 2001, S. 191 ff.; von Danwitz., ZLR 2001, S. 209. 188 Weißbuch Lebensmittelrecht (Fn. 186), S. 6 ff. (Rn. 1 ff.); Erläuterungen Verordnungsvorschlag (Fn. 187), S. 4 und 8; nach Köhler, ZLR 2001, S. 191, 194 stehen Gesundheits- und Verbraucherschutz sowie die Verwirklichung eines funktionierenden Binnenmarkts „gleichberechtigt" nebeneinander; in diese Richtung bereits Streinz, WiVerw 1993, S. 54. •89 Erläuterungen Verordnungsvorschlag (Fn. 187), S. 8. 190 Weißbuch Lebensmittelrecht (Fn. 186), S. 9 ff., 28 (Rn. 8 ff., 67). 191 Mitteilung „Gesundheit der Verbraucher" (Fn. 185); näher dazu Streinz, ZLR 1998, S. 145, 155 f. 5 David
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
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währleisten. Um die Wirksamkeit dieser Kontrollsysteme sicherzustellen, führt die Kommission mit Hilfe des Lebensmittel- und Veterinäramts ein Kontroll- und Inspektionsprogramm durch. Bei diesen Inspektionen wird die Leistung der einzelstaatlichen Behörden anhand ihrer Fähigkeit bewertet, wirksame Kontrollsysteme anzubieten und zu betreiben. Dies wird durch Besuche in den einzelnen Betrieben unterstützt, bei denen überprüft wird, ob tatsächlich akzeptable Standards eingehalten werden." 192 A u f der Basis dieses Systems gestufter Verantwortung w i l l die Kommission einen Gemeinschaftsrahmen für die einzelstaatlichen Kontrollsysteme erarbeiten. Dieser Kontrollrahmen soll die folgenden drei Kernelemente haben: 1 9 3 - Zunächst sollen auf Gemeinschaftsebene operationeile Kriterien festgelegt werden, die die einzelstaatlichen Behörden erfüllen müssen. Anhand dieser Kriterien sollen die zuständigen Behörden vom Lebensmittel- und Veterinäramt überprüft werden (Systemkontrollen). - Zusätzlich sollen gemeinschaftliche Kontroll-Leitlinien erarbeitet werden. Eine Gemeinschaftsstrategie soll einen umfassenden, integrierten Ansatz bei der Durchführung von Kontrollen ermöglichen. - Das dritte Element betrifft die administrative Zusammenarbeit: Durch die Integration und Vervollständigung des bestehenden Rechtsrahmens sollen bewährte Verfahren zwischen den einzelnen Behörden ausgetauscht und gegenseitige Unterstützung geleistet werden. Die angesprochenen Leitlinien liegen allerdings bisher noch nicht vor. Der vorläufige Verordnungsentwurf schreibt lediglich das erwähnte gestufte Kontrollsystem übergreifend für den gesamten Lebensmittelsektor vor: Die Lebens- und Futtermittelunternehmer sorgen dafür, daß die Lebens- oder Futtermittel die entsprechenden Anforderungen des Lebensmittelrechts einhalten. Die Mitgliedstaaten setzen das Lebensmittelrecht durch und überwachen und überprüfen, ob die Anforderungen von den Lebens- und Futtermittelunternehmern in allen Produktionsund Vertriebsstufen eingehalten werden. Hierzu betreiben sie ein System amtlicher Kontrollen und legen Vorschriften für Maßnahmen und Sanktionen bei Verstößen fest. 1 9 4 Das bestehende Lebensmittelrecht gilt so lange weiter, bis es zur Herstellung der Konformität mit der Verordnung geändert w i r d . 1 9 5 In den geltenden Lebensmittel- und Veterinärrechtsakten der Gemeinschaft sind die gerade beschriebenen Grundsätze schon ansatzweise verwirklicht. Vor allem die Hygienevorschriften weisen die Hauptverantwortung für die Sicherheit der Lebensmittel den Lebensmittelunternehmen zu. Eine wesentliche Rolle dabei spielt das sog. HACCP-Prinzip, das in Art. 3 der Lebensmittelhygienerichtlinie Nr. 93 7 4 3 / E W G verankert »92 193 194 195
Weißbuch Lebensmittelrecht (Fn. 186), S. S. 36 f. (Rn. 88, 89); Hervorhebungen d. Verf. Vgl. zum Folgenden Weißbuch Lebensmittelrecht (Fn. 186), S. 37, Rn. 91. Art. 10 Verordnungsentwurf (Fn. 187). Art. 64 Verordnungsentwurf (Fn. 187); kritisch Kohler, ZLR 2001, S. 191, 196.
Α. Gemeinschaftsrecht
67
i s t . 1 9 6 Insofern ist schon die Überwachung durch die Mitgliedstaaten eine erste Form der Kontrolle der Kontrolle - wenn sie nämlich die Art und Weise der betrieblichen Eigenüberwachung überprüfen. 1 9 7 In anderen Bereichen des Lebensmittelrechts wird dieses Prinzip noch nicht so weitgehend praktiziert. 1 9 8 Besonders das Veterinärrecht stellt eine stark zersplitterte Rechtsmaterie dar (unter 2.). Insofern wird sich zeigen, daß hier tatsächlich Vereinheitlichungsbedarf besteht.
1. Inspektionen im gemeinschaftlichen
Lebensmittelrecht
Die Aufgaben der Lebensmittelüberwachung in Form von Kontrollen vor Ort in den Lebensmittel erzeugenden und verarbeitenden Betrieben werden vom geltenden gemeinschaftlichen Lebensmittelrecht den Überwachungsbehörden der Mitgliedstaaten zugewiesen [unter a)]. A u f der nächsten Stufe dienen Kommissionsinspektionen dazu, die einheitliche Anwendung der Rechtsvorschriften über Lebensmittel in den Mitgliedstaaten sicherzustellen [unter b)].
a) Lebensmittelüberwachung durch nationale Inspektoren Wenn Lebensmittel in der Gemeinschaft frei zirkulieren können, ist auch eine gemeinschaftsweit wirksame Lebensmittelüberwachung erforderlich. In der Richtlinie Nr. 8 9 / 3 9 7 / E W G über die amtliche Lebensmittelüberwachung sind die allgemeinen Grundsätze für die Durchführung der amtlichen Lebensmittelüberwachung aufgestellt. 1 9 9 Die Richtlinie ist mit Blick auf die Vollendung des Binnen196
HACCP steht für „hazard analysis and critical control point". Nach diesem Prinzip müssen die Lebensmittelunternehmen basierend auf einer Risikoanalyse für die Lebensmittelsicherheit kritische Punkte im Produktionsprozeß selbst identifizieren und gezielt Selbstüberwachungskonzepte entwickeln. Aufgabe der nationalen Lebensmittelüberwachung ist die Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Eigenkontrollsysteme, die Aufdeckung von Schwachstellen und das Aufzeigen von Behebungsmöglichkeiten; vgl. dazu das Grünbuch der Kommission „Allgemeine Grundsätze des Lebensmittelrechts in der Europäischen Union" (Fn. 184) und ausführlich Lugt, in: Vervaele (Hrsg.), Compliance and Enforcement, S. 171, 172 ff.; Hartig/Untermann, ZLR 1997, S. 602 ff.; kurzer Überblick über die Hygienerichtlinie auch bei Ν entwich, Lebensmittelrecht, S. 172 f.; allgemein zu Qualitätssicherungssystemen und Risikobewältigung im Lebensmittelrecht Gorny, ZLR 1995, S. 1 ff. und Wahl, ZLR 1998, S. 275 ff. 197 Zu Struktur und Organisation der deutschen Lebensmittelüberwachung vgl. Hey, ZLR 1998, S. 193 ff. 198 Erläuterungen zum Verordnungsentwurf (Fn. 187), S. 10 f. Dort auch der Hinweis auf Regelungen im bestehenden Lebensmittelrecht, bei denen die Rechtsetzung der Gemeinschaft „ohne Not den Futter- oder Lebensmittelunternehmen die Verantwortung dadurch abgenommen hat, daß sie vorschreibt, wie ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll anstatt das Ziel selbst festzulegen". 199 Art. 1 Abs. 1 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung); zu den Grundsätzen der amtlichen Lebensmittelüberwachung vgl. Ν entwich, Lebensmittelrecht, S. 165 ff.; Herz5*
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
68
marktes konzipiert: Die Mitgliedstaaten haben dafür Sorge zu tragen, daß die zum Versand in andere Mitgliedstaaten bestimmten Erzeugnisse mit der gleichen Sorgfalt überwacht werden wie diejenigen, die zur Vermarktung in ihrem eigenen Gebiet bestimmt s i n d 2 0 0 . Das ist eine einschneidende Änderung gegenüber der früheren Praxis: Vorher hatten die Mitgliedstaaten die für die Ausfuhr in andere Mitgliedstaaten bestimmten Lebensmittel ganz oder in gewissem Umfang von der eigenen Überwachung ausgenommen, auf der anderen Seite aber eingeführte Lebensmittel aus anderen Mitgliedstaaten vollständig oder sogar stärker als die einheimischen Lebensmittel überwacht. 2 0 1 Die Überwachung vor Ort durch nationale Inspektoren erstreckt sich auf alle Stufen der Erzeugung, der Herstellung, der Einfuhr in die Gemeinschaft, der Behandlung, der Lagerung, der Beförderung, des Vertriebs und des Handels. Sie wird in der Regel ohne Vorankündigung vorgenommen. 2 0 2 Sie ist gekennzeichnet durch die folgenden Elemente: -
Gegenstand der Inspektion: Der Inspektion unterliegen nicht nur der Zustand von Grundstücken, Betriebs- und Geschäftsräumen, sondern auch die verwendeten Roh-, Halb- und Enderzeugnisse, die Reinigungs-, Herstellungs- und Konservierungsverfahren sowie die Etikettierung und Aufmachung der Lebensmittel.203
- Probenahme und Analyse: Von den Lebensmittelrohstoffen und -erzeugnissen, den Zutaten und den Materialien, die damit in Berührung kommen, dürfen zu Analysezwecken Proben entnommen werden. Die Betroffenen müssen gegebenenfalls ein Gegengutachten einholen können. 2 0 4 - Hygieneuntersuchung des Personals: zur Nachprüfung, ob die Personen, die mit den Lebensmittelprodukten in Berührung kommen, die Hygienevorschriften hinsichtlich der persönlichen Sauberkeit und der Kleidung einhalten. 2 0 5 berg, Überwachung, S. 133 ff.; Ringel, Lebensmittelrecht, S. 144 ff.; Streinz, WiVerw 1993, S. 58 ff.; Ripke/Telzlaff, Die Fleischwirtschaft 71/1991, S. 1011 ff.; Falke, in: Hill/Hof, Wirkungsforschung II, S. 265, 266 ff. 200 Art. 2 Abs. 2 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung). Zur Vermeidung von Umgehungen dürfen sich auch Erzeugnisse, die aus dem Gemeinschaftsraum ausgeführt werden sollen, nicht von einer angemessenen Überwachung ausschließen, Art. 3 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung). 201 Verfürth, Lebensmittelüberwachung, S. 109; Adam, Veterinärrecht, S. 239. 202
Art. 4 Abs. 3 und 4 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung); dazu Adam, Veterinärrecht, S. 241. 203 Art. 6 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung). Wie man sieht, wird der Begriff der Inspektion im Zusammenhang mit der Lebensmittelüberwachung enger gefaßt. Die Inspektion ist hier eines von mehreren Kontrollinstrumenten im Rahmen der Kontrollen vor Ort und meint hier tatsächlich ein Besichtigen i.e.S. Näher zur Begrifflichkeit Gorny, ZLR 1990, S. 115, 116 und oben Einleitung C.I. 2 4 Art. 7 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung). 205 Art. 8 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung).
Α. Gemeinschaftsrecht
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- Prüfung der Schrift- und Datenträger: Die Überwachungspersonen können von Schrift- und Datenträgern Kenntnis nehmen und Abschriften und Auszüge anfertigen. 2 0 6 -
Untersuchung der ggf. von dem Unternehmen eingerichteten Kontrollsysteme und der damit erzielten Ergebnisse. 207
Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, daß ihre Rechtsordnung den Überwachungspersonen Rechte zur Durchführung der gerade beschriebenen Tätigkeiten einräumt. 2 0 8 Sie müssen zudem den von den Untersuchungen betroffenen natürlichen oder juristischen Personen die Pflicht auferlegen, die Kontrollen zu duiden.209 Gegen Maßnahmen der Überwachungsbehörden müssen den überwachten natürlichen und juristischen Personen Rechtsmittel zustehen. 2 1 0 Die mit der Überwachung beauftragten Personen unterliegen der Geheimhaltungspflicht. 211 Letzteres ist zum Schutz der Betroffenen besonders wichtig, da die Überwachungspersonen naturgemäß Einblick in Betriebsinterna, ζ. B. in Rezepturen u.ä. erlangen.
b) Lebensmittelüberwachung durch EG-Inspektoren Durch die Richtlinie Nr. 9 9 / 9 3 / E W G über zusätzliche Maßnahmen im Bereich der amtlichen Lebensmittelüberwachung wird eine zusätzliche Kontrollebene mit dem Ziel eingeführt, die einheitliche Anwendung der Rechtsvorschriften über Lebensmittel sicherzustellen. 212 Die Aufgaben der Kommission im geltenden euro-
206 Art. 9 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung). 207 Art. 5 Nr. 1 - 5 . Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung). Damit wird die amtliche Lebensmittelkontrolle in die Lage versetzt, von den betrieblichen Eigenkontrollen zu profitieren, eine Möglichkeit, die es bisher nach deutschem Lebensmittelrecht noch nicht gab, vgl. Adam, Veterinärrecht, S. 240. Auch Streinz, ZfRV 1994, S. 59, 65 sieht in der Verzahnung von eigenverantwortlichen Sicherungsmaßnahmen der Wirtschaft und amtlicher Kontrolle auf der Basis von Zertifizierungen gemäß den ISO-Normen einen „richtungsweisende^) Ansatzpunkt". 208 Art. 11 Abs. 1 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung). 209 Art. 11 Abs. 2 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung); dazu Verfürth, bensmittelüberwachung, S. 98. 210 Art. 12 Abs. 1 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung).
Le-
211 Art. 12 Abs. 2 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung). 212
Erwägungsgrund Nr. 8 Richtlinie Nr. 99/93 (Zusätzliche Maßnahmen); dazu Falke, in: Hill/Hof, Wirkungsforschung II, S. 265, 268 ff. zur Kritik (noch zum Vorschlag der Richtlinie über zusätzliche Maßnahmen im Bereich der Lebensmittelüberwachung) Herzberg, Regulierung und Überwachung, S. 139, der von „Absurdität und Übermaß" der Einrichtung einer zusätzlichen Kontrollinstanz spricht und die Frage stellt, wer denn die EG-Kontrolleure kontrollieren solle.
70
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
päischen Lebensmittelrecht lassen sich als „begleitende K o n t r o l l e " 2 1 3 oder auch als „second-line-enforcement" 2 1 4 charakterisieren. Die Inspektionen im Lebensmittel- und Veterinärbereich werden von Bediensteten des Lebensmittel- und Veterinäramts durchgeführt, das 1997 in der Nähe von Dublin eingerichtet worden i s t . 2 1 5 Das A m t besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern ist organisatorisch der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz zugeordnet. Es umfaßt die vormals zu der Generaldirektion V I (Landwirtschaft) gehörenden Veterinär- und Phytosanitärkontrolleure und die ursprünglich in der Generaldirektion I I I (Industrie) mit Aufgaben der Lebensmittelkontrolle beauftragten Bediensteten. M i t der Umstrukturierung konnten zwei Verbesserungen erreicht werden: Erstens wurden alle Kontrollkräfte i m Bereich Verbrauchergesundheit an einer Stelle gebündelt. Zum zweiten konnte das Prinzip der Funktionentrennung auch innerhalb der Kommission besser berücksichtigt werden. Die mit der Vollzugskontrolle betrauten Einheiten arbeiten so organisatorisch getrennt von den für die jeweiligen Gesetzgebungsinitiativen zuständigen Generaldirektionen I I I und V I . 2 1 6 Auch nach der neuen Konzeption i m Weißbuch Lebensmittelrecht und dem diese Konzeption umsetzenden Verordnungsentwurf der Kommission sollen die Inspektionsaufgaben vom Lebensmittel- und Veterinäramt durchgeführt werden. Die geplante selbständige Lebensmittelagentur soll keine eigenen Vollzugsbefugnisse erhalten, sondern Aufgaben der Risikobewertung und Risikokommunikation wahrnehmen. 2 1 7 Bedienstete der Kommission bzw. des Lebensmittel- und Veterinäramts arbeiten mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der „Überwachung und Bewertung der Gleichwertigkeit und der Wirksamkeit' 4 der in den Mitgliedstaaten betriebenen Lebensmittelüberwachungssysteme zusammen. 2 1 8 Zu diesem Zweck dürfen die Gemeinschaftsinspektoren die Kontrolleure der Mitgliedstaaten bei ihren Kontrollhandlungen begleiten. 2 1 9 Durch das Begleitrecht werden allerdings 213 Mögele, ZLR 1998, S. 177, 182. 214 Lugt, European Food Law, S. 32. 215 Zu Aufgaben und Kontrolltätigkeiten des Amtes Falke, in: Hill/Hof, Wirkungsforschung II, 265, 273 f.; instruktiv aus Praktikersicht Reinius, Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelhygiene 2000, S. 258 ff. Ein umfassender Bericht über die Tätigkeiten des Amtes im Jahr 2000 kann im Internet unter http://www.europa.eu.int/comm/food/fs/inspections / policy_papers / ann_rep_2000_en.pdf (1.7. 2001) abgerufen werden. Zu den (hier nicht näher behandelten) politischen Kontroversen und Rechtsfragen im Zusammenhang mit der institutionellen Ausgestaltung der europäischen Lebensmittelpolitik mit Blick auf das Ausschußwesen und die wissenschaftliche Beratung Neyer, in: Joerges / Falke, Ausschußwesen, S. 257, 276 f.; Knipschild, ZLR 2000, S. 693. 216 Zum Hintergrund der Umstrukturierung Mögele, ZLR 1998, S. 177, 186. Siehe auch Blumann/Adam, R.T.D.E. 33 (1997), S. 239, 288. 217 Weißbuch Lebensmittelrecht (Fn. 186), S. 17 f. Rn. 32 f. und Kommissionsvorschlag Lebensmittelrecht (Fn. 187). Kritisch zur Errichtung einer europäischen „Food and Drug Administration" Streinz, ZLR 1998, S. 1, 13 f. 218 Art. 5 Abs. 1 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen).
Α. Gemeinschaftsrecht
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keine selbständigen Befugnisse der EG-Kontrolleure begründet: Die Verantwortung für die Kontrollmaßnahmen vor Ort verbleibt in jedem Fall bei den Behörden der Mitgliedstaaten. 2 2 0 Die Überwachungsbediensteten des Lebensmittel- und Veterinäramts betätigen sich damit lediglich als „Gutachter über die mitgliedstaatlichen Kontrollsysteme". 2 2 1 Wenn Gemeinschaftsbedienstete an Kontrollen der M i t gliedstaaten teilnehmen, müssen sie sich an die Regeln und Verfahren halten, die für die entsprechenden mitgliedstaatlichen Bediensteten gelten. 2 2 2 Eigenständige Gemeinschaftsinspektionen in den Betrieben gibt es somit i m Lebensmittelrecht nicht.
c) Kooperation Bei den Inspektionen i m Lebensmittelrecht wirken also nationale und EG-Inspektoren zunächst nebeneinander. Sie erfüllen mit der Wirtschaftsaufsicht über die Lebensmittelunternehmen und der Kontrolle der Kontrolle jeweils unterschiedliche Kontrollfunktionen. Ein verbindendes Element bieten die Regelungen über wechselseitige Zusammenarbeit: Bei der Erfüllung ihrer jeweiligen Überwachungsaufgaben haben sich die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft gegenseitig zu unterstützen.
( 1 ) Unterstützung bei der Durchführung der Gemeinschaftsinspektionen Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten arbeiten mit den hierfür benannten Beamten der Kommission zusammen und gewähren ihnen bei der Durchführung ihrer Aufgabe jeden möglichen Beistand. Diese in Art. 5 der Richtlinie Nr. 9 3 / 9 9 (Zusätzliche Maßnahmen) normierte Beistandsverpflichtung sieht auf den ersten Blick aus wie eine Verpflichtung zur Leistung von Vollzugshilfe i m Fall des Widerstands der Kontrollunterworfenen. Eine solche Verpflichtung gibt es wie gesehen in den Bereichen des Gemeinschaftsrechts, in denen die Kommission selbständige Eingriffsbefugnisse gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern hat, ζ. B. i m Wettbewerbsrecht oder i m Recht der Betrugsbekämpfung. Da die Kommissionsbediensteten i m Lebensmittelrecht allerdings nur in begleitender Funktion an den Inspektionen der Mitgliedstaaten teilnehmen, kommen Vollzugshilfeleistungen nicht in Betracht. Es bleiben sonstige Hilfeleistungen wie ζ. B. das Zurverfügungstellen von Unterlagen oder die Auskunftserteilung auf andere Art und Weise. 219 Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen). 220 Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen). 221 222 223 224
Falke, in: Hill/Hof, Wirkungsforschung II, S. 265, 268 f. Art. 5 Abs. 2 UAbs. 3 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen). Siehe oben II.l.b). Siehe unten V.l.b).
72
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
(2) Informationsaustausch Das Inspektionsregime wird flankiert von einem differenzierten System horizontalen und vertikalen Informationsaustauschs. 225 Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen können sehr schnell Auswirkungen auch in anderen Mitgliedstaaten haben. Die Aufdeckung solcher Verstöße und die Einleitung von Gegenmaßnahmen werden erleichtert, wenn die Mitgliedstaaten bei der Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben zusammenarbeiten. Die Basis für ein koordiniertes Vorgehen ist der Austausch der entsprechenden Informationen. Die rechtlichen Grundlagen dafür bietet Art. 6 der Richtlinie Nr. 9 3 / 9 9 (Zusätzliche Maßnahmen). Die Vorschrift begründet die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sich gegenseitige Amtshilfe zu leisten. Die Amtshilfeersuchen werden über zentrale Kontaktstellen gestellt, die von den Mitgliedstaaten benannt werden. 2 2 6 Aufgabe dieser zentralen Stellen ist es insbesondere, die Weitergabe von Informationen zu unterstützen und zu koordinieren. Ergibt der Informationsaustausch Anhaltspunkte für Verstöße gegen gemeinschaftliche oder innerstaatliche Rechtsvorschriften, müssen sich die Mitgliedstaaten auch über die ergriffenen Folgemaßnahmen unterrichten. 2 2 7 In diese Berichterstattung kann auch die Kommission mit einbezogen werden. Die Pflicht zur Leistung von Informationshilfe entfällt in zwei Fällen: Erstens brauchen diejenigen Informationen, die Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sind, nicht weitergegeben zu werden. 2 2 8 Die zweite Einschränkung betrifft den Datenund Geheimnisschutz. Für den Schutz der übermittelten Informationen knüpft Art. 7 der Richtlinie Nr. 9 9 / 9 3 (Zusätzliche Maßnahmen) an die Regelungen in der Lebensmittelüberwachungsrichtlinie Nr. 89/397 an: Der dort garantierte Schutz von Geschäftsgeheimnissen und die berufliche Schweigepflicht werden auf die im Wege der Amtshilfe ausgetauschten Informationen ausgedehnt. 229 Ist ein solcher Geheimnisschutz in einem Mitgliedstaat nicht gewährleistet - etwa weil dort das Prinzip des freien Zugangs zu Behördenakten gilt - , darf der Mitgliedstaat, bei dem Informationen angefordert wurden, die Weitergabe verweigern, ohne gegen seine Verpflichtung zur Amtshilfe zu verstoßen. Informationsaustausch nach der Richtlinie Nr. 9 9 / 9 3 (Zusätzliche Maßnahmen) kann mit dem Stichwort „Amtshilfe in der Form der Informationshilfe" charakterisiert werden. Daneben gibt es noch eine stärker verfestigte Form des Informationsaustauschs: das Schnellwarnsystem RAS (Rapid Alert System) nach Art. 8 der Produktsicherheitsrichtlinie. 2 30 Das System funktioniert über ein Netz von Kontakt225 Zur informationellen Zusammenarbeit zwischen den Lebensmittelüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten Ringel, Lebensmittelrecht, S. 148 ff. 22 6 Art. 6 Abs. 2 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen). 22 7 Art. 6 Abs. 6 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen). 22 22
» Art. 6 Abs. 4 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen). 9 Art. 6 und 7 Richtline Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen).
230 Die Regeln gelten ausdrücklich nebeneinander. Art. 6 Abs. 7 der Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen) bestimmt: „Dieser Artikel gilt unbeschadet der Entscheidung 89/
Α. Gemeinschaftsrecht
73
stellen. Zur Zeit gibt es zwei solcher Netze: eines für Nahrungsmittel (das sog. Rote Telefon) und eines für andere Erzeugnisse als Nahrungsmittel. 2 3 1 Das Schnellwarnsystem kommt im Anschluß an die Entdeckung von gefährlichen Lebensmitteln durch Kontrollen vor Ort zum Einsatz. Es setzt allerdings das Bestehen einer ernsten, unmittelbaren und grenzüberschreitenden Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher voraus und hat insofern eine höhere Eingriffsschwelle als der „einfache" Informationsaustausch nach Art. 6 der Richtlinie Nr. 9 9 / 9 3 (Zusätzliche Maßnahmen). Es dient in erster Linie dazu, die Kommission über die von dem betroffenen Mitgliedstaat getroffenen Sofortmaßnahmen zu informieren. Die Kommission fungiert als Verteiler und informiert die zuständigen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten. (3) Pläne und Berichte Zur Kooperation im weiteren Sinne gehört auch die Ausrichtung der Uberwachungstätigkeiten an Überwachungsplänen und die anschließende Berichterstattung. Nach Art. 14 Abs. 1 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung) müssen die Mitgliedstaaten Vorausschätzungsprogramme aufstellen, in denen die Art und die Häufigkeit der Überwachungen festgelegt werden. Über die Durchführung dieser Programme müssen sie Berichte erstellen und an die Kommission übermitteln. Die Kommission erstellt ihrerseits jährlich eine Empfehlung für ein koordiniertes Überwachungsprogramm. 232 Den Mitgliedstaaten wird darin empfohlen, 45 über die Gefahren bei der Verwendung von Konsumgütern und der Richtlinie Nr. 92 / 59 des Rates v. 29. 6. 1992 über die allgemeine Produktsicherheit." 231 Vgl. näher dazu das Vademecum „Schnellwarnsystem für Lebensmittel" auf der Internetseite der GD Gesundheit und Verbraucherschutz, http://www.europa.eu.int/comm/food/ fs/sfp/ ras02_de.pdf (1.7. 2001) und die Informationen unter http://europa.eu.int/scadplus/ leg/de/Ivb/132039.htm; Eckert, in: Dannecker, Lebensmittelstrafrecht, S. 151, 154 ff.; Ringel, Lebensmittelrecht, S. 151 ff. Zur praktischen Anwendung siehe auch den Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über Erfahrungen mit der Anwendung der Richtlinie 92/59 über die allgemeine Produktsicherheit, KOM (2000) 140 endg. v. 29. 3. 2000, S. 17; Bach, ZLR 2000, S. 489 ff. kritisiert verschiedene Mängel in der praktischen Anwendung des Systems: Es würden viele Warnmeldungen erstattet, ohne daß von den Behörden des an die Kommission berichtenden Landes ausreichend recherchiert werde, welche Vertriebswege das betroffene Lebensmittel habe. Das führe dazu, daß alle anderen Mitgliedstaaten vorsichtshalber informiert würden, die dann unter hohem Verwaltungs- und Kostenaufwand selbst ermitteln müßten, ob das betreffende Produkt in ihrem Land in Verkehr gebracht werde. Außerdem würde das System durch unberechtigte Warnmeldungen mißbraucht, indem Mitgliedstaaten Fälle meldeten, die keine gesundheitsgefährdende Relevanz besäßen oder die besser und schneller durch bilaterales Zusammenwirken von lediglich zwei betroffenen Mitgliedstaaten zu bewältigen wären. Die Wege der Warnmeldungen seien aufgrund der vertikalen Nachrichtenketten zu lang. 232 Art. 14 Abs. 2 und 3 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung); als Beispiele für koordinierte Kontrollprogramme siehe die Empfehlungen der Kommission v. 22. 2. 2000 über ein koordiniertes Programm für die amtliche Lebensmittelüberwachung für 2000, ABl. Nr. L 63 v. 10. 3. 2000, S. 34 und v. 18. 4. 2001 über ein koordiniertes Programm für die amtliche Lebensmittelüberwachung für 2001, ABl. Nr. L 120 v. 28. 4. 2001, S. 41 f.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
mit Blick auf aktuelle Gefährdungen, Proben bestimmter Erzeugnisse zu nehmen und auf bestimmte Parameter zu prüfen. Die koordinierten Überwachungsprogramme dienen zugleich einer Abstimmung der angewandten Untersuchungsmethoden. 2 3 3 Diese auf den verschiedenen Vollzugsebenen bestehenden Planungsund Berichtspflichten dienen der Effektuierung der gemeinschaftlichen Lebensmittelüberwachung und ermöglichen gleichzeitig den Austausch von Erfahrungen sowie daran anschließende Lernprozesse. In einer zusammenfassenden Betrachtung ist Lebensmittelüberwachung i m Gemeinschaftsrecht damit gekennzeichnet durch geteilte Aufsichtszuständigkeiten: Direktkontrolle über die Lebensmittelunternehmen durch die Mitgliedstaaten und als Kontrolle der Kontrolle eine Gemeinschaftsaufsicht über die Mitgliedstaaten. Die geteilten Aufsichtszuständigkeiten werden durch Elemente der Zusammenarbeit ergänzt. Die Mitgliedstaaten müssen sich durch Informationsaustausch und Amtshilfe gegenseitig unterstützen. Die Kommission erfüllt neben den beschriebenen Aufsichtsfunktionen ihre Rolle als „Informationsumschlagplatz" bei Gefahrensituationen i m Lebensmittelsektor und gibt die über das beschriebene Schnellinformationssystem erhaltenen Informationen sternförmig an die anderen Mitgliedstaaten weiter. 2 3 4 Ihre koordinierende Rolle zeigt sich auch an ihrer Zuständigkeit zur Erstellung gemeinsamer Kontrollprogramme.
2. Inspektionen im gemeinschaftlichen
Veterinärrecht
Der Veterinärbereich überschneidet sich insofern mit dem Lebensmittelbereich, als zumindest die Fleischerzeugnisse der Kategorie der Lebensmittel unterfallen. Dennoch ist der Handel mit lebenden Tieren und Fleisch eine vom Lebensmittelrecht i m engeren Sinne abzugrenzende Materie mit eigenständigen Kontroll- und Überwachungsmechanismen. 235 In einem Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet wird, muß sichergestellt bleiben, daß nur gesundheitlich einwandfreie Tiere und Fleischerzeugnisse dem freien Verkehr unterliegen. Vor der Einführung des Bin233
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der koordinierten Überwachungsprogramme wird im Internet mitgeteilt, vgl. auch Falke, in: Hill/Hof, Wirkungsforschung zum Recht II, S. 265, 268. 234 Ahnlich die zusammenfassende Bewertung von Pühs, Vollzug von Gemeinschaftsrecht, S. 328, der die gemeinschaftliche Lebensmitteliiberwachung als ein gemischtes System charakterisiert, das sowohl die administrative Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten als auch zentrale Kontrollmaßnahmen in Form des Einsatzes von Gemeinschaftsinspektoren miteinander vereinbare. Die Rolle der Kommission als Zentrum vertikaler Kooperationsbeziehungen betont auch Hufen, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 99, 116. 235
Umfassend zu Fragen der Sicherheit tierischer Lebensmittel im europäischen Veterinärrecht Knipschild, Veterinärrecht, 3. Teil C., dort insbes. 1.1. (Tierseuchenrecht) und 1.5. (Fleischhygienerecht).
Α. Gemeinschaftsrecht
75
nenmarktes fanden an den Grenzen der Mitgliedstaaten Veterinärkontrollen zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier statt. Als diese Kontrollen wegfielen, mußte ein neues Kontrollkonzept entwickelt werden. Es wird sich zeigen, daß dieses Kontrollkonzept von den dargestellten Mechanismen der Lebensmittelüberwachung in einigen Punkten abweicht. Seit der Einführung des Binnenmarkts gilt für das Inspektionsregime i m gemeinschaftlichen Veterinärrecht das Prinzip der Herkunftslandkontrolle. Die Veterinärkontrollen an den Binnengrenzen sind abgeschafft und in das Ursprungsland verlagert worden. Kontrollen i m Bestimmungsland sind grundsätzlich auf Stichproben zu beschränken. 236 Bei Importen aus Drittländern finden Kontrollen nur noch an den Außengrenzen der Gemeinschaft statt. Danach sind alle einmal rechtmäßig in die Gemeinschaft eingeführten Produkte im gesamten Binnenmarkt frei verkehrsfähig.
a) Inspektionen durch die Mitgliedstaaten Die Verpflichtung zur Durchführung veterinärrechtlicher Kontrollen vor Ort findet sich in zahlreichen Gemeinschaftsrechtsakten. M i t diesen Kontrollen soll überprüft werden, ob die Betriebe die einschlägigen EG-Vorschriften über den Handel mit lebenden Tieren, Fleisch und Fleischerzeugnissen, über das Fleischhygienerecht, das Tierseuchenrecht oder die Rückstandskontrollvorschriften einhalten. 2 3 7 Die mitgliedstaatlichen Veterinärdienste müssen Tiere auf ihre Gesundheit, Fleisch auf seine Qualität und Produktionsanlagen auf die Einhaltung der hygienischen Anforderungen hin untersuchen. Zu diesem Zweck müssen sie jederzeit freien Zugang zu sämtlichen Teilen des Betriebes haben. Die genaueren Modalitäten für die Überwachung sind i.d.R. in den Anhängen der entsprechenden Richtlinien festgelegt. Teilweise wird ausdrücklich festgelegt, daß die Kontrollen von den zuständigen nationalen Stellen ohne Vorankündigung durchzuführen s i n d . 2 3 8 Durch die Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre verabschiedeten vier horizontalen 2 3 9 Veterinärkontrollrichtlinien 2 4 0 wurden die Inspektionspflichten der Mitgliedstaaten an die Erfordernisse des Binnenmarktes angepaßt. 241
236
Näher dazu Priebe, in: Dauses, HBEUWiR, G 3, Rn. 119; zu den Inspektionen im Veterinärwesen siehe auch Priebe, ZLR 1990, S. 266, 268 ff. 2 37 Vgl. nur Art. 10 Abs. 4 Richtlinie Nr. 64/433 i.d.F. der Richtlinie Nr. 91/497 (Frisches Fleisch); Art. 8 Abs. 2 Richtlinie Nr. 77/99 i.d.F. der Richtlinie Nr. 92/5 (Fleischerzeugnisse); Art. 8 Abs. 2 Richtlinie Nr. 94/65 (Hackfleisch); Art. 6 Abs. 5 Richtlinie Nr. 71 / 118 i.d.F. der Richtlinie Nr. 92/116 (Frisches Geflügelfleisch); Art. 11 Richtlinie Nr. 96/23 (Rückstandskontrolle). 23 8 So ζ. B. in Art. 12 Richtlinie Nr. 96/23 (Rückstandskontrolle). 239 D.h. nicht produktbezogenen.
76
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
(1) Kontrollen im Herkunftsland Die Primärkontrollen i m Herkunftsland werden durch amtliche Tierärzte der zuständigen nationalen Behörde in den Betrieben durchgeführt. Dieser prüft zunächst, ob die Wirtschaftsteilnehmer die Produkte im Einklang mit der Gemeinschaftsregelung erzeugt, kontrolliert, gekennzeichnet und beschriftet h a b e n 2 4 2 und ob sie die veterinärrechtlichen Anforderungen auf allen Stufen der Erzeugung, Lagerung, Vermarktung und Beförderung der Erzeugnisse einhalten. 2 4 3 Die auf diese Weise kontrollierte Konformität des Tieres oder Produktes mit den Vorschriften bescheinigt der amtliche Tierarzt in einem Dokument (sog. Genußtauglichkeits-, Gesundheits- oder Transportfähigkeitsbescheinigung), das die Ware bis zum Empfänger begleitet. 2 4 4 Alle Tiere und Erzeugnisse müssen unabhängig davon, ob sie für den innergemeinschaftlichen Handel oder für den eigenen Markt bestimmt sind, den gleichen veterinärrechtlichen Kontrollen unterliegen. 2 4 5 Dieses Prinzip der Gleichbehandlung entspricht der Regelung in der bereits beschriebenen Lebensmittelüberwachungsrichtlinie. 2 4 6
(2) Kontrollen
im Bestimmungsland
Die Harmonisierung der veterinärrechtlichen Kontrollen i m Herstellungsland hat Auswirkungen auf die Kontrolldichte i m Bestimmungsland: Wenn sich der Mitgliedstaat, in den ein Tier oder tierisches Erzeugnis aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführt wird, darauf verlassen kann, daß dort sorgfältige und hinreichende Kontrollen durchgeführt werden, kann er auf die Einhaltung der Vorschriften vertrauen und seinerseits die Intensität der Kontrollen verringern. Diese Rück-
240 Richtline Nr. 89/662 (Veterinärkontrollen Binnenmarkt); Richtlinie Nr. 90/425 (Veterinärkontrollen Binnenmarkt); Richtlinie Nr. 90/675 (Veterinärkontrollen Drittländer); Richtlinie Nr. 91/496 (Veterinärkontrollen Drittländer). Letztere wurde zwischenzeitlich ersetzt durch die gleichnamige Richtlinie Nr. 97/78. Die Richtlinie aus dem Jahr 1997 ist insgesamt sehr viel detaillierter in ihren Vorgaben, auch konnte bei ihrer Abfassung bereits auf Datenbanksysteme zurückgegriffen werden, die Anfang der 90er Jahre erst im Aufbau waren oder überhaupt noch nicht existierten. 241
Näher zum Folgenden Adam, Veterinärrecht, S. 221 f. 242 Vgl. z. B. Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 Richtlinie Nr. 89/662 (Veterinärkontrollen Binnenmarkt). 243 Art. 4 Abs. 1 1. Spiegelstrich Richtlinie Nr. 89/662 bzw. lit. a) Richtlinie Nr. 90/425 (Veterinärkontrollen Binnenmarkt). Diese Verpflichtung findet sich bereits in Art. 4 Abs. 3 der Lebensmittelüberwachungsrichtlinie. Es handelt sich um den „From-Stable-to-Table" Ansatz nach der neuen Konzeption im Lebensmittelrecht. 244
Vgl. Art. 3d Richtlinie Nr. 90/425 (Veterinärkontrollen Binnenmarkt). 5 Art. 4 Abs. 1 2. Spiegelstrich Richtlinie Nr. 89/662 bzw. Art. 4 Abs. 1 lit. b) Richtlinie Nr. 90/425 (Veterinärkontrollen Binnenmarkt). 24 6 Art. 2 Abs. Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung). 24
Α. Gemeinschaftsrecht
77
nähme der Bestimmungslandkontrollen wird in den Kontrollrichtlinien ausdrücklich festgeschrieben: Die zuständige Behörde an den Bestimmungsorten darf dann nur noch durch nichtdiskriminierende veterinärrechtliche Kontrollen i m Stichprobenverfahren die Einhaltung der Anforderungen überprüfen. Bei Informationen, die einen Verstoß vermuten lassen, sind Kontrollen auch während der Beförderung zulässig. 2 4 7
(3) Handel mit Drittländern: Kontrollen an den Grenzkontrollstellen Das Kontrollregime erstreckt sich auch auf die Einfuhrkontrollen an den Außengrenzen der Gemeinschaft. Die Kontrollen durch die Mitgliedstaaten werden dahingehend vereinheitlicht, daß jede Sendung vor der Verbringung in die Gemeinschaft in einer Grenzkontrollstelle einer sog. „Dokumentenprüfung" 2 4 8 und einer „Nämlichkeitskontrolle" 2 4 9 unterzogen w i r d . 2 5 0 Weiterhin hat der amtliche Tierarzt bei jeder Sendung eine Warenuntersuchung anhand festgelegter Kriterien vorzunehmen. Er hat Laboranalysen vor Ort durchzuführen und die vorgeschriebenen amtlichen Proben zu entnehmen, um sich zu vergewissern, daß die Erzeugnisse den Anforderungen der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften entsprechen und für den in den Begleitbescheinigungen oder -dokumenten genannten Zweck geeignet sind. 2 5 1 Schließlich muß er Datenbankabfragen vornehmen. 2 5 2 Erfüllt die Sendung die Einfuhrbedingungen, stellt der amtliche Tierarzt hierüber eine Bescheinigung aus. Zusammen mit den beglaubigten Kopien der Veterinärdokumente (die Originale verbleiben in der Grenzkontrollstelle) stellt diese Bescheinigung die „Eintrittskarte" für den gesamten Binnenmarkt dar: Für den Verkehr mit solchermaßen geprüften Erzeugnissen gelten nun die bereits oben beschriebenen Binnenmarktrichtlinien. 2 5 3 Kontrollen i m Bestimmungsland dürfen dann nur noch in nicht diskriminierenden Stichprobenverfahren durchgeführt werden.
247 Art. 5 Abs. 1 Richtlinie Nr. 89/662 und Nr. 90/425 (Veterinärkontrollen Binnenmarkt). 248 Prüfung der der Sendung beiliegenden Veterinärbescheinigungen oder -dokumente oder anderer Dokumente, Art. 2 Abs. 2 lit. b) Richtlinie Nr. 97/78 (Veterinärkontrollen Drittländer). 249 Visuelle Überprüfung des Erzeugnisses auf Übereinstimmung mit den Veterinärbescheinigungen oder -Veterinärdokumenten oder mit anderen veterinärrechtlich vorgeschriebenen Dokumenten, Art. 2 Abs. 2 lit. c) Richtlinie Nr. 97/78 (Veterinärkontrollen Drittländer). 250 Art. 4 Richtlinie Nr. 97/78 (Veterinärkontrollen Drittländer). 251 Art. 4 Abs. 4 lit. b) Richtlinie Nr. 97/78 (Veterinärkontrollen Drittländer). 252 Art. 4 Abs. 2 Richtlinie Nr. 97/78 (Veterinärkontrollen Drittländer). Näher dazu siehe unten c) (3). 253 Art. 7 Abs. 4 und 5 Richtlinie Nr. 97/78 und Art. 7 Abs. 3 Richtlinie Nr. 91/496 (Veterinärkontrollen Drittländer); näher oben (1) und (2).
78
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten b) Kommissionskontrollen
Die Durchführung und die Organisation der Kontrolltätigkeiten obliegt auch im Veterinärbereich hauptsächlich den Mitgliedstaaten. Daneben kann aber auch die Kommission durch ihre tierärztlichen Sachverständigen Inspektionen vor Ort vornehmen. Wie sich zeigen wird, erstrecken sich die Kommissionsbefugnisse auch auf die Durchführung von Kontrollen in den Betrieben. Sie gehen damit weiter als die nur begleitenden Kontrollbefugnisse i m Lebensmittelbereich (1). Kommissionskontrollen dienen außerdem der Inspektion der Grenzkontrollstellen der Mitgliedstaaten nach den Drittländerrichtlinien (2).
( 1 ) Kommissionsinspektionen
in den Betrieben
U m die einheitliche Anwendung der produktbezogenen Richtlinien des Veterinärrechts zu gewährleisten, darf auch die Kommission Kontrollen vor Ort durchführen. Die entsprechenden Richtlinien folgen inzwischen einem einheitlichen Muster. Der Kontrollmechanismus soll beispielhaft an der Frischfleischrichtlinie 2 5 4 dargestellt werden. Wortgleiche Bestimmungen finden sich auch in den meisten anderen produktbezogenen Veterinärrichtlinien. 2 5 5 Veterinärsachverständige der Kommission können, soweit dies für die einheitliche Anwendung der Richtlinie erforderlich ist, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Kontrollen an Ort und Stelle durchführen. Hierzu können sie durch die Kontrolle einer repräsentativen Zahl von Betrieben nachprüfen, ob die zuständigen Behörden die Einhaltung der Vorschriften dieser Richtlinie durch die zugelassenen Betriebe kontrollieren. Der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet eine Kontrolle vorgenommen wird, gewährt den Sachverständigen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe die erforderliche Unterstützung. Die Kommission unterrichtet die Mitgliedstaaten über das Ergebnis der durchgeführten Kont r o l l e n . 2 5 6 Auch die Kommissionsinspektionen i m Veterinärrecht folgen damit wie i m Lebensmittelrecht - dem Modell der Kontrolle der Kontrolle. Während die Kontrollbefugnisse im Lebensmittelrecht allerdings ausdrücklich rein begleitender Art sind, sind die Inspektionen i m Veterinärrecht als selbständige Eingriffsbefugnisse gegenüber den Betrieben ausgestaltet. Den Kommissionskontrolleuren geht es bei den Betriebskontrollen allerdings weniger um die Nachweise von Verstößen
254 Richtlinie Nr. 64/433 i.d.F. der Richtlinie Nr. 91/497 (Frisches Fleisch). 255 Art. 12 Richtlinie Nr. 77/99 i.d.F. der Richtlinie Nr. 92/5 (Fleischerzeugnisse); Art. 9 Richtlinie Nr. 94/65 (Hackfleisch), dort zusätzlich: Die Kontrollen können im Rahmen anderer Kontrollen erfolgen, die von Sachverständigen der Kommission gemäß dem Gemeinschaftsrecht durchgeführt werden. Art. 10 Richtlinie Nr. 71 /118 i.d.F. der Richtlinie Nr. 92/ 116 (Geflügelfleisch); Art. 21 Richtlinie Nr. 96/23 (Rückstandskontrolle); Art. 14 Richtlinie Nr. 93/119 (Tierschutz bei der Schlachtung); Art. 10 Richtlinie Nr. 91/628 (Tierschutz beim Transport). 256 Art. 12 Richtlinie Nr. 64/433 i.d.F. der Richtlinie Nr. 91/497 (Frischfleisch).
Α. Gemeinschaftsrecht
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der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer, sondern vielmehr, wie beschrieben, um die Überwachung der Kontrolltätigkeiten der Mitgliedstaaten. 2 5 7 Alle produktbezogenen Richtlinien erhalten die Ermächtigung zum Erlaß von Durchführungsbestimmungen durch die Kommission. 2 5 8 Die Kommission ist dieser Aufgabe mit der Entscheidung Nr. 9 8 / 1 3 9 mit Durchführungsbestimmungen zu den von Sachverständigen der Kommission in den Mitgliedstaaten vor Ort durchgeführten Kontrollen i m Veterinärbereich nachgekommen. 2 5 9 Diese Entscheidung enthält zunächst eine Begriffsbestimmung: Kontrollen vor Ort i m Veterinärbereich sind die Aktionen zur Überprüfung und Inspektion, die erforderlich sind, um die einheitliche Anwendung der Bestimmungen der Gemeinschaftsregelung zu gewährleisten. 2 6 0 Sie betrifft in erster Linie das Verhältnis zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten. Das Verhältnis zu den Wirtschaftsteilnehmern, bei denen die Inspektionen vor Ort j a durchgeführt werden, bleibt ausgeklammert. Es findet sich lediglich der allgemeine Hinweis, daß sich die Sachverständigen der Kommission bei der Durchführung der Kontrollen an die Weisungen zu halten haben, die die Bediensteten der zuständigen Stellen des jeweiligen M i t gliedstaats beachten müssen. 2 6 1 Damit können auch Verhaltensregeln gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern umfaßt sein.
(2) Inspektion der Grenzkontrollstellen nach den Drittländerrichtlinien Für Importwaren aus Drittländern finden die Veterinärkontrollen wie bereits dargelegt in den Grenzkontrollstellen der Mitgliedstaaten statt. Fleischprodukte und Tiere, die dort überprüft worden sind, dürfen im ganzen Binnenmarkt frei zirkulieren. Die ordnungsgemäße und unionsweit einheitliche Aufgabenerfüllung durch die Grenzkontrollstellen ist deshalb nicht nur für den Mitgliedstaat, an dessen Grenze die Ware erstmals präsentiert wird, sondern für alle Mitgliedstaaten von 257 Zum besseren Verständnis der Entwicklung ein Blick auf frühere Regelungen: Art. 6 und 7 der Richtlinie Nr. 77/99 (Fleischerzeugnisse a.F.) sahen eine direkte Überwachung der fleischverarbeitenden Betriebe durch Sachverständige der Mitgliedstaaten und der Kommission vor. Es sollten regelmäßige, bei Vorliegen eines speziellen Verdachts auch zusätzliche gemeinsame Überprüfungen der zugelassenen Betriebe vorgenommen werden. Die Überprüfungen fanden im Namen und auf Kosten der Gemeinschaft statt. Diese Vorschriften wurden durch Art. 12 der Richtlinie Nr. 92/5 v. 10. 2. 1992 (Fleischerzeugnisse n.F.) ersetzt. Dieser Art. 12 entspricht inhaltlich dem gerade dargestellten Art. 12 Frischfleischrichtlinie, führt also ebenfalls ein System ein, das mit dem Stichwort „Kontrolle der Kontrolle" gekennzeichnet werden kann. 2 58 Art. 12 Richtlinie Nr. 77/99 i.d.F. der Richtlinie Nr. 92/5 (Fleischerzeugnisse). 259
Entscheidung Nr. 98/139 der Kommission vom 4. Februar 1998 mit Durchführungsbestimmungen zu den von Sachverständigen der Kommission in den Mitgliedstaaten vor Ort durchgeführten Kontrollen im Veterinärbereich, ABl. Nr. L 38 v. 12. 2. 1998, S. 10. 260 Art. 1 Abs. 1 Entscheidung Nr. 98/139 (Durchführung Veterinärkontrollen). 261 Art. 6 Abs. 2 Entscheidung Nr. 98/139 (Durchführung Veterinärkontrollen).
80
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
großer Bedeutung. In den Kontrollrichtlinien über die Einfuhren aus Drittländern werden der Kommission daher Inspektionsbefugnisse zugewiesen: Veterinärsachverständige der Kommission können in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden durch Kontrollen vor Ort prüfen, ob die Ausstattung und Arbeitsweise der Grenzkontrollstellen den Vorgaben entsprechen. 262
c) Kooperation Auch für das Veterinärrecht gilt, was bereits für das Lebensmittelrecht gesagt wurde: Die Überwachung gemeinschaftsweit zirkulierender Fleisch- und Tierlieferungen erfordert ein Zusammenwirken aller beteiligten Verwaltungsstellen. Neben zahlreichen Einzelregelungen in den produktbezogenen Richtlinien ist die horizontale und vertikale Zusammenarbeit in einigen bereichsübergreifenden Regelungen normiert. Kooperation findet statt im Rahmen der Durchführung der Inspektionen vor Ort [unter (1)], durch die Leistung von punktueller Amts- und Informationshilfe [unter (2)] sowie durch die Eingliederung der beteiligten Behörden in einen institutionalisierten, EDV-gestützten Informationsverbund [unter (3)]. Hält ein Mitgliedstaat die Veterinärüberwachung in einem anderen Mitgliedstaat im Einzelfall für unzulänglich, kann ein zunächst bilaterales, bei Erfolglosigkeit auch multilaterales Klärungsverfahren unter Beteiligung der Kommission in Gang gesetzt werden [unter (4)]. ( 1) Kooperation
bei der Durchführung
der Inspektionen
Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, in denen Kommissionsinspektionen nach den gemeinschaftlichen Veterinärbestimmungen durchgeführt werden, müssen den Sachverständigen der Kommission bei der Ausführung ihrer Aufgaben die erforderliche Unterstützung gewähren. Sie haben den betreffenden Sachverständigen das Zusammentreffen mit jeder gewünschten Person zu ermöglichen und Zugang zu allen erforderlichen Informationen und Unterlagen zu ermöglichen. Desgleichen sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Kommissionsbediensteten den Zugang zu den Orten, Gebäuden, Anlagen und Transportmitteln zu ermöglichen, an denen die Kontrollen durchgeführt werden sollen. 2 6 3 In der Sache bedeutet das eine Verpflichtung zur Leistung von Vollzugshilfe: Die Mitgliedstaaten haben dafür Sorge zu tragen, daß eventuelle Widerstände, die die Durchführung der Kontrollen behindern, beseitigt werden. Die Inspektoren der Kommission können zu den Kontrollen vor Ort auch Sachverständige eines anderen als des gerade kontrollierten Mitgliedstaats hinzuzie262 Art. 19 Abs. 1 - 3 Richtlinie Nr. 91/496 bzw. Art. 23 Abs. 1 u. 2 Richtlinie Nr. 97/78 (Veterinärkontrollen Drittländer). 263 Art. 6 Entscheidung Nr. 98/139 (Durchführung Veterinärkontrollen); zu dieser Entscheidung auch Falke, in: Hill/Hof, Wirkungsforschung II, S. 265, 275.
Α. Gemeinschaftsrecht
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h e n . 2 6 4 Diese Sachverständigen unterstehen bei der Durchführung der Kontrollen vor Ort den Weisungen der Kommission. 2 6 5 Sie dürfen die im Rahmen der Kontrollbesuche gewonnenen Erkenntnisse weder für eigene Zwecke nutzen noch an andere als die zuständigen Stellen der Kommission oder der Mitgliedstaaten weitergeben. 2 6 6 Die Sachverständigen werden von einer Liste ausgewählt, die die Kommission aus entsprechenden Vorschlägen der Mitgliedstaaten zusammenstellt. 2 6 7 Eventuellen Vorbehalten des betroffenen Mitgliedstaats gegen einen Sachverständigen aus einem anderen Mitgliedstaat begegnet die Entscheidung mit der Einführung eines Ablehnungsrechts: Ein dem Mitgliedstaat nicht genehmer Sachverständiger eines anderen Mitgliedstaats darf einmal abgelehnt werden. 2 6 8
(2) Zusammenarbeit und Amtshilfe nach der Richtlinie Nr. 89/608/EWG Durch die Richtlinie Nr. 8 9 / 6 0 8 / E W G (Zusammenarbeit Veterinärkontroll e n ) 2 6 9 ist die Amtshilfe, die sich die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der veterinärrechtlichen Vorschriften zu leisten haben und die Zusammenarbeit mit der Kommission einer bereichsübergreifenden Regelung zugeführt worden. Die Richtlinie orientiert sich inhaltlich an der bereits i m Zusammenhang mit dem Agrarrecht beschriebenen EG-Amtshilfeverordnung. 2 7 0 Sie enthält wie die EG-Amtshilfeverordnung Elemente horizontaler und vertikaler Zusammenarbeit. - Die Mitgliedstaaten haben sich in ihrem Bemühen, die Einhaltung der veterinärrechtlichen Vorschriften zu überprüfen, gegenseitig zu unterstützen. Diese Unterstützung erfolgt auf A n t r a g 2 7 1 oder wenn nötig auch spontan, also ohne vorherigen A n t r a g 2 7 2 des ersuchenden Mitgliedstaats. Die Amtshilfe erfolgt in der 264 Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 Entscheidung Nr. 98/139 (Durchführung Veterinärkontrollen). 265 Art. 5 Abs. 1 Entscheidung Nr. 98/139 (Durchführung Veterinärkontrollen). 266 Art. 5 Abs. 2 Entscheidung Nr. 98/139 (Durchführung Veterinärkontrollen). 267 Art. 4 Abs. 2 Entscheidung Nr. 98/139 (Durchführung Veterinärkontrollen). 268 Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 Entscheidung Nr. 98/139 (Durchführung Veterinärkontrollen). 269 Auf diese Richtlinie wird in zahlreichen Richtlinien des Veterinärrechts verwiesen, vgl. etwa Art. 18 der Frischfleischrichtlinie Nr. 64/433 i.d.F. der Richtlinie Nr. 91/497: „Die Vorschriften der Richtlinie 89/662 finden Anwendung, insbesondere betreffend die Ursprungskontrollen, die Organisation der vom Bestimmungsmitgliedstaat durchzuführenden Kontrollen und das weitere Vorgehen im Anschluß an diese Kontrollen sowie die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen." Identisch die Formulierungen in Art. 14 Richtlinie Nr. 77/99 i.d.F. der Richtlinie Nr. 92/5 (Fleischerzeugnisse); Art. 10 Richtlinie Nr. 94/65 (Hackfleisch); Art. 13 Richtlinie Nr. 71/118 i.d.F der Richtlinie Nr. 92/116 (Geflügelfleisch). 270 Bzw. an deren Vorgängerverordnung, der Verordnung Nr. 1468/81 (EG-Amtshilfeverordnung a.F.); Priebe, ZLR 1990, S. 266, 272. Zur EG-Amtshilfeverordnung siehe oben I.2.c)(2). 271 Titel I (Art. 4 - 7 ) Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärkontrollen). 272 Titel II (Art. 8) Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärkontrollen). 6 David
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten Form der Informationshilfe, wenn sich die Mitgliedstaaten gegenseitig Auskünfte erteilen oder Schriftstücke übermitteln. 2 7 3 Sie kann aber auch durch Amtshilfeleistungen vor Ort erfolgen: Bei Verdacht auf Unregelmäßigkeiten überwacht die ersuchte Behörde (auf Antrag der ersuchenden Behörde oder wenn es aus sonstigen Gründen dienlich ist auch ohne Antrag) Betriebe, Warenlager, Warenbewegungen und Beförderungsmittel. 2 7 4 Sie stellt die von ihr beschafften Informationen der ersuchenden Behörde zur Verfügung.
- Auch die Kommission ist in die Zusammenarbeit eingebunden. Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission ihnen zweckdienlich erscheinende Auskünfte vor allem über die bei den ermittelten Übertretungen angewandten Methoden und Verfahren mitteilen. 2 7 5 Wenn der Kommission Informationen zur Verfügung stehen, die für die Überwachungstätigkeiten der Mitgliedstaaten relevant sind, teilt sie ihnen diese Informationen m i t . 2 7 6 Insbesondere bei der Aufdeckung (potentieller) grenzüberschreitender Verstöße ist die Kommission einzubeziehen. 277 - Die Verpflichtung zur horizontalen und vertikalen Zusammenarbeit wird begrenzt durch die Normierung von Daten- und Geheimnisschutzbestimmun97X ·· ·· 97Q 98Π gen, das Verhaltnismaßigkeitsprinzip und eine ordre-public-Klausel. (3) Kooperation im Informationsverbund: EDV-gestützte Datenbanken Zur Erleichterung und Rationalisierung der Veterinärüberwachung i m Binnenmarkt wurde zwischen den Veterinärbehörden der Mitgliedstaaten und der Kommission ein EDV-Verbund hergestellt. 281 Neben den punktuellen Informationsaustausch tritt damit eine institutionell stärker verfestigte Form der Kooperation im Informationsverbund. Das Verbundsystem operiert mit zwei Datenbanken: 2 8 2 Das System A N I M O 2 8 3 dient der Kontrolle des innergemeinschaftlichen Handels, das SHIFT-S y s t e m 2 8 4 273 Art. 4 und 8 Abs. 2 lit. b) Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärkontrollen). 274 Art. 6 und 8 Abs. 2 lit. a) Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärkontrollen). 275 Art. 9 Abs. 1 Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärkontrollen). 276 Art. 9 Abs. 2 Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärkontrollen). 277 Art. 10 Abs. 1 Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärkontrollen). 278 Art. 15 Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärkontrollen). 279 Art. 10 Abs. 3 Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärkontrollen). 280 Art. 13 Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärkontrollen). 281 Er basiert insbesondere auf den Richtlinien Nr. 90/425 (Veterinärkontrollen Binnenmarkt) und Nr. 91/496 (Veterinärkontrollen Drittländer). 282 Einen Überblick über diese Systeme gibt Terberger, Dtsch. tierärztl. Wschr. 101 (1994), S. 261 ff.; kurz auch Falke, in: Hill / Hof, Wirkungsforschung zum Recht II, S. 265, 277.
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soll die Einfuhrkontrolle der Lieferungen aus Drittländern unterstützen. Das Netzwerk ermöglicht u. a. den Austausch standardisierter Informationen zum innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und bestimmten Erzeugnissen tierischer Herkunft. Die von der EG-Kommission hergestellte ANIMO-Software besteht aus einem Programmteil zur Erstellung einer standardisierten Mitteilung über eine Sendung mit Tieren oder Fleischerzeugnissen und einem Programmteil zum Versand dieser Mitteilung an die zuständige betroffene ANIMO-Einheit. Wenn auf diese Weise rechtzeitig Informationen an den Bestimmungsort einer Sendung gelangen, bestehen dort bessere Möglichkeiten für die Durchführung stichprobenartiger Kontrollen. I m Rahmen des SHIFT-Systems können mit Hilfe des Informationsverbundes Informationen über an den Außengrenzen zurückgewiesene Tiere und Erzeugnisse ausgetauscht werden. Das System ermöglicht so eine Identifizierung von zurückgewiesenen Sendungen, die an einer anderen Grenzkontrollstelle ein zweites M a l präsentiert werden. 2 8 5 Die Systeme A N I M O und SHIFT ermöglichen nicht nur den Informationsaustausch in konkreten Fällen, sondern auch eine statistische Auswertung von Tierund Warenbewegungen. Auch die Untersuchungsergebnisse werden statistisch ausgewertet und können so für die Weiterentwicklung der Regelungen betreffend Einfuhrbedingungen und Kontrollmodalitäten wichtiges Informationsmaterial bereitstellen. 2 8 6 (4) Klärungsverfahren
für Streitfälle
Für den Fall, daß die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats aufgrund der (erlaubten Stichproben-)Kontrollen am Ort der Vermarktung zu der Überzeugung kommt, daß die Vorschriften der Richtlinien in den Grenzkontrollstellen eines anderen Mitgliedstaats nicht eingehalten werden, ist eine detaillierte Stufenregelung vorgesehen: Sie muß sich dann mit der Zentralbehörde des betreffenden Mitgliedstaats in Verbindung setzen, die ihrerseits die notwendigen Maßnahmen ergreift und den ersten Mitgliedstaat hierüber unterrichtet. Es wird dann gemeinsam nach Abhilfemaßnahmen gesucht, u.U. auch durch eine Besichtigung vor O r t . 2 8 7 283 ANImal MOvement, eingerichtet durch die Entscheidung Nr. 91/398 der Kommission über ein informatisiertes Netz zum Verbund der Veterinärbehörden (ANIMO), ABl. 1991 Nr. L 221, 30. 28 4 System for Health Control of Imports from Third Countries, vgl. Art. 12 Abs. 4 Richtlinie Nr. 91/496 (Veterinärkontrollen Drittländer); das System wurde eingerichtet durch Ratsentscheidung Nr. 92/438 über die Informatisierung der veterinärmedizinischen Verfahren bei der Einfuhr, ABl. 1992 Nr. L 243, S. 27. 28 5 Zu den Systemen ANIMO und SHIFT vgl. auch Adam, Veterinärrecht, S. 223, 226. Zur Kritik vgl. Terberger, Dtsch. tierärztl. Wschr. 101 (1994), S. 261, 263. 28 6 Terberger, Dtsch. tierärztl. Wschr. 101 (1994), S. 261, 262. 287 Art. 20 Richtlinie Nr. 91/496 bzw. Art. 25 Richtlinie Nr. 97/78 (Veterinärkontrollen Drittländer). Entsprechende Vorschriften auch in den Binnenmarktrichtlinien: Art. 8 Richtlinie Nr. 89/662 bzw. Art. 9 Richtlinie Nr. 90/425.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Bei wiederholter Mißachtung der Richtlinienvorschriften unterrichtet die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten. Daraufhin kann die Kommission ein Inspektionsteam zu einer Besichtigung vor Ort entsenden und/oder die zuständige Behörde zu verstärkten Kontrollen auffordern. Der Bestimmungsmitgliedstaat braucht sich nicht mehr an das Stichprobenprinzip zu halten, sondern kann seinerseits die Kontrollen verstärken. Sofern die Kommissionsinspektion die Unregelmäßigkeiten bestätigt, hat die Kommission auf Antrag eine eigene Entscheidungsbefugnis zum Erlaß der erforderlichen Abhilfemaßnahmen. Diese Bestimmungen sind insgesamt höchst bemerkenswert, weil sie eine Art Kontrolle eines Mitgliedstaats über einen anderen installieren und der Kommission eine Vermittlungs- und Schiedsrichterrolle zuweisen. 2 8 8 Die Notwendigkeit eines solchen gestuften Systems ergibt sich aus der Grundidee des Binnenmarktes: Wenn Kontrollen grundsätzlich an den Außengrenzen der Gemeinschaft stattfinden, sind auch die Mitgliedstaaten, in die die Erzeugnisse nach der ersten Kontrolle weiterimportiert werden, von der Sorgfalt dieser Kontrollen abhängig. Die durch das Kooperationsverfahren geschaffene Einwirkungsmöglichkeit stellt eine Kompensation für den Verzicht auf eigene Grenzkontrollen dar.
3. Fazit Die Bestandsaufnahme hat gezeigt, daß die Kontroll- und Inspektionsregeln i m Lebensmittel- und i m Veterinärrecht insgesamt weit verstreut und uneinheitlich sind. Für das Lebensmittelrecht besteht ein System begleitender Kontrolle, d. h. die Inspektoren der Kommission beschränken sich auf die Überprüfung der mitgliedstaatlichen Überwachungssysteme und können in diesem Rahmen auch an den Kontrollen der Mitgliedstaaten vor Ort teilnehmen. I m Veterinärrecht bestehen demgegenüber weitergehende selbständige Inspektionsrechte für Kommissionsbedienstete, insbesondere, was die Inspektion der Grenzkontrollstellen betrifft. Das System auf der Grundlage der Grenzkontrollstellen wiederum, die den Behörden der Mitgliedstaaten unterstehen, gilt nur für Erzeugnisse tierischen Ursprungs, nicht aber für sonstige Lebensmittel. 2 8 9 Das Weißbuch der Kommission zum Lebensmittelrecht weist nicht zu Unrecht auf die Bedeutung wirksamer und harmonisierter Gesundheitskontrollen an den Außengrenzen der Union h i n . 2 9 0 Das gilt nicht nur für Fleisch-, sondern auch für sonstige Lebensmittelprodukte. Notwendig ist eine einheitliche Rechtsgrundlage für mitgliedstaatliche und Kommissionsinspektionen, die alle Lebensmittel umfaßt. 2 9 1 28
8 Zur Streitschlichtungsfunktion der Kommission vgl. auch Priebe, ZLR 1990, S. 266, 283 f. 289 Diese Unterschiede zwischen Lebensmittel- und Veterinärüberwachung konstatieren auch Streinz, ZLR 1998, S. 145, 165 f. und Mögele, ZLR 1998, 177, 182. 290 Weißbuch Lebensmittelrecht (Fn. 186), Rn. 93.
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IV. Schutz von Raum und Ressourcen Unter dem Stichwort „Schutz von Raum und Ressourcen" wird allgemein anhand des Umweltschutzes (dazu unter 1.) und speziell des Fischereirechts (dazu unter 2.) ein Politikbereich untersucht, für den immer wieder Vollzugsdefizite beklagt werden. 2 9 2 Diese Vollzugsdefizite im Umweltrecht sind mittlerweile als strukturelles Problem 2 9 3 erkannt worden: In den anderen Politikbereichen des Gemeinschaftsrechts führt die Konkurrenz verschiedener Interessen zu letztlich ausgewogenen Regelungs- und Vollzugsstandards. Das allgemeine Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb wird beispielsweise durch die Geltendmachung spezifischer Partikularinteressen (meistens des Konkurrenten) gefördert. Durch Konkurrentenklagen, Lobbytätigkeiten u.ä. können Vollzugsdefizite angeprangert werden. Solche - zumeist wirtschaftlichen - Partikularinteressen gibt es i m Umweltrecht nicht. Die Interessen der Wirtschaftsteilnehmer sind i m Hinblick auf die Nutzung von Raum und Ressourcen gleichgerichtet. Die Konkurrenz verschiedener Akteure führt nicht zu einem sinnvollen Ausgleich, sondern zur gemeinsamen Ausbeutung der natürlichen Lebensgrundlagen. Gerade weil das so ist, sollte man eigentlich erwarten, in diesem Bereich auf ein ausgeprägtes System hoheitlicher Vollzugskontrolle einschließlich eines Inspektionsregimes zu stoßen. Das ist nicht so. Es ist vielmehr festzustellen, daß sich das gerade angesprochene strukturelle Problem auch auf der Ebene der Rechtsetzung bemerkbar macht.
1. Umweltrecht Das Schwergewicht liegt auf dem indirekten Vollzug durch die Mitgliedstaaten. Das gilt auch für das Kontrollregime [a)]. Anläufe, der Kommission oder der Euro291 Entsprechendes gilt für die zahlreichen nebeneinander bestehenden Systeme des Informationsaustauschs: Sie sind teilweise eingebettet in ein allgemeines Amtshilferegime. Daneben bestehen mit den Systemen RAPEX, ANIMO und SHIFT getrennt für den Lebensmittelund Veterinärsektor stärker verfestigte Netzwerke zum Informationsaustausch. Vgl. allgemein für den Produktsicherheitsbereich den Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über Erfahrungen mit der Anwendung der Richtlinie 92 / 59 über die allgemeine Produktsicherheit, KOM (2000) 140 endg. v. 29. 3. 2000, S. 16: Dort wird festgestellt, daß die Mitgliedstaaten Probleme hätten, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Unterrichtungsanforderungen, die die Produktsicherheitsrichtlinie festlegt, zu erkennen. Das wird dann erst recht gelten, wenn man die außerhalb der Richtlinie bestehenden Informationssysteme mit einbezieht. 292 Aus der mittlerweile umfangreichen Literatur vgl. nur die Beiträge in: Lübbe-Wolff, Vollzug des europäischen Umweltrechts; Rengeling, EUDUR (insbes. in Band I Rengeling, § 27 und Sach, § 44); Schwarze/Becker/Pollack, Implementation; Lindemann/Delfs, ZUR 1993, S. 256, jeweils m. w. N. 293 Pointiert zum folgenden Krämer, in: Lübbe-Wolff, Vollzug des europäischen Umweltrechts, S. 7 ff.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
päischen Umweltagentur allgemeine Inspektoratsaufgaben in den Mitgliedstaaten zu übertragen, waren bisher nicht erfolgreich [b)]. Dennoch bestehen Ansätze, die Umweltagentur und die Umweltbehörden der Mitgliedstaaten in ein System kooperativer Überwachung einzubinden [e)].
a) Inspektionen durch die Mitgliedstaaten Kontroll- und Überwachungspflichten der Mitgliedstaaten sind in einer Vielzahl von Rechtsakten der Gemeinschaft normiert. Teilweise wird den Mitgliedstaaten pauschal die Vornahme der entsprechenden Kontrollen oder erforderlichen Maßnahmen vorgeschrieben. Nach der Abfallverbringungsverordnung müssen die Mitgliedstaaten beispielsweise die „erforderlichen Maßnahmen" treffen, um die Einhaltung der Verordnungsbestimmungen sicherzustellen. 294 In ähnlicher Weise sieht die Grundwasserrichtlinie vor, daß die Mitgliedstaaten „die geeigneten Maßnahmen" treffen, um indirekte Ableitungen bestimmter Stoffe zu verhindern. 2 9 5 In Ermangelung weiterer Ausführungsvorschriften auf Gemeinschaftsebene haben die Mitgliedstaaten in diesen Fällen die Kontrollverfahren selbst auszugestalten. Ein wichtiges Mittel in diesem Zusammenhang ist die Durchführung von Inspektionen vor Ort. Teilweise sehen bereits die Umweltrechtsakte selbst Inspektionen als spezielle Kontrollpflichten vor. So haben die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten beispielsweise nach der Abfalldeponienrichtlinie die Deponie vor Beginn des Betriebes und vor Genehmigungserteilung zu inspizieren. 2 9 6 Nach den Gentechnikrichtlinien haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, daß die zuständigen Behörden „Inspektionen und gegebenenfalls sonstige Kontrollmaßnahmen durchführen", um die Einhaltung der Richtlinie durch den Anwender sicherzustellen. 297 Die Ozonschichtverordnung kennt ebenfalls Inspektionen vor Ort. Die Mitgliedstaaten haben Stichproben in Bezug auf die Einführung geregelter Stoffe durchzuführen und müssen der Kommission die Zeitpläne und Ergebnisse dieser Kontrollen übermitt e l n . 2 9 8 Daneben verlangen einige Rechtsakte die Entnahme von Stichproben und treffen auch bezüglich der dabei anzuwendenden Methoden und Verfahren genaue Vorgaben. 2 9 9 294 Art. 30 Abs. 1 Verordnung Nr. 259/93 (Abfallverbringungsverordnung). 295 Art. 3 Richtlinie Nr. 80/68 (Grundwasserrichtlinie). 296 Art. 8 lit. c Richtlinie Nr. 1999/31 (Abfalldeponien). 297 Art. 4 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 1 Richtlinie Nr. 90/220 (Freisetzung genetisch veränderter Organismen); Art. 17 Richtlinie Nr. 90/219 (Mikroorganismen in geschlossenen Systemen). 298 Art. 20 Abs. 3 und. 4 Verordnung Nr. 2037/2000 (Ozonschichtverordnung). 299 Vgl. z. B. Art. 15 i.V.m. Anh. I D Richtlinie Nr. 91 /271 (Kommunales Abwasser): Entnahme von Wasserproben am Ablauf und erforderlichenfalls am Zulauf der Abwasserbehandlungsanlage an jeweils denselben genau festgelegten Stellen; Art. 18 Richtlinie Nr. 96/82 (Unfälle mit gefährlichen Stoffen): Mindestens alle 12 Monate Inspektionen in den Betrieben
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b) Inspektionen auf EG-Ebene Die Möglichkeiten der Kommission, im Einzelfall vor Ort Ermittlungen durchzuführen, sind im EG-Umweltrecht anders als i m Wettbewerbsrecht oder im Recht der Betrugsbekämpfung nur sehr beschränkt. Sie kann an Ort und Stelle i.d.R. nur in Abstimmung und mit der Zustimmung des betroffenen Mitgliedstaats untersuc h e n . 3 0 0 Auch nach neueren Rechtsakten kann die Kommission auf eigene Initiative keine direkt dem Umweltschutz dienenden Inspektionen vor Ort durchführen. Kommissionsinspektionen sind allerdings zulässig i m Rahmen der Überwachung der aus dem Fonds L I F E vergebenen Fördermittel. Die Gelder aus diesem Fonds dienen zwar dem Umweltschutz, das direkte Kontrollinteresse der Kommission liegt aber i m Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft. Die Regeln sind vergleichbar mit denen der Strukturfonds Verordnung. 301 Sie sollen deshalb in dieser Untersuchung außer Betracht bleiben. Es gibt bisher auch keine sonstigen gemeinschaftseigenen Überwachungsinstrumente wie ζ. B. gemeinschaftseigene Umweltmeßstationen. Seit geraumer Zeit wird allerdings die Einrichtung eines Umweltinspektorats auf EG-Ebene diskutiert. I m Zuge der Einrichtung der Europäischen Umweltagentur hatte das Europäische Parlament gefordert, der Umweltagentur innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Errichtung Kompetenzen zur Überwachung der Umsetzung und des Vollzugs des gemeinschaftlichen Umweltrechts einzuräumen. 3 0 2 Damit hat es sich nicht durchsetzen können. 3 0 3 In der Gründungsverordnung wurde der Umweltagentur die Aufgabe übertragen, der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten objektive, verläßliche und vergleichbare Informationen über den Zustand der europäischen Umwelt zur Verfügung zu stellen, damit diese die notwendigen Umweltschutzmaßnahmen ergreifen und deren Ergebnisse bewerten können. 3 0 4 Als zur planmäßigen und systematischen Prüfung der technischen, organisatorischen und managementspezifischen Unfallverhütungs- und Folgenbegrenzungssysteme der Betriebe; Art. 7 i.V.m. Anh. II Richtlinie Nr. 78/176 (Titandioxid I), Art. 7 i.V.m. der Durchführungsrichtlinie Nr. 82/883 (Titandioxid-Durchführung). 300 Sack, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR I, § 44, Rn. 34; Pernice , DV 22 (1989), S. 1, 40. 301 Dazu siehe unten V. 1 .a)( 1 ). 302 Vorschlag des Europäischen Parlamentes, ABl. 1990 Nr. C 96, S. 112 f., dort der Änderungsantrag Nr. 3 (Art. 16 b): Das Parlament schlägt dort die „Zuweisung von Inspektionsbefugnissen hinsichtlich der Umsetzung der Umweltschutzgesetzgebung der Gemeinschaft, die in Zusammenarbeit mit der Kommission und - soweit vorhanden - mit den verantwortlichen Behörden der Mitgliedstaaten auszuüben sind" vor. 303 in Art. 20 der Verordnung Nr. 1210/90 (Umweltagentur) wurde als mögliche Aufgabenerweiterung innerhalb der folgenden zwei Jahre lediglich in sehr viel allgemeinerer Formulierung eine „Beteiligung (der Umweltagentur) an der Überwachung der Durchführung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften im Bereich der Umwelt in Zusammenarbeit mit der Kommission und den zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten" vorgesehen. 304 Art. 1 Verordnung Nr. 1210/90 (Europäische Umweltagentur); vgl. ausführlicher zu Aufgaben und Entstehungsgeschichte Fischer-Appelt, Agenturen, S. 56 ff.; Sach, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR I, § 44, Rn. 71; Breier, NuR 1995, S. 516 ff.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Bestandteil eines „Europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetzes" (EIONET) ist die Umweltagentur für die Informationsgewinnung, -bewertung und -weitergäbe sowie für die Zusammenarbeit mit Dritten zuständig. Einen geringfügigen Aufgabenzuwachs hat die Änderungsverordnung von 1999 gebracht: Der Agentur fällt nun die Aufgabe zu, einzelne Mitgliedstaaten auf deren Ersuchen hin bei der Entwicklung, Einführung und Erweiterung ihrer Uberwachungssysteme zu beraten. A u f besonderes Ersuchen des Mitgliedstaats kann in dieser Beratung auch eine Evaluierung durch Gutachter eingeschlossen sein. 3 0 5 Die Mitgliedstaaten können sich damit von nun an „freiwilligen Systemkontrollen" durch die Europäische Umweltagentur unterwerfen. Seine Forderung nach einem Umweltinspektorat hat das Europäische Parlament i m Juni 1997 erneut vorgebracht. In der Entschließung des Parlaments zu einer Kommissionsmitteilung über die Durchführung des Umweltrechts der Gemeinschaft 3 0 6 heißt es dazu: „Das Europäische Parlament fordert die Kommission auf, innerhalb der laufenden Wahlperiode Vorschriften vorzuschlagen, die die einzelnen Mitgliedstaaten verpflichten, eine Umweltinspektion einzurichten, und zwar ausgehend von der besten verfügbaren Praxis in den Mitgliedstaaten, wobei diese Umweltinspektionen selbst der Kontrolle und Überwachung der Kommission unterliegen, die auch Leitlinien für die Mitgliedstaaten für die Umsetzung sämtlicher gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften im Umweltsektor festlegen sollte." 307 Außerdem wird die Kommission aufgefordert, „innerhalb der laufenden Wahlperiode Vorschläge zu unterbreiten, die eine Verbindung zwischen ihrer eigenen Arbeit, den Tätigkeiten der Europäischen Umweltagentur und dem Netz der Europäischen Union für die Durchführung und Umsetzung des Umweltrechts (IMPEL) herstellen, damit eine angemessene Überwachung der nationalen Inspektionseinrichtungen sichergestellt ist. " 3() 8 Der Rat sieht das allerdings anders: 3 0 9 Die Inspektion stellt zwar auch nach seiner Ansicht eine wesentliche Voraussetzung zur Erreichung einer in allen Mitgliedstaaten einheitlichen praktischen Anwendung und Durchsetzung des Umweltrechts d a r . 3 1 0 Sie soll aber ein auf mitgliedstaatlicher Ebene angesiedeltes Instrument bleiben. Der Rat „stellt fest, daß es in den Mitgliedstaaten bereits unterschiedliche Inspektionssysteme und -verfahren gibt und vertritt den Standpunkt, daß solche Unterschiede akzeptiert werden 305 Art. 2 ii) Sp.str. 3 Verordnung Nr. 1210/90 i.d.F.d. Verordnung Nr. 933/1999 (Europäische Umweltagentur). 306 ABl. 1997 Nr. C 167, S. 92 f., 93. 307 Nr. 7 der Entschließung; Hervorhebung d. Verf. 308 Nr. 8 der Entschließung; Hervorhebung d. Verf. 309 Entschließung des Rates v. 7. 10. 1997 zur Formulierung, Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts der Gemeinschaft, ABl. Nr. C 321 v. 22. 10. 1997, S. 1. 310 Entschließung des Rates (Fn. 308), S. 4, Rn. 15.
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sollten, vertritt darüber hinaus die Meinung, daß diese Systeme nicht durch ein Inspektionssystem auf Gemeinschaftsebene ersetzt werden sollten. " 311 Entsprechend diesen Vorgaben hat die Kommission den Vorschlag einer Empfehlung des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Festlegung von Mindestkriterien für Umweltinspektionen in den Mitgliedstaaten vorgelegt. 3 1 2 Unter institutionellen Aspekten ist wichtig, daß diese Empfehlung ausschließlich die Inspektorate der Mitgliedstaaten im Blick hat und für diese Mindestkriterien festlegt. 3 1 3 Ein Inspektorat auf europäischer Ebene wurde weder als Kommissionsdienststelle i m Rahmen der Generaldirektion Umwelt noch als Aufgabe der Europäischen Umweltagentur eingeführt. Das ist - ebenso wie die gewählte „weiche" Rechtsform der Empfehlung bemerkenswert angesichts der weitgehenden Inspektionsbefugnisse der Kommission in anderen Bereichen des Gemeinschaftsrechts. 314
c) Kooperation I m europäischen Umweltrecht gibt es kaum Regeln, die eine horizontale oder vertikale Zusammenarbeit bei Inspektionen vorschreiben. 3 1 5 Nach der Ozonschichtverordnung kann die Kommission immerhin die Mitgliedstaaten in Einzelfällen zur Durchführung von Inspektionen auffordern, wenn sie das für erforderlich h ä l t . 3 1 6 I m Unterschied zu den Regelungen der EG-Amtshilfeverordnung und den an Entschließung des Rates (Fn. 308), S. 4, Rn. 16, Hervorhebung d. Verf. 312 Letzter im ABl. veröffentlichter Stand: Gemeinsamer Standpunkt Nr. 24/2000, vom Rat festgelegt am 30. März 2000, ABl. Nr. C 137 v. 16. 5. 2000. Dieser gemeinsame Standpunkt wurde vom Europäischen Parlament mit einigen Änderung angenommen, insbesondere sollte die Empfehlung in eine Richtlinie umgewandelt werden. Letzteres lehnt die Kommission ab. Am 8. 11. 2000 hat der Rat den Vermittlungsausschuß angerufen, am 8. 1. 2001 hat der Vermittlungsausschuß den gemeinsamen Entwurf gebilligt. Dieser liegt derzeit dem Parlament und dem Rat zwecks endgültiger Annahme vor, vgl. http://europa.eu.int/scadplus/ leg/de/Ivb/128080.htm. Siehe auch die (vor allem die Idee der Umwandlung in eine Richtlinie aus Subsidiaritätsgründen ablehnende) Stellungnahme des Bundesrates zu dem Vorschlag, Beschluß vom 21. 5. 1999, BR-Drs. 24/99. 313 Nach dem Vorschlag sollen die Mitgliedstaaten generell Umweltinspektionen durchführen und dabei ein hohes Umweltschutzniveau sicherstellen (Punkt I). Er legt Kriterien fest, nach denen die Inspektionen vor Ort durchgeführt werden sollten (Punkt V). Die Inspektionen sollen nach vorher von den Mitgliedstaaten aufzustellenden Plänen durchgeführt werden (Punkt IV); über ihre Erfahrungen im Umgang mit der Empfehlung sollen die Mitgliedstaaten Berichte erstellen (Punkt VIII). 314 Vgl. auch Scheuing, NVwZ 1999, S. 475, 479. 315 Im Gegensatz dazu steht die Bedeutung, die die arbeitsteilige Ziel Verwirklichung gerade für die Bekämpfung schädlicher Umweltauswirkungen, die sich nicht an Staatsgrenzen halten, hat; vgl. Pernice, DV 22 (1989), S. 1, 42 ff. Umfassend zum Thema Verwaltungskooperation im Europäischen Umweltrecht Sommer, Administrative Informationsverfahren, Diss. Heidelberg 2001, speziell zu Inspektionen Teil 2 Kap. 4 B. 316 Art. 20 Abs. 3 Verordnung Nr. 2037/2000 (Ozonschichtverordnung): „Die zuständigen Behörden führen die Untersuchungen durch, die die Kommission aufgrund dieser Verordnung für erforderlich hält."
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
parallelen Vorschriften des Agrar- und Veterinärrechts ist hier nicht von Inspektionen auf Ersuchen die Rede: Die Formulierung weist darauf hin, daß hier keine Amtshilfeakte vorgenommen werden. Vielmehr besteht eine Art Weisungsrecht der Kommission. Die Teilnahmemöglichkeiten der Kommission sind demgegenüber weniger scharf ausgestaltet: A u f eine entsprechende Vereinbarung hin unterstützen die Bediensteten der Kommission die Behörden der Mitgliedstaaten bei ihren Untersuchungen vor O r t . 3 1 7 Das ist eine bemerkenswert „weiche" Formulierung. In den Rechtsakten zum Agrarrecht kam es für die Teilnahmemöglichkeiten der Kommission nicht auf entsprechende Vereinbarungen an. Vergleichsweise häufig wird i m Umweltrecht das Mittel der Planaufstellung und Berichterstattung eingesetzt. Die Mitgliedstaaten müssen Kontrollpläne aufstellen, nach denen sie ihre Inspektionen durchführen. Diese Kontrollpläne sind häufig auch der Kommission zu übermitteln. 3 1 8 Kontrollberichte dienen der Rechenschaftslegung und Übermittlung der Kontrollergebnisse an die Kommission. 3 1 9 I m Zusammenhang mit der beschriebenen Erweiterung der Aufgaben der Europäischen Umweltagentur um die Möglichkeit, die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung, Einführung und Erweiterung ihrer Überwachungssysteme zu beraten, sind damit die ersten Schritte zu einem kooperativen System der Kontrolle der Kontrolle, wie es in anderen Sektoren schon viel stärker ausgeprägt ist, vollzogen.
2. Fischereirecht Die Fischereipolitik ist ein Teil der Gemeinsamen Agrarpolitik. Sie nimmt aber dennoch eine Sonderstellung ein. Dies beruht hauptsächlich auf der Tatsache, daß die Fischereitätigkeit anders als die anderen landwirtschaftlichen Tätigkeiten ortsungebunden ausgeübt wird und daß der Zugriff auf die Fischbestände i m Prinzip jedermann zusteht. 3 2 0 Ein Hauptgewicht der Regelungen des gemeinschaftlichen Fischereirechts liegt auf der Wahrung der Fischbestände und der ausgewogenen Verteilung von Ressourcen durch Begrenzung und Steuerung der Befischungsintensität. 3 2 1 317 Art. 20 Abs. 4 Verordnung Nr. 2037/2000 (Ozonschichtverordnung). 318 Vgl. z. B. Art. 20 Abs. 3 Verordnung Nr. 2037/2000 (Ozonschichtverordnung). 319 Z. B. Art. 18 Richtlinie Nr. 90/220 (Freisetzungsrichtlinie); Art. 15 Abs. 4 Richtlinie Nr. 91 /271 (Kommunales Abwasser); Art. 17 Richtlinie Nr. 91/414 (Pflanzenschutzmittel); Art. 20 Abs. 3 Verordnung Nr. 2037/2000 (OzonschichtVerordnung). 320 Thiele, in: Calliess/ Ruffert, EUV/EGV, Art. 34, Rn. 48; Gilsdorf, in: Grabitz / Hilf, EGV, vor Art. 38, Rn. 36 (Grundsatz des freien Zugangs aller Mitgliedstaaten zu den gemeinsamen Beständen). 321 Priebe, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 123; Booß, in: Rengeling, EUDUR II, § 86, Rn. 1 ff.; Gilsdorf in: Grabitz / Hilf, EGV, vor Art. 38, Rn. 36. Vgl. jetzt auch die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Gemeinsame Fischereipolitik", ABl. Nr. C 139 v. 11. 5. 2001, S. 96: „Aufgrund des generellen Zustands der Bestände ist die Erhaltung der Fischereiressourcen in den Gewässern der EU-Mitgliedstaaten und der Not-
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Ziel der Fischereivorschriften ist es, die Bestände zu schützen und die Zukunft der Fischwirtschaft zu sichern. Eine Mißachtung der vorgeschriebenen Maßnahmen würde zu Überfischung, Gefährdung der kommerziell genutzten Bestände und schließlich zum Niedergang des gesamten Wirtschaftszweigs führen. Die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften ist deshalb für ein effizientes Fischereimanagement unerläßlich. Kontrollen sind für die Durchsetzung der Vorschriften, zur Betrugsbekämpfung und zur Sicherung einer nachhaltigen Fischerei von zentraler Bedeutung. 3 2 2 Auch in diesem Bereich gilt, daß die Überwachung der Wirtschaftsteilnehmer in erster Linie die Aufgabe der Mitgliedstaaten ist. Die Kommission hat sicherzustellen, daß alle Mitgliedstaaten bei den Kontrollen und bei der Verhütung von Verstößen in angemessener Weise vorgehen. 3 2 3 Der VerordnungsVorschlag der Kommission zur Einführung einer umfassenden Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik 3 2 4 sah noch die Einführung autonomer Kommissionskontrollen vor: „Unbeschadet der von den Mitgliedstaaten nach ihren nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften vorgenommenen Kontrollen und um die Einhaltung dieser Verordnung durch die Mitgliedstaaten zu gewährleisten" sollte die Kommission die Anwendung der Verordnung an Ort und Stelle nachprüfen können. 3 2 5 Dieses Ansinnen konnte sie in der endgültigen Fassung nicht durchsetzen. Stattdessen wurde ein höchst differenziertes Kontrollsystem normiert. 3 2 6 Wichtige Elemente dieses Kontrollsystems sind Aufzeichnungspflichten der Kapitäne in der Form der Pflicht zur Führung von Fischereilogbüchern, bei der Anlandung und Vermarktung, die Überwachung der Schiffe auf See sowie Mitteilungspflichten der M i t gliedstaaten untereinander und gegenüber der Kommission. 3 2 7
wendigkeit des Schutzes der am stärksten vom Aussterben bedrohten Arten nicht länger nur ein Ziel, sondern eine absolute Priorität. Dieser Priorität muß daher von allen - den Gemeinschaftsinstitutionen, den Mitgliedstaaten und dem gesamten Fischereisektor - Rechnung getragen werden, da sie die Ausgangsbasis für die Stabilität und Nachhaltigkeit der Fischereitätigkeiten und das Überleben eines für zahlreiche Regionen der Gemeinschaft wichtigen Wirtschaftszweigs ist." 322
Zur Entwicklung des 'Community Fisheries Inspectorate' vgl. Berg, European Fisheries Law, 1999, S. 98 ff.; einen Überblick über das geltende Kontrollsystem gibt Booß, in: Rengeling, EUDUR II, § 86, Rn. 54. 323 Erwägungsgrund Nr. 5 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung). 32
4 ABl. Nr. C 280 v. 29. 10. 1992, S. 5. 325 Vgl. Art. 31 Abs. 3 des Kommissionsvorschlages (Fn. 323). 326
Vgl. die Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung). Vgl. dazu Booß, in: Rengeling, EUDUR II, § 86, Rn. 54; Berg, European Fisheries Law, S. 82. 327
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten a) Inspektionen durch die Mitgliedstaaten
Die Mitgliedstaaten haben sämtliche Tätigkeiten in der Fischwirtschaft zu überwachen, insbesondere den Fischfang selbst, das Umladen, das Anlanden, die Vermarktung, den Transport und die Lagerung von Fischereierzeugnissen sowie die Aufzeichnung der Anlandungen und Verkäufe. 3 2 8 Die Wahl der Mittel für diese Überwachung bleibt weitgehend ihnen überlassen: Nach Art. 4 Abs. 1 der Fischereikontrollverordnung führt jeder Mitgliedstaat die Kontrolle und Überwachung eigenverantwortlich mit Hilfe eines von ihm gewählten Kontrollsystems durch. Inspektionen vor Ort sind i m Rahmen dieses Systems ein wichtiges Element. U m die Effektivität der Kontrollsysteme zu erhöhen, wurde durch die Verordnung Nr. 686 / 9 7 3 2 9 ein satellitengestütztes Überwachungssystem zur Ortung der Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft eingeführt. A n diesem System müssen die Mitgliedstaaten teilnehmen, wenn sie nicht nachweisen, daß ein von ihnen betriebenes Alternativsystem genauso wirkungsvoll ist wie das Satellitenüberwachungssystem. 3 3 0
b) Kommissionsinspektionen Wenn die Kommission es für notwendig erachtet, können ihre Inspektoren der Durchführung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen der einzelstaatlichen Stellen beiwohnen. 3 3 1 - Sie dürfen allerdings nicht von sich aus Inspektionsbefugnisse der nationalen Beamten wahrnehmen und haben nur in Begleitung von Beamten eines Mitgliedstaats Zugang zu den Schiffen oder zu den Räumlichkeiten. Sie haben kein Recht, Kontrollen bei natürlichen Personen vorzunehmen. 3 3 2 - Von strafrechtlichen Ermittlungen der Mitgliedstaaten sind die Kommissionsbeamten ganz ausgeschlossen; sie haben lediglich Zugang zu den dabei erhaltenen Informationen. 3 3 3 Kommissionsbeamte haben also keine von den Befugnissen der nationalen Beamten unabhängigen Kontrollbefugnisse und können Inspektionen bei den Wirtschaftsteilnehmern grundsätzlich nicht auf eigene Initiative durchführen. Eine 328 Art. 2 Abs. 1 Verordnung Nr. 2847/93 i.d.F. der Änderungsverordnung Nr. 2846/98 (Fischereikontroll Verordnung). 329 Verordnung Nr. 686 / 97 zur Änderung der Verordnung Nr. 2847 / 93 (Fischereikontrollverordnung). 330 Art. 3 Abs. 10 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung) i.d.F. der Verordnung Nr. 686/97. 331 Art. 29 Abs. 2 Verordnung Nr. 2847/93 (FischereikontrollVerordnung). 332
Art. 29 Abs. 3 und 4 Verordnung Nr. 2847/93 (FischereikontrollVerordnung).
333
Art. 30 Abs. 3 Verordnung Nr. 2847/93 (FischereikontrollVerordnung).
Α. Gemeinschaftsrecht
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Ausnahme besteht lediglich bei Verstößen gegen die Fischereikontrollverordnung selbst: Wenn Inspektionen nationaler Kontrollbeamter in Begleitung von Kommissionsbeamten Unregelmäßigkeiten in der Anwendung dieser Verordnung zu Tage geführt haben, können Gemeinschaftsinspektoren zunächst von dem betreffenden Mitgliedstaat die Vorlage des einschlägigen Überwachungs- und Kontrollplans verlangen. Anschließend dürfen sie unabhängige Inspektionen durchführen, um zu überprüfen, ob dieser Plan von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats auch durchgefühlt w i r d . 3 3 4
c) Kooperation Kooperation zwischen den zuständigen Verwaltungsstellen ist schon seit längerem ein Thema des Fischreikontrollrechts. Durch die Änderungsverordnung von 1998 ist in die Fischereikontrollverordnung ein eigener Titel über die Zusammenarbeit zwischen den Kontrollbehörden der Mitgliedstaaten sowie mit der Kommission eingefügt worden. 3 3 5
(1) Teilnahmemöglichkeiten Auch i m Fischereirecht besteht die Möglichkeit, daß die Kommission zu den Inspektionen, die sie in den Mitgliedstaaten durchführt, Beobachter aus anderen M i t gliedstaaten hinzuzieht. Das setzt allerdings das Einverständnis des Mitgliedstaats, in dem die Kontrollen stattfinden sollen, voraus. 3 3 6 Die nationalen Fischereiinspektoren, die als Sachverständige für die Teilnahme zur Verfügung stehen, werden aufgrund von Listen, die die Mitgliedstaaten für die Kommission erstellen, oder auf direktes Ersuchen der Kommission von den Mitgliedstaaten benannt. 3 3 7
(2) Horizontale
Kooperation
und Amtshilfepflichten
Die Mitgliedstaaten sind allgemein zur Koordinierung ihrer Überwachungstätigkeiten verpflichtet. Damit sollen möglichst wirksame und gleichzeitig wirtschaftliche Kontrollen ermöglicht werden. 3 3 8 Diejenigen Behörden, die Anhaltspunkte für Verstöße feststellen, haben den übrigen betroffenen Mitgliedstaaten (insbeson334
Ausnahme nach Art. 29 Abs. 3 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverord-
nung). 335 Titel Villa Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung) i.d.F. der Verordnung Nr. 2847/98. 336 Art. 34b Abs. 1 UAbs. 1 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung) i.d.F. der Verordnung Nr. 2847 / 98. 337 Art. 34b Abs. 1 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung) i.d.F. der Verordnung Nr. 2847/98. 338 Vgl. Art. 13 Abs. 7 Verordnung Nr. 2847/93 (FischereikontrollVerordnung).
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
dere dem Flaggenstaat) und der Kommission unverzüglich alle sachdienlichen Angaben zu übermitteln. Die zuständigen Behörden können die anderen betroffenen Mitgliedstaaten auch ersuchen, besondere Kontrollen durchzuführen. Diesem Ersuchen müssen die ersuchten Mitgliedstaaten im Wege der Amtshilfe nachkommen. Die Mitgliedstaaten halten sich und die Kommission über die i m Hinblick auf die Amtshilfeersuchen unternommenen Kontrollen auf dem laufenden. 3 3 9 Neben der Leistung von Amtshilfe in Einzelfällen können die Mitgliedstaaten eine weitergehende Zusammenarbeit vereinbaren. Sie können untereinander auf eigene Initiative Programme zur Überwachung, Kontrolle und Beaufsichtigung der Fischereitätigkeiten durchführen. 3 4 0
(3) Kontrollpläne
und-berichte
Die Mitgliedstaaten müssen zur Überwachung der Fänge Stichprobenpläne aufstellen und der Kommission übermitteln. 3 4 1 Die Inspektionsprogramme können auch von mehreren Mitgliedstaaten gemeinsam aufgestellt werden. 3 4 2 Nach Art. 29 Abs. 3 Fischereikontrollverordnung kann die Kommission - wenn die Ergebnisse ihrer eigenen Inspektionstätigkeiten Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der Verordnung nahe legen - den betreffenden Mitgliedstaat ersuchen, ihr den von den zuständigen nationalen Behörden für einen bestimmten Zeitraum und für bestimmte Fischereizweige und -gebiete vorgesehenen oder festgelegten genauen Überwachungs- und Kontrollplan mitzuteilen. Die Pläne der Mitgliedstaaten bilden einen Anknüpfungspunkt für die eigenen Inspektionstätigkeiten der Kommission. Wenn sie über die geplanten Aktivitäten der Mitgliedstaaten unterrichtet ist, kann sie i m Rahmen der „second-line-control" punktuell Kontrollen durchführen und so feststellen, ob die Behörden der Mitgliedstaaten ihre Pläne auch durchführen. 3 4 3 Einmal jährlich haben die Mitgliedstaaten der Kommission über die Anwendung der Fischereikontrollverordnung Bericht zu erstatten. Anhand dieser Berichte und ihrer eigenen Beobachtungen erstellt die Kommission jährlich einen Faktenbericht und alle drei Jahre einen Evaluierungsbericht. 3 4 4
339
Art. 34a Abs. 1 und 2 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung) i.d.F. der Verordnung Nr. 2847/98. 340 Art. 34b Abs. 2 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung) i.d.F. der Verordnung Nr. 2847/98. 341 Art. 6 Abs. 6 und 8 Abs. 3 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung). 342 So ζ. B. in Art. 2 Abs. 4 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung). 343 Art. 29 Abs. 3 Verordnung Nr. 2847/93 (FischereikontrollVerordnung). 344 Art. 35 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung) i.d.F. der Verordnung Nr. 2846/98.
Α. Gemeinschaftsrecht
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3. Fazit Das Gemeinschaftsrecht schreibt bisher weder für die Mitgliedstaaten noch für die Gemeinschaftsebene die Einrichtung eigener Umweltinspektorate mit übergreifenden Aufgabenbereichen v o r . 3 4 5 Nach Art. 175 Abs. 4 EGV tragen die Mitgliedstaaten „unbeschadet bestimmter Maßnahmen gemeinschaftlicher A r t " für die Finanzierung und Durchführung der Umweltpolitik Sorge. I m allgemeinen Umweltrecht sehen zahlreiche Einzelrechtsakte punktuelle Überwachungspflichten für die Mitgliedstaaten vor. Besonders i m anlagenbezogenen Umweltrecht hat die Überwachung auch durch Inspektionen vor Ort zu erfolgen. Der Kommission obliegt in einigen Fällen die Kontrolle der Kontrolle. Demgegenüber finden sich vergleichsweise weit gehende Inspektionsmöglichkeiten und -pflichten für Kommission und Mitgliedstaaten im Fischereirecht. Das ist u. a. darauf zurückzuführen, daß der Schutz der Fischbestände nicht nur den Interessen des Umweltschutzes, sondern auch handfesten wirtschaftlichen Interessen dient. Rechtsakte i m Fischereirecht werden denn auch nicht auf die umweltrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen gestützt, sondern ergehen i m Rahmen der gemeinschaftlichen Agrarmarktordnung. Umweltschutz bedeutet im Fischereirecht in besonderem Maße auch die Erhaltung der Lebensgrundlage für die Fischerei Wirtschaft. Dadurch wurden Maßnahmen durchsetzbar, die der nachhaltigen Nutzbarkeit der Fischbestände dienen und damit sowohl umweltpolitischen als auch wirtschaftspolitischen Anliegen Rechnung tragen. 3 4 6
V. Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft M i t dem Wachsen des Gemeinschaftshaushalts hat auch die Schädigung der Gemeinschaftsfinanzen durch Betrügereien und Unregelmäßigkeiten immer größere Ausmaße angenommen. Das Problem einer Beeinträchtigung der finanziellen Interessen der Gemeinschaft durch Unregelmäßigkeiten oder Betrügereien stellt sich in allen finanzrelevanten Bereichen des Gemeinschaftsrechts. 347 Das Recht der Betrugsbekämpfung ist damit eine typische Querschnittsmaterie. Betrügereien und Unregelmäßigkeiten können sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite des Gemeinschaftshaushalts betreffen. 3 4 8 345 Vgl. aber jetzt den Vorschlag einer Empfehlung des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Festlegung von Mindestkriterien für Umweltinspektionen in den Mitgliedstaaten, s. o. Fn. 312. 346 Zur Bedeutung der Fischereipolitik für den Umweltschutz vgl. Booß, in: Rengeling, EUDUR Band 2, § 86, Rn. 1 ff. 347 Zum Schutz der finanziellen Interessen in der Union vgl. allgemein Pache, Schutz der finanziellen Interessen, Woljfgang/Ulrich, EuR 1998, S. 616 ff.; Magiern, in: FS Friauf, S. 13 ff.; Heine, WiVerw 1996, S. 149 ff.; Ρrieß/Spitzer, EuZW 1994, S. 297 ff.; Miechiels, SEW 11 (1996), S. 362 ff.; Dannecker, ZStW 108 (1996), S. 577 ff. (letzterer hauptsächlich zu dem - in dieser Untersuchung nicht behandelten - Schutz der Finanzinteressen der EG durch das Strafrecht).
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
A u f der Einnahmenseite stehen nach Art. 269 EGV hauptsächlich die sog. Eigenmittel der Gemeinschaft. Der heute gültige Eigenmittelbeschluß vom 31. 10. 1 9 9 4 3 4 9 definiert die folgenden Einnahmearten als eigene Mittel der Gemeinschaft: Agrarabschöpfungen und Zuckerabgaben, Zölle, Mehrwertsteuereinnahmen und Bruttosozialprodukteinnahmen. Bei den Ausgaben stellen die Mittel für die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik und die Strukturmaßnahmen die größten Posten d a r . 3 5 0 Für das Haushaltsjahr 2001 sind im Gesamthaushaltsplan Einnahmen und Ausgaben in Höhe von rund 92, 5 Milliarden Euro angesetzt. 351 A u f der Einnahmenseite stellen dabei die Bruttosozialprodukteigenmittel mit über 43,2 Milliarden Euro den größten Anteil. Die Mehrwertsteuereigenmittel folgen mit knapp 33,5 M i l liarden Euro. Einen geringeren Anteil haben die Einnahmen aus Zöllen (rund 13,7 Milliarden Euro) und die Agrarabgaben (Agrarzölle knapp 1,2 Milliarden, Zuckerabgaben rund 1 Milliarde E u r o ) . 3 5 2 Bei den Ausgaben stellen die Agrarausgaben im Rahmen des EAGFL, Abteilung Garantie (fast 43,8 Milliarden Euro) und die Strukturmaßnahmen (knapp 31,8 Milliarden Euro) die beiden größten Posten dar. Weitere Ausgaben sind von geringerer Größenordnung. Die Gemeinschaft fördert u. a. Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Kultur- und Jugendaustausch, Energiepolitik und Umwelt, Verbraucherschutz, Transeuropäische Netze (TEN) sowie Forschung und technologische Entwicklung. 3 5 3 Sowohl im Einnahmen- als auch i m Ausgabenbereich gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften zu schädig e n . 3 5 4 Falsche Deklarierung von Waren kann beispielsweise zu einer unrechtmä-
348 Pache, Schutz der finanziellen Interessen, S. 30 definiert das Vorliegen einer finanziellen Schädigung der Gemeinschaft folgendermaßen: „Eine Schädigung der Gemeinschaftsfinanzen liegt immer dann vor, wenn die Europäischen Gemeinschaften Einnahmen, die ihnen aufgrund Gemeinschaftsrechts zustehen, nicht erhalten, oder wenn sie veranlaßt werden, Ausgaben zu tätigen, deren gemeinschaftsrechtliche Voraussetzungen nicht vorliegen, die sie also aufgrund Gemeinschaftsrechts nicht tätigen müssen." 349 Beschluß des Rates v. 31. 10. 1994 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (94/728/EG, Euratom), ABl. 1994 Nr. L 293, S. 9, dort Art. 2. Ab dem 1.1. 2002 gilt ein neuer Beschluß (2000/597/EG, Euratom), ABl. Nr. L 253 v. 7. 10. 2000, S. 42, insoweit gleichlautend. 350 Näher zu den Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft vgl. Wolffgang/Ulrich, EuR 1998, S. 616 ff. 351 Endgültige Feststellung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2001, ABl. Nr. L 56 v. 26. 2. 2001, S. 1, 7; dort auch Vergleichszahlen für die Haushaltsjahre 1999 und 2000. 352 Gesamthaushaltsplan 2001 (Fn. 350), S. 8 f. Aufschlüsselung der auf die einzelnen Mitgliedstaaten entfallenden Beträge 128 ff. 3 3 ^ Gesamthaushaltsplan 2001 (Fn. 350), S. 127. 354 Hamacher, Kriminalistik 1996, S. 778, 779 ff.spricht von „Verlockungen und Einladungen" und informiert instruktiv über die Phänomelogie der EU-Kriminalität. Zur Typologie des EU-Betruges vgl. auch Kühl, Kriminalistik 1997, S. 105, 106 ff.
Α. Gemeinschaftsrecht
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ßigen Verkürzung der Einnahmen führen, wenn dadurch die Erhebung oder Abführung von Agrarabschöpfungen oder Zöllen reduziert oder ganz vermieden wird. Ebenso können Manipulationen zur Erlangung unrechtmäßiger oder überhöhter Zahlungen von Agrarmarkt- oder Strukturfondsmitteln eingesetzt werden. 3 5 5 Die Höhe der Summen, die durch Betrügereien und ähnliche Handlungen verloren gehen, ist kaum verläßlich zu bestimmen, da dabei naturgemäß mit einer erheblichen und nur schwer zu bestimmenden Dunkelziffer zu rechnen ist. Schätzungen schwanken zwischen 10 und 20% des Gesamthaushalts. 356 Aus den jährlichen Betrugsbekämpfungsberichten der Kommission geht hervor, daß die Zahl der tatsächlich aufgedeckten Fälle, nicht zuletzt aufgrund der intensivierten Betrugsbekämpfungsbemühungen in den letzten Jahren, kontinuierlich gestiegen ist. Der Betrugsbekämpfungsbericht der Kommission für das Jahr 1 9 9 9 3 5 7 verzeichnet 1235 Betrugsfälle mit einem Gesamtvolumen von rund 190 Millionen Euro und 4912 Fälle von Unregelmäßigkeiten mit einem Gesamtvolumen von knapp 429 Millionen Eur o ) 3 5 8 , die aufgrund sektorieller Rechtsvorschriften von den Mitgliedstaaten mitgeteilt worden s i n d . 3 5 9 Das Europäische Betrugsbekämpfungsamt O L A F hat zusätzlich zu diesen von den Mitgliedstaaten notifizierten Fällen im Jahr 1999 252 neue Betrugsfälle untersucht. Hier ging es um Beträge in Höhe von 223,6 Millionen Eur o . 3 6 0 Dabei sind diese Zahlen nicht immer ganz zuverlässig: In seinem Sonderbericht Nr. 8 / 9 8 über die mit der Betrugsbekämpfung befaßten Dienststellen der Kommission, insbesondere die (damalige) Einheit für die Koordinierung der Betrugsbekämpfung ( U C L A F ) 3 6 1 deckte der Rechnungshof für die Zahlen im Betrugsbekämpfungsbericht 1996 gewisse Mängel auf. Zum einen fehle es an der unmißverständlichen Klarstellung, daß es sich bei den als aufgedeckte Unregelmäßigkeiten dargestellten Zahlen häufig um Schätzwerte handele. Daneben seien Doppelzählungen möglich und manche Zahlen würden nicht jährlich aktualisiert. 3 6 2 I m Betrugsbekämpfungsbericht 1999 weist die Kommission dann auch ausdrücklich darauf hin, daß endgültige Zahlenangaben i.d.R. erst nach Abschluß der Untersuchungen möglich seien. Für die laufenden Fälle könne man nur mit 355 Vgl. Magiern, in: FS-Friauf, S. 13, 19; Pache, Schutz der finanziellen Interessen, S. 61 f.; Wolffgang/Ulrich, EuR 1996, S. 616, 625 f. 356 Zu den Schwierigkeiten der Ermittlung vgl. Pache, Schutz der finanziellen Interessen, S. 62; Tiedemann, in: FS Pfeiffer, S. 101, 103 zur Methode der Dunkelfeldforschung; siehe auch Heinz, wistra 1983, S. 132. 357 Protecting the Communitie's Financial Interests - The Fight against Fraud - Annual Report 1999 (Betrugsbekämpfungsbericht 1999), COM (2000) 718 final v. 8. 11. 2000. 358 Zur Unterscheidung zwischen Betrug und Unregelmäßigkeiten s. u. unter 2. b). 359 1997 waren es insgesamt 4939 Fälle mit einem finanziellen Umfang von 585 Millionen Euro, die der Kommission von den Mitgliedstaaten notifiziert wurden; vgl. Protection of the Financial Interests of the Communities - Fight against Fraud, Annual Report 1997 (Betrugsbekämpfungsbericht 1997), COM (98) 276 final v. 6. 5. 1998, S. 10. 360 Betrugsbekämpfungsbericht 1997 (Fn. 358), S. 10. 361 ABl. Nr. C 320 v. 22. 7. 1998, S. 1. 362 Rechnungshof Sonderbericht, a. a. Ο., S. 19. 7 David
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Schätzwerten operieren; die tatsächlichen Schäden könnten deutlich höher liegen.363 Die verschiedenen Möglichkeiten einer betrügerischen Schädigung des Gemeinschaftshaushalts sind letztlich denen des jeweiligen nationalen Wirtschafts- und Steuerrechts vergleichbar. 3 6 4 Auch im nationalen Recht verleiten Abgaben- und Subventionsvorschriften zur Entwicklung von Umgehungs-, Vermeidungs- oder Erschleichungstaktiken. Die Schwierigkeiten auf EG-Ebene potenzieren sich allerdings aufgrund von zwei Besonderheiten: - I m Vergleich zum nationalen Subventionsrecht liegen Finanzierungs- und Vollzugsverantwortung nicht in einer Hand: In den meisten finanzrelevanten Bereichen des Gemeinschaftsrechts obliegt der Vollzug den Mitgliedstaaten. Von ihnen hängt es damit in erster Linie ab, wie effektiv die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben angewandt werden. Vollzugsdefizite können entstehen, wenn die Mitgliedstaaten dem Schutzgut Gemeinschaftshaushalt i m Vergleich zum Schutz ihrer eigenen nationalen Haushalte ein geringeres Interesse entgegenbringen. 365 - Dazu kommt die grenzüberschreitende Natur vieler gemeinschaftsrechtlich relevanter Sachverhalte: Die Schwierigkeiten der Überwachung von grenzüberschreitenden Geschäften i m Binnenmarkt und die Reibungsverluste bei der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission sind weitere Gründe für die großen Schäden, die der Gemeinschaft Jahr für Jahr zugefügt werden. 3 6 6
7. Inspektionen zum Schutz der finanziellen der Gemeinschaft
Interessen
Ein wichtiges Instrument zur Verhinderung und Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten und Betrügereien ist die Durchführung regelmäßiger Kontrollen. Inspektionsbefugnisse für Kommissions- oder mitgliedstaatliche Bedienstete zum Schutz der Gemeinschaftsfinanzen bestehen heute in praktisch allen finanzrelevanten Bereichen des Gemeinschaftsrechts [Beispiele sogleich unter a)]. Dabei liegt das 363 Siehe Betrugsbekämpfungsbericht 1999 (Fn. 356), S. 29: Für die Schäden durch Zigarettenschmuggel sind in der Tabelle 17 Millionen Euro als möglicher Schaden für die neu eröffneten Untersuchungen eingesetzt; der Gesamtverlust kann schlußendlich über 325 Millionen Euro betragen. 364 Pache, Schutz der finanziellen Interessen, S. 62. 3 65 Pache, Schutz der finanziellen Interessen, S. 62; Heine, WiVerw 1993, S. 149, 150. 366 Prieß, in: Groeben /Thiesing / Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 209a, Rn. 1; Pache, Schutz der finanziellen Interessen, S. 66. Zur Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Union vgl. auch Yataganas, in: Commentaire Mégret, Le Droit de la CE et de l'Union Européenne, Band 11 (Les Finances), S. 421 ff. (La coopération administrative et la lutte antifraude).
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Schwergewicht auf der Zuweisung von Inspektionsaufgaben an die Mitgliedstaaten. Teilweise kann die Kommission an diesen mitgliedstaatlichen Kontrollen teilnehmen. Eigene und von den Mitgliedstaaten unabhängige Kontrollen der Kommission vor Ort bei den Wirtschaftsteilnehmern sind nach den sektoriellen Bestimmungen nur beschränkt möglich. Hier soll die Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung) Abhilfe leisten [dazu unter b)].
a) Inspektionen nach den sektoralen Vorschriften Für das Agrarrecht sind die Inspektionsvorschriften bereits i m Zusammenhang dargestellt worden. 3 6 7 Die dort beschriebenen Inspektionsbefugnisse für Bedienstete der Mitgliedstaaten und der Kommission dienen auch dem Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft. Das ergibt sich schon daraus, daß die Ausgaben für den Agrarsektor wie gesehen einen großen Anteil des Gemeinschaftshaushalts ausmachen. Allein wegen der Summen, die hier im Spiel sind, ist das Agrarrecht ein besonders betrugsanfälliges Gebiet. Das gleiche gilt für die Strukturfonds der Gemeinschaft. Die Inspektionsregelungen für die Strukturfonds bieten ein weiteres Beispiel für die Bemühungen der Gemeinschaft, Unregelmäßigkeiten bei der Auszahlung von Gemeinschaftsmitteln aufzudecken [dazu unter (1)]. Anschließend wird für die Einnahmenseite das Inspektionsregime im Eigenmittelbereich dargestellt [dazu unter (2)].
(1) Inspektionen nach den Strukturfondsverordnungen Die Strukturfonds der Gemeinschaft sind ein Instrument der Sozial- und Regionalpolitik. Erste Elemente einer solchen Politik fanden sich bereits in den Gründungsverträgen. Ein wirkliches strukturpolitisches Instrumentarium hat sich allerdings erst in den 70er und 80er Jahren entwickelt, als aufgrund der Erweiterungen der EG und einer erheblichen Abschwächung der Wirtschaftskraft zunehmend Strukturprobleme auftraten. Die Zusammenführung zu einer eigenständigen gemeinschaftlichen Politik i m EGV erfolgte mit der Einheitlichen Europäischen Akte i m Jahr 1986: Unter dem Titel X I V (Art. 130 a - e a.F., Art. 158 ff. Amsterdamer Fassung) „Wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt" wurden die Aufgaben und Ziele einer gemeinschaftlichen Strukturpolitik definiert. Modifizierungen erfolgten i m Zusammenhang mit den strukturpolitischen Reformen 1988 und 1993. 3 6 8
367
Siehe oben unter I. 68 Umfassend zu den Strukturfonds der EG demnächst Schöndorf-Haubold, Strukturfonds; zur Entwicklung der gemeinschaftlichen Strukturpolitik vgl. Borchardt, in: Dauses, HEUWiR, D II, Rn. 38 ff.; Besehet, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Vorbemerkung Artt. 130 a bis 130 e, Rn. 1; Priebe, in: FS Grabitz, S. 551 ff. Durch die Verträge von Amsterdam und Nizza sind keine weiteren primärrechtlichen Änderungen vorgenommen worden. 3
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Einer ersten sekundärrechtlichen Regelung wurde die Materie i m Jahr 1988 mit einer allgemeinen Rahmenverordnung 3 6 9 und einer darauf aufbauenden Koordinierungs- und Durchführungsverordnung 370 zugeführt. Dazu kamen Einzelverordnungen, die die jeweiligen Fonds betrafen. 3 7 1 I m Zuge einer Überarbeitung zum Ende des ersten Förderungszeitraums (1988-1993) gab es punktuelle Weiterentwicklungen. Die wesentlichen Prinzipien 3 7 2 der „ersten Generation" der Strukturverordnungen wurden aber beibehalten. Der Finanzrahmen für diesen zweiten Förderungszeitraum umfaßte einen Etat von 141,471 Mrd. E C U 3 7 3 und damit etwa ein Drittel des gesamten EG-Haushalts. Für den Förderungszeitraum 2 0 0 0 - 2 0 0 6 hat man es demgegenüber nicht bei solchen Modifizierungen belassen, sondern unter Aufhebung der „alten" Verordnungen komplett neue Regelungen erlassen. Diese erneute Reform erfolgte nach den drei Schwerpunkten - größere Konzentration der Förderung, - vereinfachte und dezentralisierte Durchführung der Fonds sowie - Stärkung ihrer Effizienz und K o n t r o l l e . 3 7 4 Die Rahmenverordnung und die Durchführungsverordnung wurden zu einer neuen allgemeinen Verordnung zusammengefaßt, die alle gemeinsamen Grundsätze der Strukturfonds enthält. 3 7 5 Die Vorschriften betreffen die vorrangigen Ziele und Aufgaben, 3 7 6 die Programmplanung, 3 7 7 die Grundsätze der Begleitung, Finanzkontrolle und Bewertung, 3 7 8 die Berichte und Publizität sowie das Ausschußwesen. 3 7 9 Die vormals sechs Ziele, deren Verwirklichung die Interventionen der 369 Verordnung Nr. 2052/88 (Strukturfonds a.F.). 370 Verordnung Nr. 4253/88 (Strukturfonds Durchführung a.F.). 371 Verordnung Nr. 4254/88 (EFRE-Verordnung), Verordnung Nr. 4255/88 (ESF-Verordnung), Verordnung Nr. 4256/88 (EAGFL-Ausrichtung). 372 Zu den Grundsätzen der Strukturpolitik (Konzentration, Partnerschaft, Programmplanung und Zusätzlichkeit der Mittel) vgl. Priebe, in: FS Grabitz, S. 560 ff. Resümierend weist er auf die Bedeutung der in den Strukturverordnungen kodifizierten Verfahrens- und finanzrechtlichen Regelungen hin, die nicht nur Rechtsrahmen für die Strukturfonds seien, sondern gleichzeitig als Muster für die weitere verfahrensmäßige Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten dienen könne (a. a. O., S. 580); Beschel, in: Groeben-Thiesing-Ehlermann, EGV, Vorbem. Art. 130 a-e, Rn. 2 ff.; speziell zum Grundsatz der Partnerschaft Poth-Mögele, Prinzip der Partnerschaft, S. 151 ff. 373 Zu Preisen von 1992, vgl. Art. 12 Abs. 1 Verordnung Nr. 2081/93 zur Änderung der Verordnung Nr. 2052/88 (Strukturfonds a.F.). 374 Dazu unter http://www.inforegio.cec.eu.int/wbdoc/docgener/guides/compare/irfo_ de.pdf (1. 7. 2001) die vergleichende Analyse der Kommission zwischen der bis 1999 gültigen Situation und den Vorschlägen für 1999-2000. 375 Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds). 376 Titel I (Artt. 1 ff.) Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds). 377 Titel II (Artt. 13 ff.) Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds). 378 Titel IV (Artt. 34 ff.) Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds).
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Strukturfonds dienen sollen, wurden ohne inhaltliche Einschränkung auf drei zusammengeführt. - Ziel 1 dient nun der Förderung der Entwicklung und der strukturellen Anpassung der Regionen mit Entwicklungsrückstand, - Ziel 2 der Unterstützung der wirtschaftlichen und sozialen Umstellung der Gebiete mit Strukturproblemen, - und unter dem Stichwort „Ziel 3" soll die Unterstützung der Anpassung und Modernisierung der Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungspolitiken und -systeme gefördert werden. 3 8 0 Insgesamt stehen für den Zeitraum von 2000 bis 2006 195 Milliarden Euro für Verpflichtungen der Fonds zur Verfügung. 3 8 1 Angesichts dieser beträchtlichen Summe besteht auch in diesem zweitgrößten Ausgabensektor ein großes Betrugsrisiko. In dem bereits erwähnten Betrugsbekämpfungsbericht 1999 nennt die Kommission einen Betrag von 234,8 Millionen Euro, den sie aufgrund der unter der Verordnung Nr. 1 6 8 1 / 9 4 3 8 2 von den Mitgliedstaaten notifizierten Fälle errechnet h a t . 3 8 3 Auch wenn es sich hier um eine Mehrjahresperiode handelt ( 1 9 9 4 - 1999) belegt dieser Betrag doch eindrucksvoll, welche Summen unter der Verantwortung der Mitgliedstaaten wieder einzuziehen sind. Sowohl zur Aufdeckung bereits begangener als auch zur Verhütung künftiger Unregelmäßigkeiten sind die Finanzkontroll- und Überwachungsvorschriften ein wichtiger Bestandteil der Strukturfondsverordnungen. 384 Finanzkontroll- und Überwachungsregelungen hatten schon in den Verordnungen von 1988 ihren Platz. I m Zuge der Reformen hat allerdings eine Schwerpunktverlagerung stattgefunden: Das Kooperationsregime wurde weiter ausdifferenziert, die Kontrollschwerpunkte wurden verschoben. Die Ausgestaltung der Inspektionsregeln in den Strukturfonds Verordnungen bietet ein gutes Beispiel dafür, wie zunächst punktuelle Inspektionsbefugnisse mit der Zeit in ein System klarer Aufgabenteilung zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission eingegliedert werden. Aus diesem Grund soll hier abweichend von der bisherigen Darstellungsweise nicht nur auf die aktuelle Rechtslage, sondern auch auf die Regelungen der Vorgängerverordnungen eingegangen werden.
379 Titel V und VI (Artt. 45 ff.) Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds). 380 Vgl. Art. 1 Ziff. 1 - 3 Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds). 381 In Preisen von 1999, vgl. Art. 7 Abs. 1 Verordnung Nr. 1260/ 1999 (Strukturfonds). 382 Näher zu dieser Verordnung unten (b). 383 Betrugsbekämpfungsbericht 1999 (Fn. 356), S. 34. 384 Vgl. zur Finanzkontrolle der Strukturfondsinterventionen Séché/ Wolfcarius/Margellus in Commentaire Mégret, Le Droit de la CE et de l'Union Européenne, Band 6 , S. 220 f.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
(a) Kontrollen vor Ort Schon nach Art. 23 Abs. 1 Verordnung Nr. 4253/88 (Strukturfonds Durchführung a.F.) hatten grundsätzlich die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, daß die von der Kommission finanzierten Aktionen ordnungsgemäß ausgeführt, Unregelmäßigkeiten verhindert und verlorengegangene Beträge wieder eingezogen wurden. Ergänzend konnten Beamte oder Bedienstete der Kommission vor Ort stichprobenartig die Maßnahmen, die aus den Fonds finanziert wurden, kontrollieren (Art. 23 Abs. 2). Ausdrücklich zulässig waren auch unangekündigte Kontrollen bei den Mittelempfängern. Bei den Kommissionskontrollen durften Beamte des Mitgliedstaats teilnehmen. Sie hatten erforderlichenfalls Unterstützung zu leisten. Bezüglich des Kontrollgegenstands ist zwischen den Fassungen von 1988 und 1993 eine Gewichtsverlagerung zu verzeichnen: Betrafen die Kommissionskontrollen nach Art. 23 Abs. 2 der Fassung von 1988 nur die Maßnahmen, die aus den Strukturfonds finanziert wurden, so wurde in der Fassung von 1993 zusätzlich die Kontrolle der mitgliedstaatlichen Verwaltungs- und Kontrollsysteme eingeführt. Man kann hieran die allmähliche Hinwendung zu einem Regime erkennen, in dem sich die Kommissionskontrollen eher auf sogenannte System-Audits konzentrieren, während die Mitgliedstaaten mehr Verantwortung i m Rahmen der Verwaltung der Fonds und des Verhältnisses zu den Leistungsempfängern übernehmen sollen.385 Als Ergebnis dieses neuen Ansatzes wurde die Verordnungen Nr. 1681/94 (Unregelmäßigkeiten Strukturfonds) 3 8 6 verabschiedet. In dieser Verordnung werden die Pflichten der Mitgliedstaaten zur Feststellung von Unregelmäßigkeiten und zur Wiedereinziehung fälschlich ausbezahlter Gelder genau festgelegt. Trotzdem wurde weiterhin kritisiert, daß die Trennung der Verantwortungsbereiche zwischen Mitgliedstaaten und Kommission betreffend Finanzmanagement und -kontrolle nicht klar genug s e i . 3 8 7 Ziel der neuen Verordnung mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds vom 2 1 . 6 . 1 9 9 9 3 8 8 ist daher eine (noch) deutlichere Trennung der jeweiligen Verantwortungsbereiche: Unbeschadet der Zuständigkeit der Kommission für die Ausführung des Gesamthaushaltsplans der EG sind in erster Linie die Mitgliedstaaten für die Finanzkontrolle der Investitionen verantwortl i c h . 3 8 9 Sie haben ein leistungsstarkes Verwaltungs- und Kontrollsystem aufzubauen und die Achtung der Gemeinschaftsvorschriften zu gewährleisten. Ihre Aufgabe ist es, Unregelmäßigkeiten aufzudecken und zu korrigieren. Beim Abschluß jeder Intervention haben sie der Kommission einen von einer von der Verwaltung unabhängigen Person oder Stelle erstellten Abschlußvermerk über die durchgefühlten
385
White, Financial Interests, S. 95. Näher zu dieser Verordnung unten unter (2). 38 ? White, Financial Interests, S. 98. 388 Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds n.F.). 38 9 So ausdrücklich Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds). 386
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Kontrollen und die Ordnungsmäßigkeit der Operationen vorzulegen. 3 9 0 Die Kommission dagegen muß sich lediglich über die Existenz und Leistungsfähigkeit der mitgliedstaatlichen Kontrollsysteme vergewissern und hat bei deren Versagen einzuschreiten. Nur zu diesem Zweck darf sie selbst vor Ort die Operationen, die aus den Fonds finanziert werden, und die Verwaltungs- und Kontrollsysteme unter anderem i m Stichprobenverfahren kontrollieren. 3 9 1 Sie kann auch die Mitgliedstaaten um die Durchführung von Kontrollen vor Ort ersuchen. 3 9 2
(b) Kooperation zwischen Mitgliedstaaten und Kommission Administrative Kooperation zwischen den mitgliedstaatlichen Verwaltungsstellen und der Kommission findet statt in der Form von Teilnahmerechten an Inspektionen, bilateralen administrativen Vereinbarungen sowie verschiedenen Informations· und Mitteilungspflichten. - Teilnahmerechte: Wechselseitige Teilnahmerechte sind traditioneller Bestandteil des Kontrollregimes. Sie sind auch in der neuen Verordnung beibehalten worden. Führen Kommissionsbedienstete Kontrollen vor Ort durch, können Bedienstete der Mitgliedstaaten daran teilnehmen. Wenn die Kommission von einem Mitgliedstaat eine bestimmte Kontrolle vor Ort verlangt, können ihre Bediensteten ebenfalls daran teilnehmen. 3 9 3 - Bilaterale administrative Vereinbarungen: „Bindeglied 4 ' zwischen den deutlich voneinander abgesetzten Verantwortungsbereichen sind bilaterale administrative Vereinbarungen, auf deren Grundlage die Kommission und die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um die Pläne, die Methodik und die Durchführung der Kontrollen zu koordinieren und damit deren Nutzeffekt zu optimieren. 3 9 4 Der Abschluß solcher bilateralen administrativen Vereinbarungen war in den Vorgängerverordnungen noch nicht erwähnt, dort war lediglich der Kommission aufgegeben, für eine Koordinierung der von ihr vorgenommenen Kontrollen zu sorgen, um wiederholte Kontrollen wegen desselben Grundes i m gleichen Zeitraum zu vermeiden. Der Schritt von einseitiger Koordinierungsverpflichtung hin zu bilateralen Verwaltungsvereinbarungen stellt eine Ausprägung des bereits oben angesprochenen Grundsatzes der Partnerschaft dar.
390 Vgl. Art. 38 Abs. 1 lit. a) bis h) Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds.) mit einer genauen Auflistung der Aufgaben der Mitgliedstaaten. Detaillierte Ausführungsvorschriften (insbesondere zu Art und Umfang der Auswahl von Stichproben und zu den Gegenständen der Prüfungen sind in Art. 10 f. der Verordnung Nr. 438/2001 (Durchführung Verwaltungsund Kontrollsysteme bei Strukturfondsinterventionen) normiert. 391 Art. 38 Abs. 2 UAbs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds). 392 Art. 38 Abs. 2 UAbs. 3 Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds). 393 Art. 38 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds). 394 Art. 38 Abs. 3 Verordnung Nr. 1260/ 1999 (Strukturfonds).
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
- Informations- und Mitteilungspflichten: Schon in der Durchführungsverordnung von 1988 war die Pflicht der Mitgliedstaaten enthalten, die Kommission über die getroffenen Maßnahmen zur Verhinderung von Unregelmäßigkeiten und den Verlauf administrativer und gerichtlicher Verfahren zu unterrichten. 3 9 5 Die Kommission hatte ergänzend dazu einen Verhaltenskodex erlassen. 396 Darin waren ζ. B. die Höchstbeträge festgelegt, ab denen eine Meldung zu erfolgen hatte. Dieser Verhaltenskodex ist auf Klage Frankreichs vom EuGH wegen Kompetenzüberschreitung für nichtig erklärt worden, da er Verpflichtungen enthielt, die über die in den Verordnungen aufgestellten Anforderungen hinausgingen. 3 9 7 Im zweiten Förderungszeitraum ab 1993 ist dann basierend auf der ebenfalls in Art. 23 Abs. 1 enthaltenen Verordnungsermächtigung die Verordnung Nr. 1681 / 94 betreffend Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der Strukturpolitiken sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems ergangen. 3 9 8 Diese Verordnung betrifft das Kooperationsverhältnis zwischen Mitgliedstaaten und Kommission bzw. der Mitgliedstaaten untereinander und begründet ein System von Mitteilungs- und Informationspflichten. Es finden sich hier Elemente des vom EuGH abgelehnten Verhaltenskodex wieder. Inhaltlich stimmt die Verordnung weitgehend mit der schon für das Agrarrecht vorgestellten Verordnung Nr. 595 / 91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung) überein. 3 9 9
(2) Eigenmittel Der Begriff der Eigenmittel bestimmt sich in Abgrenzung zu den Mitgliedsbeiträgen, die eigentlich das klassische Modell zur Finanzierung internationaler Organisationen sind. Eigenmittel sind durch das Gemeinschaftsrecht bestimmt und insoweit der Autonomie der Mitgliedstaaten entzogen. Letztlich besteht jedoch nur ein gradueller Unterschied zu einer Finanzierung durch Mitgliedsbeiträge: I m Eigenmittelsystem droht der Gemeinschaft zwar nicht mehr eine Beitragsverweigerung aus politischen Gründen. Sie ist aber dennoch auf eine enge Kooperation mit den Mitgliedstaaten angewiesen, da es hauptsächlich deren Aufgabe ist, die Eigenmittel für die Gemeinschaft bereitzustellen. Bei den traditionellen Eigenmitteln der Gemeinschaft, den Agrarabschöpfungen und den Zöllen, steht der Gemeinschaft
395 Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 Verordnung Nr. 4253/88 (Strukturfonds-Durchführung a.F.). 396 Verhaltenskodex zu den Modalitäten für die Anwendung von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 4253 / 88 des Rates betreffend die Unregelmäßigkeiten und die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems, ABl. Nr. C 200 v. 9. 8. 1990, S. 3. 397 Rs. C-303/1990, Slg. 1991,1-5315. Dieses Urteil wirkte sich nicht positiv auf die Mitteilungsbereitschaft der Mitgliedstaaten aus. Ende 1992 hatten nur zwei Mitgliedstaaten über die von ihnen aufgedeckten Fälle berichtet, vgl. näher White, Financial Interests, S. 95. 398 Näher zu dieser Verordnung vgl. Mögele, EWS 1998, S. 1, 7. 399 Näher zur Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung) oben I. 2. c)(l).
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zwar ein direkter Ertragsanspruch bei der Verwirklichung des Abgabentatbestandes zu. Die Erhebung hat allerdings durch die Mitgliedstaaten zu erfolgen. Bei den Mehrwertsteuer-Eigenmitteln handelt es sich um eine - harmonisierte - mitgliedstaatliche Steuer, an deren Aufkommen dann ein gemeinschaftlicher Anspruch besteht. Die Bruttosozialprodukteigenmittel werden in Abhängigkeit vom Bruttosozialprodukt der einzelnen Mitgliedstaaten berechnet und stellen noch am deutlichsten einen kaschierten Mitgliedsbeitrag dar.
(a) Kontrollen vor Ort Wenn also den Mitgliedstaaten die wichtige Aufgabe der Erhebung und Bereitstellung der Eigenmittel zukommt, hat die Gemeinschaft ein Interesse daran, auf die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Funktionen Einfluß nehmen zu können. 4 0 0 Art. 8 Abs. 2 Eigenmittelbeschluß 1994 4 0 1 enthält eine an die Kommission gerichtete Ermächtigung zum Erlaß von Durchführungsvorschriften. In diese Ermächtigung ist ausdrücklich der Erlaß von „Vorschriften über die Kontrolle der Erhebung der Einnahmen" eingeschlossen. In den Durchführungsverordnungen wird zunächst den Mitgliedstaaten die Aufgabe zugewiesen, Prüfungen und Erhebungen in bezug auf die Feststellung und Erhebung der Eigenmittel durchzuführen. 4 0 2 Daneben finden sich auch Prüfungsbefugnisse vor Ort für Kommissionsbedienstete. Diese Prüfungsbefugnisse kommen in zwei Formen vor: Einmal müssen die Mitgliedstaaten auf Antrag der Kommission zusätzliche Kontrollen durchführen. Zu diesen Kontrollen wird die Kommission auf ihren Antrag hin hinzugezogen. 4 0 3 Diese Vorortkontrollen durch die Kommission können als begleitende Kontrolle eingestuft werden. 4 0 4 Kommissionsbedienstete dürfen aber auch- soweit es für die Durchführung des Eigenmittelsystems erforderlich ist - selbständig Prüfungen vor Ort vornehmen. 4 0 5 Sie haben dabei Zugang zu allen Unterlagen über die Feststel-
400 Umfassend zu den Kontrollen im Eigenmittelbereich Lecea Flores de Lemus/Nunez, in: Commentaire Mégret, Le Droit de la CE et de l'Union Européenne, Band 11 (Les Finances), S. 219 ff., insbes. S. 224 ff. (Le contrôle sur place dans les Etats Membres). 4 01 Beschluß des Rates v. 31. 10. 1994 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften, ABl. Nr. L 293 v. 12. 11. 1994, S. 9. Ebenso Art. 8 Abs. 2 des ab dem 1.1. 2002 wirksamen Eigenmittelbeschlusses 2000. 4 «2 Vgl. Art. 12 Abs. 1 Verordnung (EWG / Euratom) Nr. 1553/89 (Mehrwertsteuereigenmittel) und Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EG/Euratom) Nr. 1150/2000 (Durchführung Eigenmittel); deren Vorgängerverordnung war die Verordnung Nr. 1552/89, wesentliche Änderungen in den Kontrollvorschriften gab es nicht. 403 Art. 18 Abs. 2 Verordnung Nr. 1150/2000, Art. 11 Verordnung Nr. 1553/89. 404 Von Lecea Flores de Lemus/Nunez, in: Commentaire Mégret, Le Droit de la CE et de l'Union Européenne, Band 11 (Les Finances), S. 219 ff., S. 224 bezeichnet als „contrôles associés". 4
05 Art. 18 Abs. 3 Verordnung Nr. 1150/2000 (Durchführung Eigenmittel); von Lecea Flores de Lemus/Nunez, in: Commentaire Mégret, Le Droit de la CE et de l'Union Européenne, Band 11 (Les Finances), S. 219 ff., S. 226 bezeichnet als „contrôles autonomes".
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
lung und die Bereitstellung der Eigenmittel durch die nationalen Behörden. 4 0 6 Die Rechte und Pflichten der Kommissionsbediensteten bei beiden Inspektionsformen sind in einer eigenen Verordnung 4 0 7 näher ausgestaltet worden. In dieser Verordnung sind auch Bestimmungen über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten enthalten.
(b) Kooperation Die Mitgliedstaaten und die Kommission arbeiten schon i m Vorfeld der Kontrollen zusammen: Vor jeder Kontrolle und vor jeder Prüfung vor Ort - sei sie begleitend oder selbständig - finden Kontakte, ζ. B. in Form von Vorbereitungstreffen zwischen dem betreffenden Mitgliedstaat und der Kommission statt, die zur Festlegung der näheren Einzelheiten bestimmt sind. Die Kontrollen vor Ort selbst finden nicht nur in vertikaler Kooperation zwischen dem jeweiligen Mitgliedstaat und der Kommission statt, sondern sie werden durch Elemente horizontaler Kooperation ergänzt: Es können auch nationale Sachverständige, die von den Mitgliedstaaten zur Kommission abgestellt sind, an den Prüfungen teilnehmen. M i t vorheriger Zustimmung der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats kann die Kommission auch Bedienstete anderer Mitgliedstaaten als Beobachter heranziehen. 408 Dabei differenziert die Verordnung nicht danach, ob es sich um selbständige oder begleitende Kommissionskontrollen handelt. Die Leitung der selbständigen Kontrollen vor Ort liegt bei den Kommissionsbediensteten. 409 „Für die Gestaltung der Arbeit" sind aber „geeignete Kontakte" mit den zuständigen Verwaltungen der Mitgliedstaaten herzustellen. 4 1 0 Direkte Kontakte der Kommission zu den Abgabepflichtigen sind auch bei den selbständigen Kommissionskontrollen nur in äußerst beschränkter Form erlaubt. Sie sind nur bei bestimmten Prüfungen (ζ. B. nicht bei Prüfungen i m Rahmen der Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel) und nur vermittelt über die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten möglich.411 406 Art. 18 Abs. 3 Verordnung Nr. 1150/2000 (Durchführung Eigenmittel), Art. 11 Abs. 1 Verordnung Nr. 1553/89 (Mehrwertsteuereigenmittel). 407 Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1026/1999 (Eigenmittelkontrolle).; zu deren Vorgängerverordnung, der Verordnung Nr. 165/74, vgl. Lecea Flores de Lemus/ Nunez, in: Commentaire Mégret, Le Droit de la CE et de l'Union Européenne, Band 11 (Les Finances), S. 225, Rn. 416. 408 Art. 1 UAbs. 2 und 3 Verordnung Nr. 1026/1999 (Eigenmittelkontrolle). 409 Nehmen die Kommissionsbediensteten nur in begleitender Funktion teil, liegt die Leitung bei den Bediensteten der Mitgliedstaaten, die über Ort, Zeitpunkt und Objekt der Kontrollen bestimmen. 410 Art. 3 Abs. 2 lit. b und c Verordnung Nr. 1026/1999 (Eigenmittelkontrolle). 411 Art. 3 Abs. 1 lit. c Verordnung Nr. 1026/1999 (Eigenmittelkontrolle). Diese Beschränkung hat White, Financial Interests, S. 70, zu der Feststellung geführt, daß das Inspektionsregime im Mehrwertsteuersektor weniger schlagkräftig sei als z. B. das im Agrarsektor, wo den Kommissionsbediensteten eigene Inspektionsbefugnisse bei den Marktteilnehmern zuste-
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Eine wichtige Rolle, vor allem i m Rahmen der horizontalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander, spielen Informationsaustausch und Amtshilfe: Soweit im Rahmen der traditionellen Eigenmittel Zölle oder Agrarabschöpfungen Gegenstand von Betrügereien und Unregelmäßigkeiten sind, ist die Verordnung Nr. 5 1 5 / 9 7 (EG-Amtshilfeverordnung) einschlägig. Das durch sie begründete Unterstützungs- und Informationsaustauschsystem wurde bereits im Rahmen der Darstellung des Agrarrechts beschrieben. 412 Ein zentrales Element bei der Kontrolle der i m innergemeinschaftlichen Handel tätigen Wirtschaftsbeteiligten i m Bereich der Mehrwertsteuereigenmittel ist der Informationsaustausch aufgrund Art. 2 der EG-Amtshilferichtlinie Nr. 7 7 / 7 9 9 / E W G 4 1 3 und Art. 4 Abs. 2 und 3 sowie Art. 5 der Verordnung Nr. 2 1 8 / 9 2 (Mehrwertsteuer-Zusammenarbeit). Die Auskunftserteilung nach der Verordnung Nr. 2 1 8 / 9 2 erfolgt im Rahmen eines gemeinsamen EDV-gestützten Systems mit dem Namen „Mehrwertsteuer-Informations-Austausch-System (MIAS). Primärer Zweck des M I A S ist es, die ordnungsgemäße Besteuerung innergemeinschaftlicher Umsätze sicherzustellen. 414 Gemäß Art. 4 Abs. 2 Verordnung Nr. 2 1 8 / 9 2 kann ein Mitgliedstaat auf Anfrage Auskunft darüber erhalten, ob einer seiner Wirtschaftsbeteiligten während eines bestimmten Vierteljahres innergemeinschaftliche Erwerbe getätigt hat. Art. 4 Abs. 3 Verordnung Nr. 2 1 8 / 9 2 ermöglicht die Ermittlung der Unternehmen, die die entsprechenden Lieferungen getätigt haben. Gem. Art. 2 der EG-Amtshilferichtlinie und Art. 5 der Verordnung Nr. 2 1 8 / 9 2 können die Mitgliedstaaten spezifischere Auskunftsersuchen stellen, um bestimmte Wirtschaftsbeteiligte zu kontrollieren, beispielsweise hinsichtlich der Rechnungsnummern, -daten und -beträge einzelner Umsätze. Diese Informationen können u. a. zur Vorbereitung gezielter Vor-Ort-Prüfungen verwendet werden. A u f der Ebene der Rechtsnormen bestehen somit weitgehende Möglichkeiten des Informationsaustauschs und der Zusammenarbeit. Das System ist in der Praxis allerdings noch weit davon entfernt, in zufriedenstellender Weise genutzt zu werden und zu funktionieren. 4 1 5 hen. Sie erklärt das mit „the fact that unlike agricultural expenditure, failure to collect own resources is in principle the responsibiltiy of the Member State, which then owes money to the Community. Although traditional own resources are 100 per cent Community resources, only a small proportion of VAT accrues to the Community. It follows that it is in the area of VAT that the most resistance is likely to be encountered with regard to Commission „interference" in fighting fraud by way of extending the penal-administrative sphere that is already established in all other sectors, and in the recovery of funds." 412 Siehe oben I.2.c)(2). 413 Richtlinie Nr. 77/799 (EG-Amtshilferichtlinie). 414 Zu diesem Informationssystem vgl. Brock, Zwischenstaatlicher Auskunftsverkehr, S. 239 ff.; vgl. auch von Bogdandy, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Informationsgesellschaft, S. 133, 187 f.; von Bogdandy/Arndt, EWS 2000, S. 1, 3 ff. 415 Zu diesem Ergebnis kommt die Kommission in ihrem Dritten Bericht gemäß Art. 14 über die Anwendung der Verordnung Nr. 218/92 des Rates vom 27. Januar 1992 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung (MWSt.) und Vierten Bericht gemäß Art. 12 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1553/89 über Verfahren zur Erhebung und Kontrolle der Mehrwertsteuer, KOM (2000) 28 endg.: „Die
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten b) Sektorübergreifende Inspektionsbefugnisse der Kommission nach der Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung)
Betrachtet man die sektorbezogenen Inspektionsbefugnisse der Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft in den Bereichen Agrarfinanzierung, Strukturfonds und Eigenmittel, wird deutlich, daß ihre Möglichkeiten, Unregelmäßigkeiten direkt beim Wirtschaftsteilnehmer aufzudecken, nicht sehr weit gehen. Die Inspektionsbefugnisse dienen meistens der Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzuges, auch wenn in diesem Rahmen Inspektionen bei den Wirtschaftsteilnehmern zulässig s i n d . 4 1 6 In der Regel sind die Kontrollbefugnisse der Kommission bei den Wirtschaftsteilnehmern nur begleitender Art, das heißt die Kommissionsbediensteten haben keine eigenen Eingriffsbefugnisse gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern 417 oder der Kontakt zu ihnen ist sogar nur über die allgemeine Schlußfolgerung lautet, daß die Mitgliedstaaten im Bereich der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden nicht sehr aktiv sind. Abgesehen vom automatischen Austausch der MIAS-Daten werden nur sehr wenig Informationen ausgetauscht, und dies gilt sowohl für den spontanen Informationsaustausch als auch für spezifische Auskunftsersuchen. Es werden nur äußerst wenig multilaterale Prüfungen - v.a. von den Mitgliedstaaten selbst finanzierte durchgeführt. Das könnte dann gerechtfertigt sein, wenn es kein ernsthaftes Betrugsrisiko gäbe - das Gegenteil ist jedoch der Fall. Der Grund für die relativ geringe Aktivität in diesem Bereich scheint in den nationalen Kontrollprioritäten, verbunden mit einem Mangel an Kontrollressourcen, zu liegen" (S. 6 f.) Ein weiterer Grund für die zögernde Nutzung des Informationsaustauschsystems kann in der übermäßigen Zeitdauer liegen, die einige Mitgliedstaaten für die Beantwortung von Anfragen in Anspruch nehmen. Das Hemmnis liegt damit eher in der langsamen Reaktion auf Auskunftsersuchen und nicht in dem rechtlichen Instrumentarium selbst (so der Erklärungsversuch der Kommission a. a. O., S. 28). Trotzdem scheinen Verbesserungen auch im Hinblick auf die Rechtsetzung erforderlich (ζ. B. die Verkürzung von Fristen), denn: „Aufgrund der geringen Ausnutzung der Kooperationsinstrumente muß man sich ernstlich fragen, inwieweit manche Mitgliedstaaten bei der Mehrwertsteuer-Kontrolle im innergemeinschaftlichen Handel insgesamt verläßlich und wirksam arbeiten" (a. a. O., S. 25). Vgl. zu diesen Defiziten bei der Zusammenarbeit im Bereich der indirekten Steuern auch von Bogdandy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Informationsgesellschaft, S. 133, 191 f. Verbesserungen soll eine Reform und Ergänzung des bestehenden Regelwerkes bringen mit dem Ziel ein Zusammenwirken der für die Anwendung der Mehrwertsteuer und die Mehrwertsteuer-Kontrolle zuständigen Behörden zu erreichen, „so daß die Grenzen zwischen der Steuerverwaltungen schwinden und die Bediensteten so zusammenarbeiten, als gehörten sie alle zu derselben Verwaltung", s. nunmehr den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und den Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 77 / 799 / EWG über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern, KOM (2001) 294 endg. v. 18. 6. 2001. Nach diesem Entwurf sollen insbesondere die Möglichkeiten der Anwesenheit von Bediensteten der Steuerverwaltung eines anderen Mitgliedstaats bei Steuerprüfungen verbessert und auf eine einheitliche Rechtsgrundlage gestützt werden. 416 So ζ. B. bei den Kontrollen nach Art. 9 Abs. 2 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL) oder Art. 38 Abs. 2 Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds). Zur Bewertung der Kontrollmöglichkeiten der Kommission vor Erlaß der Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung) siehe auch Ulrich, Kontrollen der EG-Kommission, S. 126. 417
Vgl. z. B. Art. 6 Abs. 4 Verordnung Nr. 595 / 91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung).
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Vermittlung der mitgliedstaatlichen Verwaltungsbediensteten m ö g l i c h . 4 1 8 Für eine effiziente Betrugsbekämpfung zum Schutz der Gemeinschaftsfinanzen sind solche Beschränkungen hinderlich: Sie setzen nämlich die Bereitschaft der Mitgliedstaaten voraus, Schädigungen des Gemeinschaftshaushalts mit dem gleichen Nachdruck zu verfolgen wie Betrügereien zum Nachteil ihres eigenen Haushalts. Daß es an dieser Bereitschaft mitunter fehlt, wird nicht selten beklagt. Unmittelbare Inspektionsmöglichkeiten der Kommission zur Aufdeckung von Betrügereien durch die Wirtschaftsteilnehmer bieten eine zusätzliche Kontrollmöglichkeit, die sie grundsätzlich unabhängig von den mitgliedstaatlichen Verwaltungsstellen ausüben kann. Sie wurde eingeführt mit der Verordnung (Euratom/EG) Nr. 2185/96 betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten (Kontrollverordnung). 4 1 9 Die Kontroll Verordnung bildet die Rechtsgrundlage für eigenständige Kontrollen der Kommission bei natürlichen und juristischen Personen in den Mitgliedstaaten. Die Kommission kann damit durch eine gezielte Vor-Ort-Präsenz in den Mitgliedstaaten zur Betrugsbekämpfung beitragen. 4 2 0 Die inhaltliche Ausgestaltung der Verordnung weist deutliche Parallelen zu der bereits für das Kartellrecht beschriebenen Verordnung Nr. 17 a u f . 4 2 1 418 So ζ. B. Art. 3 Abs. 1 lit. c Verordnung Nr. 1026/1999 (Eigenmittelkontrolle). 419 Die Kontrollverordnung ist das letzte Produkt eines ganzen Bündels von horizontalen Maßnahmen, mit denen die Gemeinschaft seit Mitte der 90er Jahre der Betrugsproblematik Herr zu werden versucht: Dem Ziel einer wirksamen Betrugsbekämpfung dient auch die Verordnung Nr. 2988/95 (Sanktionsverordnung). Das Schwergewicht liegt bei dieser Verordnung allerdings weniger auf dem Kontroll-, sondern eher auf dem Sanktionsaspekt: Die Verordnung schafft einen allgemeinen Rahmen für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen. Sie kann daher zu Recht als eine Art allgemeiner Teil eines europäischen Verwaltungssanktionsrechts qualifiziert werden (vgl. näher Dannecker, ZStW 108 (1996), S. 577, 607; Heine, WiVerw 1996, S. 149, 155 ff.; Mögele, EWS 1998, S. 1, 5). In bezug auf Inspektionen ist die Sanktionsverordnung deutlich knapper gehalten: Nach Art. 8 ergreifen die Mitgliedstaaten gemäß den innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um sich zu vergewissern, daß die Transaktionen, die die finanziellen Interessen der Gemeinschaften berühren, rechtmäßig sind und auch effektiv durchgeführt werden. Im übrigen wird auf die sektoriellen Regelungen verwiesen. Neben den Mitgliedstaaten kann auch die Kommission Kontrollen und Überprüfungen vor Ort nach Maßgabe der sektorbezogenen Regelungen durchführen (Art. 9 Abs. 2). Zusätzliche allgemeine Bestimmungen für Kontrollen und Überprüfungen werden einer eigenen Verordnung vorbehalten (Art. 10). Das ist die im Text beschriebene Kontrollverordnung Nr. 2185/96. Ein im Rahmen der Dritten Säule des EUV geschlossenes Übereinkommen zur Verbesserung der strafrechtlichen Verfolgung betrügerischer Handlungen zum Nachteil der Gemeinschaften (ABl. Nr. C 316 v. 27. 11. 1995, S. 48) ist noch nicht in Kraft getreten (näher zu diesem Übereinkommen Dannecker, ZStW 108 (1996), S. 577, 596 ff. und Zieschang, EuZW 1997, S. 78 ff.). Es enthält in seinem Art. 1 eine Definition des Tatbestandes des Betrugs zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften; allgemein zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft durch das Strafrecht Otto, Jura 2000, S. 98 ff.; Hassemer, KritV 1999, S. 133 ff.; Spinellis, KritV 1999, S. 141 ff.
420 Kuhl/Spitzer,
EuZW 1998, S. 37.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
(1) Anwendungsbereich Nach ihrem Art. 1 gilt die Kontrollverordnung unbeschadet der sektorbezogenen Gemeinschaftsregelungen für alle Tätigkeitsbereiche der Gemeinschaften. Sie folgt damit einem horizontalen Ansatz. Die Verordnung soll dem Schutz des gesamten Gemeinschaftshaushalts vor Unregelmäßigkeiten dienen. Ihr liegt der weite Unregelmäßigkeitsbegriff der Verordnung Nr. 2988/95 zugrunde (s.o. ) 4 2 2 Innerhalb dieses Anwendungsbereichs kann die Kommission nach Art. 2 Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durchführen, - „um schwerwiegende oder grenzüberschreitende Unregelmäßigkeiten oder Unregelmäßigkeiten, an denen in mehreren Mitgliedstaaten handelnde Wirtschaftsteilnehmer beteiligt sein können, aufzudecken; - um Unregelmäßigkeiten aufzudecken, wenn es sich aufgrund der Lage in einem Mitgliedstaat in einem Einzelfall als erforderlich erweist, die Kontrollen und Uberprüfungen vor Ort zu verstärken, um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen zu erreichen und somit die Interessen innerhalb der Gemeinschaft in gleichem Umfang zu schützen; - wenn der betreffende Mitgliedstaat dies beantragt." Das Vorliegen der unter dem ersten Spiegelstrich aufgeführten Fallkonstellationen ist anhand objektiver Maßstäbe zu bestimmen. Hinter den unter dem zweiten Spiegelstrich formulierten Eingriffsvoraussetzungen steckt das Bestreben, einen in der gesamten Gemeinschaft gleichwertigen Schutz der finanziellen Interessen zu gewährleisten. 4 2 3 (2) Adressaten Die Kontrollen und Uberprüfungen finden direkt bei den Wirtschaftsteilnehmern statt. Die Kontrollverordnung unterscheidet zwischen zwei Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern : - Bei den unmittelbar betroffenen Wirtschaftsteilnehmern dürfen Kontrollen dann stattfinden, wenn die begründete Annahme besteht, daß Unregelmäßigkeiten begangen worden sind 4 2 4 Zur Eingrenzung des Kreises dieser Wirtschaftsteilneh421 Kühl/Spitzer, EuZW 1998, S. 37, äußern die Erwartung, daß die Verordnung eine ähnliche Bedeutung erlangen wird wie die Verordnung Nr. 17. 422 Da in Art. 1 Abs. 2 Verordnung Nr. 2988/95 von Eigenmitteleinnahmen, „die direkt für Rechnung der Gemeinschaften erhoben werden" die Rede ist, sind damit die Bruttosozialprodukteigenmittel und wohl auch die Mehrwertsteuereigenmittel vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen; vgl. zu dieser Schutzlücke Ulrich, Kontrollen bei Wirtschaftsbeteiligten, S. 132 ff.; Kuhl/Spitzer, EuZW 1998, S. 37, 38 f. 423 Beispielhaft für diese Fallgestaltung ist der dem Urteil Griechischer Mais zugrundeliegende Sachverhalt (EuGH, Slg. 1989, 2965, 2966 ff., Kommission/Griechenland). In diesem Fall waren Beamte der griechischen Behörden maßgeblich an Betrügereien beteiligt; vgl. auch Kuhl/Spitzer, EuZW 1998, S. 37, 40. 424 Art. 5 UAbs. 1 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung).
Α. Gemeinschaftsrecht
111
mer verweist die Bestimmung auf Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 (Sanktionsverordnung): Nicht jeder Verdacht auf Unregelmäßigkeiten rechtfertigt Inspektionen vor Ort. Es muß sich um eine Unregelmäßigkeit handeln, die zu verwaltungsrechtlichen Sanktionen i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Sanktionsverordnung führen kann. Das bedeutet, daß sich die „begründete Annahme" des Art. 5 Kontrollverordnung auf vorsätzlich oder zumindest fahrlässig begangene Unregelmäßigkeiten richten muß. Nach den sektoriellen Rechtsgrundlagen dürfen demgegenüber Kontrollbesuche vor Ort i.d.R. bei allen Wirtschaftsteilnehmern erfolgen. Der Adressatenkreis der Kontrollverordnung ist damit deutlich eingeschränkter als der der sektoriellen Rechtsgrundlagen. Daran wird deutlich, daß die Kontrollverordnung ein Instrument der Betrugsbekämpfung und nicht der Rechtmäßigkeitskontrolle ist. Es geht also nicht wie meist nach den sektoriellen Rechtsakten um die Feststellung von Vollzugsdefiziten bei den einzelstaatlichen Verwaltungen, sondern um die Aufdeckung von Betrügereien durch die einzelnen Marktteilnehmer selbst. 4 2 5 - Falls es zur Feststellung einer Unregelmäßigkeit unbedingt erforderlich ist, kann die Kommission auch bei anderen betroffenen Wirtschaftsteilnehmern Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durchführen. 4 2 6 Gegenüber diesen Wirtschaftsteilnehmern muß nicht die begründete Annahme der Begehung einer Unregelmäßigkeit bestehen. Es reicht aus, daß sie über Informationen verfügen, die einen Sachverhalt nach Art. 5 UAbs. 1 Verordnung Nr. 2185/96 (KontrollVerordnung) betreffen. Diese Kontrollen sind ergänzender Natur, was durch die Voraussetzung der „unbedingten Erforderlichkeit' 4 besonders betont w i r d . 4 2 7
(3) Inhalt der Kontroll-
und Uberprüfungsrechte
Federführende Kontrollinstanz ist die Kommission - unter ihrer Leitung und Verantwortung erfolgen die Kontrollen und Uberprüfungen vor Ort 4 2 8 Dabei müssen die Kontrollen nicht unbedingt durch Kommissionsbeamte selbst erfolgen. Zulässig ist auch eine Entsendung „ordnungsgemäß ermächtigte(r) Beauftragte(r)". 4 2 9
4 25 So auch Ulrich Kontrollen bei Wirtschaftsbeteiligten, S. 138 f.; Kuhl/Spitzer, EuZW 1998, S. 37, 38; Mögele, EWS 1998, S. 1, 7. 426 Art. 5 UAbs. 3 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 427 in einem Protokoll zu der Verordnung wurden die Bedingungen für die Durchführung von Kontrollen nach dieser zweiten Kategorie näher präzisiert: Sie können dann vorgenommen werden, „wenn sich dies im Rahmen einer Untersuchung als notwendig erweist, um zusätzliche Beweisstücke zu erhalten, die bei den direkt implizierten Wirtschaftsteilnehmern nicht vorliegen, jedoch für die Feststellung einer von einer anderen Person begangenen Unregelmäßigkeit oder zur Aufdeckung eines von anderen Personen organisierten Betrugsrings unerläßlich sind". Zitat nach Kuhl/Spitzer, EuZW 1998, S. 37, 41.
428 Art. 6 Abs. 1 Verordnung Nr. 2185/96 (KontrollVerordnung). 429 Hieran hatten die Mitgliedstaaten in der Entstehungsphase Kritk geübt, vgl. Heine, WiVerw 1996, S. 169, Fn. 60.
112
Kap. 1: Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Die Wirtschaftsteilnehmer müssen den Kontrolleuren Zugang zu ihren gewerblich genutzten Räumlichkeiten, Grundstücken und Verkehrsmitteln ermöglic h e n . 4 3 0 Die Kontrolleure dürfen u. a. Dokumente und EDV-Daten einsehen, physische Kontrollen der Waren vornehmen und Stichproben entnehmen. 4 3 1 Vorbehaltlich des geltenden Gemeinschaftsrechts haben sie sich an die mitgliedstaatlichen Verfahrensvorschriften zu halten. 4 3 2 Sie haben unter denselben Bedingungen wie die Kontrolleure der einzelstaatlichen Verwaltungen Zugang zu den betreffenden Vorgängen und Unterlagen und dürfen davon Kopien anfertigen. 4 3 3 Die ermittelten Informationen unterliegen dem Amtsgeheimnis. 4 3 4 In datenschutzrechtlicher Hinsicht müssen die Kommissionskontrolleure die gemeinschaftlichen und einzelstaatlichen Bestimmungen über den Schutz personenbezogener Daten einhalten. 4 3 5 Auch bei der Erstellung ihrer Kontroll- und Überprüfungsberichte berücksichtigen die Kontrolleure der Kommission die nationalen Verfahrensanforderungen. Die unter diesen Voraussetzungen erstellten Berichte sind als den Berichten der einzelstaatlichen Kontrolleure gleichwertig anzusehen. Sie stellen unter denselben Bedingungen wie die Berichte der mitgliedstaatlichen Verwaltungsbediensteten zulässige Beweismittel in den mitgliedstaatlichen Verwaltungsoder Gerichtsverfahren d a r . 4 3 6
(4) Kooperation
mit den Mitgliedstaaten
Für eine effektive Betrugsbekämpfung ist es wichtig, daß die Verwaltungen der Mitgliedstaaten und die Dienstellen der Kommission, die in Anwendung der Kontrollverordnung in den Mitgliedstaaten Inspektionen durchführen, loyal zusammenarbeiten und einander bei der Vorbereitung und Durchführung der Kontrollen i m erforderlichen Umfang unterstützen. 437 Die Kontroll Verordnung enthält verschiedene Koordinations- und Kooperationsmechanismen: - Koordinationspflicht: Die Kommission hat dafür Sorge zu tragen, daß bei den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern nicht gleichzeitig aus denselben Gründen Kontrollen i m Rahmen sektorbezogener Gemeinschaftsregelungen durchgeführt
430 Art. 5 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 431
Art. 7 Abs. 1 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2185/96 (KontrollVerordnung). Ein eigenes Recht zur Probenahme steht den Kommissionsbediensteten auf der Grundlage der sektoriellen Verordnungen, beispielsweise dem Art. 9 Abs. 2 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL) nicht zu. 4 32 Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 4 33 Art. 7 Abs. 1 UAbs. 1 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 434
Art. 8 Abs. 1 Verordnung Nr. 2185/96 (KontrollVerordnung). 35 Art. 8 Abs. 4 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung).
4
43
6 Art. 8 Abs. 3 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung).
437
Das wird auch im 10. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung) besonders hervorgehoben.
Α. Gemeinschaftsrecht
113
werden, und sie muß vom Mitgliedstaat durchgeführte Kontrollen berücksichtigen.«8 - Informationspflichten der Kommission: Die Kommission hat die zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden rechtzeitig über Gegenstand, Ziel und Rechtsgrundlage einer geplanten Überprüfung zu unterrichten. 4 3 9 Nach einer Kontrolle vor Ort muß sie den Mitgliedstaaten so rasch wie möglich alle einschlägigen Fakten und Verdachtsmomente sowie das Ergebnis ihrer Prüfungen mitteilen. 4 4 0 -
Unterstützungspflichten der Mitgliedstaaten: Die zwangsweise Durchsetzung der Kontrollen für den Fall, daß sich einer der Wirtschaftsteilnehmer den Kontrollen widersetzt, verbleibt beim jeweiligen Mitgliedstaat, der zur Unterstützung der Kommissionsbeamten verpflichtet i s t . 4 4 1 Erforderlichenfalls obliegt es den Mitgliedstaaten, auf Ersuchen der Kommission die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um insbesondere Beweisstücke zu sichern. 4 4 2 Diese Regelungen sind mit den entsprechenden Bestimmungen der Kartellverordnung Nr. 17 vergleichbar. 4 43
-
Teilnahmerechte: Die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort nach der Kontrollverordnung werden unter der Leitung und Verantwortung der Kommission durchgeführt. Die mitgliedstaatlichen Bediensteten können allerdings zur Leistung der erforderlichen Unterstützung daran teilnehmen. 4 4 4 A u f Wunsch des betreffenden Mitgliedstaats besteht die Möglichkeit der Durchführung gemeinsamer Kontrollen. 445 Werden solche Kontrollen gemeinsam von der Kommission und den zuständigen Behörden des jeweiligen Mitgliedstaats durchgeführt, werden die einzelstaatlichen Kontrolleure im Anschluß ersucht, den Kommissionsbericht gegenzuzeichnen. 446 Weitere Teilnahmemöglichkeiten bestehen für zur Kommission abgeordnete nationale Sachverständige. 447 Außerdem können im Einvernehmen mit dem betreffenden Mitgliedstaat kompetente und unabhängige Beobachter aus anderen Mitgliedstaaten herangezogen werden. 4 4 8
438 Art. 3 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 439 Art. 4 Abs. 1 Verordnung Nr. 2 1 8 5 / 9 6 (Kontrollverordnung).
440 Art. 8 Abs. 2 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 44
• Art. 9 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung).
442 443
Art. 7 Abs. 2 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). Zu den Inspektionsbefugnissen der Kommission nach der Verordnung Nr. 17 s.o. unter
II. 1. 444 44
Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 5 Art. 4 Abs. 2 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung).
44
Art. 8 Abs. 3 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). Art. 6 Abs. 1 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 44 8 Art. 6 Abs. 2 UAbs. 1 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 447
8 David
114
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten 2. Institutionelle Ausgestaltung der Inspektionen auf Gemeinschaftsebene : Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung
Bis zur Reform des Gemeinschaftshaushalts 1988 zeichnete sich die Organisation der Betrugsbekämpfung bei der Kommission durch eine dezentrale Ausübung der Kontrolltätigkeit aus: Derjenigen Generaldirektion, die für die Durchführung einer bestimmten Politik zuständig war, war auch die Verantwortung für die Betrugsbekämpfung in dem betreffenden Bereich zugewiesen. Mangelnde Koordinierung führte zum Teil zu Doppelarbeit. 4 4 9 Durch die Schaffung der Unité de Coordination de la Lutte Antifraude (UCLAF) wurde i m Jahr 1989 erstmals zusätzlich zu den Betrugsbekämpfungseinheiten in den einzelnen Generaldirektionen eine zentrale Koordinierungseinheit eingerichtet. Die Zuständigkeiten der U C L A F beschränkten sich allerdings keineswegs nur auf Koordinierungsaufgaben: Nach einer Umstrukturierung i m Jahr 1994 umfaßte die U C L A F vier operationeile Referate für die Bereiche Aufklärung, Information und Analyse der Gesetzgebung (F-2), Strukturfonds und andere Gebiete (F-3), Handel mit Agrarerzeugnissen (F-4) und Landwirtschaftliche Marktordnungen (F5) sowie ein Referat mit horizontalen Aufgaben betreffend Koordinierung und allgemeine Politik ( F - l ) . 4 5 0 Die U C L A F konnte alle Nachforschungen und Untersuchungen einleiten und selbst durchführen, die ihr i m Rahmen der Betrugsbekämpfung notwendig erschienen. Ihre Ermittlungen erfolgten entweder aufgrund der sektoralen Verordnungen oder nach deren Inkrafttreten auf der Grundlage der Kontrollverordnung Nr. 2185/96. Die Organisation der Betrugsbekämpfung in der Union erschien allerdings immer noch verbesserungsbedürftig. 451 Der Rücktritt der Kommission i m März 1999 wurde nicht zuletzt durch schwerwiegende Anschuldigungen betreffend Betrug, Mißmanagement und Nepotismus ausgelöst. 4 5 2 Noch i m Jahr 1999 wurde U C L A F 449 Instruktiv Prieß, in: Groeben /Thiesing /Ehlermann, EU- / EGV, Art. 209a, Rn. 122. 450 Ausführliche Darstellung der Entwicklung bei Prieß/Spitzer, EuZW 1994, S. 302 f.; Prieß, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/EG-Vertrag, Art. 209a, Rn. 122 ff. Zu Struktur und Zusammensetzung der UCLAF siehe auch Kühl, Kriminalistik 1997, S. 105, 108 f. und Magiera, in: FS Friauf, S. 13, 27 f. 451 Vgl. vor allem die Kritik des Rechnungshofes in seinem Sonderbericht Nr. 8/98 über die mit der Betrugsbekämpfung befaßten Dienststellen der Kommission, insbesondere die Einheit für die Koordinierung der Betrugsbekämpfung UCLAF, zusammen mit den Antworten der Kommission, ABl. Nr. C 230 v. 22. 7. 1998, S. 1, 22 f.: In Ermangelung eines Verwaltungssystems, in dem Informationen zum Stand aktueller oder früherer Fälle vom ersten Verdacht bis hin zur behördlichen Ermittlung, Einschaltung der einzelstaatlichen Behörden, strafrechtlichen Ermittlung, Verfolgung, zum Rechts verfahren, Urteil und Wiedereinziehung enthalten sind, sei eine Gesamtbewertung der Leistungen der UCLAF praktisch unmöglich. Weitere Hindernisse für die Durchführung einer effektiven Betrugsbekämpfung lägen darin, daß die UCLAF nicht befugt sei, Erhebungen in bezug auf andere Organe der Gemeinschaft (d. h. interne Untersuchungen) durchzuführen und daß es keine gemeinsamen Normen für die Beweisführung in den verschiedenen Mitgliedstaaten gebe.
Α. Gemeinschaftsrecht
115
daher durch die Einrichtung eines Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung ( O L A F 4 5 3 ) a b g e l ö s t 4 5 4 O L A F ist ein A m t innerhalb der Verwaltungsstruktur der Kommission, das allerdings durch die Gewährleistung von Unabhängigkeit aus dem hierarchischen Weisungszusammenhang ausgegliedert i s t . 4 5 5 Hierin liegt der Hauptunterschied zu UCLAF, bei der dieser Weisungszusammenhang noch bestand. Durch die Einräumung von Weisungsfreiheit an den Direktor des Amtes soll die Unabhängigkeit der Ermittlungen gesichert werden. Der Kontrolle dient die Einrichtung eines Überwachungsausschusses, bestehend aus fünf externen unabhängigen Persönlichkeiten, der die Ausübung der Untersuchungstätigkeit durch das Amt k o n t r o l l i e r t 4 5 6 Durch die Verordnung Nr. 1073/1999 sind O L A F sowohl Koordinierungsaufgaben als auch die Befugnis zur Durchführung von Ermittlungen zur Betrugsbekämpfung zugewiesen worden. Das A m t hat die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zur Betrugsbekämpfung zu unterstützen und zu koordinieren. Seine Untersuchungsbefugnisse werden unter dem Oberbegriff der administrativen Untersuchungen aufgegliedert in externe und interne Untersuchungsbefugnisse. - Externe Kontrollen führt das A m t aus eigener Initiative bzw. auf Ersuchen eines Mitgliedstaats in den Mitgliedstaaten oder gemäß Kooperationsabkommen in Drittstaaten d u r c h . 4 5 7 - Interne Untersuchungen finden bei Organen und Einrichtungen der EG statt. 4 5 8 Die externen Untersuchungen werden nach den bereits für U C L A F geltenden Bestimmungen durchgeführt. 4 5 9 Rechtsgrundlage sind insbesondere die Verordnungen Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung) und 2988/95 (SanktionsVerordnung). Bezüglich der internen Untersuchungen ist die Konstruktion etwas komplizierter: Aufgrund einer interinstitutionellen Vereinbarung 4 6 0 zwischen Parlament, Rat 452
Vgl. dazu die Berichte des Ausschusses Unabhängiger Sachverständiger: Erster Bericht über Anschuldigungen betreffend Betrug, Mißmanagement und Nepotismus in der Kommission vom 15. 3. 1999, zu finden unter http://www.europarl.eu.int/experts/reportl_de.htm und Zweiter Bericht über die Reform der Kommission vom 10. 9. 1999, http://www.europarl.eu.int / experts / default_de.htm. 453
Office européen de Lutte Antifraude. * Beschluß der Kommission Nr. 1999/352 (EGKS, Euratom vom 28. April 1999 zur Errichtung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung OLAF (OLAF-Errichtungsbeschluß), ABl. Nr. L 136 v. 31. 5. 1999, S. 20. Vgl. zu diesem neuen Amt die Beiträge von Haus, EuZW 2000, S. 745 ff.; Mager, ZEuS 2000, S. 177 ff.; Gieß, EuZW 1999, S. 618 ff. und Ulrich, EWS 2000, S. 137 ff. 4 55 Art. 12 Abs. 3 Beschluß Nr. 1999/352 (OLAF-Errichtungsbeschluß). 4 56 Art. 4 Beschluß Nr. 1999/352 (OLAF-Errichtungsbeschluß), siehe auch Art. 11 Abs. 1, 2 u. 5 Verordnung Nr. 1073/1999 (OLAF). 4 4
4
57 Art. 3 i.V.m. Art. 5 Verordnung Nr. 1073/1999 (OLAF). 58 Art. 4 i.V.m. Art. 5 Verordnung Nr. 1073/1999 (OLAF).
4
459 Daß OLAF die Gesamtheit der Zuständigkeiten der UCLAF übernimmt, wird in Art. 1 Beschluß Nr. 1999/352 (OLAF-Errichtungsbeschluß) ausdrücklich klargestellt.
8:
116
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
und Kommission, der die übrigen Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen beitreten sollen, verpflichten sich diese zur Annahme einer gemeinsamen Regelung anhand eines Standardbeschlusses, 461 der die erforderlichen Durchführungsbestimmungen zur Erleichterung eines reibungslosen Ablaufs der internen Untersuchungen des Betrugsbekämpfungsamts bei ihnen enthält. Eine Abweichung von diesem Standardbeschluß ist nur beim Vorliegen besonderer Gründe zulässig. 4 6 2 Wenn diese Beschlüsse vorliegen, kann das A m t ohne Voranmeldung und unverzüglich Zugang zu sämtlichen Informationen und Räumlichkeiten der Organe erhalten, Dokumente sicherstellen oder Kopien anfertigen. 4 6 3 Die einzelnen Artikel des Standardbeschlusses enthalten Mitteilungspflichten für die Fälle, daß Bedienstete der Organe Kenntnis von möglichen Betrugs- oder Korruptionsfällen erhalt e n , 4 6 4 nach der Einleitung von Untersuchungen die Pflicht zur Zusammenarbeit mit den Bediensteten des Betrugsbekämpfungsamtes durch Gewährung der erforderlichen Unterstützung sowie die Lieferung zweckdienlicher Hinweise und Erklärungen, 4 6 5 sowie den grundsätzlichen Anspruch des von einer Untersuchung Betroffenen auf Unterrichtung und Gelegenheit zur Stellungnahme. 4 6 6 Kommission und Rat haben inzwischen Beschlüsse gefaßt, die i m wesentlichen dem Standardbeschluß entsprechen. 467 Das Parlament hat seine Geschäftsordnung geändert, um die entsprechenden Bestimmungen zu inkorporieren. 4 6 8 460 Interinstitutionelle Vereinbarung v. 25. 5. 1999 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die internen Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), ABl. Nr. L 136 v. 31.5. 1999, S. 15. 461 Vgl. Anhang der Interinstitutionellen Vereinbarung (Fn. 459), S. 17. 462 Nr. 2 der Interinstitutionellen Vereinbarung (Fn. 459). 4 63 Art. 4 Abs. 2 Verordnung Nr. 1073/1999 (OLAF). 464
Art. 2 Standardbeschluß (Anhang der Interinstitutionellen Vereinbarung, Fn. 459). Art. 1 Standardbeschluß (Anhang der Interinstitutionellen Vereinbarung, Fn. 459). 466 Art. 4 Standardbeschluß (Anhang der Interinstitutionellen Vereinbarung, Fn. 459). 4 67 Beschluß des Rates v. 25. 5. 1999 über die Bedingungen und Modalitäten der internen Untersuchungen zur Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der Interessen der Gemeinschaften, ABl. Nr. L 149 v. 16. 6. 1999, S. 36; Beschluß der Kommission v. 2. 6. 1999 über die Bedingungen und Modalitäten der internen Untersuchungen zur Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der Interessen der Gemeinschaft, ABl. Nr. L 149 v. 16. 6. 1999, S. 57. 465
4
68 ABl. 2000 Nr. C 189, S. 209 (Art. 9a GeschO). Eine ganze Reihe von Parlamentariern wehrt sich allerdings gegen die internen Untersuchungsbefugnisse des OLAF und hat deswegen Klage beim EuGH eingereicht. Die Kommission klagt ihrerseits gegen die Europäische Zentralbank und die Europäische Investitionsbank, die beide eine Zusammenarbeit mit OLAF in dem dargestellten Umfang ablehnen. Die Abgeordneten des europäischen Parlaments sehen sich möglicherweise zutreffend in ihren Rechten auf Immunität und freies Mandat, EZB und EIB in ihrer primärrechtlich abgesicherten Autonomie beeinträchtigt (vgl. den Bericht von Selmayr und Kamann, FAZ v. 11.4. 2000, S. 14). Wie der EuGH über die entsprechenden Klagen entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Der Antrag der Abgeordneten auf einstweiligen Rechtsschutz ist inzwischen zu deren Gunsten entschieden, Beschluß des Präsi-
Β. Strukturbildung
117
Β. Strukturbildung A u f der Basis der Bestandsaufnahme anhand der ausgewählten Referenzgebiete lassen sich Strukturen und immer wiederkehrende Elemente der Inspektionen herausarbeiten. Ihre Herausbildung dient der Systematisierung und Identifizierung von Standardkonstellationen. Bei der Analyse spezifischer Rechtsfragen kann auf diese Standardkonstellationen zurückgegriffen werden. Lösungen, die in einem bestimmten Rechtsgebiet bereits Gegenstand rechtlicher Regelungen oder Rechtsprechung sind, können unter Umständen auf andere Gebiete übertragen werden, wenn diese systematisch vergleichbare Kooperationselemente aufweisen. Auch für die künftige Rechtsetzung kann eine Systematisierung Anhaltspunkte liefern und einer weiteren Zersplitterung der Instrumente entgegenwirken. Im folgenden wird die Inspektion zunächst in die Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts eingeordnet werden (unter I.). Anschließend werden unter II. typische Elemente der Inspektionen insbesondere mit Blick auf Elemente der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Verwaltungsstellen dargestellt.
I. Funktionale und systematische Einordnung Bei funktionaler Betrachtungsweise stellen sich die Inspektionen als Instrument der Staatsaufsicht und der Wirtschaftsaufsicht dar (unter 1.). Sie sind ein schichtenübergreifendes Instrument des Gemeinschaftsverwaltungsrechts und des Eigenverwaltungsrechts (unter 2.).
I. Funktionale Einordnung: Inspektionen zwischen Staatsaufsicht und Wirtschaftsaufsicht Die Auswertung der einschlägigen Vorschriften unter dem Gesichtspunkt des Kontrollgegenstandes zeigt, daß Inspektionen zum einen als Direktkontrollen beim Wirtschaftsteilnehmer und zum anderen als Vollzugskontrolle gegenüber den M i t gliedstaaten eingesetzt werden. Sie stellen daher ein Instrument der Sachverhaltsermittlung zwischen Staatsaufsicht und Wirtschaftsaufsicht 469 dar:
denten des Gerichts in der Rs. T-17/00 R, s. Pressemitteilung Nr. 32/2000 v. 2. 5. 2000, http://curia.eu.int/de/cp/aff/cp0032de.htm . Vgl. auch Kadelbach, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 205, 2012, der OLAF in der gegenwärtigen Form „wohl keine große Zukunft" voraussagt. 469 Zu den Begriffen und zur Dichotomie von Staatsaufsicht und Wirtschaftsaufsicht jüngst Kahl, Staatsaufsicht, S. 362 ff.: Wirtschaftsaufsicht als „die staatliche Aufsicht über alle Wirtschaftssubjekte, also Hersteller, Anbieter oder Verteiler von Gütern oder Dienstleistungen, welche die selbstverantwortliche Teilnahme am Wirtschaftsverkehr mit den dafür geltenden Rechtsregeln in Einklang halten soll" (S. 362). Staatsaufsicht i.w.S. als „Sammelbegriff für alle Aufsichtsvorgänge innerhalb des Staates im weiten Sinne. Als solcher vereint
118
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
- I m Rahmen von Direktkontrollen nehmen mitgliedstaatliche oder Kommissionsdienststellen Aufsichtsfunktionen direkt beim Unionsbürger wahr. Zweck der Inspektion ist hier die Uberprüfung der Wirtschaftsteilnehmer i m Hinblick auf gemeinschaftsrechtskonformes Verhalten. Hier läßt sich von „Wirtschaftsaufsicht" sprechen. - Der zweite Ansatz hat den mitgliedstaatlichen Verwaltungsvollzug im Visier. Durch Kommissionsinspektionen vor Ort soll festgestellt werden, ob die Mitgliedstaaten den ihnen durch das Gemeinschaftsrecht zugewiesenen Verwaltungsaufgaben korrekt nachkommen (Vollzugskontrolle in der Form der Anwendungskontrolle). Bestehen diese Aufgaben der nationalen Verwaltungen darin, die Einhaltung der Vorschriften durch die Wirtschaftsteilnehmer zu überwachen, handelt es sich um Kontrolle der Kontrolle. Hier läßt sich mit gebotener Vorsicht von „Staatsaufsicht" bzw. „Verbundaufsicht" sprechen. Beide Aufsichtsformen dienen dem übergeordneten Ziel, die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. Eine Erklärung für die unterschiedlichen Ausprägungen - Direktkontrolle und Kontrolle der K o n t r o l l e 4 7 0 - liegt in einem dem europäischen Verwaltungsrecht eigenen Dualismus, der sich in dieser Form im nationalen Recht nicht findet. EG-Verwaltung erfolgt sowohl gegenüber den M i t gliedstaaten als auch gegenüber den Unionsbürgern. Das europäische Verwaltungsrecht kennt also zwei Bezugsobjekte: die einzelnen Mitgliedstaaten und den Unionsbürger. 471 Dieser Dualismus spiegelt sich daher auch in den unterschiedlichen Kontrollformen wider. In den untersuchten Referenzgebieten lassen sich häufig beide Ausprägungen nebeneinander nachweisen. Erst in ihrem Zusammenspiel stellen sie den effektiven Vollzug des Gemeinschaftsrechts sicher.
er die Bereiche der völker- und gemeinschaftsrechtlichen Aufsicht, der Bundesaufsicht, der Behördenaufsicht, der Dienstaufsicht sowie der Verwaltungsaufsicht unter einem Dach" (S. 364); vgl. auch Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 9, 13, 33 (Inspektionen als Verbindung von Wirtschaftsaufsicht und Verwaltungskontrollen); zum Thema Wirtschaftsaufsicht auch Ehlers, Ziele der Wirtschaftsaufsicht; Bullinger, VVdStRL 22 (1965), S. 264 ff. (jeweils im nationalen Kontext) sowie Brenner, Gestaltungsauftrag, S. 281 ff. und Lühmann, DVB1. 1999, S. 752 ff. (in der Union). 470
Von Vervaele als First line und Second line Control bezeichnet, in: ders., Compliance and Enforcement, 361, 364. 471 Zu den daraus folgenden Fragen demokratischer Legitimation der europäischen Hoheitsgewalt vgl. nur Classen, AöR 119 (1994, S. 238 ff.; Hertel, Supranationalität, S. 136 ff., 145 f., 156; Hrbek, in: FS Grabitz, S. 171, 179; aus politikwissenschaftlicher Sicht Scharpf, Regieren in Europa, S. 21; Joerges, in. Jachtenfuchs / Kohler-Koch, Europäische Integration, S. 73, 75; Zürn, PVS 37 (1996), 26, 30; Höreth, Legitimationstrilemma.
Β. Strukturbildung
119
a) Direktkontrolle Direktkontrollen beim Wirtschaftsteilnehmer lassen sich als Fortentwicklung eines klassischen gewerberechtlichen Instituts unter den Gegebenheiten eines Mehrebenensystems charakterisieren. Die Fragen nach Umfang und Grenzen der Aufsichtskompetenzen i m Einzelfall, nach Grundrechten und Verteidigungsrechten, Haftungsansprüchen und Rechtsschutzgewährleistungen sind aus dem nationalen Verwaltungsrecht bekannt. 4 7 2 I m Europäischen Binnenmarkt hat Wirtschaftsaufsicht vom Grundsatz her dieselben Funktionen zu erfüllen wie i m nationalen Kontext. Dennoch sind die Problemlagen hier ganz anders. Wirtschaftsaufsicht kann sich nicht mehr auf den traditionellen Nationalstaat beschränken. Den grenzüberschreitenden Aktivitäten der Wirtschaftsteilnehmer hat eine Entgrenzung der Aufsichtstätigkeiten nachzufolgen. Diese Entgrenzung äußert sich vor allem in der Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden untereinander und mit der Kommission. A u f der europäischen Ebene ist die Inspektion damit durch die Integration von Elementen horizontaler und vertikaler Kooperation zu einem viel komplexeren Rechtsinstitut geworden. Aufgrund der unterschiedlichen Kooperationsbeiträge entstehen mehrseitige Rechtsverhältnisse, an denen (mindestens) Kommission, Mitgliedstaat und Unionsbürger beteiligt sind. Da bei der Durchführung von Inspektionen in der Form der Direktkontrolle unmittelbare Hoheitsgewalt gegenüber dem Unionsbürger ausgeübt wird, ist das Institut besonders geeignet, anhand konkreter Rechtsprobleme einen Beitrag zur Anwendung und Weiterentwicklung von Grundsätzen für demokratisches und rechtsstaatliches Verwalten i m Mehrebenensystem der EG zu lei-
b) Vollzugskontrolle Das Gemeinschaftsrecht weist der Kommission in verschiedenen Bereichen die Aufgabe zu, die Vollzugstätigkeiten der mitgliedstaatlichen Verwaltungen durch Kontrollen vor Ort zu überwachen. Besteht diese Vollzugstätigkeit der mitgliedstaatlichen Verwaltungen in einer Überwachung der Wirtschaftsteilnehmer, läßt sich von Kontrolle der Kontrolle sprechen. In diesem Bereich der Vollzugskontrolle durch die Kommission ist eine Tendenz auszumachen, von den klassischen einzelfallbezogenen Konformitätskontrollen abzurücken. Der Schwerpunkt der Untersuchungen durch die Kommission bei den mitgliedstaatlichen Verwaltungen vor Ort liegt nicht mehr auf konkreten Einzelfallkontrollen, sondern auf der Untersuchung der von den nationalen Behörden an472 Vgl. dazu die Arbeiten von Scholl, Behördliche Prüfungskompetenzen und jüngst konzentriert auf Art. 13 GG - Figgener, Betretungsrechte und Nachschaubefugnisse (2000). Grundlegend Gröschner, Überwachungsrechtsverhältnis und Mösbauer, Staatsaufsicht. 473 Dazu näher unten Kap. 4.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
gewandten Kontrollverfahren und Techniken (Audit-Approach, Systemkontroll e n 4 7 4 ) . Nachdem dieser Ansatz zunächst i m Recht der Agrarfinanzierung 4 7 5 eingeführt wurde, wird er zunehmend auch im Lebensmittel 4 7 6 - und Veterinärrecht verwirklicht. Für die Systemkontrollen spricht zunächst ihre größere Effizienz im Vergleich zu den punktuellen Einzelfallkontrollen: Sie können einen weiteren Bereich mit geringerem Kontrollaufwand erfassen. 477 Man kann diese Ausgestaltung als ein System begleitender Kontrolle bezeichn e n . 4 7 8 Gemeinschaftsaufsicht durch Systemkontrollen ist geprägt durch das Bemühen, Konfrontationen zwischen Mitgliedstaat und Kommission möglichst zu vermeiden. Unter Effektivitätsgesichtspunkten sind Kommissionskontrollen zur Sicherstellung eines unionsweit einheitlichen Vollzugsniveaus unerläßlich. Da die Kommission aber nicht die Funktion einer Fachaufsichtsbehörde wahrnimmt, enthalten die entsprechenden Regelungen immer auch Bestimmungen, die Rücksicht auf die Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten ausdrücken sollen: In der Regel sind die Besuche vorher (teilweise sogar schriftlich) anzukündigen. M i t dieser Ankündigung sollen die Mitgliedstaaten über Gegenstand, Ziel, Zeit und Ort der geplanten Überprüfungen informiert werden. 4 7 9 Auch die Bindung an die „dienstlichen 474 Diese Entwicklung beschränkt sich im übrigen nicht nur auf das Verhältnis zwischen Kommission und nationalen Uberwachungsbehörden. Der Ansatz, im Rahmen von Systemprüfungen Kontrolle der Kontrolle zu betreiben, ist auch für das innerstaatliche Recht aktuell. Vollzugskontrolle soll nicht mehr nur auf die Einhaltung der Norm im konkreten Einzelfall beschränkt sein. Stattdessen wird auf die Eigenverantwortung der Beteiligten gebaut. Ein Beispiel ist die Einführung des sog. HACCP-Konzepts im Lebensmittelrecht, siehe dazu oben A.III. (Einleitung); vgl. hier nur Lugt, in: Vervaele, Compliance and Enforcement, S. 171, 172 ff. („shifting boundaries between public and private enforcement"). 475 Im Recht der Agrarfinanzierung werden im Rahmen von Systemprüfungen Buchhaltungssysteme und Kontrollmechanismen der nationalen Zahlstellen und Bewilligungsbehörden untersucht. Dabei soll festgestellt werden, ob diese Systeme in ihrer Gesamtheit geeignet sind, eine ordnungsgemäße Durchführung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. Mögele, Fehlerhafte Ausgaben, S. 71 f. m. w. N.; vgl. nur Art. 11 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos): Die Kommission wird über den Fortschritt der Arbeiten zur Einrichtung des integrierten Systems regelmäßig unterrichtet. Sie sorgt für einen diesbezüglichen Gedankenaustausch mit den Mitgliedstaaten. Nach rechtzeitiger Unterrichtung der betroffenen zuständigen Behörden können die Bediensteten der Kommission Prüfungen und Kontrollen in bezug auf alle Maßnahmen, die zur Einrichtung des integrierten Systems getroffen werden, vornehmen. Siehe näher oben A.I.3. 476 Vgl. Art. 5 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung): Die Kommission bestellt und benennt entsprechend befähigte Beamte für die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Überwachung und Bewertung der Gleichwertigkeit und der Wirksamkeit der von den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten betriebenen amtlichen Lebensmittelüberwachungssysteme. Dazu Mögele, ZLR 1998, S. 177, 188. 477
Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 9,
35. 47
8 So auch Mögele, ZLR 1998, S. 177, 182. Pühs, Vollzug von Gemeinschaftsrecht, S. 328 f., qualifiziert die Rolle der Kommission als ein „Organ der Rechtsaufsicht mit jedoch erweiterten Ressourcen zur Datenfeststellung".
Β. Strukturbildung
121
Regeln und Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats" 4 8 0 und an das mitgliedstaatliche Verfahrensrecht ist ein Beispiel hierfür. 4 8 1 Das Charakteristikum des Abrückens von Konfrontation zugunsten von Kooperation macht Systemkontrollen zu einem besonders geeigneten Mittel im Verhältnis zwischen Kommission und Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten stehen der Kommission nicht in einem Unterwerfungsverhältnis gegenüber. Trotzdem muß die Kommission ihre Funktion als Hüterin des Gemeinschaftsrechts wahrnehmen (Art. 211 EGV). Kontrolle der Kontrolle in der Form von Systemkontrollen ist hier ein erfolgversprechender Ansatz. Die Kommissionsbeamten sollen Hilfestellung bei der Verbesserung der mitgliedstaatlichen Kontrollsysteme leisten. In dieser Konzeption tritt der Aspekt der Aufsicht i m Über-/ Unterordnungsverhältnis zugunsten kooperativer Beratung und Optimierung zurück: von der Ausübung punktueller Hoheitsbefugnisse zum Aufbau gemeinsamer Lernprozesse. Eine nähere Analyse wird darauf abzielen müssen, die rechtlichen Regeln, die diese interadministrativen Kooperationsverhältnise regieren, herauszuarbeiten. Entsprechend den Beteiligten am Kooperationsverhältnis handelt es sich um Regeln vertikaler Ko482
operation. Das Bild, das sich die Kommissionsbediensteten vor Ort über den Vollzugsstandard in den Mitgliedstaaten machen können, ist kaum vollständig, wenn die konkrete Tätigkeit der mitgliedstaatlichen Verwaltungsbehörden bei Wirtschaftsteilnehmern vor Ort ausgeklammert bleibt. Die Kontrolle der Kontrolle kann daher häufig auch dergestalt erfolgen, daß Kommissionsbedienstete an den Vor-Ort-Kontrollen der mitgliedstaatlichen Beamten bei den Wirtschaftsteilnehmern teilnehmen. Hier liegt eine Schnittstelle zu den Direktkontrollen: Im Rahmen ein- und desselben Kontrollteams nehmen die mitgliedstaatlichen Bediensteten Funktionen der Wirtschaftsaufsicht, die Kommissionsbediensteten solche der „Staats"- bzw. „Verbundaufsicht" wahr. In einigen Fällen bleibt diese Teilnahme nicht rein begleitend, sondern es stehen den Kommissionsbediensteten im Rahmen ihrer Aufsicht über die mitgliedstaatlichen Verwaltungen selbständige Inspektionsbefugnisse bei den Wirtschaftsteilnehmern zu. Die Verleihung autonomer Kontrollbefugnisse an die Kommission in Betrieben vor Ort führt hier in Materien des indirekten Vollzuges Elemente des Direktvollzuges e i n . 4 8 3 Aus der Sicht des Wirtschaftsteilnehmers
479 ζ . B. Art. 14 Abs. 2 Verordnung Nr. 17; Art. 9 Abs. 2 UAbs. 3 Verordnung Nr. 1258/ 1999 (EAGFL); Art. 39 Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse); Art. 5 Abs. 2 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung); Art. 3 Entscheidung Nr. 98/ 139 (Kontrollen vor Ort im Veterinärbereich); Art. 4 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung); anders aber Art. 29 Abs. 1 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung): Danach kann die Kommission „beschließen, Nachprüfungen ohne vorherige Ankündigung durchzuführen, sofern sie dies für notwendig hält". 480 Vgl. ζ. B. Art. 6 Abs. 2 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2729/2000 (Kontrollen im Weinsektor); Art. 41 Abs. 1 Verordnung Nr. 2600/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse). 481 ζ . Β. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 482 Dazu ausführlich unten Kap. 3.
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
122
kommt es darauf an, daß bei diesen gemeinsamen Inspektionen, die in seinem Betrieb stattfinden, Transparenz und Verantwortungsklarheit gewahrt bleiben.
2. Systematische Einordnung: Inspektionen zwischen Eigenverwaltungsrecht Gemeinschaftsv erwaltungsrecht
und
I m europäischen Verwaltungsrecht lassen sich verschiedene Rechtsschichten unterscheiden: das nationale Verwaltungsrecht, das Eigenverwaltungsrecht und das Gemeinschafts verwaltungsrecht. 4 8 4 Die Untersuchung der Referenzgebiete hat gezeigt, daß die Inspektion in allen diesen Schichten eingesetzt wird. Sie ist damit ein schichtenübergreifendes Institut der europäischen Verwaltungsrechtsord485
nung. Auch ohne die Einflüsse des europäischen Rechts werden Inspektionen traditionell als Kontrollinstrument i m Rahmen der nationalen Wirtschaftsüberwachung eingesetzt. I m Gemeinschaftsv erwaltungsr echt dienen sie als Mittel, den wirksamen Vollzug des EG-Rechts durch die nationalen Verwaltungen gemeinschaftsweit sicherzustellen. Dabei zeigt ihr Einsatz in den unterschiedlichen Referenzgebieten des Gemeinschaftsverwaltungsrechts, daß Kooperationsbedarf und Kooperationselemente sich den der jeweiligen Materie zugrundeliegenden Überwachungsmodellen anpassen. Die Kooperationsstrukturen variieren nach den unterschiedlichen Verwaltungskonzepten, die der Gemeinschaftsgesetzgeber für den betreffenden Bereich verfolgt [dazu unter a)]. M i t dem Ausbau der EG-Eigenverwaltung hat auch in den Materien des direkten Vollzugs der Bedarf an Möglichkeiten einer effektiven Vollzugskontrolle zugenommen. Inspektionsbefugnisse für Kommissionsbedienstete sind ein herausragendes Institut einer gemeinschaftlichen „Eingriffsverwaltung". Das EG-Eigenverwaltungsrecht der Inspektion sieht sich damit ähnlichen Herausforderungen gegenüber wie die nationalen Verwaltungsrechte [dazu unter b)].
a) Inspektionen i m Gemeinschaftsverwaltungsrecht Der größte Teil des EG-Rechts wird von den Mitgliedstaaten vollzogen. Der indirekte mitgliedstaatliche Vollzug wird daher auch als „Regelform" des Vollzugs 483 Näher zu der Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Vollzug siehe sogleich unter 2. 484 Zu den Schichten des Europäischen Verwaltungsrechts vgl. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, 7/12 ff.; ders. EuR 1996, S. 924 ff. 485 Den schichtenübergreifenden Charakter der gemeinschaftlichen Kontrollregelungen betont auch Priebe, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 71, 74.
Β. Strukturbildung
123
bezeichnet. 4 8 6 Die gängige daran anknüpfende Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Vollzug ist für die Inspektionen allerdings nicht weiterführend: Sowohl umzusetzendes Richtlinien- 4 8 7 als auch unmittelbar geltendes Verordnungsrecht 4 8 8 dienen als Grundlage für Inspektionspflichten der Mitgliedstaaten. Inspektionen gibt es im Recht des mittelbaren ebenso wie i m Recht des unmittelbaren Vollzuges. Dabei lassen sich, was die inhaltliche Ausgestaltung der Inspektionen betrifft, keine signifikanten Unterschiede feststellen. Insbesondere lassen die Richtlinien, die den Mitgliedstaaten die Durchführung von Inspektionen vorschreiben, den Mitgliedstaaten nicht mehr Spielraum als die Verordnungen. Es scheint eher so zu sein, daß diejenige Rechtsform gewählt wurde, die die Ermächtigungsgrundlage i m EGV für die Regelung des entsprechenden Sachbereichs bereitstellt. Es bietet sich daher an, den umfassenderen Begriff des Gemeinschaftsverwaltungsrechts heranzuziehen. Das Gemeinschaftsverwaltungsrecht bezieht sich allgemein auf das Handeln der nationalen Verwaltungen und umfaßt die „kraft Gemeinschaftsrechts in allen oder für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Verwaltungsrechtsregelungen". 489 Angesichts grenzüberschreitender Waren- und Dienstleistungsströme kann ein isoliert-einzelstaatlicher Vollzug auf die dabei auftretenden Gefahren nicht angemessen reagieren. Während nach herkömmlichem Verständnis die Befugnisse der Verwaltungen an den Landesgrenzen enden, können sich die Gefahren, die von unsicheren Produkten oder unseriösen Geschäftspraktiken ausgehen, ungehindert i m gesamten Binnenmarkt ausbreiten. Aufgabe des Gemeinschaftsrechts ist es unter anderem, Konzepte für einen gemeinschaftsweiten Schutz der Interessen der Verbraucher und Wirtschaftsteilnehmer zu entwickeln. Dabei sind einer generellen „Hochzonung" der Überwachungsaufgaben auf die Ebene der EG-Eigenverwaltung und damit einer Übernahme in das Eigenverwaltungsrecht schon durch deren beschränkte Kapazitäten Grenzen gesetzt. 4 9 0 Ganz abgesehen davon wird eine solche Ausweitung der Überwachungsbefugnisse von den Mitgliedstaaten politisch nicht gewünscht. Der EGV würde dafür in den meisten Fällen auch gar keine Grundlage zur Verfügung stellen. Eine Alternative zur Hochzonung bietet die Harmonisierung der nationalen Überwachungssysteme auf der Ebene des Gemeinschaftsverwaltungsrechts [unter (1)]. Der weiteren Ausgestaltung, die diese Harmonisierung der nationalen Über486 Vgl. ausführlich Stettner, in: Dauses, HBEUWiR, B. III, Rn. 11 ff. Dort auch zu den Unterscheidungen zwischen unmittelbarem und mittelbarem indirektem Vollzug. Zu den verschiedenen Vollzugsformen auch Streinz, Europarecht, Rn. 463 ff.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 424 ff.; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 27 ff.; Harding, in: Harding/Swart, Enforcing European Community Rules, S. 22 ff. 48V So ζ. Β. im Lebensmittel- und Veterinärrecht. 488 So ζ. B. im Agrarrecht, das traditionell Verordnungsrecht ist; allgemein zu den Handlungsformen im Gemeinschaftsrecht Biervert, Handlungsformen, S. 70 ff. 489 Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, S. 924, 926. 490 Näher zu den Inspektionen als Bestandteil des Eigen Verwaltungsrechts unter b).
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
wachungssysteme an die Erfordernisse der Zusammenarbeit der Verwaltungen i m Gemeinschaftsraum anpassen, liegen verschiedene Modelle zugrunde [(2) und [3)].
(1) Harmonisierung der nationalen Uberwachungssysteme durch normative Vorgaben I m Gemeinschaftsrecht gibt es zahlreiche Rechtsakte, die Vorgaben für die Organisation und Durchführung von Kontrollen gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern durch die Mitgliedstaaten enthalten. 4 9 1 Sie führen zu einer Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Aufsichtsregime und damit mittelbar zur Verwirklichung des Binnenmarktes. Ungleiche rechtliche Rahmenbedingungen können zu Wettbewerbs Verzerrungen führen. Darüber hinaus geht es um den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft: Inspektionen dienen dazu, Mißbräuche und Betrügereien durch Empfänger von Gemeinschaftsmitteln aufzudecken und abzustellen. Im Sicherheitsrecht helfen sie, die Gesundheit der Verbraucher zu schützen. Ein einheitlicher (Mindest-)Standard, den alle Mitgliedstaaten i m Rahmen ihrer Überwachungstätigkeiten zu erfüllen haben, ist außerdem geeignet, gegenseitiges Vertrauen in die Überwachung durch die anderen Mitgliedstaaten zu schaffen. 4 9 2 Die Inspektionen bilden so die Basis für die Verwirklichung eines EG-weiten Prinzips der Herkunftslandkontrolle 4 9 3 und für den Abbau von Doppelkontrollen, die den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr behindern. Teilweise (entweder als „Einleitung", der dann genauere Vorgaben folgen, oder isoliert) enthalten die Vorschriften nur die allgemeine Festlegung, daß die M i t gliedstaaten die „erforderlichen Maßnahmen" zu treffen haben, um die Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften zu gewährleisten. 4 9 4 Ebenfalls noch recht allgemein ist die Vorgabe, nach der die Kontrollbediensteten in die Lage versetzt werden müssen, „alle notwendigen Nachprüfungen vornehmen zu k ö n n e n " . 4 9 5 Die 491
Ein Überblick über die gemeinschaftliche Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Kontrollvorschriften findet sich auch bei Jans/de Lange/ Prêchai/ Widdershoven, Europees bestuursrecht, S. 243 ff. und (systematisierend) Lühmann, DVB1. 1999, 752, 759 ff. 492 Vgl. für das Lebensmittelrecht Nentwich, Lebensmittelrecht, S. 165 f. und Streinz, WiVerw 1993, S. 57. 493 Allgemein zu Begriff, Ratio und Vorkommen des Prinzips der Herkunftslandkontrolle Neßler, Richtlinienrecht, S. 36 ff. 494 So z. B. Art. 38 Abs. 1 Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse); vgl. auch Art. 8 Abs. 1 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL) und Art. 2 Abs. 1 Verordnung Nr. 3002/92 (Überwachung von Interventionserzeugnissen). Art. 2 Abs. 1 Richtlinie Nr. 89/397EWG (Lebensmittelüberwachungsrichtlinie): „Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Vorkehrungen, damit die Überwachung gemäß dieser Richtlinie durchgeführt wird." Aus dem Umweltrecht vgl. als Beispiel Art. 30 Abs. 1 Verordnung Nr. 259/93 (Abfallverbringungsverordnung - „erforderliche Maßnahmen"). Siehe auch Art. 8 Verordnung Nr. 2888/95 (Sanktionsverordnung). Zu diesen „Minimalregelungen" Heine, WiVerw 1996, S. 149, 164.
Β. Strukturbildung
125
Harmonisierung liegt in diesen Fällen darin, daß überhaupt die Durchführung von Kontrollen vorgeschrieben wird, wobei die nähere Ausgestaltung den Mitgliedstaaten überlassen bleibt. Inspektionen als spezielle Kontrollpflichten werden in vielen Rechtsakten ausdrücklich genannt. Als Ergänzung finden sich genauere Vorgaben für Befugnisse, die die Mitgliedstaaten ihren Kontrollbediensteten einräumen müssen: Zugang zu Anbauflächen, Transportmitteln, Lager-, Betriebs- und Geschäftsräumen, 496 Rechte zur Probenahme 4 9 7 und Rechte zur Prüfung von Schrift- und Datenträgern. 4 9 8 Einheitliche Vorschriften über Kontrollgegenstände, 499 Mindestkontrollsätze, 5 0 0 die Überprüfung von Geschäftsbüchern, Kriterien für die Auswahl von Stichprob e n , 5 0 1 die Vereinheitlichung von Probenahme- und Analyseverfahren 5 0 2 und sonstigen Kontrollkriterien oder die Einführung von Satellitenüberwachungs- 503 und Fernerkundungssystemen 504 garantieren nicht nur ein hohes Schutzniveau, sondern auch gleiche Wettbewerbsbedingungen. Beim Verdacht auf schwerwiegende Ver495 Art. 2 Abs. 4 Verordnung Nr. 85/93 (Kontrollstellen im Tabaksektor). Art. 11 Abs. 1 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachungsrichtlinie): „Die Mitgliedstaaten räumen den mit der Überwachung beauftragten Personen das Recht ein, die ... genannten Tätigkeiten durchzuführen." 496 Art. 4 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung); Art. 2 Abs. 4 Verordnung Nr. 85/93 (Kontrollstellen im Tabaksektor); Art. 6 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachungsrichtlinie). 497 Art. 7 Richtlinie Nr. 89 / 393 (Lebensmittelüberwachungsrichtlinie). 498 Art. 9 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachungsrichtlinie). 499 Vgl. ζ. B. Art. 6 Abs. 1 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachungsrichtlinie) mit einer genauen Aufzählung der Gegenstände, die der Inspektion unterliegen. Im Veterinärrecht müssen Tiere auf ihre Gesundheit, Fleisch auf seine Qualität und Produktionsanlagen auf die Einhaltung der hygienischen Anforderungen hin untersucht werden; vgl. auch Art. 10 f. der Verordnung Nr. 438/2001 (Durchführung Verwaltungs- und Kontrollsysteme bei Strukturfondsinterventionen). 500 Nach Art. 6 Abs. 3 - 5 der Verordnung Nr. 3887/92 (Invekos-Durchführung) müssen mindestens 10 Prozent der Beihilfeanträge „Tiere" und 5 Prozent der Beihilfeanträge „Flächen" durch Kontrollen vor Ort überprüft werden. Die Warenstichproben nach der Verordnung Nr. 386/90 (Kontrolle bei Ausfuhrerstattungen) i.V.m. der Verordnung Nr. 2221/95 (Durchführung Kontrolle bei Ausfuhrerstattungen) müssen mindestens 5 Prozent umfassen; feste Prozentsätze auch nach Art. 17 der Verordnung Nr. 659/97 (Durchführung Marktorganisation Obst und Gemüse). 501
Ζ. B. Auswahl der zu untersuchenden Betriebe nach dem Prinzip der Risikoanalyse, Art. 6 Abs. 3 - 5 Verordnung Nr. 3887/92 (Invekos-Durchführung); nunmehr Art. 19 Verordnung Nr. 2419/2001 (Invekos Durchführung neu). Allgemein zu diesem Prinzip vgl. nur Magiern, in: FS Friauf, S. 13, 32; Woljfgang/Ulrich, EuR 1998, S. 616, 637 f. 502 ζ . B. Art. 3 und 4 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachungsrichtlinie); Art. 15 i.V.m. Anh. I D Richtlinie Nr. 91 / 271 (Kommunales Abwasser). 503 Vgl. ζ. B. Art. 3 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung) i.d.F. d. Verordnung Nr. 686/97: Zur Ortung der Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft führt jeder Mitgliedstaat ein System der Satellitenüberwachung der Fischereifahrzeuge ein. 504 Vgl. Art. 7 Abs. 4 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos) i.V.m. Art. 7 Verordnung Nr. 3887/92 (Invekos-Durchführung) i.d. geänderten Fassung der Verordnung Nr. 1678/98.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Stöße müssen die Inspektoren der Mitgliedstaaten das Recht zum Ergreifen geeigneter einstweiliger Maßnahmen haben. 5 0 5 Diese Harmonisierungsmaßnahmen können als Grundtatbestand qualifiziert werden. Ergänzende Regelungen tragen den Erfordernissen einer gemeinschaftsweiten Aufsicht Rechnung [unter (2) und (3)].
(2) Überwachung smode II 1 : Unter den Mitgliedstaaten aufgeteilte Uberwachungszuständigkeiten und Prinzip gegenseitiger Anerkennung Verläßt ein Produkt das Gebiet eines Mitgliedstaats, so endet grundsätzlich auch dessen Überwachungszuständigkeit. Zuständig wird der Mitgliedstaat, in dem das Produkt weiter vermarktet wird. Ergänzend sorgt das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung dafür, daß aus diesem Zuständigkeitswechsel keine Handelshemmnisse resultieren. Als Referenzgebiet kann das Lebensmittel- und Veterinärrecht herangezogen werden: In einem Mitgliedstaat rechtmäßig auf den Markt gebrachte Lebensmittel sind grundsätzlich in allen Mitgliedstaaten frei verkehrsfähig. 5 0 6 Die Kontrollen des Herkunftslandes werden in den Bestimmungsländern anerkannt. Dort sind dann nur noch nicht diskriminierende Stichprobenkontrollen erlaubt. Die Verwirklichung eines solchen Systems ist ohne eine enge Zusammenarbeit der Verwaltungen untereinander nicht denkbar. Die Mitgliedstaaten werden nur dann auf die Durchführung verstärkter Inspektionen bei den Importeuren verzichten, wenn sie Vertrauen in die Gleichwertigkeit der Überwachungssysteme haben. Horizontale Kooperation in Form von Inspektionsersuchen an Überwachungsbehörden anderer Mitgliedstaaten, wechselseitiger Teilnahme an Inspektionen und Informationsaustausch kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Es bleibt aber dabei, daß kein Mitgliedstaat selbständige Inspektionsrechte außerhalb seines Territoriums hat.
(3) Uberwachungsmodell 2: Gemeinschaftsweite Uberwachungszuständigkeit eines Mitgliedstaats Die territoriale Beschränkung der Überwachungszuständigkeit wird dann überwunden, wenn das Gemeinschaftsrecht einem Mitgliedstaat gemeinschaftsweite Überwachungsaufgaben zuweist. Dieses Konzept stärkerer Entterritorialisierung liegt den beschriebenen Regeln des Bankenaufsichtsrechts zugrunde: Die Bankenaufsicht eines Mitgliedstaats ist für die Überwachung aller Geschäftsaktivitäten der Banken mit Sitz auf seinem Territorium zuständig. Das gilt unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat die Bank ihre Dienstleistungen erbringt. Auch die Tätigsos Z. B. Art. 4 Verordnung Nr. 2729/2000 (WeinkontrollVerordnung). 506 Zum Prinzip der gegenseitigen Anerkennung im Lebensmittelrecht Köhler, ZLR 2001, S. 191, 192 ff.; Horst, ZLR 2000, S. 475, 483 f.
Β. Strukturbildung
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keit der Zweigstellen einer bundesdeutschen Bank in den anderen EG-Ländern unterliegt damit der deutschen Bankenaufsicht. Entsprechend sind auch die Inspektionsbefugnisse durch eine stärkere Entgrenzung gekennzeichnet: Bedienstete des Herkunftsstaats dürfen Inspektionen auch i m Aufnahmestaat durchführen. Es bleibt nicht bei der Möglichkeit eines Ersuchens an die Bankenaufsicht des Aufnahmemitgliedstaats. Die Grenze liegt bei der Ausübung unmittelbaren Zwangs. Hierfür muß um die Unterstützung des Aufnahmemitgliedstaats ersucht werden. Die Ausübung von Hoheitsrechten durch Aufsichtsbeamte eines Mitgliedstaats auch in einem anderen stellt eine neue Stufe der Kooperation dar. In diesen Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit kommt die Europäisierung der UberwachungsVerantwortlichkeiten in besonderer Weise zum Ausdruck: Mehrere Verwaltungen wirken zusammen zur Bewältigung einer Aufgabe, nämlich einer gemeinschaftsweit funktionierenden Wirtschaftsaufsicht.
b) Inspektionen i m Recht der EG-Eigenverwaltung Inspektionen sind auch i m Recht der EG-Eigenverwaltung ein häufig vorkommendes Mittel der Kontrolle. Sie kommen sowohl in Form von direkten Kommissionskontrollen gegenüber dem Wirtschaftsteilnehmer als auch - bei entsprechend weitem Verständnis des Begriffs Eigenverwaltungsrecht - als Inspektionen bei den mitgliedstaatlichen Verwaltungen v o r . 5 0 7 Ein Beispiel für die zuerst genannte Ausprägung bieten die Nachprüfungsrechte der Kommission bei den Unternehmen i m Rahmen der Kartellaufsicht. Sie gehören zum traditionellen Instrumentarium einer EG-Verwaltung, die zu direktem Handeln gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern befugt ist. A m Vorbild des Kartellrechts orientieren sich jüngere Regelungen, insbesondere die Inspektionsbefugnisse der Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft. Bei der Wahrnehmung ihrer Nachprüfungsrechte i m direkten Vollzug ist die Kommission auf die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten angewiesen. Vor allem für die Durchsetzung der Inspektionsbefugnisse ist die Unterstützung durch die Mitgliedstaaten erforderlich. Die Kooperationsbeziehungen sind hier naturgemäß eher vertikal ausgeprägt. Sieht man das gesamte Verwaltungshandeln von Organen der Gemeinschaft, also jegliche eigene Verwaltungstätigkeit der Gemeinschaft als vom Begriff der EGEigenverwaltung umfaßt a n , 5 0 8 gehört auch das Recht dieses Verwaltungshandelns mit zum EG-Eigenverwaltungsrecht. Damit gehören zunächst auch die Kontrollen, die die Kommission in Ergänzung der Inspektionen der Mitgliedstaaten bei den Wirtschaftsteilnehmern durchführt, zum Eigenverwaltungsrecht. 509 Darüber hinaus 507 Zu diesen „Zelfstandige controlebevoegdheden van de Commissie in de lidstaten" Jans/de Lange/ Prêchai /Widdershoven, Europees bestuursrecht, S. 248 ff. 508 Schmidt-Aßmann, in: Müller-Graff, Perspektiven des Rechts, S. 131, 151.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
sind auch die Inspektionstätigkeiten der Kommission bei den mitgliedstaatlichen Verwaltungen ein Bestandteil der Eigenverwaltung: 5 1 0 Sie werden von der Kommission in Ausübung ihrer Aufgabe als Hüterin der Verträge durchgeführt. Diese Tätigkeiten sind letztlich genauso Verwaltungstätigkeiten wie beispielsweise die Beihilfenaufsicht, die die Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten ausübt. Solche Aktivitäten der Kommission werden ohne besondere Diskussion dem Eigenverwaltungsrecht zugeordnet. Entsprechendes hat dann auch für die Inspektionen bei den mitgliedstaatlichen Verwaltungen zu gelten. Das Vorkommen der Inspektion in allen Schichten des europäischen Verwaltungsrechts zeigt nicht nur ihre Vielseitigkeit und Bedeutung für die Zusammenarbeit der Verwaltungen in Europa. Es wird gleichzeitig deutlich, wie wichtig es ist, die mit der Inspektionstätigkeit verbundenen Eingriffsbefugnisse in die Rechte der Unionsbürger schichtenübergreifend an einheitlichen elementaren Verfahrensanforderungen auszurichten. Der EU-Bürger, der sich (teilweise gemeinsamen) Eingriffshandlungen sowohl der EG-Verwaltung als auch seiner eigenen nationalen Verwaltung, u.U. sogar denen von Behörden anderer Mitgliedstaaten ausgesetzt sieht, darf mit Recht erwarten, daß sich die Standards einander angleichen. Zwischen dem Eigenverwaltungsrecht und dem Gemeinschaftsverwaltungsrecht darf es keine gravierenden Wertungsunterschiede geben. 5 1 1 Auch die interadministrative Zusammenarbeit vollzieht sich nicht im rechtsfreien Raum. Sie hat sich an Standards zu orientieren, die aus den primärrechtlichen Grundlagen, die E U V und EGV dafür bieten, abzuleiten s i n d . 5 1 2
II. Kooperationselemente Untersucht man die Ausgestaltung der Inspektionsbefugnisse in den beiden genannten Funktionszusammenhängen der Wirtschafts- und der Staatsaufsicht näher, wird deutlich, daß die Inspektionen in ein komplexes System der Verwaltungsko509
Das sind ζ. B. die Kontrollen im Agrarrecht nach Art. 9 Abs. 2 Verordnung Nr. 1258/ 1999 (EAGFL) oder diejenigen nach der Kontrollverordnung Nr. 2185/96. Priebe, in: Schmidt-Aßmann /Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 71, 76 f. spricht insoweit von komplementärer bzw. akzessorischer Eigenverwaltung. 5,0
So auch Priebe, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 71, 76 f. 511 In diesem Sinne auch Schmidt-Aßmanns „Parallelisierungsthese"; vgl. Ordnungsidee, 7/25; ZÖR 2000, S. 159, 167. Das Erfordernis einheitlicher Maßstäbe für Eigenverwaltung und Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten betont auch Priebe, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 71, 97; ders., in: Schwarze / Starck, EuR, Beiheft 1/1995, S. 99 f.; die Notwendigkeit einer getrennten Betrachtung der verschiedenen Schichten aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsweise von Eigen- und Gemeinschaftsverwaltungsrecht hebt dagegen Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 72 hervor. Umfassend zu diesen Fragen siehe unten Kap. 4. 512 Umfassend zu diesen Fragen siehe unten Kap. 3.
Β. Strukturbildung
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operation eingebunden sind. Kooperationselemente finden sich in vielfältigen Formen sowohl bei den Direktkontrollen als auch im Rahmen der Ausformung als Kontrolle der Kontrolle. 5 1 3 Die gefundenen Funktionszusammenhänge spiegeln sich vor allem in verschiedenen Teilnahmeformen wider (1.). Die Kontrollen vor Ort werden flankiert durch Mechanismen des Informationsaustauschs und der Informationsvorsorge (2.). Daneben gibt es Formen der finalen Vor- und Nachsteuerung durch Kontrollpläne und Kontrollberichte (3.).
7. Teilnahmeformen Die Analyse der Rechtsgebiete zeigt, daß Inspektionen oft nicht durch einen Verwaltungsträger alleine, sondern in vertikaler oder horizontaler Kooperation gemeinsam durch Bedienstete eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder der Kommission durchgeführt werden.
a) Vertikale Kooperation Gemischt in vertikaler Kooperation erfolgen Inspektionen, wenn sowohl Kommissions- als auch mitgliedstaatliche Bedienstete bei ihrer Durchführung vor Ort beteiligt sind. Die Verantwortung für die Durchführung solcher Inspektionen kann bei der Kommission oder beim jeweiligen Mitgliedstaat liegen. In der Regel hat dann die jeweils nicht verantwortliche Partei das Recht (oder auf Antrag sogar die Pflicht), die verantwortliche Partei zu begleiten. Bei den Direktkontrollen gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern ist die Hauptverantwortung in der Regel einer der beteiligten Instanzen ausdrücklich zugewiesen. Hat die Kommission autonome Kontrollbefugnisse, können Bedienstete der Mitgliedstaaten an den Inspektionsbesuchen teilnehmen. Unter Umständen sind sie zur Leistung von Vollzugshilfe verpflichtet, weil der Kommission keine eigenen Zwangsbefugnisse zukommen. Führt umgekehrt der Mitgliedstaat auf eigene Initiative oder auf Ersuchen der Kommission oder eines anderen Mitgliedstaats Inspektionen durch, normieren viele der einschlägigen Vorschriften Begleitrechte für die Kommissionsbediensteten.
(I)
Beteiligung der Kommission an den Inspektionen der Mitgliedstaaten
Im Rahmen ihrer Vollzugskontrolle können die Kommissionsbediensteten in vielen Fällen an den Kontrollen teilnehmen, die die Bediensteten der Mitgliedstaa-
513
Einen Überblick über die administrative Zusammenarbeit bei der Kontrolle der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts geben Jans/de Lange / Prêchai /Widdershoven, Europees bestuursrecht, S. 245 ff. 9 David
130
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
ten vor Ort bei den Wirtschaftsteilnehmern durchführen. Es handelt sich dann um eine Art begleitender Kontrolle, so vor allem i m Agrarrecht, 5 1 4 Fischereirecht, 515 Lebensmittelrecht. 5 1 6 Die Befugnisse der Kommissionsbediensteten sind in allen diesen Fällen von denen der mitgliedstaatlichen Bediensteten abgeleitet, teilweise deutlich beschränkt. Die Rechtsakte enthalten häufig die ausdrückliche Festlegung, daß die Bediensteten der Mitgliedstaaten jederzeit „für die Durchführung der Inspektionen zuständig" s i n d 5 1 7 bzw. daß die Leitung der Untersuchung ständig bei den Bediensteten der Mitgliedstaaten l i e g e . 5 1 8 Entsprechendes wird durch Formulierungen wie „die Verantwortung für die Durchführung der Uberwachungsmaßnahmen verbleibt jederzeit bei den Bediensteten der Mitgliedstaaten" 5 1 9 bzw. „die Kommissionsinspektoren dürfen nicht von sich aus Inspektionsbefugnisse der nationalen Beamten wahrnehmen" 5 2 0 erreicht. Die Kommissionsbediensteten haben i.d.R. Zugang zu denselben Räumlichkeiten wie die Kontrollbediensteten der Mitgliedstaaten. 5 2 1 Teilweise ist ausdrücklich festgelegt, daß das Betreten nur in Begleitung der nationalen Beamten zulässig i s t . 5 2 2 Die Kommissionsbediensteten dürfen wie diese Akten einsehen und auch bei Bedarf Kopien anfertigen. 5 2 3 Der direkte Kontakt zu den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern ist nur eingeschränkt möglich. Teilweise ist er sogar ausdrücklich verboten: Nach der Fischereikontroll Verordnung haben die Kommissionsinspektoren kein Recht, Kontrollen bei natürlichen Personen vorzunehmen. 5 2 4 Bei den Kontrollen im Eigenmittelsektor sind direkte Kontakte zu den Abgabepflichtigen nur vermittelt über die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten m ö g l i c h . 5 2 5
514
Art. 40 Abs. 2 lit. a) Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse); Vgl. auch Art. 6 Abs. 3 Verordnung Nr. 2048/89 (WeinkontrollVerordnung). 515 Art. 29 Abs. 2 Verordnung Nr. 2847/93 (FischereikontrollVerordnung). 516 Art. 5 Abs. 2 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung). 517 Z. B. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 4 Verordnung Nr. 2729/2000 (Kontrollen im Weinsektor); Art. 29 Abs. 3 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung). 518 Z. B. Art. 6 Abs. 4 Verordnung Nr. 595 / 91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung). 519 Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung). 520 Art. 29 Abs. 3 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2847/93 (FischereikontrollVerordnung); Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung). 521 Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung); Art. 6 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Verordnung Nr. 2729/2000 (Kontrollen im Weinsektor). 522 Art. 29 Verordnung Nr. 2847 / 93 (Fischereikontrollverordnung). 523 Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung - Unterlagen); Art. 6 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Verordnung Nr. 2729/2000 (Kontrollen im Weinsektor). 524 Art. 29 Abs. 4 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung).
525 Art. 3 Abs. 1 lit. c Verordnung Nr. 1026/1999 (Kontrolle Eigenmittel).
Β. Strukturbildung
131
Eine weitere standardmäßige Beschränkung ist das Verbot der Teilnahme an strafrechtlichen Ermittlungen der Mitgliedstaaten: Von Durchsuchungen und Befragungen i m Rahmen strafprozessualer Ermittlungen der Mitgliedstaaten sind die Kommissionskontrolleure ganz ausgeschlossen. Sie haben allerdings Zugang zu den dabei erhaltenen Informationen. 5 2 6 Nehmen die Kommissionsbediensteten lediglich in begleitender Funktion an den Inspektionen der Mitgliedstaaten teil, haben sie i.d.R. keine eigenen Probenahmerechte. In neueren Vorschriften wurde teilweise ausdrücklich geregelt, daß die Kommissionsbediensteten die Bediensteten der Mitgliedstaaten um die Entnahme von Proben ersuchen und anschließend selbst darüber verfügen dürfen. 5 2 7 Daneben gibt es auch Regelungen, nach denen die Kommission den Mitgliedstaat um die Durchführung von Inspektionen ersuchen kann. Solche Inspektionen auf Ersuchen stellen eine Alternative zu autonomen Kommissionskontrollen dar. Sie sind häufig in ein und demselben Rechtsakt normiert. Inspektionen auf Ersuchen der Kommission können sowohl in den Bereichen, die die Kommission selbst vollzieht, als auch dort, wo der Vollzug den Mitgliedstaaten zugewiesen ist, stattfinden. I m ersten Fall zieht die Kommission die Mitgliedstaaten zu Hilfeleistungen bei der Erfüllung von Aufgaben heran, die eigentlich ihr selbst obliegen. 5 2 8 Das gilt ζ. B. für die Inspektionen auf Ersuchen nach der Verordnung Nr. 17. Ahnliches gilt für das Querschnittsgebiet Betrugsbekämpfung: Neben der Durchführung eigenständiger Kontrollen vor Ort kann die Kommission die Mitgliedstaaten auch zur Durchführung von Inspektionen auffordern. 5 2 9 Sowohl i m Kartellrecht als auch im Recht der Betrugsbekämpfung kann die Kommission an diesen Inspektionen teilnehmen. 5 3 0 Wenn sie dieses Recht wahrnimmt, bleibt allerdings nicht ganz einsichtig, warum sie nicht gleich aus eigenem Recht eine Inspektion bei dem betroffenen Wirtschaftsteilnehmer vornimmt. Für das Kartellrecht wird denn auch darauf hingewiesen, daß die Inspektion auf Ersuchen in der Verwaltungspraxis keine Rolle spielt. I m Recht der Betrugsbekämpfung findet sich in den Berichten kein Hinweis darauf, ob und wie häufig die Kommission Ersuchen nach der Verordnung Nr. 2185/96 gestellt hat. 526
Art. 30 Abs. 3 Verordnung Nr. 2847/93 (FischereikontrollVerordnung); Art. 11 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos); Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung). s 27 Ζ. B. Art. 15 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung n.F.). 528
So ζ. B. in der Kartell Verordnung Nr. 17: Die Kommission hat nicht nur die Befugnis, selbst autonome Kontrollen durchzuführen (s.o.), sie kann auch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten um die Durchführung von Nachprüfungen ersuchen (Art. 13 Verordnung Nr. 17). 529 Art. 6 Abs. 1 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung); Art. 18 Abs. 3 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfe Verordnung). 530 Art. 13 Verordnung Nr. 17; Art. 6 Abs. 1 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung).
132
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Wenn die Kommission die Mitgliedstaaten in Bereichen des indirekten Vollzugs um die Durchführung von Inspektionen ersucht, liegt darin eine Art Aufsichtsmaßnahme: Aufforderungen zur Durchführung von Mitgliedstaatsinspektionen bei den Wirtschaftsteilnehmern vor Ort können vor allem dann ergehen, wenn die Kommission der Auffassung ist, daß Vollzugsdefizite vorliegen. Hauptreferenzgebiet ist das Recht der Agrarfinanzierung: A u f Ersuchen der Kommission und i m Einvernehmen mit dem betreffenden Mitgliedstaat führen die zuständigen mitgliedstaatlichen Stellen Prüfungen oder Nachforschungen durch. 5 3 1 Teilweise wird der Begriff „Ersuchen" nicht ausdrücklich verwendet. So heißt es ζ. B. in der Verordnung Nr. 595/91: „Ist die Kommission der Auffassung, daß Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, setzt sie den betreffenden Mitgliedstaat davon in Kenntnis. Dieser leitet so bald wie möglich eine Untersuchung e i n . " 5 3 2 Eine entsprechende Vorschrift gibt es auch i m gemeinschaftlichen Fischereirecht. 533 Auch in den Fällen der Inspektionen auf Ersuchen können Bedienstete der Kommission daran teilnehm e n . 5 3 4 Ihre Kompetenzen bleiben aber begleitender Art. Sie können die den einzelstaatlichen Bediensteten zuerkannten Kontrollbefugnisse nicht selbst ausüben. Sie haben jedoch Zugang zu denselben Räumlichkeiten und denselben Unterlagen wie jene Bediensteten. A n Durchsuchungen und förmlichen Vernehmungen i m Rahmen des Strafrechts nehmen sie nicht teil, können aber auf die dabei erhaltenen Informationen zugreifen. 5 3 5 (2) Teilnahme der Mitgliedstaaten
an Kommissionsinspektionen
Nehmen Kommissionsbedienste eigenständige Kontrollen in den Mitgliedstaaten vor, können daran Bedienstete des betreffenden Mitgliedstaats teilnehmen. 5 3 6 Diese Teilnahmemöglichkeit bietet für beide Seiten Vorteile. Die Kommissionsbediensteten haben jederzeit eine Anlaufstelle, an die sie sich bei Fragen wenden können. Den mitgliedstaatlichen Verwaltungen wird die Möglichkeit gegeben, die Tätigkeiten der Kommissionsinspektoren auf ihrem Territorium zu verfolgen. Die 531 Art. 9 Abs. 2 UAbs. 4 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL); Art. 18 Abs. 3 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung). Für die Strukturfonds vgl. Art. 38 Abs. 2 UAbs. 3 Verordnung Nr. 1260/ 1999. 532 Art. 6 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung). Vgl. auch Art. 6 Abs. 3 Verordnung Nr. 2048/89 (Weinkontrollverordnung) und Art. 18 Abs. 4 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfe Verordnung). 533 Art. 30 Abs. 2 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung). 534 Art. 9 Abs. 2 UAbs. 4 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL); Art. 18 Abs. 4 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung). 535 Vgl. ζ. B. Art. 6 Verordnung Nr. 515/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung). 536 Art. 9 Abs. 2 UAbs. 3 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL); Art. 11 Verordnung Nr. 3508/92 (Invekos). Art. 14 Abs. 5 Verordnung Nr. 17 (Bedienstete der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats können auf Antrag dieser Behörde oder auf Antrag der Kommission die Bediensteten der Kommission bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen). Art. 38 Abs. 2 UAbs. 2 Verordnung Nr. 1260/1999 (Strukturfonds), Art. 4 Abs. 1 Verordnung Nr. 2185/1996 (KontrollVerordnung).
Β. Strukturbildung
133
Begleitrechte der Mitgliedstaaten dienen damit zunächst der Herstellung von Transparenz. Unter Umständen kann die Teilnahmemöglichkeit auch zu einer Teilnahmepflicht werden. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Kommission auf die Vollzugshilfe durch die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten angewiesen ist. Die Kommissionsbediensteten dürfen zwar selbständig die Geschäftsräume der betreffenden Unternehmen betreten und dort Geschäftsunterlagen einsehen bzw. kopieren oder mündliche Erklärungen anfordern. 5 3 7 Schon bei der Frage nach einem eigenständigen Recht zur Entnahme von Proben wird die Rechtslage aber uneinheitlich. Der Streit um diese Frage ist vor allem i m Agrarrecht geführt worden. 5 3 8 So fehlt eine ausdrückliche Erwähnung ζ. B. in der Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL). Der Argumentation der Kommission, aus Gründen der Effektivität müsse ihr ein Probenahmerecht zustehen, hat der EuGH eine Absage erteilt. 5 3 9 Bei ihren Kontrollen nach der Verordnung Nr. 1258/1999 sind die Kommissionsbediensteten demzufolge für die Entnahme von Proben auf die Unterstützung der mitgliedstaatlichen Bediensteten angewiesen. Nach anderen Vorschriften haben die Kommissionsbeamten dagegen ein eigenes Recht zur Entnahme und Untersuchung von Stichproben. 5 4 0 Allerdings dürfen die Gemeinschaftsinspektoren nach dem jetzigen Stand des Gemeinschaftsrechts weder selbständig ohne Einwilligung des Unternehmers Durchsuchungen vornehmen noch unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sich der Unternehmer der Inspektion widersetzt. So haben sie ζ. B. kein Recht, Schränke oder Schreibtische gewaltsam zu öffnen. 5 4 1 Hierfür müssen sie die zuständigen nationalen Behörden einschalten, die ihnen i m Wege der Amtshilfe die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderliche Unterstützung zu gewähren haben. 5 4 2 Es ist also die Aufgabe der Mitgliedstaaten, den Kommissionsbediensteten den Zugang zu allen erforderlichen Informationen, Unterlagen, Orten, Gebäuden und Transportmitteln, an denen die Kontrollen durchgeführt werden müssen, zu ermöglichen. 5 4 3 Ihnen obliegt es auch, auf Ersuchen der Kommission Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere Beweisstücke zu sichern. 5 4 4 537 Art. 14 Verordnung Nr. 17; Art. 7 Abs. 1 UAbs. 1 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung); Art. 9 Abs. 2 UAbs. 3 Verordnung Nr. 1258/1999 (EAGFL). 538 Näher dazu unten Kap. 3 A.I. 539 EuGH, Rs. C-366/88 (Frankreich / Kommission), Slg. 19901, 3595 ff. 540 Art. 7 Abs. 1 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2185/96 (KontrollVerordnung). 541 Art. 7 Abs. 2 und Art. 9 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 542 Art. 14 Abs. 6 Verordnung Nr. 17; Art. 9 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 543 Vgl. ζ. B. Art. 6 Abs. 1 Entscheidung Nr. 98/139 (Kontrollen vor Ort im Veterinärrecht). 544 Art. 7 Abs. 2 und Art. 9 Verordnung Nr. 2185/96 (KontrollVerordnung). Neu in dem Entwurf zur Novellierung der Verordnung Nr. 17: Kommissionsbedienstete sollen selbst das Recht erhalten, Räume zu versiegeln, vgl. näher oben A.II.l.c).
134
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Die Mitwirkung der zuständigen mitgliedstaatlichen Stellen zur Leistung von Vollzugshilfe kann auch rein vorsorglich angefordert werden. Der ersuchte Mitgliedstaat darf das Ersuchen der Kommission nach der Rechtsprechung des EuGH nur auf offensichtliche Mängel wie etwa Verstöße gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, nicht aber auf seine Zweckmäßigkeit hin untersuchen. 545
(3) „ Gemeinsame " Kontrollen Die unter (1) und (2) beschriebenen Inspektionen waren jeweils derart gestaltet, daß entweder dem Mitgliedstaat oder der Kommission die Leitungsfunktion zukam. Den Teilnahmerechten war gemeinsam, daß sie begleitende oder unterstützende Funktionen hatten. Einen Sonderfall vertikaler Kooperation enthält die Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). Hier besteht zusätzlich zu den autonomen Kommissionskontrollen unter Teilnahme von Bediensteten der Mitgliedstaaten die Möglichkeit, gemeinsame Kontrollen durchzuführen. Art. 4 der Verordnung Nr. 2185/96 sieht ausdrücklich vor, daß „die Durchführung der Kontrollen durch Kommission und Mitgliedstaat gemeinsam erfolgen" kann. Rein vom äußeren Erscheinungsbild her werden sich diese gemeinsamen Kontrollen kaum von den eigenständigen Kommissionskontrollen, an denen mitgliedstaatliche Kontrollbedienstete teilnehmen, unterscheiden. Rechtlich liegt in der Figur der gemeinsamen Kontrolle eine Konstruktion, die sonst in keinem der untersuchten Referenzgebiete zu finden ist: Mitgliedstaatliche und EG-Kontrollbeamte handeln gemeinsam, aber jeweils aufgrund einer autonomen Befugnis. 5 4 6
b) Horizontale Kooperation Die Durchsicht der Referenzgebiete unter dem Gesichtspunkt horizontaler Teilnahmekonstellationen, d. h. der Zusammenarbeit zwischen Verwaltungsbediensteten verschiedener Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Inspektionen vor Ort, hat vor allem Teilnahmemöglichkeiten i m Zusammenhang mit horizontalen Amtshilfeleistungen zu Tage gefördert. 5 4 7 Wenn ein Mitgliedstaat einen anderen um die Durchführung bestimmter Inspektionen ersucht, dürfen seine eigenen Bediensteten häufig an diesen Untersuchungen teilnehmen. Diese Teilnahme setzt allerdings das Einverständnis des ersuchten Mitgliedstaats voraus. 5 4 8 Auch in diesem Zusammen545 Wegweisend das Urteil des EuGH v. 21. 9. 1989 im Hoechst-Fall, EuGH verb. Rs.46/ 87 u. 227/88 (Hoechst/Kommission) Slg. 1989, 2859 ff., Tz. 31-38; näher dazu siehe unten Kap. 4 C.II.l.c). 546 Zu den damit verbundenen Rechtsproblemen siehe unten insbesondere Kap. 4 C.II.l.b). 547 So vor allem im Agrar-, Veterinär- und Fischereirecht. 548 Vgl. ζ. B. die Artt. 7, 9, 19 der Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfe Verordnung).; Art. 7 Abs. 2 und 4 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung).
Β. Strukturbildung
135
hang wird betont, daß die Leitung bei den Bediensteten des ersuchten Mitgliedstaats liegt: Die Bediensteten des ersuchenden Mitgliedstaats haben keine eigenständigen Inspektionsrechte auf dem Territorium der ersuchten Mitgliedstaats. 5 4 9 Diese Teilnahmemöglichkeiten erfüllen letztlich Funktionen der Vertrauensbildung. Sie gehen über das hinaus, was i m traditionellen Amtshilferecht üblich war, nämlich die Durchführung der Ersuchen durch die ersuchte Behörde ohne persönliche Teilnahmemöglichkeiten der ersuchenden Behörde. 5 5 0 Durch die Kontakte vor Ort können die Bediensteten der ersuchende Behörde auf Einzelheiten hinweisen, die für ihr Ersuchen von besonderer Bedeutung sind und erhalten gleichzeitig einen Einblick in die Verwaltungspraxis der anderen Mitgliedstaaten. Eine neue Qualität erhält die horizontale Kooperation bei den Inspektionen im Recht der Bankenaufsicht. I m Rahmen der umfassenden Überwachung können die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaates wie gesehen aufsichtsrechtlich relevante Daten bei ausländischen Zweigstellen vor Ort nachprüfen. Diese grenzüberschreitende Prüfungsbefugnis wird generell eingeräumt und ist nicht an eine Zustimmung des Gastlandes gebunden. Lediglich eine vorherige Mitteilung ist erforderlich. Inländische Behörden können damit unmittelbare Hoheitsgewalt auf dem Staatsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben.
c) Kombination horizontaler und vertikaler Kooperationselemente Wenn an einer Inspektion Bedienstete der Kommission und mehrerer Mitgliedstaaten teilnehmen, liegt eine Kombination horizontaler und vertikaler Kooperationselemente vor. Sie ist einmal bei den gemischten Inspektorengruppen gegeben, die im Marktordnungsrecht über die Einhaltung der Vorschriften wachen sollen. 5 5 1 In etwas anderer Form wird sie im Recht der Betrugsbekämpfung eingesetzt. Na549 Vgl. ζ. B. den Wortlaut in Art. 7 Abs. 4 UAbs. 3 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung): „Die Bediensteten der ersuchten Stelle sind jederzeit für die Durchführung der Kontrollen zuständig." Siehe auch Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 Verordnung Nr. 515/97 (EGAmtshilfeverordnung). 550 Dieser Grundsatz gilt auch noch für einige der untersuchten Referenzgebiete: Obwohl sich die Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung) ansonsten an die Regelungen der EG-Amtshilfeverordnung anlehnt, sind auf ihrer Grundlage zwar Anträge der ersuchenden Behörde auf Überwachung bestimmter Betriebe, Warenlager oder Beförderungsmittel durch die ersuchte Behörde zulässig (vgl. Art. 6 und 8 Abs. 2 lit. b) Richtlinie Nr. 89/608). Es ist aber keine Teilnahmemöglichkeit für die ersuchende Behörde normiert. Auch nach der Fischereikontrollverordnung sind zwar Inspektionen auf Ersuchen möglich; in diesem Zusammenhang aber keine Teilnahmerechte normiert (Art. 34 Abs. 2 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2847/93 - Fischereikontrollverordnung). Die Mitgliedstaaten können allerdings untereinander auf eigene Inititative Programme zur Überwachung, Kontrolle und Beaufsichtigung der Fischereitätigkeiten durchführen (Art. 34 b Abs. 2 Verordnung Nr. 2847/93 - Fischereikontrollverordnung). Es ist denkbar, daß diese gemeinsamen Programme auch gemeinsame Inspektionen vorsehen. 551 Art. 40 Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse).
136
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
tionale Sachverständige, die von den Mitgliedstaaten zur Kommission abgestellt wurden, können an den Prüfungen teilnehmen. Die Kommission kann auch Bedienstete anderer Mitgliedstaaten als Beobachter heranziehen. 552 Auch zu ihren Veterinärkontrollen vor Ort können die Inspektoren der Kommission Sachverständige eines anderen als des gerade kontrollierten Mitgliedstaats hinzuziehen. 5 5 3 Für die Teilnahme von Bediensteten aus anderen Mitgliedstaaten ist allerdings in der Regel die ausdrückliche Zustimmung desjenigen Mitgliedstaats, in dem die Inspektion stattfinden soll, erforderlich. 5 5 4 Mindestens wird ihm das Recht gewährt, die von der Kommission vorgeschlagenen Beobachter aus anderen Mitgliedstaaten einmal abzulehnen, während der nächste Vorschlag dann aber zu akzeptieren i s t . 5 5 5 Bei beiden Formen der Teilnahme an Inspektionen ist letztlich das vertikale Element der Vollzugskontrolle das vorherrschende: Es findet eine Kommissionsinspektion in einem Mitgliedstaat statt. Die Ergänzung durch horizontale Elemente dient daneben der Transparenz und der Vertrauensbildung. Die Teilnahme von Beamten aus einem dritten Mitgliedstaat kann zu einem wechselseitigen Informationsaustausch über die jeweiligen Vollzugsstrukturen führen. Sinn dieser Beteiligung ist die Vermittlung von Erkenntnissen über die Verwaltungspraxis in anderen Mitgliedstaaten. Es soll Vertrauen in die Gleichwertigkeit des Verwaltungsvollzugs aufgebaut werden. So entsteht gemeinsames Wissen, das letztlich zu einer Verbesserung des Vollzugsniveaus in der Gemeinschaft führt.
2. Informationstransfer
und Informationsvorsorge
„Information ist zentral für die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben. Für Teilbereiche der Verwaltung, insbesondere die Sicherheitsbehörden, ist Informationsbeschaffung und -aufbereitung Hauptaufgabe. Die Erfüllung des Gesetzmäßigkeits552 So ζ. B. bei den Inspektionen im Eigenmittelbereich, Art. 1 UAbs. 2 und 3 Verordnung Nr. 1026/1999 und für die Inspektionen nach Art. 6 Abs. Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 553 Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 Entscheidung Nr. 98/139 (Kontrollen vor Ort im Veterinärbereich). Es wird ausdrücklich betont, daß diese hinzugezogenen Sachverständigen den Weisungen der Kommission unterstehen (Art. 5 Abs. 1 Entscheidung Nr. 98/139). Art. 34 b Abs. 1 UAbs. 1 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung) i.d.F. der Verordnung Nr. 2847/98; siehe auch Art. 1 UAbs. 2 u. 3 Verordnung Nr. 1026/1999 (Eigenmittel-Kontrolle).
554 Vgl. z . β. Art. 6 Abs. 2 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung): „Im Einvernehmen mit dem betreffenden Mitgliedstaat kann die Kommission um Unterstützung durch Beauftragte anderer Mitgliedstaaten ersuchen, die als Beobachter fungieren, ..."; ebenso Art 1 Verordnung Nr. 1026/1999 (Eigenmittel-Kontrolle). „Mit vorheriger Zustimmung der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats" Art. 34 b Abs. 1 Verordnung Nr. 2847/ 93 (Fischereikontrollverordnung) i.d.F. der Verordnung Nr. 2847/98, „wenn der Mitgliedstaat, in dem die Kontrollen stattfinden sollen, damit einverstanden ist". 555 Art. 4 Abs. 1 Entscheidung Nr. 98/ 139 (Kontrollen vor Ort im Veterinärbereich). Vgl. näher unten Kap. 3 B.II. 1.
Β. Strukturbildung
137
postulats ist von der möglichst korrekten Sachverhaltsaufklärung abhängig. Vor allem aber hat die Pluralisierung der Verwaltung und der schwindende Einfluß hierarchischer Koordination die Bedeutung von Koordination durch Informationsaustausch verstärkt." Diese Feststellungen Brydes 556 bezogen sich auf die Verwaltungstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Sie können aber auch mit Blick auf die Verwaltung des Gemeinschaftsraums Geltung beanspruchen. Die Inspektionen sind ein Mittel der Informationsbeschaffung für die Verwaltung. Im zweipoligen Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung sorgt die Verwaltung durch Kontrollen vor Ort für das Material, das anschließend die Grundlage für eventuell folgende Verwaltungsentscheidungen bildet. Bereits i m rein nationalen Bereich bleibt es allerdings häufig nicht bei diesem rein zweipoligen Verhältnis. Sind mehrere Stellen am Vollzug beteiligt, ist ein möglichst ungehinderter Informationsfluß zwischen diesen Stellen Voraussetzung sachangemessenen Verwaltungshandelns. Diese verwaltungswissenschaftlich bestätigte Erkenntnis 5 5 7 gilt um so mehr für das Zusammenwirken der nationalen Verwaltungen und der Gemeinschaftsverwaltung. Die eigenständige Bedeutung der Information als Steuerungsressource und Grundlage aller Verwaltungskooperation tritt im europäischen Rahmen sogar noch deutlicher hervor, weil dort die Informationsbeziehungen nicht vorgefunden werden, sondern sich erst mit der Zeit ausgebildet haben und weiter ausbilden müssen. 5 5 8 Der Informationsaustausch zwischen den Behörden verschiedener Mitgliedstaaten sowie der nationalen Verwaltung und der Kommission über Inspektionsergebnisse oder Sachverhalte, die die Einleitung weiterer Untersuchungen rechtfertigen, bildet damit die Basis für eine bessere Koordination des Verwaltungshandelns. 559
a) Ziel: Schaffung von Entscheidungsgrundlagen In einem durch immer engere wirtschaftliche Zusammenarbeit, aber auch durch die grenzüberschreitenden Auswirkungen ζ. B. von Umweltverschmutzung und kriminellen Aktivitäten gekennzeichneten Unionsraum können Verwaltungsentscheidungen oft nicht mehr auf der Basis eines rein national definierten Tatsachenmaterials getroffen werden. A u f die Internationalisierung der wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen muß die Verwaltung angemessen reagieren können. Der 556 ßryde, VVDStRL46 (1988), S. 181 ff., 202. 557 Vgl. nur Hoffmann-Riem, DVB1. 1994, S. 1381, 1382; Thieme, Verwaltungslehre, S. 161, Rn. 239. 558 Zur Bedeutung der Information als Steuerungsfaktor vgl. Schmidt-Aßmann, EuR 1996, S. 270, 290 f.; ders., in: FS Lerche, S. 513, 522; Neßler, Richtlinienrecht, S. 54 ff. 559 Ausführlich zur Koordination durch informationelle Vernetzung Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 134 ff. Siehe auch die Mitteilung der Kommission über die Zusammenarbeit der Verwaltungen bei der Anwendung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts für den Binnenmarkt, KOM (94) 29 endg. S. 11 Ziff. 8. Allgemein zu den unterschiedlichen Formen des Informationsaustauschs Schmidt-Aßmann, EuR 1996, S. 270, 290 f.
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
138
Austausch und das Sammeln von Informationen helfen dabei, diese internationalen Bezüge in die Verwaltungstätigkeit mit einzubeziehen. Das Zurückgreifen auf Informationen von anderen Verwaltungsstellen erweitert die Tatsachenbasis und schafft die notwendigen Entscheidungsgrundlagen für effizientes und rationelles Verwaltungshandeln. Erst ein grenzüberschreitender Informationsfluß ermöglicht gemeinschaftsweit angemessene Reaktionen auf Sachverhalte mit grenzüberschreitenden Bezügen.
b) Mechanismen zur Steuerung des Informationstransfers In den untersuchten Inspektionsregelungen lassen sich unterschiedliche Mechanismen identifizieren, nach denen die Informationsflüsse zwischen den beteiligten Verwaltungsstellen gesteuert werden. Der Datentransfer kann horizontal, d. h. zwischen den Verwaltungen der Mitgliedstaaten, und vertikal d. h. zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten, erfolgen. Zum Teil verlaufen die Informationsbeziehungen auch sternförmig, wobei die Kommission oder eine sonstige zentrale Einrichtung als Informationssammel- und -Verteilungsstelle fungiert. Die Informationsbeziehungen sind in unterschiedlicher Weise verfestigt: So kann der Informationsaustausch auf Antrag erfolgen [unter (1)] oder als Mitteilungen an andere betroffene Verwaltungsstellen auch ohne vorheriges Ersuchen [unter (2)]. Die zuständigen Verwaltungsstellen können auch in ein festes Informationsnetzwerk, ζ. B. in Form eines EDV-gestützten Verbundes eingebunden sein [unter (3)].
( 1 ) Mitteilung
von Inspektionsergebnissen
auf Antrag
I m Rahmen seiner Sachverhaltsermittlungen kann ein Mitgliedstaat Informationen über Vorgänge in einem anderen Mitgliedstaat benötigen. Die einschlägigen Rechtsakte enthalten daher Bestimmungen, die diesen Informationsaustausch ermöglichen. Findet der Informationsaustausch auf Ersuchen bzw. A n t r a g 5 6 0 der jeweils interessierten Stelle statt, so liegt eine Form der Amtshilfe vor. Die Verpflichtung der ersuchten Stellen zur Leistung von „Informationshilfe" ist in zahlreichen Vorschriften normiert. Eine „Modellregelung", die vielen anderen Bestimmungen zum Vorbild diente, ist die EG-Amtshilfe Verordnung. 561 Sektorübergreifend für das gesamte Zoll- und Agrarrecht sind die Kernvorschriften der EG-Amtshilfeverordnung auf den Austausch von Informationen ausgerichtet. A u f Antrag der ersuchenden Behörde hat die ersuchte Behörde dieser alle Auskünfte zu erteilen, die es ihr ermöglichen, die
560 Ohne Unterschied in der Sache differieren die einschlägigen Vorschriften hier in den Formulierungen. 561 Verordnung Nr. 1468/81 (EG-Amtshilfeverordnung a.F.). Zum Modellcharakter dieser Vorschrift kurz Priebe, ZLR 1990, S. 266, 282 mit Fn. 34.
Β. Strukturbildung
139
Einhaltung der Zoll- und der Agrarregelung zu gewährleisten (Art. 4 Abs. 1). Nach den Artikeln 7 - 9 EG-Amtshilfeverordnung kann Gegenstand dieser Auskünfte vor allem das Ergebnis bereits durchgeführter oder noch durchzuführender Inspektionen in dem ersuchten Mitgliedstaat sein. Vergleichbare Regelungen zur Leistung von Informationshilfe auf Ersuchen finden sich auch i m sektoriellen Agrarrecht. 5 6 2 Ähnlich sind die Vorschriften im Veterinärrecht gestaltet, die sich ebenfalls nach dem Vorbild der (ersten) EG-Amtshilfeverordnung richten. Die Art. 4 ff. der Richtlinie 89 / 608 (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung) stimmen teilweise bis in die Formulierungen mit den Regelungen für das Zoll- und Agrarrecht überein. Auch i m Bereich der Veterinärkontrollen muß die ersuchte Behörde auf Antrag der ersuchenden Behörde Auskunft über tatsächlich festgestellte oder noch festzustellende Vorgänge erteilen, die den tierärztlichen oder tierzuchtrechtlichen Vorschriften zuwiderlaufen. I m Lebensmittelrecht ist der Informationsaustausch auf Ersuchen ebenfalls in den Rahmen einer allgemeinen Verpflichtung zur Leistung von Amtshilfe eingebettet. Die entsprechende Vorschrift betont ausdrücklich die Verantwortung der ersuchten Stelle, der ersuchenden Stelle alle erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, damit diese Stelle die Einhaltung der innerhalb ihrer Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften für Lebensmittel ermöglichen k a n n . 5 6 3 Der Informationsfluß zwischen der ersuchenden und der ersuchten Stelle kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen. Traditionell wird i m internationalen Rechtsund Amtshilferecht über die diplomatischen Kanäle kommuniziert. Für den Informationsaustausch in einem immer enger vernetzten europäischen Verwaltungsraum ist das umständlich und auf die Dauer effektivitätshemmend und unpraktisch. Das zukunftsweisende Modell ist daher die direkte Kommunikation zwischen den jeweils für eine Sachaufgabe zuständigen Verwaltungsstellen. Eine Vorstufe besteht in der Kanalisierung des Informationsflusses über die Einführung spezieller Kontaktstellen in den einzelnen Mitgliedstaaten. - Die Benennung einer einzigen Kontaktstelle, die für die horizontalen und vertikalen Kontakte zu den anderen Mitgliedstaaten und zur Kommission zuständig ist, führt zu einer Vereinfachung und Effektuierung des Informationsflusses. 564 562 Vgl. ζ. B. Art. 8 Verordnung Nr. 2048/89 (WeinkontrollVerordnung), Art. 44 Verordnung Nr. 2200/96 (Marktordnung Obst und Gemüse). 563 Art. 6 Abs. 4 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung). 564 So ζ. B. Art. 6 Abs. 2 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung): „Zur Erleichterung der Amtshilfe benennt jeder Mitgliedstaat eine einzige Kontaktstelle. Die von dem jeweiligen Mitgliedstaat benannte Stelle hat gegebenenfalls mit den Kontaktstellen der anderen Mitgliedstaaten Verbindung aufzunehmen. Aufgabe der Stellen ist es, die Weitergabe von Informationen zu unterstützen und zu koordinieren sowie insbesondere die Amtshilfeersuchen entgegenzunehmen und weiterzuleiten." Vgl. auch Art. 5 Verordnung Nr. 745/96 (Schwarze Liste Durchführungsverordnung): „Jeder Mitgliedstaat benennt eine einzige zuständige Behörde, die die in Absatz 2 genannten Mitteilungen erstattet und entgegennimmt."
140
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Durch die Einrichtung von Kontaktstellen fällt die Ermittlung des jeweiligen Ansprechpartners leichter. Zudem können diese Stellen mit entsprechend ausgebildeten, vor allem sprachkundigen Bediensteten besetzt werden, was den Austausch mit Behörden anderer Mitgliedstaaten erleichtert. Die dauerhafte Zusammenarbeit der Zentralstellenbeamten führt gleichzeitig zum Abbau gegenseitigen Mißtrauens. Die Verwaltungskooperation über die Zentralstellen wird damit zu einem vertrauensbildenden Faktor. 5 6 5 - In neueren Bestimmungen ist die Tendenz auszumachen, die direkte Kontaktaufnahme zwischen den zuständigen Verwaltungsstellen zumindest zu ermöglichen. Eine solche direkte Kontaktaufnahme vermeidet den Umweg über die zentralen Kontaktstellen. Der Informationsfluß wird weiter beschleunigt und die Gefahr von „Reibungsverlusten" verringert. Ein Beispiel findet sich in der Weinkontrollverordnung: Nach Art. 8 Abs. 6 sind die Anträge zwar grundsätzlich über die Kontaktstellen zu stellen. Die Mitgliedstaaten können aber „ i m Interesse einer wirksameren und rascheren Zusammenarbeit" gestatten, daß die Anfragen direkt zwischen den jeweiligen zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten gestellt und beantwortet werden. Auch bei dieser Form der Kooperation wird durch die direkten Kontakte zwischen den für eine bestimmte Sachaufgabe zuständigen Verwaltungsstellen nicht nur die Erfüllung dieser Sachaufgaben erleichtert, sondern auch das Verständnis für die anderen Rechtsordnungen gefördert. Die Mitteilung von Informationen auf Antrag ist im Ergebnis als Ausformung punktueller Kooperation zu bewerten, die aus dem allgemeinen Rechts- und Amtshilferecht bekannt ist. Die Stellung eines Informationshilfeersuchens löst den Informationsaustausch aus. Hier liegt ein Unterschied zu den Spontanmitteilungen, die auch ohne Antrag erfolgen (müssen).
(2) Spontane Mitteilung
von Informationen
ohne Antrag
Neben dem Informationsaustausch auf Antrag hat nach einigen der analysierten Rechtsvorschriften die Weitergabe von Informationen auch ohne Antrag zu erfolgen. Die bei Inspektionen in einem Mitgliedstaat erhaltenen Anhaltspunkte für Verstöße können Reaktionen auch in anderen Mitgliedstaaten erfordern. Damit die Weitergabe der relevanten Informationen in solchen Fällen nicht in das Belieben der zuständigen Stellen gestellt ist, sind sie in vielen Fällen zur Weiterleitung verpflichtet. Für die Gestaltung dieser Weiterleitungsverpflichtung finden sich zwei Modelle in den untersuchten Rechtsvorschriften. - Einmal besteht die Möglichkeit, die Inspektionsergebnisse direkt dem betroffenen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln (horizontale Kooperation). Dieser 565 Vgl. Neßler, Richtlinienrecht, S. 62 und Harings, Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, S. 138 f., der (für die Zusammenarbeit zentraler Kontaktstellen im Bereich des polizeilichen Informationsaustauschs) besonders den Gedanken einer institutionellen Verfestigung der Kooperation durch die Errichtung von Netzwerken herausstellt.
Β. Strukturbildung
141
kann dann seinerseits die entsprechenden Maßnahmen einleiten. Beispielhaft sei die Regelung in der EG-Amtshilfeverordnung (Verordnung Nr. 515/97) angeführt: Nach Artikel 15 EG-Amtshilfeverordnung teilen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten den Behörden der anderen in Betracht kommenden M i t gliedstaaten unverzüglich alle zweckdienlichen Auskünfte über Vorgänge, die der Zoll- und der Agrarregelung zuwiderlaufen, mit. Als möglicher Gegenstand dieser Informationen werden explizit die jeweiligen Waren, Mittel und Methoden genannt, die Gegenstand der untersuchten Vorgänge sind. Entsprechende Regeln bestehen u. a. i m Veterinärrecht 5 6 6 sowie i m sektoriellen 5 6 7 und sektorübergreifenden 568 Agrarrecht. - Ein anderes Modell basiert auf der Benachrichtigung der Kommission (vertikale Kooperation). 5 6 9 Diese hat selbst ein eigenes Interesse, über Vorkommnisse in den Mitgliedstaaten in Kenntnis gesetzt zu werden. In gravierenden Fällen ist sie diejenige Instanz, die gemeinschaftsweit einheitliche Reaktionen in Gang setzen kann. Daneben ist sie besonders geeignet als eine Art Informationssammelzentrale. Sie fungiert dann als Verteiler und benachrichtigt erforderlichenfalls die zuständigen Stellen in den anderen Mitgliedstaaten. 5 7 0 Nach diesem Modell funktionieren auch die sog. Schnellwarnsysteme zur Bewältigung von Notfällen i m Produktsicherheitsrecht. Die im Fall solcher Gefahren von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen müssen unverzüglich der Kommission mitgeteilt werden, die ihrerseits die Mitgliedstaaten in einem wechselseitigen Informations verfahren informiert und konsultiert. 5 7 1 A u f den ersten Blick erscheint es für ein umfassendes Wissensmanagement am effektivsten, Mitteilungspflichten sowohl gegenüber der Kommission als auch gegenüber betroffenen anderen Mitgliedstaaten einzurichten. 5 7 2 Allerdings birgt eine 566 Art. 8 Abs. 2 lit. b) Richtlinie Nr. 89 / 608 (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung). 567 Ζ. B. Art. 9 Verordnung Nr. 2048/89 (WeinkontrollVerordnung); Art. 4 Abs. 4 Verordnung Nr. 85/93 (Kontrollstellen im Tabaksektor). 568 Art. 4 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung). 569 Art. 17 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung); Art. 10 Richtlinie Nr. 89/ 608 (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung); Art. 9 Abs. 1 Verordnung Nr. 2048/89 (Weinkontrollverordnung). 570 Vgl. als Beispiel nur Art. 9 Abs. 2 Weinkontroll Verordnung. Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 146 bezeichnet diese Form des Informationsaustauschs als indirekte Kommunikation.
571 Spezielle Warnsysteme existieren mittlerweile in den Bereichen Lebensmittel, Arzneimittel, medizinische Geräte, radiologisch bedingter Notstand, radioaktive Lebensmittelverseuchung, Veterinärkontrollen und Pflanzenschutzuntersuchungen. Einen guten Überblick über die Systeme, mit denen der Austausch von Informationen in Gefahrensituationen und eine angemessene Reaktion ermöglicht werden soll, bietet die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuß zur Behandlung dringender Fälle im Rahmen der Anwendung des Gemeinschaftsrechts - Folgemaßnahmen zum Sutherland-Bericht; KOM (93) 430 endg.; Ratsdokument 4237/994, abgedruckt in BR-Drs. 81/94 v. 25. 1. 1994. Siehe auch Eckert, in: Dannecker (Hrsg.), Lebensmittelstrafrecht, S. 151 ff.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
Informationsweitergabe aller an alle die Gefahr einer Überflutung mit Daten. Sie verlangt zudem den Einsatz großer personeller und sachlicher Ressourcen. Die einschlägigen Vorschriften versuchen, diesem Dilemma Rechnung zu tragen und die Informationspflichten auf das Notwendige zu beschränken. So können Behörden, welche die Kommission über auch andere Mitgliedstaaten betreffende Unregelmäßigkeiten unterrichtet haben, nach Art. 18 Abs. 2 EG-Amtshilfeverordnung auf die Mitteilung an diese anderen Mitgliedstaaten verzichten. 5 7 3 Die Weiterleitung dieser Informationen liegt dann in der Verantwortung der Kommission (Art. 18 Abs. 1 a.E.). Die vertikale Kooperation ersetzt damit i m Einzelfall die horizontale Kontaktaufnahme. Ziel der vertikalen Informationspflichten zwischen Mitgliedstaaten und Kommission ist es nicht zuletzt, dieser überblicksartige Informationen über die Vollzugssituation in der Gemeinschaft zu verschaffen. Sie muß nicht über jedes Einzelproblem, das auch über bilaterale Kontakte zwischen den Mitgliedstaaten gelöst werden kann, informiert s e i n . 5 7 4 Erst wenn die Fälle eine gesteigerte Bedeutung haben, besteht ein Informationsinteresse der Kommission. Informationspflichten bestehen daher ζ. B. nur in außergewöhnlich schweren F ä l l e n 5 7 5 oder in generalisierter Form, ζ. B. anstelle von Einzelfallinformationen eine Pflicht zur allgemeinen Information über ermittelte Betrugspraktiken und -methoden oder sonstige allgemeine Tendenzen. 5 7 6 Bei den zuletzt genannten generalisierten Informationspflichten handelt es sich i m Grunde kaum noch um einen ad-hoc-Informationsaustausch, sondern schon um Mechanismen, die einem Berichtssystem (dazu unter 3.) nahekommen. Auch in umgekehrter Richtung gibt es vertikale Informationspflichten. So hat die Kommission die Mitgliedstaaten über die Ergebnisse der von ihr durchgeführten Kontrollen zu informieren. 5 7 7 Aufgrund dieser Informationen können die Mitgliedstaaten unter Umständen erforderliche Abhilfe- oder Sanktionsmaßnahmen ergreifen.
572 So z. B. Art. 4 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung) und 9 Verordnung Nr. 2048/89 (WeinkontrollVerordnung). 573 Ebenso Art. 10 Abs. 4 Richtlinie 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung). 574 Die zu langen vertikalen Informationsketten kritisiert beispielsweise Bach, ZLR 2000, S. 489, 496 für das Schnellwarnsystem für Lebensmittel. 575 Vgl. z. B. Art. 4 Abs. 4 Verordnung Nr. 85/93 (Kontrollstellen im Tabaksektor): Informationspflichten „im Fall einer außergewöhnlichen Situation, insbesondere wenn die korrekte Anwendung der gemeinschaftlichen Tabakmarktregelung durch die Möglichkeit eines Betruges emsthaft in Gefahr gerät". 576 Nach Art. 17 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung) müssen die Mitgliedstaaten beispielsweise Informationen „über die angewandten Methoden und Verfahren" bei der Übertretung der Zoll- und Agrarregelung, d. h. gerade nicht über jeden Einzelfall übermitteln. Sie haben auch nur über diejenigen Amtshilfeersuchen, Maßnahmen und ausgetauschten Informationen zu informieren, die „Tendenzen bei den Betrugspraktiken im Zolloder im Agrarbereich deutlich machen könnten". 5 77 Z. B. Art. 41 Abs. 3 Verordnung Nr. 2200/96 (Marktorganisation Obst und Gemüse), Art. 6 Abs. 4 Verordnung Nr. 2048/89 (Weinkontrollverordnung).
Β. Strukturbildung
143
Gemeinsam ist diesen Formen des horizontalen und vertikalen Informationsaustauschs ohne Antrag, daß die Kommunikation nicht durch das formelle Kriterium der Stellung eines Ersuchens, sondern bei der Erfüllung bestimmter materieller Kriterien (ζ. B. Anhaltspunkte für Verstöße i m Einzelfall oder neue betrügerische Tendenzen mit Relevanz für andere Mitgliedstaaten) in Gang gesetzt wird. Damit wird die materielle Betroffenheit nicht nur des eigenen Mitgliedstaates, sondern auch der anderen Kooperationspartner zum Auslöser für die Kontaktaufnahme. Darin kommt zum Ausdruck, daß die Verwaltung des Gemeinschaftsraums als eine gemeinsame Aufgabe angesehen wird, bei deren Erfüllung die Kooperationspartner auch gegenseitig Verantwortung zu übernehmen haben. 5 7 8
(3) Schaffung von (EDV-gestützten)
Datenbanken
Erst die Möglichkeiten der modernen EDV-Technik haben eine weitere Form der institutionellen Verfestigung ermöglicht, die weit über punktuelle und spontane Formen des Informationsaustauschs hinausgehen: Durch die Vernetzung nationaler Datenbestände oder die Einrichtung zentraler Datenbanken auf Gemeinschaftsebene können Informationen, die die zuständigen Verwaltungsstellen bei ihren Inspektionen ermittelt haben, auf elektronischem Wege weitergegeben, von anderen interessierten Behörden abgerufen und i m Sinne einer Informationsvorsorge für spätere Zugriffe gespeichert werden. Zwei Möglichkeiten einer unterschiedlich weit gehenden Vergemeinschaftung sind zu unterscheiden: Die erste beschränkt sich darauf, die mitgliedstaatlichen Datenbestände durch das Gemeinschaftsrecht einheitlich zu strukturieren und für den Informationsaustausch kompatibel zu machen. Eine weitere Möglichkeit ist die Schaffung eines Zentralrechners auf Gemeinschaftsebene, für dessen Betrieb dann in der Regel die Kommission zuständig ist. Der Zugriff erfolgt bei diesen zentralen Datenbeständen entweder direkt durch speziell dafür ermächtigte Verwaltungsstellen der Mitgliedstaaten auf den Zentralrechner oder nur durch die Kommission, die auf Anfrage die entsprechenden Daten weitergibt. Das für das Agrarrecht beschriebene Zollinformationssystem (ZIS) besteht beispielsweise aus einer zentralen Datenbank, die über Terminals von allen Mitgliedstaaten und der Kommission aus zugänglich i s t . 5 7 9 Dagegen besteht die sog. Schwarze Liste zur Identifizierung unzuverlässiger Marktteilnehmer i m Rahmen des Systems der Agrarfinanzierung aus mehreren nationalen Listen, die lediglich auf Gemeinschaftsebene zusammengeführt werden. Dadurch sollen diese Marktteilnehmer - daher das Kürzel „Schwarze Liste" - nicht mehr nur i m Begehungsstaat kontrolliert und sanktioniert werden können, sondern auch den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission namhaft
578
Vgl. für die Bedeutung der Amtshilfe ohne Antrag im Rahmen des Neapel Il-Übereinkommens Harings, Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, S. 109; zustimmend von Bogdandy, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, Informationsgesellschaft, S. 133, 185. 579 Siehe näher oben A.I.2.c)(2).
144
Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
gemacht w e r d e n . 5 8 0 Der EDV-Verbund i m Veterinärbereich besteht zwischen den Veterinärbehörden der Mitgliedstaaten und der Kommission. Er ermöglicht den Austausch standardisierter Informationen über Fleischsendungen und verbessert so die Möglichkeiten der stichprobenartigen Kontrolle am Bestimmungsort. Außerdem können an anderen Grenzkontrollen bereits einmal zurückgewiesene Sendungen identifiziert werden. 5 8 1 Die Systeme ermöglichen nicht nur den Informationsaustausch in konkreten Fällen, sondern auch eine statistische Auswertung von Tierund Warenbewegungen. Auch die Untersuchungsergebnisse werden statistisch ausgewertet und können so für die Weiterentwicklung der Regelungen betreffend Einfuhrbedingungen und Kontrollmodalitäten wichtiges Informationsmaterial bereitstellen. 5 8 2 Die Ausgestaltung als zentraler Datenbestand oder dezentrale nationale Datenbänke ist nicht nur eine Frage der technischen Ausführung. Sie hat insbesondere Bedeutung auch für die rechtlichen Folgefragen wie vor allem denjenigen nach der Haftung und dem Individualrechtsschutz. Bleiben jeweils individualisierbare nationale Beiträge zum Informationssystem erhalten, kann es grundsätzlich bei einem Verweis auf die nationalen Rechte sein Bewenden haben. Je enger die Zusammenarbeit wird, also insbesondere beim Betrieb gemeinsamer Datenbanken, desto schwieriger wird es allerdings sein, die jeweiligen Beiträge voneinander abzugrenzen. Darauf muß sich ein adäquates Haftungs- und Rechtsschutzsystem einstellen.583 3. Vor- und Nachsteuerung durch Kontrollpläne und Kontrollberichte Viele der untersuchten EG-Rechtsakte verpflichten die Mitgliedstaaten und die Kommission zur Erstellung von Kontrollplänen und Kontrollberichten. Gemeinsam ist den Plänen und Berichten, daß hier nicht mehr rein punktueller Informationsaustausch stattfindet. In ihnen wird vielmehr eine Vielzahl von Informationen zusammengefaßt. a) Ziele Kontrollpläne und Kontrollberichte dienen zum einen der Vertrauensbildung: Die an der Verwaltung des Gemeinschaftsraums beteiligten Verwaltungsstellen do580 Zur näheren Ausgestaltung des Informations- und Mitteilungssystems vgl. Art. 5 - 7 der Verordnung Nr. 745/96 (Schwarze Liste Durchführung) sowie Schrömbges, ZfZ 1998, S. 403 ff.; Mögele, EWS 1998, S. 1, 4. 581 Siehe näher oben A.III.2.c)(3). Einen Uberblick über die innergemeinschaftlichen Melde- und Uberwachungssysteme ANIMO und SHIFT im Veterinärbereich gibt Terberger, Dtsch. tierärztl. Wschr. 101 (1994), S. 261 ff. 582 Terberger, Dtsch. tierärztl. Wschr. 101 (1994), S. 261 ff., 262.
583 Dazu näher unten Kap. 4 C.III.2.
Β. Strukturbildung
145
kumentieren durch die Erstellung von Plänen und Berichten ihre Kompetenzen und Fähigkeiten nach außen. Sie weisen damit gegenüber ihren Kooperationspartnern nach, daß sie ihre Aufgaben am Gemeinwohl orientiert u r d entsprechend den europäischen Vorgaben ausüben. Daneben sind sie ein Mittel cler Effektivitätssteigerung: Als Instrument der Voraussteuerung ermöglichen Kontrollpläne koordinierteres und effektiveres Tätigwerden, vor allem, wenn sie gemeinsam erarbeitet werden. Hauptziel der Berichtspflichten der Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission ist es, der Kommission die (nachträgliche) Kontrolle eines gleichmäßigen Vollzuges des EG-Rechts zu ermöglichen und zu erleichtern. Die in den Berichten zusammenfaßten Informationen ermöglichen der Kommission eine rationellere und effektivere Arbeit. Sie muß sich nicht erst aus unzähligen Einzeldaten ein Bild zusammenstellen, sondern kann vielmehr umgekehrt anhand der Berichte gezielt bei Schwachpunkten einhaken. Umgekehrt bieten Berichte der Kommission an die Mitgliedstaaten diesen Informationen, die sie in ihre eigenen Inspektionsplanungen einfließen lassen können. Als Instrument der Nachsteuerung ermöglichen die Berichte so die Einleitung gemeinsamer Lernprozesse. 584
b) Mechanismen (1) Steuerung im Vorfeld:
Kontrollpläne
Viele der untersuchten EG-Rechtsakte, in denen den Mitgliedstaaten Inspektionspflichten zugewiesen werden, sehen gleichzeitig die Aufstellung von Kontrollplänen vor. Darin haben die Mitgliedstaaten „nach angemessenen Kriterien" Art und Häufigkeit ihrer Überwachungstätigkeiten im voraus festzulegen. 585 Die Inspektionsprogramme können auch von mehreren Mitgliedstaaten gemeinsam aufgestellt werden. 5 8 6 Meistens sind diese Kontrollpläne entweder generell im voraus oder nur bei Anhaltspunkten für Kontrolldefizite der Kommission zu übermitteln, beispielsweise im Fischereirecht. Dort haben die Mitgliedstaaten zur Überwachung der Fänge Stichprobenpläne aufzustellen und der Kommission zu übermitteln. 5 8 7 Nach Art. 29 Abs. 3 Fischereikontrollverordnung kann die Kommission - wenn die Ergebnisse ihrer eigenen Inspektionstätigkeiten Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der Verordnung nahe legen - den betreffenden Mitgliedstaat ersuchen, ihr den von den zuständigen nationalen Behörden für einen bestimmten Zeit584
Zu den Plänen und Berichten im Lebensmittelrecht Falke, in: Hill/Hof, Wirkungsforschung II, S. 265, 267 f.; allgemein zur „lernenden" Verwaltung vgl. Η ojfmann-Riem, in: ders. / Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 9, 63 f. 5S5 Vgl. ζ. B. Erwägungsgrund Nr. 15 und Art. 14 Abs. 1 der Rieht; inie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachungsrichtlinie). Nach Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie Nr. 96/82 (Unfälle mit gefährlichen Stoffen) müssen die Behörden für alle zu überwachenden Betriebe ein Inspektionsprogramm erstellen. 586 587
10 David
So ζ. B. in Art. 2 Abs. 4 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung). Art. 6 Abs. 6 und 8 Abs. 3 Fischereikontrollverordnung.
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
räum und für bestimmte Fischereizweige und -gebiete vorgesehenen oder festgelegten genauen Überwachungs- und Kontrollplan mitzuteilen. Die Befugnisse der Kommission, die sich an die Übermittlung der Kontrollpläne durch die Mitgliedstaaten anschließen, sind unterschiedlich. Teilweise stellen die Pläne ein reines Informationsinstrument für die Kommission dar, auf die sie selbst keinen Einfluß hat. Teilweise kann sie aber auch inhaltlich auf die Pläne Einfluß nehmen, indem sie Änderungen der mitgliedstaatlichen Kontrollprogramme verlangt. Solche Regelungen finden sich ζ. B. i m Olivenöl- und Tabaksektor: „Der betreffende Mitgliedstaat stellt auf Vorschlag dieser Stelle (d. h. der Kontrollstelle) vor Beginn eines jeden Wirtschaftsjahres einen Haushaltsvoranschlag und ein Tätigkeitsprogramm auf, um die ordnungsgemäße Anwendung der Prämienregelung sicherzustellen. Beides wird der Kommission vom Mitgliedstaat übermittelt. Die Kommission kann vom Mitgliedstaat unbeschadet dessen Eigenverantwortlichkeit jede Änderung am Voranschlag und am Programm verlangen, die sie für zweckmäßig hält. 5 8 8 " Trotz der ausdrücklichen Betonung der Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten kommt dieses Recht, Änderungen zu verlangen, i m Ergebnis einem Genehmigungsvorbehalt nahe. 5 8 9 In einigen Fällen bilden die Pläne der Mitgliedstaaten die Basis für die Ausarbeitung eigener Kontroll programme durch die Kommission. Diese können die Form sogenannter „koordinierter Kontrollprogramme" annehmen. Im Lebensmittelrecht erarbeitet die Kommission ζ. B. unter Konsultierung des Ständigen Lebensmittelausschusses „eine Empfehlung für ein koordiniertes Überwachungsprog r a m m " . 5 9 0 Diese koordinierten Überwachungsprogramme sind an die Mitgliedstaaten gerichtet. Sie legen Bereiche fest, die EG-weit in dem betreffenden Jahr schwerpunktmäßig besonders intensiven und einheitlichen Kontrollen unterworfen werden sollen. 5 9 1 Daneben bilden die Pläne der Mitgliedstaaten einen Anknüpfungspunkt für die eigenen Inspektionstätigkeiten der Kommission. Wenn sie über die geplanten Aktivitäten der Mitgliedstaaten unterrichtet ist, kann sie im Rahmen der „second-linecontrol" (d. h. also der Kontrolle der Kontrolle) punktuell Kontrollen durchführen und so feststellen, ob die Behörden der Mitgliedstaaten ihre Pläne auch durchführ e n . 5 9 2 Auch die Kommission führt ihre Kontrollen auf der Basis von Kontrollplä588 Art. 20 Abs. 4 UAbs. 1 Verordnung Nr. 2075/92 (Marktorganisation Rohtabak); Art. 1 Abs. 4 UAbs. 1 Verordnung Nr. 2262/84 (Sondermaßnahmen Olivenöl). 589 Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 118 mit Fn. 37. 590 Art. 14 Abs. 3 UAbs. 1 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachungsrichtlinie). 591 Als Beispiel siehe die Empfehlungen der Kommission v. 22. 2. 2000 über ein koordiniertes Programm für die amtliche Lebensmittelüberwachung für 2000, ABl. Nr. L 63 v. 10. 3. 2000, S. 34 und v. 18. 4. 2001 über ein koordiniertes Programm für die amtliche Lebensmittelüberwachung für 2001, ABl. Nr. L 120 v. 28. 4. 2001, S. 41 f. 592 So ausdrücklich festgelegt in Art. 29 Abs. 3 Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung).
Β. Strukturbildung
147
nen durch: Die Pläne ergehen in der Form von Programmen „ m i t Angaben über alle Aktionen, die die Kommission i m Rahmen der Kontrollen durchführt". 5 9 3 A n der Ausarbeitung dieser Programme werden i.d.R. die entsprechenden Ausschüsse oder Sachverständige oder Kontaktstellen der Mitgliedstaaten beteiligt. 5 9 4
(2) Nachsteuerung:
Kontrollberichte
Berichtspflichten existieren i m Gemeinschaftsrecht in vielfältigen Formen. Das Berichtswesen ist ein Mechanismus zur strukturierten Aufbereitung von Informationen. Die in den Berichten enthaltenen Informationen dienen zwar nicht direkt der Schaffung von Grundlagen für Entscheidungen i m Einzelfall. Sie helfen aber dabei, das Agieren der zuständigen Verwaltungen in den vielen Einzelfällen in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Die Berichte der Mitgliedstaaten über ihre Inspektionstätigkeiten und die dabei erzielten Ergebnisse können Schwachstellen i m Vollzug des Gemeinschaftsrechts aufdecken. Sie entfalten Anstoßwirkung für Verbesserungsanstrengungen sowohl auf administrativer als auch auf normativer Ebene. 5 9 5 Adressat der Berichte kann zum einen die Öffentlichkeit sein. Hierbei handelt es sich nicht um kooperationsrechtliche Vorgänge i m eigentlichen Sinne. Vor allem i m Umweltrecht finden sich Berichtspflichten in Form einer Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit. Die Mitgliedstaaten werden durch das Gemeinschaftsrecht verpflichtet, Berichte über die Ergebnisse laufender Uberwachungsmaßnahmen i m anlagenbezogenen Umweltrecht zu veröffentlichen („Uberwachungspubliz i t ä t " 5 9 6 ) . Auch die Kommission selbst bedient sich dieses Mittels: Die Berichte über Kontrollmissionen des Lebensmittel- und Veterinäramts in den Mitgliedstaaten oder in Drittländern werden ζ. B. auf der Internetseite der Generaldirektion Gesundheits- und Verbraucherschutz der interessierten Öffentlichkeit zugänglich ge593 So ζ. B. Art. 2 Entscheidung Nr. 98/139 (Kontrollen vor Ort im Veterinärbereich). 594 Vgl. ζ. B. Art. 6 Abs. 2 Verordnung Nr. 2048/89 (Weinkontrollverordnung): Zur Ausarbeitung der Programme für gemeinsame Kontrollmaßnahmen nimmt die Kommission die geeigneten Verbindungen zu den Kontaktstellen der Mitgliedstaaten auf; Art. 2 Entscheidung Nr. 98/139 (Kontrollen vor Ort im Veterinärbereich): An der Ausarbeitung werden der Ständige Veterinärausschuß und Sachverständige der Mitgliedstaaten beteiligt. 595 Zum Einsatz von Berichten als Aufsichtsinstrument über Mitglieder internationaler Organisationen vgl. Schermers/Blokker, International Institutional Law, §§ 1402 ff. Zu den Melde- und Berichtspflichten der Mitgliedstaaten zum Schutz der finanziellen Interessen der Union vgl. Magiern, in: FS Friauf, S. 13, 30 f. 596 Begriff bei Schmidt-Aßmann/Ladenburgei, in: Rengeling, EUDUR I, § 18, Rn. 13, die als Beispiele die Richtlinien zur Abfallverbrennung (Art. 9 Richtlinie Nr. 89/369, ABl. 1989, Nr. L 163, S. 32; Art. 8 Richtlinie Nr. 89/429, ABl. 1989, Nr. L 203, S. 50) und die IPPC-Richtlinie (Art. 15 Abs. 2 Richtlinie Nr. 96/61, ABl. 1996, Nr. L 257, S. 26) nennen. Diese Richtlinien ordnen an, daß die Überwachungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen. Allgemein zur Rolle der Öffentlich bei der Kontrolle der Gemeinschaft siehe nur Kadelbach, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 205, 220 f. 10*
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Kap. 1 : Inspektionen in ausgewählten Gebieten
m a c h t . 5 9 7 Von einer solchen Veröffentlichung geht eine indirekte SteuerungsWirkung aus. Kein Mitgliedstaat oder Drittland sieht sich gerne seiner Vollzugsdefizite wegen öffentlich „angeprangert". Gerade in den sensiblen Bereichen des Lebensmittel- und Veterinärrechts kann diese „Rufschädigung" unter Umständen zu geändertem Verbraucherverhalten und damit zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Die aktuellen Vorgänge i m Zusammenhang mit der BSE-Krise bieten hierfür schlagende Belege. Durch die mit der Veröffentlichung der Berichte erzielte Publizität wird die Bereitschaft der Mitgliedstaaten gestärkt, entdeckte Mängel rasch und effektiv abzustellen. Tätigkeitsberichte in kooperationsrechtlichen Zusammenhängen haben in erster Linie die zur Durchführung von Inspektionstätigkeiten speziell geschaffenen Stellen zu liefern. Das gilt ζ. B. für die Kontrollstellen i m Olivenöl- und Tabaksektor, die dem jeweiligen Mitgliedstaat und der Kommission in regelmäßigen Abständen Tätigkeitsberichte zu übermitteln haben. Darin müssen etwaige Schwierigkeiten aufgeführt und gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge für die Kontrollregelung formuliert werden. 5 9 8 Weitere Berichtspflichten treffen die Mitgliedstaaten: I m Lebensmittelrecht müssen sie beispielsweise der Kommission „alljährlich vor dem 1. M a i alle sachdienlichen Informationen über die Durchführung" der oben angesprochenen Kontrollpläne übermitteln. Diese Berichte müssen gesonderte Angaben über die Durchführung des von der Kommission vorgegebenen koordinierten Uberwachungsprogramms enthalten. 5 9 9 I m Umweltrecht müssen die Mitgliedstaaten über die Ergebnisse ihrer Kontrollen an die Kommission berichten. 6 0 0 I m Recht der Agrarfinanzierung teilen die Mitgliedstaaten der Kommission vierteljährlich Aufstellungen über die ermittelten Unregelmäßigkeiten m i t . 6 0 1 Zu Schwierigkeiten kann es kommen, wenn die Berichte der einzelnen Mitgliedstaaten von unterschiedlicher Detailliertheit und Qualität und deshalb nicht miteinander vergleichbar sind. Aus diesem Grund ist die Gemeinschaft dazu übergegangen, genaue Vorgaben über den geforderten Inhalt zu machen. 6 0 2 Die Art und Weise, in der die Berichte abzufassen sind, wird teilweise bis in die Gliederung hinein detailliert geregelt. Diese Vorgaben sollen einer „rationellen Darstellung der Kontrollergebnis597 http://www.europa.eu.int/comm/food/fs/inspections/index_en.html (1. 7. 2001); von Falke, in: Hill/Hof, Wirkungsforschung II, S. 265, 269 als „moderne Form des Prangers" gekennzeichnet. 598 Art. 20 Abs. 4 UAbs. 3 Verordnung Nr. 2075/92 (Marktorganisation Rohtabak), Art. 1 Abs. 4 UAbs. 3 Verordnung Nr. 2262/84 (Sondermaßnahmen Olivenöl). 599
Art. 14 Abs. 2 und 3 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachungsrichtlinie). 600 Vgl. z. B. Art. 18 Abs. 1 Richtlinie Nr. 90/220 (Freisetzungsrichtlinie); Art. 15 Abs. 4 Richtlinie Nr. 91/271 (Kommunales Abwasser); Art. 17 Richtlinie Nr. 91/414 (Pflanzenschutzmittel); Art. 20 Abs. 3 Verordnung Nr. 2037/2000 (Ozonschichtverordnung). 601
Art. 3 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung). Vgl. ζ. B. die Aufstellung in Art. 3 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung). 602
Β. Strukturbildung
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s e " 6 0 3 dienen. Die von den Mitgliedstaaten nach Art. 16 Abs. 3 Richtlinie 8 9 / 6 6 2 (Veterinärkontrollen Binnenmarkt) zu liefernden Berichte müssen ζ. B. aufgeschlüsselt nach Schwerpunktbereichen übermittelt werden. Für jeden Schwerpunktbereich wird ein entsprechendes Muster vorgegeben. 6 0 4 A u f diese Weise wird die Aussagekraft, Vergleichbarkeit und Brauchbarkeit der Berichte erhöht. Das Mittel der Berichterstattung wird auch in umgekehrter Richtung verwendet. Berichte der Kommission an die Mitgliedstaaten stellen eine Form der Rechenschaftslegung dar. Wenn der Kommission in bestimmten Bereichen mehr oder weniger selbständige Kontrollbefugnisse eingeräumt werden, soll sie i m Gegenzug die betroffenen Mitgliedstaaten an ihren Erkenntnissen teilhaben lassen. I m Lebensmittelrecht erstattet die Kommission beispielsweise jährlich den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament Bericht über die Durchführung ihrer Uberwachungstätigkeit i m Rahmen der Kontrolle der Kontrolle. 6 0 5 Diese Berichte machen die Vollzugsvorgänge in der EG für alle beteiligten Verwaltungsstellen transparenter. Sie können damit einen Beitrag zur Vollzugseffektivität leisten: Einerseits sind sie ein Mittel, Vollzugsdefizite und -Schwierigkeiten gemeinschaftsweit sichtbar zu machen. Allein diese Publizität kann schon vollzugsfördernd wirken. Gleichzeitig stellen sie ein Mittel zur Selbstdisziplinierung der zuständigen Stellen dar: Wer weiß, daß er in bestimmten Zeitabständen berichtspflichtig ist, wird seine Vollzugstätigkeiten von Anfang an rationeller gestalten. Hier treffen sich gewissermaßen Planung und Berichterstattung: Sie kanalisieren die Ausrichtung auf gemeinsame Vollzugsziele i m Zusammenhang mit der Verwaltung des Gemeinschaftsraums, aggregieren Informationen und ermöglichen i m Ergebnis gemeinsame Lernprozesse zur Verbesserung des Vollzugsniveaus in der Gemeinschaft. 6 0 6
603 So Erwägungsgrund Nr. 2 in der Entscheidung 98/470 der Kommission v. 9. 7. 1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Richtlinie 89 / 662 des Rates für die wichtigsten Informationen betreffend Veterinärkontrollen, ABl. Nr. L 208 v. 24. 7. 1998, S. 54. 604 Art. 1 und 3 i.V.m. den Anhängen I und II Entscheidung Nr. 98/470 der Kommission (Durchführung Veterinärkontrollen Binnenmarkt). Für die Berichtspflichten der Mitgliedstaaten im Umweltbereich gibt es sogar eine eigene Richtlinie Nr. 91/692 zur Standardisierung und Rationalisierung von Berichten über die Umsetzung bestimmter Umweltrichtlinien, die Fragebögen zur vereinfachten Erfassung der nationalen Vollzugssituation ebenso wie die anschließende Erstellung eines konsolidierten Berichts seitens der Kommission vorsieht, vgl. näher Alb in, DVB1. 2000, S. 1483, 1488. 605
Art. 5 Abs. 3 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwa-
chung). 606 Zur „lernenden Verwaltung" vgl. Hoffmann-Riem in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität, S. 9, 63 f.; ders. in: FS Thieme, 1993, 55 ff.
Kapitel 2
Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen für Inspektionsregelungen Die Antwort auf die Frage danach, inwieweit der Gemeinschaftsgesetzgeber Inspektionsregeln einführen kann, hängt zunächst davon ab, ob der E G V dafür die entsprechenden Kompetenzgrundlagen bereitstellt. Das Vorliegen einer primärrechtlichen Ermächtigungsgrundlage ist aus zwei Gründen von Bedeutung: - Zum einen geht es um die Abgrenzung der gemeinschaftlichen und nationalen Rechtsetzungszuständigkeiten. Eng damit verbunden ist ein völkerrechtlicher Aspekt: Wenn sich in den Gemeinschaftsverträgen keine hinreichende Grundlage für die Einführung der mitunter grenzüberschreitenden Prüfungsrechte findet, sind diese nach dem allgemeinen Völkerrecht zu beurteilen. 1 Die Gegenüberstellung von Gemeinschaftsrecht und Völkerrecht läßt auch die neuen Dimensionen staatlicher Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaftsaufsicht besonders deutlich hervortreten (dazu unter A.). 2 - Die einzelnen Kompetenzgrundlagen i m EGV müssen präzise voneinander abgegrenzt werden, da das zu beobachtende Rechtsetzungsverfahren von Regelungsmaterie zu Regelungsmaterie Unterschiede aufweisen kann. Das gilt ζ. B. hinsichtlich der vertraglich vorgesehenen Mitwirkungsrechte des Parlaments oder des i m Ministerrat einzuhaltenden Abstimmungsmodus (Einstimmigkeit oder Mehrheit). 3 Unter B. werden die Ermächtigungsgrundlagen des EGV auf ihr Potential für die Einführung von Inspektionsvorschriften hin untersucht. In den Abschnitten C bis E. geht es um weitere inhaltliche Vorgaben des Primärrechts, die die primärrechtlichen Maßstäbe für die Beurteilung der Tätigkeiten des Gemeinschaftsgesetzgebers i m Hinblick auf die Kontrollen vor Ort darstellen: Solche Vorgaben bieten das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EGV), das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 3 EGV) und der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit bzw. der Gemeinschaftstreue (Art. 10 EGV). 1 Im Anwendungsbereich der Verträge hingegen wird das Völkerrecht verdrängt, vgl. hier nur Groß, JZ 1994, S. 596, 600; näher unter A. 2 Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 92. 3 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 5, Rn. 9. Auf die besondere praktische Bedeutung der Abgrenzung zwischen Art. 95 und Art. 308 EGV weisen Wahl /Groß, DVB1. 1998, S. 2, 12 am Beispiel der Novel-Food-Verordnung hin.
Α. Völkerrechtlicher Ausgangspunkt
151
Α. Volkerrechtlicher Ausgangspunkt Inspektionen sind Hoheitstätigkeit. Das gilt unabhängig davon, ob sie auf mitgliedstaatlicher oder auf Gemeinschaftsebene durchgeführt werden. Aus dem Blickwinkel des Völkerrechts werfen diejenigen Inspektionsformen Probleme auf, die nicht im rein nationalen Kontext durchgeführt werden. Das sind einmal die Kommissionsinspektionen in den Mitgliedstaaten. In ihrem Zusammenhang üben Bedienstete einer internationalen Organisation, nämlich der EG, Hoheitsgewalt auf dem Territorium eines ihrer Mitgliedstaaten aus. Auch die grenzüberschreitenden Inspektionen auf mitgliedstaatlicher Ebene, also in erster Linie die gemeinschaftsweiten Inspektionen im Rahmen der Herkunftslandaufsicht wie sie am Beispiel der Bankenaufsicht näher beschrieben worden sind, stellen Hoheitsausübung auf fremdem Territorium dar. In abgeschwächter Form gilt das auch für die beobachtende Teilnahme von Inspektoren eines Mitgliedstaats an Inspektionen in einem anderen Mitgliedstaat. Diese Inspektionen auf fremdem Territorium wären nach dem allgemeinen Völkerrecht grundsätzlich unzulässig: „Die erste und wichtigste Einschränkung nun, die das internationale Recht dem Staat auferlegt, ist der Ausschluß jeder Ausübung seiner Macht auf dem Gebiet eines anderen Staates, sofern nicht eine Regel besteht, die dies erlaubt." 4 So formulierte der I G H im Jahr 1927 in seinem Lotus-Urteil den völkerrechtlichen Grundsatz, der die Vornahme von Hoheitsakten i m Ausland ohne die Zustimmung des Inhabers der Territorialhoheit verbietet. 5 Nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts stünde den grenzüberschreitenden Inspektionstätigkeiten die Territorialhoheit der Einzelstaaten entgegen. Die Territorialhoheit ist ein wichtiges Element staatlicher Souveränität. Souveränität als Kennzeichen des Staates bedeutet die summa potestas, d. h. „Konzentration der öffentlichen Gewalt im Territorium und Unabhängigkeit von jedweder weltlichen Gewalt nach außen". 6 A u f seinem Territorium übt der Staat eine von anderen Staaten unabhängige Hoheitsgewalt aus; er ist in diesem Bereich souverän. Die nach innen wirkende Souveränität des Staates führt dazu, daß auf seinem Territorium nur durch ihn oder mit seiner Zustimmung Hoheitsakte gesetzt werden dürfen. 7 Fremde Staaten dürfen ohne seine Zustimmung keinerlei amtliche Tätigkeiten ausüben. 8
4 StIGHE 5 (1927), 71, 90. 5
Umfassend dazu Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion, S. 116, 122. 6 Ress, in: ders., Souveränitätsverständnis, S. 11 ff., 15; Rudolf, VVDStRL 37 (1979), S. 175, 179; K. Ipsen, Völkerrecht, § 5, Rn. 6 f. 7 K. Ipsen, Völkerrecht, § 23, Rn. 3, 6; Stockmann, WuW 1975, S. 243, 244; Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 99 ff. 8
Dieses Verbot reicht so weit, daß teilweise sogar das einfache Betreten eines fremden Staatsgebietes in Uniform darunter gezählt wird, vgl. Siegrist, Hoheitsakte, S. 11 mit weiteren Beispielen.
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
Vereinzelt wurde die Auffassung vertreten, daß reine Informationssammeltätigkeit ohne Ausübung von Zwang nicht völkerrechtswidrig sei. 9 Danach wären ζ. B. Inspektionen der Bankenaufsicht bei Zweigniederlassungen i m Ausland zulässig, wenn sie ohne Anwendung von Zwangsmitteln erfolgen. Gegen die Relevanz des Zwangskriteriums spricht jedoch, daß eine Völkerrechtsverletzung nicht von einer bestimmten Art des Tätigwerdens abhängt, sondern alleine in der „Anmaßung liegt, die eigene Staatsgewalt auf dem Gebiet eines anderen Staates auszuüben". 10 I m übrigen könnte eine Differenzierung in Zwangsakte und zwangsfreie Akte die Vermutung aufkommen lassen, daß das Einverständnis des Adressaten der Hoheitstätigkeit, das ja letztlich darüber entscheidet, ob die Behörde Zwangsmittel einsetzt, für die Frage der Souveränitätsverletzung eine Rolle spielen könnte. Das kann aber nicht richtig sein, weil auf diese Weise ein Privater über die Völkerrechtskonformität einer hoheitlichen Handlung im Ausland entscheiden könnte. Duldet er die Inspektion, wäre die Handlung des fremden Staates erlaubt. Stimmt er nicht zu, würde die Inspektion zu einem völkerrechtswidrigen Akt. Das ist jedoch ausgeschlossen, denn die Gebietshoheit ist ein Recht des Staates, über das eine Privatperson nicht bestimmen kann; die Einwilligung der Person, an deren Adresse die Amtshandlung gerichtet ist, ist irrelevant. 11 Daneben gibt es Überlegungen, bestimmte an sich hoheitliche Handlungen im Ausland als privatrechtlich zu qualifizieren. Dafür werden Gründe der Praktikabilität und die fehlende Berührung einer fremden Staatshoheit angeführt. Solche Ermittlungen würden zwar im Ausland vorgenommen, hingen aber mit dem Erlaß oder der Vorbereitung ausschließlich gegen Inländer gerichteter Hoheitsakte zusammen. Sie würden sich auf das fremde Staatsgebiet in keiner Weise auswirken. 1 2 Hiergegen spricht schon die bereits mehrfach angeführte Tatsache, daß es sich bei der Inspektion um ein Instrument hoheitlicher Sachverhaltsermittlung handelt. 1 3 Die Inspektionstätigkeit im Ausland ist nicht losgelöst von dem jeweiligen nationalen Verwaltungsverfahren, in dem die dabei ermittelten Informationen schlußendlich verwertet werden sollen. Ein und dasselbe Verfahren im Inland als hoheitlich und im Ausland als privatrechtlich zu qualifizieren, ist nicht überzeugend. Es bleibt also dabei, daß die Beschaffung von Informationen und Beweisen durch Kontrollbeamte eines Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat hoheitliche Tätigkeit darstellt. Diese Tätigkeiten sind aus rein völkerrechtlicher Sicht ohne die Zustim-
9 So Schlochauer, Extraterritoriale Wirkung, S. 68; Stockmann, WuW 1975, S. 243, 246 ff., 253; Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht, Band IV, S. 496-498. 10 Sie g risi, Hoheitsakte, S. 11. 11 So zutreffend Siegrist, Hoheitsakte, S. 11 f.; Nordmann, Beschaffung von Beweismitteln, S. 55 ff., insbes. 59; vgl. auch Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion., S. 122 zu Preiskontrollen durch Beamte des Importstaats im Ausfuhrland vor Erteilung der devisenrechtlichen Genehmigung für den Transfer des Kaufpreises. Eine Zustimmung allein des Exporteurs genüge nicht, da dieser nicht über die territoriale Souveränität seines Sitzstaats verfügen könne. 12 Stockmann, WuW 1975, S. 243, 246 ff. 13
Groß, JZ 1994, S. 596, 599 spricht von einem „im Kern gewerbepolizeilichen Institut".
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
153
mung des Inhabers der Territorialhoheit unzulässig. Nach den Grundsätzen des allgemeinen Völkerrechts sind aufsichtsrechtliche Prüfungen jeder Art auf dem Territorium eines anderen Staates nur möglich, wenn sie von ihm zugelassen worden sind. 1 4 Die dargestellten Regeln gelten auch für die hoheitliche Ermittlungstätigkeit internationaler Organisationen. 15 Auch Funktionäre internationaler Organisationen dürfen sich nicht ohne besondere Erlaubnis auf das Territorium ihrer Mitgliedstaaten begeben und dort Inspektionen durchführen. 16 Nach allgemeinem Völkerrecht dürften also weder Kommissionsbedienstete Inspektionen in den Mitgliedstaaten durchführen noch dürften Aufsichtsbeamte der Mitgliedstaaten ihre Funktionen in anderen Mitgliedstaaten ausüben, es sei denn, es bestünde eine Regel, die das i m Einzelfall erlaubt.
B. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung (Art. 5 Abs. 1 EGV) Die skizzierten völkerrechtlichen Grundsätze können allerdings durch das Gemeinschaftsrecht verdrängt oder modifiziert werden. So streitig das Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und Völkerrecht i m einzelnen ist, 1 7 besteht doch Einigkeit in gewissen Grundpositionen: Eindeutig ist zunächst, daß das Allgemeine Völkerrecht in den Außenbeziehungen für die EG vollen Umfanges wie für andere Völkerrechtssubjekte g i l t . 1 8 Die in dieser Arbeit nicht behandelten externen Inspektionsbefugnisse der Kommission, beispielsweise die Betriebskontrollen i m Antidumpingrecht oder die Inspektion von Betrieben und Schlachthöfen in Drittstaaten, die Fleisch in die Gemeinschaft liefern, unterliegen also dem Völkerrecht.
14
Siegrist, Hoheitsakte, S. 158; Nordmann, Beschaffung von Beweismitteln, S. 61; Groß, JZ 1994, S. 596, 600; Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 100; aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts Fastenrath, DV 31 (1998), S. 277, 304: Die Ausübung fremder Hoheitsgewalt muß von Deutschland zugelassen sein; wenn sie mit Eingriffen in die Rechtssphäre der Bürger verbunden ist, bedarf es dazu eines deutschen Gesetzes. 15 Grabitz, in: Bernhardt, EPIL, Band 1, Stichwort Administrative, judicial and legislative activities on foreign territory, S. 20 ff., 21 (unter 3.). Siehe auch Hahn, in: Bernhardt, EPIL, Band 2, Stichwort International Controls, S. 1082. 16 Zu den Inspektionsbefugnissen völkerrechtlicher Organisationen vgl. ausführlich und mit Beispielen Schermers/Blokker, International Institutional Law, §§ 1414 ff. 17 Ausführlich zu dieser Frage vgl. nur Everling, in: FS Mosler, S. 173 ff. und Schwarze, EuR 1983, S. 1 ff., beide m.w.N; siehe auch Bleckmann, in: Ress, Souveränitätsverständnis, S. 33, 34 ff., der das Gemeinschaftsrecht als eine „Gemengelage von Staats- und Völkerrecht" versteht. •8 St. Rspr. des EuGH, vgl. nur EuGH, verb. Rs. 21 bis 24/72 (International Fruit Company), Slg. 1972, 1219, Rn. 10/13 f.; EuGH, verb. Rs. 3 - 6 / 7 8 (Kramer), Slg. 1976, 1279 , Rn. 12/14 ff. (zur Außenzuständigkeit der Gemeinschaft).
154
Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
I m EG-Binnenbereich gilt dagegen vorrangig das Gemeinschaftsrecht. Das wird zum einen damit begründet, daß das europäische Gemeinschaftsrecht eine Rechtsordnung eigener Art ist und dementsprechend ein Rückgriff auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts in den innergemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen weder notwendig noch geeignet erscheint, die dort auftretenden spezifischen Sachprobleme zu lösen. 1 9 Aber auch diejenigen, die das Gemeinschaftsrecht als besonderes Völkerrecht ansehen, betonen, daß es als Recht eines besonderen Staatenzusammenschlusses für die Anwendung des allgemeinen Völkerrechts keinen Raum läßt, sofern es selbst Regelungen trifft. 2 0
I. Die Souveränität der Mitgliedstaaten und das Prinzip der begrenzten Ermächtigung M i t der Gründung der Gemeinschaft haben die Mitgliedstaaten einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Souveränität auf die Gemeinschaftsebene übertragen. 21 Diese Souveränitätsverlagerung weg von den Mitgliedstaaten hin zur Gemeinschaft hat Konsequenzen auch für das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander. I m Verhältnis zueinander sind die Mitgliedstaaten zwar nach wie vor Träger staatlicher Souveränität. 22 Jeder Mitgliedstaat bleibt ein unmittelbares Subjekt des Völkerrechts. Dennoch ist das Souveränitätsverständnis zu modifizieren. Die M i t gliedstaaten unterliegen erheblichen Zwängen durch das Gemeinschaftsrecht. Sie haben nach wie vor weitgehende Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen. Gleichwohl ist das mitgliedstaatliche Recht mittlerweile in großem Umfang durch gemeinschaftliche Vorgaben überdeckt wie auch die Darstellung des Rechtsinstituts der Inspektion in den verschiedenen Referenzbereichen gezeigt hat. Primärrecht, Richtlinien und Verordnungen geben der gesetzgeberischen und verwalten-
19 Schwarze, EuR 1983, S. 1, 5, 33; Everling, in: FS Mosler, S. 173, 174; H.P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 1, Tz. 6, zur Rechtsstellung der Gemeinschaft auch § 8; Doehring, Völkerrecht, § 2, Rn. 221; die Rechtsnatur sui generis des Gemeinschaftsrechts betont auch EuGH, Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, 1251, 1269; zur Autonomie der Gemeinschaftsrechtsordnung auch Folz, Demokratie und Integration, S. 17 ff. 20
Κ Ipsen, Völkerrecht, § 33, Rn. 2; Bleckmann, Europarecht, Rn. 643; Streinz, Europarecht, Rn. 107 ff. (112 f.); vgl. auch Kaufmann, Demokratieprinzip, S. 182 ff. und Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 86 f. 21 Zu der Diskussion, ob neben den Mitgliedstaaten auch der Union Souveränität zugebilligt werden muß („geteilte Souveränität") oder ob bereits ein Stadium erreicht ist, in dem die staatliche Souveränität der Mitgliedstaaten überhaupt nicht mehr besteht, vgl. nur Krück, in: Ress, Souveränitätsverständnis, S. 155, 159: „Auch bei einer möglichen Postulierung der Teilbarkeit der Souveränität ist festzustellen, daß der Souveränitätsverlust der Mitgliedstaaten noch nicht so umfassend ist, daß er die souveräne Staatsqualität der Staaten auch nur teilweise berührte." 22
Ress, in: ders., Souveränitätsverständnis, S. 11, 13; Krück, in: Ress, Souveränitätsverständnis, S. 155, 159; Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 90; Folz , Demokratie und Integration, S. 266 ff.
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
155
den Eigeninitiative der Mitgliedstaaten einen Rahmen vor und setzen ihr mitunter enge Grenzen. Die innere Souveränität der Mitgliedstaaten unterliegt damit Beschränkungen, die eine Modifizierung und Relativierung des S ou veränitäts Verständnisses mit sich bringen. Durch die Gründung der Gemeinschaft ist allerdings kein neuer Hoheitsträger mit Allzuständigkeit entstanden. Die Hoheitsrechte der Gemeinschaft resultieren lediglich aus einer freiwilligen Beschränkung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten auf begrenztem Gebiet. Nur soweit die Mitgliedstaaten Hoheitsrechte auf die Gemeinschaft übertragen haben, darf diese ihre Hoheitsgewalt ausüben. Diese Übertragung von Hoheitsrechten durch Souveränitätsbeschränkungen der M i t gliedstaaten findet ihren Ausdruck in dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung. Primärrechtlich ist es in Art. 5 Abs. 1 EGV verankert: Danach ist der Gemeinschaft ein Tätigwerden nur innerhalb der Grenzen der ihr vertraglich zugewiesenen Befugnisse erlaubt. Die Organe der EG dürfen nur dann verbindliche Handlungen vornehmen, wenn und soweit sich dazu in den Gründungsverträgen eine Kompetenzgrundlage findet. 2 3 Nicht etwa ein neu auftretender Regelungsbedarf, sondern allein die den Gemeinschaften vertraglich verliehenen Zuständigkeiten können deren Rechtsetzungskompetenz begründen. 24
II. Grenzüberschreitende nationale Inspektionsbefugnisse als Gemeinschaftskompetenz Die vorstehend beschriebene Souveränitätsübertragung auf die Gemeinschaft erklärt allerdings zunächst nur, warum die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Gemeinsc/zö/tainspektoren auf ihrem Territorium zu dulden. Üben die Kommissionsbediensteten ihre Inspektionsbefugnisse entsprechend den einschlägigen EG-Rechtsgrundlagen aus, so nehmen sie Hoheitsbefugnisse wahr, die ihnen die Mitgliedstaaten nach dem EGV übertragen haben. Eine solche Übertragung ist beispielsweise nach deutschem Verfassungsrecht gemäß Art. 23 GG (vor dessen Einführung Art. 24 GG) zulässig. 25 Wenn nun aber Bedienstete eines Mitgliedstaats i m Rahmen der Herkunftslandaufsicht Inspektionen auch auf dem Territorium eines anderen Mitgliedstaats durchführen, so üben sie dort originär hoheitliche Tätigkeiten aus. Gleiches gilt wenn auch in abgeschwächter Form - für die Teilnahmerechte der Bediensteten aus anderen Mitgliedstaaten an Gemeinschaftsinspektionen. Für diese Kontrolltä23 Kraußer, Prinzip begrenzter Ermächtigung, S. 16; Boeck, Abgrenzung der Rechtsetzungskompetenzen, S. 31 ff.; Nitschke, Harmonisierung des Verwaltungsvollzugs, S. 90 f. 24 Schwer, Kompetenzverteilung, S. 28 f.; Oppermann, Europarecht, Rn. 656; Kraußer, Prinzip begrenzter Ermächtigung, S. 21 ff. 25 Rechtsvergleichend zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen in den anderen Mitgliedstaaten für die Übertragung von Hoheitsrechten auf supranationale Institutionen Chapuis, Übertragung von Hoheitsrechten, S. 115 ff.
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
tigkeit von Bediensteten anderer Mitgliedstaaten auf dem Territorium eines M i t gliedstaats scheint der EGV auf den ersten Blick keine taugliche Grundlage zu sein: Durch ihn wird das Recht zur Ausübung von Hoheitsbefugnissen j a gerade auf die zwischenstaatliche Einrichtung EG und nicht auf die anderen Mitgliedstaaten übertragen. 26 Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich eine dogmatisch tragfähige Begründung dafür finden läßt, daß die Kontrollbediensteten ihre Tätigkeiten im Rahmen der Herkunftslandaufsicht quasi i m „europäischen Auftrag" wahrnehmen. Teilweise wird die Annahme einer Delegation vorgeschlagen: I m Falle grenzüberschreitender Verwaltungsbefugnisse würden Hoheitsrechte nicht unmittelbar zwischen den Mitgliedstaaten ausgeübt, sondern vielmehr zunächst auf die Gemeinschaft übertragen, welche dann die konkrete Ausübung dieser Verwaltungskompetenzen an die Mitgliedstaaten delegiere. 27 Daß sich die Figur der Delegation, gekennzeichnet durch die Befugnisübertragung durch ein Organ an eine andere Stelle, nur bedingt für die Erklärung grenzüberschreitender Verwaltungsbefugnisse eignet, hat Röhl für die sogenannten „Benannten Stellen" i m Produktsicherheitsrecht entwickelt. 2 8 Seine Überlegungen passen auch auf das Problem der grenzüberschreitenden Inspektionen: Auch die Zuweisung von Inspektionsbefugnissen an die Behörden i m Herkunftsmitgliedstaat stellt i m Ergebnis keine (Weiter-)Übertragung von Zuständigkeiten der Gemeinschafts organe dar. Die Gemeinschaft als solche weist vielmehr ihr zustehende Verwaltungskompetenzen den Mitgliedstaaten zur Ausübung zu. Es wird also nicht eine vorgegebene Kompetenzordnung abgeändert, sondern eine europäische Verwaltungsstruktur neu geschaffen. 29 I m Rahmen dieser neuen europäischen Verwaltungsstruktur nehmen die Behörden der Mitgliedstaaten gemeinschaftsweit Inspektionsbefugnisse wahr. Sie üben nicht mehr nur rein nationale, sondern europäische Hoheitsgewalt aus. Dieser europäischen Hoheitsgewalt lassen die Mitgliedstaaten Raum, wenn sie die Aktivitäten ausländischer Inspekteure auf ihrem Territorium dulden. Für die Zuweisung von Inspektionspflichten an die Mitgliedstaaten kommt es demzufolge ebenso wie für
26 Zum Problem der Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten umfassend Baldus, Transnationales Polizeirecht; ders., DV 32 (1999), S. 481 ff. 27 So Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 183 ff. Eine direkte Übertragung deutscher Hoheitsgewalt auf ausländische Staaten nimmt Neßler, Richtlinienrecht, S. 79 f. für den transnationalen Verwaltungsakt an; siehe zum transnationalen Verwaltungsakt auch Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, S. 924, 936. Zu Begriff und möglichem Inhalt der Delegation vgl. allgemein Bünten, Staatsgewalt und Gemeinschaftshoheit, S. 53 ff. und 113 ff., der (im Zusammenhang mit der Durchführung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten) zwischen Delegation von Hoheitsrechten und Delegation von Wahrnehmungskompetenzen unterscheidet. 28
Zertifizierung und Akkreditierung, S. 34 ff. Röhl, Zertifizierung und Akkreditierung, S. 35 f. Anders noch das ältere Schrifttum, in dem davon ausgegangen wurde, daß „das Gemeinschaftsrecht weder mitgliedstaatliche Behörden errichten noch diesen Zuständigkeiten zuweisen kann", siehe nur Götz, EuR 1986, S. 29, 33 m. w. N. 29
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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die Begründung eigener Inspektionsbefugnisse für die Gemeinschaftsorgane darauf an, daß der EGV dafür eine Ermächtigungsgrundlage bereit hält.
III. Ermächtigungsgrundlagen im EGV für Inspektionen Formal ergibt sich aus dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung, daß die Kompetenz der Gemeinschaft zur Rechtsetzung rechtstechnisch die Ausnahme ist, der Legitimation bedarf, während die Kompetenz der Mitgliedstaaten als rechtstechnischer Normalfall keiner Begründung bedarf. 3 0 Rechtsakte, mit denen die Gemeinschaft den Mitgliedstaaten Inspektionsaufgaben und -pflichten zuweist, müssen sich daher auf eine vertragliche Ermächtigungsgrundlage zurückführen lassen (unter 1.). Dasselbe gilt für Rechtsakte, die eigene Inspektionsbefugnisse der Kommission begründen (unter 2.).
7. Ermächtigungsgrundlagen für normative Vorgaben der EG an die Mitgliedstaaten Die normativen Vorgaben an die Mitgliedstaaten können darauf beschränkt sein, ihnen schlicht die Durchführung von Inspektionen aufzuerlegen. 31 Da Inspektionsvorschriften Bestandteil des Verfahrensrechts sind, ist als Rechtsgrundlage eine Kompetenz zur Regelung des Verwaltungs Verfahrens erforderlich. Vereinzelt wird zusätzlich vorgeschrieben, in welchen Organisationsformen die Inspektionen zu erfolgen haben (ζ. B. durch spezielle unabhängige Kontrollstellen). Verfahrens- und organisationsrechtlicher Art sind auch die ergänzenden Kooperations- und Informationsaustauschvorschriften (ζ. B. die Pflicht zum Aufbau von Datenbanken oder zur Einrichtung von Systemen zum institutionalisierten Informationsaustausch). 32 Rechtsakten der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsorgan!sationsrechts scheint auf den ersten Blick der vielzitierte Grundsatz der „institutionellen und verfahrensmäßigen A u t o n o m i e " 3 3 der Mitgliedstaa30 Jarass, AöR 121 (1996), S. 173, 175. 31 Siehe oben Kap. 1 B.I.2.a). 32 Auch Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 100, begreift die verschiedenen Formen der interadministrativen Kooperation als organisatorische Phänomene, die unter diesem Aspekt im Hinblick auf die im EGV zur Verfügung gestellten Kompetenzen zu bewerten sind. 33 Vgl. nur Stettner, in: Dauses, HBEUWiR Β III, Rn. 9 (s. auch Rn. 16: „Letzt- und Residualkompetenz" der Mitgliedstaaten im Bereich des Verwaltungsvollzugs von Gemeinschaftsrecht); Streinz, in: Isensee / Kirchhof, HBStR VII, § 182, Rn. 4; Pache, Schutz der finanziellen Interessen, S. 80 ff.; Klosters, Kompetenzen der EG-Kommission, S. 12 f.; Pernice / Kadelbach, DVB1. 1996, S. 1100, 1101 f.; Kahl, DV 29 (1996), S. 341, 346; Everling, DVB1. 1983, S. 649, 653 ff.; Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Europäische Union, S. 224; Classen, DV 31 (1998), S. 307 f. Oppermann, Europarecht, Rn. 641 spricht vom „Prinzip der
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
ten entgegenzustehen. Nach der Rechtsprechung des EuGH haben die nationalen Behörden grundsätzlich die Form- und Verfahrensvorschriften des nationalen Rechts anzuwenden, wenn ihnen der Vollzug von Gemeinschaftsrecht obliegt. 3 4 Ferner hat der EuGH entschieden, daß „ausschließlich das Verfassungssystem des einzelnen Mitgliedstaates bestimmt, in welcher Weise der Staat die Ausübung bzw. Erfüllung der sich für ihn aus Vertrags- oder Verordnungsvorschriften ergebenden Befugnisse oder Pflichten zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts bestimmten innerstaatlichen Organen übertragen kann". 3 5 Auch in organisationsrechtlicher Hinsicht sind damit grundsätzlich die Mitgliedstaaten dafür zuständig, Behörden zu errichten und darüber zu entscheiden, in welchen Organisationsformen sie ihre Verwaltungsaufgaben erfüllen. Darüber besteht weitgehend Einigkeit. 3 6 Gerade das Rechtsinstitut der Inspektion zeigt aber, daß dieser Grundsatz der institutionellen und verfahrensmäßigen Autonomie der Mitgliedstaaten allenfalls eine erste Orientierung bieten kann. Er gilt faktisch nur, solange die Gemeinschaft auf dem jeweiligen Gebiet noch keine Regelungen getroffen hat. Der EuGH hält in seinen Urteilen die nationalen Verfahrensvorschriften im Zusammenhang mit der Durchführung des Gemeinschaftsrechts für anwendbar, „wenn und soweit das Gemeinschaftsrecht keine entsprechende Regelung enthält". 3 7 Damit geht er wie selbstverständlich von einer Befugnis zum Erlaß gemeinschaftlicher Verfahrensvorschriften aus. Zum einen hat er die Anwendung nationaler Vollzugsnormen auf gemeinschaftsrechtliche Sachverhalte stets unter die Prämisse des Fehlens gemeinschaftlicher Regeln gestellt. Zum anderen hat er in zahlreichen Urteilen gemein-
institutionellen Eigenständigkeit", das bei der mitgliedstaatlichen Durchführung des Gemeinschaftsrechts gelte; von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 193: „Strukturentscheidung der Gründungsverträge ... für die mitgliedstaatliche Ausführung und Anwendung von Gemeinschaftsrecht"; Nitschke, Harmonisierung des Verwaltungsvollzugs, S. 35 ff.; Koch, EuZW 1995, S. 78; Mögele, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 204; Rengeling, VVDStRL 53 (1994), S. 202, 231 kritisch von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 5, Rn. 43 (Stand Sept. 1994); Cassese, Der Staat 33 (1994), S. 25, 26. 34 EuGH, Rs. 39/70 (Norddeutsches Vieh- und Fleischkontor), Slg. 1971, 49, Rn. 4; vgl. auch EuGH, Rs. 6/71 (Rheinmühlen Düsseldorf), Slg. 1971, 823, Rn. 8; EuGH, Rs. 265/78 (Ferwerda), Slg. 1980, 617, Rn. 4 ff.; EuGH, Rs. 205/82 (Deutsche Milchkontor), Slg. 1983, 2633, Rn. 17; EuGH, Rs. C-290/91 (Peter), Slg. 1993, 1-2981, Rn. 8; EuGH, Rs. C-60/92 (Otto/Postbank), Slg. 1993,1-5683, Rn. 14; EuGH, Rs. C-212/94 (FMC), Slg. 1996,1-389; EuGH, Rs. C-242/95 (GT-Link), Slg. 1997,1-4449, Rn. 23. 35 Verb. Rs. 51-54/71 (International Fruit Company), Slg. 1971, 1107, Rn. 3/4. 36 von Danwitz, DVB1. 1998, S. 421, 429 ff.; Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 100; Pache, Schutz der finanziellen Interessen, S. 80 ff.; Badura, in: FS Everling, S. 33 ff.; Rengeling, EuR 1974, S. 216, 227; Zuleeg, Recht der EG, S. 211 f. 3v EuGH, Rs. 205/82 (Deutsche Milchkontor), Slg. 1983, 2633, Rn. 17; siehe auch EuGH, Rs. 106/77 (Simmenthai), Slg. 1978, 629/643, Rn. 13 ff. Zu dieser „Soweit-Formel" von Danwitz, DVB1. 1998, S. 421, 422; Rengeling, VVDStRL 53 (1994), S. 202, 225 f.; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 53 ff. Zu den Grenzen der verfahrensrechtlichen Autonomie der Mitgliedstaaten auch Rodriguez Iglesias, EuGRZ 1997, S. 289 ff.
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
159
schaftsrechtliche Vollzugsbestimmungen interpretiert und die Notwendigkeit ihrer strikten Anwendung hervorgehoben. 38 Auch wenn der E G V keine Kompetenzgrundlagen enthält, die sich ausdrücklich auf die Einführung von Verfahrensregeln beziehen, bietet er reichliche Kompetenzreserven, die es der Gemeinschaft ermöglichen, durch Rechtsetzung auf dem Gebiet des Verfahrens- und des Organisationsrechts steuernd auf den mitgliedstaatlichen Verwaltungsvollzug einzuwirken. Das ist in erster Linie auf die finale Ausgestaltung der meisten Kompetenzvorschriften zurückzuführen. Die Kompetenzzuweisungen i m EGV beschränken sich nicht - wie i m GG - auf einen bestimmten Sachbereich, sondern knüpfen typischerweise an eine Zielbeschreibung an und ermächtigen zu den zur Erreichung dieses Ziels erforderlichen Maßnahmen. 3 9 Das können auch Regelungen mit Verfahrens- oder organisationsrechtlichem Inhalt sein. Für Inspektionsregeln kommen zwei Typen von Ermächtigungsgrundlagen in Betracht: solche, die sich auf bestimmte Sachgebiete beziehen [unter a)] und solche, die die Gemeinschaft allgemein zum Erlaß von Koordinierungs- und Rechtsangleichungsvorschriften ermächtigen [unter b)].
a) Sachgebietsbezogene Ermächtigungsgrundlagen Der EGV enthält zunächst für die verschiedenen Gemeinschaftspolitiken jeweils sachgebietsbezogene Ermächtigungsgrundlagen. 40 Diesen sachgebietsbezogenen Kompetenznormen wurde teilweise ein vornehmlich materiell-rechtlicher Gehalt zugeschrieben. 41 Deshalb sollten auf sie gestützte verfahrensrechtliche Regelungen der Gemeinschaft entweder überhaupt nicht oder höchstens unter den engen Voraussetzungen der implied-powers-Doktrin zulässig sein, wenn ohne sie das zu vollziehende materielle Recht nicht sinnvoll angewendet werden kann. 4 2 Heute ist 38 Darauf weist Mögele, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 176 mit Fn. 420 hin. Die Folgerungen aus diesem Befund sind unterschiedlich, von Bogdandy in Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 10, Rn. 43 meint, auf den allzu pauschalen Grundsatz der institutionellen und verfahrensmäßigen Autonomie könne verzichtet werden, der Schutz mitgliedstaatlicher Handlungsfreiheit erfolge über Art. 3b Abs. 2 und 3 EGV (jetzt Art. 5 Abs. 2 und 3). Kritisch zu der Tendenz des EuGH, die mitgliedstaatliche Autonomie praktisch zur Ausnahme werden zu lassen, Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 10, Rn. 59; siehe auch von Danwitz, DVB1. 1998, S. 421, 423 ff. 39 Ausführlich zur der finalen bzw. funktionalen Ausrichtung der Kompetenznormen im EGV Jarass, AöR 121 (1996), S. 173, 178 ff. und von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 430 ff.; kurz auch Classen, DV 31 (1998), S. 307, 331; Schoch, VB1BW 1999, S. 241, 245. Zuleeg, in: Groeben / Thiesing / Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 3b, Rn. 4 und Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 97 weisen allerdings zutreffend darauf hin, daß eine funktionale Zielvorgabe als zusätzliches Tatbestandsmerkmal u.U. nicht nur kompetenzausweitend, sondern auch kompetenzbegrenzend wirken kann. 40 Ζ. B. Art. 37 Abs. 2 EGV für die Gemeinsame Agrarpolitik, Art. 83 für die Wettbewerbspolitik, Art. 161 EGV für die Strukturpolitik oder Art. 175 EGV für die Umweltpolitik. 41 Vgl. zum folgenden Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 102 f.
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
weitgehend anerkannt, daß zur Erreichung materieller Regelungsziele auch das entsprechende Verwaltungsverfahren durch die Gemeinschaft geregelt werden darf. Dafür ist in den meisten Fällen zur Kompetenzbegründung noch nicht einmal der Rückgriff auf implied-powers erforderlich. 43 Viele der einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen sind bereits dem Wortlaut nach nicht auf materiell-rechtliche Vorschriften beschränkt: Rechtsakte i m Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik, die gestützt auf die Art. 34 Abs. 2, 37 Abs. 2 EGV ergehen, können „alle zur Durchführung des Art. 33 erforderlichen Maßnahmen" einschließen. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist Art. 43 EGV (jetzt Art. 37 EGV) die geeignete Rechtsgrundlage für alle Regelungen über die Produktion und die Vermarktung der i m Anhang I I des Vertrages (jetzt Anhang I) aufgeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die zur Verwirklichung eines oder mehrerer der in Art. 39 EGV (jetzt Art. 33 EGV) genannten Ziele beitragen. 44 Solche Ziele sind u. a. die Stabilisierung der Märkte, die Sicherstellung der Versorgung oder die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen. Angesichts des weiten gesetzgeberischen Ermessens, das i m Rahmen der agrarpolitischen Rechtsetzung nach Art. 34 und 37 EGV eröffnet ist, wird man den Kreis der möglichen Regelungen nicht zu eng ziehen dürfen 4 5
42 Zuleeg, Das Recht der EG, S. 220; Rengeling, EuR 1974, S. 216, 230 f.; ders., Rechtsgrundsätze, S. 33. Auch nach Kluth, Demokratische Legitimation, S. 24 soll daher grundsätzlich der Satz gelten, daß sich allein aus der Kompetenz der EG, auf bestimmten Sachgebieten materiell-rechtliche Regelungen treffen zu können, nicht die Befugnis ergebe, auch diesbezügliche verwaltungsorganisatorische und verwaltungsverfahrensrechtliche Bestimmungen zu erlassen. Das soll nur über die Konstruktion der implied powers möglich sein. 43 So auch Engel, DV 25 (1992), S. 437, 460; Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 103. Etwas restriktiver zum Agrarrecht Boest, Agrarmärkte, S. 289: lediglich solche Verfahrensregelungen, die sich „unmittelbar" auf ein Funktionieren der Marktregulierungsvorschriften beziehen. Anders Kluth, Demokratische Legitimation, S. 15: „Bei der Anwendung sekundärrechtlicher Bestimmungen ist allerdings auf die Lehre von den implied-powers zurückzugreifen, da zweifelhaft ist, ob die Verwaltungscharakter tragende Norm des Sekundärrechts überhaupt geeignet sein kann, nationales Verwaltungsverfahrens- und Organisationsrecht zu modifizieren. Vgl. auch Klein, in: Starck, Rechtsvereinheitlichung, S. 117, 138; Wolfgang, DVB1. 1996, S. 277, 282; Schweitzer, DV 17 (1984), S. 137, 168. 44 EuGH, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1988, 855, Rn. 12; EuGH, Rs. C280/93 (Deutschland/Rat), Slg. 1994, 1-4973, Rn. 54; Rs. C-180/96 (Vereinigtes Königreich/Kommission), Slg. 1998,1-2265, Rn. 120; zuletzt bestätigt durch die Entscheidung zur Rindfleischetikettierungsverordnung, EuGH, Rs. C-269/97 (Kommission/Rat), Slg. 2000,12257, Rn. 47. Diese Rechtsprechung ist zu Streitfragen um das Verhältnis zwischen Art. 37 EGV und anderen Ermächtigungsgrundlagen, insbesondere Art. 95 EGV, ergangen. Die Formulierung „alle Regelungen" deutet aber unabhängig von dem Kollisionsproblem auf einen außerordentlich weiten Anwendungsbereich hin. 45 Mögele, in: Dauses, HBEUWiR, G, Rn. 176; Gilsdorf/Priebe, in: Grabitz/ Hilf, EGV, Art. 40, Rn. 67 ff. und Körte/van Rijn, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 40, Rn. 27. Zur Tauglichkeit der agrarrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen für den Erlaß von Verfahrensvorschriften vgl. auch Boest, Agrarmärkte, S. 289 f. und Angerer, Agrarrecht 1992, S. 288, 289.
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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Unsicherheiten bestanden früher bei der Frage nach der Rechtsgrundlage für einige Richtlinien im Veterinärrecht. Die frühen Fleischhygienerichtlinien wurden teilweise sowohl auf Art. 43 EGV (jetzt Art. 37 EGV) als auch auf Art. 100 bzw. 100a EGV (jetzt Art. 94, 95 EGV) gestützt. Durch die Rechtsprechung des EuGH ist die Frage jedoch inzwischen zugunsten der agrarrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen entschieden. 46 Gerade für den Bereich des Veterinärrechts hat der EuGH mehrfach bestätigt, daß auch Regelungen mit gesundheitsschützenden Implikationen auf Art. 37 EGV zu stützen sind, wenn nur der „Schwerpunkt" der Regelung im Bereich der Ziele des Art. 33 EGV liegt. Diese Rechtsprechung - die jüngst noch einmal im Urteil zur RindfleischetikettierungsVerordnung bestätigt wurde 4 7 - ist so gefestigt, daß sie nur als gegeben hingenommen werden kann. Alle neueren veterinärrechtlichen Richtlinien, insbesondere die dargestellten Veterinärkontrollrichtlinien und die Richtlinie über die Zusammenarbeit der Veterinärbehörden sind unter Berufung auf Art. 43 EGV (jetzt Art. 37 EGV) erlassen worden. M i t dieser weiten Auslegung der agrarrechtlichen Ermächtigungsgrundlage - die auch nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages lediglich eine Anhörung des Europäischen Parlaments erfordert - werden große Rechtsbereiche ohne zwingende Notwendigkeit dem Einfluß des Parlaments entzogen. 48 Hier läge eine gute Möglichkeit, dem Demokratiedefizit der Gemeinschaft entgegenzuwirken, die allerdings weder der Gerichtshof mit einer engeren Auslegung des Art. 37 EGV noch die Mitgliedstaaten als Herren der Verträge bei den Vertragsreformen durch eine Erweiterung der Beteiligungsrechte des Parlaments wahrgenommen haben. Gerade wegen der finanziellen Auswirkungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und ihrer Einwirkung in grundrechtlich geschützte Bereiche wären hier Verbesserungen wünschenswert. 49 Unter Aspekten des Gesundheitsschutz.es kommt neuerdings auch Art. 152 Abs. 4 lit. b) EGV als Kompetenzgrundlage für Inspektionsregelungen in Betracht: Diese durch den Amsterdamer Vertrag neu eingefügte Vorschrift erlaubt abweichend von Art. 37 EGV Maßnahmen in den Bereichen Veterinärwesen und Pflanzenschutz, die unmittelbar den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zum Ziel haben. Damit ist die Kompetenz zum Erlaß von Gesundheitsschutzmaßnahmen in den Bereichen Veterinärwesen und Pflanzenschutz aus der Landwirtschaftspolitik herausgelöst und in die Gesundheitsschutzpolitik transferiert worden. 5 0 Solche 46
Siehe die Nachweise in Fn. 44. Näher zu den Rechtsetzungskompetenzen im gemeinschaftlichen Veterinärrecht (vor allem mit Blick auf die BSE-Krise) Blumann/Adam, R.T.D.E. 33 (1997), S. 239, 241 ff. 47 EuGH, Rs. C-269/97 (Kommission/Rat), Slg. 2000, 1-2257, Rn. 47. Die den Gegenstand dieses Urteils bildende Verordnung Nr. 820/97 wurde mittlerweile durch die Verordnung Nr. 1760/2000 abgelöst. Letztere hat - da nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages erlassen - neben dem Art. 37 EGV auch noch den Art. 152 Abs. 4 lit. b) EGV (Gesundheitsschutz im Veterinärwesen) zur Grundlage. 48 Kritisch auch Blumann/Adam, R.T.D.E. 33 (1997), S. 239, 241 ff., 289 f. 49 So auch Thiehle, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 37, Rn. 18. 50 Wichard, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 152, Rn. 15; Burbach/Mindermann, Agrarrecht 1998, S. 293, 295. 11 David
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
Maßnahmen ergehen i m Mitentscheidungsverfahren. A u f diese Weise könnte die Einbeziehung des Europäischen Parlaments gelingen, die bisher immer an der Präferenz des EuGH für die agrarrechtliche Ermächtigungsgrundlage gescheitert war. M i t dem Maastrichter Vertrag wurde die Betrugsbekämpfung erstmals i m Primärrecht verankert. M i t der Einführung des Art. 209a EGV a.F. (jetzt Art. 280 EGV) sollte der gestiegenen Bedeutung dieses Sachanliegens Rechnung getragen werden. 51 Primärer Regelungsgegenstand waren die Pflichten der Mitgliedstaaten zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, die bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs unter Berufung auf Art. 5 EGV a.F. entwickelt worden waren. Vor der Ergänzung des Art. 209a EGV a.F. durch den Amsterdamer Vertrag war strittig, ob Rechtsakte der Organe der Gemeinschaft unmittelbar auf diese Bestimmung gestützt werden konnten. 5 2 Die Kommission hat bisher - auch gegen den Widerspruch des Parlaments - andere Rechtsgrundlagen herangezogen. 5 3 Der Amsterdamer Vertrag hat mit dem neuen Art. 280 Abs. 4 diese Frage i m Sinne einer ausdrücklichen Rechtsetzungsermächtigung entschieden: „Zur Gewährleistung eines effektiven und gleichwertigen Schutzes in den Mitgliedstaaten" darf der Rat nun i m Mitentscheidungsverfahren „die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Betrügereien, die sich gegen die finanziellen Interessen der Gemeinschaft richten ergreifen. Diesen Ermächtigungsgrundlagen ist gemeinsam, daß nach ihnen jeweils ganz allgemein die „erforderlichen Maßnahmen" zur Erreichung des jeweiligen Sachziels erlaubt sind. Daher wäre es zu eng gegriffen, diese Maßnahmen auf rein materielle Regelungen zu begrenzen. Erforderlich zur Erreichung der Ziele der Gemeinschaftspolitiken sind nicht nur materielle Bestimmungen, sondern vielmehr auch ein Vollzugssystem, das die Erreichung der materiellen Ziele sicherstellt. Inspektionen als Instrument der Vollzugskontrolle sichern die Einhaltung der materiellen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts. In diesem Sinne ist es grundsätzlich zulässig, daß Gemeinschaftsrechtsakte den Mitgliedstaaten die Durchführung von Inspektionen zur Vollzugskontrolle vorschreiben. Fehlende, unsorgfältige und uneinheitliche Kontrollen können i m Agrarsektor beispielsweise Fehlausgaben be51 Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 280, Rn. 5. 52 Vgl. Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 280, Rn. 3; Ulrich, Kontrollen bei Wirtschaftsbeteiligten, S. 143 ff.; Magiera, in: FS Friauf, S. 13, 25 f. 53 Siehe die Beispiele unter 2.a) (2). Anhaltspunkte, daß Art. 209a EGV a.F. keine Rechtsetzungskompetenz begründet hat, lassen sich der Entscheidung des EuGH zur Rechtmäßigkeit der Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung), Rs. C-209/97 (Kommission/ Rat), Slg. 1999,1-8067, Rn. 33 entnehmen: „Aus dieser Regelung (gemeint ist das durch die Verordnung eingeführte System der Zusammenarbeit, d. Verf.) geht hervor, daß sie im ganzen eindeutig die Betrugsbekämpfung im Rahmen der Zollunion und der gemeinsamen Agrarpolitik zum Ziel und zum Inhalt hat, so daß sie dem Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft gilt. Da Art. 209a des Vertrages in seiner beim Erlaß der angefochtenen Verordnung geltenden Fassung das angestrebte Ziel nannte, ohne jedoch der Gemeinschaft die Befugnis zur Schaffung eines Systems wie des in Rede stehenden zu verleihen, war der Rückgriff auf Art. 235 [jetzt 308] des Vertrages gerechtfertigt."
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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günstigen oder zur Nichteinziehung geschuldeter Abgaben führen. Durch solche Fehlleitungen von Geldern werden nicht nur die finanziellen Interessen der Gemeinschaft, sondern auch die Stabilität der Agrarmärkte beeinträchtigt. 54 Auch die Einhaltung bestimmter Qualitätsanforderungen ist ein wichtiges Element der Agrarmarktregelungen, das kontrolliert werden muß. Gleiches gilt für die Einhaltung der hygienischen und sonstigen gesundheitsschützenden Anforderungen i m Veterinärrecht. Die i m ersten Kapitel beschriebenen Inspektionspflichten der M i t gliedstaaten im Marktordnungs-, Agrarfinanzierungs- und Veterinärrecht halten sich damit im Rahmen der agrarrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen. Auch i m Umweltrecht sind Inspektionen vor Ort häufig das beste Mittel, um zu kontrollieren, ob bestimmte Anforderungen ζ. B. i m Gewässerschutz oder der Luftreinhaltung auch eingehalten werden. Als solche sind sie von Art. 175 EGV gedeckt. In kompetenzieller Hinsicht fragwürdiger ist die Vorgabe von Organisationsstrukturen für Kontrollen unter Berufung auf sachgebietsbezogene Kompetenznormen. 5 5 Immer wieder zitiertes Beispiel sind die Kontrollstellen i m Olivenöl- und Tabaksektor, die von den Olivenöl und Tabak produzierenden Mitgliedstaaten einzurichten und mit Inspektionsaufgaben zu betrauen sind. Diese Kontrollstellen wurden erst eingeführt, nachdem deutliche Mängel i m Verwaltungsvollzug durch die Mitgliedstaaten aufgedeckt worden waren. Insofern gab es Anhaltspunkte dafür, daß ihre Einrichtung „erforderlich" für die ordnungsgemäße Durchführung des Marktordnungsrechts war. 5 6 Auch für die Durchführung von Überwachungsaufgaben i m Umweltrecht wird die Einrichtung nationaler „Umwelthöfe" diskutiert. Die Ansiedelung von Inspektionsaufgaben bei einer unabhängigen Stelle soll das Vollzugsdefizit i m Umweltrecht reduzieren helfen. Angesichts der allseits beklagten 54
Die Erforderlichkeit einheitlicher Kontrollvorschriften läßt sich insbesondere anhand von Untersuchungen des Rechnungshofs belegen. In seinem Sonderbericht über das System zur Zahlung der Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse v. 26. 6. 1985, ABl. Nr. C 215 v. 26. 8. 1985, S. 1, 12 f. kam der Rechnungshof beispielsweise zu folgendem alarmierendem Ergebnis: „Das von den Mitgliedstaaten angewandte globale Kontrollsystem für Ausfuhren landwirtschaftlicher Erzeugnisse weist also derartige Schwächen auf, daß man zu Recht fragen darf, ob die im Zusammenhang mit den Ausfuhren entstehenden Ausgaben im allgemeinen in einer Weise geleistet werden, die im Hinblick auf den Schutz der Gemeinschaftsfinanzen vertretbar ist." 55 Zur Errichtung von Verwaltungsstellen durch die Mitgliedstaaten aufgrund Gemeinschaftsrechts vgl. Kahl, DV 29 (1996), S. 341, 354 f.; Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, 117 f., 126 f.; Scheuing, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität, S. 289, 319 f. 56 Hatje, EuR Beiheft 1/1998, S. 7, 14; Priebe, ZLR 1990, S. 266, 275 f. verweist auf mehrere „Weinskandale", die schließlich zur Einführung der Kontrollstellen geführt haben. Weitere Beispiele für die Errichtung konkreter Verwaltungsträger, Behörden und anderer Verwaltungsstellen bei Kahl, DV 29 (1996), S. 341, 354 f. (Bildung von Erzeugergemeinschaften, Einrichtung von Anhörungsausschüssen, Vergabeprüfstellen und -Überwachungsausschüssen); die mangelnde demokratische Legitimation und Transparenz der Tätigkeit solcher selbständigen Verwaltungsstellen kritisieren von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 199 f., 202 f. und Harding, in: Harding / Swart, Enforcing European Community Law, S. 22, 39.
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
Unzulänglichkeiten bei der Implementierung des gemeinschaftlichen Umweltrechts durch die nationalen Behörden 5 7 dürften gemeinschaftliche Vorgaben in dieser Hinsicht dringend erforderlich sein. Auch die Aufgabenkonzentrierung bei einer nur dafür zuständigen Stelle dürfte erfolgversprechender sein als die finanzielle Unterstützung der vorhandenen und sehr zersplitterten nationalen Behördenstruktur (nach Art. 175 Abs. 5 E G V ) . 5 8 In allen Fällen der Errichtung selbständiger Kontrollstellen durch die Mitgliedstaaten ist allerdings unbedingte Voraussetzung, daß die Ursache für die Vollzugsdefizite und Uberwachungsbedürfnisse gerade organisatorische Mängel in den Verwaltungen der Mitgliedstaaten sind. 5 9 Weniger Bedenken begegnet die i m Recht der Agrar-, Finanz- und Lebensmittelverwaltung häufig anzutreffende Pflicht zur Benennung spezieller Kontaktstellen, die als Ansprechpartner für Informations- und Amtshilfeersuchen der Kommission und der anderen Mitgliedstaaten dienen. Diese Stellen haben nämlich keinerlei eigene Entscheidungsbefugnisse und sollen nur „ein Mindestmaß an Transparenz in einer ansonsten sehr unübersichtlichen Organisationslandschaft" 60 schaffen. Auch die Ergänzung der Inspektionsregelungen durch Elemente der Verwaltungskooperation wird als Maßnahme zur Erreichung des jeweiligen materiellen Regelungsziels von den angesprochenen Ermächtigungsgrundlagen gedeckt sein. Grenzüberschreitende Vernetzung der Wirtschaftstätigkeiten macht auch eine Vernetzung der Aufsichtsbehörden erforderlich. Wechselseitige Teilnahmemöglichkeiten sowie die Durchführung von Inspektionen auf Ersuchen tragen zur Effektivität des Verwaltungsvollzugs i m Binnenmarkt bei. Ohne eine zügige Weitergabe von Informationen ζ. B. über grenzüberschreitende Betrügereien oder das Auftauchen gesundheitsbedrohender Fleischprodukte auf dem Binnenmarkt sind angemessene gemeinschaftsweite Reaktionen nicht möglich. Die Teilnahme an Systemen des institutionalisierten Informationsaustauschs, wie sie ζ. B. die beschriebenen Systeme der Schwarzen Liste, des Zollinformationssystems oder der Systeme A N I M O und SHIFT im Veterinärsektor darstellen, gewährleistet eine effektive grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Horizontale und vertikale Kooperation ist erforderlich zur Erreichung der materiellen Regelungsziele der untersuchten Rechtsakte und kann damit auf die materiellen Kompetenznormen gestützt werden.
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Vgl. nur die Beiträge in: Lübbe-Wolf, Vollzug des europäischen Umweltrechts. 58 Befürwortend Kahl, DV 29 (1996), S. 341, 356; anders Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungsvollzugs, S. 103, 151 f., die die Einrichtung nationaler Umweltinspektorate in fragwürdiger Differenzierung isoliert für nicht erforderlich und zusätzlich für unverhältnismäßig (Art. 5 Abs. 3 EGV), in Verbindung mit einem Netzwerksystem zwischen Landesinspektoraten und Umweltagentur aber für das mit dem Netzwerksystem verfolgte Ziel erforderlich und zulässig hält. 59 Das Erfordernis besonderer Rechtfertigung, etwa durch gesteigerte Gefahren für das Gemeinwohl, betont auch Kadelbach, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 205, 225; siehe auch den Diskussionsbeitrag von Priebe, in: Schwarze/Starck, EuR, Beiheft 1 / 1995, S. 99, 100 f. 60
Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 127.
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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b) Koordinierung und Rechtsangleichung Ein zweiter „ T y p " von Ermächtigungsgrundlagen i m EGV ermöglicht das Tätigwerden des Gemeinschaftsgesetzgebers zur Koordinierung oder Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf bestimmten Gebieten. Es stellt sich damit die Frage, ob die untersuchten Inspektionsvorschriften unter diese Begriffe subsumiert werden können. Für die Untersuchung wird auf die dargestellten Referenzgebiete des Lebensmittelrechts 61 und des Rechts der Bankenaufsicht 62 zurückgegriffen. Die Inspektionsbefugnisse und -pflichten, die den Mitgliedstaaten im Rahmen der Bankenaufsicht zugewiesen werden, bilden einen Bestandteil des Regelungssystems der Richtlinie 2000/ 12 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute. Diese Richtlinie ist - wie auch ihre Vorgängerrichtlinien, die sog. Bankrechtskoordinierungsrichtlinien - auf Art. 47 Abs. 2 EGV gestützt. Nach Art. 47 Abs. 2 EGV erläßt der Rat gemäß dem Verfahren des Art. 251 EGV Richtlinien zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten. Das durch die Richtlinie eingeführte Inspektionsregime müßte damit der „Koordinierung" i m Rahmen der Erbringung von Bankdienstleistungen dienen. Unter Koordinierung ist eine Verringerung der Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu verstehen, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung anzuwenden. 63 Eine Angleichung der Bankenaufsichtssysteme ist hierfür ein wichtiger Faktor: Erst wenn die Mitgliedstaaten darauf vertrauen können, daß die Bankenaufsicht in den anderen Mitgliedstaaten an vergleichbaren Standards orientiert ist, werden sie bereit sein, die Tätigkeit ausländischer Unternehmen auf ihrem Territorium in vollem Umfang zu dulden. Zu überlegen ist lediglich, ob auch die grenzüberschreitenden Prüfungsrechte der Herkunftslandaufsicht als Instrument der Koordinierung der Erleichterung der Aufnahme und Ausübung von Bankgeschäften in anderen Mitgliedstaaten dient. Man könnte auch der Auffassung sein, daß diese Art der Koordinierung über das Erforderliche für die Einführung des Anerkennungsprinzips hinausgeht, etwa weil die Inspektionen auch von den Aufnahmelandbehörden auf Ersuchen der Herkunftslandbehörden durchgeführt werden könnten. Das Prüfungsrecht der Herkunftslandbehörde auch bei Zweigstellen i m Ausland ist allerdings ein unersetzlicher Bestandteil des eingeführten Aufsichtssystems. Das Prinzip der Herkunftslandkontrolle soll gerade die Effektivität der Aufsicht über ausländische Zweigstellen sichern. Die gemeinschaftsweiten Aufsichtsbefugnisse sind das Korrelat zu dem durch die Bankrechtskoordinierungsrichtlinien eingeführten „single-licenceSiehe oben Kap. 1 A.II.2. 62 Siehe oben Kap. 1 A.III. 63 Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 124; Troberg, Thiesing / Ehler-mann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 57, Rn. 31.
in: Groeben/
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
Prinzip", nach dem die Zulassung eines Kreditinstituts gemeinschaftsweite Wirkung hat. 6 4 Auch das grenzüberschreitende Prüfungsrecht dient daher dem Koordinierungsziel. 65 Auch auf die „Generalrechtsangleichungskompetenzen" 66 der Art. 94 und 95 EGV können Inspektionsregeln gestützt werden. Schon vom Wortlaut her geht es um die Angleichung von Rechts- und Verwaltungs^orschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben (Art. 95 Abs. 1). Die Vereinheitlichung von Verwaltungsverfahren hat eine nicht zu unterschätzende praktische Bedeutung für die Verwirklichung des Binnenmarktes. 67 Angeglichene Inspektionsregeln für alle Mitgliedstaaten sind ein wichtiger Bestandteil harmonisierter Überwachungssysteme. Die Harmonisierung von Überwachungssystemen ist für den Binnenmarkt aus mehreren Gründen von Vorteil, was sich an den untersuchten Vorschriften der Lebensmittelüberwachungsrichtlinie gut aufzeigen läßt: Die Akzeptanz ausländischer Produkte setzt Vertrauen in die Gleichwertigkeit der Überwachung voraus. Qualitativ ungleichwertige Systeme schädigen sowohl die Gesundheits- und Verbraucherschutzinteressen der Endabnehmer von Lebensmitteln als auch den freien Verkehr mit Lebensmitteln und einen unverfälschten Wettbewerb innerhalb des gemeinsamen Binnenmarktes. So ist noch nicht einmal erforderlich, daß die Mitgliedstaaten ausländische Produkte intensiveren Kontrollen unterwerfen als inländische. Allein Nachteile wie ζ. B. durch Kontrollen bedingte längere Transportzeiten oder sonstige Gefahren für verderbliche Waren führen zu potentiellen Beeinträchtigungen des freien Verkehrs mit Lebensmitteln. I m Rahmen des Wettbewerbs sind die Bestimmungen über die amtliche Lebensmittelüberwachung ein Standortfaktor, der für die Wahl von Unternehmensstandorten durchaus von Interesse sein kann. 6 8
64
Ausführlich zum single-licence-Prinzip Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 49 ff.; Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 45 ff. 65 So auch Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungsbefugnisse, S. 130; vgl. auch Groß, JZ 1994, S. 696, 700, der das Prinzip der Sitzlandkontrolle mit seinen grenzüberschreitenden Prüfungsbefugnissen als „notwendige(n) Bestandteil einer auf dem Anerkennungsprinzip beruhenden gemeinsamen europäischen Ordnung der Bankdienstleistungen" charakterisiert. So lasse sich im Ergebnis aus dem Koordinierungsziel eine Befugnis zur Einschränkung der nationalen Souveränität ableiten, der dem Begriff Koordinierung prima facie nicht anzusehen sei. 66 Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 95, Rn. 5. 67 Vgl. Langeheine, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 100, Rn. 17. 68 Eine ausführliche Analyse und Herleitung der Faktoren, die die Notwendigkeit einer gemeinschaftsweiten Harmonisierung der Lebensmittelüberwachung rechtfertigen, findet sich bei Verfiirth, Lebensmittelüberwachung, S. 8 - 4 7 mit jeweils kurzen Zusammenfassungen auf S. 18, 29 f. u. 47 und weiteren Nachweisen; vgl. auch Adam, Veterinärrecht, S. 209-213 zu staatlichen Kontrollregelungen, die unter den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung fallen können.
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
167
Der Ausbau des Warenverkehrs mit Lebensmitteln zwischen den einzelnen M i t gliedstaaten erfordert gleichzeitig eine engere Zusammenarbeit zwischen den Lebensmittelüberwachungsbehörden. 69 Auch die Vorschriften, nach denen die M i t gliedstaaten sich gegenseitig Amtshilfe bei der Lebensmittelüberwachung zu leisten haben, 7 0 sind damit von der Angleichungsermächtigung gedeckt. Insbesondere die Pflicht zur Benennung von Kontaktstellen erleichtert die Entgegennahme der Amtshilfeersuchen sowie den Austausch von Informationen.
c) Fazit Vorschriften, mit denen die Mitgliedstaaten zur Durchführung von Inspektionen, zur Einrichtung spezieller Kontrollstellen, zur Aufstellung von Inspektionsplänen oder zur Aufbereitung und Weitergabe der gesammelten Informationen verpflichtet werden, können grundsätzlich auf die sektorbezogenen Ermächtigungsgrundlagen und auf die Generalermächtigung zur Rechtsangleichung (Art. 94, 95 EGV) gestützt werden. Wie weit diese Befugnisse i m Einzelfall gehen, ist eine Frage der Auslegung der jeweiligen Kompetenzgrundlage.
2. Ermächtigungsgrundlagen zum Erlaß von Regelungen über Kommissionsinspektionen Die Begründung von Inspektionsbefugnissen für Gemeinschaftsorgane, insbesondere für die Kommission, unterscheidet sich insofern von der i m letzten Abschnitt behandelten Thematik, als hier Verwaltungsaufgaben nicht den Mitgliedstaaten, sondern der Gemeinschaft selbst zugewiesen werden. Der EGV enthält nur wenige Bestimmungen, die es der Kommission ausdrücklich gestatten, Verwaltungsbefugnisse auszuüben. Daraus folgt allerdings nicht, daß die Einführung gemeinschaftseigener Vollzugsbefugnisse bis auf diese Ausnahmefälle verboten ist. 7 1 Den Artt. 83 ff. GG vergleichbare Kompetenzverteilungsnormen gibt es im E G V nicht. Rechtsakte, die die Gemeinschaftsorgane zu administrativem Handeln ermächtigen, müssen nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung auf eine vertragliche Ermächtigungsnorm zurückzuführen sein. 7 2 Unter a) wird mit Blick auf die i m ersten Kapitel herangezogenen Referenzgebiete näher untersucht, welche Rechtsgrundlagen dafür in Betracht kommen. Davon zu unterscheiden ist die 69
Vgl. Erwägungsgrund Nr. 8 der Richtlinie Nr. 93 / 99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung) . 70 Art. 6 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung). 71 So auch von Borries, in: FS Everling, Band 1, S. 143. 72 Vgl. allgemein zu Rechtsgrundlagen und Reichweite gemeinschaftlicher Vollzugskompetenzen Schreiber, Verwaltungskompetenzen, S. 69; Nitschke, Harmonisierung des Verwaltungsvollzugs, S. 130; Klepper, Vollzugskompetenzen, S. 45 ff. (zusammenfassend S. 89 f.).
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
Frage nach der organisatorischen Ausgestaltung dieser Inspektionen: Sind diese immer von der Kommission selbst durchzuführen oder dürfen auch mehr oder weniger verselbständigte Organisationseinheiten damit betraut werden [dazu unter b)]?
a) Durchführung von Inspektionen durch die Kommission Art. 211 EGV weist der Kommission die Funktion der „Hüterin des Gemeinschaftsrechts" zu: Sie hat „für die Anwendung des Vertrags sowie der von den Organen aufgrund dieses Vertrags getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen". Nach Klosters 73 soll aus dieser Norm eine generelle Berechtigung der Kommission zur Ausübung solcher Verwaltungstätigkeiten, die eine einheitliche und effektive Anwendung des Gemeinschaftsrechts gewährleisten, folgen. Richtigerweise kann eine reine Aufgabenzuweisungsnorm wie Art. 211 EGV allein keine Aufsichtsbefugnisse begründen. Welche konkreten Befugnisse der Kommission zur Erfüllung ihrer Kontrollfunktion zustehen, ist durch Zusammenstellung der vertraglichen Ermächtigungen zu ermitteln. 7 4 In Betracht kommen Auskunfts- und Nachprüfungsrechte der Kommission nach Art. 284 EGV (1), nach sachgebietsbezogenen (2) oder der Rechtsangleichung dienenden (3) Kompetenznormen sowie nach der Auffangnorm des Art. 308 EGV (4).
(1) Auskunfts- und Nachprüfungsrechte nach Art. 284 EGV
der Kommission
Art. 284 EGV ermächtigt die Kommission, zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben alle erforderlichen Auskünfte einzuholen und alle erforderlichen Nachprüfungen vorzunehmen. Die Aufgaben der Kommission ergeben sich dabei aus Art. 211 i.V.m. Art. 2 und 3 EGV. Art. 284 EGV räumt der Kommission mit dem Nachprüfungs- und Auskunftsrecht spezielle Kompetenzen ein, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe als Hüterin der Verträge benötigt. Die Vorschrift bildet einen „Grundpfeiler des Aufsichtsrechts". 75 73 Kompetenzen der EG-Kommission, S. 94 ff. Schluß von den Aufgaben auf dafür erforderliche Befugnisse auch bei Breier, NuR 1992, 21, 23; ähnlich Vervaele, in: ders., Transnational Enforcement, S. 53, 69 („For the time being the necessary competence can be derived from the general supervisory authority which the Commission possesses with regard to the observance of Community law, such as that provided in Articles 155 and 145 EC Treaty.") Auch für Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 20, Rn. 51 (S. 441), ist die Kommission „allgemein zur verwaltungsmäßigen Ausführung des Vertrages und des Sekundärrechts berufen". 74 So zutreffend Suerbaum, Kompetenzverteilung, S. 195 f. m. w. N.; Schreiber, Verwaltungskompetenzen, S. 71; Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungs Vollzugs, S. 133. 7 5 Hummer, in: Grabitz /Hilf, EGV, Art. 213, Rn. 5.
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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Art. 284 EGV ist, was die inhaltlichen Befugnisse betrifft, mit Art. 47 EGKSV vergleichbar. Auch nach Art. 47 EGKSV darf die Kommission die für die Erfüllung ihrer Aufgaben (nach dem EGKSV) notwendigen Auskünfte einholen und Nachprüfungen vornehmen (lassen). Ein fundamentaler Unterschied liegt jedoch darin, daß es zur Wahrnehmung der Kommissionsbefugnisse nach Art. 47 EGKSV keiner weiteren Rechtsakte seitens des Rates bedarf. Art. 47 EGKSV ist unmittelbar anwendbar. Die Kommission kann die Vorschrift also unmittelbar zur Grundlage von Auskunftsverlangen und Nachprüfungen machen. 7 6 Art. 284 EGV verlangt dagegen ausdrücklich einen Rechtsakt des Rates: „der Rahmen und die nähere Maßgabe hierfür werden vom Rat gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags festgelegt". Im Einzelfall kann die Kommission allerdings Informationen benötigen, zu deren Erhebung ein ausdrücklicher sie dazu berechtigender Rechtsakt des Rates fehlt. Es stellt sich daher die Frage, ob es Fälle gibt, in denen Art. 284 EGV ausnahmsweise unmittelbar anwendbar ist [unter (a)]. Daneben ist bestritten worden, daß Art. 284 EGV überhaupt eine selbständige und von anderen materiellen Rechtsetzungsermächtigungen unabhängige Rechtsgrundlage für vom Rat erlassene Auskunfts- und Nachprüfungsrechte sein kann [unter (b)].
(a) Unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 284 EGV Der Wortlaut des Art. 284 EGV scheint klar zu sein: Die Kommission ist nur i m Rahmen und nach Maßgabe einer Ermächtigung durch den Rat zur Einholung von Auskünften und zur Vornahme von Nachprüfungen befugt. Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt für Auskunfts- und Nachprüfungsersuchen gegenüber Privaten. Diesen gegenüber ist eine Einschränkung des insoweit eindeutigen Wortlauts des Art. 284 EGV nicht möglich. 7 7 Vereinzelt wird jedoch die Ansicht vertreten, die Kommission könne zur Erfüllung ihrer Aufgaben Messungen, Besichtigungen, Erkundigungen etc. in den M i t gliedstaaten auch ohne sekundärrechtliche Grundlage durchführen, wenn diese Aufgaben ohne die genannten Nachforschungsbefugnisse nicht sinnvoll ausgeführt werden könnten. 7 8 Eine mögliche Grundlage dafür könnte Art. 284 EGV in unmittelbarer Anwendung (eventuell in Verbindung mit Art. 10 EGV) sein. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Mitgliedstaaten beispielsweise verpflichtet, der Kommission durch die Erteilung von Auskünften die Vorbereitung von Ver76
Entsprechendes gilt für die Inspektionsbefugnisse der Kommission nach Art. 35 Abs. 2 EAGV zur Kontrolle der Überwachungseinrichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Einhaltung der Grundnormen über den Gehalt an Radioaktivität in der Luft, im Boden und im Wasser, vgl. dazu Kadelbach, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 205, 226. 77
Grunwald, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 213, Rn. 6. Breier, NuR 1992, 21, 21; kritisch dazu Sommer, Administrative Informationsverfahren, Teil 3 Kap. 1 B.II.l.b); Beispiele bei Engelsberger, Vollzug, S. 83. 78
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
tragsverletzungsverfahren zu erleichtern, auch wenn es dafür keine ausdrückliche sekundärrechtliche Grundlage g i b t . 7 9 Inspektionen vor Ort durch Kommissionsbedienstete bei den mitgliedstaatlichen Verwaltungsstellen führen jedoch zu ungleich stärkeren Eingriffen als bloße Auskunftsverlangen. Sie aktivieren die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Anwesenheit der Kommissionsinspektoren auf ihrem Territorium zu dulden sowie weitere Unterstützungs- und Informationspflichten. Für solche Inspektionstätigkeiten ist Art. 284 EGV daher nicht unmittelbar anwendbar. Er bietet lediglich eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß entsprechender Sekundärrechtsakte durch den Rat.
(b) Art. 284 EGV als selbständige Ermächtigungsgrundlage Die Frage, ob Art. 284 EGV allein und selbständig als Grundlage für entsprechende Rechtsakte taugt, ist i m Unternehmensregisterfall 80 aufgeworfen worden. Der Fall betraf zwar eine Statistikverordnung und damit kein Nachprüfungsrecht der Kommission, sondern ihr Recht, bestimmte statistische Informationen zu erheben. Das Urteil hat aber allgemeine Bedeutung für die Einordnung von Art. 284 EGV (zum Entscheidungszeitpunkt noch Art. 213) als selbständige Rechtsgrundlage. Gegenstand der Klage der Bundesrepublik Deutschland gegen den Rat war eine auf Art. 213 EGV (jetzt Art. 284) gestützte Statistikverordnung, 81 durch die die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, nach genauen Vorgaben harmonisierte Unternehmensregister zu erstellen, diese auszuwerten und die Ergebnisse an das Statistische A m t der Europäischen Gemeinschaften zu übermitteln. Die deutsche Regierung machte in erster Linie geltend, daß Art. 213 EGV (jetzt 284) keine selbständige Rechtsgrundlage sei, auf die der Rat Rechtsakte stützen könne. Dafür führte sie verfahrensrechtliche, funktionale und systematische Argumente an: - Art. 213 EGV könne nur in Verbindung mit anderen Vorschriften Anwendung finden, da er der Kommission das Auskunftsrecht nur „zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben" zubillige. Das Fehlen von Verfahrensvorschriften, die der Rat bei der Festlegung der Einzelheiten beachten müsse, bestätige die Abhängigkeit des Art. 213 EGV von anderen Bestimmungen des Vertrages, die solche Verfahrens Vorschriften enthielten. 8 2 - Die Funktion des Art. 213 EGV bestehe darin, es dem Rat zu ermöglichen, wenn er auf andere Ermächtigungsgrundlagen des Vertrags gestützt tätig werde, ergänzende Maßnahmen zu ergreifen, die es der Kommission erlaubten, sich die Auskünfte zu verschaffen, deren sie bedürfe. Diese Maßnahmen müßten daher auch 79 EuGH, Rs. C-137/91 (Kommission/Griechenland), Slg. 1992,1-4030, Rn. 6; Ruffert Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 211, Rn. 3. so EuGH, Rs. C-426/93 (Bundesrepublik Deutschland /Rat), Slg. 1995,1-3743. 81 Verordnung Nr. 2186/93 des Rates vom 22. 7. 1993 über die innergemeinschaftliche Koordinierung des Aufbaus von Unternehmensregistern für statistische Verwendungszwecke. 82 EuGH, a. a. O., Rn. 11.
in
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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auf die Ermächtigungsgrundlage gestützt werden, die die Rechtsgrundlage der Maßnahme selbst sei. 8 3 - Der Vergleich mit anderen Ermächtigungsnormen des Vertrages bestätige die Ansicht, daß Art. 213 EGV keine Rechtsetzungsbefugnis des Rates begründe. Diese anderen Bestimmungen sähen einander ähnliche Verfahrensregeln vor, nach denen der Rat, die Kommission und das Parlament bei der Ausarbeitung und dem Erlaß der Maßnahmen zusammenwirken müßten. Art. 213 EGV sehe jedoch weder ein Vorschlagsrecht der Kommission noch die Anhörung des Europäischen Parlaments oder die Zusammenarbeit mit ihm noch die Beteiligung des Wirtschafts- und Sozialausschusses vor. - Schließlich ergebe sich aus dem Regelungszusammenhang des Art. 213 EGV i m sechsten Teil „Allgemeine und Schlußbestimmungen" des Vertrages, daß dieser dem Rat keine Rechtsetzungsbefugnis gewähre. Abgesehen von Art. 235 EGV (jetzt Art. 308) enthalte dieser Teil nur ergänzende Regelungen, während die Ermächtigungsgrundlagen immer i m unmittelbaren Zusammenhang mit einem konkreten Regelungsgegenstand stünden. 84 Generalanwalt Jacobs 85 und der Gerichtshof sind diesem Vorbringen nicht gefolgt. Zur Begründung verwies der Gerichtshof auf den allgemeinen Charakter der durch Art. 213 EGV begründeten Kompetenzen. - Durch Art. 213 EGV werde der Kommission eine allgemeine Zuständigkeit für die Einholung jeder zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskunft eingeräumt. Bestimmte Arten von Auskünften könnten mehrere Tätigkeitsbereiche der Kommission abdecken. Dann wäre es sinnwidrig, wenn der Rat nach jeweils anderen Verfahrensvorschriften gleich mehrere Maßnahmen über Einholung von Auskünften erlassen müßte. 8 6 - Der allgemeine Charakter der Vorschrift erkläre auch ihre Stellung in dem Abschnitt Allgemeine und Schlußbestimmungen. 87 - Mangels eigener Verfahrensvorschriften sei für den Erlaß der Auskunftsmaßnahmen Art. 148 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 205) heranzuziehen, wonach der Rat, „soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, . . . mit der Mehrheit seiner Mitglieder (beschließt)". Art. 148 sei ansonsten überflüssig, wenn das Fehlen einer eigenen Abstimmungsregelung in einer Bestimmung des EWG-Vertrages zur Folge hätte, daß diese nicht als Rechtsgrundlage für eine Maßnahme des Rates dienen könne. 8 8
83 84 85 86 87 88
EuGH, a. a. O., Rn. 12, 13. EuGH, a. a. O., Rn. 14. Vgl. die Schlußanträge, a. a. O., S. 3728 ff. EuGH, a. a. O., Rn. 19. EuGH, a. a. O., Rn. 20. EuGH, a. a. O., Rn. 18.
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
Diese Argumente können in gleicher Weise für auf Art. 284 EGV gestützte Nachprüfungsrechte Geltung beanspruchen. Die Vorschrift könnte also als selbständige Rechtsgrundlage für Ratsakte, die der Kommission Inspektionsrechte einräumen, herangezogen werden. Es steht i m Ermessen des Rats, ob er der Kommission ein generelles Auskunfts- oder Nachprüfungsrecht erteilen will, oder ob dieses Recht nur gegenständlich begrenzt eingeräumt werden s o l l . 8 9 Bisher hat er von der Einführung allgemeiner Auskunfts- und Nachprüfungsrechte für die Kommission abgesehen. Bis zur Einführung des Art. 285 durch den Amsterdamer Vertrag hatte der Rat den Art. 284 EGV hauptsächlich zum Erlaß von gegenständlich begrenzten Statistikverordnungen herangezogen. Keine der untersuchten Verordnungen und Richtlinien, die Inspektionsvorschriften enthalten, nennt ausdrücklich Art. 284 E G V als Rechtsgrundlage. 90 Die Inspektionsbefugnisse der Kommission sind ihr vielmehr auf der Basis der verschiedenen sektoriellen Rechtsgrundlagen zugewiesen worden. Diese sachgebietsbezogenen Ermächtigungsgrundlagen und Harmonisierungsermächtigungen werden durch die allgemeine Auskunfts- und Nachprüfungskompetenz des Art. 284 EGV nicht ausgeschlossen. 91 Art. 284 EGV bildet allerdings einen primärrechtlichen Rahmen, an dem sich die Ausgestaltung der Inspektionsrechte orientieren muß. Die Grenzen, die Art. 284 EGV einem Nachprüfungsverlangen der Kommission setzt, müssen auch für auf andere Grundlagen gestützte Nachprüfungen eingehalten werden. 9 2 Der Rahmen, der der Ausübung von Nachprüfungsrechten gezogen ist, ist sowohl vom Rat bei der Normierung der entsprechenden Befugnisse der Kommission als auch von dieser selbst bei dem Erlaß von Einzelakten in Anwendung und Vollzug der Rats Vorschriften zu beachten. 93 Die Kommission darf danach erstens nur zur Erfüllung der ihr vom Vertrag übertragenen Aufgaben handeln. Ferner gilt der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Die Befugnis beschränkt sich auf die „erforderlichen" Nachprüfungen, d. h. auf die Maßnahmen, die für die Aufgabenerfüllung unbedingt notwendig sind. 9 4 Das Gemeinschaftsrecht darf Nachprüfungen nur dann vorsehen, wenn die mit der Maßnahme verbundene Belastung des Betroffenen in einem angemessenen
89 Hummer, in: Grabitz / Hilf, EGV, Art. 213, Rn. 15. 90
Gii Ibànez, Administrative Supervision, S. 66, führt die Nichtanwendung des Art. 284 EGV bezüglich der Nachprüfungsrechte auf politische Ursachen zurück: Er nennt den fehlenden Willen des Rates, der Kommission ein allgemeines Nachprüfungsrecht einzuräumen sowie - für den Fall, daß für bestimmte Sachbereiche ein Nachprüfungsrecht gewünscht werde - das Bestreben, eine Rechtsgrundlage mit strengeren Mehrheitserfordernissen und Beteiligung des Europäischen Parlamentes heranzuziehen. 91 EuGH, verb. Rs. 188- 190/82 (Frankreich, Italien, Vereinigtes Königreich / Kommission), Slg. 1982, 2545, Rn. 10. 92 Hummer, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 213, Rn. 5; Smith/Herzog, 213.04; Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 284, Rn. 1 f. 93 Grunwald, in: Groeben /Thiesing / Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 213, Rn. 40. 94
Schreiber, Verwaltungskompetenzen, S. 80.
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Verhältnis zur Bedeutung der Angelegenheit steht. 95 Das Kriterium der Erforderlichkeit gilt sowohl im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten als auch für Nachprüfungen der Kommission direkt bei den Unionsbürgern. (2) Die sachgebietsbezogenen
Ermächtigungsgrundlagen
Neben Art. 284 EGV kommen weiter die verschiedenen sachgebietsbezogenen Ermächtigungsgrundlagen in Betracht. Für die Normierung von Kommissionsinspektionen auf der Basis der sachgebietsbezogenen Kompetenznormen gilt grundsätzlich dasselbe wie für die Inspektionen durch die Mitgliedstaaten. 9 6 Ob der Kommission Inspektionsbefugnisse vor Ort zugewiesen werden dürfen, ist zunächst eine Frage der Auslegung der jeweiligen Kompetenzvorschrift. Die Begründung von Inspektionsmöglichkeiten vor Ort gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern für Gebiete, die traditionell dem Eigenverwaltungsrecht zuzuordnen sind, fällt vergleichsweise leicht. Demgegenüber erfordert die Einführung von Inspektionsbefugnissen in Bereichen, die ansonsten von den Mitgliedstaaten zu vollziehen sind, einen höheren Begründungsaufwand. Vergleichsweise eindeutig ist die Rechtslage ζ. B. i m Wettbewerbsrecht. Nach Art. 85 Abs. 1 EGV „achtet die Kommission auf die Verwirklichung der in den Artikeln 81 und 82 niedergelegten Grundsätze". Es ist ausdrücklich ihre Aufgabe, (in Zusammenarbeit mit den mitgliedstaatlichen Behörden) Fälle wettbewerbsschädigenden Verhaltens zu untersuchen. Die Inspektionsbefugnisse in den einzelnen Unternehmen, die den Kommissionsbediensteten nach der Verordnung Nr. 17 zustehen, stehen damit i m Einklang mit dem EGV. Damit ist nicht gesagt, daß andere Kontrollsysteme grundsätzlich unzulässig wären. Die Kommission könnte vielmehr die Einhaltung des Wettbewerbsrechts auch kontrollieren, indem sie sich auf die Aufsicht über die Kontrolltätigkeiten der mitgliedstaatlichen Behörden beschränkte und sie im Einzelfall verpflichtete, das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht gegenüber den Unternehmen effektiv durchzusetzen. 97 Wenn i m Einzelfall Kommissionsinspektionen in den Mitgliedstaaten beispielsweise „erforderlich zur Verwirklichung der Ziele des Art. 39 E G V " sind, können die entsprechenden agrarrechtlichen Regelungen auf Art. 43 Abs. 2 EGV gestützt werden. Die Grenze der Erforderlichkeit dürfte hier aber höher als bei der Einführung mitgliedstaatlicher Inspektionspflichten liegen. Es darf nicht nur ein allgemeines Kontrollbedürfnis bestehen, das auch durch die Mitgliedstaaten erfüllt werden 95
Grunwald, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 213, Rn. 41; zu den den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betreffenden Ausführungen des EuGH im oben referierten Unternehmensregisterfall siehe unten in diesem Kapitel unter E.II. Zu den rechtsstaatlichen Grenzen der Nachprüfungsbefugnisse der Kommission siehe die sog. Kunstoffkartellurteile des EuGH: verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst/Kommission), EuGH, Slg. 1989, 2859; Rs. 85/87 (Dow Benelux / Kommission), EuGH, Slg. 1989, 3137; verb. Rs. 9 7 99/87 (Dow Chemical Iberia u. a. / Kommission), EuGH, Slg. 1989, 3165. 96
Dazu siehe oben in diesem Kapitel B.III.l.a). Den weiten Spielraum, den das Primärrecht dem Gemeinschaftsgesetzgeber läßt, betont auch Schreiber, Verwaltungskompetenzen, S. 87 ff. 97
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
kann. Vielmehr muß die „Hochzonung" der Inspektionen auf Gemeinschaftsebene für die Verwirklichung der agrarpolitischen Ziele unerläßlich sein. Vor allem das Subsidiaritätsprinzip setzt einer Zentralisierung der Inspektionsbefugnisse hier enge Grenzen. 98 Für Inspektionsbefugnisse der Kommission zur Betrugsbekämpfung wurden bisher - auch gegen den Widerspruch des Parlaments - andere Rechtsgrundlagen herangezogen als der durch den Maastrichter Vertrag neu eingeführte Betrugsbekämpfungsartikel (Art. 209a a.F.). So wurden die Verordnungen Nr. 2988/95 (Sankionsverordnung) und Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung) auf Art. 235 EGV a.F. (jetzt Art. 308) und Art. K.3 Abs. 2 lit. c E U V a.F. (jetzt Art. 31 E U V ) gestützt. Durch den Amsterdamer Vertrag wurde mit dem neuen Art. 280 Abs. 4 erstmals eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für Maßnahmen des Rates (nach dem Verfahren des Art. 251 nach Anhörung des Rechnungshofs) „zur Verhütung und Bekämpfung von Betrügereien, die sich gegen die finanziellen Interessen der Gemeinschaft richten", eingeführt. Nachprüfungsrechte, die dem Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft dienen, finden künftig ihre spezielle Rechtsgrundlage in Art. 280 Abs. 4 EGV. Die Verordnung Nr. 1073/1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) hat bereits diese Bestimmung zur Grundlage. Der Rückgriff auf Art. 308 EGV war dafür nicht mehr erforderlich.
(3) Rechtsangleichung
nach Art. 94, 95 EGV
Ein Sonderproblem stellt sich, wenn die Kommission i m Rahmen von Angleichungsmaßnahmen zur Durchführung von Inspektionen ermächtigt wird. Das ist beispielsweise i m Lebensmittelrecht der Fall. Die Lebensmittelüberwachungsrichtlinien stützen sich auf Art. 100a EGV (jetzt Art. 95 EGV). Wie gesehen," ermächtigt Art. 5 der Richtlinie Nr. 93 / 99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung) die Kommission zur Durchführung von Inspektionen bei den mitgliedstaatlichen Verwaltungen und zur Begleitung der mitgliedstaatlichen Lebensmittelüberwachungsbeamten. Dadurch soll die Gleichwertigkeit der von den Mitgliedstaaten betriebenen Lebensmittelüberwachungssysteme gewährleistet werden. Die Lebensmittelüberwachungsrichtlinien weisen damit zwar die Hauptdurchführungsbefugnisse den Mitgliedstaaten zu. Daneben erhält allerdings auch die Kommission mit dem Inspektionsrecht selbständige Verwaltungskompetenzen. Es stellt sich mithin die Frage, inwieweit die Zuweisung solcher direkter Verwaltungsbefugnisse an die Kommission noch unter die „Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten" zu subsumieren i s t . 1 0 0 Legt man das Hauptgewicht auf die Formulierung „Angleichung der Vorschriften der Mitgliedstaaten, könnten bei der Begründung von zentralisierten Verwal98
Dazu näher siehe unten unter C. III. Siehe oben Kap. 1 A.III.l.b). 100 Allgemein zum Problem Klepper, Vollzugskompetenzen, S. 95 ff.
99
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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tungsbefugnissen die Grenzen der Angleichungsbefugnis überschritten sein: M i t der Zuweisung von Verwaltungsbefugnissen an die Kommission, die diese gemeinschaftsweit ausüben kann, erläßt der Gemeinschaftsgesetzgeber nämlich Uberwachungsbestimmungen, die so vom nationalen Gesetzgeber gar nicht mit gemeinschaftsweiter Wirkung regelbar s i n d . 1 0 1 Betont man andererseits die Ziele, die durch die Rechtsangleichung erreicht werden sollen, könnten zentralisierte Verwaltungsbefugnisse von der Rechtsangleichungskompetenz umfaßt sein. Maßnahmen nach Art. 94 und 95 E G V sollen einen substantiellen Beitrag zur Errichtung des Binnenmarktes und der Sicherstellung seines Funktionierens leisten. Durch die Rechtsangleichung sollen Hindernisse ausgeräumt werden, die für die Wirkungsweise des Binnenmarktes aus der Unterschiedlichkeit oder der territorial beschränkten Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten herrühren können. 1 0 2 M i t diesen Argumenten werden ζ. B. die Einführung der Gemeinschaftsmarke oder die Entscheidungsbefugnisse der Kommission nach der Freisetzungsrichtlinie bzw. der Novel-Food-Verordnung als von der Rechtsangleichungskompetenz des Art. 100a (jetzt Art. 95 EGV) gedeckt angesehen. 103 Auch diese Maßnahmen sollen der Ausräumung von Normgegensätzen dienen. Die aus unterschiedlichen Zulassungssystemen oder territorial beschränkten Markenrechten resultierenden Hemmnisse des freien Warenverkehrs sollen durch eine gemeinschaftsweite Regelung beseitigt werden. 1 0 4 In der Literatur wird diese weite Auslegung der Rechtsangleichungskompetenzen kritisiert: Die Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen auf Vollzugsebene an die Kommission lasse sich nur bei einer „recht dynamischen Vertragsauslegung" 105 auf die Ermächtigung zur Rechtsangleichung in Art. 100a EGV (jetzt 95) stützen bzw. könne „wohl nur mit Hilfe der das Europarecht kennzeichnenden weiten, am Vertragszweck orientierten - und damit aber auch kaum begrenzbaren und ihrerseits problematischen - A u s l e g u n g " 1 0 6 gerechtfertigt werden. 1 0 7 Art. 95 EGV decke die Begründung von Verwaltungsbefugnissen der EG nicht, weil die Vorschrift eben 101
Ebensowenig könnte der nationale Gesetzgeber ζ. B. eine Regelung treffen, die die gemeinschaftsweite Zulassung eines Produkts durch einen einzigen Rechtsakt vorsieht; Beispiel bei Schreiber, Verwaltungskompetenzen, S. 133. 102 Bardenhewer/Pipkorn, in: Groeben / Thiesing / Ehlermann, EU- / EG-Vertrag, Art. 100a, Rn.25. 103 Vgl. die entsprechenden Erwägungsgründe. Bemerkenswerterweise wurde für die Gemeinschaftsgenehmigung im Arzneimittelrecht aber nicht Art. 100a (jetzt 95), sondern Art. 235 (jetzt 308) EGV als Rechtsgrundlage gewählt, siehe letzter Erwägungsgrund: „Für die Annahme eines einheitlichen Systems auf Gemeinschaftsebene, wie in dieser Verordnung vorgesehen, enthält der Vertrag nur in Art. 235 (jetzt 308) Befugnisse." 104 Vgl. ausführlich Bardenhewer/Pipkorn, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/EGVertrag, Art. 100a, Rn. 40 ff. 105 Herdegen, RIW 1992, S. 89, 91 (auch zur Freisetzungsrichtlinie). 106 Delbrück, EuZW 1990, S. 371, 375 zur Gentechnik-Freisetzungsrichtlinie, nach der die Kommission unter Beteiligung eines Regelungsausschusses über die Zulassung entscheidet, wenn Dissens zwischen den Mitgliedstaaten besteht.
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
keine allgemeine Kompetenz zur Errichtung des Binnenmarktes zur Verfügung stelle, sondern nur ein begrenztes Instrumentarium, nämlich das der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten. Die Schaffung neuer, das nationale Recht überlagernder Verwaltungskompetenzen sei keine Angleichung mehr. 1 0 8 Der Gerichtshof hat in seinem Urteil zur Produktsicherheitsrichtlinie 109 über einen Fall entschieden, dem eine vergleichbare Problematik zugrunde lag. Die auf der Grundlage von Art. 100a EGV (jetzt Art. 95 EGV) ergangene Richtlinie Nr. 9 2 / 5 9 (Produktsicherheitsrichtlinie) soll sicherstellen, daß die in der Gemeinschaft in den Verkehr gebrachten Konsumgüter bei normaler Verwendung für den Verbraucher keine oder nur geringe Gefahren bergen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die entsprechenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Sie müssen insbesondere Behörden schaffen oder benennen, die die Übereinstimmung der Produkte mit der Verpflichtung, nur sichere Produkte auf den Markt zu bringen, kontrollieren. Sie sind verpflichtet sicherzustellen, daß diese Behörden über die erforderlichen Befugnisse verfügen, um erforderlichenfalls geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung der Richtlinie durch die Hersteller und Händler zu treffen. 1 1 0 Art. 9 der Produktsicherheitsrichtlinie ermächtigt die Kommission unter engen kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen, selbst Beschlüsse zu fassen, mit denen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, bestimmte einheitliche Maßnahmen gegenüber gefährlichen Produkten zu treffen. Diese Befugnis hielt die deutsche Regierung für nicht mehr von Art. 100a EGV (jetzt 95) gedeckt: Die Bestimmung habe ausschließlich die Rechtsangleichung zum Ziel und enthalte daher nicht die Ermächtigung, daß die Kommission anstelle der nationalen Behörden das Recht auf Einzelfälle anwende, wie es Art. 9 der Richtlinie erlaube. 1 1 1 Generalanwalt Jacobs vertrat in seinen Schlußanträgen zur Rs. C - 3 5 9 / 9 2 die Ansicht, Art. 100a EGV (jetzt 95) könne „nur zum Erlaß solcher Maßnahmen herangezogen werden, mit denen einheitliche Bestimmungen festgelegt werden, deren Anwendung auf Einzelfälle ausschließlich Sache der nationalen Behörden i s t . " 1 1 2 Seiner Ansicht nach stellten die Befugnisse der Kommission nach Art. 9 der Produktsicherheitsrichtlinie allerdings nicht solche Einzelbefugnisse dar. Durch einen Beschluß nach Art. 9 Produktsicherheitsrichtlinie werde lediglich eine einheitliche Norm festgelegt, die von den nationalen Behörden durchgeführt werden müsse. Dem kann mit Recht entgegengehalten werden, daß die Mitgliedstaaten beim Voll-
107 Auch Wahl/Groß, DVB1. 1998, S. 2, 12 kommen für die Entscheidungsbefugnisse der Kommission nach der Novel-Food-Verordnung zum „Verdikt der Kompetenzwidrigkeit". Kritisch auch Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungsvollzugs, S. 134 ff. 108
So dezidiert Schreiber, Verwaltungskompetenzen, S. 133 ff. 109 EuGH, Rs. C-359/92 (Deutschland/Rat), Slg. 1994,1-3698 ff. 110
Art. 5 Richtlinie Nr. 92/59 (Produktsicherheitsrichtlinie), m EuGH, a. a. O., Rn. 17. 112 EuGH, a. a. Ο., 1-3693.
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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zug der Kommissionsentscheidung nicht autonom, sondern als bloße Ausführungsorgane handeln. Die materielle Verwaltungstätigkeit wird nicht von ihnen, sondern von der Kommission ausgeübt. 113 Legt man dennoch die Ausgangsposition von Generalanwalt Jacobs zugrunde, ohne seiner Anwendung im konkreten Fall zu folgen, dürften direkte Inspektionsbefugnisse bei den Wirtschaftsteilnehmern für Kommissionsbedienstete nicht als Harmonisierungsmaßnahme erlassen werden. Auch die Zulässigkeit von Inspektionen in der Form der second-line-Kontrolle als direkte Verwaltungskompetenz gegenüber den Mitgliedstaaten wäre zweifelhaft. Vorschriften festzulegen, die von den Behörden in allen Mitgliedstaaten einheitlich anzuwenden sind, ist etwas anderes als eigene Vollzugsbefugnisse für die Gemeinschaft zu schaffen. I m letzteren Fall werden nicht mehr nur einheitliche Bestimmungen festgelegt, sondern diese auch selbst vollzogen. 1 1 4 Der Gerichtshof hat letztlich anders entschieden: In erster Linie sei es zwar die Aufgabe der Mitgliedstaaten, in Produktsicherheitsnotfällen die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. M i t der Beseitigung der Grenzkontrollen sei es aber für die Mitgliedstaaten noch schwieriger geworden, die Verbreitung unsicherer Produkte in ihrem Gebiet durch eigenes Handeln zu verhindern. Art. 9 der Produktsicherheitsrichtlinie solle der Kommission ermöglichen, innerhalb kürzester Zeit vorläufige, in der gesamten Gemeinschaft geltende Maßnahmen hinsichtlich eines Produkts zu ergreifen, von dem eine ernste und unmittelbare Gefahr für die Gesundheit und die Sicherheit der Verbraucher ausgeht. „Auf bestimmten Gebieten ( . . . ) ist es jedoch möglich, daß die Angleichung nur der allgemeinen Vorschriften nicht ausreicht, um die Einheit des Marktes zu gewährleisten. Daher ist der Begriff der,Maßnahmen zur Rechtsangleichung' so auszulegen, daß er auch die Befugnis des Rates umfaßt, Maßnahmen hinsichtlich eines bestimmten Produktes oder einer bestimmten Produktkategorie und gegebenenfalls auch Einzelmaßnahmen hinsichtlich dieser Produkte vorzuschreiben." 115 Der EuGH hat es im Ergebnis also gebilligt, daß auf der Grundlage der Rechtsangleichungskompetenz des Art. 95 EGV Verwaltungskompetenzen für die Kommission begründet werden. Allerdings sind diese Kompetenzen im konkreten Fall nicht sehr weitgehend: Zum einen sind sie beschränkt auf Produktsicherheitsnotfälle, zum anderen darf die Kommission ihre Entscheidungen nicht direkt an die Wirtschaftsteilnehmer richten, sondern nur an die Mitgliedstaaten, die sie dann umzusetzen haben. Uber echte Genehmigungsbefugnisse gegenüber den Marktteilnehmern, wie sie der Kommission beispielsweise nach der Novel-Food-Verordnung zustehen, hatte der Gerichtshof noch nicht zu entscheiden. In der Literatur wird allerdings davon ausgegangen, daß er an seiner vertragszweckorientierten Auslegung festhalten und auch solche Entscheidungskompetenzen unter die Angleichungsvorschriften des Art. 95 fassen w ü r d e . 1 1 6 113
So zutreffend Schreiber, Verwaltungskompetenzen, S. 35 f. Schreiber, Verwaltungskompetenzen, S. 132. us EuGH, a. a. O., Rn. 37. 114
1
David
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
Dem ist zwar nicht in der Kürze der Argumentation, aber i m Ergebnis zuzustimmen, und zwar unter Rückgriff auf die Lehre von den implied powers: Die Begründung direkter Verwaltungskompetenzen mit Hilfe der implied powers ist allgemein dann gerechtfertigt, wenn die Regelung der verfahrensrechtlichen Frage i m Vergleich zum Rest des Rechtsakts nicht mehr als eine Annexregelung ausmacht und die Schaffung von Verwaltungsbefugnissen der Gemeinschaft zur wirksamen und einheitlichen Anwendung der Gemeinschaftsregelung zwingend erforderlich i s t . 1 1 7 Für das Funktionieren des Binnenmarktes, zu dessen Ziel die Angleichungsmaßnahmen nach Art. 95 EGV beitragen sollen, ist es nicht ausreichend, einheitliche Vollzugsvorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten zu schaffen. Diese müssen auch in der Praxis angewandt werden. Flankierende Maßnahmen, die die Einheitlichkeit des Vollzugs in allen Mitgliedstaaten sichern, sind daher unerläßlich. Wenn sie dem Ziel der Sicherung der einheitlichen Anwendung der angeglichenen Vorschriften dienen, ist daher auch die Einräumung von Verwaltungskompetenzen an die Kommission zulässig. 1 1 8 Das können wie i m Fall des Produktsicherheitsrechts Entscheidungsbefugnisse i m Einzelfall sein. In diese Kategorie fallen aber auch die Inspektionsbefugnisse der Kommission bei mitgliedstaatlichen Verwaltungen oder Wirtschaftsteilnehmern. Die Umsetzung der jeweiligen Richtlinienvorgaben und entsprechende Umsetzungsnotifizierungen und Vollzugsberichte an die Kommission sind häufig nicht ausreichend, um auch tatsächlich eine einheitliche Anwendung zu gewährleisten. Nur durch Besuche vor Ort kann sich die Kommission ein Bild machen und eventuelle Vollzugsdefizite aufdecken. Inspektionsbefugnisse der Kommission können daher unter Rückgriff auf die Lehre von den implied powers auf Art. 95 EGV gestützt werden.
(4) Art. 308 EGV Inspektionsbefugnisse für Kommissionsbedienstete können grundsätzlich auch gestützt auf die sog. „Reserveermächtigung 4 ' 119 des Art. 308 EGV (früher Art. 235 116 Kritisch u. m. w. N. Wahl/Groß, DVB1. 1998, 2, 12. Siehe auch Bardenhewer / Pipkorn, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 100a, Rn. 45, vgl. auch Rn. 24, 25; allgemeiner für „gemeinschaftsweite Entscheidungsbefugnisse" der Mitgliedstaaten Röhl, Zertifizierung und Akkreditierung, S. 38. 117 Nach der Theorie von den implied powers werden nicht vom Wortlaut der jeweiligen Kompetenzvorschrift getragene Handlungsbefugnisse als Annexkompetenz aus dem Sachzusammenhang für die Regelung einer Materie für zulässig erachtet; vgl. Lienbacher, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 5, Rn. 10; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 5, Rn. 13 ff.; Bieber/Beutler/Pipkorn/Streil, EU-Recht, S. 84; grundlegend Nicolaysen, EuR 1966, S. 129 ff. Der EuGH erkennt die kompetenzbegründende Wirkung der implied powers seit seinem Fédéchar-Urteil aus dem Jahre 1956 an (EuGH, Rs. 8/55, Slg. 1956, 297, 312). ι· 8 So im Ergebnis auch Schreiber, Vollzugskompetenzen, S. 144; Klepper, Vollzugskompetenzen, S. 72 f. Anders Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungsvollzugs, S. 138 f., die in Anlehnung an Wahl/Groß, DVB1. 1998, 2, 12 die Kompetenzausdehnung von einer gegebenen Gesetzgebungskompetenz auf eine ungeschriebene Verwaltungskompetenz ablehnt.
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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EGV) normiert werden. Art. 308 E G V soll einen Ausgleich in Fällen schaffen, in denen den Gemeinschaftsorganen durch spezifische Bestimmungen des Vertrages ausdrücklich oder implizit verliehene Befugnisse fehlen und gleichwohl Befugnisse erforderlich erscheinen, damit die Gemeinschaft ihre Aufgaben i m Hinblick auf die Erreichung der vom Vertrag festgelegten Ziele wahrnehmen k a n n . 1 2 0 Art. 308 E G V ist schon seinem Wortlaut nach - die zur Zielverwirklichung erforderlichen Befugnisse dürfen nirgendwo anders i m Vertrag vorgesehen sein - gegenüber den anderen Vertragsbestimmungen subsidiär. Angesichts der allgemeinen Auskunfts- und Nachprüfungskompetenz in Art. 284 E G V und nach der Ergänzung des Betrugsbekämpfungsartikels um eine ausdrückliche Rechtsetzungsermächtigung sind allerdings kaum noch Fälle vorstellbar, in denen die - eng auszulegend e n 1 2 1 - Anwendungsvoraussetzungen des Art. 308 E G V erfüllt sein könnten. Größere Bedeutung als Rechtsgrundlage für eigenständige Inspektionsbefugnisse der Kommission könnte Art. 308 E G V nur dann erlangen, wenn man mit einigen Stimmen in der Literatur die Einführung von Verwaltungskompetenzen der Kommission auf der Basis der Rechtsangleichungskompetenzen ζ. B. des Art. 95 E G V für unzulässig hält. Die nach Art. 308 E G V zulässigen Maßnahmen sind nämlich nicht auf die Angleichung beschränkt. M i t dem Erfordernis der Einstimmigkeit i m Rat sind allerdings höhere Hürden zu überwinden. 1 2 2 Der Rat hat die Kontrollverordnung Nr. 2185/96, durch die der Kommission umfassende selbständige Inspektionsbefugnisse zur Betrugsbekämpfung eingeräumt werden, insbesondere unter Berufung auf Art. 235 E G V (jetzt Art. 308) erlassen. 1 2 3 Heute wäre die Verordnung allerdings auf die mit dem Amsterdamer Vertrag neu eingeführte ausdrückliche Rechtsetzungsermächtigung zum Zweck der Betrugsbekämpfung in Art. 280 Abs. 4 zu stützen. Aber auch davor erschien Art. 235 E G V (jetzt Art. 308) als Grundlage nicht ganz zweifelsfrei: Art. 284 E G V ermöglicht es dem Rat wie gesehen, auch allgemeine und politikübergreifende Inspektionsbefugnisse für die Kommission zu begründen. Ulrich hält den Rückgriff auf Art. 235 E G V „unter Berücksichtigung der Erweiterung der direkten Vollzugsbefugnisse der Kommission und deren Auswirkungen" zumindest für vertretbar. 1 2 4 119 Vgl. zu dieser und sonstigen Bezeichnungen Schwartz, in: Groeben / Thiesing / Ehlermann, EU-/EG-Vertrag, Art. 235, Rn. 2. 120 EuGH, Gutachten 2/94 (Beitritt zur EMRK), Slg. 1996,1-1759, Rn. 25, 28, 29.
121 Vgl. Jarass, AöR 121 (1996), S. 173, 177. 122 Wahl/Groß, DVB1. 1998, S. 2,12 weisen darauf hin, daß dieses Quorum bei der Abstimmung über die Novel-Food-Verordnung nicht erreicht wurde. Hätte man die Hochzonung von Vollzugskompetenzen auf die Gemeinschaftsebene nicht auf Art. 100a EGV (jetzt Art. 95 EGV), sondern (nach Ansicht von Wahll Groß richtigerweise) auf Art. 235 EGV (jetzt Art. 308 EGV) gestützt, wäre diese Verordnung also nicht zustandegekommen. ι 2 3 Da die Verordnung auch im Bereich des EuratomV gilt, wurde daneben der insoweit gleichlautende Art. 203 Euratom Vertrag herangezogen. 124 Ulrich, Kontrollen bei Wirtschaftsbeteiligten, S. 147; dort und auf den folgenden Seiten ausführlich zur Erfüllung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art. 235 EGV durch die Verordnung Nr. 2185/96. 1*
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
(5) Verhältnis der Rechtsgrundlagen
zueinander
Solange die Inspektionsbefugnisse der Kommission eng mit einem bestimmten Politikbereich der Gemeinschaft zusammenhängen, sind die jeweiligen sachbereichsbezogenen Ermächtigungsgrundlagen einschlägig. Sollte der Rat erwägen, der Kommission eine umfassende, bereichsübergreifende Inspektionsbefugnis zuzuweisen, kann dafür Art. 284 EGV herangezogen werden. Es ist allerdings darauf zu achten, daß nur das Verfahren der Nachprüfungen geregelt und keine materiellen Bestimmungen auf der Basis des Art. 284 EGV erlassen werden dürfen, denn sonst würden die - insgesamt schärferen - Verfahrensanforderungen der sachgebietsbezogenen Ermächtigungsgrundlagen umgangen. 1 2 5 M i t einer solchen allgemeinen Nachprüfungsbefugnis für die Kommission ist allerdings in absehbarer Zeit kaum zu rechnen. Wie oben dargelegt, scheint der Gemeinschaftsgesetzgeber die sachbereichsbezogenen Inspektionsbefugnisse vorzuziehen und hat auch die gebietsübergreifenden Inspektionsrechte zur Betrugsbekämpfung lieber auf Art. 235 EGV (jetzt Art. 308) als auf Art. 284 EGV gestützt.
b) Kompetenzen zur institutionellen Ausgestaltung der Inspektionen auf Gemeinschaftsebene und ihre Grenzen A u f den ersten Blick liegt es nahe, die Durchführung von Inspektionen auf EGEbene durch Beamte derjenigen Institution durchführen zu lassen, die hauptsächlich für die Durchführung des Gemeinschaftsrechts und die Kontrolle seiner Anwendung zuständig ist: die Kommission mit ihren einzelnen Generaldirektionen (vgl. Art. 211 EGV). So werden ζ. B. die Inspektionen nach der Verordnung Nr. 17 durch Beamte der Generaldirektion Wettbewerb durchgeführt. In den letzten Jahren wurde jedoch verstärkt die Notwendigkeit betont, die erforderlichen Kontrolltätigkeiten in besonderer Unabhängigkeit durchzuführen. Eine solche Unabhängigkeit ist notwendig, um unparteiisch über den korrekten Vollzug des Gemeinschaftsrechts entscheiden und Defizite feststellen zu können. Eine organisatorische Trennung zwischen Rechtsetzungs-, Vollzugs- und Kontrolltätigkeiten soll dazu dienen, Interessenkonflikte und Abhängigkeiten zu vermeiden. 1 2 6 Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die Betrauung von institutionell verselbständigten Einheiten auf EG-Ebene mit Inspektionsaufgaben zulässig ist. 125
Allgemein zum Verhältnis der Rechtsgrundlagen zum Erlaß administrativer Informationsverfahren vgl. Sommer, Administrative Informationsverfahren, Teil 3 Kap. 1 B.II.6. i 2 * Vgl. Majone, Mutual Trust, EUI Working Paper RSC No. 95/1, S. 25 f., der auf den zusätzlichen Faktor der Kontrollfunktion gegenüber der Kommission selbst hinweist: „Institutional Separation from the Commission would enable the inspectorate to scrutinize the Commission's own role, ...". Bereits Everting, in: FS Ophüls, 33, 38 (für die Errichtung eines europäischen Kartellamts): „Es dient der Objektivität und Effektivität der Verfahren, wenn der Vollzug von Rechtsvorschriften von der eigentlich ministeriellen, rechtspolitischen Tätigkeit getrennt wird".
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
181
Bei der Frage danach, inwieweit verselbständigte Einrichtungen auf EG-Ebene mit Inspektionsaufgaben betraut werden dürfen, geht es nicht nur um die Ermittlung einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage. Die weitere Ausgestaltung muß auch mit den sonstigen Grundsätzen des EGV vereinbar sein. Die Zuweisung von Vollzugskontrollbefugnissen an selbständige Agenturen kann insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des institutionellen Gleichgewichts und des Demokratieprinzips (Art. 6 E U V ) Schwierigkeiten aufwerfen. Spricht das Argument der Unabhängigkeit für eine institutionelle Verselbständigung der Kontrollinstanzen, ist auf der anderen Seite die Frage nach der Verantwortlichkeit zu bedenken. Werden institutionell verselbständigte Einheiten geschaffen, wird es schwieriger, diese zur Verantwortung zu ziehen. Die klassischen Stränge personeller und materieller demokratischer Legitimation werden geschwächt und müssen unter Umständen durch andere Legitimationsformen ergänzt werden. 1 2 7 Die institutionelle Ausgestaltung, die die Inspektionen durch das EG-Recht gefunden haben, bietet für diese Problematik reiches Anschauungsmaterial. Eine systematische Einteilung der mit der Durchführung von Inspektionen betrauten Einrichtungen erfolgt für die Zwecke dieser Untersuchung am besten nach dem Grad der jeweiligen Verselbständigung: 128 Je größer die Distanz zu dem EGOrgan Kommission wird, desto deutlicher stellt sich die Frage nach der Legitimierung der einer solchen Einrichtung zugewiesenen Eingriffsbefugnisse und nach deren Verantwortlichkeit. 1 2 9 I m vorliegenden Kontext: Müssen Inspektionen vor Ort immer durch Kommissionsbeamte i.e.S. durchgeführt werden, oder kann diese Aufgabe selbständigen Einrichtungen übertragen werden?
(1) Zuweisung von Inspektionsbefugnissen an unselbständige Amter der Kommission Bei den zahlreichen von der Kommission im Rahmen ihrer Organisationsgewalt eingerichteten Ämtern handelt es sich um organisatorisch verselbständigte Zweige ihrer verschiedenen Dienste. Das sind Verwaltungseinheiten, die i m Grunde noch nicht den Grad an Selbständigkeit erreichen wie er unter dem Stichwort der sog. 127
Grundlegend zu Fragen der Verwaltungslegitimation im deutschen Recht Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), S. 329 ff.; zu Legitimationsproblemen der europäischen Agenturen Majone, Regulatory State, S. 10 ff.; Fischer-Appelt, Agenturen, S. 184 ff. 128 So auch Oppermann, Europarecht, Rn. 445-449. 129 Einen Überblick über andere Möglichkeiten der Systematisierung gibt Bartodziej, EGWettbewerbsaufsicht, S. 167 f.; rechtsgrundlagenbezogene Einteilung bei M. Hilf Organisationsstruktur, S. 13 ff., 65 ff., 109 ff.; Einteilung nach gemeinschaftsexternen und -internen Vollzugsaufgaben bei Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 429 ff.; Hummer, in: Grabitz/ Hilf, EUV/EGV, Art. 162 EGV, Rn. 113 ff. unterscheidet nachgeordnete Einrichtungen mit und ohne eigene Rechtspersönlichkeit; Schreiber, Verwaltungskompetenzen, S. 43 ff. teilt die Organismen nach dem Ausmaß der ihnen zustehenden Entscheidungsbefugnisse ein. Zu der Frage, inwieweit die Kontrollaufgaben auch an private Uberwachungsgesellschaften delegiert werden dürften, vgl. Allkemper, RIW 1990, S. 121 ff.
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
„vertragsfremden Einrichtung" problematisiert w i r d . 1 3 0 Daß die Organisationsgewalt zur Schaffung solcher abhängiger Untergliederungen ermächtigt, liegt in ihrem Wesen selbst begründet. Die umfassende Befugnis der Kommission, ihre innere Organisation selbst zu regeln, kommt in der Ermächtigung, eine Geschäftsordnung zu erlassen (Art. 218 Abs. 2) - wenn auch in relativ beschränkter Weise zum Ausdruck. Zur Organisationsgewalt der Kommission gehören u. a. der selbständige Auf- und Ausbau der Beamtenhierarchie und der Erlaß von Vorschriften über die Geschäftsverteilung und -erledigung. 1 3 1 Nach Art. 18 der Geschäftsordnung der Kommission gliedern sich die Dienststellen der Kommission in Generaldirektionen und gleichgestellte Dienste, die wiederum in Direktionen und Referate untergliedert sind. Dieser Organisationsplan stellt aber nur ein Grundschema dar: Für neue Schwerpunkte bildet die Kommission ζ. B. spezielle nichtständige „Taskforces" 1 3 2 , die jeweils einer bestimmten Generaldirektion zugeordnet sind. Stärker organisatorisch verselbständigt und dauerhaft, aber dennoch an eine Generaldirektion angebunden sind Einrichtungen wie ζ. B. das Amt für Lebensmittel- und Veterinärfragen, das für die Durchführung von Inspektionen zuständig ist [dazu unter (a)]. Besonders umstritten war die Einrichtung des europäischen Betrugsbekämpfungsamtes OLAF, das zwar besondere Unabhängigkeit genießen, aber dennoch unter der Verantwortung der Kommission bleiben soll [dazu unter (b)].
(a) Das Amt für Lebensmittel- und Veterinärfragen I m Zuge des neuen Ansatzes für den Bereich der Lebensmittelüberwachung 133 hat die Kommission mehrere Schritte organisatorischer Art ergriffen. Leitgedanke für diese organisatorischen Umstrukturierungen war das Prinzip der Funktionentrennung. Nach diesem Prinzip soll - erstens die Verantwortung für die Gesetzgebung von der Verantwortung für wissenschaftliche Gutachten getrennt werden und 130
Grundlegend Priebe, Vertragsfremde Einrichtungen; näher siehe unten unter (2). Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 474; zur Geschäftsordnungskompetenz als Grundlage für die Bildung von Organteilen vgl. auch Hilf, Organisationsstruktur, S. 299; Oppermann, Europarecht, Rn. 445; Everling, DVB1. 1983, S. 649, 651; EuGH Slg. 1958, 9 ff. (42 ff.) Meroni; EuGH Slg. 1977, 741 ff. - Gutachten 1/76 Stillegungsfonds Rheinschiffahrt, st. Rspr.; Klosters,, Kompetenzen der EG-Kommission, S. 56 (i.übr. anderer Zusammenhang) spricht von dem „allgemein anerkannte(n), sämtlichen internationalen Organisationen innewohnende^) Recht zur Organisation ihres eigenen Verwaltungsapparates". 131
132 Ζ. B. die Task Groups „Zigarettenschmuggel", „Alkoholschmuggel" oder „Olivenöl" im Bereich der Betrugsbekämpfung, Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft u Betrugsbekämpfung, http://www.europa.eu.int / comm / anti_fraud / documents / annual_ reports/98_de.pdf. (1. 7. 2001), Jahresbericht 1998. 133 Vgl. Mitteilung der Kommission Gesundheit der Verbraucher und Lebensmittelsicherheit v. 30. 4. 1997, KOM (97) 183 endg. Ausführlicher zu diesem neuen Ansatz im europäischen Lebensmittelrecht siehe oben Kap. 1, Einleitung zu B.III; vgl. auch Blumann/Adam, R.T.D.E. 33 (1997), S. 239, 288 f.
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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- zweitens die Verantwortung für die Gesetzgebung von der Verantwortung für die Kontrolle getrennt werden. 1 3 4 Zur Verwirklichung dieses Ansatzes wurden die für die Kontrollen zuständigen Einheiten aus den auch für die jeweiligen Gesetzgebungsinitiativen i m Lebensmittel- und Veterinärbereich zuständigen Generaldirektionen I I I (Binnenmarkt und Industrie) und V I (Landwirtschaft) herausgelöst und in dem „Büro für Lebensmittelund Veterinärfragen" zusammengefaßt. Diese mittlerweile in „ A m t für Lebensrnittel· und Veterinärfragen" umbenannte Stelle liegt schon räumlich weit entfernt vom normalen Kommissionsbetrieb. Es ist zur Zeit in Dublin (Irland) angesiedelt und wird Anfang 2002 an einen neuen ständigen Sitz in Grange, Co. Meath, umziehen. Organisatorisch ist es der Generaldirektion Verbraucherpolitik und Gesundheitsschutz zugeordnet. Aus dieser Zuordnung folgt, daß die Kontroll- und Inspektionsaufgaben zwar vom A m t für Lebensmittel- und Veterinärfragen wahrgenommen werden, die budgetäre und politische Gesamtverantwortung aber weiterhin bei der Kommission l i e g t . 1 3 5 Die Inspektionen der Bediensteten des Amts sind damit i m Ergebnis Kommissionsinspektionen mit den entsprechenden Konsequenzen der Weisungsabhängigkeit bzw. der Eingliederung der Inspektoren in die Hierarchiestrukturen der Kommission. Rechtsschutz muß gegen die Kommission in Anspruch genommen werden. (b) Das Europäische A m t für Betrugsbekämpfung Das Europäische A m t für Betrugsbekämpfung O L A F wurde zum 1. 6. 1999 als zur Kommission gehörende, aber unabhängige Einrichtung konzipiert, die durch einen weisungsfreien Direktor geleitet w i r d . 1 3 6 Es wurde von der Kommission kraft ihrer Organisationsautonomie errichtet 1 3 7 und von Rat und Parlament mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattet. 138 Die Vorgängerorganisation U C L A F 134 Vgl. Mitteilung der Kommission a. a. O. (Fn. 133), S. 1. Danach wurden diese Grundprinzipien erstmals in einer Rede von Kommissionspräsident Santer vor dem Europäischen Parlament vom 18. 2. 1997 aufgestellt. In seiner Rede sprach sich Santer für die „schrittweise Einrichtung einer echten Lebensmittelpolitik" aus, „in der der Verbraucherschutz und die Gesundheit der Verbraucher Vorrang erhält". Siehe auch Mögele, ZLR 1998, S. 177 ff., 186. 13 5 Vgl. Mitteilung der Kommission v. 28. 1. 1998 an das Europäische Parlament, den Rat und den Wirtschafts- und Sozialausschuß über die Lebensmittel-, Veterinär- und Pflanzenschutzüberwachung, KOM (1998) 32 endg. Ausführlich zu Vorgeschichte und Entwicklung des Amts für Lebensmittel- und Veterinärfragen Lugt, European Food Law, S. 33 ff.; umfassender Bericht über die Tätigkeiten des Amtes: http://www.europa.eu.int/comm/food/fs/ inspections / policy_papers / ann_rep_2000_en.pdf (1.7. 2001 ). »36 Umfassend zu diesem neuen Amt vgl. Gieß, EuZW 1999, S. 618, 619; Haus, EuZW 2000, S. 745 ff.; Mager, ZEuS 2000, 177 ff. und Ulrich, EWS 2000, S. 137 ff. 137 Kommissionsbeschluß v. 28. 4. 1999 zur Errichtung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), ABl. Nr. L 136, 1 ff. Rechtsgrundlage für Organisationsakte der Kommission ist Art. 218 EGV (früher Art. 162 EGV). 138 Verordnung Nr. 1073/99 des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 25. 5. 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF); Inter-
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
war eine besondere dem General Sekretariat zugeordnete Betrugsbekämpfungseinheit innerhalb der Kommission. In diese 1988 geschaffene Kontrolleinheit sind 1995 die bis dahin in den Generaldirektionen V I (Landwirtschaft) und X X I (Zoll) angesiedelten speziellen Betrugsbekämpfungseinheiten integriert w o r d e n . 1 3 9 In institutioneller H i n s i c h t 1 4 0 handelt es sich bei der Schaffung von O L A F also um einen Prozeß der Integrierung und Verselbständigung: Zu UCLAF-Zeiten war der Direktor als Kommissionsbeamter in die allgemeine hierarchische Weisungsstruktur dieser Behörde eingebunden. Aus dieser Eingebundenheit resultierte die Möglichkeit, Nachforschungen mit den Mitteln von Weisung und Dienstaufsicht zu unterbinden. 1 4 1 Trotz der jetzt eingeführten Weisungsunabhängigkeit ist das Europäische A m t für Betrugsbekämpfung weiterhin eine Einrichtung „innerhalb der Verwaltungsstruktur der K o m m i s s i o n " 1 4 2 . Rechtsschutz ist gegen die Kommission zu suchen, da die Handlungen von O L A F dieser zugerechnet werden. 1 4 3 Das Amt hat im Unterschied zu den unter (2) zu besprechenden Agenturen keine eigene Rechtspersönl i c h k e i t . 1 4 4 Die Unabhängigkeit, die sich in der Weisungsfreiheit des Direktors von O L A F ausdrückt, soll die Objektivität der externen und internen Untersuchungen garantieren und die Legitimität der Kontrollen erhöhen. Eine unzulässige Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts 1 4 5 ist mit dieser Verselbständigung, zuinstitutionelle Vereinbarung v. 25. 5. 1999 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die internen Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung, ABl. Nr. L 136, 15 ff. Unterscheidung zwischen Einrichtungsbeschluß durch die Kommission und Aufgabenzuweisung durch die Verordnung Nr. 1073/99 zutreffend bei Ulrich, EWS 2000, S. 137, 138. Etwas ungenau insoweit Gieß, EuZW 1999, S. 318, 318, die formuliert, die EG habe „durch die Verordnung Nr. 1073/999 ein eigenständiges Amt für Betrugsbekämpfung erhalten". 139
Zu den aufeinanderfolgenden organisatorischen Schritten vgl. Vervaele, in: ders. (Hrsg.), Transnational Enforcement, S. 53 ff. 140 Nur um diesen institutionellen Aspekt soll es hier gehen; ausführlicher zu Entstehungsgeschichte und Befugnissen von OLAF im Rahmen der internen und externen, sektoralen und horizontalen Betrugsbekämpfung siehe oben Kap. 1 B.V.2. 141 Ausführlicher vgl. Gieß, EuZW 1999, S. 618, 619. 142
Vgl. Erwägungsgrund Nr. 4 Verordnung Nr. 1073/99; kritisch insoweit Kadelbach, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 205, 212. 1 43 Gieß, EuZW 2000, S. 618, 621 mit Fn. 49; Rengeling/Middeke/Gellermann, Rechtsschutz, Rn. 211. Kritik des Rechnungshofs (noch zum Vorschlag): Die Einrichtung einer Instanz, die unabhängig sein soll und zugleich in die Kommission eingebunden ist, wirft sowohl praktische als auch rechtliche Probleme auf, vgl. Rechnungshof Stellungnahme Nr. 2/ 99 zum geänderten Vorschlag für eine Verordnung (EG, Euratom) des Rates über die Untersuchungen des Amtes für Betrugsbekämpfung, ABl. Nr. C 154 v. 1. 6. 1999, S. 1, 2, Rn. 8 f., S. 4, Rn. 23. 144
In den Entwürfen war die Zuerkennung von Rechtspersönlichkeit an das Amt für Betrugsbekämpufng vorgesehen., wovon aber in der Endfassung Abstand genommen worden ist. Zu den politischen Diskussionen im Deutschen Bundestag vgl. ZRP 1999, S. 311 (aus dem Bundestag). 1 45 Näher zum Begriff des institutionellen Gleichgewichts sogleich unter (2)(a).
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mindest was die externen Untersuchungsbefugnisse des Amtes gegenüber Wirtschaftsteilnehmern betrifft, noch nicht verbunden: Die Handlungen von O L A F bleiben mangels eigener Rechtspersönlichkeit des Amtes ja der Kommission zurechenbar. 1 4 6 Dennoch erscheint der Verzicht der Kommission auf den Durchgriff auf eine ihr unterstehende Einheit insgesamt nicht unproblematisch und ist wohl nur durch das „Gegengewicht" des Überwachungsausschusses 147 in gewisser Weise kompensiert.
(2) Zuweisung von Inspektionsbefugnissen an selbständige Agenturen mit Rechtspersönlichkeit Im Unterschied zu den unselbständigen Amtern kommt den selbständigen Agenturen des Gemeinschaftsrechts eigene Rechtspersönlichkeit zu. Zu unterscheiden sind die Kompetenz zur Errichtung dieser selbständigen Agenturen (dazu sogleich) und die Kompetenz zur Übertragung von (Inspektions-)Befugnissen auf diese Einrichtungen [dazu unter (a)]. Bisher gibt es noch keine Agentur auf Gemeinschaftsebene, die berechtigt ist, ohne die Zustimmung der Betroffenen Kontrollen vor Ort durchzuführen. Die Einführung solcher Befugnisse wird aber seit längerem diskutiert, und zwar vor allem für das Umwelt- und das Lebensmittelrecht [unter (b) und (c)]. Die Frage des „ O b " wird diskutiert unter dem Stichwort der Schaffung sog. „vertragsfremder Einrichtungen": Inwieweit hat die Gemeinschaft die Möglichkeit, selbständige vom Vertrag nicht vorgesehene Sonderbehörden zur Wahrnehmung spezieller Aufgaben zu schaffen? 1 48 Wie oben gesehen, ermächtigt die interne Organisationsgewalt der Kommission sie zur Errichtung abhängiger Untergliederungen. Sie reicht aber nicht so weit, daß von ihr auch die Schaffung neuer Einrichtungen mit selbständiger Rechtspersönlichkeit gedeckt wäre. Zuständig dafür ist nicht die Kommission im Rahmen ihrer Organisationskompetenz, sondern der Gemeinschaftsgesetzgeber selbst. Ein solcher „institutioneller Gesetzesvorbehalt" kann aus dem Prinzip des institutionellen Gleichgewichts 1 4 9 abgeleitet wer146 Die internen Untersuchungsbefugnisse des Amtes, die dieses auch gegenüber sämtlichen Organen, Einrichtungen, Amtern und Agenturen einsetzen können soll, bedrohen das institutionelle Gleichgewicht ungleich stärker. Die Abgeordneten des europäischen Parlaments sehen sich möglicherweise zutreffend in ihren Rechten auf Immunität und freies Mandat, EZB und EIB in ihrer primärrechtlich abgesicherten Autonomie beeinträchtigt (vgl. dazu den Bericht von Selmayr/ Kamann, FAZ v. 11.4. 2000, 14). Der Antrag der Abgeordneten auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem EuGH ist mittlerweile zu deren Gunsten entschieden, Beschluß des Präsidenten des Gerichts in der Rs. T-17/00 R, siehe Pressemitteilung Nr. 32/ 2000 v. 2. 5. 2000, www.curia.eu.int/de/cp/aff/cp0032de.htm .
w Art. 11 Verordnung Nr. 1073/1999 (OLAF); dazu Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 567. 148 Grundlegend Priebe, Vertragsfremde Einrichtungen und Everting, in: FS Ophüls, S. 33 ff.; vgl. ansonsten Calliess, in: Callies/Ruffert, Art. 7 EGV, Rn. 25 f.; Fischer-Appelt, Agenturen, S. 78 ff.; Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 557 ff. 149 Näher zu diesem Prinzip unten unter (a).
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
den. Ebenfalls dafür spricht der Befund, daß auch i m Recht der Mitgliedstaaten die Schaffung rechtsfähiger Verwaltungsträger überwiegend dem Gesetzgeber vorbehalten i s t . 1 5 0 In der Praxis gibt es zahlreiche Beispiele für solche selbständigen Dienststell e n . 1 5 1 Diese Entwicklung zunehmender Ausgliederung komplexer Aufgabenbereiche aus der Kommission wird nur vereinzelt als unkontrollierter Wildwuchs kritisiert. Meistens wird aber darauf hingewiesen, daß angesichts immer speziellerer Aufgabenstellungen Bedarf an der Schaffung eigener Fachbehörden besteht, die i m Verbund mit einem Netzwerk entsprechender Behörden auf der nationalen Eben e 1 5 2 - das Vollzugsdefizit i m Gemeinschaftsrecht reduzieren helfen sollen. 1 5 3 Rechtsgrundlage für fast alle bisher durch den Gemeinschaftsgesetzgeber geschaffenen Agenturen war Art. 235 EGV (jetzt Art. 308 EGV). Eine Ausnahme bildet nur die Europäische Umweltagentur: Ihre Errichtung wurde auf Art. 130s EGV (jetzt Art. 175 EGV) gestützt. 1 5 4 I m Regelfall werden auch zukünftige Agenturgründungen auf Art. 308 EGV zu stützen sein. Allerdings erscheinen insbesondere seit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages auch einige der weiter gefaßten Ermächtigungsgrundlagen i m Bereich der Gemeinschaftspolitiken nicht ausgeschlossen, etwa Art. 152 Abs. 4 b als Grundlage für die Errichtung einer europäi150 M. Hilf, Organisationsstruktur, S. 304; ausführlich Fischer-Appelt, Agenturen, S. 84 ff. Die Ansicht, eine reine Sachkompetenz im EGV oder die Ergänzungskompetenz des Art. 235 EGV (jetzt Art. 308) reichten nicht aus, um in das institutionelle Gefüge einzugreifen, es bedürfe vielmehr einer Vertragsänderung in dem dafür vorgesehenen Verfahren, ist inzwischen von der Wirklichkeit überholt worden und wird heute - soweit ersichtlich - nicht mehr vertreten (so noch Everling, in: FS Ophüls, S. 33, 42). 151 Wichtige Agenturen des Gemeinschaftsrechts sind beispielsweise die Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, die Europäische Stiftung für Berufsbildung, die Europäische Umweltagentur, die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, die Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln, das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt und das Gemeinschaftliche Sortenamt; vollständige Ubersichten bei Oppermann, Europarecht, Rn. 450 ff. und Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 554 ff.; eine umfassende Typologie entwickelt Fischer-Appelt, Agenturen, S. 46 ff.; historische Darstellung bei Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen, S. 31 ff.; vgl. auch Kreher/Martines, Rivista italiana di diritto pubblico comunitario 1996, S. 97 ff. 152
Den Netzwerkgedanken betont Ladeur, NuR 1997, S. 8 ff. für die Europäische Umweltagentur: „Die Agentur soll nicht als eine dem deutschen Anstaltskonzept verselbständigte technische, nach einer vom „Anstaltsherrn" genau bestimmten Zielvorgabe arbeitende Einrichtung fungieren, sondern die wechselseitige Verknüpfung (insbesondere) mit nationalen „Schwerpunktorganisationen" für die Informationssammlung und Koordination gewährleisten ..." (S. 8 f.). 153 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 7, Rn. 25 f. Nach Majone, Mutual Trust, S. 25 f. spricht für die Betrauung von Agenturen mit Inspektionsaufgaben auch die damit verbundene Möglichkeit, auch die Völlzugstätigkeiten der Kommission überwachen zu lassen. Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden; allgemein zu den Verantwortungsstrukturen, deren Einhaltung bei der Errichtung selbständiger Agenturen gewährleistet sein muß, Majone, Regulatory State, S. 12 ff. 154 Näher zur Kompetenzfrage Breier, NuR 1993, S. 516, 518 f.
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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sehen Lebensmittelbehörde. In Anknüpfung an das oben Gesagte gilt allerdings, daß die Ermächtigungen zur Rechtsangleichung, also insbesondere Art. 95 EGV, nicht auch die Einrichtung zentraler Agenturen umfaßt: Ihre Gründung selbst dient nicht der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten. Die Errichtung einer Agentur ist ein großangelegtes Projekt und kann deshalb auch nicht unter dem Gesichtspunkt der implied powers als Annexregelung zu dem Harmonisierungsakt gewertet werden. Die Schaffung neuer Regelungsregime, die den nationalen Systemen überlagert werden und insofern über die Angleichung hinausgehen, kann daher nicht auf der Grundlage des Art. 95 EGV, sondern nur auf der Basis des Art. 308 EGV geschehen. 155
(a) Zulässigkeit einer Ausstattung selbständiger Agenturen mit Überwachungsbefugnissen Welche Befugnisse an selbständige Agenturen übertragen werden können, bedarf stets der Prüfung i m konkreten Einzelfall. Die Zulässigkeit hängt von dem betreffenden Sachbereich, der Tragweite der Entscheidungen und von den den Hauptorganen vorbehaltenen Kontrollmöglichkeiten a b . 1 5 6 Ausgehend von den MeroniUrteilen des E u G H 1 5 7 haben sich folgende Voraussetzungen herausgebildet, die als Grenze für eine zulässige Delegation zu beachten sind: - Das übertragende Organ darf keine weitergehenden Befugnisse übertragen, als ihm selbst zustehen. - Das institutionelle Gleichgewicht der EG darf nicht verfälscht werden. - Es dürfen keine Beurteilungs- oder Ermessensbefugnisse übertragen werden, die zu einer Verlagerung der Verantwortung führen würden. 1 5 8 - Die Übertragung muß unter der Kontrolle und Verantwortlichkeit des übertragenden Organs bleiben. Auch wenn diese Grundsätze auch heute noch für gültig erachtet werden, ist doch zu beachten, daß zwischen ihrer Aufstellung und heute ein Zeitraum von über vierzig Jahren liegt, in dem sich die EG in institutioneller Hinsicht weiter entwickelt ISS EUGH (Spanien/Rat), Rs. C-350/92, Slg. 1995, 1-1985, Rn. 23, auch mit Bezug auf
das Gutachten 1/94 (Slg. 1994, 5276, Rn. 59). Vgl. zum Ganzen Fischer-Appelt, Agenturen, S. 86 ff. 156 M. Hilf, Organisationsstruktur, S. 319. 157 Rs. 9/56 und 10/56, Slg. 1958, 11 ff., 53 ff.; bestätigt in EuG, verb. Rs. T-369/94 u. T-85/95 (DIR/Kommission), Slg. 1998, 11-357, Rn. 53 (DIR). Vgl. auch EuGH, Gutachten 1/76 (Stillegungsfonds für die Binnenschiffahrt), Slg. 1977, 741. 158 Dieses Erfordernis wurde jüngst ausdrücklich durch das EuG (verb. Rs. T-369/94 u. T85 / 95 - DIR International Film u. a. / Kommission - Slg. 1998,11-357, Rn. 52) bestätigt: Unter Verweis auf die Meroni-Rechtsprechung wiederholte das Gericht, daß eine Übertragung von Befugnissen (hier: der Kommission auf das European Film Distribution Office EFDO, ein Verein mit Sitz in Hamburg) unter Einräumung eines weiten Ermessens nicht zulässig sei.
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
hat. Die den Meroni-Urteilen zugrundeliegenden Sachverhalte unterscheiden sich zudem in mehrfacher Hinsicht von der hier besprochenen Frage der Zulässigkeit der Errichtung selbständiger Einrichtungen und der Zuweisung von Befugnissen an diese. 1 5 9 Zum einen ging es in den Meroni-Urteilen um die Übertragung von Befugnissen der Behörde auf private Dritte (die Schrottausgleichskasse) i m Bereich der EGKS. Die Delegation von Handlungsbefugnissen auf Private muß naturgemäß engeren Voraussetzungen und stärkerer Kontrolle unterliegen als die Betrauung selbständiger Einrichtungen des europäischen öffentlichen Rechts, die immerhin weiterhin in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts und innerhalb der vielfältigen Vertragsbindungen tätig werden. 1 6 0 Wegen ihrer viel umfassenderen Tätigkeit stellen sich in der EG die Verwaltungsprobleme anders als in der EGKS. Die Verlagerung von Befugnissen kann dazu dienen, die effektive Arbeit der Gemeinschaftsorgane zu gewährleisten. 161 M i t zunehmender Integration wird die Notwendigkeit einer Entlastung des Verwaltungsapparats der EG immer deutlicher. 1 6 2 Zum anderen geht es bei der Errichtung neuer Agenturen durch den Gemeinschaftsgesetzgeber genau genommen gar nicht um eine Delegation von bereits einem Organ zustehenden Befugnissen, sondern um die direkte Zuweisung originärer Kompetenzen, die bisher noch keinem Gemeinschaftsorgan zustanden. 1 6 3 Bei der Schaffung einer neuen Verwaltungsstruktur durch den Gemeinschaftsgesetzgeber sind die Strukturvorgaben der Meroni-Rechtsprechung damit nur noch teilweise einschlägig: Es wird weniger auf den Umfang der übertragenen Befugnisse und die Beibehaltung von Kontroll- und Aufsichtsrechten durch ein delegierendes Organ ankommen, sondern darauf, ob die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage und die übrigen grundlegenden Anforderungen des EGV erfüllt sind. In diesem Zusammenhang wird dann auch die Wahrung des institutionellen Gleichgewichts wichtig. Der Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts ist
159 Zur begrenzten Reichweite der Meroni-Doktrin im Verhältnis zwischen EG und Mitgliedstaaten vgl. Groß, Kollegialprinzip, S. 357 und Röhl, Zertifizierung und Akkreditierung, S. 34 f. 160 Ebenso Fischer-Appelt, Agenturen, S. 107; Bartodziej, EG-Wettbewerbsaufsicht, S. 302 ff.; M. Hilf, Organisationsstruktur, S. 317 f.; J. Hilf, Dezentralisierungstendenzen, S. 105 f. 161 So schon Priebe, Vertragsfremde Einrichtungen, S. 114. 162 So auch Vervaele, in: ders., Transnational Enforcement, S. 53, 89: „There are also many arguments in favor of the independent agencies in the field of the environment, pharmaceuticals and food, etc., not being limited to advisory bodies but rather to extend them into regulatory and enforcement agencies. They must also be in a position to be able to extend coordination with the national enforcement agencies." 163
Darauf weisen auch Röhl, Akkreditierung und Zertifizierung, S. 35 (Delegation ändert bestehende Kompetenzordnung ab; Betrauung einer selbständigen Agentur mit neuen Aufgaben ist Schaffung einer neuen Verwaltungsstruktur) und Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungsvollzugs, S. 148, 160 ff. hin; den Begriff der Delegation verwenden dennoch Klepper, Verwaltungskompetenzen, S. 145 und Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen, S. 73 ff. (letzterer in einem sehr weiten Sinne).
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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vom EuGH entwickelt worden, um die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Kompetenzverschiebungen in horizontaler oder vertikaler Hinsicht zwischen den Gemeinschaftsorganen oder zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten zu beurteilen. Das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts ist in der Terminologie des Gerichtshofs „ v o m Vertrag g e w o l l t " : 1 6 4 „Die Verträge haben nämlich ein System der Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Organen der Gemeinschaft geschaffen, das jedem Organ seinen eigenen Auftrag innerhalb des institutionellen Gefüges der Gemeinschaft und bei der Erfüllung der diesem übertragenen Aufgaben zuweist. Die Wahrung des institutionellen Gleichgewichts gebietet es, daß jedes Organ seine Befugnisse unter Beachtung der Befugnisse der anderen Organe ausübt." 165 Für die Zuweisung von Aufgaben an Agenturen hat der Grundsatz zur Folge, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber keine Aufgaben an verselbständigte Einrichtungen übertragen darf, die nach dem Vertrag der Kommission zukommen müssen. Die Verwaltungszuständigkeiten der Kommission müssen im Grundsatz gewahrt bleiben. Die Agenturen sind von den Organen zu kontrollieren und müssen in einem Verhältnis effektiver Verantwortlichkeitsbeziehungen zu diesen stehen. 1 6 6 Die meisten Agenturen haben in erster Linie Beratungs-, Koordinierungs- und Informationsaufgaben. 167 So soll beispielsweise die Berufsbildungsstiftung „Hilfe leisten" und Informationen liefern. Die Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ist zuständig für „die Förderung und Unterstützung der Zusammenarbeit . . . " (Art. 3 Abs. 1 c). Einigen Agenturen, wie ζ. B. dem Markenund dem Sortenamt, sind aber auch echte Entscheidungsbefugnisse zugewiesen worden. Diese Amter treffen vor allem Entscheidungen in der Form von Zulassung e n . 1 6 8 Keine der Agenturen hat bisher selbständige eigene Inspektionsbefugnisse. 1 6 9 Angesichts der Tatsache, daß mit dem Recht zur Erteilung oder Versa164 So ζ. B. EuGH, Rs. 138/79 (Roquette Frères), Slg. 1980, 3333 (Leitsatz Nr. 4). Kritisch zur Normativität des Grundsatzes Beutler / Bieber/Pipkorn/Streil, Europäische Union, S. 189 f.; von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 130 f. („Leerformel"); Nettesheim in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 4, Rn. 6; Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen, S. 84 f. 165 EuGH, Rs. C-70/88 (Tschernobyl), Slg. 1990, 2041, Rn. 21 f. 166 Uerpmann, AöR 125 (2000), 551, 560; Franchini, Rivista Italiana di Diritto Pubblico Comunitario 7 (1997), S. 15, 20; Fischer-Appelt, Agenturen, S. 179 f. 167 Vgl. Fischer-Appelt, Agenturen, S. 147 ff.; speziell zum Typ der „Informationsagentur" von Bogdandy in Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Informationsgesellschaft, S. 133, 172 ff. 168 Näher Fischer-Appelt, Agenturen, S. 119 f. Zur Übertragung von Entscheidungsbefugnissen an ein Europäisches Kartellamt siehe auch Bartodziej, EG-Wettbewerbsaufsicht, S. 306 ff.; ablehnend Everting, in: FS Ophüls, S. 33, 42: Auskunfts- und Prüfungsrechte müßten als Hoheitsrechte bei der Kommission verbleiben. •69 Lediglich im Rahmen der Arzneimittelüberwachung können Inspektionen von der Kommission (nicht der Arzneimittelagentur) angeordnet werden, wobei das Inspektionspersonal hauptsächlich von den Mitgliedstaaten gestellt, aber durch einen Inspektor der Agentur
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
gung von Zulassungen bereits echte Entscheidungsbefugnisse auf Agenturen übertragen worden sind, spricht auf den ersten Blick nichts gegen eine Übertragung auch von Inspektionsbefugnissen. Ebenso wie in Zulassungsentscheidungen werden i m Zusammenhang mit Inspektionstätigkeiten direkte Verwaltungsbefugnisse ausgeübt. Trotzdem ist eine differenzierende Betrachtung erforderlich: Werden Inspektionen durch Agenturbedienstete bei den Wirtschaftsteilnehmern durchgeführt, wird es besonders auf die Wahrung des Demokratieprinzips, das sich vor allem durch das Prinzip demokratischer Legitimation zur Rechtfertigung der von den Agenturen ausgeübten hoheitlichen Tätigkeiten ausdrückt, ankommen. Zur Wahrung des erforderlichen Legitimationsniveaus reicht es nicht aus, darauf zu verweisen, daß j a der Rechtsakt, durch den die Agentur gegründet und durch den ihr ihre Befugnisse zugewiesen werden, durch ein demokratisch legitimiertes Organ erlassen worden ist. Die bewußte Entkoppelung von dem für die Durchführung von Verwaltungsaufgaben eigentlich legitimierten Organ, nämlich der Kommission, verlangt die Substituierung der fehlenden Hierarchie- und Weisungszüge durch andere Mittel der Vereinheitlichung. Dazu gehören beispielsweise eine stärkere gesetzliche Einbindung oder neue Formen der K o n t r o l l e . 1 7 0 Die den Agenturen zugewiesenen Verwaltungsbefugnisse müssen i m Gründungsakt präzise ausgeformt sein. Zu den erforderlichen Kontrollmechanismen zählen auch die Bereiche des Verfahrens und des Rechtsschutzes. 171 Gegen Inspektionen bei den mitgliedstaatlichen Verwaltungen könnte der Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts in verschiedener Hinsicht ins Feld begleitet werden kann (Artt. 16 ff. und 38 Verordnung Nr. 2309/93 - Arzneimittelagentur). Der Einsatz von Inspektoren durch die Arzneimittelagentur war von der Kommission vorgeschlagen worden, vgl. Art. 17 Abs. 2 des Vorschlags KOM (90) 283 endg. v. 14. 11. 1990; dazu Bartodziej, EG-Wettbewerbsaufsicht, S. 177; Fischer-Appelt, Agenturen, S. 440, Fn. 84. 170 Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 565 weist ζ. B. daraufhin, daß sich die Verfahren vor dem Harmonisierungsamt und dem Sortenamt, die mit eigenen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind, durch eine starke Rechtsförmlichkeit auszeichnen. Die politische Verantwortung der Gemeinschaftsorgane wird hier durch bindende rechtliche Entscheidungsvorgaben und ausgeprägte Rechtskontrolle ersetzt. Zu den Legitimationsfragen verselbständigter Verwaltungseinheiten im deutschen Verwaltungsorganisationsrecht vgl. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, 2/79 ff. und 5/32 ff. und Trute, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht, S. 249, insbes. 270 ff.; zum EG-Recht grundlegend und ausführlich Fischer-Appelt, Agenturen, S. 184 ff., insbes. S. 205 ff. (zu den Kontrollbeziehungen). Auch Uerpmann, a. a. O., S. 560 f. betont, daß das institutionelle Gefüge wesentlich verändert würde, wenn eine Einrichtung derart verselbständigt werde, daß ihre Tätigkeit nicht mehr von den Gemeinschaftsorganen gesteuert werden könne. Die Verantwortung der primären Gemeinschaftsorgane müsse durch Steuerungs- und Aufsichtsbefugnisse gewahrt bleiben. 1 71 Ungeachtet ihrer oben angedeuteten nur bedingten Übertragbarkeit auf die heutigen Agenturen enthielt bereits die Meroni-Rechtsprechung allgemeine Aussagen über Verfahrensund Rechtsschutzerfordernisse: So müssen die Handlungen der selbständigen Einrichtungen einem Rechtsschutz unterliegen, der dem Rechtsschutz gegen Akte des übertragenden Organs entspricht (EuGH, Rs. 9/56 - Meroni, Slg. 1958, 9, 40 bzw. Rs. 10/56, 79); vgl. zu den sich daraus ergebenden Anforderungen Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen, S. 78 ff.
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gefühlt werden: Institutionen, die von den Mitgliedstaaten nicht primärrechtlich vorgesehen sind, sollen nach teilweise vertretener Ansicht keine rechtlich bindenden Handlungen gegenüber diesen vornehmen können. Darüber hinaus ist die Aufgabe der Überwachung der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts durch Art. 211 EGV der Kommission zugewiesen worden. Diese primärrechtliche Aufgabenzuweisung soll einer sekundärrechtlichen Betrauung selbständiger Agenturen mit Überwachungsaufgaben entgegenstehen. 172 Wie unter (b) und (c) noch näher zu zeigen ist, bedeutet die Übertragung von Inspektionsbefugnissen in einzelnen Bereichen nicht, daß der Kommission ihre Überwachungszuständigkeit entzogen wird. Die Durchführung von Inspektionen bildet nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Bereich der Vollzugskontrolle. Das gesamte Feld der Überwachung umfaßt j a nicht nur die S ach Verhaltsermittlung, sondern vor allem die anschließende Bewertung und die Entscheidung über zu treffende Folgemaßnahmen, insbesondere die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren. Die Befugnis zu solchen Sanktionsmaßnahmen wird in der Tat bei der Kommission verbleiben müssen. Solange aber die allgemeine Überwachungszuständigkeit grundsätzlich der Kommission zukommt, ist die Zuweisung lediglich punktueller Kontrollaufgaben an verselbständigte Verwaltungseinheiten noch kein Eingriff in die Aufgabenzuweisung des Art. 211 EGV und dürfte nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung durch den EGV ändern. 1 7 3 Die Globalverantwortung der Kommission, über die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts zu wachen, bleibt erhalten. Wiewohl nach der hier vertretenen Ansicht grundsätzlich zulässig, 1 7 4 hat der Gemeinschaftsgesetzgeber die Betrauung selbständiger Agenturen mit Inspektionsbefugnissen zwar in Betracht gezogen, teilweise sogar entsprechende Entwürfe vorgelegt. In den Endfassungen der einschlägigen Rechtsakte hat er aber wiederholt auf diesen Schritt verzichtet. Entweder - wenn es auf die Inspektionsbefugnisse ankam - wurde statt der ursprünglich vorgeschlagenen Agentur doch „nur" ein (wenn auch durch seine Weisungsfreiheit relativ selbständiges) A m t i m Verantwortungsbereich der Kommission errichtet, wie es beim Betrugsbekämpfungsamt O L A F der Fall war. Auch der Vorschlag für eine Lebensmittelüberwachungsagentur wurde wieder zurückgezogen und stattdessen das A m t in Dublin eingerichtet. Oder die entsprechende Agentur wurde zwar errichtet, aber es wurde auf die Zuweisung von Inspektionsbefugnissen verzichtet. Das gilt für die Europäische Umweltagentur ebenso wie für die jetzt neu geplante Lebensmittelagentur, die i m folgenden etwas näher betrachtet werden sollen. 1 7 5 172 Everling, 173
in: FS Ophüls, S. 33, 45.
Vgl. Fischer-Appelt, Agenturen, S. 93, 120 und 441; Krämer, in: Groeben /Thiesing / Ehlermann, EG-Vertrag, 4. Auflage 1991, Art. 155, Rn. 75. 174 Befürwortend auch Majone, Mutual Trust, EUI Working Paper RSC No. 95 / 1, S. 25. 175 Auf die Errichtung eines Europäischen Kartellamts, das eine Zeit lang in der Diskussion war, wird hier nicht näher eingegangen, vgl. dazu umfassend Bartodziej, EG-Wettbewerbsaufsicht; kritisch Ehlermann, CMLR 32 (1995), 471, 479; ders., in: FS Everling (1995), 283 ff.
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
(b) Umweltinspektionen unter dem Dach der Europäischen Umweltagentur In der Gründungsverordnung wurde der Europäischen Umweltagentur die Aufgabe übertragen, der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten objektive, verläßliche und vergleichbare Informationen über den Zustand der europäischen Umwelt zur Verfügung zu stellen, damit diese die notwendigen Umweltschutzmaßnahmen ergreifen und deren Ergebnisse bewerten können. 1 7 6 Als Bestandteil eines „Europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetzes" (EIONET) ist die Umweltagentur für die Informationsgewinnung, -bewertung und -weitergäbe sowie für die Zusammenarbeit mit Dritten zuständig. 1 7 7 Sie hat aber keine eigenen Entscheidungsbefugnisse, obwohl das Europäische Parlament i m Vorfeld gefordert hatte, der Umweltagentur Kompetenzen zur Überwachung der Umsetzung und des Vollzugs des gemeinschaftlichen Umweltrechts einzuräumen. 1 7 8 Die Möglichkeit einer späteren Zuweisung weiterer Befugnisse ist in der Gründungsverordnung vorgesehen. 179 Bisher wurde davon allerdings wie bereits oben beschrieben noch kein nennenswerter Gebrauch gemacht: Nach der Änderungsverordnung von 1999 kann die Umweltagentur nun auf der Basis der Freiwilligkeit die Mitgliedstaaten bei deren Überwachungstätigkeiten beraten und deren Überwachungssysteme evaluieren. 1 8 0 I m Zusammenhang mit der Forderung nach einem Umweltinspektorat unter dem Dach der Europäischen Umweltagentur 1 8 1 auf europäischer Ebene ist zu unterscheiden zwischen den Fragen der rechtlichen Realisierbarkeit und denen der rein politischen Wünschbarkeit. M i t Blick auf den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts könnte man der Auffassung sein, Kontrollbefugnisse vor Ort könnten nach der Zuständigkeitsverteilung im EGV nur den Mitgliedstaaten (Art. 175 Abs. 4 EGV) oder der Kommission (Art. 211, 284 EGV) zustehen. 1 8 2 Wie bereits 176
Art. 1 Verordnung Nr. 1210/90; vgl. ausführlicher zu Aufgaben und Entstehungsgeschichte Fischer-Appelt, Agenturen, S. 56 ff.; Sach, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Band I § 44, Rn. 71; Kahl, UTR 36 (1996), S. 119, 127 ff. Siehe auch Bailey, EELR 1997, 148 ff. und Lindeman/Delfs, ZUR 1993, 256-263. 177 von Bogdandy, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Informationsgesellschaft, S. 133, 172 ff. ordnet die Umweltagentur daher in die Gruppe der Informationsagenturen ein; zum Netzwerk vgl. Ladeur, in: Kreher, The EC Agencies, S. 143 ff., 155 ff. m Vgl. den Vorschlag des Europäischen Parlamentes, ABl. Nr. C 96 v. 17. 4. 1990, 112 f. 179 Art. 20 Verordnung Nr. 1210/90 (Europäische Umweltagentur). In ihrer Mitteilung zur Durchführung des Umweltrechts, KOM (96) 500 endg., Rn. 29 äußert sich die Kommission zur Einsetzung von Umweltinspektoren selbst zurückhaltend und schlägt die Einsetzung einer begrenzten Stelle auf Gemeinschaftsebene vor, die Kompetenzen zur Beobachtung in bezug auf die Erfüllung der Überprüfungsaufgaben durch die nationalen Stellen erhalten könnte; vgl. Albin, Vollzugskontrolle, S. 369, Fn. 61. 180 Art. 2 ii) Sp.str. 3 Verordnung Nr. 1210/90 i.d.F.d. Verordnung Nr. 933/1999 (Europäische Umweltagentur). 181 Siehe oben Kap. 1 A.IV.l.b). Vgl. auch Bothe, in: Behrens/Koch, Umweltschutz in der EG, S. 180, 185; Breier, NuR 1995, S. 516, 517.
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einleitend angedeutet, würde nach der hier vertretenen Auffassung durch die Einräumung punktueller Uberwachungsbefugnisse das institutionelle Gleichgewicht nicht in unzulässiger Weise verschoben: Wenn die endgültige Bewertung der durch die Agentur gesammelten Informationen und insbesondere die daraus zu ziehenden Konsequenzen und Sanktionen bei der Kommission selbst verbleiben, bleibt die Hauptüberwachungsaufgabe bei letzterer. Die Frage nach der demokratischen Legitimation der durch Bedienstete der Umweltagentur ausgeübten Inspektionsbefugnisse bei den Unionsbürgern harrt allerdings noch einer Antwort. Nach klassisch-hierarchischen Vorstellungen sinkt mit dem Grad an Selbständigkeit einer Einrichtung ihre demokratische Legitimatio n . 1 8 3 Durch die „Zwischenschaltung" einer selbständigen juristischen Person wären die traditionellen Legitimationsketten zur Rechtfertigung hoheitlicher Handlungen unterbrochen. 1 8 4 Insbesondere für Inspektionen bei den Wirtschaftsteilnehmern wäre als Kompensation eine gerichtliche Kontrollierbarkeit der i m Zusammenhang mit diesen Inspektionen vorgenommenen Handlungen der Umweltagentur durch den EuGH unerläßlich. Eine solche Zuständigkeit des EuGH fehlt bisher. In Art. 18 der Verordnung Nr. 1210/90 (Umweltagentur) ist zwar die in Agenturgründungsverordnungen übliche Regelung über die vertragliche und außervertragliche Haftung der Agentur vorgesehen. Es fehlt jedoch eine Regelung über den Pimärrechtsschutz gegen Eingriffsakte der Umweltagentur, die mit der Durchführung von Inspektionen verbunden wären. Mindestens müßte es möglich sein, Streitigkeiten vor die Kommission zu bringen, gegen deren Entscheidung dann eine Nichtigkeitsklage vor dem EuGH zulässig w ä r e . 1 8 5 Geringere Anforderungen würde insofern eine Beschränkung auf second-line-Kontrollaktivitäten stellen, d. h. auf die Inspektion der mitgliedstaatlichen Umweltkontrollaktivitäten. Hier entstehen keine direkten Beziehungen zum Wirtschaftsteilnehmer, so daß insofern auch das Legitimationsniveau geringer sein kann. Durch ihre Präsenz i m Verwaltungsrat der
182 Breier, NuR 1995, S. 516, 517. 183 Allgemein zum sog. Demokratiedefizit in der Gemeinschaft vgl. nur Folz, Demokratie und Integration, S. 36 ff. 184 Vgl, d a z u Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungsvollzugs, S. 153 f. 185 Ein Widerspruchsverfahren vor der Kommission ist beispielsweise für den Rechtsschutz gegen Handlungen des Marken- und des Sortenamtes vorgesehen (Art. 44 Abs. 3 Verordnung Nr. 2100/94 - Sorten Verordnung; Art. 118 Abs. 3 Verordnung Nr. 40/94 - Markenverordnung). Danach kann jede ausdrückliche oder stillschweigende Handlung der Ämter von jedem Mitgliedstaat, jedem Mitglied des Verwaltungsrats und jeder dritten Person, die hiervon unmittelbar und individuell betroffen ist, zur Kontrolle ihrer Rechtmäßigkeit vor die Kommission gebracht werden. Ein anderer Weg wäre die analoge Anwendung von Art. 230 EGV, um unmittelbar die Anfechtung von Akten der Europäischen Umweltagentur vor dem EuG zu ermöglichen. Angesichts der Linie des EuGH, Rechtsschutzlücken durch eine ausdehnende Anwendung der primärrechtlichen Rechtsschutzvorschriften zu schließen, hält Uerpmann, AöR 125 (2000), 551, 576 f. diese Lösung für vorzugswürdig; allgemein zu den Techniken der Rechtsschutzgewährung gegen Vollzugsakte von Agenturen Klepper, Vollzugskompetenzen, S. 152 ff.; Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen, S. 97 ff. 13 David
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
Agentur haben die Mitgliedstaaten schon jetzt die Möglichkeit, auf deren Tätigkeiten kontrollierend Einfluß zu nehmen. 1 8 6 A u f politischer Ebene spricht für die Einrichtung eines europäischen Umweltinspektorats die Notwendigkeit zentraler Kontrolle über Umweltgefahren mit grenzüberschreitender Wirkung durch eine unabhängige Stelle. Beließe man es bei den dezentralen Kontrollstrukturen, bestünde die Gefahr, daß die nationalen Uberwachungsbehörden zu sehr aus einem regionalen oder nationalen Horizont heraus urteilen. 1 8 7 Gegen die Einführung eines selbständigen Umweltinspektorats unter dem Dach der Umweltagentur können Praktikabilitätsargumente und Gesichtspunkte der Funktionentrennung angeführt werden. Die Schaffung einer eigenen Institution mit Umweltinspektionsbefugnissen soll unpraktikabel sein, da der Vollzug des Umweltrechts in seiner Gesamtheit aufgrund der Notwendigkeit zur Berücksichtigung komplexer rechtlicher und naturwissenschaftlicher Zusammenhänge schwer geeignet für externe Kontrollen sei. Uberprüfungen seitens europäischer Beamter seien zwar grundsätzlich möglich, machten jedoch jeweils eingehende Sach- und Rechtskenntnisse notwendig, was umfassendere und häufige Kontrollen in den Verwaltungen ausschließe. 188 Schwierigkeiten in der praktischen Durchführung sollten allerdings kein Argument für einen völligen Verzicht auf ein aus Umweltschutzgründen für notwendig erachtetes gemeinschaftliches Umweltinspektorat sein. Aspekte der Funktionentrennung sprechen allerdings dagegen, die Inspektoratsfunktionen der mit der Sammlung von Umweltinformationen betrauten Umweltagentur zu übertragen. Eine solche Verknüpfung könnte dazu führen, daß die Informationen i m Hinblick auf die Verknüpfung mit möglichen Sanktionen nicht mehr so bereitwillig zur Verfügung gestellt werden. 1 8 9 Die Europäische Umweltagentur
186 Dem „Hauptorgan" der Europäischen Umweltagentur, dem Verwaltungsrat, gehören neben zwei Vertretern der Kommission zwei auf dem Gebiet des Umweltschutzes besonders qualifizierte, wissenschaftliche Persönlichkeiten sowie je ein Vertreter der Mitgliedstaaten an, Art. 8 Verordnung Nr. 1210/90 (Europäische Umweltagentur). Der Verwaltungsrat ist zuständig für die Verabschiedung der Arbeitsprogramme sowie die Aufstellung der Haushaltsund Stellenpläne der Umweltagentur zuständig, Art. 12 Verordnung Nr. 1210/90 (Europäische Umweltagentur). Vgl. ausführlicher zur Struktur der europäischen Umweltagentur Kahl, UTR 36 (1996), S. 119, 130 f. 187 So Winter, in: Lübbe-Wolff, Vollzug des europäischen Umweltrechts, S. 107, 127, der noch zusätzlich auf den Gesichtspunkt der Interessenkonflikte hinweist: Die lokalen Instanzen seien manchmal zu sehr politisch oder sozial in die Projekte verstrickt; notwendige Korrekturen würden nur durch die Kontrolle aus der Distanz der europäischen Rechtsaufsicht ermöglicht. Ihm folgend Albin, Vollzugskontrolle, S. 370. 188 Albin, Vollzugskontrolle, S. 370 f., die sich stattdessen für die „partielle Zulassung von Umweltinspektoren in ausgewählten Umweltbereichen", sekundärrechtlich verankert in einzelnen Richtlinien, ausspricht. Diese sollten rechtlich der Europäischen Umweltagentur oder auch dem IMPEL-Netzwerk unterstellt werden. 189 Winter, in: Lübbe-Wolff, Vollzug des europäischen Umweltrechts, S. 107, 127; vgl. auch Gii Ibànez, Administrative Supervision, S. 73; Demmke, Implementation von EG-Um-
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
195
ist mit dem Ziel gegründet worden, das Vollzugsniveau im europäischen Umweltrecht mit den Mitteln der Informationspolitik zu verbessern. 190 Zwang und Kontrolle als Mittel der Durchsetzung sind nicht unbedingt damit vereinbar. Während also von der Kompetenzfrage her betrachtet nichts gegen eine Betrauung der Umweltagentur mit Inspektionsaufgaben einzuwenden ist, sollte aus Gründen der Funktionentrennung von einer gleichzeitigen Ansiedelung der Inspektionsaufgaben bei einer Stelle, die mit Aufgaben der informellen Kommunikation und Datensammlung betraut ist, abgesehen werden. Statt dessen wäre eine direkte Ermächtigung der zuständigen Kommissionsdienstellen mit der Durchführung von Umweltinspektionen vorzuziehen.
(c) Einrichtung einer unabhängigen Lebensmittelbehörde mit Inspektionsbefugnissen Im Zuge der oben angesprochenen organisatorischen Umstrukturierungen i m Lebensmittel- und Veterinärbereich wurde auch überlegt, eine eigene Europäische Agentur für tierärztliche und pflanzengesundheitliche Überwachung einzurichten. Es gab sogar einen diesbezüglichen Kommissionsvorschlag. 191 Dieser ist allerdings wieder zurückgezogen worden, da eine solche Maßnahme weder vom Europäischen Parlament noch in einer internen Organisationsstudie befürwortet wurd e . 1 9 2 Zur Begründung des „Rückzugs" nimmt die Kommission wenn auch nicht ausdrücklich, so doch indirekt auf die Grundsätze der Meroni-Rechtsprechung Bezug: - Sie weist nämlich zum einen darauf hin, daß bei einem unselbständigen Kommissionsbüro die Gefahr einer Trennung vom Entscheidungsfindungsprozeß vermieden werde, die aus der Einrichtung einer Agentur folgen würde. Damit weltpolitik, S. 266 (zur mangelnden Informations- und Kooperationsbereitschaft der Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission im Zusammenhang mit der Umsetzung der EGTrinkwasserrichtlinie Nr. 80/778): Die Abhängigkeit von der Kommission in bezug auf den Datenaustausch führe zu „absurden Folgen", da die Informationsbereitschaft einiger Mitgliedstaaten damit „bestraft" werde, daß die bereitgestellten Informationen erst die Feststellung von Verstößen ermöglichten. Weniger auskunftswillige Staaten zögen demnach entsprechend weniger Aufmerksamkeit der EG auf sich und würden für ihre Kooperationsunwilligkeit noch belohnt. Verallgemeinert man diesen Befund, spricht das für eine Aufgabenteilung zwischen Kommission (Vollzugskontrolle) und Umweltagentur (Informationssammelstelle). Entsprechende Folgen wie die von Demmke angesprochenen wären nämlich auch für das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und der Umweltagentur denkbar, wenn deren Aufgabenbereich auch auf die Durchführung von Inspektionen mit dem Ziel der Aufdeckung von Vollzugsdefiziten ausgedehnt würde. 190
Vgl. Fischer-Appelt, Agenturen, S. 58. KOM (96) 223 endg.; dazu Chambers, Veterinary Inspection, in: Kreher, EC Agencies, S. 131 ff. 192 Mögele, ZLR 1998, S. 177 ff., 186. Kritisch zu der Idee einer europäischen „Superlebensmittelbehörde" nach dem Vorbild der amerikanischen „Food and Drug Administration" auch Streinz, ZLR 1998, S. 1, 13 f. 191
13*
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
akzeptiert sie die Vorgabe des EuGH i m Meroni-Urteil, daß sich die Delegation von Befugnissen nur auf die Vorbereitung oder Durchführung von Beschlüssen beziehen dürfe. - Außerdem bleibe bei der Einrichtung eines Kommissionsbüros die Verantwortung gegenüber den anderen Gemeinschaftsorganen und den Verbrauchern bei der Kommission - ein weiterer Grundsatz der Meroni-Rechtsprechung. - Ein ausreichendes Maß an Unabhängigkeit der für die Kontrolle der Lebensmittelsicherheit zuständigen Stellen zur Gewährleistung ihrer Unparteilichkeit und Objektivität könne auch erreicht werden, wenn die Zuständigkeit für die Kontrolle der Lebensmittelsicherheit bei den Kommissionsstellen verbleibe. Die nötige Distanz zwischen den Kommissionsdienststellen und den zu kontrollierenden einzelstaatlichen Behörden lasse sich besser durch ein Kommissionsbüro als durch eine Agentur erreichen. 1 9 3 In dem kürzlich durch die Kommission veröffentlichten Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit 1 9 4 wurde die Einrichtung einer unabhängigen Europäischen Lebensmittelbehörde mit eigener Rechtspersönlichkeit vorgeschlagen. 195 Sie soll i m Bereich der Risikobewertung und der Risikokommunikation tätig werden. 1 9 6 Risikomanagementfunktionen, also Rechtsetzungs- und Überwachungsaufgaben soll diese Behörde allerdings gerade nicht erhalten. Eine Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen an eine unabhängige Behörde könnte nach Ansicht der Kommission zu einer ungerechtfertigten Verwässerung der demokratischen Verantwortung führen. Auch die Überwachungsfunktion müsse bei der Kommission verbleiben, wenn diese die ihr in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten wahrnehmen solle. 1 9 7 M i t dieser Begründung wird wiederum der bereits in den Meroni-Urteilen eingeführte Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts angesprochen: Die Überwachung der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts ist eine genuine Aufgabe der Kommission. Die Übertragung dieser Befugnisse auf eine andere Organisationseinheit würde das institutionelle Gleichgewicht stören. I m Weißbuch wird da193 Mitteilung der Kommission über die Lebensmittel-, Veterinär- und Pflanzenschutzüberwachung v. 28. 1. 1998, KOM (1998) 32 endg., S. 3. Wieso eine Agentur in geringerer Distanz zu den zu Kontrollierenden operieren würde als ein Kommissionsbüro, erscheint auf den ersten Blick nicht ganz einsichtig. Möglicherweise wird auf das in der amerikanischen agency-Theorie diskutierte Phänomen der „agency capture" (Ausnutzung der Agenturen durch die betroffenen Interessen) angespielt. Allgemein dazu Fischer-Appelt, Agenturen, S. 407 ff.
iw KOM (1999) 719 endg. vom 12. 1. 1999. 195 Weißbuch Lebensmittelsicherheit, a. a. O. (Fn. 194), S. 17 ff. 196 Eine erste Umsetzung haben die im Weißbuch enthaltenen Grundsätze in dem Kommissionsvorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Erfordernisse des Lebensmittelrechts, zur Einrichtung der Europäischen Lebensmittelbehörde und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit v. 8. 11. 2000 gefunden, dort Artt. 22 ff., COM (2000) 716 endg., zu finden unter http://europa.eu.int/eur-lex/de/com/pdf/2000/de_500PC0716.pdf . (1. 7. 2001).
Weißbuch Lebensmittelsicherheit, a. a. O. (Fn. 194), S. 17 f., insbes. Rn. 33.
Β. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung
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her ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Inspektionsaufgaben weiterhin durch das Lebensmittel- und Veterinäramt wahrgenommen werden sollen. Dabei soll der Ansatz der Systemkontrollen in der Form der „second line c o n t r o l " 1 9 8 beibehalten werden. 1 9 9 Gerade bei der Beschränkung auf die Kontrolle der Kontrolle räumt die Sichtweise der Kommission dem Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts nach dem oben Gesagten ein zu starkes Gewicht ein. Die Durchführung von Inspektionen bei den mitgliedstaatlichen Verwaltungen bildet nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Bereich der Vollzugskontrolle. Die Zuweisung lediglich punktueller Kontrollaufgaben an eine verselbständigte Verwaltungseinheit wie die Europäische Lebensmittelbehörde dürfte nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung durch den EGV ändern. 2 0 0 Die Globalverantwortung der Kommission, über die Einhaltung des Gemeinschaftsrecht zu wachen, die sich vor allem in der Kompetenz zur Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren bei Verstößen manifestiert, bliebe auch erhalten, wenn die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungstätigkeiten durch eine andere Stelle durchgeführt würden. Uberzeugender erscheint auch hier das Argument der Funktionentrennung: Die mit eher informellen Mitteln zu erfüllenden Aufgaben der Risikobewertung und der Risikokommunikation sollten nicht mit den Uberwachungsfunktionen vermischt werden. (3) Fazit Gegenstand dieses Abschnitts war die Frage nach der Zulässigkeit der bzw. den Maßstäben für eine Betrauung verselbständigter Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts mit Inspektionsaufgaben. Unselbständige Untergliederungen innerhalb der Kommission ohne eigene Rechtspersönlichkeit fallen nach Art. 162 EGV unter die Geschäftsordnungsautonomie der Kommission. Gewisse Schwierigkeiten mit Blick auf das Gebot demokratischer Legitimation wirft die Gewährung von Weisungsfreiheit an den Direktor eines Amtes wie O L A F auf, dessen Bedienstete Inspektionen auch unmittelbar bei den Wirtschaftsteilnehmern durchführen dürfen. Die Kontrolle der Tätigkeit des Amtes über einen Überwachungsausschuß und die Möglichkeit, gegen die Eingriffsakte, die mit der Durchführung von Inspektionen verbunden sind, vor dem EuGH Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, stellen aber nach der hier vertretenen Ansicht eine ausreichende Kompensation dar. 198 Dazu näher oben Kap. 1 B. Ill.l.b). 199 Dies wird im Weißbuch Lebensmittelsicherheit, a. a. Ο. (Fn. 194), S. 37, Rn. 89 folgendermaßen formuliert: „Um die Wirksamkeit dieser (von den Mitgliedstaaten zu schaffenden Kontrollsysteme) sicherzustellen, führt die Kommission mit Hilfe des Lebensmittel- und Veterinäramts ein Kontroll- und Inspektionsprogramm durch. Bei diesen Inspektionen wird die Leistung der einzelstaatlichen Behörden anhand ihrer Fähigkeit bewertet, wirksame Kontrollsysteme anzubieten und zu betreiben. Dies wird durch Besuche in den einzelnen Betrieben unterstützt, bei denen überprüft wird, ob tatsächlich akzeptable Standards eingehalten werden." 200
So im Ergebnis auch Fischer-Appelt,
Agenturen, S. 120 u. 441.
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Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
Sowohl für die Errichtung selbständiger Agenturen als auch für die Zuweisung von Inspektionsaufgaben an diese Agenturen kommt es zunächst darauf an, daß die Voraussetzungen einer einschlägigen Ermächtigungsgrundlage i m EGV erfüllt sind. Das wird in der Regel Art. 308 EGV mit seinem Kriterium der Erforderlichkeit zur Zielverwirklichung des Gemeinsamen Marktes sein. Daneben verlangt der Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts, daß die der Kommission nach Art. 211 EGV übertragene Aufgabe, für die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts zu sorgen, i m Kern bei ihr verbleibt. Die Durchführung von Inspektionen ist zwar Überwachungstätigkeit. Sie stellt aber nur einen Ausschnitt aus dem gesamten Überwachungsinstrumentarium dar, das der Kommission zur Verfügung steht. Die Übertragung lediglich punktueller Zuständigkeiten, wie es die Durchführung von Inspektionen (sei es bei den Wirtschaftsteilnehmern, sei es bei den mitgliedstaatlichen Verwaltungen) wäre, stört damit nicht das institutionelle Gleichgewicht. Von daher spräche nichts dagegen, der Umweltagentur, einer künftigen Lebensmittelbehörde oder auch sonstigen Agenturen Inspektionsbefugnisse zuzuweisen. Ob es sinnvoll ist, einer Agentur, die ansonsten eher Aufgaben der Informationssammlung und der Einbindung der mitgliedstaatlichen Verwaltungen in informelle Informationsnetze wahrnimmt, auch Inspektionsbefugnisse zuzuweisen, ist eine eher politische Frage. Nach hier vertretener Ansicht ist die Koppelung von Kontroll- und Überwachungsfunktionen mit „weichen" Mechanismen der informellen Kommunikation und Kooperation nicht günstig. In jedem Fall müßten in die Gründungs Verordnungen von Agenturen, die Inspektionen bei Unionsbürgern durchführen, klare Rechtsschutzregelungen eingeführt werden, die über die üblichen Haftungsregeln hinausgehen.
C. Art. 10 EGV als Grundlage für Inspektionen Art. 10 EGV ist der primärrechtliche Anknüpfungspunkt für einen umfassenden Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit oder Gemeinschaftstreue. 201 Der gesamte Themenkreis der Verwaltungszusammenarbeit in der EG wird maßgeblich von Art. 10 EGV bestimmt. Er bietet den Hintergrund, vor dem sämtliche Mechanismen horizontaler und vertikaler Kooperation zu betrachten sind und wird daher auch im dritten Kapitel (Interadministrativbeziehungen) und im vierten Kapitel (Rechtsbeziehungen zum Wirtschaftsteilnehmer) immer wieder in die Analyse einfließen. 2 0 2 A n dieser Stelle soll es nur um die Frage gehen, ob Art. 10 EGV eine geeignete Grundlage für die Begründung von Inspektionsrechten und -pflichten sein kann, wobei vorab darauf hinzuweisen ist, daß Art. 10 EGV keine kompetenz201 Zur Begrifflichkeit und dogmatischen Einordnung Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/ EGV, Art. 10, Rn. 1 ff., 6; umfassend zur Gemeinschaftstreue als allgemeinem Rechtsprinzip im Recht der EG Lück, Gemeinschaftstreue, 1992. 2 2 0 Nach Schmidt-Aßmann, EuR 1996, S. 270, 294 bietet Art. 10 EGV „eine hinreichend breite Basis für ein umfassendes Rechtsregime der Verwaltungszusammenarbeit".
C. Art. 10 EGV als Grundlage für Inspektionen
199
begründende Wirkung hat. Die Vorschrift bildet keine selbständige Grundlage für Rechtsetzungsakte der Gemeinschaftsorgane. 203 Der Gerichtshof zieht Artikel 10 EGV allerdings regelmäßig für Ableitungen allgemeiner Art heran, die über den Vollzug i m konkreten Einzelfall hinausgehen und auf die daher schon an dieser Stelle eingegangen werden soll. Anknüpfungspunkt ist die aus Art. 10 EGV folgende Pflicht zum effektiven Vollzug des Gemeinschaftsrechts. 204 Aus Art. 10 EGV können sich (ggf. in Verbindungen mit Vorschriften des Sekundärrechts) Kontroll- und Inspektionspflichten der nationalen Verwaltungen ergeben (unter I.). Daneben sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, auch durch geeignete Sanktionen den Vollzug des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen (siehe dazu den Exkurs unter II.). Allerdings ist Art. 10 EGV keine unmittelbare Grundlage für Kommissionsinspektionen: Die Kommission darf sich nicht direkt und ausschließlich auf Art. 10 EGV stützen, wenn sie bei Wirtschaftsteilnehmern oder Verwaltungsstellen der Mitgliedstaaten Inspektionen durchführen w i l l (unter III.).
I. Loyale Zusammenarbeit und Inspektionspflichten der Mitgliedstaaten Nach Art. 10 Abs. 1 S. 1 EGV treffen die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art, um die Verpflichtungen zu erfüllen, die sich aus dem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Die beiden wichtigsten Grundsätze, die der EuGH aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit für den indirekten Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten entwickelt hat, sind der Effektivitätsgrundsatz und das Aquivalenzprinzip. 2 0 5 Die Mitgliedstaaten müssen generell die einheitliche Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts sicherstellen. Sie dürfen die Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts weder praktisch unmöglich machen noch wesentlich erschweren (Effektivitätsgrundsatz). 206 Darüber hinaus müssen nationale Vorschriften auf ge203 Art. 10 EGV ermächtigt grundsätzlich auch nicht zum Erlaß bindender Entscheidungen gegenüber den Mitgliedstaaten. Temple Lang, in: Gormley (Hrsg.), Current and Future Perspectives on EC Competition Law, 1998, S. 41, 46. 204 Dazu nur Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 10, Rn. 23; Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 10, Rn. 13 ff. Zum engen Zusammenhang zwischen Gemeinschaftstreuepflicht und Effektivitätsprinzip beim Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten vgl. A. Berg, European Fisheries Law, S. 63 ff., insbes. S. 65. 205 Vgl. allgemein nur Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 10, Rn. 13 ff.; Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 10, Rn. 23 ff.; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschafts verwaltungsrecht, S. 51 ff. Auf diese allgemeinen Grundsätze wird in den beiden folgenden Kapiteln zurückzukommen sein, wenn es um den Vollzug im Einzelfall geht. 206 Ständige Rechtsprechung des EuGH, grundlegend ζ. B. EuGH, Rs. 39/70 (Fleischkontor), Slg. 1971, 49; Rs. 33/76 (Rewe), Slg. 1976, 1989; EuGH, Rs. 205-215/82 (Deutsche Milchkontor), Slg. 1983, 2633, 2666; aus der neueren Rechtsprechung vgl. nur EuGH, Rs. C5/89 (Kommission/Deutschland), Slg. 1990,1-3453.
200
Kap. 2: Primärrechtliche Grundlagen und Grenzen
meinschaftsrechtlich geregelte Sachverhalte in gleicher Weise angewendet werden wie in gleich gelagerten innerstaatlichen Fällen (Aquivalenzgrundsatz bzw. Diskriminierungsverbot). 2 0 7 Die Verpflichtung zum effektiven Vollzug des Gemeinschaftsrechts kann die Pflicht der nationalen Behörden begründen, die Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften durch geeignete Kontrollen zu überprüfen. Bei ihren Kontrollmaßnahmen für die Durchführung der Gemeinschaftsregeln müssen die Mitgliedstaaten mit der gleichen Sorgfalt vorgehen, die sie auch bei der Durchführung entsprechender nationaler Rechtsvorschriften anwenden. 2 0 8 Zusätzlich zu diesen allgemeinen Vorgaben für den mitgliedstaatlichen Vollzug stellt Art. 10 EGV auch Anforderungen an die Qualität der von den Mitgliedstaaten einzurichtenden Kontrollsysteme. Herausragendes Referenzgebiet für die Ausgestaltung von Kontroll- und Inspektionspflichten der Mitgliedstaaten auf der Basis des Art. 10 EGV ist das gemeinschaftliche Agrarrecht. Die einschlägigen Urteile, in denen den Mitgliedstaaten unzulängliche Kontrollregelungen oder Kontrollaktivitäten vorgeworfen werden, betreffen meist den Bereich der Agrarfinanzierung. Es geht um die Anlastungsentscheidungen der Kommission im Rahmen des Rechnungsabschlußverfahrens. 209 Ein von der Kommission häufig angeführter Grund für die Ablehnung von Erstattungszahlungen sind unzulängliche Kontrollsysteme in den Mitgliedstaaten. Da es in diesen Fällen um erhebliche Summen geht, die i m Falle von Unregelmäßigkeiten von der Gemeinschaft nicht erstattet werden, werden diese Rechnungsabschlußentscheidungen der Kommission regelmäßig vor dem EuGH angefochten. Häufig geht es in den Urteilen eher um Fragen tatsächlicher Art. Der Mitgliedstaat meint, er habe alle gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Kontrollen durchgeführt, die Kommission ist anderer Ansicht. In einigen Fällen hat der Gerichtshof aber auch die Gelegenheit gehabt, zu den grundlegenden Anforderungen Stellung zu nehmen, die Art. 10 EGV an die Kontrollaktivitäten der Mitgliedstaaten stellt. Wie oben gesehen, 2 1 0 sind die Inspektionsvorschriften teilweise wenig konkret: In vielen Fällen wird den Mitgliedstaaten pauschal aufgegeben, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Einhaltung bestimmter Vorschriften sicherzustell e n . 2 1 1 I m Recht der Agrarfinanzierung erlegt Art. 8 der Verordnung Nr. 1258/ 207 Ständige Rechtsprechung des EuGH, grundlegend ζ. B. EuGH, Rs. 54/81 (Fromme), Slg. 1982, 1449; EuGH, Rs. 205-215/82 (Deutsche Milchkontor), Slg. 1983, 2633; EuGH, Rs. 68/88 (Kommission/Griechenland), Slg. 1989, 2965; dazu Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 63 ff. 2 32 EuGH, Rs. 35/76 (Simmenthai), Slg. 1976, 1871 ff. 1 33 EuGH, Rs. 190/87 (Moormann), Slg. 1988, 4714 ff. »34 EuGH, Rs. C-426/92 (Deutsches Milchkontor), Slg. 1994,1-2770 ff. '35 EuGH, Rs. 35/76 (Simmenthai), Slg. 1976, 1871, Rn. 34/36; EuGH, Rs. 190/87 (Moormann), Slg. 1988, 4714, Rn. 12; EuGH, Rs. C-426/92 (Deutsches Milch-Kontor), Slg. 1994,1-2770, Rn. 18-22. •36 EuGH, Rs. 35/76 (Simmenthai), Slg. 1976, 1871, Rn. 37/40; EuGH, Rs. 190/87 (Moormann), Slg. 1988, 4714, Rn. 13. 137 EuGH, Rs. C-426/92 (Deutsches Milch-Kontor), Slg. 1994,1-2770, Rn. 39.
Β. Kooperation im Horizontal Verhältnis
261
Tafelwein": 1 3 8 Gegenstand dieses Vertragsverletzungsverfahrens gegen Frankreich waren in den Jahren 1982 und 1983 aufgetretene Schwierigkeiten bei der Einfuhr von unabgefiilltem Tafelwein aus Italien nach Frankreich. Die Kommission warf Frankreich u. a. vor, daß seine Zollbehörden die Zollabfertigung von italienischem Tafelwein erheblich verzögert hätten. Die Zollabfertigung wurde von einer systematischen chemischen Analyse der Weinlieferungen abhängig gemacht. Aufgrund dieser Praktiken wurden bedeutende Mengen italienischen Tafelweins, bisweilen mehr als eine M i l l i o n Hektoliter, mehrere Wochen oder sogar Monate lang bei verschiedenen Grenzkontrollstellen in Frankreich festgehalten. Italien war der Ansicht, daß diese Praktiken die Einfuhren von unabgefülltem Tafelwein aus Italien behindern und mengenmäßig beschränken sollten, da die eingeführten Mengen von den französischen Behörden als im Verhältnis zu den Bedürfnissen des Marktes zu hoch angesehen worden seien. 1 3 9 Die französische Regierung bestritt dies. Sie trug vor, diese Handlungen hätten der Einhaltung der weinrechtlichen Vorschriften der Gemeinschaft und dem Schutz der Verbraucher sowie der Gesundheit und des Lebens von Menschen vor betrügerischen Handlungen und verbotenen und gesundheitsschädigenden Praktiken gedient. 1 4 0 Der EuGH ließ gelten, daß Probenahmen und Analysen ein geeignetes Mittel zur Abwendung von Gesundheitsgefahren sein könnten. Außerdem erlege das Gemeinschaftsrecht selbst den nationalen Behörden die Verpflichtung auf, die Einhaltung der Gemeinschaftsregelung zu gewährleisten. Die vorgenommenen Kontrollen müßten jedoch zur Erreichung der genannten Ziele erforderlich sein und dürften keine Hindernisse für die Einfuhr schaffen, die zu diesen Zielen außer Verhältnis stünden. Daran fehlte es i m konkreten Fall: „Die Häufigkeit dieser Analysen überstieg deutlich diejenige der gelegentlichen Kontrollen, die an Transporten von französischem Wein im Innern des Landes vorgenommen werden. Unstreitig nehmen auch die italienischen Behörden Kontrollen vor, um sowohl die Ubereinstimmung der in Italien erzeugten Weine mit dem Gemeinschaftsrecht als auch den Schutz der Verbraucher, der Gesundheit und des Lebens von Menschen sicherzustellen. Die französischen Behörden waren verpflichtet, der Existenz dieser Kontrollen im Ursprungsland des Weines Rechnung zu tragen. Fälschungen oder Ordnungswidrigkeiten, die vor dem entscheidungserheblichen Zeitraum in Einzelfällen festgestellt wurden, können keinesfalls einen allgemeinen Verdacht gegenüber allen Einfuhren von italienischen Weinen rechtfertigen und systematische Analysen erlauben, während es für französischen Wein kein entsprechendes Verfahren gibt. Die französischen Behörden waren demnach nicht berechtigt, systematische Kontrollen im Wege der Analyse vorzunehmen, und mußten sich, sofern kein durch konkrete Anhaltspunkte in Einzelfällen begründeter Verdacht vorlag, auf Stichprobenkontrollen beschränken." 141 138 Rs. 42/82 (Kommission/Frankreich), Slg. 1983, 1013 ff. Die in dieser Rechtssache entwickelte Argumentation wurde in der Rs. C-105/94 (Celestini), Slg. 1997,1-3001 ff. aufgenommen und bestätigt. 139 EuGH a. a. O., Rn. 1,2. 140 EuGH a. a. O., Rn. 3.
262
Kap. 3: Interadministrative Rechtsbeziehungen
Einen weiteren Verstoß sah der EuGH darin, daß der italienische Wein während der Dauer der Analysen in den Kontrollstellen festgehalten wurde: „Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß wenn von französischen Weinen Proben zu Analysezwecken entnommen wird, dies nicht automatisch dazu führt, daß der fragliche Wein festgehalten wird, bis die Ergebnisse der Analysen bekannt sind, denn die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Führung von Ein- und Ausgangsbüchern und über die Begleitpapiere ermöglichen normalerweise die Wiederauffindung und Identifizierung eines Weintransports, sobald die Analyseergebnisse bekannt sind. Im Fall von Analysen durch Stichproben an Transporten von eingeführtem Wein stellt die Tatsache, daß der betreffende Weintransport an der Grenze festgehalten wird, bis die Ergebnisse der Analysen bekannt sind, eine unverhältnismäßige und diskriminierende Behinderung der Einfuhr dar, da derartige Analysen einen erheblichen, über einige Tage hinausgehenden Zeitraum in Anspruch nehmen und die Möglichkeit besteht, einen Weintransport wiederaufzufinden und zu identifizieren." 142 Der EuGH sah also in zwei Verhaltensweisen der französischen Behörden eine diskriminierende Behandlung: Zum einen wurde der italienische Wein systematisch, der französische hingegen nur stichprobenartig untersucht. Außerdem wurde der italienische Wein für die Dauer der Untersuchung in den Kontrollstellen festgehalten, der französische nicht. Seit der Einführung des Binnenmarktes und der damit einhergehenden Abschaffung der Warenkontrollen an den Grenzen hat die dargestellte Rechtsprechung des EuGH zur Herstellung der Warenverkehrsfreiheit einiges an Bedeutung verloren. Dennoch sind die entsprechenden Fallkonstellationen auch noch nach der Abschaffung der Grenzkontrollen vorstellbar: Wenn ein Mitgliedstaat seine Kontrollen i m Landesinnern besonders auf Produkte aus anderen Mitgliedstaaten konzentriert oder an für andere Mitgliedstaaten bestimmten Waren besonders genaue Kontrollen durchführt, liegt ein so enger Zusammenhang mit dem Ein- oder Ausfuhrvorgang vor, daß eine Maßnahme gleicher Wirkung zu bejahen ist. Ein Einfuhrbezug ist damit auch bei solchen Maßnahmen der Mitgliedstaaten gegeben, die nicht an der Grenze selbst, sondern i m Inland erfolgen, sofern diese Maßnahmen gezielt importierte Waren betreffen. 1 4 3
141 EuGH a. a. O., Rn. 54 ff. Ebenso EuGH, Rs. C-105/94 (Celestini), Slg. 1997,1-3001, 3013 f., Rn. 37:... " daß die Art. 30 und 36 des Vertrages [jetzt Art. 28 und 30] so auszulegen sind, daß sie einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, in einem anderen Mitgliedstaat erzeugten Wein einer geeigneten Kontrolle zu unterziehen, um seine Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften zu prüfen, auch wenn der Wein von vorschriftsmäßigen Analysezertifikaten begleitet wird, die von im Ursprungsmitgliedstaat ordnungsgemäß zugelassenen Forschungsinstituten ausgestellt wurden, sofern diese Kontrollen in nichtdiskriminierender Weise angewendet werden, dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird und insbesondere die bereits im Ursprungsmitgliedstaat durchgeführten Kontrollen berücksichtigt werden. 142 EuGH, a. a. O., Rn. 61 f. (Hervorhebung d. Verf.). 143 Becker, in: Schwarze, EU-Kommenter, Art. 28, Rn. 51 f.
Β. Kooperation im Horizontal Verhältnis
263
Unabhängig vom Ein- oder Ausfuhrvorgang wirkt auch das allgemeine Diskriminierungsverbot als ein an die Mitgliedstaaten gerichtetes Verbot, beim Vollzug harmonisierter InspektionsVorschriften zwischen in- und ausländischen Produkten zu differenzieren. Das Diskriminierungsverbot ist ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, das vor allem in der Rechtsprechung des EuGH entwickelt worden ist. Grundsätzlich liegt eine Diskriminierung dann vor, wenn vergleichbare Sachverhalte in unterschiedlicher Weise behandelt werden, ohne daß dieser Unterschied in der Behandlung durch das Vorliegen objektiver Unterschiede von einigem Gewicht gerechtfertigt i s t . 1 4 4 Findet i m Versandstaat eine Kontrolle statt, die hinsichtlich des Untersuchungsprogramms einem sekundärrechtlich festgelegten Kontrollumfang entspricht, sind verstärkte Kontrollen des Einfuhrstaats nicht mehr objektiv gerechtfertigt. In dem Verbot diskriminierender und/oder systematischer Kontrollen an Produkten aus anderen Mitgliedstaaten manifestiert sich die gemeinsame Verantwortung der Mitgliedstaaten für Gesundheits- und Verbraucherschutz i m Binnenmarkt. Für die Fragestellung der Kontrollstandards erweist sich das Diskriminierungsverbot als ein Unterlassungsgebot. Die Mitgliedstaaten müssen sich auf die Zuverlässigkeit der in den anderen Mitgliedstaaten durchgeführten Untersuchungen verlassen und haben auf Doppelkontrollen zu verzichten. Die Kontroll- und Analyseergebnisse vorangegangener Untersuchungen in anderen Mitgliedstaaten haben sie soweit als möglich zu akzeptieren. Ein erster „negativer Kooperationsstandard", dem die Kontrolltätigkeiten der Mitgliedstaaten genügen müssen, ist damit das Gebot der Anerkennung der Kontrollen der anderen Mitgliedstaaten. 1 4 5 Es ist gekoppelt mit einem Verbot systematischer und/oder diskriminierender Kontrollen von aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Waren. Ein Beispiel für die Umsetzung dieser Grundsätze durch den Gemeinschaftsgesetzgeber bieten die im ersten Teil untersuchten Veterinärkontrollrichtlinien mit ihrer ausdrücklichen Beschränkung auf Stichproben im Bestimmungsland und dem System der Grenzkontrollstellen an den Außengrenzen, die bei Einfuhren aus Drittländern stellvertretend für alle Mitgliedstaaten die erforderlichen Kontrollen durchführen. 1 4 6 Hier manifestiert sich in
144 Vgl. umfassend und mit detaillierter Rechtsprechungsanalyse Tridimas, General Principles, S. 40 ff. 145 Diese Pflicht fügt sich in den allgemeineren Rahmen des Anerkennungsprinzips ein, dessen Anwendung im Rahmen der bereits oben erwähnten „neuen Strategie" darauf gerichtet ist, trotz des Verzichts auf vollständige Harmonisierung der einschlägigen materiellen Rechtsvorschriften in vielen Bereichen des Wirtschaftsrechts einen Zustand zu erreichen, der dem Binnenmarktziel dienlich ist; vgl. näher Beyer, EWS 1999, S. 12 ff.; Götz, in: Liber amicorum Jaenicke, S. 763, 770; Steindorff, in: FS Werner Lorenz, S. 561 ff. Anklänge daran auch in der bereits zitierten EuGH-Entscheidung zur Rs. C- 105/95 (Celestini), Slg. 1997,13001, Rn. 34: Danach verlangt der „Geist der gegenseitigen Zusammenarbeit und Unterstützung", der in der Verordnung Nr. 2048/89 (Weinkontrollverordnung a.F.) zum Ausdruck kommt, daß der Einfuhrmitgliedstaat die vom Mitgliedstaat der Erzeugung des Weines ausgestellten Analysezertifikate anerkennt. 146
Für Details siehe oben Kap. 1 A.III.2.
264
Kap. 3: Interadministrative Rechtsbeziehungen
besonderer Weise die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Sicherheit auch solcher Produkte, die nicht im eigenen Land verkauft werden.
2. Gebot loyaler Zusammenarbeit und Effektivität
s Grundsatz
Unter dem Blickwinkel der gerade angesprochenen gemeinsamen Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Verwaltung des Binnenmarktes kann es aber nicht allein bei der Unterlassung diskriminierender Kontrolltätigkeiten bleiben. Positiv gewendet verlangt die Durchsetzung des Anerkennungsprinzips auch die Entwicklung konkreter positiver Standards für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander. Die bei der Durchsicht der Referenzgbiete ermittelten horizontalen Informationsaustausch- und Amtshilfevorschriften sind eine logische Folge der im Zuge der Errichtung des Binnenmarktes vorgenommenen Aufteilung der Uberwachungszuständigkeiten. I m Sinne einer vertrauensvollen und effektiven Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Verwaltung des Binnenmarktes können aus Art. 10 EGV in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz weitere Pflichten abgeleitet werden: Das können beispielsweise Mitteilungs- und Begründungspflichten sein, auch wenn diese im Einzelfall in dem jeweiligen Rechtsakt nicht ausdrücklich vorgeschrieben i s t . 1 4 7 So folgt aus Art. 10 EGV eine Pflicht der Mitgliedstaaten sich gegenseitig über Änderungen in den jeweiligen Kontrollpraktiken zu informieren: In dem gerade angesprochenen Tafelweinfall war den französischen Behörden zusätzlich zu der diskriminierenden Behandlung der Einfuhren aus Italien vorgeworfen worden, sie hätten nach jahrelanger von den französischen und den italienischen Behörden gleichermaßen praktizierter Duldung nicht ordnungsgemäß ausgefüllter Transportdokumente diese Praxis plötzlich und ohne vorherige Ankündigung geändert. Hier hat der EuGH entschieden, daß die betroffenen Behörden des Herkunftsstaats von einer Änderung der Kontrollpraxis in Kenntnis gesetzt werden müssen. Damit soll es ihnen möglich gemacht werden, sich auf die neue Vorgehensweise vorzubereiten und ihr bei der Ausstellung der Dokumente Rechnung zu tragen. 1 4 8 Durch die
147 Dabei erfolgt in der vorliegenden Untersuchung eine Beschränkung auf Einzelregelungen und -ableitungen, die in Art. 10 EGV wurzeln. Der EuGH leitet aus Art. 10 EGV auch eine für die Mitgliedstaaten wie für die Organe der Gemeinschaft geltende allgemeine Amtshilfepflicht ab. Diese allgemeine Amtshilfepflicht verfügt allerdings einstweilen nicht über präzise Konturen und Maßstäbe (vgl. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 199 und Meier, EuR 1982, S. 154). Die Entwicklung solcher Konturen und Maßstäbe für eine allgemeine Amtshilfepflicht kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Die hier analysierten Einzelregelungen und -ableitungen aus Art. 10 EGV gehen im Detail allerdings weit über das hinaus, was als allgemeine Amtshilfepflicht zu erbringen wäre. "48 EuGH, Rs. 42/82 (Kommission/Frankreich), Slg. 1983, 1013, Rn. 36. Ferner hätte im vorliegenden Fall das in Art. 8 der Verordnung Nr. 359/79 vorgesehene Verfahren angewandt werden müssen, wonach die Vertreter der Mitgliedstaaten regelmäßig im Rahmen des Verwaltungsausschusses für Wein zusammentreten, um die bei der Anwendung dieser Verord-
Β. Kooperation im Horizontal Verhältnis
265
plötzliche Kontrollpraxisänderung haben die französischen Behörden damit gegen den Grundsatz zur loyalen Zusammenarbeit verstoßen. Neben Informations- und Mitteilungspflichten ergeben sich aus Art. 10 EGV für das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten bestimmte Begründungspflichten: Die Gemeinschaftstreuepflicht fordert eine Begründung jedes Ersuchens um Informationen oder Unterstützung bei der Durchführung von Inspektionen im Einzelfall. Das gilt unabhängig davon, ob ein Begründungserfordernis ausdrücklich in den jeweiligen Rechtsakten enthalten i s t 1 4 9 oder n i c h t . 1 5 0 Nur so kann der ersuchte Mitgliedstaat beurteilen, was genau an Amtshilfeleistung von ihm erwartet wird und deren Notwendigkeit nachvollziehen. Umgekehrt ist auch jede Verweigerung einer Hilfeleistung zu begründen, wie das zum Teil auch sekundärrechtlich vorgesehen i s t . 1 5 1 Teilweise wird zusätzlich vorgeschrieben, daß die Kommission über jede Amtshilfeverweigerung und die geltend gemachten Gründe so rasch wie möglich zu unterrichten i s t . 1 5 2 Allerdings wird man diese Verpflichtung unter Berufung auf Art. 10 EGV nicht auf alle Fälle horizontaler Amtshilfe ausdehnen können. Begründungserfordernise und Mitteilung an die Kommission erfüllen die Funktion, die mitgliedstaatlichen Verwaltungsstellen davon abzuhalten, die Verweigerung ihrer Unterstützung über die erlaubten seltenen Ausnahmen hinaus auszudehnen.
nung auftretenden Probleme sowie alle übrigen Fragen im Zusammenhang mit der einheitlichen Überwachung der Gemeinschaftsvorschriften auf dem Weinsektor zu erörtern. Denn Zweck dieses Verfahrens ist es, die Schwierigkeiten zu verhindern, die sich aus einseitigen Maßnahmen oder aus einer uneinheitlichen Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften und den daraus folgenden Behinderungen des freien Warenverkehrs ergeben können (EuGH, a. a. O., Rn. 37). 149 Art. 2 Abs. 2 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung n.F.): „Auf begründeten Antrag der ersuchenden Stelle führt die ersuchte Stelle eine besondere Überwachung oder Kontrollen durch"; Art. 34a Abs. 2 Verordnung Nr. 2847/93 i.d.F. der Verordnung Nr. 686/97 (Fischereikontrollverordnung): „Der fragliche Mitgliedstaat kann die übrigen betroffenen Mitgliedstaaten unter Angabe der spezifischen Gründe hierfür ersuchen, besondere Kontrollen durchzuführen"; Art. 6 Abs. 4 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung): „Nach Erhalt eines begründeten Ersuchens ..."; Art. 4 Abs. 1 Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung): „Auf mit einer Begründung versehenen Antrag der ersuchenden Behörde ...", in den beiden folgenden Artikeln (Bekanntgabe von Vorschriften, verstärkte Überwachung) heißt es nur „auf Antrag". Auch dort ist aber kaum vorstellbar, daß keine Begründung erforderlich sein sollte. 150 Die Amtshilfevorschriften der EG-Amtshilfeverordnung Nr. 515/97 enthalten keine Begründungserfordernisse bei den Ersuchen, die die mitgliedstaatlichen Behörden untereinander stellen; es heißt jeweils nur „auf Antrag der ersuchenden Behörde" (Art. 4 ff.). Dennoch gilt das Begründungserfordernis wohl auch im Horizontal Verhältnis (im Vertikal Verhältnis heißt es „auf begründeten Antrag der Kommission", beispielsweise wenn sie die Mitgliedstaaten zu zusätzlichen Kontrollen auffordert - vgl. ζ. B. Art. 18). 151 So ζ. B. Art. 13 Abs. 2 Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung) oder Art. 48 Abs. 2 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung): Jede Verweigerung der Unterstützung ist zu begründen. 152 ζ . B. Art. 48 Abs. 2 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfe Verordnung).
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Kap. 3: Interadministrative Rechtsbeziehungen
Aus Art. 10 E G V in Verbindung mit dem Effektivitätsprinzip folgen zusätzlich bestimmte Standards bei der Erbringung der Amtshilfeleistungen: Erbetene Dokumente oder Informationen sind ohne unbillige Verzögerung zu übermitteln. 1 5 3 Entsprechendes gilt für die Durchführung von Inspektionen auf Ersuchen. Insgesamt hat sich als allgemeiner Standard ein prozedurales Äquivalenzprinzip 154 herausgebildet: Die ersuchte Stelle hat zur Beschaffung der verlangten Auskünfte oder bei der Durchführung der verlangten Untersuchungen so zu handeln, als ob sie in Erfüllung eigener Aufgaben oder auf Ersuchen einer anderen Behörde ihres Landes handeln würde. Dieses prozedurale Aquivalenzprinzip hat in so vielen der untersuchten Rechtsvorschriften ausdrückliche Aufnahme gefunden, 1 5 5 daß es inzwischen als allgemein gültiger Standard anzusehen ist und auch auf Bereiche übertragen werden kann, in denen es nicht explizit vorgesehen ist. Eine weitere sekundärrechtliche Ausgestaltung, die die Kooperationspflichten der Mitgliedstaaten gefunden haben, ist die teilweise vorgesehene Aufforderung an die Mitgliedstaaten, ihre Inspektionen und Inspektionsprogramme zu koordinieren. 156 Da es sich hierbei jedoch um Kann-Vorschriften handelt, die diese Zusammenarbeit lediglich ermöglichen, nicht aber zur Verpflichtung machen, dürften aus Art. 10 EGV (auch in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz) kaum sehr viel konkretere Vorgaben abzuleiten sein.
153 Beispiele für sekundärrechtliche Regelungen: Art. 6 Abs. 5 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung): „Die in Abs. 4 genannten Informationen und Dokumente sind ohne unbillige Verzögerung durch die Kontaktstelle oder ggf. direkt zu übermitteln". Entsprechendes gilt auch für Spontanmitteilungen ohne Ersuchen, vgl. Art. 15 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung): „Die zuständigen Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten erteilen den zuständigen Behörden der anderen in Betracht kommenden Mitgliedstaaten unverzüglich alle zweckdienlichen Auskünfte"; Art. 4 Verordnung Nr. 595 / 91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung): „Jeder Mitgliedstaat teilt den anderen in Betracht kommenden Mitgliedstaaten und der Kommission unverzüglich die festgestellten oder vermuteten Unregelmäßigkeiten ... mit"; Art. 8 Verordnung Nr. 2729 / 2000 (Weinkontrollverordnung n.E): „ . . . so unterrichtet sie über ihre Kontaktstelle hiervon unverzüglich die Kontaktstelle des betroffenen Mitgliedstaats"; Art. 34 a Abs. 2 Verordnung Nr. 2847/93 i.d.F.d. Verordnung Nr. 2846/98 (FischereikontrollVerordnung): „.... unverzüglich alle sachdienlichen Angaben". 154 Dazu auch Schmidt-Aßmann, EuR1996, S. 271, 297. 155 Vgl. nur Art. 4 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfe Verordnung), Art. 7 Abs. 3 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung n.F.) oder Art. 4 Abs. 2 Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung).
156 Z. B. Art. 34 b Abs. 2 Verordnung Nr. 2847/93 i.d.F. der Verordnung Nr. 2846/98 (FischereikontrollVerordnung): Die Mitgliedstaaten können auch untereinander auf eigene Initiative Programme zur Überwachung, Kontrolle und Beaufsichtigung der Fischereitätigkeiten durchführen.
Β. Kooperation im Horizontal Verhältnis
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II. Kooperationsbegrenzende Prinzipien im Horizontalverhältnis Das mit dem Anerkennungsprinzip verbundene Gebot der Unterlassung systematischer oder diskriminierender Uberprüfungen von Waren aus anderen Mitgliedstaaten sowie die aus den Grundsätzen der Gemeinschaftstreue abgeleiteten Informations-, Begründungs- und Aquivalenzgebote stellen in ihrer Gesamtschau wichtige Faktoren dar, die die horizontale Verwaltungszusammenarbeit in der EG förd e r n . 1 5 7 Der Kooperation sind allerdings auch Grenzen gesetzt: Begrenzend wirken vor allem die den Mitgliedstaaten verbliebene Souveränität (unter 1.) und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (unter 2).
7. Die Souveränität der Mitgliedstaaten als Grenze für grenzüberschreitende Inspektionen Während sich die horizontale Kooperation i m Rahmen der Kontrolltätigkeiten in den meisten Fällen auf gegenseitige Hilfeleistungen in Form von Inspektionen auf Ersuchen oder Informationsaustausch beschränkt, stellt sich für die Fälle der grenzüberschreitenden Inspektionen die Frage, inwieweit diese i m Einzelfall ihre Grenze in der Souveränität des anderen Mitgliedstaats finden können. Das bahnbrechend Neue an den grenzüberschreitenden Inspektionsmöglichkeiten wie sie ζ. B. i m Bankenaufsichtsrecht normiert sind, ist nicht die Möglichkeit als solche, auf fremdem Gebiet Ermittlungen durchzuführen. Gerade i m völkerrechtlichen Bankenaufsichtsrecht ist die Durchführung von Vorortkontrollen auch außerhalb des eigenen Territoriums nicht unbekannt. 1 5 8 Die Tätigkeiten sind aber an das vorherige Einverständnis des Staats, auf dessen Territorium die Kontrolle stattfinden soll, gebunden. 1 5 9 Nach den einschlägigen Bestimmungen i m EG-Bankenaufsichtsrecht ist demgegenüber nur eine vorherige Mitteilung erforderlich. Es würde Sinn und Zweck der Regelung widersprechen, läse man in dieses Mitteilungserfordernis eine Verpflichtung hinein, die geplante Inspektion i m Einzelfall nur dann durchzuführen, wenn der betreffende Mitgliedstaat daraufhin sein Einverständnis erteilt. Wohl verlangt die Rücksichtnahme auf den Mitgliedstaat, in dem die Inspektion stattfinden soll, aber eine Ankündigung, die nicht so kurzfristig erfolgt, daß sich der entsprechende Mitgliedstaat nicht mehr gebührend darauf einstellen kann. 157
Näher dazu im letzten Abschnitt unter Β. I. Dazu ausführlich Althaus, Amtshilfe und Vor-Ort-Kontrolle, S. 251 ff.; allgemein zur „Bankenregulierung im internationalen Mehrebenensystem" auch Lütz, Zeitschrift für internationale Beziehungen 1999, S. 9 ff. 159 Vgl. ζ. B. die schweizerische Umsetzung der Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht und der Offshore Supervisors Group, die im Juni 1996 bei der weltweiten Konferenz der Bankenaufsichtsbehörden (International Conference of Banking Supervisors ICBS) vorgestellt und verabschiedet worden sind: Ausländische Herkunftslandbehörden können Vor-Ort-Kontrollen in der Schweiz nur mit Zustimmung der Eidgenössischen Bankenkommission vornehmen; vgl. dazu Althaus, Amtshilfe und Vor-Ort-Kontrolle, S. 253 f. 158
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Kap. 3: Interadministrative Rechtsbeziehungen
Alle anderen untersuchten Vorschriften, nach denen die Anwesenheit von Inspektionsbediensteten anderer Mitgliedstaaten auf dem Territorium eines Mitgliedstaats erlaubt ist, setzen das Einverständnis des betroffenen Mitgliedstaats voraus: Das gilt zunächst für die Möglichkeit für die Bediensteten des ersuchenden Mitgliedstaats, an den Inspektionen, um die er einen anderen Mitgliedstaat ersucht hat, teilzunehmen. 1 6 0 Auch ihr Recht, in den Büros der um die Amtshilfe ersuchten Verwaltungsbehörden Auskünfte einzuholen und Unterlagen einzusehen, können sie nur i m Einvernehmen mit dem ersuchten Mitgliedstaat wahrnehmen. Teilweise ist noch ausdrücklich bestimmt, daß diese Auskunftseinholung nur „nach näherer Weisung der ersuchten Behörde" zulässig i s t . 1 6 1 Eine erste „Aufweichung" des Einvernehmenserfordernisses findet sich in Regelungen, nach denen die Kommissionsinspektoren sich von Inspektionsbediensteten dritter Mitgliedstaaten als Beobachter begleiten lassen können. Während für die Begleitpersonen bei den Kommissionsinspektionen i m Fischerei- und Betrugsbekämpfungsrecht nach wie vor das Einvernehmen des betroffenen Mitgliedstaats eingeholt werden m u ß , 1 6 2 besteht bei den Veterinärkontrollen nur noch ein einmaliges Ablehnungsrecht für denjenigen Mitgliedstaat, in dem die Inspektion stattfinden s o l l . 1 6 3 Gewissermaßen als „Kompensation" müssen die begleitenden Sachverständigen vorher auf eine Liste aufgenommen worden sein, die von der Kommission geführt w i r d . 1 6 4 Allerdings ist sowohl für die Verweigerung der Zustimmung als auch für die Inanspruchnahme des Zurückweisungsrechts ein strenger Maßstab anzulegen: Das folgt aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit ebenso wie aus einer am Sinn und Zweck der Vorschriften orientierten Auslegung. Die Ratio der Teilnahme•60 Art. 7 Abs 4 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung n.F.). Ebenso Art. 9 Abs. 2 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfe Verordnung): „Im Einvernehmen zwischen der ersuchenden und der ersuchten Behörde können von der ersuchenden Behörde benannte Bedienstete bei den behördlichen Ermittlungen nach Absatz 1 anwesend sein." 161 Art. 7 Abs 4 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung n.F.) und Art. 10 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung). 162 Art. 34 b Abs. 1 Verordnung Nr. 2847/93 i.d.F. d. Verordnung Nr. 2846/98 (Fischereikontrollverordnung): „Im Fall angekündigter Uberprüfungen in einem Mitgliedstaat kann die Kommission ihre Inspektoren bei einer Kontrolle in einem Mitgliedstaat von einem oder mehreren Fischereiinspektoren eines anderen Mitgliedstaats als Beobachter begleiten lassen, wenn der Mitgliedstaat, in dem die Kontrollen stattfinden sollen, hiermit einverstanden ist." Art. 6 Abs. 2 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung): „Im Einvernehmen mit dem betreffenden Mitgliedstaat kann die Kommission um Unterstützung durch Beauftragte anderer Mitgliedstaaten ersuchen, die als Beobachter fungieren, und zur technischen Unterstützung externe Stellen hinzuziehen, die unter ihrer Verantwortung Aufgaben wahrnehmen. Die Kommission wacht darüber, daß diese Beauftragten und Stellen alle Garantien für Sachkompetenz und Unabhängigkeit sowie für die Wahrung des Amtsgeheimnisses bieten" (Hervorhebungen d. Verf.). 163 Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 Entscheidung Nr. 98/139 (Kontrollen vor Ort im Veterinärbereich). 164
Art. 4 Abs. 2 Entscheidung Nr. 98/139 (Kontrollen vor Ort im Veterinärbereich).
Β. Kooperation im Horizontal Verhältnis
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möglichkeiten, möglichst umfassend Transparenz und gegenseitiges Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung zu fördern, verlangt eine nachvollziehbare Begründung i m Einzelfall, wenn der betroffene Mitgliedstaat die Teilnahme bestimmter Inspektoren nicht auf seinem Territorium dulden will. Bei dem einmaligen Ablehnungsrecht i m Veterinärrecht kommt noch der allgemeine Grundsatz hinzu, daß Ausnahmevorschriften eng auszulegen sind.
2. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Auch die horizontale Kooperation der Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeiten steht unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit i m Einzelfall. Dies ist zum Teil in den Vorschriften selbst festgeschrieben, wenn dort ζ. B. eine Schwelle für die Inanspruchnahme der Kooperationsleistungen festgelegt ist. So dürfen andere Mitgliedstaaten nach einigen Vorschriften nur dann um Amtshilfe ersucht werden, wenn das i m Einzelfall „erforderlich" 1 6 5 ist oder wenn „der begründete Verdacht" 1 6 6 besteht, daß Unregelmäßigkeiten vorkommen. Dafür sind nach der Rechtsprechung des EuGH konkrete Anhaltspunkte in Bezug auf den Einzelfall erforderlich. 1 6 7 Allgemein dürfte aus dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit abzuleiten sein, daß die Mitgliedstaaten keine willkürlichen Ersuchen „ins Blaue hinein" stellen dürfen, wenn ζ. B. ihrer Ansicht nach ganz allgemein in einem bestimmten Bereich intensiver kontrolliert werden sollte. Ein Mitgliedstaat darf auch nicht seine eigenen Verwaltungsaufgaben auf die Verwaltungen anderer Mitgliedstaaten abwälzen: So läßt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ableiten, daß ein Mitgliedstaat nicht um die Ermittlung solcher Informationen ersuchen darf, die er sich durch zumutbare eigene Ermittlungen selbst beschaffen kann. Aus der Verpflichtung auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes läßt sich dagegen kein allgemeiner Grundsatz einer verstärkten Erforderlichkeit aufstellen, etwa dergestalt, daß Kooperationspflichten nur in besonders gravierenden Fällen entstehen: Hier kommt es auf die Formulierung der jeweiligen Rechtsakte an. I m Recht der Agrarfinanzierung wird eine entsprechende Mitteilung über Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten ausdrücklich nur dann verlangt, wenn die Verstöße von besonderem Belang s i n d 1 6 8 bzw. wenn schnelle Auswirkungen auch in anderen Mitgliedstaaten zu befürchten oder neue Praktiken erkennbar s i n d . 1 6 9 Wenn nach anderen Rechtsakten Mitteilungen oder sonstige Unterstützungsleistun165 Nach Art. 34a Abs. 1 Verordnung Nr. 2847/93 i.d.F. der Verordnung Nr. 2846/98 (Fischereikontrollverordnung) leisten sich die Mitgliedgliedstaaten ζ. B. die „erforderliche Amtshilfe für die Durchführung der... vorgesehenen Kontrollen". 166 So die einschlägigen Vorschriften im oben (B. 1.1.) besprochenen Tafelweinfall, EuGH, Rs. 42/82 (Kommission/Frankreich), Slg. 1983, 1013 ff. 167 EuGH, Rs. 42/82 (Kommission/Frankreich), Slg. 1983, 1013, Rn. 32. 168 Art. 8 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung n.F.). 169 Art. 4 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung).
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Kap. 3: Interadministrative Rechtsbeziehungen
gen nicht an eine bestimmte Schwelle geknüpft s i n d , 1 7 0 liegt es nicht i m Ermessen des ersuchten Mitgliedstaats, seine Mitarbeit von einer bestimmten Bedeutung des Falls abhängig zu machen. Den selbständigen Inspektionen i m Rahmen der Herkunftslandaufsicht in anderen Mitgliedstaaten selbst vermag der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allerdings i m Horizontalverhältnis keine Schranken zu setzen. Die in diesem Zusammenhang ausgeübte Hoheitsgewalt richtet sich ausschließlich gegen die jeweiligen Unternehmen. Lediglich die Inanspruchnahme von Vollzugshilfe durch die Aufnahmelandbehörden i m Rahmen der Durchführung der Inspektionen hat sich an den Grundsätzen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit zu orientieren.
3. Ordre public Schließlich können Gründe des nationalen Ordre public die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Erbringung von Unterstützungsleistungen i m Horizontalverhältnis entfallen lassen. Ausprägungen dieses Grundsatzes sind vor allem in den untersuchten Amtshilferechtsakten enthalten: So können die zuständigen Behörden beispielsweise i m Rahmen der Zusammenarbeit i m Zuge der Veterinärüberwachung die Unterstützung verweigern, „wenn diese Unterstützung geeignet wäre, die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen des Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz haben, zu beeinträchtigen". 1 7 1 Für die Zusammenarbeit nach der EGAmtshilfeverordnung Nr. 5 1 5 / 9 7 wird als ausdrückliches Beispiel die Beeinträchtigung datenschutzrechtlicher Erfordernisse genannt. 1 7 2 Entsprechendes könnte auch für den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gelten. Gerade für den Daten- und Geheimnisschutz ist aber darauf hinzuweisen, daß die einschlägigen Gemeinschaftsrechtsakte häufig einen übergreifenden Schutzstandard normieren, der auch in die Rechtsordnungen der anderen Mitgliedstaaten hineinwirkt. 1 7 3 Wenn in allen Mitgliedstaaten der Schutz persönlicher Daten, Betriebs- und Ge170 Die Hilfeleistungen nach der Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung) stehen beispielsweise explizit unter dem Vorbehalt des Möglichen: „Auf Antrag der ersuchenden Behörde überwacht die ersuchte Behörde, soweit ihr dies möglich ist, in ihrem Amtsbereich besonders sorgfältig ..." (Art. 7) bzw. „Sie führen im Rahmen des Möglichen die in Art. 7 bezeichnete besonders sorgfältige Überwachung durch" (Art. 14 lit. a). 171 Art. 13 Richtlinie Nr. 89/608 (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung). 172 Art. 48 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung); dazu von Bogdandy, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Informationsgesellschaft, S. 133, 185. Auch Bestimmungen, nach denen der Austausch von Informationen, die Gegenstand gerichtlicher Verfahren sind, verweigert werden kann (z. B. Art. 6 Abs. 4 Richtlinie Nr. 93/99 - Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung), können als spezielle Ausprägung des ordre public gedeutet werden, vgl. dazu die Ausführungen für den Informationsaustausch im Vertikalverhältnis, die auf das Horizontalverhältnis übertragen werden können (oben in diesem Kapitel A.II.5.). 173
Zur überwirkenden Geltung dieser Schutzstandards siehe unten Kap. 4 B.IV.2.
Β. Kooperation im Horizontal Verhältnis
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schäftsgeheimnissen in vergleichbarer Weise gewährleistet ist, darf der ersuchte Mitgliedstaat die Übermittlung bestimmter Informationen nicht mehr mit der Begründung verweigern, in dem anderen Mitgliedstaat herrsche ein niedrigeres Schutzniveau. Insgesamt dürfte der nationale Ordre public als Grenze für die Erbringung gegenseitiger Unterstützungsleistungen i m Zusammenhang mit Inspektionen wohl als allgemeiner Standard zu betrachten sein, der auch dort gilt, wo er nicht ausdrücklich in den Rechtsakten normiert ist. Dennoch handelt es sich um eine eng auszulegende Ausnahme: 1 7 4 Die Verwaltungskooperation i m Horizontalbereich dient letztlich der Bewältigung einer gemeinsamen Sachaufgabe. Teilweise sind die Unterstützungspflichten Ausdruck einer rationellen und arbeitsteiligen Verwaltung des Gemeinschaftsraums. Die Gefahren für die Allgemeininteressen eines Staates müssen gegenüber den Vorteilen der Kooperation deutlich überwiegen. Nach Möglichkeit ist die Kooperationsleistung so zu erbringen, daß nicht ganz darauf verzichtet wird, sondern lediglich bestimmte Teilhandlungen unterlassen oder i m Vergleich zu den sekundärrechtlichen Vorgaben modifizierte Unterstützungsleistungen erbracht werden.
4. Fazit Für die horizontale Kooperation bei Inspektionen kann festgehalten werden, daß vor allem die den Mitgliedstaaten verbliebene Souveränität den grenzüberschreitenden Kontrollaktivitäten Grenzen setzt. Diese Grenzen können auch durch entgegengesetzt wirkende Grundsätze, wie ζ. B. das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit, nicht ohne weiteres überwunden werden. Ohne Erlaubnis i m Einzelfall bleiben Inspektionstätigkeiten eines Mitgliedstaats auf dem Territorium eines anderen Mitgliedstaats grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen gibt es lediglich, wenn das durch das Sekundärrecht ausdrücklich festgelegt worden ist, wie ζ. B. i m Bankenaufsichtsrecht. Sogar die nur beobachtende Teilnahme setzt in ihren verschiedenen Ausprägungen in der Regel die vorherige Zustimmung des betroffenen Mitgliedstaats voraus. In diesem Zusammenhang entfaltet der Gemeinschaftstreuegrundsatz seine Wirkung, indem er die Erteilung dieses Einverständnisses grundsätzlich gebietet und Ablehnungen nur in begründeten Ausnahmefällen zuläßt. In jedem Fall bestehen auf diesem Gebiet noch Entwicklungsmöglichkeiten. Das Einverständniserfordernis sollte mit der Zeit abgebaut werden: Es paßt nicht (mehr) zu einem europäischen Verwaltungsraum, in dem die Überwachungsbehörden eine gemeinsame Verantwortung zu erfüllen haben.
174 So auch von Bogdandy, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Informationsgesellschaft, S. 133, 185, der als weiteren Grund, die Zusammenarbeit aus ordre public Gründen zu verweigern, noch kollidierende völkerrechtliche Verpflichtungen nennt; zurückhaltend auch Schmidt-Aßmann, EuR 1996, S. 270, 297 f.
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Kap. 3: Interadministrative Rechtsbeziehungen
Als weitere Faktoren, die die horizontale Kooperation im Zusammenhang mit Inspektionen einschränken können, wirken der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dessen Wirkungen von der konkreten Fallgestaltung abhängen, und - ebenfalls streng einzelfallbezogen - der Vorbehalt des ordre public. Letzterer dürfte nur in seltenen Ausnahmefällen einschlägig sein.
III. Sanktionsmöglichkeiten im Horizontalverhältnis? Ziel der behandelten Vollzugs- und Uberwachungsregeln ist eine EG-weite Annäherung der Vollzugsstandards. Gerade im Zusammenhang mit der immer weiter fortschreitenden Vernetzung der Verwaltungszuständigkeiten wachsen die wechselseitigen Abhängigkeiten. So wird es nicht ausbleiben, daß der eine oder der andere Mitgliedstaat das Vollzugs- oder Kontrollniveau in anderen Mitgliedstaaten für unzulänglich hält. Nach allgemeinem Völkerrecht wären die Mitgliedstaaten in den Außenbeziehungen zu eigenen Sanktionsmaßnahmen horizontaler Art berechtigt: Sie könnten beispielsweise Einfuhrstops verhängen, wenn sie bestimmte Waren für unsicher oder gesundheitsschädigend halten. Im Verwaltungsverbund der EG sind solche Alleingänge nicht mehr zulässig. 1 7 5 Gleichwohl hat der Gemeinschaftsgesetzgeber das Konfliktpotential gesehen und gemeinschaftsrechtliche Korrektivmaßnahmen vorgesehen. In solchen Fällen weist das Gemeinschaftsrecht regelmäßig der Kommission eine Rolle als Schlichterin oder Instanz mit Befugnis zur Letztentscheidung zu. Als Beispiel kann das Klärungsverfahren für Streitfälle i m Veterinärrecht dien e n : 1 7 6 Dort muß bei Differenzen über die Einhaltung der Richtlinienvorschriften zunächst in Kooperation zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten gemeinsam nach Abhilfe gesucht werden. Bei weiterer Mißachtung kann die Kommission eingeschaltet werden, die in letzter Instanz zuständig für die Entscheidung über die vorübergehende Ermächtigung der Mitgliedstaaten zum Erlaß von Einfuhrbeschränkungen i s t . 1 7 7 Auch wenn solche Regelungen fehlen, dürfen die Mitgliedstaaten nicht im Alleingang zur Selbsthilfe greifen. Illustrativ ist in diesem Zusammenhang das Urteil Hedley L o m a s : 1 7 8 In der Zeit vom April 1990 bis Januar 1993 verweigerte das M i nisterium für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung von England und Wales 175 Die Mitgliedstaaten können allerdings nach Art. 227 EGV Vertragsverletzungen eines anderen Mitgliedstaats vor dem EuGH rügen. Diese Möglichkeit spielt gegenüber den von der Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren nur eine marginale Rolle und soll deshalb hier außer Betracht bleiben; vgl. näher Schwarze, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 227, Rn. 3, der die geringe Zahl von bisher nur drei solcher Verfahren vor dem EuGH auf diplomatische Rücksichtnahme der Mitgliedstaaten zurückführt, i™ Dazu bereits oben Kap. 1 A.III.2.c)(4).
1 77 Siehe Kap. 1 B.III.3c)(4). EuGH, Rs. C-5/94, Slg. 1996,1-2604 ff.; siehe auch EuGH, Rs. C-265/95 (Kommission/Frankreich), Slg. 1997,1-6959, Rn. 63 mit Anm. Schwarze, EuR 1998, S. 53, 56.
Β. Kooperation im Horizontal Verhältnis
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systematisch Genehmigungen für die Ausfuhr lebender Schlachttiere nach Spanien mit der Begründung, daß die Tiere in den dortigen Schlachtbetrieben auf eine Weise behandelt würden, die der Richtlinie 7 4 / 5 7 7 über die Betäubung von Tieren vor dem Schlachten zuwiderlaufe. 1 7 9 I m Ausgangsverfahren erhob die Klägerin beim High Court of Justice Klage auf Feststellung, daß die Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung gegen Art. 34 des Vertrages verstößt, sowie auf Schadensersatz. 180 I m Vorlageverfahren bat der High Court of Justice den EuGH um Auskunft darüber, ob es „das Gemeinschaftsrecht einem Mitgliedstaat verwehrt, sich auf Art. 36 [jetzt 30] des Vertrages zu berufen, um eine Beschränkung der Ausfuhren von Waren in einen anderen Mitgliedstaat nur mit der Begründung zu rechtfertigen, daß sich dieser zweite Mitgliedstaat nach Ansicht des ersten Mitgliedstaats nicht an die Vorschriften einer Harmonisierungsrichtlinie der Gemeinschaft hält, die das Ziel, das mit dem Rückgriff auf Art. 36 geschützt werden soll, verfolgt, ohne jedoch ein Verfahren für die Kontrolle ihrer Anwendung oder Sanktionen für den Fall des Verstoßes gegen ihre Vorschriften vorzusehen." 181 Der EuGH stellte zunächst fest, daß die Verweigerung von Ausfuhrgenehmigungen durch einen Mitgliedstaat eine nach Art. 34 (jetzt 29) EGV verbotene mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung darstellt. Ein Rückgriff auf Art. 36 (jetzt 30) EGV zur Rechtfertigung sei nicht mehr möglich, wenn Richtlinien der Gemeinschaft bereits Harmonisierungsmaßnahmen zur Erreichung der Ziele des Art. 36 (jetzt 30) EGV vorsähen. „Gegen dieses Verbot des Rückgriffs auf Art. 36 spricht auch nicht der Umstand, daß die Richtlinie im vorliegenden Fall weder ein gemeinschaftliches Verfahren für die Kontrolle ihrer Einhaltung bereitstellt noch Sanktionen für den Fall des Verstoßes gegen ihre Vorschriften vorsieht. Der Umstand, daß die Richtlinie kein Kontroll- und Sanktionsverfahren vorsieht, führt lediglich dazu, daß die Mitgliedstaaten nach den Artikeln 5 Absatz 1 [jetzt 10] und 189 Absatz 3 [jetzt 249 Abs. 3] des Vertrages verpflichtet sind, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. Dabei müssen sich die Mitgliedstaaten hinsichtlich der in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet durchgeführten Kontrollen gegenseitig Vertrauen entgegenbringen (vgl. auch Rs. 46/76, Bauhuis, Slg. 1977, 5, Rn. 22). In diesem Zusammenhang ist ein Mitgliedstaat nicht berechtigt, einseitig Ausgleichs- oder Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, um einer möglichen Mißachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften durch einen anderen Mitgliedstaat entgegenzuwirken." 182 179 E U G H , Rs. C - 5 / 9 4 , a. a. O . , R n . 3.
180 EuGH a. a. O., Rn. 11. 181 EuGH a. a. O., Rn. 14. ι 8 2 EuGH a. a. O., Rn. 19 f. Gegenüber den oben beschriebenen Fällen, in denen immer betont wurde, daß auch und gerade die Kontrollverfahren harmonisiert worden sind und die Zulässigkeit über Stichproben hinausgehender Kontrollen gerade wegen des Vorhandenseins einer Kontrollregelung verneint wurde, geht der EuGH hier noch einen Schritt weiter: Das Verbot des unmittelbaren Rückgriffs auf Art. 30 EGV gilt auch dann, wenn die fragliche Harmonisierungsrichtlinie weder ein gemeinschaftliches Kontrollverfahren noch Sanktionen für 18 David
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Kap. 3: Interadministrative Rechtsbeziehungen
Durch die Eingliederung in den gemeinschaftlichen Verwaltungsverbund haben die Mitgliedstaaten damit ihre Berechtigung zu einseitigen Abwehrmaßnahmen aufgegeben. Eventuelle Streitigkeiten sind informell in bilateraler Kooperation oder formell über Streitschlichtungsverfahren vor der Kommission zu klären. Die Betrauung einer unabhängigen Institution mit der Überwachung aller verhindert nicht zuletzt, daß die unterschiedlich starke Stellung der Mitgliedstaaten i m Verbund zum Machtmißbrauch der stärkeren gegenüber den schwächeren f ü h r t . 1 8 3
IV. Bewertung der Inspektionen als Instrument horizontaler Verwaltungskooperation: Verantwortungsteilende und vertrauensbildende Strukturen im EG-Recht Anhand der Betrachtung der Rechtsbeziehungen im Horizontalverhältnis läßt sich der Anpassungsprozeß, dem ein aus dem nationalen Verwaltungsrecht bekanntes Instrument der Wirtschaftsaufsicht i m Zuge der Europäisierung ausgesetzt ist, illustrieren. 1 8 4 Die Möglichkeiten grenzüberschreitender Inspektionen oder der Teilnahme daran, die Ausarbeitung und Durchführung bi- oder multilateraler Inspektionsprogramme und die mannigfaltigen Informationsaustauschregelungen sind Ausdruck einer gemeinsamen Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Verwaltung des Gemeinschaftsraums. Wirtschaftsaufsicht ist keine Aufgabe mehr, die jeder Mitgliedstaat für sich allein zu erfüllen hat. Sie hat sich zu einer gemeinsamen Wirtschaftsaufsicht i m europäischen Verbund entwickelt. Die Standards, an denen sich die Zusammenarbeit zu orientieren hat, sind - wie die vorstehende Untersuchung gezeigt hat - i m Horizontal Verhältnis noch wenig ausdifferenziert. Neben dem unmittelbar aus dem Grundsatz des freien Warenverkehrs folgenden (negativen) Verbot diskriminierender Kontrollpraktiken lassen sich dennoch einige allgemeine positive Standards der Zusammenarbeit entwickeln. Aus dem Gebot der loyalen Zusammenarbeit hat der EuGH eine Pflicht zur Information über Kontrollpraxisänderungen abgeleitet. Ferner dürften eine Pflicht zur Begründung von Informations -, Inspektions- und sonstigen Amtshilfe ersuchen, deren Beantwortung oder Durchführung ohne unbillige Verzögerung sowie ein prozedurales Äquivalenzprinzip inzwischen als allgemeiner Standard anzusehen sein. Die Souveränität der Mitgliedstaaten setzt einer selbstverständlichen gemeinschaftsweiten Ausübung der Verwaltungstätigkeiten allerdings Grenzen: Genuin grenzüberschreitende Inspektionsrechte (wie i m Bankenaufsichtsrecht), die nur eine vorherige Mitteilung an den betroffenen Mitgliedstaat verlangen, sind immer Zuwiderhandlungen vorsieht. Eine Tendenz, den Rückgriff auf Art. 30 in harmonisierten Bereichen weiter zu erschweren, bemerkt auch Dauses, in: ders. HBEUWiR, C.I, Rn. 160a. 183 Vgl. van Rijn, in: FS Schermers, S. 409, 410; Anklänge auch bei Heckner, ZLR 1990, S. 205, 207. 184 Dabei bleibt an dieser Stelle das Verhältnis zwischen Individualperson und Verwaltungsbehörde noch außer Betracht; dazu im folgenden Kap. 4.
Β. Kooperation im Horizontal Verhältnis
275
noch die Ausnahme. Ansonsten setzt jegliches Tätigwerden in anderen Mitgliedstaaten, und sei es auch nur in begleitender oder beobachtender Form, das Einvernehmen des betroffenen Mitgliedstaats voraus bzw. das Gemeinschaftsrecht stellt ihm zumindest eine Ablehnungsmöglichkeit zur Verfügung. Bei aller weiteren Ausbaufähigkeit und -bedürftigkeit des rechtlichen Regimes, an dem sich die Kooperation i m Horizontalverhältnis zu orientieren hat, leistet die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei ihren Überwachungstätigkeiten bereits jetzt einen wichtigen Beitrag zur Herstellung von Vertrauen in gemeinschaftsweit funktionsfähige Verwaltung s strukturen. Vertrauen als solches kann nur zu einem Teil durch Rechtsakte angeordnet werden. Die Vertrauensbildung muß vielmehr durch vertrauensbildende Techniken unterstützt werden. 1 8 5 Die begleitende Teilnahme stellt ebenso wie die weiteren untersuchten Informationsaustauschmechanismen ein solches Instrument zur Vertrauensbildung dar. Insbesondere die Möglichkeit, sich vor Ort ein Bild über die Art und Weise des Vollzugs in anderen M i t gliedstaaten machen zu können, wirkt vertrauensbildend und erhöht die Bereitschaft zur Anerkennung der Überwachung durch die anderen Mitgliedstaaten, zum Verzicht auf zusätzliche eigene Kontrollen sowie die Bereitschaft zum ordnungsgemäßen Vollzug im eigenen L a n d . 1 8 6 Die Entwicklung von Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der nationalen Verwaltungsbehörden ist insgesamt ein nicht zu unterschätzender Legitimationsfaktor in einem durch grenzüberschreitende Vernetzungen gekennzeichneten europäischen Verwaltungsraum, in dem die traditionellen rein nationalen Strukturen ihre Legitimationskraft verlieren und eine genuin europäische Legitimationsstruktur sich erst i m Aufbau befindet. Neben die klassischen Instrumente zur Erzeugung von Verwaltungslegitimation treten damit neue Strukturen, mit denen den Besonderheiten europaweiter Verwaltungstätigkeit Rechnung getragen werden k a n n . 1 8 7 •85 Grundlegend Majone, Mutual Trust, EUI Working Paper RSC No. 95/1, S. 9 ff.: „Without concrete measures to increase the level of mutual trust, therefore, the obligation of Community loyalty ... remains dead letter and cannot serve as a basis for a system of effective enforcement." Information und Kommunikation sind damit die Leistungen, durch die der Anspruch auf grenzüberschreitende Wirkung des Verwaltungsvollzuges gewissermaßen „verdient" wird, vgl. Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 279, 308 f.; Wahl/Groß, DVB1. 1998, S. 2, 3. Bezogen auf den Faktor Vertrauen der Mitgliedstaaten untereinander in eine funktionierende Lebensmittelüberwachung Streinz, WiVerw 1993, S. 1,57 f. 186 Einordnung der Kontrollharmonisierung als Fundament für Vertrauensbildung und Prinzip der gegenseitigen Anerkennung auch bei Falke, in: Hill/Hof, Wirkungsforschung II, S. 265, 266. 187 Ausführlich zu Vertrauen als Element der Verwaltungslegitimation in einer dezentralisierten Europäischen Union Röhl, Zertifizierung und Akkreditierung, S. 44 ff. Siehe auch Magiera, DOV 1998, S. 173, 183: „Entscheidend für den neuen kooperativen Kontrollmechanismus und seine Wirksamkeit spricht, daß eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen der Mitgliedstaaten untereinander und mit der Kommission geeignet ist, das gegenseitige Verständnis und Vertrauen zu fördern ... Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, das Gemeinschaftsrecht nicht als eine fremde, sondern als Teil der eigenen Rechtsord-
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Kap. 3: Interadministrative Rechtsbeziehungen
C. Fazit: Inspektionen zwischen Aufsicht und Vertrauensbildung Europäisches Verwaltungsrecht ist i m Vergleich zum nationalen Verwaltungsrecht in besonderer Weise ein Recht der Organisation und der interadministrativen Verfahren. Die Ursache dafür liegt in der Vielfalt und Vielzahl der Organisationsformen, in denen die an der Verwaltung des Gemeinschaftsraums beteiligten Stellen ihre Aufgaben wahrnehmen. Dennoch haben diese Stellen eine gemeinsame Verantwortung für die Erreichung der Vertragsziele. Durch Organisation und Verfahren muß die erforderliche Einheit zwischen den nationalen und europäischen Verwaltungsstellen erst geschaffen werden. Neben ihrer vordergründigen Funktion der Kontrolle der Einhaltung spezifischer Vorschriften des Gemeinschaftsrechts verkörpern die Inspektionen in besonderer Weise diese Funktion der EinheitsStiftung durch Organisation und Verfahren. I m Vertikalverhältnis sind die Inspektionen zusammenfassend als Instrument kooperativer Aufsicht charakterisiert worden. 1 8 8 Für das Horizontalverhältnis kann besonders der Aspekt der Vertrauensbildung hervorgehoben werden. 1 8 9 Diese Kennzeichnungen stehen jedoch nicht isoliert nebeneinander. Die i m administrativen Inspektionsverhältnis deutlich werdenden Aufsichtsstrukturen weisen Kontrollverschränkungen auf, die gerade auch der Bildung von Vertrauen dienen: Der Erfolg eines Projektes hängt in maßgeblicher Weise davon ab, daß die Teilnehmer sich an die selbstgesetzten Regeln auch halten. Die Zuweisung von Aufsichtsbefugnissen an eine zentrale Kontrollinstanz fördert das Vertrauen darauf, daß jeder Mitgliedstaat seinen administrativen Verpflichtungen auch tatsächlich nachk o m m t . 1 9 0 Die Teilnahmemöglichkeiten für Sachverständige aus anderen Mitgliedstaaten an den Kommissionsinspektionen dienen nicht nur der Einbeziehung von externem Sachverstand, sondern fungieren zudem als Multiplikatoren für Vertraue n . 1 9 1 Umgekehrt wirken die beschriebenen Mechanismen horizontaler Kooperation nicht nur vertrauensbildend, sondern enthalten gleichzeitig Kontrollelemente: Jede Einforderung von Kooperationsbeiträgen ist wieder ein neuer „Testfall" für die Funktionsfähigkeit eines horizontal vernetzten Verwaltungssystems. 192
nung zu erkennen, deren Durchsetzung im gemeinsamen und zugleich im eigenen Interesse liegt." Den Faktor Vertrauen als wichtige Voraussetzung für eine funktionierende europäische Verwaltung betonen auch Majone, Mutual Trust; Seidel, in: Magiera, Entwicklungsperspektiven, S. 169, 181; Happe, Grenzüberschreitende Wirkung, S. 111; von Bogdandy/Arndt, EWS 2000, S. 1. iss Siehe oben Α. IV. 189 Siehe oben Β. IV. 1 90 Diesen Aspekt der Vertrauensbildung durch zentrale Kontrolle betonen auch van Rijn, in: FS Schermers, S. 409, 410 und Pühs, Vollzug von Gemeinschaftsrecht, S. 332. 191 Dazu Schmidt-Aßmann, in: FS Steinberger, S. 1398. 192 Die vertrauensstiftende Wirkung von Kontrollverschränkungen analysiert Schmidt-Aßmann, in: FS Steinberger, S. 1396 f.; vgl. auch ders. in Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Verwaltungskontrolle, S. 9, 32 f.
Kapitel 4
Rechtsbeziehungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern und den zuständigen Verwaltungsstellen Die Direktkontrollen bei den Wirtschaftsteilnehmern können als Fortentwicklung eines klassischen gewerbeaufsichtlichen Instituts unter den Gegebenheiten des Verwaltens im Mehrebenensystem der EG charakterisiert werden. 1 Die klassischen Rechtsprobleme rechtsstaatlich gebundenen Verwaltens, also die Fragen nach Umfang und Grenzen der Aufsichtskompetenzen i m Einzelfall, nach Grundrechten und Verteidigungsrechten, Haftungsansprüchen und Rechtsschutzgewährleistungen sind aus dem nationalen Verwaltungsrecht bekannt. 2 A u f der europäischen Ebene ist durch die Integration von Elementen horizontaler und vertikaler Kooperation ein viel komplexeres Rechtsinstitut entstanden. Bei der Durchführung von Inspektionen in der Form der Direktkontrolle wird unmittelbare Hoheitsgewalt gegenüber dem Unionsbürger ausgeübt. I m folgenden Kapitel wird es um die Frage der rechtsstaatlichen Ausgestaltung dieser durch miteinander kooperierende und auf verschiedenen Ebenen angesiedelte Verwaltungsstellen ausgeübten Hoheitsgewalt gehen. Im Zusammenhang mit Inspektionen taucht immer wieder die Formel vom effektiven Vollzug des Gemeinschaftsrechts auf. Jegliche Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission soll diesem Ziel dienen. Die ausdifferenzierten Mechanismen, nach denen dies zu geschehen hat (Teilnahmerechte, Informationsaustausch, Sammlung von Daten usw.) nehmen breiten Raum in den verschiedenen Inspektionsvorschriften ein. Das große Gewicht des Effektivitätsgebots ist kennzeichnend für die Finalstruktur des europäischen Verwaltungsrechts. Hierdurch hebt es sich von den mitgliedstaatlichen Verwaltungsrechten ab. Während die mitgliedstaatlichen Verwaltungsrechte dem Interesse an der Funktionsfähigkeit 1
Siehe schon oben Kap. 1 B.I.l.a). Hierzu für das deutsche Recht vor allem Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse im Recht der Wirtschaftsüberwachung (1989); Beisel, Betretungs- und Nachschaurechte (1997); Figgener, Betretungsrechte und Nachschaubefugnisse (2000). In der älteren deutschen Literatur galt das Interesse vorwiegend den Ermittlungsbefugnissen der Kartellbehörden, vgl. Würdinger, Auskunftsrecht (1964); Blum, Auskunfts- und Ermittlungsrechte (1968); Wieckmann, Auskunftsersuchen; Hermanns, Ermittlungsbefugnisse (1978); Lupberger, Auskunfts- und Prüfungsverfahren (1987); Meyer, Auskunftsrecht (1987); rechtsvergleichend Rohlfing, Kartellrechtliches Prüfungsverfahren (1989); zum Nachprüfungsrecht im EG-Recht schon früh Hanebuth, Auskunftsrecht (1967), S. 245 ff. 2
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
staatlichen Handelns und dem Freiheitsschutz der Bürger gleichermaßen verpflichtet sind, tendiert die „spezifische Zweckrationalität" des Gemeinschaftsrechts dazu, „die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft und ihres Rechts zum überragenden Auslegungstopos zu machen". 3 Je intensiver durch Vollzugsvorschriften und -aktivitäten in Rechtspositionen der Wirtschaftsteilnehmer eingegriffen wird, desto stärker stellt sich allerdings die Frage nach den Möglichkeiten ihrer rechtsstaatlichen Begrenzung und Einbindung. Das Funktionsargument gilt nicht grenzenlos. Die Effektivitätsvorstellungen können nur in rechtsstaatlich gebundenen Formen verwirklicht werden. 4 I m Zusammenhang mit Inspektionen sind zahlreiche Maßnahmen zulässig, die in grundrechtlich geschützte Individualrechtsgüter eingreifen. Das gilt sowohl für die konkreten Kontrollen vor Ort als auch für die u.U. erheblichen Sanktionen, die an die Feststellung von Verstößen geknüpft werden können. A u f den ersten Blick ist demgegenüber die Anzahl der Bestimmungen, die der Begrenzung der Kooperationsmöglichkeiten und der Gewährleistung der Rechte der Kontrollunterworfenen gewidmet sind, relativ gering. Von einigen Kritikern wird ihnen diesbezüglich ausdrücklich ein Defizit bescheinigt. 5 Der Frage, ob das tatsächlich der Fall ist, soll i m folgenden nachgegangen werden. Dabei ist an diejenigen Maßnahmen im Zusammenhang mit Inspektionen, die in grundrechtlich geschützte Individualrechtsgüter eingreifen können, anzuknüpfen.
3 Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, S. 924, 931 ; Schock, JZ 1995, S. 109, 117; vgl. auch Hegels, EG-Eigen verwaltungsrecht und Gemeinschafts verwaltungsrecht, S. 159 ff.; relativierend Classen, DV 31 (1998), S. 307, 318 f. 4 Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation, S. 289, 351; Pernice /KadeIbach, DVB1. 1996, S. 1100, 1113. Auf die Schwierigkeiten der Entwicklung rechtsstaatlicher Prinzipien im Rahmen der Finalstruktur des europäischen Gemeinschaftsrechts weist auch Rengeling hin, VVDStRL 53 (1994), S. 202, 222 ff. 5 Vgl. für das Beispiel der Verordnungen Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung) und Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung) Widdershoven in: Vervaele (Hrsg.), Transnational Enforcement, 131, 138 ff. auch Vervaele, in: ders. (Hrsg.), Compliance and Enforcement, S. 361, 381: " . . . but also at this point we have to underline the fact that the necessary rules concerning legal protection (privacy, principles of due law) are rather soft and under-developed", A. Berg, European Fisheries Law, S. 292: „Still, it is often questionable whether in striving towards more effective enforcement, principles of law are sufficiently guaranteed and individual rights adequately protected. In striving for the general observance of Community law, in particular in the fields of enforcement of common policies such as agriculture and fisheries the near total subordination of individual interests to the objectives of market regulation becames clear" und Dannecker, ZStW 108 (1996), S. 577, 606 ff. (aus strafrechtlicher Sicht). Kritisch zur offensiven Anwendung des Gebots einheitlicher Rechtsanwendung auch von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 118 ff.; relativierend Wittkopp, Sachverhaltsermittlung, S. 242.
Α. Überblick über die Eingriffsbefugnisse
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A. Überblick über die Eingriffsbefugnisse im Zusammenhang mit Inspektionen Die einzelnen Prüfungsbefugnisse vor Ort bilden die Basis für unmittelbare Eingriffe in die Rechte der Kontrollunterworfenen. Vorerst ohne Differenzierung in der Hinsicht, ob Kommissionsbedienstete oder Bedienstete der Mitgliedstaaten handeln, sind die wichtigsten Prüfungsbefugnisse i m Zusammenhang mit Inspektionen die folgenden: - Recht auf Zugang zu gewerblich genutzten Räumlichkeiten, -
Durchsuchungsrecht,
- Recht auf Einsicht in Akten und Dokumente, - Auskunftsverlangen vor Ort, - Entnahme von Proben, - Beschlagnahme von Gegenständen oder Unterlagen sowie Versiegelung von Räumen, - Verhängung von Geldbußen und Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der Inspektionsbefugnisse. Nicht alle diese Befugnisse sind speziell in Bezug auf die Kooperationskonstellationen problematisch. Bei klarer Zuständigkeitsabgrenzung ist es Aufgabe der jeweils anwendbaren Rechtsordnung (national oder europäisch), für die notwendigen rechtsstaatlichen Gewährleistungen zu sorgen (ζ. B. Ermächtigungsgrundlage, Grundrechtsschutz, Verhältnismäßigkeitsprinzip). Vorweg sollen drei zentrale Punkte hervorgehoben werden. In bezug auf die verschiedenen Teilnahmekonstellationen ist zunächst festzuhalten, daß diejenigen Bediensteten, die an den Inspektionen nur in begleitender Funktion teilnehmen, gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern grundsätzlich keine eigenen Eingriffsrechte haben. Wenn ζ. B. nach einigen Vorschriften die Kommissionsbediensteten dieselben Räumlichkeiten betreten und dieselben Unterlagen einsehen dürfen wie die nationalen Kontrollbeamten, so sind das abgeleitete Rechte, die gegenüber dem Wirtschaftsteilnehmer nicht selbständig geltend gemacht werden dürfen. Aus Effektivitätserwägungen heraus mag die Kommission eigene Prüfungsbefugnisse in den Betrieben auch in den Bereichen, in denen sie die Kontrolltätigkeit der Mitgliedstaaten beaufsichtigt, für wünschenswert halten. 6 Solche eigenen Befugnisse stellen aber i m System der Kontrolle der Kontrolle einen Fremdkörper dar. Der EuGH hat dementsprechend entschieden, daß die nach der Verordnung Nr. 7 2 9 / 7 0 (jetzt Verordnung Nr. 1258/1999, EAGFL) inspizierenden Kommissionsbediensteten keine eigenen Probenahmerechte in den Betrie-
6
So die Auffassung der Kommission in der Rs. C-366/88 (Frankreich / Kommission), Slg. 1990,1-3595, Rn. 15.
280
Kap. 4: Wirtschafts tei lnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
ben, sondern lediglich die Funktionen der Mitgliedstaaten ergänzende Funktionen haben. 7 Zweitens haben die Mitgliedstaaten nur auf ihrem eigenen Territorium ein Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs gegenüber einem Wirtschaftsteilnehmer, der den Kontrollen Widerstand entgegensetzt. Das gilt insbesondere für die ansonsten autonomen Kommissionskontrollen und die Inspektionen der Mitgliedstaaten auf fremdem Territorium i m Rahmen der Herkunftslandaufsicht. Beim augenblicklichen Stand der Integration sind die Kommissionsbediensteten bzw. die Mitgliedstaatsbediensteten außerhalb ihres Hoheitsgebietes für die Durchsetzung ihrer Rechte mit unmittelbarem Zwang sowie für zwangsweise Durchsuchungen und Beschlagnahmen auf die Unterstützung der zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten angewiesen. Diese haben die Unterstützung unter Beachtung ihrer jeweiligen Verfahrensordnungen zu leisten. Drittens soll vorweg nochmals darauf hingewiesen werden, daß auch bei autonomen Inspektionsbefugnissen der Kommission die Sanktionierung von Verstößen i.d.R. eine Aufgabe der Mitgliedstaaten ist. Herausragende Ausnahme ist das Kartellrecht. Hier kann die Kommission selbst über die zu treffenden Folgemaßnahmen entscheiden, etwa über Verbots- oder Bußgeldentscheidungen. Aus diesem Auseinanderfallen von Sachverhaltsermittlungs- und Sanktionsbefugnissen dürfen den Wirtschaftsteilnehmern keine Nachteile erwachsen. Die Entwicklung eines kohärenten Systems von Grund- und Verfahrensrechten sowie Rechtsschutzmöglichkeiten hat dieser Aufgabenteilung sowohl bei der Durchführung als auch bei den Folgemaßnahmen Rechnung zu tragen.
B. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten Nach Art. 6 Abs. 1 E U V beruht die Union u. a. auf dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. 8 Nach Art. 6 Abs. 2 E U V achtet sie die Grundrechte wie sie in der E M R K gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. 9 Auch wenn der EuGH den Begriff der Rechtsstaatlichkeit nur selten verwendet, finden die diversen zum Schutz der Unionsbürger gegenüber der
ι EuGH, Rs. C-366/88 (Frankreich / Kommission), Slg. 1990,1-3595, Rn. 20; EuGH, Rs. C-55/91 (Italien/Kommission), Slg. 1993, 1-4813, Rn. 31. Näher dazu bereits oben Kap. 3 Α. I. 8 Zum Rechtsstaatsprinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht Hofmann in: ders./Marko / Merli / Wiederin, Rechtsstaatlichkeit in Europa, S. 321 ff. 9 Neben dieser Gewährleistung des Grundrechtsschutzes durch den EUV wurde auf dem EU-Gipfel von Nizza am 7. 12. 2000 die Charta der Grundrechte der Europäischen Union „feierlich proklamiert". Sie ist veröffentlicht im ABl. Nr. 364 v. 18. 12. 2000, S. 1; vgl. näher v. Bogdandy, JZ 2001, S. 157 ff.; Calliess, EuZW 2001, S. 261 ff. und (noch vor der Proklamation) Di Fabio, JZ 2000, S. 737 ff.
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
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Verwaltung entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätze doch ihre Wurzel in der Verfaßtheit der Gemeinschaft als RechtsGemeinschaft}* 0 Die Gemeinschaftsverträge enthalten keinen geschriebenen Grundrechtskatalog. Die Garantie von Grundund Verfahrensrechten gehört dennoch heute zum gesicherten Bestand des Gemeinschaftsrechts. 11 Die Inspektionen rufen in erster Linie die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung auf (unter II.) Der unter III. zu besprechende Grundbestand an Verfahrens- und Verteidigungsrechten ist hauptsächlich das Produkt einer EuGH-Rechtsprechung, die solche Rechte als allgemeine Rechtsgrundsätze im Wege wertender Rechtsvergleichung aus den gemeinsamen Traditionen der Mitgliedstaaten entwickelt hat. Angesichts der verschiedenen Ebenen, auf denen die Inspektionen vollzogen werden, ist vorweg allgemein die Bindungswirkung der erwähnten Grundsätze und die Wirkung, die sie i m gemeinschaftlichen und nationalen Verwaltungsvollzug entfalten können, zu klären (unter I.).
I. Einführung: Die Adressaten der Allgemeinen Rechtsgrundsätze und ihre Wirkung im gemeinschaftlichen und nationalen Verwaltungsvollzug Die Adressaten der Grund- und Verfahrensrechte der Gemeinschaft sind zunächst die Gemeinschaftsorgane selbst. Die Gewährleistungen sollen den Gemeinschaftsbürger vor unzulässigen Eingriffen der Gemeinschaftsorgane schützen, unabhängig davon, ob diese rechtsetzend oder vollziehend tätig werden. Damit sind zunächst die Gemeinschaftsinspektoren bei ihren Vollzugstätigkeiten vor Ort unmittelbar an die Grund- und Verfahrensrechte gebunden. Die Bindungswirkung bleibt allerdings nicht darauf beschränkt. Adressaten der gemeinschaftsrechtlichen Schutzverbürgungen können auch die Mitgliedstaaten sein. Die Frage, inwieweit auch die mitgliedstaatlichen Verwaltungen an die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden sind, war Gegenstand einer Reihe von EuGH-Entscheidungen. 12 Als Durchbruch dazu wird allgemein die Entscheidung in der Sache „ W a c h a u f ' 1 3 angesehen: Hier hat der Gerichtshof erstmals explizit zu den Erfordernissen des Grundrechtsschutzes in der Gemeinschaftsrechtsordnung Stellung genommen. In seiner zentralen Passage lautet das Urteil: 10 Zur Kennzeichnung der EG als Rechtsgemeinschaft vgl. Zuleeg, NJW 1994, S. 545 ff.; zum Grundrechtsschutz in der EG Sherlock, in: Harding / Swart, Enforcing European Community Rules, S. 43 ff. 11 Zum Grundrechtsschutz im europäischen Gemeinschaftsrecht vgl. nur die Zusammenstellungen von Rengeling, Grundrechtsschutz und Kokott, AöR 121 (1996), S. 599 ff. Siehe auch Bleckmann, Europarecht, Rn. 102 und Oppermann, Europarecht, Rn. 489 zur Geltung und Verpflichtungswirkung als allgemeine Rechtsgrundsätze. 12 Vgl. nur EuGH, verb. Rs. 60 und 61/84 (Cinéthèque), Slg. 1985, 2605; EuGH, Rs. 12/ 86 (Demirel), Slg. 1987, 3719; EuGH, verb. Rs. 201 und 202/85 (Klensch), Slg. 1986, 3477; EuGH, Rs. 5/88 (Wachauf), Slg. 1989, 2609. 13 EuGH, Rs. 5/88 (Wachauf), Slg. 1989, 2609.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
„ . . . ist festzustellen, daß eine gemeinschaftliche Regelung, die dazu führen würde, daß der Pächter nach Ablauf des Pachtverhältnisses entschädigungslos um die Früchte seiner Arbeit und der von ihm in dem verpachteten Betrieb vorgenommenen Investitionen gebracht würde, mit den Erfordernissen des Grundrechtsschutzes in der Gemeinschaftsrechtsordnung unvereinbar wäre. Da auch die Mitgliedstaaten diese Erfordernisse bei der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zu beachten haben, müssen sie diese, soweit irgend möglich, in Übereinstimmung mit diesen Erfordernissen anwenden." 14 Auch die Anwendbarkeit der sonstigen allgemeinen Rechtsgrundsätze auf mitgliedstaatliche Rechtshandlungen wird vom Gerichtshof bejaht. 1 5 Die Reichweite dieser Rechtsprechung und ihre Auswirkungen auf die Anwendung der nationalen Grundrechte und Verfahrensgarantien werden in der Literatur unterschiedlich interpretiert. Differenziert wird vor allem nach der Art der von den Mitgliedstaaten umzusetzenden und anzuwendenden Rechtsakte: In den vom EuGH entschiedenen Fällen handelte es sich um Verordnungen, die von den nationalen Behörden auf den Einzelfall anzuwenden waren. Zweifel werden bei den Richtlinien angemeldet, da dort die Verwaltungen erst aufgrund nationaler Umsetzungsakte handeln. 1 6 Die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH ist weniger eindeutig: Einerseits stellte er fest, daß das zur Durchführung einer Richtlinie erlassene Gesetz „unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden" sei. 1 7 Das spricht für die Anwendbarkeit auch der Gemeinschaftsgrundrechte. Andererseits gibt es aber auch Urteile, die eine restriktivere Interpretation nahelegen. So hielt der Gerichtshof i m Fall Cinéthèque 1 8 Art. 30 EGV zwar für einschlägig, lehnte aber die Überprüfung des die Warenverkehrsfreiheit beeinträchtigenden nationalen Gesetzes an den Maßstäben der Gemeinschafts-
14 EuGH, a. a. O., Rn. 19. 15 Ζ. B. EuGH, Rs. 2/78 (Kommission/Belgien), Slg. 1979, 1761, 1785 (Bindung der Mitgliedstaaten an das Verhältnismäßigkeitsprinzip); Bleckmann/Pieper, in: Dauses, HBEUWiR, B.I., Rn. 73; Ruffert, EuGRZ 1995, S. 518, 522 weist zutreffend daraufhin, daß wegen der Einordnung der Gemeinschaftsgrundrechte als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts dogmatisch nicht zwischen genuin grundrechtlichen Verbürgungen und sonstigen Verfahrensrechten zu differenzieren ist (ganz abgesehen davon, daß viele Verfahrensrechte einen grundrechtlich begründbaren Kern aufweisen); die geringere Akzeptanz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts bei den Grundrechten ist wohl in der Tat auf die besondere Sensibilität dieses Bereichs zurückzuführen (Ruffert, a. a. O., S. 527 zum Kompetenzkonflikt zwischen nationalem Verfassungsgericht und EuGH). A.A. Bieber/Beutler/ Ρipkorn/Streil, Europäische Union, S. 231 ff., 233, wonach es „unklar" erscheine, ob und inwieweit allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts geschriebene und ungeschriebene Regeln des nationalen Verwaltungsrechts verdrängen könnten. 16 Jürgensen/Schlünder, AöR 121 (1996), S. 200, 211 f. (mit umfassender Auswertung der EuGH-Rechtsprechung); vgl. auch Pernice /Kadelbach, DVB1. 1996, S. 1100, 1110 f. 17 EuGH, Rs. 14/83 (Colson und Kamann), Slg. 1984, 1891, Rn. 28. is EuGH, Rs. 60-61/84 (Cinéthèque), Slg. 1985, 2605 ff.
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
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grundrechte (bzw. der E M R K ) ab, da dieses zu einem Bereich gehöre, der in das Ermessen des nationalen Gesetzgebers falle. 1 9 Für eine möglichst weitgehende Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsstandards wird rechtsdogmatisch auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts verwiesen. 2 0 Dahinter steckt das rechtspolitische Anliegen, gemeinschaftsweit einen möglichst effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten. 21 Dagegen kritisieren die Gegner der weitreichenden Bindung der Mitgliedstaaten an die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts eine Überschreitung der Gemeinschaftskompetenzen. 22 Der Gemeinschaft fehle die Befugnis zur Normierung und Durchsetzung von Grundrechten in den Mitgliedstaaten. M i t seiner Rechtsprechung dehne der Gerichtshof den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts kompetenzwidrig aus. Dem kann entgegengehalten werden, daß der EuGH nationale Maßnahmen ausdrücklich nur, sofern sie in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, am Maßstab der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts mißt. Dann kann aber von Kompetenzüberschreitung keine Rede sein - es geht letztlich um die Gewährung des erforderlichen Grundrechtsstandards für Regelungen, die kompetenzgemäß Gegenstand des Gemeinschaftsrechts sein können. 2 3 Die aufgeworfene Frage nach der Reichweite der Bindungswirkung der allgemeinen Rechtsgrundsätze läßt sich ganz schulmäßig über die fest etablierte Figur des Anwendungsvorrangs 24 des Gemeinschaftsrechts lösen. Soweit die Mitgliedstaaten Gemeinschaftsrecht umsetzen und vollziehen, gilt der Anwendungsvorrang auch für den einzuhaltenden Standard bei der Gewährleistung der Grund- und Verfahrensrechte. Demzufolge ist nicht danach zu differenzieren, ob die mitgliedstaatlichen Verwaltungsbehörden ihren Inspektionsaufgaben auf der Basis von unmittelbar anwendbaren Verordnungen oder von Richtlinien, die erst noch ins nationale Recht umgesetzt werden müssen, nachgehen. 25 Es kommt allein darauf an, daß die 19 EuGH, a. a. O., Rn. 26. Zu dieser eher restriktiven Linie vgl. weiter EuGH Rs. 12/86 (Demirel), Slg. 1987, 3719, Rn. 28; Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991,1-2925, Rn. 42. 20 So ζ. B. Jürgensen/Schlünder, AöR 121 (1996), S. 200, 222; Temple Lang, Legal Issues of European Integration 1991/2, S. 23, 28 f.; ausführlich auch Bleckmann, Europarecht, Rn. 611 ff.
21 Ruffert, EuGRZ 1995, S. 518, 523. 22 Coppel/ O'Neill, CMLR 29 (1992), S. 669, 669 f. Genauso wenig stehe ihr eine Kompetenz zur Regelung des allgemeinen Verwaltungsrechts zu, so daß die vom EuGH betriebene Uniformisierung des Verwaltungsrechts die Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten gefährde, vgl. Schoch, JZ 1995, S. 109, 120 f.; ders. VB1BW 1999, S. 241, 250; von Danwitz, DVB1. 1998, S. 421, 429. 23 Für eine Koppelung bzw. Parallelität von (Verbands-)Kompetenz der Gemeinschaft und gemeinschaftsrechtlichem Grundrechtsschutz auch Jürgensen/Schlünder, AöR 121 (1996), S. 200, 222 ff.; im Ergebnis auch Bleckmann, Europarecht, Rn. 618. 24 Dazu allgemein Stettner in: Dauses, HbEUWiR, Α. IV., Rn. 39 ff.; Oppermann, Europarecht, Rn. 632 ff. 25 Zu einer Differenzierung zwischen Richtlinien- und Verordnungsrecht tendieren Jürgensen/Schlünder, AöR 121 (1996), S. 200, 211 f.; für einen Vorrang der EG-Grundrechts-
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
Gemeinschaft „gleichsam als Miturheber der mitgliedstaatlichen Rechtshandl u n g " 2 6 erscheint. In allen Fällen, in denen die Mitgliedstaaten das Gemeinschaftsverwaltungsrecht anwenden, kommt der Gewährleistung eines einheitlichen Schutzstandards besonderes Gewicht zu. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze haben damit im direkten wie im indirekten Vollzug als Auslegungs- und Prüfungsdirektiven Maßstabsfunktion auch für das innerstaatliche Verwaltungsrecht. 27 Die nationalen und die europäischen Grundrechts- und Verfahrensanforderungen unterliegen somit in der praktischen Anwendung wechselseitigen Einwirkungen und Verschränkungen: 28 - Wenn die Mitgliedstaaten das Gemeinschaftsrecht vollziehen, geben die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und die Gemeinschaftsgrundrechte einen europarechtlichen Mindeststandard vor, der gegebenenfalls die nationalen Rechte überlagert. 29 - Daneben bleiben die nationalen Verwaltungsorgane an die Vorgaben ihrer Verfassungen gebunden. 30 Ein eventuell höherer Standard auf nationaler Ebene führt zu einem doppelten Schutz der Unionsbürger. 31 Die nationalen Verfahrensund Grundrechtsstandards können u.U. dann unanwendbar sein, wenn sie mit dem EG-Recht nicht vereinbar sind, insbesondere also dann, wenn sie die effiziente Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts unmöglich machen oder übermäßig erschweren. 32 standards auch bei der Umsetzung von Richtlinien Pernice /Kadelbach, DVB1. 1996, S. 1100, 1111. 26 Ruffert, EuGRZ 1995, S. 518, 527. 27 So im Ergebnis auch Wittkopp, Sachverhaltsermittlung, S. 68 ff.; Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 147 f.; Kahl, DV 29 (1996), S. 341, 352; Rengeling, VVDStRL 53 (1994), S. 202, 227; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 53 ff.; etwas zurückhaltender Sommer, Administrative Informationsverfahren, Teil 6 Kap. 1 A.II. (Die Allgemeinen Rechtsgrundsätze seien auch von den Mitgliedstaaten bei der formellen Umsetzung und tatsächlichen Durchführung des Gemeinschaftsrechts zu beachten, sofern im nationalen Recht keine funktional äquivalente Regelung zu finden sei). 28 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann/Röhl, EuR Beih. I 1997, S. 87, 111; Pernice /Kadelbach, DVB1. 1996, S. 1100, 1103 ff.; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 51 ff. 29 Von Ruffert, EuGRZ 1995, S. 518, 528 ausdrücklich als vermittelnde und den Anforderungen des Subsidiaritätsgrundsatzes genügende Lösung bezeichnet: Bei der Interpretation als Mindeststandard werde die mitgliedstaatliche Bindung nur in den Fällen aktiviert, in denen der nationale Grundrechtsschutz nicht hinreichend sei. Im Normalfall bleibe der mitgliedstaatliche Grundrechtsschutz vorrangig. Zur Bedeutung der Allgemeinen Rechtsgrundsätze als „konkretisiertes Primärrecht" Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 143; Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, S. 924, 927 und Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Band I, S. 57 ff. 30 Die deutschen Verwaltungsbehörden haben also nach Art. 1 Abs. 3 GG die nationalen Grundrechte zu beachten. 31 Jürgensen/Schlünder, AöR 121 (1996), S. 200, 223.
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
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- In vielen Vorschriften, die den Kommissionskontrolleuren Eingriffsrechte zubilligen, wird gleichzeitig eine Bindung an das jeweilige nationale Verfahrensrecht normiert. Auch diese Verpflichtung zur Einhaltung des nationalen Rechts ist allerdings wieder in den Zusammenhang der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zu stellen.
II. Die Wahrung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung Inspektionen durch mitgliedstaatliche oder Kommissionsbedienstete finden bei den Wirtschaftsteilnehmern statt. Die Kontrollbediensteten begeben sich vor Ort und betreten dabei Betriebsgelände, Grundstücke und Betriebsgebäude, um dort ihre Aufgaben wahrzunehmen. In Anlehnung an die Unterscheidung i m deutschen Recht kann zwischen Betretungs- und Durchsuchungsbefugnissen unterschieden werden (unter 1. und 2.).
1. Betretungsrecht und Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung Ein Kernelement der Inspektionen vor Ort sind die den Kontrollbeamten eingeräumten Betretungsrechte: U m die Kontrollen und Überprüfungen durchführen zu können, müssen die Wirtschaftsteilnehmer den Zugang zu den Räumlichkeiten, Grundstücken, Verkehrsmitteln und sonstigen gewerblich genutzten Ortlichkeiten dulden bzw. ermöglichen. So unerläßlich dieses Betretungsrecht für die Durchführung einer effektiven Wirtschaftsaufsicht ist, stellt es doch eine gravierende Beeinträchtigung der Rechte der Unternehmen dar. 3 3 Sein Umfang und seine Grenzen müssen daher sorgfältig bestimmt, Nutzen und Beeinträchtigung gegeneinander abgewogen werden. Die konkrete Ausgestaltung der jeweiligen Inspektionsbefugnisse muß sich an den Anforderungen messen lassen, die sich direkt oder indirekt aus den Grundrechten ergeben.
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Ausführlich und mit weiteren Nachweisen zu diesem sog. Vereitelungsverbot Wittkopp, Sachverhaltsermittlung, S. 70 ff.; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Band 1, S. 621 ff. Kurz auch von Bogdandy in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 5, Rn 45, 46; Classen, DV 31 (1998), S. 307, 308 f.; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 58 ff.; Suerbaum, VerwArch 91 (2000), S. 169, 176 f. Zur Kritik an der Rechtsprechung des EuGH, der die Verbotsformel zunehmend als Wirksamkeitsgebot praktiziert, vgl. Schmidt-Aßmann in: Müller-Graff, Perspektiven des Rechts, S. 131, 141 ff. und von Danwitz, DVB1. 1998, S. 421, 428 f., 431 f.; befürwortend dagegen Biaggini, Verwaltungsrecht im Bundesstaat, S. 338. 33 Umfassend, auch rechtsvergleichend Gumbel, Grundrechte im EG-Kartellverfahren, S. 86 ff.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen a) Ein europäisches Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung
In seinen sog. Kunststoffkartell-Urteilen hat der EuGH ausdrücklich festgestellt, daß das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung „als ein dem Recht der Mitgliedstaaten gemeinsamer Grundsatz zwar für die Privatwohnung natürlicher Personen anzuerkennen ist, nicht aber für Unternehmen, da die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in bezug auf Art und Umfang des Schutzes von Geschäftsräumen nicht unerhebliche Unterschiede aufweisen". 3 4 Es wurde zu Recht kritisiert, daß es sich bei dieser Formulierung eher um eine Feststellung als um eine Begründung handelt und daß es Bedenken begegnet, allein aus dieser Tatsache zu schließen, in der Gemeinschaftsrechtsordnung sei ein grundrechtlicher Schutz von Geschäftsräumen nicht anzunehmen. 35 Auch die weiteren Ausführungen des EuGH, nach denen sich auch aus Art. 8 E M R K nichts anderes ergebe, da dieser Artikel die freie Entfaltung der Persönlichkeit betreffe und daher keinen Schutz für Geschäftstätigkeiten und -räume bieten könne, 3 6 wurden in der Literatur heftig kritisiert. 3 7 Inzwischen hat der E G M R ausdrücklich anders entschieden: I m Urteil Niemetz 3 8 sah er unter Betonung der Natur des freien Berufs die Geschäftsräume einer Rechtsanwaltskanzlei als vom Schutzbereich des Art. 8 E M R K umfaßt an. 3 9 Allerdings wurde auch in der Niemetz-Entscheidung der personale Aspekt des Grundrechtsschutzes besonders betont: Nur wenn wie i m konkreten Fall der Ausübung eines freien Berufes persönliche und berufliche Sphäre eng miteinander verzahnt sind, erstreckt sich auch der Schutz des Art. 8 E M R K auf beides. 4 0 Ausdrücklich anerkannt hat der EuGH in den Kunststoffkartell-Urteilen stattdessen das Erfordernis eines Schutzes vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung jeder natürlichen oder juristischen Person. So bedürften solche Eingriffe in allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten einer Rechtsgrundlage und müßten aus den gesetzlich vorgesehenen Gründen gerechtfertigt sein. 4 1 Der Gerichtshof hat damit gewissermaßen einen Gesetzesvorbehalt für 34 EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2859, Rn. Π Ι 9; EuGH, verb. Rs. 97 bis 99/87 (Dow Chemical Ibèrica/Kommission), Slg. 1989, 3181, Rn. 14 ff.; vgl. auch schon EuGH, Rs. 136/79 (National Panasonic/Kommission), Slg. 1980, 2033, Rn. 19 f.; vgl. zum Ganzen auch Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 120 f. 35 So Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 121. 36 EuGH a. a. O. (Fn. 33). 37 Vgl. nur Kulka, DB 1989, S. 2115 f.; Scholz, WuW 1990, S. 99, 101. 38 EGMR, EuGRZ 1993, 65 ff. Bereits vorher hatte der EGMR im Fall Chappell / Vereinigtes Königreich (Urt. v. 30. 3. 1989, Série A Nr. 152-A, Rn. 26 und 51) eine Beeinträchtigung von Art. 8 EMRK angenommen, als eine Durchsuchung eines Hauses stattgefunden hatte, in dem sich sowohl die Betriebs- als auch die Wohnräume des Beschwerdeführers befanden und jedenfalls auch Wohnräume durchsucht worden waren. 39 Ausführlicher zur Achtung der Wohnung nach Art. 8 EMRK vgl. F row ein in: Frowein/ Peukert, EMRK, Art. 8, Rn. 28 ff. 40 Vgl. näher Arnold, EuR Beiheft 1 / 1995, S. 7, 18.
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
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staatliche Eingriffe als Schutz gegen willkürliche oder unverhältnismäßige Eingriffe statuiert. 42 Die den Kommissionsbediensteten eingeräumten Betretungsbefugnisse müssen damit dem Zweck der jeweiligen Rechtsgrundlage entsprechen. So dient ζ. B. die Ausübung der der Kommission in der Verordnung Nr. 17 übertragenen Befugnisse der Aufrechterhaltung der vom Vertrag gewollten Wettbewerbsordnung. Wie sich aus dem siebten und achten Erwägungsgrund zur Verordnung Nr. 17 ergibt, sollen die der Kommission in Art. 14 der Verordnung übertragenen Befugnisse ihr die Erfüllung des ihr erteilten Auftrags ermöglichen, über die Beachtung der Wettbewerbsregeln i m Gemeinsamen Markt zu wachen. 4 3 Dem Recht, alle Räumlichkeiten, Grundstücke und Transportmittel der Unternehmen zu betreten, kommt insofern besondere Bedeutung zu, als es der Kommission damit ermöglicht werden soll, das Beweismaterial für Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln an den Orten zu sammeln, an denen es sich normalerweise befindet, d. h. in den Geschäftsräumen der Unternehmen. 4 4 Auch die Betretungsrechte der Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung) sind i m Zusammenhang mit der Zielsetzung der Verordnung zu sehen. Zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft und zur Wahrung ihrer Glaubwürdigkeit ist eine verstärkte Bekämpfung von Betrug und Unregelmäßigkeiten unerläßl i c h . 4 5 Andererseits dürfen die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort nicht über das Maß hinausgehen, das notwendig ist, um eine ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. 46 Die Kommission darf Kontrollen und Überprüfungen vor Ort nicht nach Gutdünken, sondern nur durchführen, - „um schwerwiegende oder grenzüberschreitende Unregelmäßigkeiten oder Unregelmäßigkeiten, an denen in mehreren Mitgliedstaaten handelnde Wirtschaftsteilnehmer beteiligt sein könnten, aufzudecken; - um Unregelmäßigkeiten aufzudecken, wenn es sich aufgrund der Lage in einem Mitgliedstaat in einem Einzelfall als erforderlich erweist, die Kontrollen und Überprüfun41 EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2859, Rn. 19; EuGH, verb. Rs. 97 bis 99/87 (Dow Chemical Ibèrica/Kommission), Slg. 1989, 3181, Rn. 16. 42 Vgl. zu dieser Einordnung als gemeinschaftsrechtlicher Gesetzesvorbehalt Kamburoglou/Pirrwitz, RIW 1990, S. 263, 265. 43 EuGH, Rs. 136/79 (National Panasonic), Slg. 1980, 2033, Rn. 20; EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2859, Rn. 25; EuGH, verb. Rs. 97 bis 99/87 (Dow Chemical Ibèrica/Kommission), Slg. 1989, 3181, Rn. 22. 44 EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2859, Rn. 26; EuGH, verb. Rs. 97 bis 99/87 (Dow Chemical Ibèrica /Kommission), Slg. 1989, 3181, Rn. 23. 45 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 1 der Verordnung Nr. 2185/96 (KontrollVerordnung). 46 So ausdrücklich Erwägungsgrund Nr. 8 der Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). Erwägungsgrund Nr. 12 bestimmt, daß die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort unter Wahrung der Grundrechte der betreffenden Personen sowie unter Einhaltung der Vorschriften für das Amtsgeheimnis und den Schutz personenbezogener Daten durchzuführen sind.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen gen vor Ort zu verstärken, um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen zu erreichen und somit die Interessen innerhalb der Gemeinschaft in gleichem Umfang zu schützen;
- wenn der betreffende Mitgliedstaat dies beantragt." 47 Damit haben die Vorgaben aus der Rechtsprechung des EuGH - gesetzliche Grundlage und Willkürschutz - ausdrücklich in die Kontrollverordnung Eingang gefunden. Da das Betretungsrecht wie oben bereits dargelegt, dazu dient, Beweismaterial an den Orten zu sammeln, an denen es sich normalerweise befindet, kann dieses Recht sehr weitgehend sein. Die Kommissionsbediensteten müssen sich nicht damit begnügen, daß ihnen die angeforderten Unterlagen etwa in einem Konferenzraum nach und nach vorgelegt werden. 4 8 Das Betretungsrecht ist auch nicht nur auf bestimmte Gebäudekomplexe, wie etwa das Verwaltungsgebäude, beschränkt. Die Inspektoren können vielmehr alle von ihnen bezeichneten Räume betreten und sich den Inhalt der von ihnen angegebenen Möbel zeigen lassen. 49 Rechtfertigung für derart weitgehende Befugnisse ist die Effizienz der Nachprüfung: Ein nur eingeschränktes Betretungsrecht würde i m Zweifel die Nachprüfung insgesamt sinnlos und damit die Uberwachungsaufgabe der Kommission nach dem Vertrag unerfüllbar werden lassen. 50
b) Vorgaben aus dem deutschen Verfassungsrecht: Art. 13 und Art. 2 GG Wenn die nationalen Verwaltungsbeamten Inspektionen nach gemeinschaftlichem Verordnungsrecht oder in nationales Recht umgesetzten Richtlinien durchführen, üben sie dennoch nationale Hoheitsgewalt aus. Sie bleiben damit wie oben bereits angeführt, grundsätzlich an die nationalen Grundrechte gebunden. Nach deutschem Verfassungsrecht wird durch Art. 13 Abs. 1 GG die Unverletzlichkeit der Wohnung gewährleistet. Es handelt sich um ein gegen die Träger der öffentlichen Gewalt gerichtetes Abwehrrecht zum Schutz der räumlichen Privatsphäre. 51 47 Art. 2 Verordnung Nr. 2185/96 (KontrollVerordnung). Näher zu dem so umrissenen Anwendungsbereich der Verordnung Kühl/Spitzer, EuZW 1998, S. 37, 39 f. 48 Pernice in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, nach Art. 87 EGV Verordnung Nr. 17 (Art. 14), Rn. 19; Burrichter/Hauschild in: Immenga / Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Verordnung Nr. 17, Rn. 17; a.A. Gleiss/Hirsch, Art. 14 Verordnung Nr. 17, Rn. 36. 49 EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2859, Rn. 31. 50 Pernice in: Grabitz /Hilf, EUV/EGV, nach Art. 87, Verordnung Nr. 17 (Art. 14), Rn. 20. Diese Effektivitätserwägungen in Rechtsprechung und Literatur wurden mit Blick auf die Verordnung Nr. 17 angestellt. Sie sind aber sinngemäß auf die autonomen Kontrollbefugnisse der Kommission in anderen Bereichen zu übertragen: Soll diese die ihr jeweils zugewiesenen Aufgaben erfolgreich erfüllen, bringt ihr ein nur eingeschränktes Betretungsrecht nichts.
51 Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 13, Rn. 1; BVerfGE 65, 1, 40.
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
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(1) Schutzbereich Soweit es um das behördliche Betreten von Privatwohnungen geht, 5 2 werden diese unproblematisch vom Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 umfaßt. Bei den hier besprochenen Inspektionen handelt es sich jedoch meistens um solche, die in Betriebs- und Geschäftsräumen stattfinden. Diese werden dem ersten Anschein nach von dem Begriff „Wohnung" nicht umfaßt. Daß sich der Schutz von Art. 13 Abs. 1 GG auch auf Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume erstreckt, kann jedoch als gefestigte Ansicht gelten. 5 3 Das Bundesverfassungsgericht weist in ständiger Rechtsprechung darauf hin, daß der Begriff der „Wohnung" in Art. 13 Abs. 1 GG weit auszulegen ist. Dafür sprechen sowohl historische als auch teleologische Argumente. Bereits i m Geltungsbereich der Preußischen Verfassung und der Weimarer Reichsverfassung war diese weite Auslegung einhellige Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum. 5 4 Geschäfts- und Betriebsräume gehören zum Bereich der individuellen Freiheitssphäre des Bürgers. 55 Nur diese weite Auslegung fügt sich sinnvoll in die Grundsätze ein, die das Bundesverfassungsgericht zur Interpretation des Grundrechts der Berufsfreiheit entwickelt habe. Wenn i m Rahmen des Art. 12 GG die Berufstätigkeit als ein wesentliches Stück der Persönlichkeitsentfaltung gesehen und ihr deshalb i m Rahmen der individuellen Lebensgestaltung des einzelnen ein besonders hoher Rang zuerkannt wird, so ist es nur folgerichtig, dem räumlichen Bereich, in dem sich diese Arbeit vorwiegend vollzieht, einen entsprechend wirksamen rechtlichen Schutz angedeihen zu lassen. 56
(2) Eingriff Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellen behördliche Betretungs- und Besichtigungsrechte in Räumen, die nicht auch zu privaten Zwekken genutzt werden, aber keinen Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG dar. 5 7 Bei prinzipieller Einbeziehung auch der Geschäfts- und Betriebsräume in den Schutzbereich des Art. 13 GG sei doch das Schutzbedürfnis bei den insgesamt der „räumlichen Privatsphäre" zuzuordnenden Räumen verschieden groß. Geschäfts- und Betriebsräume seien nach ihrer Zweckbestimmung zur Aufnahme sozialer Kontakte bestimmt; der Inhaber entlasse sie damit in gewissem Umfang aus der privaten Intim-
52 Voßkuhle, DVB1. 1994, S. 611, 612 nennt als Beispiele Aktivitäten im Bereich der Bauoder der Umweltaufsicht. 53 Vgl. mit ausführlichen Nachweisen Voßkuhle, DVB1. 1994, S. 611, 612 f.; Ruthig, JuS 1990, S. 506, 509. Kritisch Lübbe-Wolff, DVB1. 1993, S. 762, 763: „Der allgemeine Sprachgebrauch subsumiert Fabrikhallen nicht unter den Begriff der Wohnung". 54 BVerfGE 32, 54, 69. 55 Vgl. BVerfGE 32, 54, 68 ff.; E 42, 212, 219; E 44, 353, 371; E 76, 83, 88; E 96, 44, 51; E 97, 228, 265. 56 BVerfGE 32, 54, 71. 57 BVerfGE 32, 54, 75 ff.; ähnlich Ruthig, JuS 1998, S. 506, 509 f. 19 David
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
Sphäre, zu der die Wohnung i m engeren Sinne gehöre. Durch diese größere Offenheit nach außen werde das Schutzbedürfnis des Inhabers gemindert. In dem bloßen Betreten der Räume durch Behördenbeauftragte werde der Betriebsinhaber i m allgemeinen eine Beeinträchtigung seiner Grundrechte nicht erblicken. Die an die gesetzliche Normierung von Betretungs- und Besichtigungsrechten zu stellenden Anforderungen ergäben sich mithin allein aus Art. 2 GG (gesetzliche Ermächtigungsgrundlage) i m Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Soweit diese Anforderungen eingehalten würden, liege ein Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG nicht vor. Folgt man der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und sieht die Betretungs- und Besichtigungsrechte als Annex behördlicher Uberwachungsund Kontrollbefugnisse, die nicht auf die durch Art. 13 GG geschützte Privatheit, sondern auf das nach außen gerichtete gewerblich-berufliche Verhalten des Inhabers gerichtet sind, so sind diese jedenfalls nicht am Grundrecht des Art. 13 GG zu messen. Hauptkritikpunkt an dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist, daß bei dieser Argumentationsweise die Fragen nach dem Umfang des Schutzbereichs, nach einem Eingriff und nach dessen Rechtfertigung nicht konsequent voneinander getrennt werden. Voßkuhle 59 hat die gegen die Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts vorzubringenden Einwände pointiert dargestellt. 60 - Vor dem Hintergrund des Eingriffs lasse sich nicht begründen, warum dieselbe hoheitliche Tätigkeit (Besichtigen und Betreten) einmal in den Schutzbereich eingreifen solle und einmal nicht. Überlegungen zur grundsätzlichen Schutzwürdigkeit einer Situation oder Handlung gehörten zur Konturierung des Schutzbereichs, nicht zu der Frage nach einem Eingriff in diesen Schutzbereich. - Die Ebenen Eingriff und Rechtfertigung müßten strikt voneinander getrennt werden: Das Argument der Funktionsfähigkeit der Wirtschaftsaufsicht könne nicht zur Bestimmung des Eingriffs herangezogen werden, es ziele seiner Natur nach auf die Rechtfertigung einer Eingriffshandlung. Ebenso enthebe man die speziellen Eingriffsermächtigungen der Art. 13 Abs. 2 und 3 ihres Sinnes, wenn man sie, wie das BVerfG, zur Bestimmung des Eingriffs mit heranziehe. - Schließlich sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Nichtbeachtung aus Art. 2 Abs. 1 GG entwickelter Zulässigkeitskriterien zu einem Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG führen solle. Das erscheint überzeugend. Geht man mit dem Bundesverfassungsgericht davon aus, daß die Geschäfts- und Betriebsräume dem Schutzbereich des Art. 13 58 Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 13, Rn. 15. 59 DVB1. 1994, S. 611, 613; kritisch (für die Betretungsrechte der Lebensmittelüberwachung) auch Gorny, ZLR 1990, S. 115, 120 ff. 60 Deutlich auch Lübbe-Wolff, DVB1. 1993, 762, 764: „Grundrechtsdogmatisch ist, wie gesagt, diese ganze Konstruktion ein Kuriosum, weil sie in Umkehrung der üblichen dogmatischen Regeln von einer Prüfung der jeweils einschränkenden Normen abhängig macht, was überhaupt als Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts gelten soll."
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Abs. 1 GG unterfallen, ist eine dogmatisch konsistente Lösung nur nach Maßgabe der Abs. 2 bis 7 möglich. Auch die Betretungs- und Nachschaurechte müssen dann der dort aufgestellten Schrankensystematik genügen. 61 Insofern kommt es darauf an, ob die Handlungen der Aufsichtsbehörden als Durchsuchungen einzuordnen sind oder nicht. Liegt eine Durchsuchung vor, greift Art. 13 Abs. 2 GG als lex specialis ein [dazu unter 2. b)]. Eingriffe, die keine Durchsuchung darstellen, müssen den Zwecken des Art. 13 Abs. 7 GG entsprechen [dazu nachfolgend unter ( 3 ) ] . 6 2
(3) Rechtfertigung Die Zulässigkeit von Betretungs- und Nachschaurechten, mit denen keine Durchsuchungshandlungen verbunden sind, beurteilt sich aufgrund der dargelegten Schrankensystematik abschließend nach Art. 13 Abs. 7 2. Alt. GG: Sie müssen der „Verhütung einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" dienen. Nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts wäre die Subsumtion von Nachschaumaßnahmen i m Rahmen der Wirtschafts-, Arbeits- und Steueraufsicht eine nicht mehr vertretbare „Uberdehnung des Anwendungsbereichs" des Abs. 3 (jetzt Abs. 7 ) . 6 3 Versteht man den Begriff der „dringenden Gefahr" allerdings richtigerweise in einem qualitativen, nicht in einem temporären Sinne, so können auch die behördlichen Nachschaurechte darunter fallen. Unter einer dringenden Gefahr ist dann eine Gefahr zu verstehen, aus der sich Schäden für besonders wichtige Rechtsgüter oder in besonders großem Ausmaß ergeben können. 6 4 Nur der präventive Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter rechtfertigt damit Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung. Als Anhaltspunkt dafür, welche Gemeinschaftsgüter darunter fallen, kann die vom Bundesverfassungsgericht zu Art. 12 Abs. 1 GG entwickelte sog. Stufenlehre herangezogen werden: In dieser Rechtsprechung sind Rechtsgüter wie die Gesundheit der Bevölkerung oder die Erhaltung einer menschenwürdigen Umwelt als überragend wichtige Gemeinschaftsgüter anerkannt worden, die auch objektive Berufszulassungsbeschränkungen rechtfertigen. Der Schutz dieser Güter legitimiert auch Eingriffe in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Rechtsverletzungen, Mängel und Nachlässigkeiten i m Betrieb von Wirtschaftsunternehmen können zu schweren Gesundheits- oder Umweltschäden führen. Die Kontrolle der einschlägigen Sicherheitsvorschriften durch Inspektionen vor Ort
61 So auch LUbbe-Wolß DVB1. 1993, 762, 764; Voßkuhle, DVB1. 1994, 611, 613 ff.; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rn. 890. 62 Unentschieden zur Frage der Zulässigkeit von Eingriffen außerhalb der in Art. 13 Abs. 2 und 7 geregelten Voraussetzungen BVerfGE 75, 318, 328. Ausdrücklich ablehnend Voßkuhle, DVB1. 1994, S. 611, 615. 63 BVerfGE 32, 54, 74. 64 Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse, S. 157. 19*
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wird daher i.d.R. die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 7 GG erfüllen. 6 5 Das gleiche gilt für Kontrollen mit der Zielsetzung der Betrugsbekämpfung: Der Schutz der staatlichen Finanzen vor Fehlzahlungen und unberechtigter Vorenthaltung von Abgaben ist für die Allgemeinheit von besonderer Wichtigkeit.
c) Vergleich der Anforderungen Legt man die referierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur grundrechtlichen Relevanz der Betretungs- und Nachschaurechte zugrunde, so gewähren das Gemeinschaftsrecht und das deutsche Verfassungsrecht i m Ergebnis ein vergleichbares Schutzniveau. Das Recht der Inspektionsbediensteten, Grundstücke und Geschäftsräume zu betreten, berührt nach der Rechtsprechung des EuGH nicht den Schutzbereich des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Nach der wie gesehen fragwürdigen, aber doch i m Moment den einfachrechtlichen Nachschaubefugnissen des deutschen Rechts zugrundeliegenden Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts fehlt es an einem Eingriff in den Schutzbereich des Art. 13 GG. M i t dem Erfordernis einer Rechtsgrundlage und der Rechtfertigung der Eingriffsbefugnisse aus den gesetzlich vorgesehenen Gründen (EuGH) bzw. den Anforderungen aus Art. 2 GG (gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, Verhältnismäßigkeit - BVerfG) legen beide Gerichte letztlich vergleichbare Standards zugrunde. 66 Die Kritik der deutschen Literatur, der EuGH unterlaufe das deutsche Grundrechtsniveau, ist damit unbegründet, soweit man sich an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientiert. Bei der hier vertretenen Anwendung der Schranken des Art. 13 Abs. 7 GG müssen die Nachschaurechte der Verhütung einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dienen. Insoweit stellt das deutsche Verfassungsrecht engere Voraussetzungen auf, die aber wohl nicht zu unüberbrückbaren Gegensätzen führen dürften. Zum einen dienen auch die Inspektionen aufgrund EG-Rechts i.d.R. dem Schutz wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit, wie ζ. B. der Gesundheit der Bevölkerung oder öffentlicher Finanzinteressen. Zum anderen schließt das Gemeinschaftsrecht ein höheres nationales Schutzniveau j a nicht per se aus. Etwas höhere Eingriffsschranken i m nationalen Recht führen kaum dazu, daß der Vollzug des Gemeinschaftsrechts unmöglich gemacht wird. Führen die Mitgliedstaaten Inspektionen aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben durch, führt damit 65 So auch Voßkuhle, DVB1. 1994, S. 611, 617; Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse, S. 159; Figgener, Betretungsrechte und Nachschaubefugnisse, S. 119 ff.; dezidiert Gorny, ZLR 1990, S. 115, 125: „Selbstverständlich ist das durch eine unzureichende Betriebshygiene verursachte Inverkehrbringen salmonellenverseuchten Milchpulvers eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung." 66 Zu diesem Ergebnis kommen auch Kamburoglou/Pirrwitz, RIW 1990, S. 263, 270: Die in Form eines Betretungsrechts gegebenen Nachprüfungsrechte der Kommission nach Art. 14 Abs. 2 Verodnung Nr. 17 entsprechen somit der „routinemäßigen Nachschau" des deutschen Rechts.
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auch der Effektivitätsgrundsatz nicht zu einer Minderung des durch Art. 13 GG gewährten Grundrechtsschutzes. Deutliche Unterschiede sind allerdings zu verzeichnen, wenn man sich die Frage nach einem Durchsuchungsrecht und den dabei zu beachtenden Verfahrensanforderungen stellt. Ein dem Art. 13 Abs. 7 GG entsprechendes Erfordernis einer vorherigen richterlichen Anordnung für Durchsuchungen gibt es nämlich i m Gemeinschaftsrecht nicht. U m diese Problematik geht es i m folgenden Abschnitt.
2. Durchsuchungen In vielen nationalen Rechtsordnungen sind Durchsuchungen mit besonderen Sicherungsmechanismen zum Schutz der Betroffenen versehen. I.d.R. ist das der Richtervorbehalt, mit dem eine vorherige Rechtmäßigkeitskontrolle sichergestellt werden soll. 6 7 Wenn Inspektionen als Durchsuchungen einzuordnen sind, stellt sich die Frage, inwieweit diese Sicherungsmechanismen auch auf sie angewendet werden müssen. Sowohl für die Kommissionsinspektionen als auch für die Inspektionen der Mitgliedstaaten ist allerdings angesichts der Vielfalt der mit ihnen verbundenen Eingriffsbefugnisse eine eindeutige Qualifikation als Durchsuchung kaum möglich. Für die europäische Ebene kommt erschwerend hinzu, daß es für das Gemeinschaftsrecht noch keinen etablierten Durchsuchungsbegriff gibt.
a) Die Ebene des Gemeinschaftsrechts Vor allem die weitgehenden Betretungsrechte für Kommissionsbedienstete i m Rahmen der Kartellaufsicht wurden verschiedentlich als Durchsuchungsrecht qualifiziert: Die der Kommission zukommenden Befugnisse stellten eine dem Durchsuchungsrecht i m deutschen Recht vergleichbare Befugnis dar. 6 8 Schon diese Bezugnahme auf das nationale Recht zeigt: A u f europäischer Ebene gibt es noch keinen einheitlichen Durchsuchungsbegriff (1). Ebensowenig existiert das Institut einer europäischen Durchsuchungsanordnung (2). Unter Umständen kommen aber 67
Im deutschen Verfassungsrecht ist das Erfordernis einer richterlichen Anordnung für Durchsuchungen verfassungsrechtlich in Art. 13 Abs. 2 GG verankert, einfachgesetzliche Ausprägungen ζ. B. in § 59 Abs. 4 GWB, § 210 Abs. 2 S. 2 AO. Auch Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien kennen vergleichbare Richtervorbehalte. Nach der griechischen Verfassung dürfen Durchsuchungen der Wohnung nur in Anwesenheit von Vertretern der rechtsprechenden Gewalt vorgenommen werden, wobei allerdings Geschäftsräume juristischer Personen nur einen abgeschwächten Schutz genießen; siehe im übrigen die rechtsvergleichende Übersicht bei Dalimann, Nachprüfung und Richtervorbehalt, S. 72 ff. 68 So für die Kommissionsbefugnisse nach der Verordnung Nr. 17 von Winterfeld, RIW/ AWD 1981, S. 804; Sedemund in: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht im Werden, S. 45, 60; vgl. ausführlich Nockelmann, Durchsuchungsrecht, S. 82 ff. Für die Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung) Ulrich, EWS 2000, S. 137, 143.
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bei der Durchführung von Inspektionstätigkeiten die entsprechenden nationalen Richtervorbehalte zum Tragen (3).
( 1 ) Fehlen eines europäischen Durchsuchungsbegriffs In keiner der Inspektionsvorschriften, die den Kommissionsbeamten autonome Kontrollbefugnisse bei Wirtschaftsteilnehmern einräumen, ist ausdrücklich von einem Durchsuchungsrecht die Rede. Die Betretungs- und Besichtigungsrechte der Kommissionsbediensteten in den einschlägigen EG-Rechtsakten können aber sehr weitreichend sein. Unter Rückgriff auf Funktions- und Effektivitätserwägungen hat der Gerichtshof die Kommissionsbefugnisse nach Art. 14 der Verordnung Nr. 17 weit ausgelegt: „Dieses Betretungsrecht (nach Art. 14 Verordnung Nr. 17) wäre nutzlos, wenn sich die Bediensteten der Kommission darauf beschränken müßten, die Vorlage von Unterlagen oder Akten zu verlangen, die sie schon vorher genau bezeichnen können. Ein solches Recht impliziert vielmehr auch die Befugnis, nach anderen Informationsquellen zu suchen, die noch nicht bekannt oder vollständig bezeichnet sind. Ohne eine solche Befugnis wäre es der Kommission unmöglich, die für die Nachprüfung erforderlichen Informationen einzuholen, falls die betroffenen Unternehmen die Mitwirkung verweigern oder eine obstruktive Haltung einnehmen."69 Es spricht viel dafür, diese Überlegungen auf die Befugnisse nach der Verordnung Nr. 2185/96 zu übertragen: Auch hier kann man argumentieren, daß die Kontrollen vor Ort nur dann die ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherstellen können, wenn den OLAF-Beamten auch die Befugnis eingeräumt ist, nach nicht oder nicht vollständig bekannten Informationsquellen zu suchen. 7 0 I m Anschluß an diese grundlegende Aussage unterscheidet der Gerichtshof danach, ob die Nachprüfung unter Mitwirkung des betroffenen Unternehmens - sei es freiwillig, sei es aufgrund einer aus einer Nachprüfungsentscheidung resultierenden Verpflichtung - oder gegen den Widerstand des Unternehmens erfolgt. Leistet das Unternehmen keinen Widerstand, „haben die Bediensteten der Kommission u. a. das Recht, sich die von ihnen angeforderten Unterlagen vorlegen zu lassen, die von ihnen bezeichneten Räume zu betreten und sich den Inhalt der von ihnen angegebenen Möbel zeigen zu lassen. Dagegen können sie sich nicht gewaltsam Zugang zu Räumen oder Möbeln verschaffen oder die Beschäftigten des Unternehmens zwingen, ihnen den Zugang hierzu zu gewähren; sie können auch keine Durchsuchungen ohne Einwilligung der Verantwortlichen des Unternehmens vorneh"71 men. 69 EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2859, Rn. 27; Hervorhebung d. Verf. 70 So auch Ulrich, EWS 2000, S. 137, 143. 71 EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2859, Rn. 31; Hervorhebung d. Verf.
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Ganz anders verhält es sich - so der EuGH - , wenn sich die betroffenen Unternehmen der Kommission widersetzen. „In diesem Fall können die Bediensteten der Kommission auf der Grundlage von Art 14 Abs. 6 ohne Mitwirkung der Unternehmen unter Einschaltung der nationalen Behörden, die ihnen die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderliche Unterstützung zu gewähren haben, nach allen für die Nachprüfung notwendigen Informationsquellen suchen. Zwar ist diese Unterstützung nur für den Fall vorgeschrieben, daß sich das Unternehmen ausdrücklich widersetzt, jedoch kann sie auch vorsorglich zu dem Zweck angefordert werden, sich über einen etwaigen Widerspruch des Unternehmens hinwegsetzen zu können." 72 Diese Rechtsprechung des EuGH hat in der Literatur Zustimmung und Ablehnung gefunden. 73 Eine klare Linie ist allerdings kaum zu erkennen, weil der Kritik unterschiedliche interpretatori sehe Ansätze zugrunde liegen. Anlaß zu Interpretationsschwierigkeiten hat insbesondere die vom Gerichtshof vorgenommene Unterscheidung zwischen „Suchen" und „Durchsuchung" gegeben. Die Unterscheidung der beiden Begriffe „Suchen" und „Durchsuchung" im Hoechst-Urteil könnte darauf hin deuten, daß unter „Suchen" zwar durchaus das zielgerichtete Suchen (auch ohne Einverständnis des Unternehmens, das aber aufgrund der Nachprüfungsentscheidung zur Duldung verpflichtet ist) zu verstehen ist, während „Durchsuchung" mehr umfaßt, nämlich zusätzlich die Befugnis zur Durchsetzung des Suchens gegenüber einem eventuellen Widerstand des Unternehmens unter Anwendung körperlicher Gewalt. 7 4 Die Befugnis „zu suchen" hat der Gerichtshof der Kommission ausdrücklich zugebilligt. Für die Suche unter Zwangsanwendung („Durchsuchungen" in der Terminologie des Gerichtshofs) ist die Unterstützung der Mitgliedstaaten erforderlich. 75 Für die Leistung dieser Unterstützung ist das jeweilige nationale Verfahrensrecht maßgeblich. (2) Nationaler
Richtervorbehalt
Damit entscheidet das nationale Recht darüber, ob für die Hilfeleistungen, mit denen die mitgliedstaatlichen Bediensteten die Kommissionsinspektoren unterstützen, eine richterliche Durchsuchungsanordnung erforderlich ist. Auch dazu hat der EuGH i m Hoechst-Urteil Stellung genommen. Die zentralen Passagen lauten: 72 EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2859, Rn. 32; Hervorhebung d. Verf. 73 Vgl. nur Kamburoglou/Pirrwitz, RIW 1990, S. 263 ff.; Ress/Ukrow, EuZW 1990, S. 503 ff.; von Winterfeld, RIW 1992, S. 524 ff.; Lenz/Mölls, WuW 1991, S. 771 ff.; Phakos, RTD eur. 31 (3) 1995, S. 489 ff.; Nockelmann, Durchuchungsrecht; Dalimann, Nachprüfung und Richtervorbehalt. 74 So Dalimann, Nachprüfung und Richtervorbehalt, S. 170; zu der Unterscheidung auch Harding, Community Investigations, S. 73 ff. 75 Hält man die Durchsuchung für untrennbar mit dem Zwangskriterium verbunden, ist die Schlußfolgerung von Winterfeld, RIW 1992, S. 524, 526, der EuGH habe ein Durchsuchungsrecht „eindeutig verneint", zutreffend: Ein Durchsuchungsrecht in diesem Sinne hat der Gerichtshof der Kommission ausdrücklich abgesprochen.
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„Aus Art. 14 Abs. 6 ergibt sich, daß es Sache des einzelnen Mitgliedstaats ist, die Bedingungen zu regeln, unter denen die nationalen Stellen den Bediensteten der Kommission Unterstützung gewähren. Insoweit haben die Mitgliedstaaten unter Beachtung der oben genannten allgemeinen Grundsätze die Wirksamkeit des Vorgehens der Kommission sicherzustellen. Daraus folgt, daß sich die für die Gewährleistung der Rechte der Unternehmen geeigneten Verfahrensmodalitäten innerhalb der genannten Grenzen nach nationalem Recht bestimmen. Daher hat die Kommission, wenn sie mit Unterstützung der nationalen Behörden Nachprüfungsmaßnahmen vornehmen will, die nicht auf der Mitwirkung der betroffenen Unternehmen beruhen, die insoweit im nationalen Recht vorgesehenen Verfahrensgarantien zu beachten."76 Man könnte daraus schließen, daß der EuGH in diesen Passagen einen Richtervorbehalt für Durchsuchungen anerkannt hat. Das trifft in dieser Pauschalität aber nicht zu: Der Gerichtshof hat lediglich festgestellt, daß sich die Vollzugshilfe, die die Mitgliedstaaten leisten müssen, nach den nationalen Verfahrensanforderungen richtet. Qualifiziert das nationale Recht die Unterstützungshandlungen der nationalen Bediensteten als Durchsuchungshandlungen und ist dafür nach nationalem Recht eine vorherige richterliche Anordnung erforderlich, so muß diese eingeholt werden. Im deutschen Kartellrecht normiert z. B. § 59 Abs. 4 G W B einen Richtervorbehalt für Durchsuchungen. Damit hat der EuGH indirekt anerkannt, daß ein nationaler Richtervorbehalt nicht zu denjenigen nationalen Verfahrensregeln gehört, die im Zweifel aus Gründen der Effektivität außer Betracht zu lassen sind, weil sie den Vollzug des Gemeinschaftsrechts unmöglich machen oder übermäßig erschweren. 77 Eine vorherige richterliche Anordnung ist also vor der Durchführung einer Inspektion einzuholen, wenn das nationale Verfahrensrecht das vorsieht, auch wenn die Kontrolle im übrigen aufgrund eines Gemeinschaftsrechtsakts erfolgt. Zu der Frage nach einem europäischen Richtervorbehalt hat der Gerichtshof im Hoechst-Urteil keine Stellung genommen.
(3) Fehlen eines europäischen Richtervorbehalts Da der Gerichtshof im Hoechst-Urteil die Betriebs- und Geschäftsräume von Unternehmen als nicht vom Schutzbereich des Wohnungsgrundrechts umfaßt und die von der Kommission selbständig wahrnehmbaren Befugnisse nicht als Durchsuchung qualifiziert hat, bestand für ihn kein Anlaß, zum Erfordernis einer richterlichen Anordnung für die Kommissionsbediensteten Stellung zu nehmen. 7 8 Aller76 EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2859, Rn. 33 f. 77 Zur Frage einer Diskriminierung bei unterschiedlichen Verfahrensanforderungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten Harding, Community Investigations, S. 36. 78 Ebenso wenig Anlaß hatte Generalanwalt Mischo dazu, der in seinen Schlußanträgen die Ansicht vertrat, die Nachprüfung wandele sich erst durch den Widerspruch des Unternehmens in ein Verfahren von der Art einer Durchsuchung um. Zwang könne aber nur von den nationalen Behörden ausgeübt werden, die - soweit ihr Verfahrensrecht das vorsehe - eine
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dings kommt das Recht zur Suche nach noch nicht bekannten oder vollständig bezeichneten Informationsquellen, das der Gerichtshof den Kommissionsbediensteten ausdrücklich zubilligt, den deutschen Definitionen des Durchsuchungsrechts recht nahe. 7 9 Zieht man zusätzlich in Betracht, daß die Unternehmen rechtlich zur Duldung der Untersuchungen verpflichtet sind, liegt die Einordnung der Kommissionsbefugnisse als Durchsuchungsrechte nicht mehr so fern. Dem steht auch nicht entgegen, daß der EuGH bisher den Schutz von Betriebs- und Geschäftsräumen aus dem Schutzbereich des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung ausgenommen hat. In Anpassung an die nach dem Hoechst-Urteil ergangene Rechtsprechung des E G M R 8 0 ist eine Lockerung der Position des EuGH angezeigt. Nun kennen weder der EGV noch die E M R K einen ausdrücklichen Richtervorbehalt für Durchsuchungen. 81 Teilweise wird die Ansicht vertreten, der Richtervorbehalt für Durchsuchungen entspreche einer gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten 8 2 . Geht man davon aus, daß das zutrifft, 8 3 stellt sich die Frage nach dem zuständigen Richter für den Erlaß von Durchsuchungsanordnungen zugunsten Kommissionsbediensteter. Gründe der Verfahrensökonomie sprechen dafür, diese Zuständigkeit beim EuGH anzusiedeln. Damit könnte vermieden werden, daß die Kommission - die j a unter Umständen in mehreren Mitgliedstaaten gleichzeitig Inspektionen durchführt - mehrere richterliche Anordnungen beantragen muß. Ein etwa erforderlicher schneller und gleichzeitiger Zugriff in mehreren M i t gliedstaaten könnte durch die schleppende Bearbeitung durch ein einziges nationales Gericht unmöglich gemacht werden. Diese Gefahr besteht i m übrigen auch für die vom Gerichtshof gewählte Lösung: Auch nach dessen Rechtsauffassung können ja unter Umständen Vollzugshilfeakte in mehreren Mitgliedstaaten und damit richterliche Durchsuchungsanordnung einholen müßten (a. a. O., Slg. 1989, 2875, 2896, Rn. 120); siehe auch Kamburoglou/Pirrwitz, RIW 1990, 263, 269 und Idziok, Vollstrekkungshilfe, S. 137: Da die Kommission selbst bei Weigerung des Unternehmens keinerlei Durchsuchungsrechte habe, wäre es sogar sinnlos, in diesem Zusammenhang eine richterliche Entscheidung zu erwirken. 79
Dazu siehe sogleich unter b). so EGMR, EuGRZ 1993, 65 ff. Zu diesem Urteil siehe oben l.a). 81 Arnold, EuR Beiheft 1 /1995, S. 7, 19 kommt demzufolge zu dem Ergebnis, daß Ermittlungsmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene, auch wenn sie den Tatbestand einer Durchsuchung erfüllen, nicht dem Richtervorbehalt unterliegen, sondern nur der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 173 EGV (jetzt 230 EGV), soweit dessen Voraussetzungen vorliegen, zugänglich sind. Zum Erfordernis eines Richtervorbehalts aus den Grundrechten der EMRK vgl. Frowein in: Frowein / Peukert, EMRK, Art. 8, Rn. 30, der daraufhinweist, daß die nationalen Verfahrensordnungen genügend Sicherheit gegen Mißbrauch enthalten müssen. Daher spreche viel dafür, aus dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit eine richterliche Durchsuchungsanordnung zu verlangen. 82 So ζ. B. Ress/Ukrow• EuZW 1990, S. 499, 503. 83 Dieser Frage soll hier nicht näher nachgegangen werden. Einen Uberblick über die diesbezüglichen Regelungen in den Verfassungen der Mitgliedstaaten gibt Dalimann, Nachprüfung und Richtervorbehalt, S. 111 ff. Er kommt zu dem Ergebnis, daß von einer gemeinsamen verfassungsrechtlichen Tradition nicht die Rede sein könne.
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mehrere Durchsuchungsanordnungen erforderlich werden. Auch hier stellt das Erfordernis, die jeweiligen nationalen Verfahrensanforderungen einzuhalten, ein Hemmnis dar.
b) Die Ebene des deutschen Verfassungsrechts Auch für das deutsche Recht ist die Qualifikation der behördlichen Inspektionsrechte als Durchsuchung problematisch. Nach der gängigen Formel der verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist unter Durchsuchung das Betreten von geschützten Räumen, verbunden mit der Vornahme von Augenschein an Personen, Sachen und Spuren, zu verstehen. Kennzeichnend für eine Durchsuchung soll dieser Rechtsprechung zufolge das ziel- und zweckgerichtete Suchen durch staatliche Amtsträger in einer Wohnung sein, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben w i l l . 8 4 Nicht jedes Eindringen von Amtsträgern in eine Wohnung stellt eine Durchsuchung i. S. d. Art. 13 Abs. 2 GG dar; eine solche ist vielmehr nur dann gegeben, wenn es um die Suche nach Personen oder Sachen oder die Ermittlung eines Sachverhalts in einer Wohnung geht. 8 5 Weder das schlichte Betreten einer Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers noch die Besichtigung einer Wohnung zu der Feststellung, ob der Inhaber seinen Beruf ordnungsgemäß ausübt, soll eine Durchsuchung i. S. d. Art. 13 Abs. 2 GG sein. 8 6 Bei näherer Betrachtung kommt es also weniger auf den Geheimhaltungswillen des Wohnungsinhabers, sondern vielmehr auf die Erkennbarkeit des aufzuklärenden Sachverhalts an. Unter Durchsuchung ist dann „das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts, um etwas aufzuspüren, was nicht ohne weiteres erkennbar ist 4 ', zu verstehen. 87 Bezogen auf die vornehmlich gewerberechtlichen Betretungs- und Besichtigungsrechte der zuständigen Überwachungsbehörden findet sich in der einschlägigen Rechtsprechung häufig die pauschale Formulierung, daß die sog. Nachschau einer Überwachungsbehörde keine Durchsuchung ist. 8 8 Dem ist entgegenzuhalten,
84 BVerfGE 32, 54, 73; E 51, 97, 107; E 75, 318, 327; E 76, 83, 89; BVerwGE 47, 31, 37; OVG Hamburg, DVB1. 1995, S. 665, 666. 85 Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 13, Rn. 22, 23. 86 So Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 13, Rn. 24, der in Anlehnung an die unter a) dargestellte Rechtsprechung darauf hinweist, daß die Wahrnehmung derartiger Betretungs- und Besichtigungsrechte als sonstiger Eingriff zu werten sei, der der Rechtfertigung durch Abs. 7 bedürfe, wenn er die Privatheit einer Wohnung im engeren Sinne berühre, der aber in dem Fall, daß es um reine Geschäfts- oder Betriebsräume geht, den Schutzbereich des Art. 13 gar nicht tangiere. 87 Voßkuhle, DVB1. 1994, S. 611, 616. 88 BVerfGE 32, 54 ff., 76 zu handwerksrechtlichen Betretungs- und Besichtigungsrechten; BVerwGE 78, 251 ff., 254 zu routinemäßigen Lebensmittelkontrollen („Das Betreten von Be-
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daß den Behörden i m Rahmen der Nachschaubefugnisse vielerlei Verhaltensmöglichkeiten eröffnet sind, die bei unbefangener Betrachtungsweise recht problemlos unter die genannte Begriffsbestimmung passen. 89 Scholl weist in seiner Untersuchung nach, daß sich die behördliche Befugnis i.d.R. nicht nur auf das Betreten beschränkt. Dieses Betreten dient regelmäßig nur als Mittel zum Zweck, „nämlich die je nach den Eigenarten und Erfordernissen des jeweiligen Uberwachungsgegenstandes zur Durchführung der Überwachung nötigen Prüfungen vorzunehm e n " . 9 0 Nicht überzeugend sind allerdings die Schlußfolgerungen, die aus diesem Befund gezogen werden. Zwar kann es i m Einzelfall schwierig sein zu bestimmen, wann eine Durchsuchung (im Unterschied zur bloßen Beschränkung, die nach Art. 13 Abs. 7 GG keine richterliche Anordnung erfordert) beginnt. 9 1 Bereits das „Hineinblicken" in die Privatsphäre des Inhabers gegen dessen Willen als Durchsuchung zu betrachten und den Beginn der Durchsuchung mit dem Überschreiten der Türschwelle des einzelnen zu sehen, 92 führt allerdings zu weit. Zwischen Betreten und Durchsuchen bestünde dann überhaupt kein Unterschied mehr und die Unterscheidung zwischen Art. 13 Abs. 2 und Abs. 7 GG verlöre ihren Sinn. Anstelle einer einheitlichen Einordnung der behördlichen Besichtigungs- und Nachschaurechte als Durchsuchung oder nicht ist vielmehr eine differenzierende Betrachtung geboten. Ansätze hierzu sind in der neueren Rechtsprechung erkennbar. In seiner Entscheidung aus dem Jahr 1992 9 3 ließ das Bundesverwaltungsgericht die Frage, „ob Maßnahmen der Wirtschaftsüberwachung überhaupt dem Begriff der Durchsuchung i.S. des Art. 13 Abs. 2 GG unterfallen können", immerhin ausdrücklich offen und nahm damit Abstand von den früheren Formulierungen, nach denen die Nachschaurechte i m Rahmen der Wirtschaftsüberwachung nie Durchsuchungen darstellen sollten. Die Differenzierung hat danach zu erfolgen, ob im Zusammenhang mit der Nachschau konkrete Durchsuchungshandlungen erforderlich sind. Entscheidender triebsräumen zum Zweck der routinemäßigen Nachschau ist keine Durchsuchung."); siehe auch BVerwGE 47, 31 ff., 36 zum Betreten einer Wohnung durch die Polizei und BVerfGE 51, 97 ff., 107 f. zur Durchsuchung der Wohnung des Schuldners zum Zwecke der Pfändung beweglicher Sachen. In einer jüngeren Entscheidung des BVerwG (DOV 1992, S. 221 ff., 222) ging es um die Kontrolle der Einhaltung des Nachtbackverbotes. Bei der Feststellung, ob in dem betreffenden Betrieb zu Zeiten des Nachtbackverbotes gearbeitet wurde, „ging es nicht um ein zielgerichtetes Suchen und „Aufspüren", sondern um die bloße Feststellung eines bei einem Betreten der Produktionsräume offensichtlich zutage liegenden Sachverhaltes, nämlich des Umstandes, ob in der Backstube gebacken wird oder nicht". Für die Nachschau nach § 29 Abs. 2 GewO vgl. Tettinger in: Tettinger / Wank, Gewerbeordnung, § 29, Rn. 22: keine richterliche Anordnung erforderlich. 89 Sachs, NVwZ 1987, S. 560; Dagtoglou, JuS 1975, S. 754, 765; Gentz, Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 70 f. 90 Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse, S. 161. 91 Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse, S. 167. 92 So Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse, S. 165. 93 BVerwG DÖV 1992, S. 221 ff.
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Unterschied zum reinen Betreten ist dabei das Element der ziel- und zweckgerichteten Suche: Die zuständigen Beamten wollen einen Sachverhalt ermitteln, der nicht ohne weiteres erkennbar i s t . 9 4 Für das reine Besichtigen einer Betriebsstätte, die Entnahme von Proben oder das Ablesen von Meßgeräten ist eine ziel- und zweckgerichtete Suche nicht erforderlich. Anders ist die Sachlage, wenn die Kontrolleure gezielt Schränke und Schreibtische auf belastendes Material hin durchsehen wollen. Auch die Kontrolle der Einhaltung von Hygienevorschriften kann Durchsuchungshandlungen erforderlich machen. 9 5
c) Fazit Es hat sich gezeigt, daß es für die Frage, ob zur Durchführung der Inspektionen eine richterliche Anordnung erforderlich ist, darauf ankommt, welche Befugnisse den zuständigen Inspektionsbeamten im konkreten Fall zustehen und in welcher Weise sie diese wahrnehmen wollen. Auch für die autonomen Kommissionskontrollen ist nach der Konzeption des Gerichtshofs auf die nationalen Verfahrensordnungen abzustellen. Anknüpfungspunkte sind die Vollzugshilfeakte, die die nationalen Bediensteten zu leisten haben. 9 6 Es bleibt allerdings fraglich, ob diese Bindung an die nationalen Verfahrensordnungen auf Dauer praktisch ist. 9 7 Zum einen sind auch die Befugnisse der Kommissionsbediensteten, die diese ohne die nationalen Bediensteten wahrnehmen können, so umfassend, daß sie durchaus als Durchsuchungsrechte qualifiziert werden können. Allein diese Tatsache spricht schon dafür, dann auch konsequenterweise einen europäischen Richtervorbehalt für diese Handlungen einzuführen. Daneben würde ein europäischer Durchsuchungsbefehl sowohl die Rechte der Wirtschaftsteilnehmer wahren als auch gegenüber möglicherweise in mehreren Mitgliedstaaten zu beantragenden nationalen Durchsuchungsanordnungen die zeit- und ressourcensparendere Variante darstellen. 94 Voßkuhle, DVB1. 1994, S. 611, 616. 95 Voßkuhle, DVB1. 1994, S. 611, 616. Abwägend und differenzierend auch Sachs, NVwZ 1987, S. 560, 561. Anders Lübbe-Wolff, DVB1. 1993, S. 762, 764, die das Erfordernis einer richterlichen Anordnung gänzlich ablehnt und darin „inhaltlich grob unangemessene, auch vom Verfassungsgeber schwerlich beabsichtigte Einschränkungen im Hinblick auf die Möglichkeiten einer wirksamen Wirtschafts- und Umweltaufsicht" sieht. 96 Entsprechendes gilt auch für die Inspektionen im Zuge der horizontalen Verwaltungskooperation. Stellen die Vollzugshilfeakte, die beispielsweise die Verwaltungsbehörden im Aufnahmemitgliedstaat einer Bank zur Unterstützung der Inspektoren aus dem Herkunftsmitgliedstaat erbringen, Durchsuchungen dar, ist das Erfordernis einer richterlichen Durchsuchungsanordnung nach der Rechtsordnung eben des Aufnahmemitgliedstaats zu beurteilen, vgl. Schlag, Grenzüberschreitende Verwaltungszusammenarbeit, S. 209. 97 Für die Einführung einer vom EuGH zu erlassenden europäische Durchsuchungsanordnung hat auch Generalanwalt Mischo in seinen Schlußanträgen in der Rs. Hoechst plädiert (verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst), Slg. 1989, 2875, 2900, Tz. 146 ff.); dazu Harding, Community Investigations, S. 37.
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III. Verfahrens- und Verteidigungsrechte der Wirtschaftsteilnehmer Durch die Inspektionstätigkeiten vor Ort wird unmittelbar Hoheitsgewalt gegenüber dem Wirtschaftsteilnehmer ausgeübt. A u f der Basis der Inspektionsergebnisse können anschließend einschneidende Sanktionsentscheidungen getroffen werden. Aus diesen Gründen kommt der rechtsstaatlichen Eingrenzung der Inspektionshandlungen und damit der Einhaltung der Verfahrens- und Verteidigungsrechte ein besonderes Gewicht zu.
7. Einführung In den einzelnen nationalen Rechtsordnungen sichern ausdifferenzierte Systeme die Verfahrens- und Verteidigungsrechte der Bürger. Das Gemeinschaftsrecht enthält keine umfassende normative Regelung der Rechte, die Privaten i m Verwaltungsverfahren zustehen. Einzelne Verfahrens- und Verteidigungsrechte sind als Antworten auf spezifische Konstellationen in Einzelbereichen des materiellen Rechts ausdrücklich festgeschrieben worden. 9 8 Daneben wurden vor allem durch die Rechtsprechung des EuGH allgemeine Rechtsgrundsätze entwickelt, die einen Grundstock an Verfahrens- und Verteidigungsrechten bilden 9 9 und sowohl i m direkten als auch i m indirekten Vollzug des Gemeinschaftsrechts Geltung beanspruchen.
a) Verfahrens- und Verteidigungsrechte als Allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist die Beachtung der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts. Seine Einhaltung muß auch dann sichergestellt werden, wenn eine ausdrückliche Regelung für das betreffende Verfahren f e h l t . 1 0 0 Dieser Grundsatz ge98 Diesen vereinzelten gebietsbezogenen Verfahrensregelungen, auf die bei der Besprechung der allgemeinen Grundsätze ergänzend hingewiesen wird, bescheinigt Vervaele, in: ders. (Hrsg.), Transnational Enforcement, S. 53, 88 „a strong ad-hoc quality". 99 Einen Überblick bieten beispielsweise Pernice /Kadelbach, DVB1. 1996, S. 1100, 1103 und Arnold, EuR 1995, Beiheft 1, S. 7 ff.; siehe auch Lenaerts, EuR 1997, S. 17, 26 ff., Classen, DV 31 (1998), S. 307, 310 ff.; Harding, Community Investigations, S. 41 ff.; Jans/de Lange / Prêchai /Widdershoven, Europees bestuursrecht, S. 208 ff.; bezogen auf die Ermittlungtätigkeit der Kommission als Wettbewerbsbehörde der EG Schwarze, in: ders., Der Gemeinsame Markt, S. 159 ff. und Dannecker, ZStW 111 (1999), S. 256, 269 ff.; speziell zum Recht auf Akteneinsicht Hix, Akteneinsicht.
100 EUGH, RS. C-32/95 (Kommission/Li srestai u. a.), Slg. 1996, 1-5387, Rn. 21; EuGH, Rs. C - 1 3 5 / 9 2 ( F i s k a n o / K o m m i s s i o n ) , Slg. 1994,1-2885, Rn. 39; E u G H , Rs. C - 4 8 / 9 0 u. C -
66/90 (Niederlande u. a. / Kommission), Slg. 1992,1-565, Rn. 44; EuGH, verb. Rs. 46/87 u. 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2919, Rn. 14.
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bietet es vor allem, daß die Adressaten von Entscheidungen, die ihre Interessen spürbar beeinträchtigen, in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt in sachdienlicher Weise vorzutragen. Nun ist die Inspektion vor Ort häufig Bestandteil eines Vorermittlungsverfahrens, an dessen Ende erst die Entscheidung darüber steht, ob überhaupt gegen den Betroffenen ein Verfahren wegen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht eingeleitet werden soll. Man könnte daher überlegen, ob die Beachtung der Verteidigungsrechte erst in diesem Folgeverfahren, an dessen Ende eine Sanktionsentscheidung stehen kann, verpflichtend ist. Der EuGH hat demgegenüber für die Nachprüfungsbefugnisse der Kommission nach der Verordnung Nr. 17 die Wichtigkeit der Einhaltung der Verfahrensgarantien auch im Vorermittlungsverfahren herausgehoben. Es müsse verhindert werden, daß der Anspruch auf rechtliches Gehör i m Voruntersuchungsverfahren in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt werde; insbesondere gelte dies bei Nachprüfungen, die für die Erbringung von Beweisen für rechtswidrige Verhaltensweisen von Unternehmen, die geeignet sind, deren Haftung auszulösen, von entscheidender Bedeutung sein könnten. 1 0 1 Der Gerichtshof differenziert: Während sich bestimmte Rechte der Verteidigung nur auf streitige Verfahren i m Anschluß an eine Mitteilung von Beschwerdepunkten bezögen, seien andere, beispielsweise das Recht auf Hinzuziehung eines juristischen Beistands und der Anspruch auf Wahrung der Vertraulichkeit des Schriftverkehrs zwischen Anwalt und Mandant, schon im Stadium der Voruntersuchung zu beachten. 1 0 2 Diese Prinzipien sind hauptsächlich i m Zusammenhang mit der Anwendung der EG-Wettbewerbsregeln entwickelt worden. Sie gelten aber allgemein für alle Verfahren, die zu belastenden Maßnahmen führen können. 1 0 3
b) Verfahrens- und Verteidigungsrechte in Kooperationskonstellationen Das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht, das für die richterliche Entwicklung der Verfahrens- und Verteidigungsrechte die wichtigste Materie darstellt, bildet eine „homogene" Rechtsordnung: Sachverhaltsermittlung und Sanktionsbefugnis liegen in den Händen der Kommission, die ausschließlich an das Gemeinschaftsrecht gebunden ist. Anders ist es beispielsweise i m Recht der Betrugsbekämpfung: Dort stehen der Kommission zwar weitgehende Ermittlungsbefugnisse vor Ort zu. Sie kann die ermittelten Verstöße aber i.d.R. nicht selbst sanktionieren. 1 0 4 Nun wäre es voreilig, daraus zu schließen, daß aufgrund dieser fehlenden Sanktionsbefug101 EuGH, verb. Rs. 46/87 u. 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2919, Rn. 15. 102 EuGH, verb. Rs. 46/87 u. 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2919, Rn. 16. 103
Vgl. nur Widdershoven, in: Vervaele (Hrsg.), Transnational Enforcement, S. 131, 140 m. w. Ν. ,04 Auf diesen Unterschied weist auch Vervaele, in: ders. (Hrsg.), Transnational Enforcement, S. 53, 81, Fn. 68 hin.
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nisse auch niedrigere Standards für die Verfahrens- und Verteidigungsrechte zu gelten hätten. Der Gedanke der „nicht wiedergutzumachenden Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte" i m Vorermittlungsverfahren kann auch für die Fälle fruchtbar gemacht werden, in denen Mitgliedstaaten und Kommission bei der Überwachung der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts zusammenarbeiten. Beweismaterial, das die Kommission bei ihren Inspektionstätigkeiten gesammelt und den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt hat, ist nur dann i m anschließenden Sanktionsverfahren verwertbar, wenn Verteidigungsrechte nicht in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt worden sind. Entsprechendes gilt für die horizontale Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander. Die das S anktions verfahren führende Stelle hat ihrerseits die einschlägigen Verfahrens· und Verteidigungsrechte der Betroffenen zu achten. Sie hat aber kaum Möglichkeiten, die Ermittlungsführung durch die ermittelnde Stelle nachträglich zu beeinflussen und eventuelle Verstöße zu korrigieren. Verwertungsverböte wären die Folge. Es muß daher ein wichtiges Anliegen sein, gemeinsame Standards für die transnationale Kooperation zu entwickeln, um die grenzüberschreitende Verwertbarkeit der Informationen sicherzustellen. 105
2. Vorherige Ankündigung, Mitteilung und Begründungspflicht
der Vorwürfe
Während die untersuchten Gemeinschaftsrechtsakte i.d.R. eine Bestimmung enthalten, daß die Kommission den Mitgliedstaat i m voraus über die geplante Durchführung von Inspektionen zu unterrichten h a t , 1 0 6 fehlen solche Pflichten zur vorherigen Mitteilung an die Wirtschaftsteilnehmer. Das gilt sowohl für die Kommissionsinspektionen als auch für diejenigen Kontrollen, die von den Mitgliedstaaten durchgeführt werden. Teilweise sehen die Vorschriften sogar ausdrücklich die Durchführung unangemeldeter Kontrollen v o r . 1 0 7 Vor allem für den Bereich des Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaft wird darauf hingewiesen, daß unangekündigte Kontrollen einen wesentlichen Bestandteil eines funktionie105 Zu diesem Ergebnis kommt auch Widdershoven, in: Vervaele (Hrsg.), Transnational Enforcement, S. 131, 150. 106 Dazu siehe oben Kap. 3 A.II. 1. 107 Z. B. Art. 6 Abs. 5 Verordnung Nr. 3887/92 (Invekos-Durchführung) bzw. Art. 17 Verordnung Nr. 2419/2001 (Invekos Durchführung neu): „Die Kontrollen vor Ort werden unangekündigt durchgeführt. Eine auf das strikte Minimum beschränkte Ankündigungsfrist, die in der Regel 48 Stunden nicht überschreiten darf, ist allerdings zulässig." Art. 29 Abs. 2 lit. a) Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung): „Die Mitgliedstaaten arbeiten mit der Kommission zusammen, um ihr die Erfüllung ihrer Aufgaben zu erleichtern. Sie treffen insbesondere die erforderlichen Maßnahmen, um zu verhindern, daß die Wirksamkeit der Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen durch vorherige Bekanntgabe der Inspektionsreisen eingeschränkt wird." Art. 4 Abs. 4 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung): „Die Überwachung wird in der Regel ohne Vorankündigung unternommen."
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
renden Kontrollinstrumentariums darstellen. 1 0 8 Auch wenn im Umwelt- und Lebensmittelrecht das Gewicht stärker auf den Aspekt der Prävention gelegt wird, kann die Erreichung des Kontrollzwecks durch die vorherige Ankündigung von Kontrollen gefährdet werden. Auch für das deutsche Recht der Wirtschaftsaufsicht ist anerkannt, daß behördliche Prüfungen ihren Zweck häufig nur dann erfüllen können, wenn sie für den jeweils Betroffenen überraschend und ohne vorherige Ankündigung k o m m e n . 1 0 9 Insofern wird es hier nicht zu Unvereinbarkeiten zwischen nationalen Verfahrensund gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsanforderungen kommen. Sollte allerdings eine nationale Rechtsordnung Inspektionen ohne Vorankündigung nur unter engen Voraussetzungen oder überhaupt nicht zulassen, so müßte eine grundsätzlich gegebene Bindung der Kommissionsbediensteten daran (vgl. ζ. B. Art. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 Verordnung Nr. 2185/96 - Kontrollverordnung) entfallen, wenn dadurch eine effektive Kontrolle unmöglich gemacht würde. Gerade im finanziellen Bereich spricht manches dafür, daß Inspektionen ohne Vorankündigung tatsächlich unerläßlich sind, um Verdeckungsaktivitäten der Empfänger oder Schuldner von Gemeinschaftsmitteln zu vermeiden. 1 1 0 Müssen also weder Kommissionsinspektionen noch solche der Mitgliedstaaten dem betroffenen Wirtschaftsteilnehmer vorher angekündigt werden, so werden die zuständigen Stellen doch nicht von der Notwendigkeit entbunden, spätestens unmittelbar vor der Durchführung der Inspektion dem Betroffenen Mitteilung über Inhalt und Zweck der geplanten Inspektion zu machen. Nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 bestimmt die Nachprüfungsentscheidung der Kommission Gegenstand, Zweck und Zeitpunkt der Nachprüfung und weist auf mögliche Zwangsmaßnahmen sowie das Recht hin, vor dem Gerichtshof gegen die Entscheidung Klage zu erheben. Die Einhaltung dieser Erfordernisse hat der EuGH als grundlegend für die Garantie der Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen einge108 Vgl. Kühl/Spitzer, EuZW 1998, S. 37, 42 (dort auch der Gedanke, daß die vorherige Unterrichtung des Wirtschaftsteilnehmers durch die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats auf jeden Fall der vorherigen Absprache mit der Kommission bedarf - Parallelität zu dem in der vorigen Fußnote zitierten Art. 29 Abs. 2 lit. a) Verordnung Nr. 2847/93 (Fischereikontrollverordnung); siehe auch Ulrich, Kontrollen der EG-Kommission, S. 202 unter Fortführung des Gedankens: Nur dann, wenn eine vorherige Ankündigung den Zweck der Kontrolle tatsächlich fördere, könne diese im Einzelfall durch die Kommission erfolgen. Dies könne möglicherweise der Fall sein bei Unternehmen, bei denen die Kommission eine gem. Art. 5 UAbs. 3 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung) zulässige Gegenkontrolle durchführen möchte. Richtig ist es genau umgekehrt: Auf eine vorherige Mitteilung darf nur dann verzichtet werden, wenn ansonsten keine effektive Kontrolle möglich ist. 109 Vgl. nur Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse, S. 95 m. w. N. auch aus der Rechtsprechung; zu den Nachschaurechten nach § 29 Abs. 2 GewO Tettinger in: Tettinger/Wank, Gewerbeordnung, § 29, Rn. 25. no Die Problematik ist angedeutet in dem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über die Anwendung der Verordnung Nr. 2185/96 SEC (2000) 844 unter Punkt 16.4.; allgemein zum Recht der Kommission, Uberraschungskontrollen durchzuführen, Harding, Community Investigations, S. 32 ff.
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ordnet. 1 1 1 Daher könne der Umfang der Pflicht zur Begründung der Nachprüfungsentscheidungen nicht aufgrund von Erwägungen eingeschränkt sein, die die Wirksamkeit der Untersuchung betreffen. Zwar brauche die Kommission weder dem Adressaten einer Nachprüfungsentscheidung alle ihr vorliegenden Informationen über vermutete Zuwiderhandlungen zu übermitteln, noch müsse sie eine strenge rechtliche Qualifizierung dieser Zuwiderhandlungen vornehmen; sie habe aber klar anzugeben, welchen Vermutungen sie nachzugehen beabsichtige. 112 Die Kontrollverordnung Nr. 2185/96 enthält keine vergleichbare Vorschrift. Die Kommissionsbediensteten müssen aber vor der Wahrnehmung ihrer Befugnisse eine schriftliche Ermächtigung vorlegen, die über ihre Person und ihre Dienststellung Auskunft gibt und der ein Dokument beigefügt ist, aus dem Ziel und Zweck der Kontrolle oder Überprüfung vor Ort hervorgehen. 113 Da die Kontrollen nur bei der begründeten Annahme, daß Unregelmäßigkeiten begangen worden sind, durchgeführt werden dürfen, 1 1 4 muß auch das Vorliegen solcher Verdachtsmomente aus dem Prüfungsauftrag erkennbar sein. Ein Hinweis auf mögliche Sanktionen entfällt logischerweise, da die Kommission solche nicht anordnen darf. Bei den (teilweise) selbständigen Inspektionen im Agrar- und Veterinärrecht, die die Kommission bei den Marktteilnehmern durchführen kann, fehlen Vorschriften über die Begründung für Prüfungsmaßnahmen. Der schriftliche Prüfungsauftrag dürfte aber gebietsübergreifend das angemessene Instrument, den Kontrollunterworfenen über Inhalt, Zweck und Umfang der geplanten Untersuchungsmaßnahmen zu informieren, sein. 1 1 5 Er erfüllt nicht nur die Funktion, dem Betroffenen bei Beginn der Überprü" · EuGH, verb. Rs. 46/87 u. 227/88 (Hoechst/Kommission), 2919, Rn. 41. ι· 2 Als widersprüchlich kritisiert von Phakos, RTD eur. 31 (1995), S. 449, 458: Wie können Informationen zurückgehalten werden, wenn Umfang der Pflicht zur Begründung nicht eingeschränkt sein darf? Gerade für das Kartellrecht wird immer wieder die Unzulässigkeit sog. fishing expeditions betont, erforderlich sei vielmehr ein „konkreter Anfangsverdacht" (abgeleitet aus Verhältnismäßigkeitsgrundsatz), vgl. ζ. B. Engel/Freier, EWS 1992, S. 368; Harding, European Community Investigations, S. 25 f. Die genau bezeichnete Eingrenzung von Zweck und Gegenstand der Ermittlungen in allen Phasen der Untersuchung wird auch vom Grundsatz rechtsstaatlicher Bestimmtheit verlangt und ist unerläßliche Voraussetzung für die effektive Gewährung rechtlichen Gehörs und späteren Rechtsschutzes, vgl. Arnold, EuRBeih. I 1995, S. 7, 15. •13 Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). Dazu Ulrich, Kontrollen der EG-Kommission, S. 203; Kuhl/Spitzer, EuZW 1998, S. 37, 42. 114 Art. 5 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). Bei anderen betroffenen Wirtschaftsteilnehmern (d. h. bei solchen, bei denen es an der gerade erwähnten begründeten Annahme fehlt) können die Kontrollen durchgeführt werden, „falls es zur Feststellung einer Unregelmäßigkeit unbedingt erforderlich ist". D.h.: stärkere Beteiligung, niedrigere Eingriffsvoraussetzungen, geringere Beteiligung, höhere Eingriffsschwelle. Diese Stufung der Eingriffsschwellen ist gleichzeitig Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips, vgl. Kühl/ Spitzer, EuZW 98, S. 37, 41; zu Präzisierungen für die zweite Gruppe Ulrich, EWS 2000, S. 137, 141 f. us Weitere Beispiele: Art. 11 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung); Art. 14 Abs. 2 VO Nr. 17. Auch bei den Inspektionen, die die Kommission bei den mitgliedstaatlichen Verwaltungen durchführt, muß i.d.R. ein schriftlicher Prüfungsauftrag vorgelegt werDavid
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fung mitzuteilen, auf welche Rechtsgrundlage sich die geplante Maßnahme stützt, sondern gibt ihm auch die Möglichkeit, Art und Umfang seiner Mitwirkungspflichten und Verteidigungsrechte zu erkennen. 1 1 6 Dabei sind Differenzierungen i m Einzelfall m ö g l i c h : 1 1 7 I m Wettbewerbsrecht und i m Recht der Betrugsbekämpfung steht die Aufdeckung und Ahndung von Verstößen i m Vordergrund. Hier kommt es folglich eher darauf an, daß der Betroffene die gegen ihn sprechenden Verdachtsmomente aus dem Prüfungsauftrag ersehen kann. I m Umwelt- und Lebensmittelrecht geht es in größerem Umfang um Gefahrenabwehr und -Vorsorge. Hier sind regelmäßige Routineinspektionen auch ohne konkreten Anlaß zulässig, teilweise ausdrücklich gefordert. Entsprechend geringer sind dann auch die inhaltlichen Anforderungen an den Nachprüfungsauftrag. Die Bekanntgabe von Zweck und Rechtsgrundlage der Inspektionsmaßnahmen wird in diesen Fällen erforderlich, aber auch ausreichend sein. 1 1 8
3. Das Recht auf rechtliches Gehör Das Recht auf rechtliches Gehör umfaßt in seiner Ausformung durch die Rechtsprechung des EuGH den allgemeinen Grundsatz, wonach die Adressaten behördlicher Entscheidungen, deren Interessen durch diese Entscheidung spürbar beeinträchtigt werden, Gelegenheit erhalten müssen, ihren Standpunkt gebührend darzulegen. 1 1 9 Teilweise ist das Verfahren explizit normiert, so ζ. B. für das Kartellrecht in der Verordnung Nr. 9 9 / 6 3 (AnhörungsVerordnung). Gerade die Nachprüfungen i m Kartellrecht waren für den EuGH allerdings auch der Anlaß, das Anhörungsrecht zu begrenzen: Im Fall National Panasonic 1 2 0 hatte das von einer Nachprüfung betroffene Unternehmen u. a. deswegen die Rechtswidrigkeit der Nachprüfungsentscheidung geltend gemacht, weil ihm zuvor keine Möglichkeit zu Anhörung gegeben worden war. Diese Rüge hat der EuGH ausdrücklich zurückgewiesen:
den, vgl. z. B. Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwachung). 116 So auch Ulrich, Kontrollen der EG-Kommission, S. 203. 117 Zum Erfordernis eines Anfangs verdachtes für Inspektionen vor Ort vgl. auch Sommer, Administrative Informationsverfahren, Teil 6 Kap. 1 C.I.3. 118 Zu diesem Schluß für die behördlichen Prüfungsbefugnisse im deutschen Wirtschaftsrecht Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse, S. 64. 119 Vgl. nur EuGH, Rs. 32/62 (Alvis/Rat), Slg. 1963, 107, 123; EuGH, Rs. 17/74 (Transocean Marine Paint/Kommission), Slg. 1974, 1063, Rn. 15; EuGH, Rs. 85/76 (HoffmannLa Roche/Kommission), Slg. 1979, 461, Rn. 9; EuGH, Rs. C-269/90 (TU München), Slg. 1991, 1-5469, Rn. 14. Allgemein und umfassend zu diesem Grundsatz vgl. Lenaerts, EuR 1997, S. 17, 26 ff.; siehe auch Gassner, DVB1. 1995, S. 16, 17 ff. und Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 79 f. und 84. 120 EuGH, Rs. 136/79 (National Panasonic/Kommission), Slg. 1980, 2033.
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„Zur Auffassung der Klägerin, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör vor Erlaß einer sie betreffenden Entscheidung sei im vorliegenden Falle verletzt worden, ist zu sagen, daß dieser Anspruch im wesentlichen im Rahmen von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren gegeben ist, die auf die Abstellung einer Zuwiderhandlung oder auf Feststellung einer Rechtswidrigkeit gerichtet sind, beispielsweise der Verfahren nach der Verordnung Nr. 99/63. Das Nachprüfungsverfahren nach Art. 14 der Verordnung Nr. 17 betrifft demgegenüber nicht die Abstellung einer Zuwiderhandlung oder die Feststellung einer Rechtswidrigkeit; es soll der Kommission vielmehr nur ermöglichen, die Unterlagen zusammenzustellen, die erforderlich sind, um die Richtigkeit und die Tragweite einer bestimmten Sach- und Rechtslage zu überprüfen. Erst wenn die auf diese Weise zusammengetragenen Beurteilungskriterien nach Auffassung der Kommission die Eröffnung eines Verfahrens im Sinne der Verordnung Nr. 99/63 zulassen, ist das Unternehmen vor Erlaß einer solchen Entscheidung zu hören. Dieser Wesensunterschied zwischen Entscheidungen am Ende eines solchen Verfahrens und Nachprüfungsentscheidungen erklärt gerade den Wortlaut des Art. 19 Abs. 1, wo die Entscheidungen der Kommission angeführt sind, vor denen die Betroffenen zu hören sind, die Entscheidung nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung aber nicht erwähnt ist." 1 2 1 Der EuGH sieht also einen „Wesensunterschied" zwischen einer Nachprüfungsentscheidung zur Einleitung einer Art Zwischenverfahrens, das lediglich der Beweissicherung dient, über deren Verwendung später entschieden werden kann, und einer Entscheidung, die ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsbestimmungen einleitet und an deren Ende eine Verbots- oder Bußgeldentscheidung stehen kann. Die Auffassung, daß eine vorübergehende, später reparable Belastung durch ein Beweiserhebungsverfahren sich weniger stark als etwa eine definitive Verbotsentscheidung auswirken wird, mag zutreffend sein. Ob hierin der eigentliche Grund für das Absehen von einer Anhörung liegen kann, erscheint allerdings zweifelhaft. Etwas anders hat denn auch Generalanwalt Warner in seinen Schlußanträgen i m Fall National Panasonic argumentiert: Eine Ausnahme vom Prinzip des rechtlichen Gehörs sei nur dann gerechtfertigt, wenn sonst der Zweck der Entscheidung vereitelt w ü r d e . 1 2 2 Das erscheint überzeugender: Der Zweck einer unangemeldeten Nachprüfung kann es sein, die Möglichkeit der Vernichtung oder Verheimlichung erheblicher Unterlagen auszuschließen. Dieser Zweck würde konterkariert, wenn das Unternehmen vor Erlaß der Nachprüfungsentscheidung angehört w ü r d e . 1 2 3 In diesen Zusammenhang wären dann auch die 121 EuGH, Rs. 136/79 (National Panasonic/Kommission), Slg. 1980, 2033, Rn. 21, Hervorhebung d. Verf. Weniger restriktiv äußerte sich der Gerichtshof für das Verfahren vor Erlaß einer Antidumpingverordnung, vgl. Rs. C-49/88 (Al-Jabail Fertilizer/Rat), Slg. 1991,13236, Rn. 15: Diese Erfordernisse (= Wahrung der Verteidigungsrechte) gelten nicht nur im Rahmen von Verfahren, die zu Sanktionen führen können, sondern auch in den Untersuchungsverfahren, die dem Erlaß von Antidumpingverordnungen vorausgehen, die die betroffenen Unternehmen trotz ihrer allgemeinen Geltung unmittelbar und individuell berühren und nachteilige Auswirkungen auf diese haben können. '22 Schlußanträge von Generalanwalt Warner in der Rs. 136/79 (National Panasonic/ Kommission), Slg. 1980, 2061, 2068 f. 123 Zum Gesichtspunkt der Zweckvereitelung vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Band II, S. 1279 ff.; Gassner, DVB1. 1995, S. 16, 19. *
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Inspektionsvorschriften, die ausdrücklich die Durchführung unangekündigter Kontrollen verlangen, einzuordnen. Für das deutsche Verwaltungsrecht ist eine ähnliche Diskussion geführt word e n : 1 2 4 Die Überlegung, daß wegen der Einordnung als Vorermittlungsverfahren keine Anhörung notwendig sei, findet sich auch in der (älteren) deutschen Rechtsprechung. 1 2 5 Diese Auffassung wird gestützt auf § 26 V w V f G . Sie ist aber vereinzelt geblieben und in der Literatur stark kritisiert w o r d e n . 1 2 6 Richtigerweise ist das Nachprüfungsverlangen ein Verwaltungsakt, für den mangels Vorgaben in Spezialvorschriften § 28 V w V f G gilt. Danach ist vor Erlaß eines Verwaltungsaktes, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Von der Anhörung kann u. a. dann abgesehen werden, wenn es im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 V w V f G 2. Alt.). Dies ist der Fall, wenn durch die Anhörung das mit der Entscheidung verfolgte oder doch damit verbundene öffentliche Interesse (Zweck) ganz oder doch zu einem nicht unwesentlichen Teil vereitelt zu werden droht. Das Absehen von der Anhörung vor dem Erlaß einer Nachprüfungsentscheidung kann also grundsätzlich mit dem Wunsch nach Ausnutzung des Überraschungseffekt begründet werden. 1 2 7 . Was die Gewährung rechtlichen Gehörs vor der Anordnung und Durchführung einer Kontrolle vor Ort betrifft, so sind die Standards im Ergebnis vergleichbar: 1 2 8 Sowohl nach dem EG- als auch nach dem deutschen Verwaltungsverfahrensrecht sind Ausnahmen vom Gebot der Anhörung vor Erlaß der Nachprüfungsentscheidung zulässig. Während der EuGH das mit der Stellung der Nachprüfung i m Vorermittlungsverfahren begründet, erscheint die Argumentation mit dem Zweck der Nachprüfung überzeugender. Sollten andere nationale Rechtsordnungen ein Absehen von der Anhörung nur unter strengeren Voraussetzungen erlauben, wäre im Einzelfall abzuwägen, ob dadurch der Vollzug des Gemeinschaftsrechts unmöglich gemacht oder unzumutbar erschwert würde. Ein „Kompromiß" könnte so aussehen, daß der Betroffene unmittelbar vor Beginn einer Nachprüfung angehört wird, wenn die Inspektionsbediensteten sich schon im Betrieb aufhalten. Damit könnte dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs genügt und gleichzeitig dem Risiko vorgebeugt werden, daß belastendes Material beiseite geschafft wird.
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Zum folgenden vgl. ausführlich Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse, S. 84 ff.
125 Vgl. ζ. B. O L G Düsseldorf, GewArch 1983, 154; V G Augsburg, GewArch 1974, 343. 126
Vgl. vor allem die Kritik von Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse, S. 85 ff. 1 27 Welche Voraussetzungen dann im einzelnen erfüllt sein müssen, wird unterschiedlich beurteilt, Bonk in: Stelkens/Bonk, VwVfG, § 28, Rn. 53 verlangt konkrete Anzeichen für eine Beweisvereitelung. i 2 « Auch Classen, DV 31 (1998), S. 307, 310 f. sieht keine Konflikte zwischen dem gemeinschaftlichen Rechtsgrundsatz auf Anhörung und den Anforderungen des deutschen § 28 VwVfG; vgl. auch Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 214 und von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 172.
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Darüber hinaus spricht nichts dagegen, wenn die Wirtschaftsteilnehmer bereits während der Durchführung der Kontrollen die Gelegenheit erhalten, Stellung zu den Tatsachen zu nehmen, die Gegenstand der Ermittlung und eventuell anschließender Folgemaßnahmen s i n d . 1 2 9 Daß diese Möglichkeit bestand, kann dadurch dokumentiert werden, daß der Wirtschaftsteilnehmer i m Anschluß an die Inspektion den Kontrollbericht unterzeichnet. 1 3 0 Dadurch kann er seine Anwesenheit bei der Kontrolle bezeugen und selbst Bemerkungen zum Kontrollergebnis hinzufügen. A u f diese Weise wird die Einbeziehung des Betroffenen in die Untersuchungen deutlich und die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens erhöht. Der Sicherung der Rechte der Wirtschaftsteilnehmer dient auch das im Bereich der Lebensmittelüberwachung normierte Recht für den Betroffenen, gegebenenfalls ein Gegengutachten einzuholen, wenn zu Analysezwecken Proben entnommen werden. 1 3 1
4. Das Recht auf Schutz vor Selbstbezichtigung In vielen Fällen dürfen die Kontrolleure im Rahmen ihrer Inspektionen vor Ort nicht nur Betriebsgrundstücke betreten und Unterlagen einsehen, sondern auch Auskünfte zum Untersuchungsgegenstand einholen. So können Kommissionsbedienstete nach Art. 14 Abs. 1 lit. c) Verordnung Nr. 17 mündliche Erklärungen an Ort und Stelle anfordern. 1 3 2 Ebenso müssen die Mitgliedstaaten aufgrund zahlrei-
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Das wurde jetzt ausdrücklich bestätigt durch das Urteil des EuG v. 14. 6. 2001 in der Rs. T-143/99 (Hortiplant/Kommission, noch nicht in amtl. Slg.). In der Entscheidung ging es um die Anfechtung einer Entscheidung der Kommission, mit der die Kommission einem begünstigten Unternehmen Strukturhilfen gekürzt hatte. Die machte geltend, die Entscheidung sei weder ausreichend begründet noch sei ihr ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Dazu das EuG, Rn. 109 f.: „Schließlich ist unstreitig, daß bei Hortiplant eine mehrtägige Inspektion durchgeführt wurde, in deren Verlauf ihr mitgeteilt wurde, welche Belege erforderlich seien und daß Hortiplant Gelegenheit hatte, die Kofinanzierung und die sachliche Richtigkeit der dem Projekt zugeschriebenen Ausgaben nachzuweisen. Die Begründung gibt damit klar und eindeutig die Erwägungen der Beklagten an und ermöglichte der Klägerin die Verteidigung ihrer Rechte und dem Gemeinschaftsrichter die Ausübung seiner Kontrolle." 130 ζ . B. Art. 7a Verordnung Nr. 3887/92 i.d.F. der Verordnung Nr. 2801 /1999 (Invekos Durchführung); nunmehr Art. 20 Abs. 2 Verordnung Nr. 2419/2001 (Invekos Durchführung neu). 131 Art. 7 Richtlinie Nr. 89/397 (Lebensmittelüberwachung). 132 Eine Erweiterung der Auskunftsrechte ist nach dem Kommissionsvorschlag für eine Verordnung des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag niedergelegten Wettbewerbsregeln und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1017/68, (EWG) Nr. 2988/74, (EWG) Nr. 4056/86 und (EWG) Nr. 3975/87), KOM (2000) 582 endg. v. 27. 9. 2000 geplant. In der Kontrollverordnung Nr. 2185/96 ist ein Recht zur Einholung von Auskünften im Zusammenhang mit den Kontrollen vor Ort nicht ausdrücklich normiert. Dennoch geht beispielsweise Ulrich, Kontrollen der EG-Kommission, S. 208 wie selbstverständlich von einem Recht der Kommission, Fragen zu stellen, aus.
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eher gemeinschaftlicher Vorgaben ihren Kontrollbediensteten das Recht einräumen, Informationen und Auskünfte einzuholen. 1 3 3 Wo die Grenzen derartiger Pflichten zur Auskunftserteilung liegen, wird in den entsprechenden Vorschriften nicht geregelt. Auch in den Vorschriften, die selbständige Auskunftsrechte als eigenständiges Kontrollmittel unabhängig von den Kontrollen vor Ort begründen, wird der Begrenzung dieser Rechte keine Aufmerksamkeit zuteil. I m Gegenteil: Dem Unternehmen, an das das Auskunfts verlangen gerichtet ist, wird vielmehr sogar eine Verpflichtung zur aktiven Mitwirkung auferlegt, aufgrund derer es alle den Gegenstand der Untersuchung betreffenden Informationsquellen für die Kommission bereithalten muß. Bei Nichterfüllung dieser Mitwirkungspflichten drohen teilweise Sanktionen. 1 3 4 Ausdrückliche Einschränkungen i m Sinne eines nemo-tenetur-Prinzips wie die i m deutschen Wirtschaftsverwaltungsrecht gängige Formel „Der zur Auskunft Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen w ü r d e " 1 3 5 gibt es i m Gemeinschaftsrecht nicht. Die Entwicklung und Konturierung der Reichweite eines nemo-tenetur-Prinzips i m Gemeinschaftsrecht oblag damit dem EuGH, der die Gelegenheit dazu insbesondere im Kartellrecht erhielt. Grundlegend in diesem Zusammenhang ist der Fall O r k e m . 1 3 6 Gegenüber dem Auskunftsverlangen der Kommission berief sich das betroffene Unternehmen darauf, daß es zur Beantwortung bestimmter Fragen nicht verpflichtet sei. Durch die angefochtene Auskunftsentscheidung werde es dazu gezwungen, sich durch das Eingeständnis der Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln selbst zu beschuldigen. Die Kommission habe dadurch gegen den allgemeinen Grundsatz verstoßen, daß niemand gegen sich selbst als Zeuge aussagen müsse. Dieser Grundsatz sei in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, in der E M R K und i m Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte anerkannt und aufgrund dessen Bestandteil des Gemeinschaftsrechts. 137
133 Z. B. Art. 19 Abs. 2 Verordnung Nr. 2729/2000 (Weinkontrollverordnung n.F.): Auskunftsverlangen durch Bedienstete einer zuständigen Stelle; Art. 20 Abs. 7 Verordnung Nr. 2075/92 (Marktorganisation Rohtabak): Die Mitgliedstaaten erlassen Maßnahmen, damit ihre Kontrollbediensteten alle sonstigen zweckdienlichen Informationen anfordern können. 134 Das betont auch der EuGH, Rs. 374/87 (Orkem/Kommission), Slg. 1989, 3343, Rn. 27. 135 Nachweise dazu bei Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse, S. 120. 136 EuGH, Rs. 374/87 (Orkem/Kommission), Slg. 1989, 3343 ff.; bestätigt und weitergeführt durch EuGH, Rs. C-60/92 (Otto BV), Slg. 1992,1-5707, Rn. 20. Ausführlich und differenzierend zum Aussageverweigerungsrecht im EG-Kartellverfahren Weiß, Verteidigungsrechte, S. 354 ff., 392 ff.; Harding, Community Investigations, S. 26 ff. 13V EuGH, Rs. 374/87 (Orkem/Kommission), Slg. 1989, 3343, Rn. 18; s. auch EuGH, Rs. T-l 12/98 (Mannesmann/Kommission),. Urt. v. 20. 2. 2001, Rn. 59 f.
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Der EuGH sah das nicht so: Art. 6 E M R K sei zwar für Untersuchungen auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts wenn nicht unmittelbar, so doch als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anwendbar. Er erkenne aber nicht das Recht an, nicht gegen sich selbst als Zeuge aussagen zu müssen. 1 3 8 Art. 14 IPBR beziehe sich nicht auf Untersuchungen in Wettbewerbssachen, sondern betreffe nur Personen, die in einem gerichtlichen Strafverfahren angeklagt seien. 1 3 9 Auch die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten erkennten ein Recht zur Verweigerung der Zeugenaussage gegen sich selbst nur natürlichen Personen zu, die im Rahmen eines Strafverfahrens einer Straftat beschuldigt würden. Es gebe keinen dem Recht der Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsatz zugunsten juristischer Personen und in bezug auf Zuwiderhandlungen wirtschaftlicher Art, insbesondere auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts. 140 Beschränkungen der Untersuchungsbefugnisse der Kommission könnten sich jedoch aus dem Erfordernis der Wahrung der Rechte der Verteidigung ergeben: „Daher ist die Kommission zwar um der Erhaltung der praktischen Wirksamkeit des Art. 11 Abs. 2 und 5 der VO Nr. 17 willen berechtigt, das Unternehmen zu verpflichten, ihr alle erforderlichen Auskünfte über ihm eventuell bekannte Tatsachen zu erteilen und ihr erforderlichenfalls die in seinem Besitz befindlichen Schriftstücke, die sich hierauf beziehen, zu übermitteln, selbst wenn sie dazu verwendet werden können, den Beweis für ein wettbewerbswidriges Verhalten zu erbringen. Jedoch darf die Kommission durch eine Entscheidung, mit der Auskünfte angefordert werden, nicht die Verteidigungsrechte des Unternehmens beeinträchtigen. Daher darf die Kommission dem Unternehmen nicht die Verpflichtung auferlegen, Antworten zu erteilen, durch die es das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eingestehen müßte, für die die Kommission den Beweis zu erbringen hat." 1 4 1 Streng genommen ist diese Begründung ein Zirkelschluß: Die Kommission darf von dem Unternehmen keine Auskünfte verlangen, die dessen Verteidigungsrechte beschränken. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Warum das Eingeständnis einer 138 EuGH, a. a. O., Rn. 30. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gilt Art. 6 EMRK nicht für selbstbelastende Aussagen im verwaltungsrechtlichen Ermittlungsverfahren (vgl. EGMR (Funke/Frankreich), EuGRZ 1989, 461; EGMR (Saunders / Vereinigtes Königreich), E 1996-VI. Allerdings dürfen nach dieser Rechtsprechung selbstinkriminierende Aussagen, die der Betroffene im Verwaltungsverfahren vor der Eröffnung des Strafverfahrens gemacht hat, nicht im späteren Strafprozeß verwendet werden. Daraus können Probleme für die grenzüberschreitende Verwertung von bei Inspektionen erhaltenen Aussagen im anschließenden Sanktionsverfahren entstehen, weil die ermittelten Verstöße nicht in allen Mitgliedstaaten einheitlichen Verfahren unterliegen. Die Verstöße werden teils im Straf-, teils im Verwaltungsverfahren geahndet, was zu Konflikten und der Gefahr von Beweisverwertungsverboten führen wird, wenn die Ermittlungen im Verwaltungsverfahren, die Sanktionierung aber im Strafverfahren erfolgen soll; vgl. kritisch A. Berg, European Fisheries Law, S. 296; Harding, in: Harding / S wart, Enforcing European Community Rules, S. 22, 39. 139 EuGH, Rs. 374/87 (Orkem/Kommission), Slg. 1989, 3343, Rn. 31.
140 EUGH, a. a. O., Rn. 29.
141 EuGH, a. a. O., Rn. 34 und 35; bestätigt durch EuGH, Rs. T-112/98 (Mannesmann/ Kommission), Urt. v. 20. 2. 2001, Rn. 59 ff.
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Zuwiderhandlung eine solche Verletzung der Verteidigungsrechte darstellt, ist damit noch nicht gesagt. Das stellt der EuGH mehr oder weniger apodiktisch fest und schiebt nur eher beiläufig hinterher, daß es Sache der Kommission sei, den Beweis für Zuwiderhandlungen zu erbringen. Fragen der Beweislastverteilung haben aber wiederum wenig mit der Frage nach dem Umfang der Verteidigungsrechte zu tun.142 Festzuhalten ist jedenfalls, daß der EuGH für das Wettbewerbsrecht ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr der Selbstbelastung ablehnt und lediglich ein Recht zur Verweigerung der Beantwortung solcher Fragen anerkennt, mit denen das Unternehmen unmittelbar einen Verstoß eingestehen müßte. Das heißt: Die Kommission darf nach Tatsachen fragen; die rechtliche Würdigung unter den gesetzlichen Tatbestand hat sie selbst vorzunehmen. 1 4 3 Diese Rechtsprechung wurde im Fall Otto bestätigt. Dort hat der Gerichtshof nochmals ausdrücklich betont, daß weder die Kommission noch staatliche Behörden diese Informationen als Beweis für einen Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften im Rahmen eines Verfahrens, das zu Sanktionen führen kann, oder als Indiz, das die Einleitung einer einem solchen Verfahren vorausgehenden Untersuchung rechtfertigen könnte, verwerten d a r f . 1 4 4 Der eher beiläufige Hinweis auf die staatlichen Behörden zeigt, daß der EuGH hier einheitliche Grundsätze anwendet. Allerdings hat der Grundsatz keine unmittelbare „Fernwirkung" dergestalt, daß den Unternehmen das Recht zur Geständnisverweigerung auch in anderen nationalen Verfahren ζ. B. des Zivilrechts zustünde: Ein nationales (Zivil-)Gericht ist ζ. B. gemeinschaftsrechtlich nicht gehalten, bei der Prüfung eines Antrags auf Anordnung einer vorgezogenen Zeugenvernehmung im Vorgriff auf einen Zivilprozeß den Grundsatz anzuwenden, daß ein Unternehmen nicht zur Beantwortung von Fragen verpflichtet ist, wenn ihre Beantwortung das Eingeständnis eines Verstoßes gegen Wettbewerbsvorschriften beinhaltet. 1 4 5 Diese Rechtsprechung ist vom Grundsatz her auch auf andere Rechtsgebiete übertragbar. Allerdings ist das europäische Wettbewerbsrecht dadurch gekennzeichnet, daß Ermittlungs- und Sanktionsbefugnis in einer Hand liegen. Demgegenüber liegt die Sanktionsbefugnis im Zusammenhang mit den Inspektionen nach der Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung) bei den Mitgliedstaaten. Die Ermittlungen mit dem Ziel der Betrugsbekämpfung weisen zudem eine stärkere Nähe zur Strafverfolgung auf. Es erscheint daher durchaus fraglich, ob die vom EuGH für das Wettbewerbsrecht aufgestellten Grundsätze auch für die Betrugsbekämpfung ausreichen: Die Berichte der Kontrollbediensteten sollen ausdrücklich auch in den Strafverfahren der Mitgliedstaaten als Beweismittel herangezogen 142 Kritisch auch Weiß, Verteidigungsrechte, S. 357 ff.; Bechtold, EuR 1992, S. 41, 49. 143 Arnold, EuR Beih. I 1995, S. 7, 22. 144 EuGH, Rs. C-60/92 (Otto BV), Slg. 1992,1-5707, Rn. 20. 145 EuGH, Rs. C-60/92 (Otto BV), Slg. 1992, 1-5707, Rn. 21. Vgl. dazu auch Arnold, EuR Beih. I 1995, S. 7, 22.
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
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werden. 1 4 6 Die Auskunftsverweigerungsrechte natürlicher Personen sollten daher in diesem Fall weiter entwickelt werden in Richtung auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht über alle Tatsachen, die den Betroffenen in die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung bringen könnten - unabhängig davon, ob i m Mitgliedstaat bereits ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. In den Fällen, in denen das nationale Verfahrensrecht neben den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts anwendbar ist, ist zu unterscheiden: Das Recht, diejenigen Auskünfte zu verweigern, die ein unmittelbares Geständnis einer Zuwiderhandlung beinhalten, überlagert im Sinne eines Mindeststandards schwächere Standards der Mitgliedstaaten. Wenn den Kontrollunterworfenen nach dem mitgliedstaatlichen Verfahrensrecht allerdings weitergehende Auskunftsverweigerungsrechte zustehen, sind diese zu beachten, solange dadurch der Vollzug des Gemeinschaftsrechts nicht unmöglich gemacht wird. Das dürfte selten der Fall sein: Neben den Auskunftsrechten stehen ja noch andere Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung, für die das Auskunftsverweigerungsrecht nicht g i l t . 1 4 7 Die Einhaltung der (höheren) mitgliedstaatlichen Standards auch durch Kommissionsbedienstete wird die Bereitschaft der Mitgliedstaaten erhöhen, die Ergebnisse von Gemeinschaftsinspektionen in den anschließenden nationalen Sanktionsverfahren als Beweismittel zuzulassen.
5. Das Recht auf Hinzuziehung eines Anwalts und der Schutz der verteidigungsrelevanten Anwaltskorrespondenz (legal professional privilege ) Als Verteidigungsrechte in der Gestalt allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts sind ferner ein Recht auf Hinzuziehung eines juristischen Beistands und ein Anspruch auf Wahrung der Vertraulichkeit des Schriftverkehrs zwischen Anwalt und Mandant anerkannt. Für diese Grundsätze hat der EuGH explizit entschieden, daß sie schon im Stadium der Voruntersuchung zu beachten s i n d . 1 4 8 A l lerdings ist die Anwesenheit eines Rechtsbeistands keine zwingende Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Durchführung einer Inspektion. Im Einzelfall wird es 146 Dazu Dannecker, ZStW 111 (1999), S. 256, 292 f. •47 Insbesondere gibt es kein Recht, die Vorlage belastender Unterlagen zu verweigern, vgl. näher für das deutsche Recht Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse, S. 123: Das Recht zur Verweigerung der Auskunft beinhaltet nicht auch das Recht, die Duldung und Mitwirkung bei Inanspruchnahme der anderen Prüfungsbefugnisse zu verweigern, keine Analogie zu § 97 StPO. Im Gegenteil muß der die Auskunft Verweigernde in verstärktem Maße unangenehmen Maßnahmen, wie Prüfungen durch Einsichtnahme in Unterlagen, Besichtigungen etc., gewärtig sein. Auch der EGMR unterscheidet zwischen (mündlichen) Auskünften und dem Rückgriff auf andere Beweismittel, die unabhängig vom Willen des Betroffenen existieren, vgl. EGMR, Saunders/Großbritannien, 1996-VI ; dazu und auch allgemein zum Recht auf Schutz vor Selbstbezichtigung A. Berg, European Fisheries Law, S. 295 ff. 148 EuGH, verb. Rs. 46/87 u. 227/88 (Hoechst/Kommission), Slg. 1989, 2919, Rn. 16.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
eine Abwägungsfrage sein, inwieweit einem Unternehmen, das glaubhaft versichert, kein Beweismaterial zur Seite zu schaffen, die Zeit zuzubilligen ist, seinen Anwalt herbeizuholen. 1 4 9 Privilegiert wird nur die Korrespondenz mit einem selbständigen, nicht vom Unternehmen beschäftigten Anwalt, die i m Rahmen und i m Interesse des Rechts des Mandanten auf Verteidigung geführt w i r d . 1 5 0 Dieses Schutzniveau sieht der EuGH als einen gemeinschaftsweiten Konsens an; er weist daneben ausdrücklich darauf hin, daß es i m einzelnen Unterschiede hinsichtlich des Geltungsbereichs und der Kriterien für die Anwendung des Grundsatzes gebe.151 Für das Wettbewerbsrecht hat der EuGH entschieden, daß die Kommission bei Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der geschützten Schriftstücke eine Entscheidung zu treffen habe, gegen die das Unternehmen dann vor dem EuGH klagen k ö n n e . 1 5 2 Bei den Nachprüfungen der Kommission nach der Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung) erscheint ein solches Vorgehen schwieriger. Zunächst sind die Kommissionsbediensteten ausdrücklich auch an das nationale Verfahrensrecht gebunden. Sie haben damit weitergehende Privilegierungen i m nationalen Recht - wie ζ. B. den Schutz auch des Schriftverkehrs mit einem i m Hause angestellten Rechtsanwalt - grundsätzlich zu achten. Entscheidungsinstanz i m Streitfall müßte auch hier der EuGH sein: Er hätte i m Einzelfall die Reichweite des Anwendungsvorrangs des gemeinschaftsrechtlichen legal privilege zu bestimmen und auch darüber zu entscheiden, ob die weitergehenden nationalen Standards ausnahmsweise außer acht zu lassen sind, wenn sie einen effektiven Vollzug des Gemeinschaftsrechts unmöglich machen.
6. Fazit Die vorstehende Analyse hat gezeigt, daß der festzustellende Mangel an ausdrücklichen Verfahrensregeln zum Schutz der kontrollunterworfenen Wirtschaftsteilnehmer in den sekundärrechtlichen Regelungen durch die Allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts in gewisser Weise kompensiert werden kann. Diese Allgemeinen Rechtsgrundsätze sind zwar vom EuGH in erster Linie für das Eigenverwaltungsrecht entwickelt worden. Sie entfalten aber Wirkung auch für die Vollzugstätigkeiten der Mitgliedstaaten und können damit einen Mindeststandard bieten. Das hindert die Mitgliedstaaten nicht, mit ihrem nationalen Verfahrensrecht über diesen Mindeststandard hinauszugehen. Ein i m Einzelfall höherer Schutz durch nationales Verfahrensrecht sollte nicht vorschnell mit Effektivitätserwägun149 Kuhl/Spitzer,
EuZW 1998, S. 37, 43.
150 E U G H , RS. 1 5 5 / 7 9 ( A M & S / K o m m i s s i o n ) , Slg. 1982, 1575, Rn. 18 ff.; E u G , Rs. T-
30/89 (Hilti/Kommission), Slg. 1990, 11-165, Rn. 13; zum legal professional privilege vgl. auch Tridimas, General Principles, S. 247; Harding, Community Investigations, S. 28 ff. 151 EuGH, Rs. 155/79 (AM&S/Kommission), Slg. 1982, 1575, Rn. 19 f. 152 EuGH, a. a. O., Rn. 30.
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
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gen und dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts außer Betracht gelassen werden. Insgesamt bietet der aus den Allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleitete M i n deststandard ein ausreichendes Schutzniveau. Allerdings ist es für die Wirtschaftsteilnehmer in den Mitgliedstaaten mißlich, daß sich die ihnen zustehenden Rechte nicht unmittelbar aus den einer Inspektion zugrundeliegenden Rechtsakten ergeben. I m Sinne größerer Rechtsklarheit und Transparenz wäre es wünschenswert, diese Rechte zumindest in die wichtigsten Inspektionsrechtsakte mit aufzunehmen.
IV. Daten- und Geheimnisschutz Eingangs sind die Inspektionen als Instrument zur Beschaffung von Informationen über die Einhaltung des (Gemeinschafts-)Rechts charakterisiert worden. Sie helfen den mitgliedstaatlichen Verwaltungen und der EG-Verwaltung, ihren Aufsichtsaufgaben nachzukommen. Für die Sicherstellung einer funktionierenden Wettbewerbsordnung, den Schutz von Leben und Gesundheit der Unionsbürger und die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus i m Umweltschutz benötigen die zuständigen Stellen Informationen, die sie häufig nur durch Kontrollen vor Ort erlangen können. 1 5 3 Der betroffene Wirtschaftsteilnehmer wird demgegenüber daran interessiert sein, daß die (u.U. negativen) Erkenntnisse über seine Person bzw. seinen Betrieb am besten überhaupt nicht erst erhoben werden oder jedenfalls nur einem möglichst beschränkten Personenkreis zugänglich gemacht werden dürfen. Seine Geheimhaltungsinteressen sind vielfältig: Das Bekanntwerden von Geschäftspraktiken, Rezepturen und Fertigungstechniken, von Informationen über die Verwendung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln oder von Daten über Kalkulationen oder über Praktiken von Zulieferern könnte u. U. ruinöse Folgen haben. 1 5 4 Verschwiegenheitsbestimmmungen sowie Geheimnis- und Datenschutzregeln auf der einen Seite, Amtshilfebestimmungen und Einsichtsrechte auf der anderen Seite, dienen dazu, die widerstreitenden Interessen zu einem Ausgleich zu bringen. Eine umfassende Regelung der Rechtsprobleme, die sich i m Zusammenhang mit Informationen stellen, existiert weder auf der nationalen noch auf der EG-Ebene. Kloepfer 55 nennt vier Aspekte für die rechtliche Bewertung des Informationsgeschehens, die ein vierpoliges Spannungsverhältnis bilden: - Informationsgewinnung und -Zugang, - Informationsverarbeitung und -weitergäbe (einschließlich Informationspflichten des Staates oder der Bürger), 153 Vgl. für den innerstaatlichen Bereich W. Berg, WiVerw 1996, S. 171. 154 So W. Berg, WiVerw 1996, S. 171. Zu den kollidierenden (Rechtsschutz-)Interessen von Marktteilnehmern und Konkurrenten im Subventions-, Kartell- und Umweltrecht vgl. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 614 f.; aus der älteren Literatur siehe auch Knorr, Geheimhaltung und Gewerbeaufsicht, 1982.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
- Begrenzung der Informationstätigkeit (durch Daten- und Geheimnisschutz), -
Informationssicherheit.
Für die durch Inspektionen erlangten Informationen werden alle diese Komplexe relevant. Es stellt sich zunächst die Frage, welche Informationen überhaupt erhoben werden dürfen. Anschließend ist problematisch, inwieweit diese Informationen weiterverarbeitet und insbesondere an andere Behörden oder Dritte weitergegeben werden dürfen. Der Bereich der Datensicherheit, bei dem es um die eher technischen Fragen nach dem Schutz vor unrechtmäßiger Verarbeitung, Zerstörung oder unberechtigtem Zugang zu den bei einer Behörde vorhandenen Informationen geht, soll hier ausgeklammert bleiben. Die aufgeworfenen Fragen lassen sich nur unter Rückgriff auf verschiedene punktuelle Einzelregelungen lösen. Das Datenschutzrecht (i.e.S.), zu dessen Heranziehung man vielleicht am ehesten neigt, deckt nur einen Teilausschnitt a b . 1 5 6 Sowohl die europäischen Regelungen (EG-Datenschutzrichtlinie und jüngst EGDatenschutzverordnung) als auch das Bundesdatenschutzgesetz und die Datenschutzgesetze der Länder regeln nämlich nur den Schutz personenbezogener Informationen. Die Daten juristischer Personen - und um solche wird es sich i m Wirtschaftsrecht häufig handeln - sind nicht erfaßt. 1 5 7 Unternehmensbezogene Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bleiben aus dem Datenschutzrecht ausgeklammert. Das Datenschutzrecht stellt, so eng begrenzt sein Anwendungsbereich auch sein mag, ein vergleichsweise stringent aufgebautes Rechtsgebiet dar. Das ist für den Bereich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht der Fall. Für zusätzliche Komplexität sorgt der grenz- und ebenenüberschreitende Informationsaustausch. Bei einem Verwaltungskonzept, das den gesamten Binnenmarkt i m Blick hat, bleiben die Informationen nicht im Verantwortungsbereich einer zuständigen Verwaltungsstelle. 158 Diese grenzüberschreitende Weitergabe und Verwendung allgemein von Informationen und speziell von Inspektionsergebnissen stellt den Daten- und Geheimnisschutz in der Gemeinschaft vor neue Herausforderungen. •55 Gutachten D für den 62. Deutschen Juristentag 1998, S. D 77. Zu Notwendigkeit, Aufgaben und Regelungssektoren eines Informationsverwaltungsrechts vgl. auch Voßkuhle in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Informationsgesellschaft, S. 349, 355 ff. 15 6 Zur Enge des Datenschutzrechts im Vergleich zur Weite der informationellen Ordnung vgl. Kloepfer, Gutachten D für den 62. Deutschen Juristentag 1998, S. D 76. 157
So auch Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 150: Die Datenschutzrichtlinie wird für den Datenaustausch von Wirtschaftsteilnehmern nur eine begrenzte Rolle spielen. 158 Schon für das nationale Recht weist Haverkate auf das Spannungsverhältnis zwischen dem die Koordination und Kommunikation fördernden Grundsatz der Einheit der Verwaltung und Gegenansprüchen der Bürger hin: Der Bürger kann nicht nur ein Interesse daran haben, daß Verwaltungsträger und Behörden zusammenwirken; er kann auch das entgegengesetzte Interesse haben, daß ein Zusammenwirken verschiedener Verwaltungsstellen unterbleibt. Mögliche Ansprüche des Bürgers richten sich hier vor allem gegen den Austausch persönlicher Daten (VVDStRL 46 (1988), S. 217, 246).
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Zunächst werden kurz die maßgeblichen Grundlagen dargestellt, an denen sich die Ausgestaltung der Geheim- und Datenschutzregeln messen lassen muß (unter 1.). Anschließend wird auf die Regelungsmechanismen eingegangen, mit denen das Gemeinschaftsverwaltungsrecht die gerade angedeuteten Interessengegensätze miteinander in Einklang zu bringen versucht (unter 2.).
1. Grundlagen des Daten- und Geheimnisschutzes a) Die europäische Ebene Der Gerichtshof hatte noch keine Gelegenheit, ausdrücklich zur Existenz eines europäischen Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zum Schutz personenbezogener Daten Stellung zu nehmen. Punktuell hat er allerdings Gewährleistungen anerkannt, die in Deutschland ebenso wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen werden. 1 5 9 I m Schrifttum wird teilweise ein europäisches Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bejaht. Die Voraussetzungen für die Annahme eines solchen Rechts lägen vor, da sowohl die Aussagen der E M R K (insbes. Art. 8) als auch die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten als die beiden wesentlichen Erkenntnisebenen gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes datenschutzrechtliche Gewährleistungen anerkennen. 1 6 0 Auch das Primärrecht kennt nunmehr eine Regelung zum Datenschutz (Art. 286 EGV). Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen fällt demgegenüber nicht unter das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern ist eher den Eigentumsverbürgungen zuzurechnen. Das Eigentumsgrundrecht wird in der Gemeinschaftsrechtsordnung gemäß den gemeinsamen Verfassungskonzeptionen der Mitgliedstaaten gewährleistet, die sich auch im Zusatzprotokoll Nr. 1 zur E M R K widerspiegeln. 1 6 1 Der EuGH weist in ständiger Rechtsprechung darauf hin, daß das Eigentumsrecht zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört. Zum gemeinschaftsrechtlichen Eigentum kann auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gezählt werden. 1 6 2 Der Gerichtshof betont jedoch auch, daß diese Grundsätze i m Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion gesehen werden müßten. Folglich könnte die Ausübung des Eigentumsrechts Be159 So ζ. B. die - bereits im letzten Abschnitt angesprochene Vertraulichkeit des Schriftverkehrs zwischen Anwalt und Mandant oder das Arztgeheimnis, zu letzterem EuGH, Rs. C62/90 (Kommission/Deutschland), Slg. 1992,1-2575, Rn. 23. 160 Ausführliche Herleitung bei Mähring, Institutionelle Datenschutzkontrolle, S. 40 ff.; siehe nunmehr auch Art. 8 (Schutz personenbezogener Daten) der am 7. 12. 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 364 v. 7. 12. 2000, S. 1. 161 EuGH, Rs. 44/79 (Hauer), Slg. 1979, 3727, Rn. 17. 162 Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 46; EuGH, Rs. 59/83 (Biovilac), Slg. 1984, 4057, Rn. 21-24.
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schränkungen unterworfen werden, sofern diese Beschränkungen dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprächen und nicht einen i m Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellten, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antaste. 1 6 3 Die Pflichten der Unternehmen, zum Zweck der Wirtschaftsüberwachung Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren, könnten solche dem Gemeinwohl dienenden Beschränkungen darstellen. Ihre Ausgestaltung muß sich demzufolge an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Wesensgehaltsgarantie orientieren. Inspektionen dienen dem Schutz wichtiger Gemeinwohlgüter wie ζ. B. dem Gesundheitsschutz i m Lebensmittel- und Veterinär- und Umweltrecht oder den Finanzinteressen der Gemeinschaft wie ζ. B. i m Agrar- und Betrugsbekämpfungsrecht. Die Erhebung von Informationen, die dem Schutz dieser Gemeinwohlgüter dienen, durch die Inspektionsbediensteten ist daher erforderlich. Auch die Weitergabe der Informationen an andere Verwaltungsstellen liegt in der Konsequenz des gemeinsamen Binnenmarktes und wird für eine effektive am Gemeinwohl orientierte Verwaltung erforderlich sein. Infrage steht damit nicht das Ob der Informationserhebung und -Weitergabe, sondern die Frage ihrer Ausgestaltung. Die wichtigsten Maßstäbe setzt hier das Verhältnismäßigkeitsprinzip: Zur Vermeidung unverhältnismäßiger Eingriffe in das Recht der Unternehmer auf Daten- und Geheimnisschutz sind gewissermaßen „als Kompensation" Sicherungsmechanismen erforderlich. Einen solchen Sicherungsmechanismus enthält bereits das Primärrecht: Nach Art. 287 EGV unterliegen die Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaft einer beruflichen Schweigepflicht. Sie sind verpflichtet, Auskünfte, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, nicht preiszugeben; dies gilt insbesondere für Auskünfte über Unternehmen sowie deren Geschäftsbeziehungen oder Kostenelemente. In vielen der untersuchten Rechtsakte wird diese Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses nochmals ausdrücklich aufgegriffen. 1 6 4 >63 Vgl. nur EuGH, Rs. 265/87 (Schräder), Slg. 1989, 2237 f.; EuGH, Rs. 5/88 (Wachauf), Slg. 1989, 2609, Rn. 18 f.; EuGH, verb. Rs. C-143/88 u. C-92/89 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen), Slg. 1991, 1-415, Rn. 73; EuGH, Rs. C-44/89 (von Deetzen), Slg. 1991, I5119, Rn. 26 und 27. •64 Ζ. B. Art. 20 Abs. 2 Verordnung Nr. 17, dazu EuGH, Rs. 85/76 (Hoffmann-La Roche/Kommission), Slg. 1979, 461, Rn. 14 und EuGH, Rs. 53/85 (AKZO Chemie/Kommission), Slg. 1986, 1965, Rn. 26; Art. 8 Abs. 1 UAbs. 1 Verordnung Nr. 2185/96; vgl. dazu Ulrich, Kontrollen bei Wirtschaftsbeteiligten, S. 197; Art. 30 Abs. 1 Richtlinie Nr. 12/2000/ EG (Bankenaufsicht). Daß Verstöße gegen die berufliche Schweigepflicht die Haftung der Gemeinschaft auslösen können, hat der EuGH im Fall Adams (EuGH, Rs. 53/84, Slg. 1985, 3556 ff.) entschieden. Die Entscheidung illustriert, wie weit die Pflichten im Zusammenhang mit der Wahrung des Berufsgeheimnisses (Art. 287 EGV, ex-Art. 214) gehen können. Der Kläger Adams hatte der Kommission Informationen über wettbewerbswidrige Praktiken der Firma Hoffmann-La Roche zukommen lassen. Er war zum damaligen Zeitpunkt (noch) Mitarbeiter dieses Unternehmens und hatte die Kommission schriftlich gebeten, seinen Namen „nicht in die Angelegenheit hineinzuziehen". Zur Uberführung von Hoffmann-La Roche legten Kommissionsbeamte im Rahmen von Besuchen bei den französischen und belgischen
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b) Die Ebene des deutschen Verfassungsrechts Das Grundgesetz gewährleistet als eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Es wurde vom Bundesverfassungsgericht i m Volkszählungsurteil 1 6 5 aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird definiert als die aus dem „Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart w e r d e n " . 1 6 6 Entsprechend den Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG sind Eingriffe nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig. Das Selbstbestimmungsrecht kann zugunsten öffentlicher Zwecke eingeschränkt werden, sofern die Datenerfassung und -Verarbeitung zur Erreichung dieser Zwecke geeignet, erforderlich und i.e.S. verhältnismäßig sind. Die Daten dürfen nur zu den gesetzlich bestimmten Zwecken verwendet oder weitergegeben werden. Zur Vermeidung des Mißbrauchs sind besondere Vorkehrungen für die Durchführung und die Organisation der Erhebung und -Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich. 1 6 7 Eine eigenständige verwaltungsrechtliche Legaldefinition des Begriffs (Geschäfts-)Geheimnis existiert i m Unterschied zu dem der personenbezogenen Daten nicht. Der Begriff kann in Anlehnung an Rechtsprechung und Literatur zu § 17
Tochterunternehmen Kopien der Unterlagen vor, die sie vom Kläger erhalten hatten. Obwohl sich die Beamten bemüht hatten, die Stellen, die auf Adams als Informanten hindeuteten, unkenntlich zu machen, konnte er dennoch durch das Unternehmen Hoffmann-La Roche identifiziert werden. Das Unternehmen erstattete Anzeige bei den Schweizer Strafverfolgungsbehörden, und der Kläger wurde in der Folgezeit wegen Verstoßes gegen die Artikel 162 und 273 des schweizerischen Strafgesetzbuches (wirtschaftlicher Nachrichtendienst bzw. Verletzung von Geschäftsgeheimnissen) zu einem Jahr Gefängnis mit Bewährung verurteilt (zum Sachverhalt vgl. EuGH, a. a. Ο., Rn. 4 ff.). Der EuGH hat in diesem Fall entschieden, daß die Kommission die Identität des Klägers auch noch geheimhalten mußte, als dieser bei seinem Arbeitgeber ausgeschieden war. Sie habe jedenfalls unvorsichtig gehandelt, als sie die Kopien der Firma Roche ausgehändigt habe, ohne dazu den Kläger gefragt zu haben (EuGH, a. a. O., Rn. 37, 40). Da ihr bekannt gewesen sei, daß die Firma La Roche fest entschlossen war, den Informanten zu enttarnen und Anzeige gegen ihn zu erstatten, hätte sie alles in ihrer Macht Stehende tun müssen, um den Kläger zu warnen und sich mit ihm über das weitere Vorgehen zu verständigen (EuGH a. a. O., Rn. 42). Da sie das nicht getan habe, sei ihre Haftung für den durch die Identifizierung des Klägers entstandenen Schaden begründet (EuGH a. a. O., Rn. 44). Aus dem Leitsatz des Urteils geht hervor, daß die Pflicht zur Wahrung von Geheimnissen sehr weitreichend ist. Sie umfaßt nicht nur die in Art. 287 EGV direkt angesprochenen Geschäftsgeheimnisse, sondern auch andere Informationen, um deren Geheimhaltung derjenige, der sie zur Verfügung stellt, bittet. Man wird allerdings davon ausgehen müssen, daß dieser Bitte nachvollziehbare Interessen zugrundeliegen, da ansonsten „ihrem Wesen nach" vertrauliche Informationen nicht vorliegen dürften. 165 BVerfGE 65, 1, 41 ff.; umfassend zur Entwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im deutschen Verfassungsrecht Waiden, Zweckbindung, S. 32 ff. 166 BVerfGE 65, 1,41 f. 167 BVerfGE 65, 1, 46 ff.; vgl. näher Murswiek in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 72 u. 121.
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U W G und an die zu den § § 9 3 und 203 ff. StGB entwickelten Definitionen bestimmt werden. Es handelt sich um Tatsachen, die i m Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, die nach dem Willen des Unternehmers nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und sein sollen und an deren Geheimhaltung der Unternehmer ein schutzwürdiges wirtschaftliches Interesse h a t . 1 6 8 Zum Betriebsgeheimnis lassen sich alle Daten aus dem technischen Bereich des Unternehmens (das „Know-how") zählen, während sich das Geschäftsgeheimnis auf Daten aus dem kaufmännischen Bereich bezieht. 1 6 9 Wichtig ist, daß das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis im Unterschied zu den personenbezogenen Daten keinen personalen Gehalt hat. Es dient primär der Sicherung wirtschaftlicher Positionen. 1 7 0 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bilden einen wesentlichen Wertfaktor des Betriebes, und zwar unabhängig davon, ob ihnen ein gewerbliches Schutzrecht zugrundeliegt oder nicht. Das Rechtsinstitut Eigentum schützt Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unmittelbar als vermögenswertes Recht. 1 7 1 Die verfassungsrechtliche Herleitung und Fundierung eines Rechts auf Geheimnisschutz läßt sich damit auf Art. 14 Abs. 1 GG, die Eigentumsgarantie, stützen. Andere Versuche, hierfür die Berufsfreiheit des Art. 12 GG, die Forschungsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG oder das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG entwickelte Recht auf informationelle Selbstbestimmung heranzuziehen, überzeugen n i c h t . 1 7 2 Die Pflicht zur Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen läßt sich als Inhalts- und Schrankenbestimmung i m Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG deuten, die nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig ist. Ein absoluter Geheimnisschutz, d. h. ein Recht der Unternehmen, die Preisgabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen überhaupt zu verweigern, wird sich anhand der beschriebenen Maßgaben des Verfassungsrechts kaum rechtfertigen lassen: Der Gesetzgeber kann, wenn er bestimmte Kontrollen für erforderlich hält, den Schutz wichtiger Allgemeingüter wie beispielsweise der Gesundheit, der Umwelt oder der öffentlichen Finanzen, in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise höher einstufen als das Interesse der Unternehmer an einem absoluten Schutz ihrer Geheimnisse. 1 7 3 Den Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen kann wirksam durch eine Beschränkung der Kenntnisnahme auf
168 Vgl. zu Definitionsversuchen und unterschiedlicher Terminologie in Rechtsprechung und Literatur Taeger, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, S. 21 ff.; Breuer, NVwZ 1986, S. 171, 172. 169 Vgl. näher zu dieser Unterscheidung W. Berg, GewArch 1996, S. 177, 178; ders. WiVerw 1996, S. 171, 173. •70 W. Berg, GewArch 1996, S. 177, 178.
•7i Ausführlich Taeger, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, S. 62; vgl. auch Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14, Rn. 99. Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Flick-Ausschußurteil einen grundrechtlichen Schutz auf unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe individualisierter oder individualisierbarer Daten auf Art. 14 GG gestützt, vgl. BVerfGE 67, 100, 142 f. •72 Eingehende Auseinandersetzung mit diesen Grundrechten bei Taeger, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, S. 53 ff.; vgl. auch W Berg, GewArch 1996, S. 177, 178.
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die zuständigen Behörden, Weitergabebeschränkungen und Schweigepflichten der Verwaltungsbediensteten Rechnung getragen werden.
2. Regelungstechniken zur Gewährleistung von Daten- und Geheimnisschutz für den Informationsaustausch Die nationalen Daten- und Geheimnisschutzbestimmungen haben i m Kollisionsfall hinter die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Datenweitergabe zurückzutreten. Zur Kompensation sehen die den Informationsaustausch betreffenden Gemeinschaftsbestimmungen fragmentarische eigene Regelungen vor. Diese folgen allerdings noch keinem konsistenten Regelungssystem. 174 Die wichtigsten Rechtsgrundlagen des europäischen Datenschutzrechts sind die EG-Datenschutzrichtlinie und die neue EG-Datenschutzverordnung. M i t der EGDatenschutzrichtlinie wurde zunächst der Weg der Harmonisierung der Datenschutzregeln in den Mitgliedstaaten beschritten. Durch den Amsterdamer Vertrag ist die Bindung auch der Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft an die europäische Datenschutzgesetzgebung primärrechtlich festgeschrieben worden. 1 7 5 Durch die Verordnung Nr. 4 5 / 2 0 0 1 (EG-Datenschutzverordnung) wurden nunmehr die Grundsätze zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr sekundärrechtlich ausgeformt. Speziell für den Datenschutz bei grenzüberschreitender Übermittlung zwischen Behörden wird man allerdings in der Richtlinie keine ausdrückliche Bestimmung f i n d e n . 1 7 6 Der Richtliniengeber geht in den Erwägungsgründen der Richtlinie ausdrücklich davon aus, daß sich aus der Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die Gleichwertigkeit des Schutzniveaus in der Gemeinschaft ergibt. 1 7 7 173 Ebenso W. Berg, WiVerw 1996, S. 171, 178. Zur Unterscheidung zwischen absolutem und relativem Geheimnisschutz vgl. auch Breuer, NVwZ 1986, S. 171, 173 f. 174 Vgl. zum folgenden Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 146 ff. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, S. 340, Fn. 238 konstatiert eine „bisher kaum in den Blick gerückte Kollisionslage", wenn Behörden gemeinschaftsrechtlich zur Übermittlung von personenbezogenen Informationen verpflichtet sind. 175 Siehe Art. 286 EGV; vorher existierte lediglich eine Selbstverpflichtung zur Einhaltung der Schutzprinzipien der Datenschutzrichtlinie, die Kommission und Rat bei deren Annahme zu Protokoll gegeben haben. Aus dieser Selbstverpflichtung konnten betroffene Personen allerdings keine einklagbaren Rechte herleiten. Mehrere nach Verabschiedung der Datenschutzrichtlinie erlassene Rechtsakte verpflichten die Kommission, die Grundsätze der Richtlinie zu beachten. Solche Einzelregelungen sind seit der Einführung des Art. 286 EGV nicht mehr erforderlich; vgl. m. w. N. Brühann in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, A 30, Art. 34, Rn. 3. 17 6 Anders bei der Datenübermittlung in Drittländer: Diesem Problemkreis widmet die Richtlinie ein eigenes Kapitel (Art. 25 und 26). Grundsätzlich ist die Datenübermittlung in ein Drittland nur zulässig, wenn dieses Drittland ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet.
1 77 Erwägungsgrund Nr. 9 vgl. auch Garstka, DVB1. 1998, S. 981, 986. 21 David
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Die Richtlinie verfolgt somit den Anspruch, für den Verkehr personenbezogener Daten Verhältnisse wie in einem Binnenmarkt herzustellen. Ein Mitgliedstaat darf demnach nicht den Export von personenbezogenen Daten in andere Mitgliedstaaten behindern oder verweigern, etwa unter Hinweis darauf, daß in dem anderen Mitgliedstaat kein gleichwertiger allgemeiner Datenschutz oder detaillierter Sonderschutz bestehe. 1 7 8 Es macht daher - soweit der Anwendungsbereich der Datenschutzrichtlinie eröffnet ist - keinen Unterschied, ob die betreffenden Daten innerhalb eines Mitgliedstaates oder innerhalb der Union weitergegeben werden. Sollen personenbezogene Daten in einen anderen Mitgliedstaat übermittelt werden, kommt es nur darauf an, ob die materiellen Kriterien des von der Richtlinie vorgegebenen Datenschutzniveaus eingehalten sind. Die Übermittlung personenbezogener Daten zwischen Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft ist nach der EG-Datenschutzverordnung nur zulässig, wenn die Daten für die rechtmäßige Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, die in den Zuständigkeitsbereich des Empfängers f a l l e n . 1 7 9 Bei der Übermittlung von Daten auf Ersuchen tragen sowohl der für die Verarbeitung Verantwortliche als auch der Empfänger die Verantwortung für die Zulässigkeit dieser Übermittlung. 1 8 0 Für Empfängen die nicht Organe der Gemeinschaft sind, gelten zunächst die nationalen Umsetzungsvorschriften der EG-Datenschutzrichtlinie. Daneben bestimmt die EG-Datenschutzverordnung, daß der Empfänger nachzuweisen hat, daß die personenbezogenen Daten für die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder zur Ausübung der öffentlichen Gewalt gehört, erforderlich sind.181 Über diese allgemein und sektorübergreifende Geltung beanspruchenden Grundregeln hinaus existiert eine Vielzahl sektorieller Regelungen. 1 8 2 Für den Bereich des Schutzes der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ist das unproblematisch: Es gibt keine der Datenschutzrichtlinie vergleichbare übergreifende Regelung zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, zu der ein Konkurrenzverhältnis entstehen könnte. Aber auch die Datenschutzrichtlinie selbst nimmt keine Ausschließlichkeit für sich in Anspruch. Eine Ergänzung und Präzisierung durch spezifische Regeln für bestimmte Bereiche ist möglich, wenn diese i m Einklang mit den Grundsätzen der Richtlinie stehen. 1 8 3 Übergreifend haben sich einige prägende Re178 Vgl. Brühann in: Grabitz-Hilf, EUV/EGV, A 30, Art. 1, Rn. 12. 179 Art. 7 Ziff. 1 Verordnung Nr. 45/2001 (EG-Datenschutzverordnung). 180 Art. 7 Ziff. 2 Verordnung Nr. 45/2001 (EG-DatenschutzVerordnung). 181 Art. 8 lit. a) Verordnung Nr. 45/2001 (EG-Datenschutzverordnung). Nach lit. b) werden personenbezogene Daten nur übermittelt, wenn der Empfänger die Notwendigkeit der Datenübermittlung nachweist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß die berechtigten Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden könnten. ι 8 2 An einer systematisch entfalteten Verwaltungsinformationsordnung in der EG fehlt es bisher, vgl. Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Informationsgesellschaft, S. 405, 417. 183 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 68 der Datenschutzrichtlinie.
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
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gelungstechniken herausgebildet, die i m folgenden herausgearbeitet werden soll e n . 1 8 4 Zwischen dem Schutz unternehmensbezogener Daten und dem Schutz personenbezogener Daten wird dabei nicht immer differenziert; für die Darstellung dieser prägenden Regelungstechniken wird daher ein integrierter Ansatz gewählt. Zwei zusätzlichen Herausforderungen begegnen die Regelungen i m Vergleich zum traditionellen Daten- und Geheimnisschutz : Zum einen müssen die Regelungen dem grenzüberschreitenden Charakter des Informationsflusses Rechnung trag e n . 1 8 5 Ein effektiver Schutz hat die Beteiligung von Verwaltungsträgern verschiedener Ebenen und Nationalitäten zu berücksichtigen. Zum anderen erfordert die aufgrund moderner Technik möglich gewordene Sammlung von Informationen in Datenbanken einen Schutz der Betroffenen vor ausufernden Speicherungs- und Zugriffsmöglichkeiten. Ein mittlerweile weit verbreiteter Regelungsmechanismus ist der Grundsatz der Zweckbindung, 186 der bei grenzüberschreitender Weitergabe der Informationen überwirkende Geltung erhält (unter a). Wenn die Regelungen keine eigenen materiellen Vorgaben enthalten, finden sich häufig Festlegungen darüber, welches Recht auf die Vorgänge i m grenzüberschreitenden Datenverkehr anzuwenden ist. Das sind dann Ansätze eines Verwaltungskollisionsrechts [unter b)]. Auch die Beschränkung des Kreises derjenigen, die berechtigt sind, am Informationsaustausch teilzunehmen oder auf Datenbanken zuzugreifen, ist ein geeignetes Mittel [unter c)]. Speziell auf die Speicherung von Inspektionsergebnissen in Datenbanken zugeschnitten sind Regelungen über Anderungsbefugnisse und Speicherungsfristen [unter d)].
a) Grundsatz der Zweckbindung Die Beschränkung der Verwendung der erhobenen Informationen auf den Zweck, zu dem sie von der Behörde erhoben worden sind, bietet nach der Rechtsprechung der europäischen Gerichte grundsätzlich einen angemessenen Schutz der Interessen der Wirtschaftsteilnehmer. So hat das EuG in der Rechtssache SEP die Regelungen des Art. 20 der Verordnung Nr. 17 so ausgelegt, daß sowohl die Kommission als auch die mitgliedstaatlichen Behörden zur Einhaltung des Zweckbindungsgebotes verpflichtet seien. I m Zusammenspiel mit der Pflicht zur Wahrung der Geschäftsgeheimnisse seien damit die Interessen des klagenden Unternehmens ausreichend gewahrt. 1 8 7 Eingeschränkt wurden die sekundärrechtlichen Vor-
184
Zum folgenden vgl. auch Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 146 ff. Zum Geheimnisschutz gegenüber der Datenweitergabe an andere Behörden im deutschen Verwaltungsrecht vgl. Breuer, NVwZ 1986, S. 171, 175 f. 186 Umfassend zum Grundsatz der Zweckbindung im Bereich der polizeilichen Datenerhebung Waiden, Zweckbindung, 1996. 185
187 EUG, RS. T - 3 9 / 9 0 R ( S E P / K o m m i s s i o n ) , Slg. 1990,11-649, Rn. 25 ff. 21*
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
gaben der Zweckbindung allerdings durch das Gericht erster Instanz i m Urteil Postbank. Danach ist die Zweckbindung im Lichte des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit auszulegen und verbietet nicht die Weitergabe von Informationen an ein nationales Gericht. 1 8 8 Insgesamt nimmt gerade der EuGH die Vorgaben des Zweckbindungsgrundsatzes allerdings sehr ernst. In seinem A E B - U r t e i l 1 8 9 hat er den nationalen Kartellbehörden ausdrücklich untersagt, Informationen für ihre eigenen Verfahren zu verwerten, die sie gem. Art. 10 Verordnung Nr. 17 von der Kommission übermittelt erhalten. Art. 10 Verordnung Nr. 17 betrifft die Übermittlung von Informationen an die Mitgliedstaaten, die die Kommission durch Auskunftsersuchen nach Art. 11 der Verordnung von den Unternehmen erhalten hat. Zur Begründung argumentiert der Gerichtshof auf zwei Stufen, nämlich einmal bezogen auf den Zweck der Erhebung der Informationen und weiter bezogen auf den Zweck der Weitergabe: - Zunächst weist er darauf hin, daß ein an ein Unternehmen gerichtetes Auskunftsverlangen der Kommission die sachlichen oder rechtlichen Grundlagen an die Hand geben solle, deren sie zur Ausübung ihrer eigenen Zuständigkeiten bedürfe. Der Zweck eines Auskunftsverlangens bestehe nicht darin, Beweise zu liefern, die dazu bestimmt wären, von den Mitgliedstaaten in den Verfahren nach nationalem Recht verwertet zu werden. 1 9 0 Dementsprechend verbiete Art. 20 der Verordnung Nr. 17 die Verwertung von gemäß Art. 11 gesammelten Informationen zu anderen Zwecken als demjenigen, zu dem sie angefordert worden seien. 1 9 1 - Die Weitergabe der auf diese Weise erhaltenen Informationen (nach Art. 10 Verordnung Nr. 17) an die Mitgliedstaaten diene einem doppelten Zweck: Zum einen sollten die Mitgliedstaaten von den gemeinschaftlichen Verfahren unterrichtet werden, die in ihrem Hoheitsgebiet ansässige Unternehmen betreffen. Zum anderen solle der Informationsstand der Kommission dadurch verbessert werden, daß es ihr ermöglicht werde, die Auskünfte der Unternehmen mit den eventuellen Angaben und Stellungnahmen des betreffenden Mitgliedstaats zu vergleichen. Die Übermittlung dieser Informationen an die Mitgliedstaaten bedeute als solche nicht, daß diese sie für ihre eigenen Verfahren unter Voraussetzungen verwerten dürften, die die Anwendung der Verordnung Nr. 17 und die Grundrechte der Unternehmen in Frage stellen würden. Die nationalen Behörden müßten vielmehr den Nachweis für das Vorliegen der Tatsachen, die i m nationalen Verfahren verwertet werden sollten, unter Beachtung der i m nationalen Recht
iss EuG, Rs. T-353 /94 (Postbank NV/Kommission), Slg. 1998,11-921, Rn. 62 ff. Zu den beiden gerade erwähnten Urteilen auch Sommer, Administrative Informationsverfahren, Teil 6 Kap. 1 D.II. 1. 189 EuGH, Rs. C-67/91 (Asociación Espanola de Banca Privada - AEB), Slg. 1992, 1-4820 ff. 190 EuGH, a. a. O., Rn. 33. 191 EuGH, a. a. O., Rn. 35.
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
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vorgesehenen Garantien mit den diesem Recht eigentümlichen Beweismitteln erbringen und dürften sich nicht direkt auf die von der Kommission erlangten Unterlagen und Informationen stützen. Die Informationen dürften daher nur zur Beurteilung der Frage verwertet werden, ob es angebracht sei, ein nationales Verfahren einzuleiten. 1 9 2 Der Grundsatz der Zweckbindung gilt nicht nur i m Kartellrecht, das traditionell besonders prozeßträchtig ist, sondern findet sich auch als immer wiederkehrendes Regelungsmuster in den anderen untersuchten sektoriellen Inspektionsregelungen. Teilweise wird ganz allgemein festgelegt, daß die aufgrund der jeweiligen Verordnung oder Richtlinie übermittelten oder erhaltenen Angaben nicht zu anderen als den in der Verordnung oder Richtlinie vorgesehenen Zwecken verwendet werden dürfen. 1 9 3 Zusätzlich wird in einigen Vorschriften der Verwendungszweck ausdrücklich noch weiter präzisiert: So dürfen die nach der EG-Amtshilfeverordnung erhaltenen Informationen nur zur Verhinderung, Ermittlung und Bekämpfung von Handlungen, die der Zoll- und Agrarregelung zuwiderlaufen, 194 die nach der Kontrollverordnung Nr. 2185 / 96 zu keinem anderen Zweck als zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes der finanziellen Interessen der Gemeinschaften in allen Mitgliedstaaten 1 9 5 verwendet werden. Eine speziell auf die Speicherung in Datenbänken zugeschnittene Ausprägung des Zweckbindungsgrundsatzes enthält Art. 35 Abs. 2 Verordnung Nr. 5 1 5 / 9 7 (EG-Amtshilfe Verordnung): Die Vervielfältigung der Daten ist nur zu technischen Zwecken erlaubt, soweit dies zum unmittelbaren Abruf erforderlich ist. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Zweckbindung gilt regelmäßig dann, wenn die übermittelnden Behörden ausdrücklich ihre Zustimmung zu einer Verwendung auch zu anderen Zwecken erteilt haben. 1 9 6 Eine entsprechende Regelung ist auch 192 EUGH, a. a. O., Rn. 34.
193 Art. 10 Abs. 4 UAbs. 2 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung); Art. 15 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie Nr. 89/608/EWG (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung). Praktisch wortgleich ist Art. 4 Abs. 2 letzter UAbs. der Verordnung Nr. 1469/95 (Schwarze Liste). 194 Art. 30 i.V.m. Art. 23 Abs. 2 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung), zum Datenschutz i.e.S. auch Art. 35 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfe Verordnung); für den horizontalen Informationsaustausch vgl. Art. 30 Abs. 2 und 4 Richtlinie Nr. 12/2000/EG (Bankenaufsicht), dazu Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. S. 132 f. Für den Informationsaustausch im Rahmen des Schnellwarnsystems für Lebensmittel ist in Art. 51 des Kommissionsvorschlags zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Erfordernisse des Lebensmittelrechts v. 8. 11. 2000 COM (2000) 716 eine Vertraulichkeitsbestimmung vorgesehen, nach der die „Weitergabe von Informationen, die für die Wirksamkeit der Marktüberwachung und der Durchsetzungsmaßnahmen im Bereich der Lebens- und Futtermittel relevant sind" zulässig sein muß, auch wenn diese dem Berufsgeheimnis unterliegen. Die Behörde, die solche Informationen erhält, muß deren Vertraulichkeit gewährleisten. 195 Art. 8 Abs. 1 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2185/97 (KontrollVerordnung). 196 Art. 10 Abs. 4 UAbs. 2 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung); Art. 4 Abs. 2 letzter UAbs. Verordnung Nr. 1469/95 (Schwarze Liste); Art. 30 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung) - gilt sowohl für den automatisierten als auch
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
dann erforderlich, wenn diejenigen Kontrollbediensteten, die nur in beobachtender Funktion an einer Inspektion teilgenommen haben, die erlangten Informationen für ihre eigenen Zwecke verwenden möchten. Diese Teilnahmemöglichkeiten werden nur in der Kontrollverordnung bedacht. Dort ist folgendes festgelegt: Möchte ein Mitgliedstaat Informationen, die ihm unterstellte Beamte gesammelt haben, die gem. Art. 6 Abs. 2 als Beobachter an Kontrollen und Überprüfungen vor Ort teilgenommen haben, zu anderen Zwecken verwenden, so ersucht er den Mitgliedstaat, in dem diese Informationen gesammelt wurden, um Zustimmung. 1 9 7 Bereits anhand dieser beispielhaft angeführten Rechtsakte läßt sich feststellen, daß sich als Standard mit gewissen Variationen folgendes herausgebildet hat: Die Weiterverwendung von Informationen, die ein Mitgliedstaat von einem anderen oder von der Kommission erhalten hat, wird begrenzt durch die Zwecke, zu denen die jeweiligen Informationen erhoben wurden. Der aus den „homogenen" Rechtsordnungen bekannte Grundsatz der Zweckbindung erhält gewissermaßen „überwirkende Geltung" auch für den grenzüberschreitenden Informationsfluß. Für eine anderweitige Verwendung ist mindestens die Zustimmung des Mitgliedstaats erforderlich, der die Informationen erhoben bzw. weitergegeben h a t . 1 9 8
b) Beschränkung des Kreises der Teilnehmer am Informationsaustausch Weiterhin soll die unkontrollierte Verbreitung von Informationen durch eine Beschränkung des Kreises der Empfangsberechtigten verhindert werden. M i t Unterschieden in der Formulierung i m einzelnen hat sich ein Grundsatz dahingehend herausgebildet, daß Auskünfte oder sonstige Informationen nur an diejenigen Personen mitgeteilt werden dürfen, die in den Gemeinschaftsorganen oder den Mitgliedstaaten aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit bzw. amtlichen Eigenschaft hiervon Kenntnis erhalten müssen oder befugt sind, sie zu kennen. 1 9 9 Teilweise gilt eine Ausnahme, wenn der übermittelnde Mitgliedstaat der Mitteilung an andere Personen ausdrücklich zugestimmt h a t . 2 0 0 Bei Datenbanken entspricht dem eine Beschränkung des Kreises der Zugriffsberechtigten: So haben ζ. B. nach Art. 29 der Verordnung Nr. 5 1 5 / 9 7 (EG-Amtshilfeverordnung) nur die benannten einzelstaatlichen Behörden oder Kommissionsdienststellen unmittelbaren Zugang zum Zollinformationssystem. 2 0 1 für den nichtautomatisierten Austausch von Daten (vgl. Art. 42); Art. 15 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie Nr. 89/608/EWG (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung). 197 Art. 8 Abs. 1 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2185/96 (KontrollVerordnung). 198 Zu weiteren Beschränkungen insbesondere durch Verweisungen auf das nationale Recht siehe sogleich unter c). 199 Vgl. als Beispiel Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 Verordnung Nr. 1469/95 (Schwarze Liste); Art. 8 Abs. 1 UAbs. 2 Verordnung Nr. 2185/96 (KontrollVerordnung); Art. 15 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie Nr. 89/608/EWG (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung). 200 z. B. Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 Verordnung Nr. 1469/95 (Schwarze Liste).
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
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c) Anwendbares Recht Wenn das einschlägige EG-Recht selbst keine materiellen Vorgaben über das Schutzniveau für Informationen i m grenzüberschreitenden Datenverkehr macht, so finden sich doch häufig Festlegungen darüber, welches nationale Recht auf bestimmte Verwaltungsvorgänge anzuwenden ist. Solche Bestimmungen erfüllen die Funktion eines Vewaltungskollisionsrechts und bilden Ausprägungen eines internationalen Verwaltungsrechts. Stärker als i m Zivilrecht ist i m öffentlichen Recht allerdings die Tendenz auszumachen, die Anwendung fremden Rechts möglichst zurückzudrängen. Es soll zwar ein bestimmtes Schutzniveau gewährleistet werden. Dies erfolgt weniger durch einen Import fremder Schutzstandards, als vielmehr dadurch, daß die inländischen Schutzstandards auf Informationen, die aus einem anderen Mitgliedstaat kommen, ausgedehnt werden. Für die Verwendung der erhaltenen Informationen wird i.d.R. auf das Recht des Mitgliedstaats verwiesen, der die Informationen erhalten hat [Aquivalenzprinzip, unter (1)]. A u f die Übermittlung kann sowohl das Recht des ersuchenden als auch das Recht des ersuchten Staates anwendbar sein [unter (2)]. Durch die Verweisung auf die nationalen Rechte soll auch dem Problem begegnet werden, daß in einigen Mitgliedstaaten das Prinzip der Aktenöffentlichkeit gilt und in anderen nicht [unter (3)]·
( 1 ) Das Aquivalenzprinzip In den einschlägigen sektoriellen Regelungen wird häufig bestimmt, daß für die Angaben, die ein Mitgliedstaat im Rahmen des grenzüberschreitenden Datenverkehrs erhält, eine Art Aquivalenzprinzip zu gelten hat. Die Informationen genießen den Schutz, der für ähnliche Informationen nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, der diese Angaben erhalten hat, und nach den entsprechenden für die Gemeinschaftsorgane geltenden Bestimmungen gewährt w i r d . 2 0 2 Angaben, die die Mitgliedstaaten und die Kommission untereinander austauschen, sollen nicht geringer geschützt werden als solche, die i m internen Bereich verbleiben. M i t dem Verweis auf die Rechtsordnung des Mitgliedstaats, der die Informationen erhält, wird zweierlei erreicht: Zum einen wird eine eventuelle Tendenz, mit 201 Zum Zollinformationssystem siehe oben Kap. 1 Α. I. 2. c) (2); ausführlicher zu Aufbau und Funktionsweise des Systems Harings, Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, S. 100 ff.; vgl. hier nur Art. 24 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfe Verordnung): Das ZIS besteht aus einer zentralen Datenbank, die über Terminals von allen Mitgliedstaaten und der Kommission aus zugänglich ist. Verantwortlich für den technischen Betrieb der Infrastruktur ist die Kommission. Unterschied ζ. B. zum Schengener Informationssystem: Dort verfügt jeder Mitgliedstaat über einen nationalen Datenbestand, der mit dem des Hauptrechners identisch ist. 2( 2 ^ So ζ. B. Art. 10 Abs. 4 Verordnung Nr. 595/91 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung), Art. 4 Abs. 2 Verordnung Nr. 1469/95 (Schwarze Liste), Art. 8 Abs. 1 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung); Art. 15 Richtlinie Nr. 89/608/EWG (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung).
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
„ausländischen" Informationen sorgloser umzugehen bzw. ihnen einen geringeren Schutzstandard als den „inländischen" zu gewähren, von vornherein unterbunden. Zum anderen bleibt es bei der Anwendung des diesem Mitgliedstaat vertrauten innerstaatlichen Rechts. Er muß sich also nicht mit der Anwendung des Rechts des um die Informationen ersuchten Mitgliedstaates beschäftigen. Auch für die Rechtsfragen, die die Speicherung von Daten in Informationssysteme betreffen, wird das jeweilige Heimatrecht favorisiert: So richten sich die Rechte der Betroffenen auf Auskunft, Berichtigung und Löschung aus dem Zollinformationssystem nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht werden bzw. nach den internen Regeln der Kommission. 2 0 3
(2) Anwendbares Recht auf die Übermittlung
von Informationen
Sehr viel uneinheitlicher sind die Regelungen, was die Frage des anwendbaren Rechts auf die Übermittlung als solche betrifft. Eigentlich sollte die Verpflichtung zur Übermittlung von Informationen sich direkt und unbedingt aus dem Gemeinschaftsrechtsakt ergeben. Trotzdem finden sich häufig Verweise auf das nationale Recht. Teilweise gilt für alle Auskünfte: Sie werden der ersuchenden Behörde nur insoweit übermittelt, wie die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, dem nicht entgegenstehen. 204 Teilweise wird das nur für die Übermittlung von Urschriften und Gegenständen festgelegt. 2 0 5 Die häufigsten Fälle einer Verweisung auf nationales Recht sind die, in denen der Zweckbindungsgrundsatz durchbrochen werden soll: Zusätzlich zum Erfordernis der Zustimmung der übermittelnden Behörde 2 0 6 ist regelmäßig ausdrücklich festgelegt, daß die Bestimmungen in dem Mitgliedstaat der Behörde, welche die Angaben erhalten hat, einer solchen Übermittlung oder Verwendung nicht entgegenstehen dürfen. 2 0 7 Teilweise gibt es noch weitere „weiche" Vorgaben: „Diese anderweitige Verwendung erfolgt nach Maßgabe der Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Verfahren des Mitgliedstaats, der die Daten verwenden möchte und sollte Grundsätzen entsprechen, die in einem Anhang der Verordnung niedergelegt sind" (Art. 30 EGAmtshilfeverordnung). 2 0 8 I m Ergebnis führt diese Regelungstechnik zu einer doppelten Rechtsbindung: Die Weiterverwendung der i m Wege der Informationshilfe oder durch den Zugriff auf eine gemeinsame Datenbank erhaltenen Daten für andere Zwecke ist nur zuläs203
Art. 36 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung). Zu dem sehr viel detaillierteren Verfahren der Auskunftserteilung nach Art. 19 Abs. 4 und 5 Europol-Ubereinkommen vgl. ausführlich Harings, Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, S. 123 ff. 204 Art. 15 Richtlinie Nr. 89/608/EWG (Zusammenarbeit Veterinärüberwachung). 205 Art. 8 UAbs. 2 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung). 206 Dazu siehe schon oben in diesem Kapitel B.IV.2.a). 207 v g l . die Angaben in Fn. 202. 208 Art. 30 Verordnung Nr. 515 / 97 (EG-Amtshilfeverordnung) - gilt sowohl für den automatisierten als auch für den nichtautomatisierten Austausch von Daten (vgl. Art. 42).
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
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sig, wenn keine der beiden in Frage stehenden Rechtsordnungen dem entgegensteht. Der Mitgliedstaat, von dem die Informationen stammen, wird seine Zustimmung erteilen, wenn auch einer Weitergabe bzw. -Verwendung innerhalb seines eigenen Staates zu anderen Zwecken nichts entgegenstünde. Hierfür spricht das schon an anderer Stelle angesprochene Aquivalenzprinzip: I m Gemeinschaftsraum dürfen an grenzüberschreitende Verwaltungsaktivitäten keine anderen Maßstäbe angelegt werden als an rein innerstaatliches Verwaltungshandeln. Der Hinweis, daß auch die Vorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats der Weiterverwendung nicht entgegenstehen dürfen, mutet auf den ersten Blick wie eine Selbstverständlichkeit an. Die Bindung an sein eigenes innerstaatliches Recht geht für einen Mitgliedstaat nicht verloren, wenn er sein Verwaltungshandeln auf Informationen aufbauen will, die nicht er selbst, sondern ein anderer Mitgliedstaat oder die Kommission erhoben hat. Trotzdem wirft die Vorschrift ein Rechtsproblem auf: Darf der ersuchte Mitgliedstaat seine Zustimmung verweigern, wenn seiner Ansicht nach zwar nicht seine eigenen, aber doch die Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats der Verwendung entgegenstehen? Ist er zu einer Prüfung dieser Frage vielleicht sogar verpflichtet? Nach der neuen EG-Datenschutzverordnung gilt für die Übermittlung personenbezogener Daten zwischen Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft beispielsweise ein solches Prinzip doppelter Verantwortung: 209 Bei der Datenübermittlung auf Ersuchen tragen sowohl der für die Verarbeitung Verantwortliche als auch der Empfänger die Verantwortung für die Zulässigkeit dieser Übermittlung. Bezüglich der Prüfpflicht des Ersuchten ist festgelegt, daß er die Zuständigkeit des Empfängers zu prüfen und die Notwendigkeit der Übermittlung der Daten vorläufig zu bewerten hat. Nun gilt für die Übermittlung von Daten im internen Bereich der Gemeinschaften eine homogene Datenschutzrechtsordnung, so daß die Prüfungspflichten die ersuchte Stelle nicht über Gebühr belasten dürfte. Bereits für eine Übermittlung personenbezogener Daten an Empfänger, die nicht Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft sind, gelten allerdings abgeschwächte Voraussetzungen: Eine Prüfpflicht des Ersuchten gibt es nicht mehr. Vielmehr hat der Empfänger nachzuweisen, daß die Daten für die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder zur Ausübung der öffentlichen Gewalt gehört, erforderlich s i n d . 2 1 0 In Übertragung dieses Gedankens ist eine Art Darlegungslast des die Informationen anfordernden Mitgliedstaats denkbar: Es ist nicht Sache der übermittelnden Stelle, die rechtliche Zulässigkeit der Übermittlung zu überprüfen, sondern derjenige Mitgliedstaat, der die Informationen anfordert, hat die Einhaltung der jeweiligen Anforderungen nachzuweisen. Bejahte man demgegenüber eine Prüfpflicht der übermittelnden Stelle, so hätte der ersuchte Mitgliedstaat nicht nur sein eigenes Recht, sondern auch das Verwaltungsrecht der anderen Mitgliedstaaten anzuwen209 Art. 7 Ziff. 2 Verordnung Nr. 45/2001 (EG-Datenschutzverordnung). 210 Art. 8 lit. a) Verordnung Nr. 45/2001 (EG-DatenschutzVerordnung).
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
den. Gegen die Annahme einer solchen Pflicht sprechen schon rein praktische Argumente: Für die Beachtung von zur Zeit fünfzehn, demnächst noch mehr verschiedenen Verwaltungsrechtsordnungen fehlen in den mitgliedstaatlichen Verwaltungen sowohl die personellen und sachlichen Kapazitäten als auch die entsprechenden Fachkenntnisse. Rechtlich müßte die Verletzung einer solchen Pflicht zu Amtshaftungsansprüchen führen. Es bestünde die Gefahr einer ausufernden Haftung für die Einhaltung fremden Rechts - ein Ergebnis, das nicht überzeugend ist. Es spricht vielmehr alles dafür, daß die ersuchte Behörde prüft, ob ihre eigenen innerstaatlichen Vorschriften einer Übermittlung widersprechen, während die ersuchende Behörde durch die Einhaltung ihrer eigenen Vorschriften für den Schutz der Daten sorgt, sobald sie sie erhalten hat. Lediglich schon in dem Informationsersuchen erkennbare offensichtliche Verstöße gegen die rechtlichen Anforderungen des Daten- und Geheimnisschutzes nach der Rechtsordnung des ersuchenden Staates können ausnahmsweise den ersuchten Mitgliedstaat verpflichten, die Weitergabe einer Information zu verweigern. 2 1 1
(3) Harmonisierung
von Datenschutz und Datenzugang
Weiterhin stellt die Harmonisierung von Daten- und Geheimnisschutz und Datenzugang ein Problem für den horizontalen und vertikalen interadministrativen Informationsaustausch dar. In einigen Mitgliedstaaten und auch für die Gemeinschaftsverwaltung gilt das Prizip der Aktenöffentlichkeit, während in anderen Mitgliedstaaten für die Einsicht in Behördenakten beispielsweise die Beteiligung an dem jeweiligen Verwaltungsverfahren erforderlich i s t . 2 1 2 Einer ausdrücklichen Regelung ist diese Frage nur in vereinzelten Bestimmungen zugeführt worden. So findet sich ζ. B. eine ziemlich gewundene Formulierung i m Lebensmittelrecht: „Sehen die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vor, daß Personen freien Zugang zu den Informationen haben, die den zuständigen Behörden vorliegen, so ist dies zum Zeitpunkt des Ersuchens an einen anderen Mitgliedstaat oder, falls kein Ersuchen ergeht, beim Informationsaustausch offenzulegen. Teilt der die Informationen übermittelnde Mitgliedstaat mit, daß Informationen unter die berufliche Schweigepflicht oder unter das Geschäftsgeheimnis fallende Angelegenheiten umfassen, so hat der die Informationen empfangende Mitgliedstaat sicherzustellen, daß die Informationen nicht über den in Abs. 1 vorgesehenen Rahmen hinaus verbreitet werden. Ist es dem die Informationen empfangenden Mitgliedstaat nicht möglich, die Bekanntgabe der Informationen auf diese Weise zu beschränken, so läuft es den Bestimmungen dieser Richtlinie nicht zuwider, wenn der Mitgliedstaat, bei dem die Informationen angefordert wurden, die Weitergabe der betreffenden Informationen versagt." 213
211 So auch Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 176 (zur grenzüberschreitenden Amtshilfe im Bankenaufsichtsrecht), der Ausnahmen nur dann zulassen will, wenn dem Ersuchen die Rechtswidrigkeit „geradezu auf die Stirn geschrieben" ist bzw. es „offensichtlich rechtsmißbräuchlich" ist. 212 So ζ. B. in Deutschland, vgl. § 29 VwVfG.
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
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Nach dieser Vorschrift darf ein Mitgliedstaat also die Weitergabe von Informationen, die seines Erachtens einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis unterliegen, verweigern, wenn der diese Informationen anfordernde Mitgliedstaat deren Geheimhaltung nicht garantieren k a n n . 2 1 4 Wann ein solcher unterschiedlicher Geheimnisschutzstandard gegeben ist, muß er nicht selbst ermitteln, da der anfordernde Mitgliedstaat verpflichtet ist, ihn darauf hinzuweisen. M i t dem freien Zugang von Personen zu Informationen, die einer Behörde vorliegen, ist der in den verschiedenen Verwaltungskulturen der Mitgliedstaaten nach wie vor existierende grundlegende Unterschied zwischen Aktengeheimnis einerseits und Aktenöffentlichkeit andererseits angesprochen. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, inwiefern in den Verwaltungsrechtsordnungen, in denen das Prinzip des freien Zugangs aller zu Behördenakten gilt, der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gewährleistet ist, kann hier nicht geleistet werden. 2 1 5 Es ist aber dennoch in neueren Rechtsakten die Tendenz auszumachen, hier Sicherungsmechanismen einzuführen: So können die Mitgliedstaaten ζ. B. nach Art. 3 Abs. 2 Umweltinformationsrichtlinie Nr. 90/313 vorsehen, daß ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn (u. a.) Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse einschließlich des geistigen Eigentums oder die Vertraulichkeit personenbezogener Daten und/oder Akten berührt sind. 2 1 6 . Auch i m Bereich der nicht lediglich auf Umweltinformationen beschränkten, sondern allgemein geltenden Aktenöffentlichkeit kann das Problem dadurch gelöst werden, daß in die entsprechenden einzelstaatlichen Bestimmungen Beschränkungen aufgenommen werden: Ein aktuelles Beispiel findet sich in den §§ 11 und 12 des neuen Informationsfreiheitsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (IFGSH): Jede natürliche und juristische Person des Privatrechts hat danach grundsätzlich Anspruch auf Zugang zu den bei einer Behörde vorhandenen Informationen (§ 4 IFG-SH). Anträge auf Zugang zu Informationen sind grundsätzlich abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Informationen ein Betriebs- oder Ge213
Art. 7 Abs. 2 Richtlinie Nr. 93/99 (Zusätzliche Maßnahmen Lebensmittelüberwa-
chung). 214 Neßler, Richtlinienrecht, S. 50 ff., spricht in diesem Zusammenhang von „Kongruenzklauseln" und nennt als Beispiel Art. 7 Abs. 2 der EG-Amtshilferichtlinie Nr. 77/799: Diese Bestimmung befreit einen Mitgliedstaat von der Verpflichtung zur Auskunftserteilung, wenn diese Auskünfte in dem Auskunft begehrenden Mitgliedstaat nicht in gleicher Weise geheimgehalten werden wie in dem Auskunft erteilenden Land. Die Geheimhaltung von Steuerdaten solle nicht durch die Weitergabe an einen Staat mit niedrigerem Geheimnisschutzniveau ausgehöhlt werden (Prinzip des kongruenten Geheimnisschutzstandards); kritisch Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 138; ausführlich zu den Schutzgarantien im Zusammenhang mit Informationsaustausch auf der Basis der EG-Amtshilferichtlinie Brock, Zwischenstaatlicher Auskunftsverkehr, S. 91 ff. 2,5
Dazu umfassend Trantas, Akteneinsicht und Geheimhaltung. 6 Zur Umsetzung der Richtlinie Nr. 90/313 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt in Deutschland vgl. § 8 UIG; zum Problem, ob das UIG für Informationsaustausch innerhalb der Verwaltung gilt, vgl. W. Berg, GewArch 1996, S. 177, 180. 21
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
schäftsgeheimnis offenbart wird und die schutzwürdigen Belange der oder des Betroffenen das Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit überwiegen . 2 1 7 Ähnliches gilt für den Schutz personenbezogener D a t e n . 2 1 8
d) Änderungsbefugnisse und Fristen Wenn das EG-Recht die Speicherung von Inspektionsergebnissen in Datenbanken vorsieht, auf die alle Mitgliedstaaten und die EG-Organe zugreifen können, entsteht zusätzlicher Schutzbedarf für denjenigen, dessen Daten in das System eingegeben worden sind. Die Einführung von Fristen und die Beschränkung des Kreises der Anderungsbefugten sind Mechanismen, die die Interessen der Wirtschaftsteilnehmer schützen sollen. Beispielhaft können die Regelungen für das Zollinfor910 99Π mationssystem (ZIS) und die Schwarze Liste zur Identifizierung unzuverlässiger Marktteilnehmer i m Recht der Agrarfinanzierung angeführt werden: M i t Hilfe der Bestimmungen des Art. 32 der Verordnung Nr. 5 1 5 / 9 7 (EG-Amtshilfeverordnung) sollen die Gefahren eingedämmt werden, die aus der Transnationalität des Zollinformationssystems resultieren: Sind Änderungen in den Datenbeständen erforderlich, soll grundsätzlich nur eine Stelle dafür verantwortlich sein. Widersprechen sich Eintragungen oder treten sonst Konflikte auf, muß ein Mechanismus geschaffen werden, der i m Sinne von Rechts- und Verantwortungsklarheit eindeutige Lösungen ermöglicht: - Nach Art. 32 Abs. 1 Verordnung Nr. 5 1 5 / 9 7 (EG-Amtshilfeverordnung) darf nur der ZIS-Partner, der die Daten eingegeben hat, diese ändern, ergänzen, berichtigen oder löschen. 2 2 1 - Sieht ein anderer ZIS-Partner Änderungs- oder Löschungsbedarf, benachrichtigt er so rasch wie möglich den ZIS-Partner, der diese Daten eingegeben hat. Dieser überprüft die betreffenden Daten und berichtigt oder löscht sie nötigenfalls unverzüglich. Er setzt die anderen Partner von jeder Berichtigung oder Löschung in Kenntnis. 2 2 2
217 § 11 Abs. 1 IFG-SH. 218 § 12 IFG-SH. Zu Fragen des Rechts auf Einsicht in die Schwarze Liste aus der Sicht des deutschen Verwaltungsrechts vgl. Schrömbges, ZfZ 1998, S. 403 ff. mit kritischer Besprechung eines Urteils des FG Hamburg, das einem Betroffenen unter Verweis auf die Ziele einer effektiven Betrugsbekämpfung die Einsicht verweigert hatte. Gegen Schrömbges Krüger, ZfZ 1999, S. 74, 82 f. 219 Vgl. näher oben Kap. 1 A.I.2.c)(2). 220 Siehe oben Kap. 1 B.II.2.b)(3). 221 Nach v. Bogdandy/Arndt, EWS 2000, S. 1, 3 ein „prominentes horizontales Element" des ZIS. 222 Art. 32 Abs. 3 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfe Verordnung).
Β. Rechtsstaatliche Ausgestaltung der Inspektionstätigkeiten
333
- Auch für eventuelle Konflikte oder Widersprüche zwischen den gespeicherten oder zu speichernden Informationen ist Vorsorge getroffen worden: Können sich die ZIS-Partner nicht einigen, gilt eine Art Prioritätsprinzip. Die erste Mitteilung bleibt bestehen, von der neuen Mitteilung werden nur die Teile in das System aufgenommen, die nicht i m Widerspruch zu der früheren stehen. 2 2 3 I m Falle widersprüchlicher endgültiger Entscheidungen von Gerichten oder anderen hierzu befugten Behörden hinsichtlich der Änderung, Ergänzung, Berichtigung oder Löschung von Daten löscht der eingebende Mitgliedstaat diese ganz aus dem System. 2 2 4 Ein weiteres Schutzinstrument für die Wirtschaftsteilnehmer ist die Einführung von Fristen: - Nach Art. 33 Verordnung Nr. 5 1 5 / 9 7 (EG-Amtshilfeverordnung) gilt zwar keine generelle Höchstfrist für die Speicherung von Daten. Es wird jedoch einmal jährlich überprüft, ob eine weitere Speicherung notwendig ist. Trifft ein ZIS-Partner keine positive Entscheidung über den Verbleib von Daten in der Datenbank, werden diese zunächst auf einen anderen Teil des ZIS übertragen, zu dem nur noch beschränkter Zugang besteht. Nach insgesamt zwei Jahren werden die Daten gelöscht. - Art. 7 Verordnung Nr. 7 4 5 / 9 6 (Schwarze Liste Durchführung) bestimmt, daß ein Marktbeteiligter stets nur für einen bestimmten Zeitraum in die Liste aufgenommen wird. Dieser Zeitraum entspricht dem Zeitraum, für den die gewählte Maßnahme (verstärkte Kontrolle, vorläufige Aussetzung von Zahlungen bzw. der Freigabe einer Sicherheit, Ausschluß) getroffen wurde. Erweist sich i m Zuge der weiteren Ermittlungen, daß der ursprünglich bestehende Verdacht nicht aufrechterhalten werden kann, ist der Marktbeteiligte unverzüglich aus der Liste zu streichen.
e) Fazit Durch die Normierung von Auskunftspflichten sowie der Pflicht, behördlichen Kontrollbeamten den Zugang zu Betriebs- und Geschäftsräumen zu ermöglichen und ihnen die Einsicht in Unterlagen oder die Entnahme von Proben zu ermöglichen, kann es zu einer Offenbarung von persönlichen Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kommen. Der Schutzbereich von Eigentumsgarantie und Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist damit berührt. Da der grundrechtliche Schutz dieser Geheimnisse nicht schrankenlos ist, sind solche Regelungen grundsätzlich zulässig. M i t der Einführung von Inspektionsbefugnissen im Rahmen der Wirtschaftsaufsicht räumt der (Gemeinschafts-)Gesetzgeber dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt in verfassungsrechtlich unbedenkli223 Art. 32 Abs. 4 Verordnung Nr. 515 / 97 (EG-Amtshilfe Verordnung). 224 Art. 32 Abs. 5 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfe Verordnung).
334
Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
eher Weise ein höheres Gewicht ein als dem Interesse der Unternehmer an einem absoluten Schutz ihrer Geheimnisse. Auch die Sicherstellung einer funktionierenden Wettbewerbsordnung und der Schutz der Gemeinschaftsfinanzen vor Betrug und Unregelmäßigkeiten sind so wichtig, daß die Interessen derjenigen, die als Adressaten der Inspektionstätigkeit zur Offenbarung von Daten und Informationen verpflichtet sind, dahinter zurückstehen müssen. Ein absoluter Geheimnisschutz in Form von Erhebungsverboten existiert in den untersuchten Rechtsakten nicht. Er wäre auch nur dort denkbar, wo die Offenbarung aufgrund eines gegenüber dem staatlichen Informationsinteresse als höherrangig anzusehenden Rechtsguts unzulässig wäre. Die Rechte der Informationspflichtigen werden vielmehr durch ausdifferenzierte Regelungen eines relativen Geheimnisschutzes gesichert. 2 2 5 Die Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind gegenüber den zuständigen Stellen offenzulegen. Diese dürfen diese Geheimnisse unter Beachtung des Zweckbindungsgrundsatzes, des Aquivalenzprinzips sowie der sonstigen Anforderungen, die das nationale Recht, auf das i m Einzelfall verwiesen wird, festlegt, verwenden. Die Weitergabe der bei Inspektionen erhaltenen Informationen zwischen den einzelnen Verwaltungsstellen ist die notwendige Folge eines auf den gesamten Binnenmarkt bezogenen Verwaltungskonzepts. Als Konsequenz müssen allerdings auch die Daten- und Geheimnisschutzregime an die zunehmende Entterritorialisierung der Informationsflüsse angepaßt werden. Bereits der vorstehende Überblick zeigt, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber diese Notwendigkeit erkannt und mit der Entwicklung eigener Regelungsmodelle begonnen hat, die das erforderliche Schutzniveau auch in „nicht-homogenen" Rechtsordnungen gewährleisten sollen. Das Gemeinschaftsrecht ist allerdings von einem konsistenten Daten- und Geheimnisschutz für die Behandlung transnationaler Informationsflüsse noch weit entfernt. Die Schranken, denen die Informationsweitergabe unterliegt, sind von Sachgebiet zu Sachgebiet unterschiedlich ausgestaltet. Übergreifend haben sich einige Regelungstechniken herausgebildet, die vorstehend näher analysiert worden sind. Während die Verleihung überwirkender Geltung an den Grundsatz der Zweckbindung und die Beschränkung des Empfängerkreises je nach den Gegebenheiten der Materie eine überzeugende Lösung darstellt, erscheint der Verweis auf nationale Rechte auf Dauer unbefriedigend. Diese Verweise auf nationale Datenund Geheimschutzregelungen sollten auf die Dauer durch ein europäisches Schutzregime ersetzt werden. Die Zulässigkeit der Weitergabe von Informationen an Behörden anderer Mitgliedstaaten müßte dann nicht mehr an mehreren unter Umständen unterschiedlichen Rechtsordnungen gemessen werden.
225 Vgl. zu der Differenzierung zwischen absolutem und relativem Geheimnisschutz Taeger, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, S. 93 und W. Berg, GewArch 1996, S. 177, 179; siehe auch Engel/Freier, EWS 1992, S. 361, 365 (bezogen auf den Umfang der Auskunftspflicht nach der Verordnung Nr. 17).
C. Individualrechtsschutz und Haftung
335
C. Individualrechtsschutz und Haftung Rechtsstaatlichkeit definiert sich ganz wesentlich durch ein funktionierendes Rechtsschutzsystem. Ebenso wie der Rechtsstaat notwendig ein Rechtsschutzstaat sein muß, können auch die staatenübergreifenden Strukturen in Europa modernen rechtsstaatlichen Anforderungen nur genügen, wenn sie dem gewaltunterworfenen Bürger ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung stellen, seine Rechte durch die Inanspruchnahme unabhängiger Kontroll verfahren zu wahren. 2 2 6 Sowohl das deutsche Verfassungsrecht als auch das europäische Gemeinschaftsrecht verlangen einen effektiven Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (dazu unter I. 1.). Ausgangspunkt zur Lösung von Haftungs- und Rechtsschutzfragen ist zunächst das Trennungsprinzip (dazu unter I. 2.). Es gilt sowohl für den Primärrechtsschutz (unter II.) als auch für Fragen der Haftung und des Sekundärrechtsschutzes (unter III.). Die Untersuchung der mit Inspektionen verbundenen rechtsschutzrelevanten Handlungen wird allerdings zeigen, daß die Leistungsfähigkeit des Trennungsprinzips angesichts der zunehmenden Verflochtenheit der Verwaltungstätigkeiten an seine Grenzen stoßen kann.
I. Die Grundlagen der Rechtsschutzgarantie und das Trennungsprinzip 1. Die Grundlagen der Rechtsschutzgarantie Im deutschen Verfassungsrecht garantiert Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG den Rechtsweg gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt. In seiner Funktion als Teil des Rechtsstaatsprinzips beschränkt sich der Garantiegehalt des Art. 19 Abs. 4 G G 2 2 7 nicht auf die Eröffnung eines Rechtswegs, sondern verlangt auch die Erfüllung bestimmter qualitativer Rechtsschutzstandards. 228 In enger Beziehung zu den Gewährleistungen des Art. 19 Abs. 4 GG stehen die sonstigen durch das Rechtsstaatsprinzip geformten „allgemeinen Rechtsschutzstandards": 229 Rechtsschutz ist grundsätzlich als Gerichtsschutz in institutioneller und personaler Unabhängigkeit zu gewähren (Art. 97 GG). Auch das in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Prozeßgrundrecht des rechtlichen Gehörs ist als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips zu verstehen. Zu den Art. 19 Abs. 4 GG ergänzenden allgemeinen Rechtsschutz226 Zuleeg, NJW 1994, S. 545 zur Rolle des gerichtlichen Rechtsschutzes in der europäischen Rechtsgemeinschaft; umfassend zum europäischen Verwaltungsrechtsschutz Dörr in: Sodan/Ziekow, VwGO, EVR, Rn. 2; Schmidt-Aßmann in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Einleitung, Rn. 100 ff.; ders. JZ 1994, S. 832 ff. 227 Zu den einzelnen Garantieebenen des Art. 19 Abs. 4 GG (subjektives Recht auf Rechtsschutz, objektive Wertentscheidung, institutionelle Garantie) vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 7 ff. 228 Vgl, d a z u Harings, Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, S. 169 ff. 229 Zu dem Verhältnis zwischen Art. 19 Abs. 4 und den sonstigen verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 15 ff.
336
Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
standards zählen weiterhin die Gebote der Fairneß und Waffengleichheit sowie der Grundsatz des Vertrauensschutzes im Prozeß. 2 3 0 A n diesen Grundsätzen ist zunächst das Handeln deutscher Inspektionsbediensteter auszurichten. A u f europäischer Ebene existiert keine eigene, Art. 19 Abs. 4 GG vergleichbare Norm, in der ein umfassender Rechtsschutzanspruch normiert wäre. Das deutsche Gebot umfassenden Verwaltungsrechtsschutzes findet aber seine Entsprechung im Rechtsstaatsprinzip des Gemeinschaftsrechts. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das zunächst lediglich in der Präambel des E U V angesprochen war, hat durch den Amsterdamer Vertrag Eingang in die Fundamentalnorm des Art. 6 Abs. 1 E U V gefunden: Die Rechtsstaatlichkeit gehört danach neben den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu den gemeineuropäischen Grundwerten, an denen die Systematik des Europäischen Verwaltungsrechts auszurichten i s t . 2 3 1 Der gemeinschaftseigene Rechtsschutz ist in den Art. 220 bis 245 EGV detailliert ausgeformt. Auch auf der Ebene des EG-Rechts ist Rechtsschutz in erster Linie Gerichtsschutz. Wie die Vollzugsstruktur des Gemeinschaftsrechts ist auch die Rechtsschutzdimension vom Dualismus geprägt: Das Gemeinschaftsrecht muß Rechtsschutz sowohl gegen gemeinschaftseigene Vollzugsakte als auch gegen Vollzugsakte der mitgliedstaatlichen Verwaltungen bieten. 2 3 2 Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes stellt nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH „einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, der sich aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten ergibt und in den Art. 6 und 13 der E M R K 2 3 3 verankert i s t " . 2 3 4 Art. 6 Abs. 2 E U V erkennt die Grundrechte der 230 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 18 ff.; rechtsvergleichend Groß, DV 33 (2000), S. 415 ff. zu Konvergenzen des Verwaltungsrechtsschutzes in der Europäischen Union. 231 Zum Rechtsstaatsprinzip im europäischen Gemeinschaftsrecht vgl. Hofmann in: Hofmann / Marko / Merli / Wiederin, Rechtsstaatlichkeit, S. 321 ff.; kurz auch Schwarze, NVwZ 2000, S. 241,252. 232 Schmidt-Aßmann, in: FS Bernhard, S. 1283, 1296; Zuleeg, NJW 1994, S. 545, 548. 233 Art. 13 EMRK gewährt demjenigen, der mit vertretbarer Begründung behauptet, in seinen durch die Konvention gewährleisteten Rechten und Freiheiten verletzt zu sein, das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen. Im Unterschied zu Art. 6 EMRK garantiert Art. 13 EMRK allerdings kein Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz. Dennoch muß die Beschwerdeinstanz in der Lage sein, sich „sowohl inhaltlich mit der gerügten Konventionsverletzung zu befassen als auch einen angemessenen Rechtsschutz zu gewährleisten" (EGMR, EuGRZ 1989, 314 (324 - Soering) und NVwZ 1992, 869 (872 - Vilvarajah). Art. 6 EMRK fordert in seinem Anwendungsbereich (Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder strafrechtliche Anklagen) ein auf Gesetz beruhendes unabhängiges und unparteiisches Gericht. Als Verfahrensgarantie gewährleistet die Bestimmung das Recht auf ein faires Verfahren (vgl. die allgemeinen Ausführungen des EGMR im Fall „de Geouffre de la Pradelle", Serie A Nr. 253-B, Ziff. 33 f.). Wichtige Einzelausprägungen: Grundsatz des rechtlichen Gehörs und Grundsatz der Waffengleichheit, vgl. näher und m. w. N. Harings, Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, S. 179; Schmidt-Aßmann, in: FS Bernhardt, S. 1283, 1290 ff.
C. Individualrechtsschutz und Haftung
337
E M R K und die entsprechenden gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ausdrücklich als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts an. Die einzelnen Rechtsschutzstandards sind ähnlich, aber nicht identisch mit denen des deutschen Rechts. 2 3 5 So hat die gemeinschaftsrechtliche Gerichtsschutzgarantie im Vergleich zu der i m deutschen Recht sehr stark auf den Individualrechtsschutz ausgerichteten Garantie eine stärkere objektiv-rechtliche Komponente. Die gemeinschaftsrechtliche Garantie dient zwar auch dem Individualrechtsschutz. Insgesamt hat aber der Gedanke der Effektivität des Vollzugs des Gemeinschaftsrechts ein stärkeres Gewicht i m Abwägungsprozeß als es i m deutschen Recht dem Argument der Funktionsfähigkeit der Exekutive z u k o m m t . 2 3 6
2. Das Trennungsprinzip Die Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft beim Vollzug des Gemeinschaftsrechts setzt sich auch in den Haftungs- und Rechtsschutzbereich hinein fort. Das Rechtsschutzsystem i m europäischen Verwaltungsrecht geht von einem Trennungsmodell aus: Staatliche Gerichte bieten Schutz gegen Exekutivhandlungen der Behörden dieses Staates. Gegen Akte der europäischen Hoheitsgewalt ist dagegen Rechtsschutz vor dem EuGH und dem EuG zu suchen. 2 3 7 Für die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes gilt der Grundsatz der ausschließlichen, aber begrenzten Zuständigkeit: Eine angerufene innerstaatliche Instanz muß sich für unzuständig erklären, wenn eine Rechtssache, die in den Zuständigkeitsbereich des Gerichtshofs fällt, vor ihr anhängig gemacht w i r d . 2 3 8 Die Überprüfung der gemeinschaftsrechtlichen Akte i m Wege der Nichtigkeitsklage ist gem. Art. 230 EGV ausschließlich dem Gerichtshof zugewie-
234 Vgl. nur EuGH, Rs. 222/84 (Johnston), Slg. 1986, 1651, Rn. 18; EuGH, Rs. 222/86 (Unectef), Slg. 1987, 4097, Rn. 14; siehe auch EuGH, Rs. C-340/89 (Vlassopoulou), Slg. 1991,1-2357, Rn. 22: Mit Blick auf einen effektiven Schutz der den Gemeinschaftsangehörigen vom Vertrag verliehenen Grundrechte müsse jede Entscheidung gerichtlich auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. Siehe auch Schmidt-Aßmann, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Einleitung, Rn. 105. 235 Dazu näher und m. w. N. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, 7/29 f.; Schwarze, NVwZ 2000, S. 241, 248 ff.; zur Entwicklung einer europäischen Rechtsweggarantie Allkemper, Rechtsschutz des einzelnen, S. 41 ff. 236 Schmidt-Aßmann, in: Schoch /Schmidt-Aßmann /Pietzner, VwGO, Einleitung, Rn. 105 und 109 m. Nachweisen aus der Rechtsprechung; ders., JZ 1994, S. 832, 834 (Gleichrangigkeit beider Rechtsschutzzwecke im Gemeinschaftsrecht); von Danwitz, DÖV 1996, S. 481, 488 f.; vergleichend zwischen den Standards im EG-Eigenverwaltungsrecht und im Gemeinschaftsrecht auch Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 107 ff., 120 ff. 237 Schmidt-Aßmann, in: FS Bernhard, S. 1283, 1302; Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 215; Harings, Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, S. 223 f. (zum Rechts- und Amtshilferecht); Dörr in: Sodan / Ziekow, VwGO, EVR, Rn. 353 ff. 238 Krück in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 183, Rn. 3 - 5 . 2
David
338
Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
sen. Außerdem entscheidet er i m Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung und Gültigkeit von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts (Art. 234 EGV). In diesem Zusammenhang betont der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, 239 daß auch die nicht-letztinstanzlichen Gerichte der Mitgliedstaaten zur Vorlage an den EuGH verpflichtet 240 sind, wenn sie Gemeinschaftsrecht als ungültig ansehen. Damit können nur die Gemeinschaftsgerichte über die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht entscheiden. 241 Für die Grundformen der Verwaltung des Gemeinschaftsraums bietet das Trennungsmodell zufriedenstellende Lösungen. Bei eindeutiger Abgrenzung der Zuständigkeiten sind die Handlungen europäischer und mitgliedstaatlicher Verwaltungsorgane unproblematisch jeweils einer bestimmten Hoheitsgewalt zuzuordnen. Rechtsschutz ist demzufolge entweder vor den nationalen Gerichten oder vor der europäischen Gerichtsbarkeit zu suchen. Überschneidungen der Zuständigkeiten der verschiedenen Gerichtsbarkeiten sind nach dem System des EGV theoretisch ausgeschlossen. 242 Bei der Durchführung von Inspektionen besteht jedoch ein verflochtenes System der Zusammenarbeit. Wenn Inspektionen auf Ersuchen oder gemeinsam durchgeführt werden, können Zuordnungsschwierigkeiten entstehen. Es stellt sich die Frage, ob die einzelnen Rechtsschutzebenen bei einer Kombination unterschiedlicher Verantwortungsbeiträge hinreichend voneinander abgrenzbar sind. Das gilt in verstärktem Maße, wenn Handlungen der Verwaltungsakteure verschiedener Ebenen aufeinander aufbauen. Angesichts zunehmender horizontaler und vertikaler Zusammenarbeit der Behörden untereinander ist zu überlegen, ob diesen Formen administrativer Kooperation nicht auch eine justizielle Kooperation nachzufolgen hat.243 239 Vgl. nur EuGH, Rs. 314/85 (Foto Frost), Slg. 1987, 4199, Rn. 15 f.; EuGH, Rs. C143/88 und C-92/89 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen), Slg. 1991, 1-415, Rn. 24; EuGH, Rs. C-465/93 (Atlanta Fruchthandelsgesellschaft), Slg. 1995,1-3781, Rn. 20 . 240 Nicht nur berechtigt, was die Formulierung „kann" in Art. 234 Abs. 2 EGV eigentlich nahe legen würde. 241 Ehlers, Europäisierung, S. 19 u. 114 ff. 242 Krück in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 183, Rn. 1; EuGH, verb. Rs. 31 und 33/62 (Wöhrmann), Slg. 1962, 1027, 1042. 243 Auch Priebe, ZLR 1990, S. 266, 286 sieht die Gefahr von Zuordnungsschwierigkeiten einzelner Handlungen der Kontrollbediensteten und mahnt an, daß eine Verbesserung der Kontrollen nicht um den Preis eines verminderten Rechtsschutzes oder einer ungewissen Haftung für Amtsfehler durchgesetzt werden könne. In dieselbe Richtung gehen die Überlegungen von Vervaele in: ders., Transnational Enforcement, S. 53, 89 („integrated legal protection must be strived for") und Widdershoven in: Vervaele, Transnational Enforcement, S. 131, 143 ff. Auch Harings, Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, S. 225 (für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei- und Zollverwaltungen); ders. EuR Beiheft 2/1998, S. 81, 96 f.; Burgi, Verwaltungsprozeß und Europarecht, S. 56 (für transnationales Verwaltungshandeln) und Schmidt-Aßmann, JZ 1994, S. 832, 833 (mit weiteren Beispielen für die unterschiedlichen Formen „administrativer Verzahnungen" beim Verwaltungsvollzug) betonen die Notwendigkeit der Entwicklung eines adäquaten Systems transnationalen Rechts-
C. Individualrechtsschutz und Haftung
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Anknüpfungspunkte für die Frage danach, ob die Rechtsschutzmöglichkeiten, die das nationale und das EG-Recht dem Betroffenen bieten, rechtsstaatlichen Anforderungen genügen, sind die einzelnen Handlungen, mit denen in Rechtspositionen eingegriffen wird: - Die Inspektion und mit ihr i m Zusammenhang stehende Handlungen, (insbesondere die Prüfungsanordnung oder Durchsuchungen, aber auch die Weitergabe von Informationen). - Die Sanktion, die i m Anschluß an eine Inspektion verhängt wurde. Für die Frage nach der Rechtmäßigkeit dieser Sanktion kann es inzident auf die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Ermittlungen ankommen. - Das Ersuchen der Kommission oder eines anderen Mitgliedstaats um die Durchführung von Inspektionen i m Wege der Amtshilfe oder um Unterstützung dabei i m Wege der Vollzugshilfe. - Haftungsbegründende Schädigungen nach Durchführung der Prüfungen).
(Amtspflichtverletzungen
während und
M i t den ersten drei Punkten sind Fragen des Primärrechtsschutzes angesprochen (dazu unter II.), mit dem vierten solche der Haftung und des Sekundärrechtsschutzes (dazu unter III.).
II. Primärrechtsschutz Rechtsschutz kann entweder direkt gegen die Inspektion selbst, unter Umständen auch gegen damit i m Zusammenhang stehende Amtshilfehandlungen (unter 1.) oder gegen die i m Anschluß an eine Inspektion verhängte Sanktion (unter 2.) gesucht werden.
1. Der Rechtsschutz des einzelnen gegen die Anordnung und Durchführung grenzüberschreitender Inspektionen Sowohl eine am Anfang einer Inspektion stehende Nachprüfungsentscheidung als auch weitere damit i m Zusammenhang stehende Anordnungen wie ζ. B. zur Auskunftserteilung oder zur Aktenvorlage sind Maßnahmen, die den betroffenen Unternehmer belasten. Hält er eine solche Maßnahme für rechtswidrig, verlangt das Prinzip effektiven Rechtsschutzes, daß er sich dagegen zur Wehr setzen kann. Nach dem Trennungsprinzip wird die Lösung vorstrukturiert: Gegen Entscheidun-
schutzes.; zu. „gegenläufigen Strukturprinzipien", denen der „kooperative Vollzug" und das gemeinschaftliche Rechtsschutzsystem folgen, auch Klepper, Vollzugskompetenzen, S. 173 f.; zu Rechtsschutzproblemen im Zusammenhang mit dem Vollzug der Novel-Food-Verordnung Wahl/Groß, DVB1. 1998, S. 2, 12 f. 2*
340
Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
gen der EG-Kommission ist die Nichtigkeitsklage zum EuG nach Art. 240 Abs. 4 EGV gegeben. Für Klagen gegen Handlungen der deutschen Behörden steht in erster Linie die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 V w G O zur Verfügung. Wirken bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts Gemeinschaftsorgane und innerstaatliche Stellen zusammen, so verlangt das Trennungsprinzip die Nachprüfung i m konkreten Fall, ob die angefochtene Handlung den Gemeinschaftsorganen oder einer Behörde eines Mitgliedstaats zuzurechnen i s t . 2 4 4 Angesichts immer engerer Kooperation erscheint allerdings fraglich, ob eine solche klare Zuordnung i m Einzelfall immer möglich ist.
a) Selbständige Kommissionskontrollen In den Fällen, in denen das Gemeinschaftsrecht Beamten der Kommission autonome Inspektionsbefugnisse zuweist, muß sich der Betroffene in erster Linie an das EuG wenden: Die Kommissionsbeamten handeln aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Ermächtigungen. Ihre Nachprüfungsentscheidungen, Auskunftsverlangen und sonstigen Anweisungen ζ. B. zur Vorlage von Akten, Abgabe von Erklärungen usw. stellen dem betroffenen Unionsbürger gegenüber Akte mit belastender Wirkung dar [vgl. unter (1)]. Gegen die selbständige Anfechtbarkeit dieser Handlungen könnte allerdings die ständige Rechtsprechung des EuGH sprechen, der Maßnahmen rein vorbereitender Art von der Anfechtbarkeit ausnimmt [unter ( 2 ) ] . 2 4 5
(J) Inspektionsmaßnahmen
als Eingriffsakte
Rechtsschutz gegen Inspektionen kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die mit ihnen i m Zusammenhang stehenden Eingriffsakte der Kommissionsbediensteten als Maßnahmen mit verbindlichen Rechtswirkungen einzuordnen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind alle Maßnahmen mit verbindlichen Rechtswirkungen, welche die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seiner Rechtsstellung beeinträchtigen, Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Anfechtungsklage nach Art. 230 EGV gegeben ist. Das gilt grundsätzlich ungeachtet der Form, in der diese Handlungen oder Entscheidungen ergehen. 2 4 6 244 Krück in: Groeben /Thiesing / Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 173, Rn. 6; SchmidtAßmann in: Schoch/ Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Einleitung, Rn. 117; Pernice /Kadelbach, DVB1. 1996, S. 1100, 111 (auch zu Zuordnungsschwierigkeiten im Einzelfall); EuGH, Rs. 96/71 (Haegeman/Kommission), Slg. 1972, 1005, Rn, 9/13; EuGH, Rs. 92/78 (Simmenthai/Kommission), Slg. 1979, 777, Rn. 225 ff. 245 Zu der Diskussion um die Einordnung des Nachprüfungsverlangens im deutschen Verwaltungsrecht als Verwaltungsakt oder rein vorbereitende Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts ohne Verwaltungsaktsqualität vgl. ausführlich Scholl, Behördliche Prüfungsbefugnisse, S. 84 ff. 246 Vgl. nur EuGH, Rs. 60/81 (IBM/Kommission), Slg. 1981, 2639, Rn. 9.
C. Individualrechtsschutz und Haftung
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Die Verordnung Nr. 17 enthält eine ausdrückliche Regelung über den Rechtsschutz gegen Nachprüfungsentscheidungen der Kommission: Formelle Nachprüfungsentscheidungen nach Art. 14 Abs. 3 Verordnung Nr. 17 sind mit der Nichtigkeitsklage anfechtbar. Für einfache Prüfungsaufträge nach Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1 7 2 4 7 gibt es nach allgemeiner Ansicht keinen Rechtsschutz. 248 Das liegt daran, daß erst die formelle Nachprüfungsentscheidung nach Art. 14 Abs. 3 die Unternehmen zur Duldung und Mitwirkung verpflichtet. Dem einfachen Prüfungsauftrag können sie sich dagegen widersetzen. Eine entsprechende ausdrückliche Rechtsschutzregelung fehlt demgegenüber in der Kontrollverordnung Nr. 2185/96. Es ist auch nicht festgelegt, daß der Inspektion vor Ort eine formelle Entscheidung der Kommission nach Art. 240 Abs. 4 EGV vorauszugehen hat. Lediglich Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 der Kontrollverordnung bestimmt, daß die Kontrolleure vor Wahrnehmung ihrer Befugnisse eine schriftliche Ermächtigung vorzulegen haben, der ein Dokument beigefügt ist, aus dem Ziel und Zweck der Kontrolle hervorgehen. Die Kommission hat also auch bei Kontrollen nach der Verordnung Nr. 2185/96 einen Prüfungsauftrag zu erstellen. Für die Frage der Anfechtbarkeit kommt es auf die Regelungswirkungen dieses Prüfungsauftrags an: Legt man die genannte Definition des EuGH zugrunde, müßte die Vorortkontrolle eine Maßnahme mit verbindlichen Rechtswirkungen sein, welche die Interessen des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigt. Nach der Kontroll Verordnung Nr. 2185/96 haben die Wirtschaftsteilnehmer den Kommissionsinspektoren den Zugang zu den Räumlichkeiten, Grundstücken, Verkehrsmitteln und sonstigen gewerblich genutzten Räumlichkeiten zu ermöglichen. 2 4 9 Außerdem können die Kommissionskontrolleure unter denselben Bedingungen wie die nationalen Kontrolleure Bücher, EDVDaten und Belege überprüfen und Proben entnehmen. 2 5 0 Das Nachprüfungsverlangen der Kommission aktiviert also Mitwirkungs- und Duldungspflichten auf der Seite der Unternehmen. I m Unterschied zum zweistufigen System der Verordnung Nr. 17 werden diese Pflichten nicht erst durch eine formelle Entscheidung nach Art. 240 EGV aktiviert. Auch das einfache Prüfverlangen der europäischen Kontrollbediensteten ist damit eine Maßnahme mit verbindlichen Rechtswirkungen, die grundsätzlich vor dem EuG nach Art. 230 Abs. 4 EGV angefochten werden kann.
247
Zu der Unterscheidung zwischen Nachprüfungen aufgrund einfachen Prüfungsverlangens und aufgrund einer Kommissionsentscheidung s.o. 1. Kap. Β. II. 1. a). 248 Vgl. nur Pernice in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, nach Art. 87, Verordnung Nr. 17 (Art. 14), Rn. 47; Engel/Freier, EWS 1992, S. 361, 372; Kamburoglou/Pirrwitz, RIW 1990, S. 263, 272. 249 Art. 5 UAbs. 3 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung). 2 50 Art. 7 Abs. 1 Verordnung Nr. 2185/96 (KontrollVerordnung).
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
(2) Die Frage der selbständigen Anfechtbarkeit Maßnahmen mit rein vorbereitendem oder verfahrensleitendem Charakter können nach der Rechtsprechung des EuGH erst im Rahmen der Klage gegen die endgültige Handlung, deren Vorbereitung sie dienen, angegriffen werden. 2 5 1 Dahinter steckt der Gedanke, daß das Gericht nicht in laufende Verfahren eingreifen s o l l . 2 5 2 Dementsprechend könnte man der Ansicht sein, die Inspektion sei Bestandteil eines umfassenderen Verfahrens der Sachverhaltsermittlung, das lediglich der Vorbereitung weiterer (ζ. B. Sanktions-)Entscheidungen diene. Unregelmäßigkeiten bei der Inspektionsentscheidung und ihrer Durchführung könnten dann erst nach Abschluß dieses Verfahrens gerichtlich geltend gemacht werden. 2 5 3 Zwar finden die Kontrollen vor Ort nicht um ihrer selbst willen statt, sondern sie dienen in der Tat der Sammlung von Tatsachengrundlagen und der Vorbereitung eventueller Folgemaßnahmen. Zum Zeitpunkt der Inspektion steht allerdings meist noch gar nicht fest, ob sich an die Erhebung der Informationen noch ein weiteres (Sanktions-)Verfahren anschließen wird. Unter Umständen wird überhaupt keine abschließende Entscheidung gefällt, weil das Material keine Anhaltspunkte für Verstöße ergeben hat. Meistens (außer beispielsweise im Kartellrecht) wird die Kommission gar nicht berechtigt sein, selbst eine Sanktionsentscheidung zu treffen, sondern das Material an den jeweiligen Mitgliedstaat weitergeben, der dafür zuständig ist. Die Inspektion stellt damit einen durchaus eigenständigen Eingriff in die Rechte der Unternehmen dar. Das Prinzip effektiven Rechtsschutzes verlangt nach Klagemöglichkeiten unabhängig von der Einbettung der Inspektion in ein weiteres Verfahren. Eingriffsakte im Zusammenhang mit Inspektionen sind damit selbständig anfechtbar. In der Praxis wird ein solches Vorgehen allerdings nur selten und wenn überhaupt nur durch Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes die Inspektion verhindern können. 2 5 4 Klagen vor den europäischen Gerichten haben nach Art. 242 EGV keine aufschiebende Wirkung. Einstweiliger Rechtsschutz kann nur im Zusammenhang mit einem Hauptsacheverfahren nach den Art. 242, 243 EGV erlangt
251 EuGH, Rs. 60/81 (IBM/Kommission), Slg. 1981, 2639, Rn. 10-12; zuletzt bestätigt in EuG, Rs. T-241191 (Stork), Slg. 2000,11-309, Rn. 67. 252 Röhl, ZaöRV 60 (2000), S. 331, 341 f.; EuG, Rs. T-64/89 (Automec), Slg. 1990, II367, Rn. 46. 253 So explizit für die Nachprüfungen aufgrund einfachen Prüfungsauftrags nach Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 Kamburoglou/Pirrwitz, RIW 1990, S. 263, 272: Verpflichtung der Unternehmen, die Endentscheidung nach Art. 85 oder 86 EGV (jetzt Art. 81 und 82) abzuwarten, um inzident die Rügen gegen die rechtswidrige Erhebung von Beweismaterial vorzubringen. Soweit jedoch das Verfahren ohne eine förmliche Entscheidung eingestellt werde, hätten die betroffenen Unternehmen keinerlei Möglichkeit, gegen die angebliche Rechtsverletzung vorzugehen. 254 So auch Widdershoven in: Vervaele, Transnational Enforcement, S. 131, 145.
C. Individualrechtsschutz und Haftung
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werden. Der Adressat von Inspektionsmaßnahmen müßte also gleichzeitig mit der Klage gegen die Inspektionsmaßnahme die Aussetzung ihrer Vollziehung beantragen. Auch das ist nur möglich, wenn der Adressat rechtzeitig von der Inspektionsentscheidung der Kommission Kenntnis erhält (ζ. B. die Nachprüfungsentscheidung nach der Verordnung Nr. 17 dem betroffenen Unternehmen vorher zugestellt wird). Aus Gründen der Effektivität der Nachprüfung wird gerade bei Betrugsbekämpfungsmaßnahmen eine solche vorherige Ankündigung nur selten erfolgen. 2 5 5 Eine nachträgliche Klage gegen die Inspektionsentscheidung der Kommission kann dann aber noch dazu führen, daß die auf eine rechtswidrige Nachprüfungsentscheidung hin gefundenen Beweise unverwertbar s i n d . 2 5 6 Erhebt der betroffene Wirtschaftsteilnehmer Klage gegen die Nachprüfungsentscheidung, ist zu beachten, daß das Gericht in diesem Verfahren lediglich die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung prüft. Nicht geprüft wird dagegen, ob die Kommission sich bei der Nachprüfung im Rahmen der angefochtenen Entscheidung gehalten oder sich sonst korrekt verhalten h a t . 2 5 7 Solche Rügen werden in der Regel geltend gemacht werden, wenn es um die Klage gegen eine anschließend verhängte Sanktion g e h t . 2 5 8 Für den Ersatz von Schäden aufgrund rechtswidrigen Kommissionsverhaltens bei der Nachprüfung kann Sekundärrechtsschutz in Anspruch genommen werden. 2 5 9
b) Gemischte Inspektionen Für den Rechtsschutz gegen gemischte Inspektionen in horizontaler oder vertikaler Kooperation ist auf die eingangs dieses Kapitels hervorgehobene Feststellung zurückzukommen: Diejenigen Inspekteure, die nur in begleitender bzw. beobachtender Funktion an einer Kontrolle vor Ort teilnehmen, haben gegenüber dem zu kontrollierenden Wirtschaftsteilnehmer keine eigenen Eingriffsbefugnisse. Sie können demzufolge keine eigenen Maßnahmen mit Regelungswirkung erlassen, 255
Zu den Möglichkeiten der Durchführung unangekündigter Inspektionen siehe bereits oben in diesem Kapitel unter B. III. 2. 256 So ausdrücklich Generalanwalt Mischo in seinen Schlußanträgen zur verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst), Slg. 1989, 2875, 2895, Ziff. 118. Für eine solche Klage entfällt aus diesem Grund nicht etwa das Rechtsschutzbedürfnis, vgl. für die Verordnung Nr. 17 Burrichter/Hauschild in: Immenga/Mestmecker, Art. 14 Verordnung Nr. 17, Rn. 27. Entsprechendes dürfte für die Kommissionskontrollen zur Betrugsbekämpfung gelten. Ein dennoch verbleibendes Rechtsschutzdefizit rügen Allkemper, Rechtsschutz des einzelnen, S. 146 und von Winterfeld, RIW 1992, S. 525, 525. Mit Blick auf den Kontrollzweck plädiert Ulrich, Kontrollen bei Wirtschaftsbeteiligten, S. 221, für Akzeptanz des Rechtsschutzdefizits. 2 57 EuGH, Rs. 85/87 (Dow Benelux/Kommission), Slg. 1989, 3117, Rn. 49; EuGH, verb. Rs. 97 bis 99/87 (Dow Chemical Ibèrica /Kommission), Slg. 1989, 3165, Rn. 35. Siehe auch EuGH, verb. Rs. 96 bis 102, 104, 105, 108 und 110/82 (IAZ), Slg. 1983, 3369, Rn. 16. 258
Siehe unten in diesem Kapitel C.II.3. 59 Zu Haftungsfragen unten in diesem Kapitel C.III.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
gegen die der Betroffene Rechtsschutz suchen könnte. Dementsprechend ist der (u.U. auch vorläufige) Rechtsschutz entsprechend den nationalen Vorschriften gegen die nationale Stelle zu suchen, wenn diese federführend ist, gegen die Gemeinschaft, wenn es sich um eine autonome Kommissionskontrolle handelt. Lediglich bei schadensersatzrelevanten Handlungen eines Teilnehmers an einer Inspektion kommt auch die Inanspruchnahme der Anstellungskörperschaft eines nur teilnehmenden Kontrolleurs in Betracht. Darauf wird i m Abschnitt über Haftung und Sekundärrechtsschutz zurückzukommen sein. Fragen wirft die Rechtsschutzdimension bei den echten „gemeinsamen Kontrollen" nach Art. 4 UAbs. 2 der Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung) auf. Diese gemeinsamen Kontrollen sind eine eigenständige Kontrollform neben den Kommissionskontrollen, an denen mitgliedstaatliche Kontrollbedienstete „nur" begleitend teilnehmen. Hier stellt sich die Frage, ob bei den gemeinsamen Kontrollen Rechtsschutz sowohl durch das EuG als auch durch nationale Gerichte zu gewähren ist. Fest steht, daß der nationalen Beteiligung an einer gemeinsamen Kontrolle eine über die bloße Teilnahme hinausgehende Bedeutung zukommen muß - sonst wäre diese zusätzliche Möglichkeit nicht eingeführt w o r d e n . 2 6 0 Der Verordnungstext bestimmt als Besonderheit für die gemeinsamen Kontrollen lediglich, daß die einzelstaatlichen Kontrolleure im Anschluß an eine gemeinsame Kontrolle ersucht werden, den von den Kontrolleuren der Kommission erstellten Bericht gegenzuzeichnen. 2 6 1 Die sonstigen Bestimmungen differenzieren nicht danach, ob eine Inspektion als gemeinsame Kontrolle durchgeführt wird oder nicht. Insbesondere aus den Artikeln 4 und 6 geht hervor, daß die Vorbereitung und Durchführung der Kontrollen vor Ort unter der Leitung und Verantwortung der Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten erfolgt. Mangels ausdrücklicher Differenzierung wird das auch für die gemeinsamen Kontrollen gelten. Auch die gemeinsamen Kontrollen bleiben daher Gemeinschaftskontrollen. Die Konsequenz daraus ist, daß Rechtsschutz gegen diese Gemeinschaftskontrollen ausschließlich vor den europäischen Gerichten zu suchen ist. Die Ausgestaltung als gemeinsame Kontrolle mit der Gegenzeichnung der Kontrollberichte durch die Kontrollbediensteten der Mitgliedstaaten dient damit nur der besseren Vorbereitung der Folgemaßnahmen, die j a exklusiv durch die Mitgliedstaaten zu treffen sind. I m Zusammenhang mit den Rechtsschutzfragen zeigt sich, wie problematisch es ist, wenn die Mitgliedstaaten zusätzlich zu der Kontrolle der Kommission parallele eigene Verfahren einleiten: 2 6 2 Beschränken sich die Mitgliedstaaten, in denen die Kommission autonome Kontrollen bei den Wirtschaftsteilnehmern durchführt, nicht auf ihre begleitende Rolle, sieht sich der Kontrollunterworfene auf einmal 260
So auch Ulrich, Kontrollen der EG-Kommission, S. 187. 261 Art. 8 Abs. 3 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung).
262 Vgl. zu dieser Praxis der Mitgliedstaaten das Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über die Anwendung der Verordnung Nr. 2185/96 SEC (2000) 844.
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zwei Instanzen mit jeweils autonomen Kontrollbefugnissen gegenüber und muß unter Umständen zwei Prozesse führen. M i t Verfahrensklarheit und -Ökonomie hat das nichts mehr zu tun.
c) Inspektionen auf Ersuchen und Vollzugshilfe Weitere für die Verwaltungskooperation typische und damit aus Rechtsschutzgesichtspunkten problematische Kooperationskonstellationen sind die Durchführung von Inspektionen auf Ersuchen und die Leistung von Vollzugshilfe in horizontaler oder vertikaler Hinsicht. Auch in diesen Zusammenhängen sind verschiedene Rechtsschutzebenen voneinander abzugrenzen. Man könnte zunächst überlegen, ob Handlungen, die die mitgliedstaatlichen Behörden auf Ersuchen der Kommission in den Formen der Amtshilfe erbringen, überhaupt selbständigen Eingriffscharakter haben. Das wäre dann nicht der Fall, wenn die nationalen Behörden lediglich Weisungen zu vollziehen hätten, bei denen ihnen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. 2 6 3 Ein solches Weisungsverhältnis liegt bei den Inspektionen auf Ersuchen und bei der Leistung von Vollzugshilfe allerdings gerade nicht vor. Die Aufforderungen der Kommission sind keine Weisungen einer übergeordneten Behörde an eine untergeordnete Stelle. Auch die Annahme einer Delegation kommt nicht in Betracht. Leisten die M i t gliedstaaten Unterstützung i m Wege der Vollzugshilfe, nehmen sie Kompetenzen wahr, die der Kommission gerade nicht zustehen. Eine Delegation würde voraussetzen, daß es sich um Kompetenzen der Kommission handelt, die den Mitgliedstaaten zur Ausübung zugewiesen werden. Das ist weder bei den Inspektionen auf Ersuchen noch bei der Leistung von Vollzugshilfe auf Ersuchen der Kommission der Fall. Die Mitgliedstaaten sind nach den einschlägigen Vorschriften zwar zur Leistung der von der Kommission erbetenen Unterstützung verpflichtet. Sie leisten diese Unterstützung aber selbständig und gestützt auf Rechtsgrundlagen, die dem jeweiligen autonomen nationalen Recht zu entnehmen s i n d . 2 6 4 In seinem Hoechst-Urteil 2 6 5 hat der EuGH die Rechtsschutzebenen wie folgt voneinander abgegrenzt: Die Nachprüfungsentscheidung der Kommission darf nur auf europäischer Ebene, d. h. in erster Linie durch das EuG, auf ihre Rechtmäßigkeit hin untersucht werden. Das EuG untersucht, ob sich diese als willkürliche oder unverhältnismäßige Maßnahme darstellt. Das nationale Gericht ist demgegenüber
263 Rengeling/ Middeke/Gellermann, Rechtsschutz, Rn. 149; Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, S. 339 f. will Rechtsschutz gegen das Amtshilfeersuchen zulassen, sofern die Amtshilfehandlung ohne eigenes Verweigerungsrecht der aushelfenden Stelle durch das Amtshilfeersuchen determiniert ist. 264 Explizit für die Nachprüfungen der Mitgliedstaaten auf Ersuchen der Kommission nach Art. 13 Verordnung Nr. 17 Bunten, Staatsgewalt und Gemeinschaftshoheit, S. 181 ff. 2 65 EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88 (Hoechst), Slg. 1989, 2919 ff.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
für die Kontrolle der Durchsetzung dieser Maßnahme i m Wege des unmittelbaren Zwangs zuständig. Es darf die Echtheit der Nachprüfungsentscheidung feststellen und prüfen, ob die beabsichtigte Zwangsmaßnahme willkürlich oder, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, unverhältnismäßig i s t . 2 6 6 Die Sach- und Rechtmäßigkeitserwägungen, die die Kommission zur Anordnung der Nachprüfung bewogen haben, sind allerdings der Beurteilung durch das nationale Gericht entzog e n . 2 6 7 Sie unterliegen lediglich der Rechtmäßigkeitskontrolle durch den EuGH (bzw. das E u G ) . 2 6 8 Diese Zuständigkeitsverteilung läßt sich dahingehend verallgemeinern, daß der Grundakt - also i m konkreten Fall die Nachprüfungsentscheidung - als A k t der Kommission allein der Kontrolle der europäischen Rechtsschutzinstanzen unterliegt. Die Zuständigkeit für den Erlaß von Vollstreckungsmaßnahmen in der Form unmittelbaren Zwangs wird dagegen den nationalen Stellen zugewiesen. Deren Rechtmäßigkeitskontrolle obliegt damit den nationalen Gerichten. 2 6 9 Halten diese i m Rahmen der Uberprüfung eines Vollstreckungsaktes die zugrundeliegende Nachprüfungsentscheidung für rechtswidrig, müssen sie eine Entscheidung des EuGH hierüber i m Wege des Vorlage Verfahrens herbeiführen. Für die Amts- und Vollstreckungshilfe i m Horizontalverhältnis spricht viel dafür, daß auch in diesem Verhältnis die Einschätzung der ersuchenden Behörde sowohl für die ersuchte Behörde als auch für ein mit der Kontrolle der Vollzugshilfeakte befaßtes Gericht bindend ist, soweit es die Notwendigkeit der Vollzugshilfeakte betrifft. 2 7 0 Die gerichtliche Kontrolle durch die Gerichte des um Amtshilfe ersuchten Mitgliedstaats beschränkt sich also auf die Rechtmäßigkeit dieser Amtshilfehandlungen. Die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Ersuchen um die Durchführung von Inspektionen oder die Leistung von Vollzugshilfe unterliegt dagegen nicht der Kontrolle der Gerichte des ersuchten Mitgliedstaats. Eine Abgrenzung der Rechtsschutzzuständigkeiten nach Grundakt und Vollstreckungsmaßnahme ist dem EG-Recht durchaus vertraut. Im Primärrecht bestimmt ζ. B. Art. 256 EGV eine vergleichbare Aufteilung der Kontrollzuständigkeiten für die Zwangsvollstreckung i m Gemeinschaftsrecht.
266 EuGH, a. a. O., Rn. 35. 267 EuGH, ebenda. 268 Ausführlich zur Verteilung der Zuständigkeiten beim Rechtsschutz durch das HoechstUrteil vgl. Lenz/Mölls, WuW 1991, S. 771, 790 f. 269 Kamburoglou/Pirrwitz, RIW 1990, S. 263, 266 ff. 270 So auch Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 137; ausführlich Schlag, Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, S. 227 ff., bes. S. 233 ff.; Groß, JZ 1994, 596, 604.
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2. Rechtsschutz des einzelnen gegen Inspektionsoder Vollzugshilfeersuchen Unter Umständen ist der Rechtsschutzsuchende nicht darauf beschränkt, gegen die Inspektionsmaßnahmen selbst vorzugehen. In Betracht kommt auch, direkt das von der Kommission oder einem andern Mitgliedstaat an den Mitgliedstaat gerichtete Ersuchen zur Durchführung einer Inspektion oder zur Leistung von Vollzugshilfe anzugreifen. Für das Vertikal Verhältnis könnte man überlegen, die sog. Deggendorf-Rechtsprechung des EuGH auf das von der Kommission an die Mitgliedstaaten gerichtete Ersuchen um die Durchführung bestimmter Inspektionen zu übertragen. In der Deggendorf-Entscheidung 271 hat der EuGH Kriterien aufgestellt, nach der die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer Beihilfenrückforderungsentscheidungen der Kommission anfechten können, die diese an die Mitgliedstaaten gerichtet hat. Diese Kriterien werden bei Inspektions- und Vollzugshilfeersuchen allerdings kaum erfüllt sein. Der Wirtschaftsteilnehmer müßte von dem an den Mitgliedstaat gerichteten Ersuchen unmittelbar und individuell betroffen sein. Das ist dann anzunehmen, wenn der mitgliedstaatlichen Behörde bei der Umsetzung ihm gegenüber kein Ermessensspielraum verbleibt. Zudem verlangt der Gerichtshof, daß der Betroffene positive Kenntnis von der Entscheidung haben m u ß . 2 7 2 Das Vorliegen beider Kriterien ist zweifelhaft: Der Mitgliedstaat ist zwar aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit heraus verpflichtet, dem Ersuchen der Kommission nachzukommen. Daraus folgt aber nicht, daß er gegenüber dem Inspektionsadressaten keinerlei eigenes Ermessen mehr hat und gewissermaßen nur noch ausführendes Organ ist. Darüber hinaus können die jeweiligen Ersuchen an den zuständigen Mitgliedstaat gerichtet werden, ohne daß die Betroffenen hiervon Kenntnis erhalten. Auch aus diesem Grunde kommt eine direkte Anfechtung des Amtshilfeersuchens nicht in Betracht. Entsprechendes gilt für die Inspektions- und Vollzugshilfeersuchen i m Horizontalverhältnis. Hier ist eine Bindung des ersuchten Mitgliedstaats noch fernliegender als i m Vertikal Verhältnis. Damit sind gegen die Inspektions- und Vollzugshilfeersuchen i m Interadministrativverhältnis keine Rechtsschutzmöglichkeiten für die Wirtschaftsteilnehmer gegeben. Der eigentliche Eingriffsakt, gegen den sich der Inspektionsadressat wehren kann, liegt vielmehr erst in den Inspektions- oder Vollzugshilfemaßnahmen, die der ersuchte Mitgliedstaat ergreift.
271 EuGH, Rs. C-188/92 (Textilwerke Deggendorf^, Slg. 1994,1-833 ff. 272 Vgl. hierzu Ulrich, Kontrollen der EG-Kommission, S. 213 f.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen 3. Rechtsschutz des einzelnen gegen Sanktionen auf der Basis grenzüberschreitender Informationsverwertung
Rechtsschutz kann nicht nur gegen die Inspektionsmaßnahmen selbst, sondern auch - und das wird sogar der häufigere Fall sein - gegen die Maßnahmen gesucht werden, die die Verwaltung aufgrund der bei den Inspektionen erhaltenen Informationen getroffen hat (ζ. B. Rückforderung von Geldern, Auflagen für Betriebe, aber auch die Aufnahme in gemeinschaftliche Informationssysteme wie ζ. B. die Verzeichnung als unzuverlässiger Marktteilnehmer auf der Schwarzen L i s t e 2 7 3 ) . Der Betroffene wird hier argumentieren, Verfahrensfehler bei der Durchführung der Kontrollen vor Ort führten zur Rechtswidrigkeit der Folgemaßnahme. Wie die Durchsicht der einschlägigen Rechtsakte gezeigt hat, liegt die Befugnis, Verstöße gegen das EG-Recht zu sanktionieren, i.d.R. bei den Mitgliedstaaten. 2 7 4 Rechtsschutz gegen diese Sanktionsmaßnahmen ist infolgedessen vor den Gerichten des jeweiligen Mitgliedstaats zu suchen. Bei ihren Entscheidungen über die Sanktionsmaßnahmen können die mitgliedstaatlichen Verwaltungen die Inspektionsergebnisse der Kommission oder anderer Mitgliedstaaten als Tatsachengrundlage mit heranziehen. Das Auseinanderfallen von Sachverhaltsermittlungs- und Sanktionsbefugnis muß in einem kohärenten Rechtsschutzsystem berücksichtigt werden. I m einzelnen stellen sich Fragen nach der Beweiswürdigung durch die mitgliedstaatlichen Gerichte [unter a)], nach dem zulässigen Prüfungsumfang [unter b)] und nach der Bindung der Mitgliedstaaten an Sanktionsaufforderungen der Kommission [unter c)].
a) Beweiswürdigung durch die mitgliedstaatlichen Gerichte In einigen Gebieten des Gemeinschaftsrechts fehlen Vorschriften darüber, welcher Beweiswert den Ermittlungen und insbesondere den Inspektionsberichten der Kommission oder der zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten zukommt, v ö l l i g . 2 7 5 Aufgrund zahlreicher Einzelvorschriften in anderen Bereichen ist dem 273 Speziell zu Rechtsschutzfragen im Zusammenhang mit der Aufnahme in die Schwarze Liste vgl. Krüger, ZfZ 1999, S. 74, 81 ff. Zum Recht auf Einsicht in die Schwarze Liste Schrömbges, ZfZ 1998, S. 403 ff. 2 74 Das betont auch Priebe, ZLR 1990, S. 266, 270. Zu den (wenigen) Sanktionskompetenzen der Kommission gegenüber Privaten vgl. Lenaerts, EuR 1997, S. 17, 18 ff.; kurz auch Bleckmann, Europarecht, Rn. 258. 275
Das gilt ζ. B. für das Fischereirecht, vgl. dazu die Kritik von A. Berg, European Fisheries Law, S. 286 und Vervaele in: ders., Transnational Enforcement, S. 53, 88. Priebe, ZLR 1990, S. 266, 277, hält die Zuerkennung des gleichen Beweiswertes an die Feststellungen fremder und eigener Kontrolleure demgegenüber für eine Selbstverständlichkeit - man sollte keinem Richter in der Gemeinschaft unterstellen, daß er den Beweiswert einer behördlichen Feststellung nach der „Herkunft" des kontrollierenden Beamten allein differenziere; zu transnationalen Beweiskraftfragen auch Jans/de Lange / Prêchai / Widdershoven, Europees bestuursrecht, S. 252 ff.
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Beweismaterial, das durch Bedienstete der Kommission oder der anderen M i t gliedstaaten gesammelt worden ist (i.d.R. wird es sich um Kontrollberichte handeln, in Betracht kommen aber auch sonstige Auskünfte oder Mitteilungen) der gleiche Beweiswert zuzumessen wie den Berichten der nationalen Beamten. 2 7 6 Durch solche Vorgaben soll sichergestellt werden, daß die Herkunft der Informationen bei der Beweiswürdigung keine Rolle spielt. Das zuständige nationale Gericht hat demnach zu prüfen, ob die Inspektionsberichte nach den Kriterien seines nationalen Rechts als ausreichende Basis für die auferlegte Sanktionsmaßnahme dienen können. In diesem Zusammenhang kann sich auch die Frage stellen, ob die handelnden Inspektoren sich an die Vorgaben des nationalen Rechts und des Europarechts gehalten haben (Verfahrensanforderungen, Verteidigungsrechte etc.). 2 7 7 A u f diese Weise kann es indirekt über die Verweisung auf nationale Beweiserfordernisse zu einer Überprüfung der Handlungen europäischer Kontrollbediensteter an Maßstäben des EG-Rechts durch nationale Gerichte kommen - erste Ansätze zu einer Modifizierung des Trennungsprinzips. Damit ist gegenüber dem gänzlichen Fehlen von Beweisregeln schon ein Schritt nach vorne getan. Dennoch kann es auf Dauer nicht ausreichen, wenn die EG-Regelungen auf die nationalen Beweisvorschriften verweisen. Diese können nämlich durchaus unterschiedlich s e i n , 2 7 8 so ζ. B. wenn in einigen Ländern die Unterschrift des Betroffenen unter den Inspektionsbericht erforderlich ist und in anderen nicht. Diese Unterschiede können dazu führen, daß Inspektionsberichte nicht einheitlich als Beweismaterial verwertbar s i n d . 2 7 9 Es sollte daher für die Zukunft angestrebt werden, die Verweise auf die nationalen Rechtsordnungen durch einheitliche Beweisregeln auf Gemeinschaftsebene zu ersetzen.
276 Art. 8 Abs. 3 Verordnung Nr. 2185/96 (Kontrollverordnung), dazu Kühl/Spitzer, EuZW 1998, S. 37, 41; Art. 12, 16 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung); siehe auch Art. 17 Verordnung Nr. 2729/2000 (Durchführung Kontrollen im Weinsektor): „Die von den speziellen Bediensteten der Kommission oder den Bediensteten einer zuständigen Stelle eines Mitgliedstaats in Anwendung dieses Titels getroffenen Feststellungen können von den zuständigen Stellen der anderen Mitgliedstaaten oder von der Kommission geltend gemacht werden. In diesem Fall darf diesen Feststellungen nicht allein deshalb ein geringerer Wert zukommen, weil sie nicht von dem betreffenden Mitgliedstaat ausgehen."; allgemein zur Beweiswürdigung bei transnationalen Sachverhalten Hatje, Gemeinschaftsrechtliche Steuerung, S. 215 f. 277 So auch Widdershoven in: Vervaele (Hrsg.), Transnational Enforcement, S. 131, 147 f. Stellen sich allerdings Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts, haben die nationalen Gerichte diese dem EuGH nach Art. 234 EGV zur Vorabentscheidung vorzulegen. 278 Das betont auch Vervaele, in: ders. (Hrsg.), Transnational Enforcement, S. 53, 83. 279 Kritisch auch Vervaele, in: ders. (Hrsg.), Transnational Enforcement, S. 53, 88.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen b) Bestandskraftfragen und Rügepotential
Nach der Deggendorf-Rechtsprechung 280 des EuGH werden Entscheidungen der Kommission materiell bestandskräftig, wenn sie von denjenigen, die anfechtungsberechtigt gewesen wären, nicht rechtzeitig angefochten werden. In späteren Prozessen gegen nationale oder europäische Folgeentscheidungen ist die Berufung auf die Rechtswidrigkeit der Erstentscheidung dann nicht mehr zulässig. Die Anfechtungsmöglichkeit ist damit gleichzeitig auch eine Anfechtungslast. 281 Die oben dargestellten Möglichkeiten, gegen die Nachprüfungsmaßnahmen selbst Klage zu erheben, auch wenn sie i m Einzelfall keine formellen Entscheidungen darstellen, führt zu dem Folgeproblem, ob die Nichterhebung dieser Klage dem Betroffenen bei der Klage gegen die Sanktion Rechtsnachteile bringt. Folgt daraus, daß es einem Unternehmen, das gegen Sanktionsmaßnahmen klagt, verwehrt ist, die Rechtswidrigkeit der Nachprüfung(sentscheidung) zu rügen, wenn die Zweimonatsfrist abgelaufen ist? Ist das Material, das aufgrund einer rechtswidrigen Nachprüfung gesammelt worden ist, nach Ablauf der Klagefrist in jedem Fall verwertbar? 2 8 2 So weitreichend dürfen die Bestandskraftwirkungen wohl nicht gefaßt werden. Auch in der Rechtsprechung des EuGH gibt es Grenzen der Bestandskraft. 283 Zunächst steht eine bestandskräftig gewordene Einzelfallentscheidung einer auf Art. 288 Abs. 2 EGV gestützten Schadensersatzklage nicht entgegen, wenn sie nicht dazu dienen soll, die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage zu umgehen. 2 8 4 Interessanter sind die Ausnahmen, die der EuGH in sog. komplexen Verwaltungsverfahren zuläßt: Hauptbeispiel sind die Auswahlverfahren. Solche Auswahlverfahren bestehen nach der Rechtsprechung des EuGH aus einer Reihe verschiedener Vorgänge, die zu gesondert anfechtbaren Maßnahmen führen: 2 8 5 Die Auswahlver280 EuGH, Rs. C-188/92 (Textil werke Deggendorf), Slg. 1994, 1-833 ff.; dazu Jans/de Lange/Prechel/Widdershoven, Europees bestuursrecht, S. 275 ff.; allgemein zum „Risiko der Bestandskraft" bei Gemeinschaftsentscheidungen Kamann/Selmayr, NVwZ 1999, S. 1041 ff. 281 Zu den Erfordernissen von Rechtssicherheit und Rechtswegklarheit, die mit den Anfechtungslasten, die Privaten auferlegt werden, korrespondieren müssen, Schmidt-Aßmann, JZ 1994, S. 832, 837. 282 Die Frage stellt auch Röhl, ZaöRV 60 (2000), S. 331, 361: „Man stelle sich vor, daß die Kommission Unterlagen an eine nationale Behörde weiterleitet. Macht der Kläger nun im Verfahren gegen die nationale Behörde geltend, Kenntnisse aus diesen Unterlagen unterlägen einem Verwertungsverbot, weil sie von der Kommission nicht hätten weitergegeben werden dürfen, stellt sich die Frage, ob die Erhebung der Daten oder Weitergabe der Unterlagen eine anfechtbare Handlung darstellt und daher - ist die Anfechtungsfrist versäumt - das nationale Gericht in dieser Hinsicht präjudiziell." 283 Dazu eingehend und mit Hinweis auf die weitgehend parallele Lage im französischen Recht Röhl, ZaöRV 60 (2000), S. 331, 358 ff. 284 Vgl. nur EuGH, Rs. 4/69 (Lütticke), Slg. 1971, 325, Rn. 6; EuGH, Rs. 175/84 (Krohn), Slg. 1986, 753, Rn. 32; EuG, Rs. T-514/93 (Cobrecaf), Slg. 1995,11-624, Rn. 59. 285 E U G H , RS. 1 6 4 / 8 9 ( S i m o n e l l a / K o m m i s s i o n ) , Slg. 1988, 3815, Rn. 11.
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fahren der Gemeinschaft verlaufen in einem mehrstufigen Verfahren, das sich meist über längere Zeit hinzieht. Sowohl die Ausschreibung als auch alle weiteren Entscheidungen, die dem Bewerber die weitere Teilnahme ermöglichen oder ihn davon ausschließen, können gesondert angefochten werden. Häufig berufen sich die Kläger erst, wenn sie endgültig nicht auf eine Auswahlliste aufgenommen werden, darauf, daß bereits die Ausschreibung rechtswidrig gewesen sei. Grundsätzlich gilt auch in diesen Fällen, daß die Kläger Bestimmungen einer Ausschreibung, die sie nach ihrer Meinung beschweren, rechtzeitig anfechten müssen. Zur Begründung weist der EuGH darauf hin, daß andernfalls eine Stellenausschreibung lange nach ihrer Veröffentlichung, wenn die meisten oder alle Vorgänge des Auswahlverfahrens bereits abgeschlossen sind, wieder in Frage gestellt werde, was gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemäßen Verwaltung verstieße. 2 8 6 Allerdings ist es dem Kläger, der die Ausschreibung nicht fristgerecht angefochten hat, nicht verwehrt, Rechtsverstöße zu rügen, zu denen es i m Laufe des Auswahlverfahrens gekommen ist, selbst wenn diese Rechtsverstöße auf den Wortlaut der Ausschreibung zurückgeführt werden können. 2 8 7 Der EuGH weist daher nur solche Klagegründe zurück, die die Rechtswidrigkeit der Ausschreibung des Auswahlverfahrens als solche betreffen. Klagegründe, die sich auf Rechtsverstöße beziehen, die den Ablauf des Auswahlverfahrens fehlerhaft gemacht haben, prüft er in der Sache. 2 8 8 I m Rahmen eines Einstellungsverfahrens kann der Kläger also mit einer gegen spätere Handlungen gerichteten Klage die Rechtswidrigkeit der mit diesen Handlungen eng verbundenen früheren Handlungen geltend machen. Der Betroffene muß also nicht so viele Klagen erheben, wie das Verfahren Handlungen umfaßt, die ihn beschweren können. 2 8 9 Zur Begründung verweist der EuGH auf die besondere Natur des Einstellungsverfahrens als eines komplexen Verwaltungsvorgangs, der aus einer Folge eng miteinander verbundener Entscheidungen bestehe.290 286 EuGH, RS. 294/84 (Adams/Kommission), Slg. 1986, 984, Rn. 17; EuGH, Rs. 164/89 (Simonella/Kommission), Slg. 1988, 3815, Rn. 15; Rs. 181/87 (Agazzi Léonard/Kommission), Slg. 1988,3836, Rn. 22. 287 EuGH, verb. Rs. 64, 71 bis 73 und 78/86 (Sergio u. a./Kommission), Slg. 1988, 1426, Rn. 15; Rs. 164/89 (Simonella/Kommission), Slg. 1988, 3815, Rn. 16; Rs. 181/87 (Agazzi Léonard/Kommission, Slg. 1988, 3836, Rn. 23. 288 EUGH, RS. 164/89 (Simonella/Kommission), Slg. 1988, 3815, Rn. 17; EuGH, Rs. 181/87 (Agazzi Léonard / Kommission, Slg. 1988, 3836, Rn. 24. 289 E U G H , RS. C - 4 4 8 / 9 3 Ρ ( K o m m i s s i o n / N o o n a n ) , Slg. 1995, 2333, Rn. 17.
290 EUGH, RS. C-448/93 Ρ (Kommission/Noonan), Slg. 1995, 2333, Rn. 19; siehe auch
schon EuGH, verb. Rs. 12 und 29/64 (Ley / Kommission), Slg. 1965, 148, 164: „Da sich das Einstellungsverfahren aus mehreren voneinander abhängigen Akten zusammensetzt, würde diese Einrede im Ergebnis dazu führen, daß die Betroffenen so viele Klagen erheben müßten, wie das Verfahren Akte umfaßt, die sie beschweren können. Angesichts des Zusammenhangs zwischen den einzelnen Akten des Einstellungsverfahrens ist jedoch davon auszugehen, daß anläßlich einer gegen spätere Akte eines solchen Verfahrens gerichteten Klage die Rechts-
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
Diese Rechtsprechung läßt sich in vorsichtiger Verallgemeinerung auf die Inspektionsfälle übertragen. Inspektionen zur Ermittlung des Sachverhalts, die Aufbereitung des entsprechenden Sachverhalts, die eventuelle Weitergabe der Informationen an die zuständige Stelle und die Sanktionsentscheidung bilden einen ähnlich komplexen Verwaltungsvorgang aufeinander aufbauender Rechtshandlungen. Die Besonderheit liegt darin, daß die ermittelnde Stelle und die über die Sanktion entscheidende Stelle nicht identisch sein müssen. Dennoch besteht ein enger Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Sachverhaltsermittlungs- und Sanktionsmaßnahmen. Angesichts der immer engeren Verflochtenheit der Verwaltungszuständigkeiten und der gemeinsamen Verantwortung gemeinschaftlicher und mitgliedstaatlicher Verwaltungsbehörden für den Vollzug des Gemeinschaftsrechts erscheint es sinnvoll, die Figur des komplexen Verwaltungs Vorgangs auch hier zuzulassen. Daher kann der Betroffene auch i m Rahmen der Klage gegen eine (nationale) Sanktionsentscheidung noch die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen rügen, die i m Zusammenhang mit der (Kommissions-)Inspektion vor Ort getroffen worden sind. Es bleibt aber dabei, daß die nationalen Gerichte über die Gültigkeit und Auslegung des Gemeinschaftsrechts nicht selbst entscheiden dürfen. Sie müssen also i m Zweifelsfall dem EuGH vorlegen.
c) Rechtsschutz des einzelnen gegen an die Mitgliedstaaten gerichtete Wiedereinziehungsaufforderungen der Kommission Vor allem im Recht der Agrarfinanzierung, aber auch im Strukturhilfebereich fordert die Kommission die Mitgliedstaaten i m Anschluß an die Durchführung von Inspektionen mitunter in sehr deutlichen Worten dazu auf, ihrer Ansicht nach fälschlich an die Wirtschaftsteilnehmer ausgezahlte Geldbeträge wieder einzuzieh e n . 2 9 1 Die rechtliche Einordnung dieser Aufforderungen hat Konsequenzen auch für den Rechtsschutz. Ordnete man sie als bindende Weisungen ein, hätten die mitgliedstaatlichen Verwaltungsstellen keinerlei eigene Entscheidungsfreiheit mehr. Der betroffene Wirtschaftsteilnehmer müßte i m Sinne der Deggendorf-Entscheidung fristgemäß Rechtsschutz auf europäischer Ebene suchen. Andernfalls müßte die Auffassung der Kommission i m Prozeß gegen die nationale Wiedereinziehungsentscheidung als bindend zugrundegelegt werden. Ungeachtet aller faktischen Zwänge, denen die Mitgliedstaaten unterliegen (sie riskieren, daß ihnen die betreffenden Beträge im Rechnungsabschlußverfahren angelastet werden), hat der Gerichtshof die ΒindungsWirkung solcher Aufforderungen der Kommission an die
Widrigkeit der mit diesen Akten eng verbundenen früheren Akte geltend gemacht werden kann." 291 Zu diesen Wiedereinziehungsaufforderungen schon oben Kap. 3 A.III.3. Zum Problem einer Klage der Wirtschaftsteilnehmer gegen an die Mitgliedstaaten gerichtete Rechnungsabschlußentscheidungen Karpenstein, in: Schwarze, Der Gemeinsame Markt, S. 85, 97 f.
C. Individualrechtsschutz und Haftung
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Mitgliedstaaten in agrarrechtlichen Zusammenhängen abgelehnt.~ Er hat sie stattdessen als Empfehlungen oder Stellungnahmen ohne Rechtswirkung eingeordnet. Es sei Sache der Mitgliedstaaten, gegenüber den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern die erforderlichen Einzelentscheidungen zu treffen, um zu Unrecht gezahlte Beträge wieder einzuziehen. Der Wirtschaftsteilnehmer hat damit keine Möglichkeit, gegen die Schlußfolgerungen der Kommission vorzugehen, obwohl diese für ihn gravierende Auswirkungen haben. 2 9 3 Besonders illustrativ ist in diesem Zusammenhang das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-476/93 Ρ ( N u t r a l ) . 2 9 4 Es handelt sich um einen Fall in vertikaler Kooperation durchgeführter Inspektionen mit Zuweisung der Leitungsfunktion an die mitgliedstaatlichen Behörden. Die Kommission hatte sich gem. Art. 6 Verordnung Nr. 5 9 5 / 9 1 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung) an einer Untersuchung der italienischen Behörden beteiligt, die sich auf die Einführung von bestimmten Magermilchpulvererzeugnissen aus Österreich bezog. In ihrem Untersuchungsbericht kamen die Bediensteten, die i m Auftrag der Kommission an der erwähnten Untersuchung teilgenommen hatten, zu dem Schluß, daß die Klägerin zu Unrecht Gemeinschaftsbeihilfen für denaturiertes oder bei der Herstellung von Mischfutter verwendetes Magermilchpulver erhalten hätte. Außerdem seien weder Wertzölle noch ein „beweglicher Teilbetrag" erhoben worden, wie dies normalerweise hätte geschehen müssen. In einem Schreiben teilte der Leiter der U C L A F den italienischen Behörden u. a. folgendes mit: " . . . Demgemäß müssen die zuständigen innerstaatlichen Behörden . . . den beweglichen Teilbetrag in bezug auf das gesamte eingeführte Erzeugnis ermitteln und die gesamte Verarbeitungsbeihilfe für Milchpulver wieder einziehen, .. , " . 2 9 5 Die Klägerin beantragte die Nichtigerklärung dieser „Entscheidung" sowie aller früheren damit zusammenhängenden Handlungen. Ihre Interessen seien durch das angefochtene Schreiben verletzt worden, da sich die italienischen Behörden später darauf beschränkt hätten, die Ergebnisse der Untersuchung aufzunehmen und förmlich die Zahlung der in Rede stehenden Beträge zu verlangen. 2 9 6 292 EuGH, RS. C-476/93 Ρ (Nutral), Slg. 1995,1-4125. Mögele, EWS 1998, S. 1, 7 bejaht aber im Strukturhilfebereich das Recht der Kommission, die Mitgliedstaaten ausdrücklich aufzufordern, das Wiedereinziehungsverfahren fortzusetzen. Er zieht diesbezüglich eine Bindung durchaus in Betracht. Zur Kritik an der Nutral-Entscheidung auch Gieß, EuZW 1999, S. 618, 621: Die Ablehnung einer Einordnung der Übermittlung von Untersuchungsberichten an die Mitgliedstaaten als Handlungen ohne verbindliche Rechtswirkung durch den EuGH sei angesichts der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einleitung von Strafverfahren zweifelhaft. 293 Immerhin kann er sich vor den nationalen Gerichten wehren, wenn sich die nationale Verwaltungsbehörde fälschlicherweise an eine „Weisung" der Kommission gebunden fühlt, vgl. VG Frankfurt a.M., Urt. v. 26. 5. 1983, RIW 1984, 227 (Unterwerfung unter nicht vorhandene Weisungsbefugnis stellt groben Ermessensfehler dar); vgl. auch VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 10. 1. 1997, ZLR 1997, 208 mit Anm. Wehlau. 294 Slg. 1995,1-4125 ff. 295 EuGH, a. a. O., Rn. 1. 296 EuGH, a. a. O., Rn. 3. 2
David
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
In seiner Entscheidung bestätigte der Gerichtshof das klageabweisende erstinstanzliche Urteil des EuG. Das EuG sei in Ubereinstimmung mit der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung zutreffend davon ausgegangen, daß die Mitgliedstaaten im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik die erforderlichen Maßnahmen zu treffen hätten, um die infolge von Unregelmäßigkeiten und Versäumnissen abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen. Die Schreiben der Kommission an die italienischen Behörden fielen in den Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den mit der Anwendung der Gemeinschaftsregelung betrauten nationalen Stellen und stellten lediglich Empfehlungen oder Stellungnahmen ohne Rechtswirkung dar. Sie seien daher nicht als Entscheidungen anzusehen, die die Rechtsstellung der Klägerin unmittelbar berühren könnten. Ergänzend verweist der EuGH auf seine Rechtsprechung, nach der die Kommission i m Rahmen des durch die Verordnung Nr. 7 2 9 / 7 0 (jetzt Verordnung Nr. 1258/1999, EAGFL) eingeführten Kontrollsystems nur eine ergänzende Funktion ausübe. Daran habe auch die Verordnung Nr. 5 9 5 / 9 1 (Unregelmäßigkeiten Agrarfinanzierung) nichts geändert. Diese Verordnung habe nur die Initiativbefugnis sowie die Informations- und Kontrollmöglichkeiten der Kommission i m Bereich der Verfolgung von Unregelmäßigkeiten erweitert. Keinesfalls sei der Kommission aber die Befugnis verliehen worden, verbindliche Handlungen gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern vorzunehmen. 2 9 7
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EuGH, a. a. O., Rn. 17 ff., Hervorhebung d. Verf. Vgl. weiter für etwas anders gelagerte Fälle die Entscheidungen Sucrimex und International Fruit Company. Im Fall Sucrimex (EuGH, Rs. 133/79, Slg. 1980, 1299 ff.) lehnte die zuständige mitgliedstaatliche Behörde die Zahlung von Ausfuhrerstattungen angesichts eines vorher in einem Fernschreiben vertretenen „Standpunkts der Dienststellen der Kommission" ab. Die Klägerinnen beantragten in erster Linie die Nichtigerklärung dieser „Entscheidung" der Kommission, außerdem Schadensersatz für das „rechtswidrige Handeln der Kommission". In seinem die Klage abweisenden Urteil wies der EuGH darauf hin, daß die Durchführung der Gemeinschaftsbestimmungen auf dem Gebiet der Ausfuhrerstattungen unter die Zuständigkeit der hierfür bestellten innerstaatlichen Stellen falle. Die Kommission sei nicht befugt, Entscheidungen über die Auslegung dieser Gemeinschaftsbestimmungen zu treffen, sondern habe nur die Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern, die die innerstaatlichen Stellen aber nicht binde (a. a. O., Rn. 16). Eine auf Art. 173 Abs. 2 EGV gestützte Klage war daher unzulässig. Es fehlte an einer Handlung der Kommission, die Gegenstand einer solchen Nichtigkeitsklage sein könnte (a. a. O., Rn. 18/19); ähnliche Konstellation im Fall Interagra (EuGH, Rs. 217/81, Slg. 1982, 2233 ff., Rn. 8 f., keine Nichtigkeits-, sondern reine Schadensersatzklage); anders aber die Entscheidung im Fall International Fruit Company (EuGH, Rs. 41/70, Slg. 1971, 411 ff.), bei dem es um die Erteilung von Einfuhrlizenzen ging: Diese wurden letztlich zwar von den Mitgliedstaaten erteilt, die aber hierbei über keinerlei Entscheidungsspielraum mehr verfügten. Aus den zugrundeliegenden Rechtsakten sei allein die Kommission zuständig, die wirtschaftliche Lage zu prüfen, an der die Entscheidung über die Erteilung der Einfuhrlizenzen zu messen sei. Die mitgliedstaatlichen Behörden hätten nur die Daten beizubringen, die der Kommission diese Entscheidung ermöglichten und sodann die zum Vollzug einer solchen Entscheidung erforderlichen innerstaatlichen Maßnahmen zu treffen. Unter diesen Umständen berühre der Akt, mit dem die Kommission über die Erteilung der Einfuhrlizenzen entscheide, die Rechtsstellung der Betroffenen unmittelbar (a. a. O., 422, Rn. 23/29). Die Klage war damit zulässig, wenn auch im Ergebnis nicht begründet.
C. Individualrechtsschutz und Haftung
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Diese Rechtsprechung zeigt deutlich, daß zunächst die Entscheidung über die Wiedereinziehung und anschließend auch die Gewährung von Rechtsschutz gegen Wiedereinziehungsentscheidungen der Mitgliedstaaten i m Agrarbereich eine Aufgabe der mitgliedstaatlichen Gerichte ist. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß die Mitgliedstaaten unter Umständen, nur auf Aufforderungen der Kommission reagieren und auf Beweismaterial zurückgreifen, das ihnen von den europäischen Stellen zur Verfügung gestellt worden ist. In gewissem Gegensatz dazu steht die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Lisrestal: 2 9 8 Dort ging es um die Wiedereinziehung eines Zuschusses aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Nach einer durch die Abteilung „Kontrolle" des ESF durchgeführten Prüfung bei portugiesischen Empfängern von Zuschüssen aus dem ESF war festgestellt worden, daß die mit der Durchführung bestimmter Maßnahmen beauftragten Einrichtungen nicht über die erforderliche Infrastruktur verfügt hatten. Außerdem bestand der Verdacht der Vorspiegelung von Verträgen und der Ausstellung falscher Rechnungen. Diese Schlußfolgerungen der Kontrolleure wurden der zuständigen portugiesischen Behörde mitgeteilt. Diese erwiderte, sie habe dazu keine weiteren Erklärungen abzugeben. Daraufhin übersandte die Kommission der portugiesischen Behörde eine RückZahlungsaufforderung. Diese machte den Klägerinnen hierüber und über die Höhe der an den ESF zurückzuzahlenden Beträge Mitteilung. Die Klage der betroffenen Unternehmen vor dem EuG gegen die „Entscheidung des ESF, mit der die Rückzahlung der erhaltenen Gelder angeordnet wurde" war erfolgreich. 2 9 9 Das Urteil des EuG wurde in der zweiten Instanz durch den EuGH bestätigt. Hauptangriffspunkt gegen die RückZahlungsaufforderung der Kommission war die Behauptung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches G e h ö r : 3 0 0 Die Kommission hatte die streitige Entscheidung erlassen, ohne den Klägerinnen zuvor Gelegenheit zu geben, zu der beabsichtigten Kürzung des Zuschusses Stellung zu nehmen. Die Kommission war der Auffassung, daß die Klägerinnen von dem Verfahren, das zum Erlaß der RückZahlungsaufforderung geführt habe, nicht betroffen gewesen seien. Sie hätten somit auch nicht angehört werden müssen. 3 0 1 Diese Argumentation wies der E u G H z u r ü c k . 3 0 2 Es sei zwar zutreffend, daß nach der einschlägigen Rechtsgrundlage die finanziellen Beziehungen nur zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat einerseits und zwischen dem Mitgliedstaat und dem durch den Zuschuß Begünstigten andererseits begründet würden. Ungeachtet der Tatsache, daß der Mitgliedstaat der einzige direkte Ansprechpartner des ESF sei, entstehe aber auch eine unmittelbare Beziehung zwi298 EuGH, RS. C-32/95 Ρ (Kommission/Lisrestal), Slg. 1996,1-5387 ff. 299 EuG, RS. T-450/93 (Lisrestal / Kommission), Slg. 1994,11-1177 ff. 300 Näher dazu im Abschnitt Verfahrens- und Verteidigungsrechte, siehe oben in diesem Kapitel B.III.3. 3 01 EuGH, a. a. O. (Fn. 296), Rn. 22. 3 °2 EuGH, a. a. O. (Fn. 296), Rn. 23 ff.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
sehen der Kommission und dem Empfänger des Zuschusses. Die Kommission treffe nach der einschlägigen Verordnung die engiiltige Entscheidung und trage gegenüber den Mittelempfängern allein die rechtliche Verantwortung dafür. Da die getroffene Entscheidung die Interessen der Mittelemfänger spürbar beeinträchtige, hätte rechtliches Gehör gewährt werden müssen. Diese Rechtsprechung dürfte auch für die heutige Konzeption der Rückzahlungsaufforderungen i m Strukturhilfebereich noch einschlägig sein: Nach Art. 38 Abs. 4 Verordnung Nr. 1260/ 1999 (Strukturfonds) werden die Feststellungen, die die Kommission i m Zuge von Kontrollen macht, den Mitgliedstaaten verbunden mit der Aufforderung zu Abhilfemaßnahmen mitgeteilt. Nach der hier vertretenen Auffassung spricht viel dafür, daß die Mitgliedstaaten an diese Aufforderungen gebunden sind, also gegenüber den Mittelempfängern keinen Ermessensspielraum mehr haben. 3 0 3 Ein nach außen identisch aussehender Vorgang, nämlich eine an den Empfänger von Gemeinschaftsmitteln gerichtete Aufforderung durch mitgliedstaatliche Verwaltungsbehörden, bestimmte Gelder zurückzuzahlen, kann also je nach der rechtlichen Konstruktion der Zahlungs- und Abwicklungsverhältnisse unterschiedliche Folgen für den Individualrechtsschutz nach sich ziehen. Einmal ist rechtliches Gehör durch die nationale Verwaltungsstelle und Rechtsschutz durch die nationalen Gerichte zu gewähren. Bei der zweiten Konstellation wird die eigentlich belastende Entscheidung auf EG-Ebene getroffen, die Mitgliedstaaten haben keine eigene Beurteilungsbefugnis. Rechtsschutz gegen die RückZahlungsaufforderung ist also vor den europäischen Gerichten zu erlangen. Für den Rechtsschutz Suchenden sind diese rechtlichen Differenzierungen schwer zu durchschauen.
III. Haftung und Sekundärrechtsschutz Staatshaftung und Gerichtsschutz bilden sowohl in der europäischen als auch in den nationalen Verwaltungsrechtsordnungen die dem Handlungsregime komplementären Mechanismen einer ex-post ansetzenden Steuerung des Verwaltungshandelns. 3 0 4 Da die Frage nach dem Vorliegen einer materiellen HaftungsVerpflichtung fast immer mit der Frage nach den Möglichkeiten einer gerichtlichen Geltendmachung eines möglichen Schadens verbunden ist, erfolgt die Darstellung in integrierter Form.
1. Grundsatz: Trennungsprinzip Dem allgemeinen Grundsatz entsprechend gilt auch für Schadensersatzansprüche zunächst das Trennungsprinzip: 3 0 5 Sowohl auf der europäischen als auch auf 303 Siehe oben Kap. 3 A.III.3. 304 Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, 7/48.
C. Individualrechtsschutz und Haftung
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der mitgliedstaatlichen Ebene bestehen ausdifferenzierte Haftungssysteme. Entsprechend der organisatorischen Trennung ist diejenige Körperschaft zum Schadensersatz verpflichtet, durch deren Handlung ein Schaden verursacht worden i s t . 3 0 6 Damit wird die Verantwortung auf der Ebene verankert, auf der der den Schaden verursachende Fehler gemacht worden i s t . 3 0 7 I m deutschen Recht ist Schadensersatz hauptsächlich über den Staatshaftungsanspruch nach Art. 34 GG / § 839 BGB zu erlangen [unter a)]. Die Gemeinschaftsorgane haften nach Art. 288 Abs. 2 EGV [unter b)]. Dieser materiellen Verantwortungsabgrenzung entspricht auf der prozessualen Seite die Zuständigkeitsverteilung der Gerichte. Während die Gemeinschaftsgerichte nur über die Schadensersatzforderungen entscheiden können, die aus einem rechtswidrigen Verhalten der Gemeinschaftsorgane resultieren, sind die nationalen Gerichte zuständig für Schadensersatzklagen wegen rechtswidrigen Handelns durch nationale Stellen. Schwierigkeiten entstehen allerdings in Fällen, in denen die Gemeinschaft und ein oder mehrere Mitgliedstaaten kooperieren. In solchen Kooperationskonstellationen ist diese „nach dem Kriterium der Verursachung gebotene Trennung der Verantwortungszurechnung' 4308 nicht ohne weiteres durchführbar. Es ist zu überlegen, ob angesichts des funktionalen Zusammenwirkens der beteiligten Verwaltungen Modifikationen des Trennungsprinzips erforderlich werden [unter 2.]. Ausdrückliche Haftungszuweisungen sind im Gemeinschaftsrecht noch die Ausnahme [unter 2.a)]. Unabhängig von solchen ausdrücklichen Regelungen ist nach Ansätzen zur Annahme einer ebenenübergreifenden bzw. mitgliedstaatenübergreifenden Haftung zu fragen [unter 2.b)]. Unter Umständen besteht eine gemeinsame Verantwortlichkeit.
305 Schmidt-Aßmann, in: FS Bernhard, S. 1287, 1303; ders., EuR 1996, S. 270, 296. 306 Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34, Rn. 75; Ossenbiihl, Staatshaftungsrecht, S. 108; van Gerven, in: van Gerven/Zuleeg, Sanktionen, S. 34 ff.; EuGH, Rs. 175/84 (Krohn/ Kommission),Slg. 1986, 763, Rn. 18; EuGH, verb. Rs. 89 und 91/86 (Etoile Commerciale und CNTA/Kommission), Slg. 1987, 3005, Rn. 17. Für das Völkerrecht vgl. Doehring, Völkerrecht, Rn. 833 unter Bezugnahme auf einen Entwurf der International Law Commission (ILC Draft Articles on State Responsibility, ILM, Band 37, 1998, S. 442 ff.): „Wenn ein Staat auf fremdem Territorium Hoheitsakte vollzieht, ist er auch für diese verantwortlich." 307 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 569; zum Völkerrecht Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rn. 1668: Ein Staat haftet für die Handlungen von Organen eines anderen Staates, der von ihm in einer solchen Form abhängig ist, daß die Handlungen dieser Organe nicht mehr als Handlungen der Organe eines souveränen Staates gewertet werden können. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn man die Kooperationsakte der Behörden funktional, im Sinne einer Organleihe, den ausländischen Behörden zurechnen könnte. Das kommt bei den hier zu besprechenden Fallkonstellationen jedoch nicht in Betracht. Für die Finanzmarktaufsicht in der EG vgl. Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 162. 308 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 569.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen a) Haftungsmaßstäbe für das mitgliedstaatliche Handeln
Wird bei der Durchführung von Inspektionen jemand geschädigt, bestimmt sich die Haftung grundsätzlich nach dem Heimatrecht der handelnden Behörde. Das gilt unabhängig davon, ob die Kontrollbeamten auf ihrem eigenen Territorium oder wie ζ. B. bei den Auslandsprüfungen der Bankenaufsicht i m Rahmen der Herkunftslandkontrolle - in einem anderen Mitgliedstaat gehandelt haben. Eine Regel des Inhalts, daß nationales öffentliches Recht nur auf dem jeweiligen Staatsgebiet angewandt werden darf, kann heute nicht mehr aufgestellt werden. Solange ein gewisser Inlandsbezug vorhanden ist, können auch Auslandssachverhalte in den Regelungsbereich des nationalen Rechts einbezogen werden. 3 0 9 Die Beschränkung auf eine Haftung nach der eigenen Rechtsordnung läßt sich aus dem Grundsatz der Einseitigkeit des internationalen Verwaltungsrechts begründen. 3 1 0 Auch die völkerrechtliche Haftung für völkerrechtliches Unrecht folgt diesen Grundsätzen. 311 In Deutschland ist das zentrale Institut der Haftung für rechtswidriges Staatshandeln die Amtshaftung nach Art. 34 GG und § 839 B G B . 3 1 2 Verletzt ein Beamter in Ausübung eines öffentlichen Amtes eine Dritten gegenüber bestehende Amtspflicht, so ist die staatliche Einrichtung, in deren Dienst er steht, zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Amtspflichten ergeben sich dabei nicht nur aus dem deutschen Recht, sondern auch aus dem primären und sekundären Gemeinschaftsrecht. 313 Soweit sie für die deutschen Behörden bindend sind, sind auch die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts Anknüpfungspunkte für Amtspflichten. Verstöße gegen diese Amtspflichten stellen genauso staatliches Unrecht dar wie Verstöße gegen die nationalen Regelungen. 3 1 4 Bei deutschen natürlichen oder juristischen Personen wirft der Amtshaftungsanspruch keine Schwierigkeiten auf. Rechtlich gehört auch die ausländische Zweigstelle einer deutschen Bank oder Versicherung zur jeweiligen deutschen Muttergesellschaft. Für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen durch sie ergeben sich also keine Besonderheiten. Es kann aber auch möglich sein, daß im Zuge der 309 So auch Harings, Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, S. 276 (zu grenzüberschreitenden Observationen nach Art. 40 SDÜ). 310 Zu diesem Grundsatz Vogel, Räumlicher Anwendungsbereich, S. 194 ff.; Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht, Band IV (Allgemeiner Teil), S. 115 ff. 3 n Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rn. 1669. 312 Vgl. umfassend Papier, Staatshaftung, HdBStR Band VI, § 157, 1353 ff., 1355, Rn. 4 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25; Ossenbiihl, Staatshaftungsrecht, 2. Teil. 3 3
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Vgl. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34, Rn. 75. Daneben ist durch die Rechtsprechung des EuGH ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch entwickelt worden (grundlegend EuGH, Rs. 152/84 (Marshall), Slg. 1986, 723; EuGH, Rs. C-6 und 9/90 (Francovich), Slg. 1991,1-5357; EuGH, Rs. C-46 und 48/93 (Brasserie du Pêcheur), Slg. 1996, 1-1029; zur gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung vgl. ausführlich Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34, Rn. 76 ff..) und Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschafts verwaltungsrecht, S. 142 ff. 314
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Tätigkeit der deutschen Aufsichtsbehörden Ausländer zu Schaden kommen. Das ist einerseits denkbar im Rahmen der Auslandstätigkeiten deutscher Behörden i m Zusammenhang mit der Herkunftslandaufsicht. Auch die rein begleitende oder beobachtende Teilnahme an Kommissionskontrollen in anderen Mitgliedstaaten kann zu Haftungsansprüchen führen, ζ. B. in Fällen des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht. Daneben besteht die Möglichkeit einer Schädigung solcher EU-Bürger oder -Unternehmen, die sich i m Zuge der Wahrnehmung ihrer Grundfreiheiten in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Die Haftung gegenüber Ausländern war früher nach § 7 R B H G a.F. 3 1 5 ausgeschlossen. Diese Regelung ist jedoch mit Wirkung vom 1. 7. 1992 geändert word e n . 3 1 6 Es besteht zwar immer noch die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung gegenüber Ausländern (§ 7 Abs. 1 R B H G n.F.). Dies ist aber nur noch durch ausdrückliche Verordnung der Bundesregierung m ö g l i c h . 3 1 7 Nach § 7 Abs. 2 R B H G n.F. ist ein Haftungsausschluß gegenüber EU-Bürgern generell ausgeschlossen. 318 Damit sind alle EU-Bürger haftungsrechtlich den Inländern gleichgestellt.
b) Haftungsmaßstäbe für Handlungen der Gemeinschaft Die Haftung der Gemeinschaft und ihrer Bediensteten ist im EGV ausdrücklich geregelt: Art. 288 Abs. 1 EGV betrifft die vertragliche, Art. 288 Abs. 2 EGV die 315 Gesetz über die Haftung des Reiches für seine Beamten vom 22. 5. 1910, RGBl, 798. Danach stand den Angehörigen eines ausländischen Staates ein Amtshaftungsanspruch nur insoweit zu, „als nach einer im Reichsgesetzblatt enthaltenen Bekanntmachung des Reichskanzlers durch die Gesetzgebung des ausländischen Staates oder durch Staatsvertrag die Gegenseitigkeit verbürgt ist". Entsprechende Regelungen bestanden in den meisten einschlägigen Landesgesetzen, vgl. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34, Rn. 282. 316 Siehe Art. 6 des Gesetzes über dienstrechtliche Regelungen für besondere Verwendungen im Ausland vom 28. 7. 1993, BGBl. I, 1394, 1397. 317 Nach dem Wortlaut der Vorschrift kann die Bundesregierung „zur Herstellung der Gegenseitigkeit durch Rechtsverordnung bestimmen, daß einem ausländischen Staat und seinen Angehörigen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, Ansprüche aus diesem Gesetz nicht zustehen, wenn der Bundesrepublik Deutschland oder Deutschen nach dem ausländischen Recht bei vergleichbaren Schädigungen kein gleichwertiger Schadensausgleich geleistet wird". Bislang wurde von dieser Verordnungsermächtigung kein Gebrauch gemacht; vgl. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34, Rn. 283. 318 Bereits vor der Gesetzesänderung wurde die EU-Rechtswidrigkeit der Vorschrift beanstandet: Sie verstoße gegen das Diskriminierungsverbot und sei deshalb ebenso wie die entsprechenden landesrechtlichen Haftungsausschlüsse gegenüber EU-Ausländern nicht anwendbar; so ζ. B. Hauschka, NVwZ 1990, S. 1155, 1157; Neßler, Richtlinienrecht, S. 128 ff.; ihnen folgend (trotz inzwischen erfolgter Gesetzesänderung) noch Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 227 ff.; Kaiser, NVwZ 1997, S. 667 ff.; aus der Rechtspr. des EuGH vgl. Rs. 186/87 (Cowan), Slg. 1989, 195, Rn. 13, 20: Soweit dadurch die Dienstleistungsfreiheit betroffen sei, stehe das Diskriminierungsverbot einer nationalen Regelung entgegen, die eine staatliche Entschädigung unter Berufung auf das Fehlen einer Gegenseitigkeitsverbürgung gegenüber EG-Bürgern verweigere.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
hier interessierende außervertragliche Haftung. Die Haftung i m außervertraglichen Bereich bestimmt sich nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Durch diese Regelung wurde dem EuGH die Aufgabe zugewiesen, aus den in Bezug genommenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen die Merkmale eines Haftungstatbestandes zu entwickeln. 3 1 9 In einer Reihe von Entscheidungen hat der EuGH die Voraussetzungen für die Amtshaftung der EG näher umrissen. 3 2 0 Von einer abgeschlossenen Dogmatik kann allerdings noch nicht die Rede sein. 3 2 1 Nach der Rechtsprechung von EuGH und EuG ist erforderlich, daß die den Organen vorgeworfene Handlung rechtswidrig und ein tatsächlicher Schaden eingetreten ist sowie daß zwischen der Handlung und dem behaupteten Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht. 3 2 2 Erfaßt ist jedes Verhalten, das eine „unmittelbare innere Beziehung" 3 2 3 zu den wahrzunehmenden Aufgaben aufweist. 3 2 4 Die Haftung umfaßt sowohl normatives als auch administratives Unrecht, vorausgesetzt, es wurde dem Betroffenen in Ausübung der Amtstätigkeit von Organen oder Bediensteten der Gemeinschaft zugefügt. 3 2 5 Die Durchführung von Inspektionen stellt reine Verwaltungstätigkeit dar, fällt also unter die Kategorie des Administrativunrechts. Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Amtspflichtverletzungen der für die Kommission tätigen Inspektoren sind also unter den Haftungstatbestand des Art. 288 EGV zu subsumieren. Passivlegitimiert ist die Gemeinschaft, vertreten durch das Organ, das die Haftung ausgelöst h a t . 3 2 6 Entsprechendes gilt für die Handlungen der mit Inspektionsbefugnissen ausgestatteten verselbständigten Einrichtungen der Kommission wie die Inspektionen, die vom Büro für Lebensmittel- und Veterinärfragen oder vom Betrugsbekämpfungsamt
319 „Ermächtigung an den EuGH zur richterlichen Ausprägung des Haftungstatbestands" so von Bogdandy in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 215, Rn. 29. 320 Repräsentativ für die frühen Entscheidungen vgl. nur EuGH, Rs. 4/69 (Lütticke), Slg. 1971, 325, Rn. 10; EuGH, Rs. 26/81 (Oleifici Mediterranei/EWG), Slg. 1982, 3057, Rn. 16; ein umfangreiches Verzeichnis von EuG- und EuGH-Entscheidungen zu Haftungsfragen findet sich bei von Bogdandy in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 215, Rn. 171 und bei Ruffert in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 288, Rn. 4, Fn. 12. 321 Vgl. Oppermann, Europarecht, Rn. 166 ff.; von Bogdandy in: Grabitz/Hilf, EUV/ EGV, Art. 215, Rn. 28-30. Zu den allgemeinen Haftungsvoraussetzungen vgl. auch Czaja, Außervertragliche Haftung, S. 30 ff. 322 Vgl. nur EuGH, Rs. C-146/91 (KYDEP/Rat und Kommission), Slg. 1994, 1-4199, Rn. 19; EuG, Rs. T-226/94 (Dischamp/Kommission, Slg. 1996,11-577, Rn. 39; EuG, Rs. T230/94 (Farrugia/Kommission), Slg. 1996,11-197, Rn. 42. 323 EuGH, Rs. 9/69 (Sayag), Slg. 1969, 329, Rn. 5/11. 324 von Bogdandy in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 215, Rn. 65. 325 Zu den strengeren Voraussetzungen einer Haftung für normatives Unrecht vgl. Gilsdorf/Oliver in: Groeben / Thiesing / Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 215, Rn. 65 ff. („hinreichend qualifizierte Verletzung") sowie Ruffert in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 288, Rn. 11. 32 6 Ruffert in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 288, Rn. 6.
C. Individualrechtsschutz und Haftung
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O L A F durchgeführt werden. Mangels eigener Rechtspersönlichkeit werden deren Handlungen der Kommission zugerechnet. Die Einrichtungsverordnungen der selbständigen Agenturen des Gemeinschaftsrechts wie beispielsweise die Europäische Umweltagentur enthalten regelmäßig eigene Haftungsbestimmungen. Danach ersetzen die Agenturen i m Bereich der außervertraglichen Haftung den durch sie oder durch ihre Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam s i n d . 3 2 7 Damit wird der Wortlaut des Art. 288 Abs. 2 EGV für die Haftung der Agenturen übernommen. Zuständig für die diesbezüglichen Klagen ist der EuGH bzw. das EuG. Aufgrund ihrer Vielfältigkeit können die denkbaren Verstöße hier nicht einzeln aufgeführt werden. In Betracht kommen ζ. B. gegenüber dem Kontrollunterworfenen Beschädigungen von Produktionsanlagen oder die Verursachung von Unfällen im Zusammenhang mit der Kontrolltätigkeit. 3 2 8 Denkbar ist auch eine Haftung für Verstöße gegen die berufliche Schweigepflicht durch Kommissionsbedienstete bzw. gegen die Pflicht zur Wahrung der Berufs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen. 3 2 9 Aber auch weiter ausgreifende Schädigungen sind denkbar, etwa wenn es aufgrund nachlässiger Überwachung zur gemeinschaftsweiten Verbreitung gesundheitsschädigender Produkte kommt.
2. Modifizierungen des Trennungsprinzips in Kooperationskonstellationen: Normative Haftungszuweisungen und Haftungskonkurrenzen Nun finden Inspektionen häufig nicht nur durch mitgliedstaatliche Beamte oder Kommissionsbeamte allein statt. Sie werden in horizontaler oder vertikaler Koope327 Vgl. etwa Art. 18 Abs. 2 Verordnung Nr. 1210/ 1990 (Umweltagentur). Umfassend zu Haftungsfragen im Zusammenhang mit Handlungen der Agenturen Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen, S. 141 ff.; Fischer-Appelt, Agenturen, S. 303 ff., dort auch zur Frage eines subsidiären Haftungsdurchgriffs auf die Gemeinschaft für den Fall, daß eine Agentur nicht selbst für eine Verbindlichkeit einstehen kann (insbes. S. 307: Für eine - hypothetische, da die Agentur für tierärztliche und pflanzengesundheitliche Überwachung letztlich nicht gegründet worden ist - Schadensverursachung durch Inspektoren der Agentur infolge schlechter Durchführung der Überwachungstätigkeiten wird eine subsidiäre Billigkeitshaftung der Gemeinschaft bejaht.). Die Möglichkeit eines Haftungsdurchgriffs auf die Gemeinschaft bejaht auch Uerpmann, AöR 125 (2000), 551, 580 ff., der vor allem auf die finanzielle Abhängigkeit der verselbständigten Verwaltungsträger vom Gemeinschaftshaushalt verweist. 328 Ein Fall, in dem die Kommission für fahrlässiges Handeln, das zu einem Unfall mit Personenschaden geführt hat, haften mußte (allerdings nicht im Zusammenhang mit Inspektionen), liegt der Entscheidung in EuGH , verb. Rs. 169/83 und 136/84 (Leussink-Brummelhuis/Kommission), Slg. 1986, 2801 ff., Rn. 16 f. zugrunde. 329 Ein Verstoß gegen die berufliche Schweigepflicht lag dem Fall Stanley Adams zugrunde (EuGH, Rs. 53/84, Slg. 1985, 3556 ff.). Näher zu Sachverhalt und Begründung siehe oben in diesem Kapitel Fn. 164.
362
Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
ration oder sogar unter Beteiligung sowohl der EG-Ebene als auch anderer Mitgliedstaaten durchgeführt. Die in diesem Zusammenhang auftretenden Haftungsfragen sollen anhand der i m ersten Teil herausgearbeiteten Kooperationskonstellationen näher untersucht werden. A n ausdrücklichen Regelungen zur Lösung von Haftungsfragen bei gemeinsamen Inspektionstätigkeiten fehlt es bisher [unter a)]. A u f Fälle der vertikalen oder horizontalen Haftungskonkurrenz kann aber möglicherweise das aus dem nationalen Recht bekannte Institut der Gesamtschuld angewendet werden [unter b)].
a) Normative Haftungszuweisungen Die normative Ausgestaltung, die die Inspektionen in den verschiedenen Gemeinschaftsrechtsakten gefunden haben, gibt für die Frage der Haftungsverteilung bei horizontaler oder vertikaler Kooperation kaum Anhaltspunkte.
( 1 ) Inspektionen „ unter der Leitung " eines der Kooperationspartner Wie oben näher dargelegt enthalten einige der Inspektionsvorschriften, die die Möglichkeit gemeinsamer Inspektionen oder Begleitrechte einführen, Bestimmungen zur Abgrenzung der jeweiligen Verantwortlichkeiten. Teilweise wird ausdrücklich betont, daß entweder die mitgliedstaatlichen oder die Kommissionsbeamten eine Inspektion in eigener Verantwortung durchführen und die Begleitrechte lediglich abgeleiteter Art sind und nicht selbständig gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern geltend gemacht werden dürfen. 3 3 0 Zu überlegen ist, ob aus solchen Bestimmungen etwas für das Haftungsregime gefolgert werden kann. Sind diese Vorschriften so zu deuten, daß diejenige Ebene, die jeweils die „Führungsposition" innehat, auch nach außen exklusiv zu haften hat? Eine solche Auslegung erscheint nicht überzeugend. Der systematische Zusammenhang, in dem die Bestimmungen stehen, ist eher kompetenzrechtlicher Art. Sie sollen dazu dienen, die Befugnisse und Pflichten der Inspektionsbeamten i m Verhältnis zueinander festzulegen und voneinander abzugrenzen. Sie zielen somit auf eine Regelung des Innenverhältnisses der Teilnehmer einer gemeinsamen Inspektion. Eine Auslegung, nach der die Handlungen des begleitenden Kooperationspartners als solche des leitenden Kooperationspartners anzusehen wären, erscheint zu weitgehend. Die begleitenden Kontrolleure müßten dann von den die Leitung innehabenden Beamten in einer Weise abhängig sein, daß ihre Handlungen nicht mehr als die ihres eigenen Staates, sondern als solche der EG bzw. eines anderen Mitgliedstaates betrachtet werden könnten. Der Gedanke einer solchen Verantwortungsübernahme der leitenden Inspektionsbeamten für die nur begleitenden würde 330 Für entsprechende Nachweise siehe die Fußnoten oben in Kap. 1 B.II. 1 .a)(l) und b).
C. Individualrechtsschutz und Haftung
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den Bestimmungen eine Wirkung i m Außenverhältnis verleihen, die so wohl nicht beabsichtigt war. Die oben angesprochenen Vorschriften sind also nicht geeignet, das Trennungsprinzip zu durchbrechen.
(2) Ausdrückliche Haftungszuweisungen an einen der Kooperationspartner im Datenschutzrecht Fehlen also i m Rahmen der Inspektionen selbst Vorschriften, die die Haftung ausdrücklich einem der Kooperationspartner zuordnen, so finden sich doch für die eng mit ihnen zusammenhängenden Folgefragen der Speicherung und weiteren Nutzung der (u. a. durch Inspektionen erhaltenen) Informationen erste Ansätze einer stellvertretenden Verantwortung der Mitgliedstaaten und der Kommission i m Rahmen der Haftung nach außen. Der gemeinsame Betrieb und die gemeinsame Nutzung der Informationssysteme wirft Haftungsfragen auf, die Vorbildwirkung für die weitere Entwicklung entfalten könnten. Teilweise beschränken sich die Vorschriften auf eine Verteilung der Haftung - bereits eine Verbesserung gegenüber der Situation des vollständigen Fehlens von Regeln. Fortschrittlicher sind die Haftungsregeln beispielsweise zum Zollinformationssystem, die erste Ansätze zu einem das Trennungsprinzip überwindenden Haftungsregime zeigen. - Beispiel Schwarze Liste i m Recht der Betrugsbekämpfung: Nach Art. 11 der Verordnung Nr. 7 4 5 / 9 6 (Durchführung Schwarze-Liste) haften die einzelnen Mitgliedstaaten und die Kommission - jeweils für den sie betreffenden Teil des Systems 3 3 1 - nach den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. nach den entsprechenden Gemeinschaftsbestimmungen für Schäden, die einer Person durch eine unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Identifikations- und Mitteilungssystems entstehen. Ein Beispiel für solche Schadensfälle nennt die Verordnung i m folgenden Satz gleich selbst: Dies gilt insbesondere dann, wenn der Schaden dadurch entstanden ist, daß der Mitgliedstaat oder die Kommission i m Widerspruch zu dieser Verordnung unrichtige Daten geliefert oder unrichtige Daten in das System eingegeben h a t . 3 3 2 Hier wurde das Trennungsprinzip also noch beibehalten. Es wurde aber immerhin der Versuch unternommen, die Verantwortlichkeiten im voraus klar zuzuweisen. - Beispiel Zollinformationssystem (ZIS): Nach Art. 40 Abs. 2 der Verordnung Nr. 5 1 5 / 9 7 (EG-Amtshilfeverordnung) haftet jeder ZIS-Partner nach Maßgabe seiner eigenen Rechtsvorschriften oder entsprechender gemeinschaftsrechtlicher 331
Im Unterschied zum ZIS ist die „schwarze Liste" kein einheitlicher Datenbestand - es existieren nationale Listen, deren Inhalt die zuständige nationale Behörde an die Kommission übermittelt. Diese leitet die Mitteilungen an die zuständigen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten weiter (Art. 5 Verordnung Nr. 745/96 - Durchführung Schwarze Liste). 332 Weiteres Beispiel bei Hitzler in: Ehlers/Wolffgang, Rechtsfragen der Europäischen Marktordnungen, 245, 256: verspätete Bereinigung der „schwarzen Liste" nach Ablauf der Gültigkeitsdauer einer Maßnahme bzw. nachdem der Verdacht entfallen ist.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
Vorschriften für Schäden, die einer Person durch die Benutzung des ZIS in dem betreffenden Mitgliedstaat oder bei der Kommission entstehen. Dies gilt ausdrücklich auch, wenn der Schaden von dem ZIS-Partner, der die Daten geliefert hat, durch Eingabe unrichtiger Daten verursacht wurde (und nicht von demjenigen Mitgliedstaat, in dem der Schaden entstanden ist). Die Mitgliedstaaten haben hier also unabhängig davon zu haften, ob sie selbst für den Schaden verantwortlich sind. Das ist eine echte Überwindung des Trennungsprinzips. Für die Folgefrage des internen Regresses bietet die EG-Amtshilfeverordnung allerdings nur eine äußerst weiche Vorgabe: Handelt es sich bei dem beklagten ZISPartner nicht um denjenigen, der die unrichtigen Daten geliefert hat, so versuchen die betreffenden Partner, sich auf einen Erstattungsbetrag zu einigen. 333 I m Rahmen der Nutzung gemeinsamer Datenbanken finden sich damit erste Ansätze zur Herausbildung einer stellvertretenden Verantwortung. Die Vorreiterrolle, die das Datenschutzrecht hier übernommen hat, ist leicht zu erklären: Die Eingabe von Daten durch die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten in Datenbanken und deren Nutzung setzt den Unionsbürger besonderen Risiken aus. Er ist demzufolge auch besonders schutzbedürftig. Dieser Schutzbedürftigkeit trägt der Ansatz der stellvertretenden Verantwortungsübernahme in doppelter Hinsicht Rechnung: Zum einen wird dem Geschädigten die Unbequemlichkeit erspart, möglicherweise mehrere Anspruchsgegner vor verschiedenen Gerichten verklagen zu müssen. Zum anderen wird ihm die Ermittlungslast abgenommen, herausfinden zu müssen, wer nun genau den Schaden verursacht hat. Diese Ermittlungsprobleme treten nicht nur i m Zusammenhang mit der Verarbeitung von Daten, sondern auch allgemein bei den Inspektionen auf. Für die zukünftige Entwicklung ist daher zu überlegen, ob 333 Art. 40 Abs. 3 Verordnung Nr. 515/97 (EG-Amtshilfeverordnung). Zum Vergleich ein Hinweis auf Art. 38 Europol-Übereinkommen: Hier ist eine Pflicht zur internen Erstattung normiert. Jeder Mitgliedstaat haftet zunächst gemäß seinem nationalen Recht für den einer Person entstandenen Schaden, der durch in rechtlicher oder sachlicher Hinsicht fehlerhafte Daten, die von Europol gespeichert oder bearbeitet wurden, verursacht worden ist. Der Geschädigte kann eine Schadensersatzklage nur gegen den Mitgliedstaat erheben, in dem der Schadensfall eingetreten ist, und wendet sich dazu an die nach dem nationalen Recht dieses Mitgliedstaats zuständigen Gerichte. Im Rahmen seiner Haftung nach Maßgabe des nationalen Rechts kann ein Mitgliedstaat sich im Verhältnis zu dem Geschädigten zu seiner Entlastung nicht darauf berufen, daß ein anderer Mitgliedstaat oder Europol unrichtige Daten übermittelt hat (Abs. 1). Haben sich diese in rechtlicher oder sachlicher Hinsicht fehlerhaften Daten aufgrund einer fehlerhaften Übertragung oder einer Verletzung der in diesem Übereinkommen vorgesehenen Pflichten seitens eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder einer unzulässigen oder unrichtigen Speicherung oder Bearbeitung durch Europol ergeben, so sind Europol und der oder die betreffenden Mitgliedstaaten verpflichtet, die Schadensersatzzahlungen auf einen entsprechenden Antrag hin zu erstatten, es sei denn, daß der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Schadensfall eingetreten ist, die Daten unter Verletzung des Übereinkommens verwendet hat (Abs. 2). Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen diesem Mitgliedstaat und Europol oder einem anderen Mitgliedstaat über den Grundsatz oder den Betrag dieser Erstattung ist der Europol-Verwaltungsrat zu befassen, der mit Zweidrittelmehrheit entscheidet (Abs. 3). Hier findet sich also im intergouvernementalen Bereich eine deutlich fortschrittlichere Regelung als sie bisher im Gemeinschaftsrecht zustandegekommen ist.
C. Individualrechtsschutz und Haftung
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das Prinzip der stellvertretenden Verantwortung nicht weiter entwickelt und auf weitere Bereiche ausgedehnt werden könnte.
b) Haftungskonkurrenzen Die Fallkonstellationen, die hier unter dem Gesichtspunkt der Haftungskonkurrenz behandelt werden sollen, sind dadurch gekennzeichnet, daß für einen Schadensersatzanspruch zwei Anknüpfungspunkte in Betracht kommen: zum einen rechtswidriges Handeln des EG-Organs, zum anderen das Fehlverhalten einer nationalen Stelle. Zunächst ist zu überlegen, wie eine solche gemeinsame Haftung gegenüber dem Geschädigten rechtlich konstruiert werden könnte [unter (1)]. Anschließend erfolgt eine Differenzierung danach, ob die die Haftung begründende Zusammenarbeit der beteiligten Behörden i m Wege vertikaler [unter (2)] oder horizontaler [unter (3)] Kooperation erfolgt ist.
(1) Anteilige Haftung im Außenverhältnis
oder Gesamtschuld
In Betracht kommt einerseits die Annahme einer anteiligen Haftung auch i m Außenverhältnis. Der Geschädigte müßte dann die Gemeinschaft und den jeweiligen Mitgliedstaat entsprechend ihrer jeweiligen Verantwortungsbeiträge in Anspruch nehmen. Uberzeugender erscheint es, die gemeinsame Haftung als Gesamtschuldverhältnis zu konzipieren. I m französischen Verwaltungsrecht kann der Richter die Schadensersatzpflichten bei der konkurrierenden Amtshaftung mehrerer Körperschaften i m Außenverhältnis je nach dem Ausmaß ihres Verschuldens- und Verursachungsbeitrags aufteil e n . 3 3 4 Eine solche Lösung erscheint auf das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und der EG nicht übertragbar. Das liegt in erster Linie an der Geltung des Trennungsprinzips: Während i m rein internen Verhältnis ein einziges Gericht die Aufteilung vornehmen könnte, dürfte nach den oben referierten Grundsätzen des Trennungsprinzips der EuGH nicht über den nationalen, das nationale Gericht nicht über den europäischen Anteil entscheiden. Es besteht also bei unterschiedlicher Würdigung durch die beteiligten Gerichte die Gefahr, daß der Geschädigte keinen vollen Ersatz erlangt. 3 3 5 Dazu kommt ein Zumutbarkeitsargument: Würde man das Konzept einer anteiligen Haftung zugrundelegen, müßte ein durch gemischte Inspektionen Geschädigter i m ungünstigsten Fall mindestens zwei, bei Beteiligung von Inspektoren eines weiteren Mitgliedstaats sogar drei Klagegegner in
334 Vgl. m . w. N. Aubin, Haftung, S. 244; André, NJW 1968, S. 331, 334. 335 André, NJW 1968, S. 331, 334; ihm folgend Aubin, Haftung, S. 244 f.; vgl. auch Allkemper, Rechtsschutz des einzelnen, S. 139.
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
Anspruch nehmen. Sein Rechtsschutz erschiene in unzumutbarer Weise erschwert. 3 3 6 Vorzugswürdig erscheint daher die Annahme einer gesamtschuldnerischen Haftung zwischen den verschiedenen Schädigern. Der Geschädigte kann dann frei wählen, ob er sich an die Gemeinschaft oder den betreffenden Mitgliedstaat h ä l t . 3 3 7 Er kann von einem der Verantwortlichen den vollen Betrag ersetzt verlangen und die Ermittlung der konkreten Anteile dem Innenregreß zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten überlassen. 338 Daß die Gesamtschuld als Rechtsinstitut dem Gemeinschaftsrecht nicht unbekannt ist, ergibt sich aus Art. 27 Abs. 2 EAGV: In dieser Bestimmung ist für eine spezielle Konstellation die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Mitgliedstaaten festgelegt. 3 3 9 Aus dieser Vorschrift kann abgeleitet werden, daß eine Gesamtschuld auch bei Konkurrenz verschiedener Rechtsordnungen denkbar ist (sowohl Haftung aus Gemeinschaftsrecht in Konkurrenz zur Haftung aus dem nationalen Recht als auch Haftung aufgrund verschiedener nationaler Rechtsordnungen). 340 Als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts kann die Gesamtschuld entweder über die Bezugnahme in Art. 288 Abs. 2 EGV oder über die allgemeine Lückenfüllungsfunktion der allgemeinen Rechtsgrundsätze hergeleitet werden. 3 4 1
(2) Fälle vertikaler
Kooperation
Auch bei den in vertikaler Kooperation durchgeführten Vollzugstätigkeiten sind Fälle gemeinsamer Schadensverursachung und Haftungsverantwortlichkeit denkb a r . 3 4 2 In der Regel wird bei der Durchführung gemeinsamer Inspektionen durch Kommissionsbeamte und mitgliedstaatliche Beamte die Schadensverursachung entweder durch den einen oder durch den anderen Kontrolleur eindeutig sein. Dessen Anstellungskörperschaft hat dann nach ihrer jeweiligen Rechtsordnung für den Schaden zu haften. Denkbar sind jedoch auch Fälle gemeinsamer Schadensverur336 So auch Aubin, Haftung, S. 244; André, NJW 1968, 331, 334. 337 Czaja, Außervertragliche Haftung, S. 201. 338 Die Gemeinschaft könnte einen Regreßanspruch gegenüber einem Mitgliedstaat im Wege des Vertrags Verletzungsverfahrens (Art. 226 EGV) einklagen. Für die Mitgliedstaaten kommt eine Anfechtungs- oder Untätigkeitsklage (Art. 230 bzw. 232 EGV) in Betracht, wenn die Gemeinschaft ihre Ausgleichsforderungen ablehnt oder ignoriert; vgl. dazu Czaja, Außervertragliche Haftung, S. 202. 339 Aubin, Haftung, S. 245; Fuß, EuR 1968, S. 352, 366. 340 Czaja, Außervertragliche Haftung, S. 201; Aubin, Haftung, S. 247 f. Auch dem völkerrechtlichen Deliktsrecht ist das Institut der Gesamtschuld nicht fremd. 341 Aubin, Haftung, S. 246, weist darauf hin, daß die Amtshaftung mehrerer Verwaltungsträger sowohl im common law als auch in Deutschland, Italien, Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden in aller Regel ein Gesamtschuldverhältnis begründe. 342 Allgemein zu den Möglichkeit einer „joint action between a Community institution and a Member State" Oliver in: Heukels/Mc Donnell, Action for Damages, S. 285, 303 und Oppermann, Europarecht, Rn. 172.
C. Individualrechtsschutz und Haftung
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sachung. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn sowohl Beamte der Kommission als auch solche der Mitgliedstaaten Verteidigungsrechte mißachtet haben oder wenn Eigentum des betroffenen Unternehmens durch gemeinsame Untersuchungshandlungen beeinträchtigt wurde. Uber einen Fall rechtswidrigen Handelns sowohl der europäischen als auch der mitgliedstaatlichen Ebene hatte der EuGH in der Rechtssache Kampffmeyer 3 4 3 zu entscheiden: I m Rahmen der Gemeinsamen Marktordnung für Getreide hatte die Bundesrepublik Deutschland bestimmte Schutzmaßnahmen ergriffen. Die Kommission hatte, anstatt die Beseitigung dieser Schutzmaßnahmen anzuordnen, die Bundesrepublik Deutschland zu deren Beibehaltung ermächtigt. Die Klägerinnen hielten das Verhalten von Kommission und deutschen Behörden für rechtswidrig und erhoben sowohl vor den zuständigen deutschen Gerichten als auch vor dem EuGH Klagen auf Schadensersatz. Der EuGH sah die Haftung der Gemeinschaft dem Grunde nach für gegeben a n . 3 4 4 Er erließ aber nur ein Zwischenurteil und gab den Klägerinnen auf, die Entscheidungen der deutschen Gerichte über ihre Schadensersatzklagen abzuwarten. Erst wenn der Nachweis über die Erschöpfung des innerstaatlichen Verwaltungsund Rechtswegs erbracht sei, „wäre zu prüfen, ob noch ein Schaden bestehen bleibt, den die Gemeinschaft gegebenenfalls zu ersetzen hätte." 3 4 5 Diese Ansicht begründete der Gerichtshof folgendermaßen: Es müsse vermieden werden, daß die Klägerinnen aufgrund einer unterschiedlichen Beurteilung ein und desselben Schadens durch zwei verschiedene Gerichte, die verschiedene Rechtsnormen anwendeten, entweder unzureichenden oder zu hohen Schadensersatz erhielten. 3 4 6 I m Ergebnis hält der EuGH damit die Haftung der Gemeinschaft für subsidiär gegenüber der der Mitgliedstaaten. Von der Literatur wurde dieses Urteil unterschiedlich ausgelegt und überwiegend kritisiert. 3 4 7 Die Ansicht, der EuGH habe mit seiner Entscheidung die Möglichkeit einer gemeinsamen Haftung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaat überhaupt zurückgewiesen, 3 4 8 dürfte allerdings nicht zutreffen. Das Konzept einer gemeinsamen Haftung hat der EuGH nicht verworfen, er hat i m Gegenteil betont, daß die Schäden, die die Klägerinnen auf nationaler Ebene nicht ersetzt erhalten, von der EG zu ersetzen seien. 3 4 9 343 EuGH, Rs. 5/66 (Kampffmeyer), Slg. 1967, 332 ff. 344 EuGH a. a. O., 355. 345 E U G H a. a. O., 356. 346 E U G H a. a. O., 358.
347 HP. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 540; ders. EuR 1968, S. 406, 407; André, NJW 1968, S. 331, 333; Herdegen, Haftung für fehlerhafte Rechtsetzungsakte, S. 145; Allkemper, Rechtsschutz des einzelnen, S. 133 ff.; Czaja, Außervertragliche Haftung, S. 200 f.; Gilsdorf/Oliver in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 215, Rn. 86; Oliver in: Heukels/Mc Donnell, Action for Damages, S. 285, 288. 348 Constantinesco, Les problèmes résultant de la responsabilité extracontractuelle concomittante de la Communauté et d'un Etat membre, S . l l .
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
Nicht überzeugend ist allerdings die Annahme einer Subsidiarität der gemeinschaftlichen Haftung: Es gibt in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der eine solche Subsidiarität nahelegen w ü r d e . 3 5 0 Der Subsidiaritätsgrundsatz des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB findet im Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaat keine Anwendung. Wenn „der Schadenstatbestand aus einem gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Zusammenwirken von nationalen und Gemeinschaftsinstanzen erwachsen ist, auf dessen Ablauf in Gestalt hoheitlicher Betätigung der Geschädigte selbst keinen Einfluß h a t t e " 3 5 1 , erscheint es unangemessen, dem Betroffenen einen Anspruchsgegner zu entziehen bzw. ihn auf möglicherweise langwierige Prozesse i m Mitgliedstaat zu verweis e n . 3 5 2 Die Betonung der Garantiefunktion einer gemeinschaftlichen Haftung, wonach die Klage vor dem EuGH zwar zulässig und begründet ist, die Festsetzung des Schadensersatzes aber bis zur Erschöpfung des nationalen Rechtsweges ausgesetzt w i r d , 3 5 3 ist mit dem Gedanken der eigenständigen Schadensverantwortung der Union nicht vereinbar 3 5 4 und wird in dieser Konsequenz vom EuGH selbst nicht durchgehalten. So hat der Gerichtshof beispielsweise i m Fall M e r k u r 3 5 5 die Klägerin nicht auf die Inanspruchnahme der nationalen Ebene verwiesen, obwohl die Konstellation dort eine ähnliche war wie i m Kampffmeyer-Urteil. Es ging um den Ersatz des Schadens, der der Klägerin durch die fehlende Festsetzung eines Währungsausgleichsbetrages für die Ausfuhr von Gerstenerzeugnissen entstanden war. Die Kommission machte in diesem Zusammenhang geltend, die Klägerin müsse an die Verwaltungsbehörden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland verwiesen werden, denn der Rechtsstreit sei auf die Weigerung der zuständigen Zollbehörden dieses Mitgliedstaats zurückzuführen, der Klägerin für ihre Ausfuhren nach Drittländern Ausgleichsbeträge zu gewähren. 3 5 6 349 So auch Oliver in: Heukels/Mc Donneil, Action for Damages, S. 285, 288, 302 („Since it is clear that the German authorities were also liable, in this case the Court did in effect recognize the existence of joint liability."). 350 v g l . Gilsdorf/ Oliver in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/EG-Vertrag, Art. 215, Rn. 86; Czaja, Außervertragliche Haftung, S. 200 f. Deutlich auch André, NJW 1968, S. 331, 333: „Im Gemeinschaftsrecht findet sich keinerlei Norm, die bei gleichzeitiger Amtshaftung der Mitgliedstaaten die lediglich subsidiäre Haftung der Gemeinschaften vorsieht." 351 So H. Ρ Ipsen, EuR 1968, S. 406, 408; ders. Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 541: „Gedanke zwangsläufiger Wirkungseinheit unterschiedlicher Funktionen nationaler und gemeinschaftlicher öffentlicher Gewalt gegenüber dem Marktbürger". 352 H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 540 spricht von einer unzumutbaren Verweisung in „ein Spiegelkabinett gemischt gemeinschaftlichen-nationalen Rechtsschutzes ohne Effizienz". 353 Vgl. in diesem Sinne die Schlußanträge von Generalanwalt Darmon in der Rs. C-55 / 90 (Cato), Slg. 1992,1-2533, 2562 sowie die Schlußanträge von Generalanwalt Verloren Van Themaat in der Rs. 33/82 (Murri frères), Slg. 1985, 2759, 2772 f. 354 von Bogdandy in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 215, Rn. 59. 355 Rs. 43/72 (Merkur/Kommission), Slg. 1973, 1055 ff. 356 EUGH, a. a. O., Rn. 5.
C. Individualrechtsschutz und Haftung
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Diese Argumentation wies der EuGH zurück: Der EuGH sei i m Rahmen seiner Zuständigkeit befaßt worden; er habe daher zu prüfen, ob den Verordnungen die behaupteten Fehler anhafteten. Es würde i m übrigen gegen die Grundsätze einer guten Rechtspflege sowie der Prozeßökonomie verstoßen, wollte man die Klägerin zwingen, nationale Rechtsbehelfe auszuschöpfen und so längere Zeit auf die endgültige Entscheidung über ihren Antrag zu warten. 3 5 7 Schwarze bemerkt zu Recht, daß der Gerichtshof in der Kampffmeyer-Entscheidung nicht gezögert habe, die Klägerin auf den nationalen Rechtsweg zu verweisen. 3 5 8 Sind ein Mitgliedstaat und die Gemeinschaft beide für einen Schaden verantwortlich, müssen sie demnach auch gemeinschaftlich und gleichstufig nach außen haften. 3 5 9 Die Aufteilung nach dem Grad der jeweiligen Verantwortlichkeiten muß dann i m Innenverhältnis erfolgen. Der vom Geschädigten in Anspruch Genommene haftet im Außenverhältnis für die gesamte Schadenssumme, kann aber anschließend i m Innenverhältnis anteilig Regreß nehmen. 3 6 0 Der Geschädigte hat grundsätzlich die Wahl, welchen der Gesamtschuldner er in Anspruch nimmt. Eine Gesamtschuldklage gegen Gemeinschaft und Mitgliedstaat vor demselben Gericht ist nach dem geltenden Trennungsprinzip nicht m ö g l i c h . 3 6 1 Genauso wenig kann ein nationales Gericht, das mit einer entsprechenden Klage befaßt ist, dem EuGH im Wege des Vorlageverfahrens die Frage vorlegen, ob die Gemeinschaft neben dem Mitgliedstaat haftet - das ist nämlich eine Tatsachenfrage und keine der Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Das Gericht des Mitgliedstaats muß daher entscheiden, ohne im konkreten Fall zu wissen, ob der beklagte M i t gliedstaat (anteiligen) Ersatz von der Gemeinschaft erhalten w i r d . 3 6 2 Diese Schwierigkeiten müssen beim augenblicklichen Stand des Gemeinschaftsrechts hingenommen werden. Diese allgemein für die Fälle vertikaler Haftungskonkurrenz zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten sind auch auf die Inspektionen anwendbar. Der EuGH würde bei gemeinsamer Schadensverursachung durch EG- und mitgliedstaatliche Kontrollbedienstete der Grundlinie des Kampffmeyer-Urteils entsprechend wohl die Subsidiarität der Haftung der EG annehmen und den Geschä-
357 E U G H a a. O . , R n . 6.
358 Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Band I, S. 522. 359 So ζ. B. die Schlußanträge von Generalanwalt Mancini in der Rs. 175/84 (Krohn), Slg. 1986, 753, 761; Gilsdorf/Oliver in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EU-/ EG-Vertrag, Art. 215, Rn. 86; Czaja, Außervertragliche Haftung, S. 200 f.; Aubin, Haftung, S. 244 ff. 360 Vgl. Aubin, Haftung, S. 259 ff. (dort auch zu den in einzelnen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen geltenden Prinzipien über den Regreß zwischen gesamtschuldnerisch haftenden Deliktsschuldnern); Czaja, Außervertragliche Haftung, S. 201 f.; von Bogdandy in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 215, Rn. 59. 361 Aubin, Haftung, S. 248; ausführlich Oliver in: Heukels/Mc Donneil, Action for Damages, 285, 287 f. 362 Zu diesem Problem auch Oliver in: Heukels/Mc Donnell, Action for Damages, 285, 293 an; vgl. daneben Allkemper, Rechtsschutz des einzelnen, S. 140 f. 24 David
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Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
digten auf die primäre Haftung der Mitgliedstaaten verweisen. Daß diese Lösung nicht überzeugend ist, wurde vorstehend begründet.
(3) Fälle horizontaler
Kooperation
Ausgangspunkt ist auch i m Fall der horizontalen Kooperation das Trennungsprinzip: Jede Behörde haftet zunächst nur für ihr eigenes Handeln und gemäß ihrer eigenen Rechtsordnung. Das gilt unerheblich davon, ob die Inspektoren ihre Prüfungen im Inland oder i m Ausland durchführen. 3 6 3 Unterstützt ζ. B. die Behörde des Zweigniederlassungsstaats die Herkunftslandbehörde bei deren Inspektionen im Wege der Amtshilfe, ist bei der Zuweisung der Verantwortlichkeiten präzise zu unterscheiden. Erfolgt die Amtshilfe im Wege der Vollstreckungshilfe, hat die diese Hilfe leistende Behörde für Schädigungen im Zusammenhang mit diesen Vollstreckungshandlungen einzustehen. Die Herkunftslandbehörde ist hingegen zur Haftung verpflichtet, wenn der Schaden aus einer der Vollstreckung zugrundeliegenden rechtswidrigen Anordnung resultiert. 3 6 4 Da in den Inspektionsvorschriften, die horizontale Kooperationsmechanismen vorsehen, die Verantwortungen relativ klar zugewiesen sind, werden Fälle gemeinsamer Haftung eher selten sein. Dennoch erscheint die Möglichkeit eines Einstehenmüssens für gemeinschaftliche Schädigungen nicht aus der Luft gegriffen: Man denke etwa an ein rechtswidriges Amtshilfeersuchen, das durch die ersuchte Behörde ermessensfehlerhaft durchgeführt wird. Gerichtsentscheidungen, in denen die Möglichkeit gemeinschaftlicher Haftung mehrerer Mitgliedstaaten für von ihnen begangenes Verwaltungsunrecht behandelt wird, liegen soweit ersichtlich noch nicht vor. Auch die Literatur diskutiert eher die Fälle der Gesamtschuld zwischen Mitgliedstaaten und E G . 3 6 5 M i t der immer enger werdenden Kooperation der Mitgliedstaaten untereinander beim Vollzug des Gemeinschaftsrechts erfordert die Frage nach einem Institut gemeinschaftlicher Haftung eine Antwort. Auch hier kann die Norm des Art. 27 Abs. 2 E A G V als Anknüpfungspunkt genommen werden. Da in allen Mitgliedstaaten Regelungen existieren, die zumindest in den Grundzügen eine ähnliche Gestalt aufweisen, spricht nichts dagegen, eine gemeinsame Verantwortlichkeit mehrerer Mitgliedstaaten als Gesamtschuld zu konzipieren. A u f der Ebene des materiellen Rechts ist die Anwendung der aus den einzelnen Rechtsordnungen gewonnenen allgemeinen Rechtsgrundsätze über die Haftung von Gesamtschuldnern nicht weiter problematisch. Auch für den anschlie-
363 So zutreffend Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 162. Dies entspricht auch den Grundsätzen der völkerrechtlichen Haftung: Der Staat, auf dessen Gebiet ein anderer Staat Gebietshoheit ausübt, haftet nicht für Handlungen des anderen Staates im Rahmen dieser Ausübung von Hoheitsgewalt, vgl. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rn. 1669. 364 So auch Royla, Grenzüberschreitende Finanzmarktaufsicht, S. 162 f. 365 Dazu im vorstehenden Abschnitt unter (2).
C. Individualrechtsschutz und Haftung
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ßenden Regreß i m Innenverhältnis lassen sich aus den Rechtsordnungen der M i t gliedstaaten Grundsätze über den Rückgriff zwischen gesamtschuldnerisch haftenden Amtshaftungs- bzw. Deliktsschuldnern herleiten. 3 6 6 Es bestehen keine Bedenken, entsprechend diesen Prinzipien gegenseitige Rückgriffsansprüche zwischen den Mitgliedstaaten zu bejahen. 3 6 7 Schwierigkeiten ergeben sich erst bei der Frage nach der gerichtlichen Durchsetzung. Das gilt sowohl für die durch den Geschädigten zu erhebende Gesamtschuldklage als auch für den Regreß der Mitgliedstaaten untereinander. Die Zuständigkeit des EuGH ist nicht gegeben, weil überhaupt kein EG-Organ gehandelt hat. Die Gerichte der Mitgliedstaaten dürfen grundsätzlich nicht über andere Staaten zu Gericht sitzen (Grundsatz der Staatenimmunität). 3 6 8 Daraus folgt, daß ein nationales Gericht nur über die Haftung seines eigenen Staates entscheiden kann. Es steht vor dem bereits bei der Haftung i m Vertikal Verhältnis angesprochenen Problem, daß es seine Entscheidung fällen muß, ohne zu wissen, ob ein eventueller Regreß, den der verurteilte Mitgliedstaat vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats geltend machen müßte, Erfolg haben wird. Hier ist der Gemeinschaftsgesetzgeber gefragt - denkbar wäre ζ. B. die Einsetzung des EuGH als „Schiedsrichter" bei Meinungsverschiedenheiten über die Haftungsanteile der Mitgliedstaaten untereinander.
(4) Nichtermittelbarkeit
der Haftung(santeile)
Die Gesamtschuldkonstruktion hat den Vorteil, daß es dem Geschädigten erspart bleibt, die jeweiligen Verantwortungsantei/e seiner Anspruchsgegner selbst ermitteln zu müssen. Er wendet sich an denjenigen, dessen Verantwortung aus seiner Sicht am deutlichsten ist und kann diesem überlassen, von eventuellen Mitverantwortlichen Ersatz zu erlangen. Der prozessuale Vorteil für den Geschädigten liegt darin, daß er sowohl in vertikalen als auch in horizontalen Kooperationsverhältnissen nur einen Prozeß nach einer Rechtsordnung zu führen hat. Bisweilen wird es allerdings schwierig sein überhaupt zu ermitteln, ob ein nationales Organ oder ein solches der Union einen Fehler gemacht hat. Solche Fälle hatte der EuGH soweit ersichtlich noch nicht zu entscheiden. 3 6 9 Die immer engere Zusammenarbeit der einzelnen nationalen Verwaltungen untereinander und mit der EG-Verwaltung führt aber dazu, daß die jeweiligen Beiträge immer weniger von366 Vgl. Aubin, Haftung, S. 259 f. mit einem Überblick über die in den einzelnen Mitgliedstaaten einschlägigen Vorschriften. 367 So Aubin, Haftung, S. 260, bezogen auf die Rückgriffsansprüche zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaat. Seine Argumentation kann für das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander entsprechend herangezogen werden. 368 Aus der Immunität resultierende Schwierigkeiten einer Inanspruchnahme der Vertragsparteien (Gemeinschaft, Mitgliedstaaten und bestimmte Drittstaaten) beim Konkurs des Internationalen Zinnrats bespricht Oliver in: Heukels/Mc Donnell, Action for Damages, 285, 298. 369 von Bogdandy in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 215, Rn. 58. 24*
372
Kap. 4: Wirtschaftsteilnehmer und zuständige Verwaltungsstellen
einander isolierbar s i n d . 3 7 0 In diesem Zusammenhang die Ermittlungslast allein dem Schadensersatz begehrenden Unionsbürger aufzubürden, erscheint unangemessen.
IV. Fazit Die Untersuchung der mit der Durchführung von Inspektionen und deren Folgemaßnahmen zusammenhängenden Rechtsschutzfragen führt zu dem Ergebnis, daß das bisherige Trennungsdenken als Basis für die Zuweisung klarer Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten das Fundament für einen effektiven Rechtsschutz des Bürgers auch und gerade in Kooperationskonstellationen bietet. Insofern sollte die Durchführung echter gemeinsamer Inspektionen die Ausnahme bleiben, da dies eine Verdoppelung der Rechtswege zur Folge hätte. Gerade die teilweise getrennten Zuständigkeiten für S ach Verhaltsermittlung und Folgemaßnahmen haben aber den Blick dafür geöffnet, daß die Inspektion vor Ort selbständige Belastungen mit sich bringt, die keineswegs immer nur vorübergehend und später reparabel sind. Es reicht also nicht aus, den Betroffenen auf den Rechtsschutz gegen die abschließende Sanktionsentscheidung zu verweisen. Allerdings ginge es zu weit, die Selbständigkeit des Beweiserhebungsverfahrens so umfassend zu verstehen, daß i m Rahmen einer Klage gegen die anschließende Sanktion der von einer anderen Stelle ermittelte Sachverhalt als „bestandskräftig" zugrundezulegen wäre. Effektiver Rechtsschutz verlangt vielmehr, die Zusammenarbeit bei der Überwachung der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts als ein ebenenübergreifendes, komplexes Verwaltungsverfahren anzusehen, in dem in vorsichtiger Uberwindung des Trennungsprinzips auch die vorgeschalteten Akte anderer beteiligter Instanzen zur Überprüfung gestellt werden können. Auch am Staatshaftungsrecht müssen Überlegungen ansetzen, die sich mit dem bisherigen Trennungsdenken nicht zufrieden geben wollen. Wenn bei den Inspektionen mehrere Verwaltungen beteiligt sind, liegen gemeinsame oder nicht klar zurechenbare haftungsbegründende Schädigungen auf der Hand. Materiell können diese über die Annahme einer Gesamtschuld zufriedenstellend gelöst werden. Der prozessualen Geltendmachung der Ansprüche steht vor allem in den Fällen der horizontalen Zusammenarbeit der Grundsatz der Immunität der Mitgliedstaaten entgegen. Hier könnte eine Einbeziehung auch solcher Konstellationen in die Zuständigkeit des Gerichtshofs Abhilfe leisten. Dieser Weg erscheint leichter gangbar als eine Ermächtigung der Gerichte der Mitgliedstaaten, auch über die Verantwortungsbeiträge der Haftungsanteile anderer Verwaltungsbediensteter als der ihrer eigenen mitzuentscheiden.
370 Schmidt-Aßmann, in: FS Bernhardt, S. 1283, 1303.
D. Fazit
373
D. Fazit: Rechtsbeziehungen zu den Wirtschaftsteilnehmern Für die in dieser Untersuchung analysierten Inspektionsregeln steht die Vollzugsrationalität des EG-Rechts i m Vordergrund. Bei einer allzu einseitigen Konzentration auf diese Verbesserung der Vollzugseffektivität des EG-Rechts, der j a vor allem die immer weiter ausgreifende Vollzugskooperation dienen soll, besteht die Gefahr, daß der Schutz der Individualinteressen auf der Strecke bleibt. Ein Indiz dafür ist das weitgehende Fehlen ausdrücklich normierter Verfahrens- und Verteidigungsrechte in den untersuchten Rechtsakten. Rechtspositionen des Bürgers gegenüber den das EG-Recht vollziehenden Verwaltungsstellen hat der EuGH in Form der Allgemeinen Rechtsgrundsätze vor allem für das Eigenverwaltungsrecht entwickelt. Die genauere Analyse hat gezeigt, daß diese aus dem Eigenverwaltungsrecht der Gemeinschaft bekannten Verfahrens- und Verteidigungsrechte unter Beachtung jeweils bereichsspezifischer Besonderheiten und Anpassung an die neuen Kooperationsstrukturen auch auf andere Gebiete übertragbar sind und insofern einen Mindestschutz ergeben. Allerdings wäre eine Aufnahme dieser Grundsätze in die einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts i m Sinne größerer Rechtssicherheit und Transparenz wünschenswert. Der Daten- und Geheimnisschutz ist i m Unterschied zu den Verfahrens- und Verteidigungsrechten bereits zu einem wichtigen Gegenstand sekundärrechtlicher Regelungen geworden. Die analysierten Bestimmungen verfolgen unterschiedliche Regelungsansätze: Durch Kollisionsregeln wird auf das jeweilige nationale Recht verwiesen, dessen Datenschutzrecht für den Schutz der Individualinteressen maßgeblich sein soll. Teilweise werden eigene Standards für den grenzüberschreitenden Datenverkehr eingeführt. Das ist vor allem bei den analysierten Informationssystemen der Fall. Die hier ausgebildeten Standards könnten für die weitere Entwicklung Vorbildfunktion entfalten, da auch für die übrige grenzüberschreitende Informationsweitergabe auf Dauer ein Festhalten an der beschriebenen Verweisungstechnik unpraktisch erscheint. Ein funktionierendes Rechtsschutzsystem gegen Eingriffe in die Rechte der Wirtschaftsteilnehmer i m Zusammenhang mit Inspektionen muß auch für die Zusammenarbeit der Verwaltungen bei der Vollzugsüberwachung beim Trennungsprinzip ansetzen. Nur dadurch können Transparenz und Verantwortungsklarheit gewahrt bleiben. Die Betrachtung der Verwaltungszusammenarbeit bei der Durchführung der Inspektionstätigkeiten als ebenenübergreifendes, komplexes Verwaltungsverfahren bietet Ansätze für eine Modifizierung dieses Grundprinzips. Auch die i m Staatshaftungsrecht bestehenden Möglichkeiten gesamtschuldnerischer oder stellvertretender Haftung einer der beteiligten Verwaltungsstellen nach außen können die Belastungen des Bürgers ausgleichen, denen er durch die zunehmende Vernetzung der Verwaltungsverantwortlichkeiten ausgesetzt ist.
Zusammenfassung und Ausblick Das Gemeinschaftsrecht wird vor allem durch die Mitgliedstaaten, in einigen Fällen aber auch durch die EG-Kommission und die ihr nachgeordneten Instanzen vollzogen. Doch nicht die organisatorische Trennung der Verwaltungsträger, sondern ihr Zusammenwirken ist das, was „Europäische Verwaltung" ausmacht. 1 M i t der vorliegenden Arbeit wurde die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten (vertikal) und zwischen den Mitgliedstaaten untereinander (horizontal) bei der Durchführung von Inspektionen in das Blickfeld gerückt. „Verwaltungskooperation in der E G " fügt sich ein in die Debatte um das allgemeine Thema „Verwalten in Mehrebenensystemen". Die Union bildet eine „Konstruktion vielfältig verknüpfter Ebenen, Aufgaben, Verantwortungen und Kompetenzen, Institutionen, Entscheidungsverfahren, Legitimationsbedingungen und kultureller Voraussetzungen". 2 Die Politikwissenschaften verwenden zur Beschreibung dieser Strukturen das Modell des dynamischen Mehrebenensystems. 3 I m Unterschied zu den Versuchen in der Rechtswissenschaft, die Strukturen der Union als solche zwischen Bundesstaat und Staaten(ver)bund anzusiedeln, erlaubt der Begriff des Mehrebenensystems eine flexiblere Handhabung. Er läßt die Frage nach der staatstheoretischen Einordnung offen und 1
Diese Erkenntnis setzt sich zunehmend europaweit durch; vgl. grundlegend und begriffsprägend Schmidt-Aßmann, EuR 1996, S. 270 ff. („Verwaltungskooperation und Verwaltungskooperationsrecht); Harding, in: Harding / Swart, Enforcing European Community Rules, S. 22, 35 ff. („Joint Action Model"); Vervaele, in: ders., Compliance and Enforcement, S. 361, 362 („shared administration and cooperation"); Widdershoven, in: Vervaele, Transnational Enforcement, S. 131 („Transnational Enforcement Cooperation"); Franchini, Dir. Amm. 2000, S. 81 ff. („coamministratione"); Jans/de Lange/Prêchai /Widdershoven, Europees bestuursrecht, S. 104 ff. („Gemengd bestuur"). 2
Pitschas, Europäische Integration als Netzwerkkoordination komplexer Staatsaufgaben, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1994, S. 503, 509. 3 Siehe dazu schon oben Kap. 3 A.IV. Vgl. allgemein zum Thema Verwaltung im Mehrebenensystem nur die Beiträge von Jachtenfuchs/Kohler-Koch und Wessels, in: Jachtenfuchs / Kohler-Koch, Europäische Integration, 15 ff., 165 ff.; Scharpf Regieren in Europa, Kap. 3 (Die Problemlösungsfähigkeit der Mehrebenenpolitik in Europa); ders., in: KohlerKoch, PVS Sonderheft 29/1998, S. 121 ff.; ders. Journal of European Public Policy 1997, S. 520 ff.; Grande, in: Grande/Jachtenfuchs, Wie problemlösungsfähig ist die EU?, S. 11 ff.; Höreth, Legitimationstrilemma, S. 143 ff.; Benz, PVS 1998, S. 558 ff.; Craig, in: Craig/de Burca, EU-Law, S. 16 („Multi-level-governance"); am Beispiel der Strukturpolitik Benz in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, 45 ff.; Ast, DÖV 1998, S. 535 ff.; Hooghe, in: dies., Cohesion Policy, S. 89 ff. („Building MultiLevel-Governance").
Zusammenfassung und Ausblick
375
verzichtet auf eine Entscheidung darüber, wo genau die Union auf der Skala zwischen Staat und internationaler Organisation einzuordnen ist. 4 Der Zustand der „Unfertigkeit" wird nicht als Durchgangsstation gesehen, sondern als gewünscht und durchaus von Dauer akzeptiert. Ungeachtet seiner fehlenden Normativität läßt sich anhand des Mehrebenensystems die Verwobenheit der politischen Systeme deutlich machen: Es handelt sich um ein „neuartiges politisches System, das sich aus nationalstaatlichen und europäischen Institutionen zusammensetzt, die sich nur noch in Relation zueinander bilden' 4 . 5 Kennzeichnend ist vor allem das Fehlen hierarchischer Strukturen, also klarer Verhältnisse der Über- und Unterordnung. Die fehlenden Hierarchien werden i m Mehrebenensystem durch die Bildung von Netzwerken ersetzt. Netzwerkbildung dient damit als ein Mittel, um nicht-hierarchisch einander zugeordneten Akteuren einen Rahmen für gemeinsames Handeln zu bieten. 6 Weil es keine Zentralinstanz mit dem Monopol zur Letztentscheidung gibt, beruht das Verwaltungshandeln im europäischen Mehrebenensystem in erheblichem Umfang auf Kooperation. Die Gemeinschaft erweist sich als ein Informations-, Entscheidungs- und Kontrollverbund mit asymmetrischer Struktur. Die Mitgliedstaaten sind sowohl „Herren der Verträge" als auch „Kontrollunterworfene". Die Analyse bestätigt die Richtigkeit solcher Theorieansätze, nach denen Mehrebenensysteme durch einen Instrumentenmix von Kooperation und Hierarchie gekennzeichnet sind. 7 Kooperation findet nicht nur zwischen der zentralen Gemeinschaftsinstanz und den Verwaltungsspitzen der Mitgliedstaaten statt. Beteiligt sind vielmehr auch untergeordnete Verwaltungsbehörden und sonstige Akteure. Die vielfältigen Kommunikations- und Handlungsbeziehungen, die diese Akteure eingehen, bilden verwobene Netzwerke, die mit dem traditionellen Modell der nationalen und supranationalen Teilrechtsordnungen nicht mehr vollständig erfaßt werden können. Der Analyse dessen, was Verwaltung des Gemeinschaftsraums ausmacht, ist vielmehr ein „Modell ganzheitlicher Vernetzung nationaler, transnationaler und supranationaler Rechts- und Verwaltungsregimes" 8 zugrunde zu legen.
4 Siehe zu diesen Fragen nur die Beiträge Bardenhewer, Koenig, Zuleeg, von Bogdandy und Everling, in: von Bogdandy, Armin/Ehlermann, Claus-Dieter, EuR Beiheft 2/1998, S. 125 ff., 139 ff., 151 ff., 165 ff., 185 ff.; von Bogdandy, Supranationaler Föderalismus; Pernice, JöR 48 (1999), S. 205 ff.; Joerges, KritV für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 1991, S. 417, 426 f.; Analyse anhand der institutionellen Strukturen der Union bei Winter, DÖV 1993, S. 173 ff. 5 Zürn, PVS 37 (1996), S. 27, 36 f. 6
Vgl. nur Ladeur, NuR 1997, S. 7, 13 (am Beispiel der Europäischen Umweltagentur). ι Schmidt-Aßmann, in: FS Steinberger, S. 1396 ff.; Kahl, DV 29 (1996), S. 341, 379: „kooperative (Verwaltungs-)Rechtsgemeinschaft". 8 Hoffmann-Riem in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 317, 324 ff., 329; vgl. auch Ladeur, in: Kreher, The EC Agencies, S. 143 ff., 155 ff. („from hierarchy to networks").
376
Zusammenfassung und Ausblick
In diesen Rahmen eines vernetzten Verwaltungsregimes fügen sich die Inspektionen ein. Das Instrument der Inspektion wird sowohl auf EG-Ebene als auch von den mitgliedstaatlichen Verwaltungen eingesetzt. Es ist ein ebenenübergreifendes Institut, das unterschiedliche Funktionen zu erfüllen hat. A u f der EG-Ebene dient es sowohl als Aufsichtsinstrument gegenüber den Mitgliedstaaten als auch als Instrument direkten Vollzugs zur Wirtschaftsaufsicht gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern. I m Rahmen der Verwaltung durch die Mitgliedstaaten werden Inspektionen traditionell zur Gewerbeaufsicht eingesetzt. Entsprechend den Grundannahmen des Mehrebenensystems hat sich die Kommission als ein Gravitationszentrum der Kooperation erwiesen, ohne dabei eine eindeutig hierarchisch übergeordnete Stellung einzunehmen: Bei ihr laufen viele Informationsstränge zusammen. Datenbanken, in denen die Ergebnisse der Kontrollen gesammelt und abgerufen werden können, werden in der Regel auf EGEbene eingerichtet. Bei ihr müssen die Mitgliedstaaten ihre Kontrollpläne und -berichte einreichen. Die Kommission bildet damit eine Informationssammel- und -auswertungssteile. Dieser Informationsvorsprung macht sie zu einem wichtigen Koordinations- und Kooperationszentrum. Wenn die Notwendigkeit dazu besteht, kann die Kommission die mitgliedstaatlichen Inspektionstätigkeiten koordinieren oder selbst tätig werden. Sie hat in vielen Fällen auch das Recht, die Mitgliedstaaten zur Durchführung von Inspektionen aufzufordern. Daneben spielen die Mitgliedstaaten weiterhin eine zentrale Rolle. Abgesehen von den (wenigen) Fällen des Eigenverwaltungsrechts, in denen die Kommission selbst Inspektionen beim Unionsbürger durchführt, obliegt ihre Durchführung den Mitgliedstaaten. Die „Anker- und Reserveposition", die die Mitgliedstaaten innehaben, läßt sich an den Inspektionen gut illustrieren: Der Vollzug des Gemeinschaftsrechts liegt in erster Linie bei ihnen. Dazu gehört auch die Kontrolle der Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und die Reaktion auf Verstöße. Solche Reaktionen müssen u.U. so schnell erfolgen, daß eine vorherige Abstimmung auf Gemeinschaftsebene gar nicht möglich wäre (man denke ζ. B. an Notfälle im Produktsicherheitsrecht). Insofern kommt den Mitgliedstaaten in mehrfacher Hinsicht eine Primärverantwortung zu. Nicht alle Kooperationsbeziehungen laufen über das „Zentrum Kommission". Die Mitgliedstaaten treten auch individuell untereinander in Kontakt, wenn es um die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Inspektionen geht. Partner der Kooperation sind die Verwaltungsbehörden selbst oder eigens hierzu benannte zentrale Stellen. Die Zusammenarbeit findet in unterschiedlichen Verfestigungsformen statt. Als Elemente der Kooperation konnten vor allem Mechanismen des Informationsaustauschs und unterschiedliche Teilnahmeformen herausgearbeitet werden. Die an den Inspektionen beteiligten Verwaltungsträger bilden damit in der Tat ein Netzwerk, das immer wieder neu auszutarieren ist. In den Politikwissenschaften wird gerne die Informalität dieser Netzwerkstrukturen betont, die dem System
Zusammenfassung und Ausblick
377
seine Flexibilität erhalten soll. Informalität bedeutet jedoch nicht, daß auf eine rechtliche Strukturierung ganz verzichtet werden kann. Dieses Recht muß allerdings in Übereinstimmung mit den Eigenschaften des Mehrebenensystems konzipiert sein. Die Instrumente der Verwaltungskooperation i m Mehrebenensystem müssen als Rechtsinstitute erst noch besonders ausgeformt werden. Die asymmetrische Struktur der Verwaltungsrechtsbeziehungen i m Gemeinschaftsrahmen führt zu spezifischen Problemen für die Entwicklung eines konsistenten Verwaltungsrechts. Die mitgliedstaatlichen Verwaltungen sind teils Partner der EG-Kommission, teils Adressaten von Durchgriffsbefugnissen. Daraus resultiert die „gespaltene Loyalität" der Mitgliedstaaten zwischen Gemeinschafts Verpflichtung und möglicherweise davon abweichenden nationalen Interessen. 9 Vor allem geht es darum, den Strukturen des Mehrebenensystems entsprechende spezifische Aufsichtsformen zu entwickeln. Daß die Gemeinschaft gegenüber den Mitgliedstaaten überhaupt Aufsichtsbefugnisse hat, wird nicht selten bestritten. Das ist jedoch unzutreffend. Es fehlen nur die vertrauten Standardformen der Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht. Die i m Mehrebenensystem der Gemeinschaft anzutreffenden insgesamt „weicheren" Aufsichtsformen dienen eher der Vertrauensbildung als der punktuellen Korrektur. Sie können im Einzelfall aber durchaus schärfer i m Zugriff sein, als das, was etwa als Bundesaufsicht in einem Bundesstaat praktiziert wird. Gerade die Inspektionen sind dafür ein Beleg. Recht muß einerseits die Kooperation im Mehrebenensystem erst ermöglichen: Ohne einheitliche und auf Gegenseitigkeit beruhende Regelungen wären die M i t gliedstaaten ζ. B. nie bereit, die Teilnahme von Inspektionsbeamten auch aus anderen Mitgliedstaaten zu dulden. Andererseits sind rechtliche Grundsätze erforderlich, die die Kooperationsbeziehungen kanalisieren und ihnen u.U. auch Grenzen setzen. Recht hat in diesem Zusammenhang vor allem die Aufgabe, die Funktionsfähigkeit des Systems zu sichern. Gleichzeitig hat das Recht i m Mehrebenensystem die Aufgabe, die Rechtspositionen der Individualbürger zu schützen. Die spezifischen Belastungen, die für den Einzelnen aus der Konfrontation mit kooperierenden Verwaltungen entstehen, müssen rechtlich besser aufgefangen werden. 1 0 Das bisherige „Trennungsdenken" muß nach und nach in der Dogmatik, dem Stand der Verflechtungsbeziehungen zwischen den Verwaltungen entsprechend, abgebaut werden. Neben inter-administrativen Kooperationsstandards sind noch stärker als bisher auch individualrechtsschützende Standards zu entwickeln. Ausgangspunkt der Untersuchung war die Erkenntnis, daß „Europäische Verwaltung" mehr ist als das Nebeneinander des Vollzugs von Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten einerseits und des eigenhändigen Vollzugs durch die
9 Dazu Schmidt-Aßmann, ZÖR 2000, S. 159, 168 f.; zu der fehlenden Deckungsgleichheit der öffentlichen Interessen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten auch von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 377, 471; Magiera, DÖV 1998, 173, 178. 10 Diese Schlußfolgerung zieht auch Harding, Community Rules, S. 22, 38 ff.
in.: Harding/Swart, Enforcing European
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Zusammenfassung und Ausblick
Kommission und ihre Untergliederungen andererseits, die in der rechtswissenschaftlichen Diskussion immer noch holzschnittartig durch die Begriffe Eigenverwaltung und direkte bzw. indirekte mitgliedstaatliche Verwaltung unterschieden werden. Es galt vielmehr, sich der komplexen Vielfalt von Rechtsbeziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Kommission zu stellen, namentlich dem Umstand, daß sich die Struktur der Aufsicht nicht in eine systematisch organisierte Vollzugsorganisation einpassen läßt, wie sie zumindest aus den kontinental-europäischen Verwaltungsstrukturen, etwa der deutschen Form der Bundesstaatlichkeit bekannt ist. Die auf der sekundärrechtlichen Ebene entwickelten Uberwachungsinstrumente folgen daher zunächst den spezifischen Anforderungen und Problemen eines bestimmten Sachbereichs (Agrar-, Umwelt-, etc.), entwickeln sich also problem- und sachgebietsbezogen. Erst die Emergenz sich entsprechender Aufsichtsinstitute in verschiedenen Aufgabenfeldern des Gemeinschaftsrechts ermöglicht es in einem induktiven Verfahren, die Herausbildung neuer Strukturen verallgemeinerbar zu beschreiben und sie als Baustein für ein Allgemeines Verwaltungsrecht der Gemeinschaft zu verwenden. Einer solchen Struktur ging die Untersuchung mit der Analyse eines bestimmten Aufsichtsinstruments, der Inspektion, nach. Anhand der Betrachtung einzelner Referenzgebiete konnten Inspektionen als ein das Eigenverwaltungsrecht, Gemeinschaftsverwaltungsrecht und das nationale Verwaltungsrecht umgreifendes Instrument der Vollzugskontrolle zwischen Staatsaufsicht und Wirtschaftsaufsicht gekennzeichnet werden. Als immer wiederkehrende strukturprägende Elemente konnten Formen horizontaler und vertikaler Teilnahme an den Kontrollen vor Ort, Informationsaustausch- und Informationsvorsorgesysteme sowie mit dem Planund Berichtswesen Instrumente kooperativer Vor- und Nachsteuerung identifiziert werden (Kap. 1). Die primärrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen und die sonstigen Grundsätze des Primärrechts bieten die grundlegenden Strukturvorgaben und Maßstäbe einer näheren Analyse (Kap. 2): Die funktionale Ausrichtung der Rechtsetzungsermächtigungen ermöglicht weitgehende Verfahrensvorgaben an die Mitgliedstaaten ebenso wie die Einführung eigener Kontrollbefugnisse für die Gemeinschaftsorgane, insbesondere die Kommission. Auch die Zuweisung punktueller Inspektionsaufgaben an verselbständigte Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts ist grundsätzlich zulässig. Das Demokratieprinzip erfordert aber die Einführung spezifischer Mechanismen zur Sicherung von Legitimation, Transparenz und Verantwortlichkeit. Die Letztverantwortung für die Aufsicht über die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts hat bei der Kommission als der Hüterin der Verträge zu verbleiben (Art. 211 EGV). Die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit erfordern die Betrauung der Mitgliedstaaten mit Inspektionsbefugnissen über die Wirtschaftsteilnehmer, soweit sie selbst dazu in der Lage sind. Insoweit hat sich das in den meisten Referenzgebieten bereits verwirklichte oder im Vordringen befindliche System gestufter Kontrolle als Verkörperung der genannten Prinzipien erwiesen: Die mitgliedstaatlichen Verwaltungsbehörden bleiben entsprechend dem traditionellen
Zusammenfassung und Ausblick
379
Modell für die Wirtschaftsaufsicht i m eigenen Land zuständig. Die am Beispiel des Bankenaufsichtsrechts erläuterte Zuweisung gemeinschaftsweiter Aufsichtszuständigkeiten bildet ebenso wie die beschriebenen Mechanismen des Informationsaustauschs und der Durchführung von Inspektionen auf Ersuchen sowie der Teilnahme daran eine Anpassungsreaktion auf die Erfordernisse der Überwachung in einem Binnenmarkt ohne Grenzen, die eher mit den Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren sind, als die „Hochzonung" von Verwaltungsbefugnissen auf die Gemeinschaftsebene. Eine Aufgabe, die die Mitgliedstaaten nicht selbst wahrnehmen können, bleibt die Kontrolle der Kontrolle: Die Überwachung der Vollzugsstandards in den einzelnen Mitgliedstaaten durch Inspektionen vor Ort bildet die zweite Stufe eines effizienten Kontrollsystems. Die Zuweisung direkter Kontrollbefugnisse in den Unternehmen vor Ort an die Gemeinschaft muß die Ausnahme bleiben und ist in jedem Fall besonders rechtfertigungsbedürftig. Neben den Fällen des Eigenverwaltungsrechts, in denen die Kommission selbst für den gesamten Vollzug zuständig ist, kommen nur Fälle von besonderem Gemeinschaftsinteresse in Betracht. Ein Beispiel ist der Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, da hier die Loyalitäten der mitgliedstaatlichen Verwaltungen nicht immer einen optimalen Schutz versprechen. A u f der Vollzugsebene war Ausgangspunkt der Analyse die Charakterisierung der Inspektions Verhältnisse als mehrpolige und gestufte Rechtsverhältnisse: Es bestehen horizontal und vertikal verlaufende Rechtsbeziehungen sowohl zwischen den beteiligten Verwaltungsstellen als auch zu den kontrollunterworfenen Wirtschaftsteilnehmern. Die wichtigste primärrechtliche Grundlage der Verwaltungskooperation i m Interadministrativverhältnis ist Art. 10 EGV. Die Verpflichtungen, die die analysierten Inspektionsvorschriften der EG-Kommission und den M i t gliedstaaten auferlegen, können vielfach als Ausprägung des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit gedeutet bzw. in seinem Licht ausgelegt werden. Ist Art. 10 EGV der allumfassende Maßstab, an dem jede Verwaltungskooperation zu messen ist, so muß doch gleichzeitig festgestellt werden, daß es i m Gemeinschaftsverwaltungsrecht bisher an einer umfassenden Dogmatik für diesen Grundsatz fehlt. Die Ableitungen des EuGH sind eher punktuell und nicht immer verallgemeinerungsfähig. Insbesondere fehlt es bisher an einem konsistenten bereichsübergreifenden Amtshilferegime. Ungeachtet des hier bestehenden weiteren Forschungs- und Entwicklungsbedarfs 11 hat die Analyse der einzelnen Inspektionsregelungen gezeigt, daß die inter11 Daß der Standard, den die Zusammenarbeit der Verwaltungen in der Gemeinschaft mittlerweile erreicht hat, noch ausbaufähig ist, sieht auch die Kommission: In ihrer Mitteilung „Die Strategie für den europäischen Binnenmarkt" KOM (1999) 624 endg. v. 24. 11. 1999, S. 19 f. kündigt sie unter dem Stichwort „Verbesserung der Wirksamkeit des Rechtsrahmens" für Juni 2001 eine Mitteilung über eine umfassende EU-Strategie für die Verwaltungskooperation zur Förderung der Rechtsdurchsetzung an. Diese liegt soweit ersichtlich im Augenblick noch nicht vor.
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Zusammenfassung und Ausblick
administrative Zusammenarbeit durch normative Vorgaben i m Einzelfall sehr viel konkreter und weitgehender geregelt ist als es durch eine allgemeine Amtshilfepflicht zu begründen wäre. Generell weisen die ermittelten Kooperationsstrukturen die Inspektionen i m Interadministrativverhältnis als ein Instrument zwischen Aufsicht und Vertrauen aus. Die Inspektion als Aufsichtsform dient eher der Vertrauensbildung als der punktuellen Korrektur. Insbesondere die beschriebenen administrativen Kooperationselemente führen zu Kontrollverschränkungen, die gerade auch der Erzeugung von Vertrauen dienen. Gerade wenn die Zukunft der Gemeinschaft nicht in weiterer Zentralisierung, sondern in engerer Zusammenarbeit der verschiedenen beteiligten Ebenen und Institutionen liegt, sind Mechanismen der Vertrauensbildung unerläßlich. 1 2 Die Analyse der Inspektion hat sie als einen solchen Mechanismus ausgewiesen (Kap. 3). Die Rechtsbeziehungen zum Wirtschaftsteilnehmer (Kap. 4), nach überkommenem Verwaltungsrecht die „klassischen" Außenrechtsverhältnisse, waren auch bisher schon ein Thema des europäischen Verwaltungsrechts, insbesondere des Eigenverwal tungsrechts. Bei einer allzu einseitigen Konzentration auf die Vollzugseffektivität des EG-Rechts und einer immer weiter ausgreifenden Vollzugskooperation 13 besteht die Gefahr, daß die vor allem richterrechtlich für das Eigenverwaltungsrecht entwickelten individualschützenden allgemeinen Rechtsgrundsätze zu sehr in den Hintergrund treten. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, daß die aus dem Eigenverwaltungsrecht der Gemeinschaft bekannten Verfahrens- und Verteidigungsrechte unter Beachtung jeweils bereichsspezifischer Besonderheiten und nach Anpassung an die neuen Kooperationsstrukturen auch auf andere Gebiete übertragbar sind und insofern ein ausreichendes Schutzniveau bieten. Dennoch wäre eine Aufnahme dieser Grundsätze in die einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts ein Gewinn für Rechtssicherheit und Transparenz. Einem besonderen Anpassungsdruck gerade unter dem Blickwinkel zunehmender Vernetzung der Verwaltungsbehörden in horizontaler und vertikaler Hinsicht sind der Daten- und Geheimnisschutz, der Individualrechtsschutz und die Staatshaftung ausgesetzt. Für das Daten- und Geheimnisschutzrecht zeigen die analysierten Rechtsakte teils die Ausbildung eines eigenen Standards, teils den Versuch, durch Kollisionsregeln zu helfen. Allerdings ist festzustellen, daß die Verweisungen keinem einheitlichen System folgen und auf Dauer eine Ablösung durch einheitliche Regelungen auf EG-Ebene vorzugswürdig ist. Ein konsistentes System des Indiviualrechtsschutzes und der Staatshaftung darf angesichts der beschriebenen Kooperationserscheinungen nicht undifferenziert auf dem hergebrachten Trennungsdogma verharren. 14 Erste Ansatzpunkte für eine 12 Majone, Mutual Trust, EUI Working Paper No. 95/1, S. 29. 13 Lühmann, DVB1. 1999, S. 752, 764 konstatiert ein „werdendes Aufsichtsprinzip kooperativen Vorgehens der mitgliedstaatlichen und gemeinschaftlichen Aufsichtsakteure". 14 Für die weitere Entwicklung schlägt Schmidt-Aßmann, JZ 1994, S. 832, 839 nicht nur klare Zuweisungen nach Maßgabe des jeweiligen Kooperationsbeitrags, sondern auch For-
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Überwindung des Trennungsprinzips finden sich i m Recht der Staatshaftung: Den Fällen gemeinsamer Schadensverursachung durch kooperierende Verwaltungsstellen kann durch die Annahme einer gesamtschuldnerischen Haftung Rechnung getragen werden. Die insbesondere vom EuGH verfochtene Subsidiarität der Haftung der Gemeinschaft müßte aufgegeben, und für die Fälle einer Haftung mehrerer Mitgliedstaaten müßten eindeutige Zuständigkeitsregeln geschaffen werden. Ausbaufähig sind Ansätze einer stellvertretenden Haftung eines der Kooperationspartner auch für die Beiträge der anderen beteiligten Verwaltungen, die sich vor allem i m Datenschutzrecht finden. Dem Geschädigten wird damit die Last abgenommen, den verantwortlichen Verwaltungsträger zu ermitteln, und der Schadensausgleich wird auf das Interadministrativverhältnis verlagert. M i t der Inspektion ist in der vorliegenden Untersuchung ein Element eines europäischen allgemeinen Verwaltungsrechts analysiert worden. Die Struktureigenheiten von Verwaltung in Mehrebenensystemen konnten an ihr aufgezeigt werden. Hinter den verschiedenen Ausgestaltungen der Inspektionen wird ihr Ziel deutlich, vor allem der interadministrativen Vertrauensbildung zu dienen. Die Inspektionen kennzeichnen „Verwaltung in Mehr-Ebenen-Systemen' 4 als eine Verbindung hierarchischer und kooperativer Elemente. Üblicherweise wird an dieser Stelle die Kodifikationsfrage gestellt: Sind die ermittelten Strukturen in den analysierten Referenzgebieten derartig verallgemeinerbar, daß man von einem „allgemeinen Verwaltungsrecht der Inspektion" sprechen könnte? Ein solches Projekt einer übergreifenden Regelung auf Gemeinschaftsebene dürfte bereits an der fehlenden Kompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers zur Regelung des allgemeinen Verwaltungsrechts scheitern. 15 Immerhin konnten aber übergreifende Grundlinien herausgearbeitet werden und Rechtsprobleme aufgezeigt werden, die sich bei jeder Inspektion - sei es bei den Wirtschaftsteilnehmern, sei es bei den Verwaltungsbehörden - stellen. Auch i m deutschen Recht fehlt es i m übrigen an einer allgemeinen Regelung: Sowohl das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes als auch die Landesverwaltungsverfahrensgesetze schweigen zu Fragen der Vollzugskontrolle vor O r t . 1 6 men der Rechtsschutzkonzentration vor. Zu den Herausforderungen, die die Verwaltungskooperation an Rechtsschutz- und Haftunssysteme stellt, vgl. nunmehr auch v. Sydow, DV 34 (2001), 517, 540. 15 Vgl. Vedder, EuR Beiheft 1 / 1995, 75, 93 ff.; von Danwitz, DVB1. 1998, 421, 430; skeptisch zu dem Vorschlag, die für den innerstaatlichen Vollzug von Gemeinschaftsrecht maßgeblichen Grundsätze in einem „Allgemeinen Verfahrenskodex" zu normieren wegen des erforderlichen hohen Abstraktionsniveaus bzw. der aus der parallelen Geltung eines europäischen und eines nationalen Verfahrensrechts resultierenden Schwierigkeiten auch Harlow, ELJ 2 (1996), S. 3 ff.; Hatje, EuR Beiheft 1/1998, S. 7, 26, Sommermann, DVB1. 1996, S. 889, 896 ff.; Priebe, EuR Beiheft 1 /1995, S. 99, 104 ff. und Pernice /Kadelbach, DVB1. 1996, S. 1100, 1114; für das Organisationsrecht auch Kahl, DV 29 (1996), S. 341, 379 f.; für einen „European Administrative Procedure Act" Majone, Regulatory State, S. 22. 16 Anders beispielsweise das niederländische Recht: In Art. 5:11 bis 5:20 des niederländischen AWB werden die Rechte und Pflichten der mit der Vollzugskontrolle betrauten Verwaltungsbediensteten detailliert festgelegt; dazu Jansen, in: Handboek Algemene Wet Bestuursrechtspraak, Artikel 5.
382
Zusammenfassung und Ausblick
Es wurde insgesamt deutlich, daß Verwaltungskooperation der Ausdruck einer gemeinsamen Verantwortung für den effektiven Vollzug des Gemeinschaftsrechts ist. Bei aller gewünschten Flexibilität ist eine gewisse Verrechtlichung der interadministrativen Kooperationsstandards bereits erfolgt und weiterer Entwicklung fähig. M i t der gemeinsamen Verantwortung für die Verwaltung des Gemeinschaftsraums korrespondiert eine gemeinsame Verantwortung für die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze gegenüber denjenigen, die diesen Gemeinschaftsraum verkörpern, den Unionsbürgern. Der Ausbau und die Entwicklung eines den Struktureigenheiten kooperativer Verwaltung angepaßten Individual(rechts)schutzsystems bleibt eine vordringliche Aufgabe für Rechtsanwendung und Rechtswissenschaft.
Verzeichnis der zitierten EG-Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen A. Richtlinien Nr. 647433/EWG
i.d.F. der Richtlinie Nr. 91 /497/EWG v. 29. 7. 1991 über die gesundheitlichen Bedingungen für die Gewinnung und das Inverkehrbringen von frischem Fleisch, ABl. Nr. L 268 v. 24. 9. 1991, S. 69
Nr. 71 / 118 / EWG
i.d.F. der Richtlinie Nr. 92/ 116/EWG v. 17. 12. 1992 zur Regelung gesundheitlicher Fragen bei der Gewinnung und dem Inverkehrbringen von frischem Geflügelfleisch v. 15. 2. 1971, ABl. Nr. L 62 v. 15.3. 1993, S. 1
Nr. 77799/EWG
i.d.F. der Richtlinie Nr. 92/5/EWG v. 10. 2. 1992 zur Regelung gesundheitlicher Fragen bei der Herstellung und dem Inverkehrbringen von Fleischerzeugnissen und einigen anderen Erzeugnissen tierischen Ursprungs, ABl. Nr. L 57 v. 2. 3. 1992, S. 4
Nr. 77/799/EWG
v. 19. 12. 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Mehrwertsteuer, ABl. Nr. L 336 v. 27. 12. 1977, S. 15
Nr. 78/176/EWG
v. 20. 2. 1978 über Abfälle aus der Titandioxid-Produktion, ABl. Nr. L 54 v. 25.2. 1978, S. 19
Nr. 79 /112 / EWG
v. 18. 12. 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür, ABl. Nr. L 33 v. 8. 2. 1979, S. 1 (kodifiziert durch Richtlinie Nr. 2000 /13/EG v. 20. 3. 2000, ABl. Nr. L 109 v. 6. 5. 2000, S. 29)
Nr. 80/68/EWG
v. 17. 12. 1979 über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe, ABl. Nr. L 20 v. 26. 1. 1980, S. 43
Nr. 80/778/EWG
v. 15.7. 1980 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, ABl. Nr. L 229 v. 30. 8. 1980, S. 11
Nr. 82/883/EWG
v. 3. 12. 1982 über die Einzelheiten der Überwachung und Kontrolle der durch die Ableitungen aus der Titandioxidproduktione betroffenen Umweltmedien, ABl. Nr. L 378 v. 31. 12. 1982, S. 1
384
EG-Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen
Nr. 89/107/EWG
v. 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Zusatzstoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen, ABl. Nr. L 40 v. 1. 2. 1989, S. 27
Nr. 89/397/EWG
v. 14. 6. 1989 über die amtliche Lebensmittelüberwachung; ABl. Nr. L 186 v. 30. 6. 1989, S. 23
Nr. 89/608/EWG
v. 21. 11. 1989 betreffend die gegenseitige Unterstützung der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission, um die ordnungsgemäße Anwendung der tierärztlichen und tierzuchtrechtlichen Vorschriften zu gewährleisten, ABl. Nr. L 351 v. 2. 12. 1989, S. 34
Nr. 89/646/EWG
v. 15. 12. 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG, ABl. Nr. L 386 v. 30. 12. 1989, S. 1 („Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie", aufgehoben durch Richtlinie Nr. 2000/12/EG)
Nr. 89/662/EWG
v. 11. 12. 1989 zur Regelung der veterinärrechtlichen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel im Hinblick auf den gemeinsamen Binnenmarkt, ABl. Nr. L 395 v. 30. 12. 1989, S. 13
Nr. 90/219
v. 23. 4. 1990 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen, ABl. Nr. L 117 v. 8. 5. 1990, S. 1
Nr. 90/220/EWG
v. 23. 4. 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt, ABl. Nr. L 117 v. 8. 5. 1990, S. 15
Nr. 90/313/EWG
v. 7. 6. 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, ABl. Nr. L 158 v. 23. 6. 1990, S. 56
Nr. 90/425/EWG
v. 26. 6. 1990 zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzüchterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt, ABl. Nr. L 224 v. 18. 8. 1990, S. 29
Nr. 90/675/EWG
v. 10. 12. 1990 zur Festlegung von Grundregeln für die Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführten Erzeugnissen, ABl. Nr. L 373 v. 31. 12. 1990, S. 1 (ersetzt durch Richtlinie Nr. 97/78/EG)
Nr. 91 /414/EWG
v. 15. 7. 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABl. Nr. L 230 v. 19. 8. 1991, S. 1
Nr. 91 /496/EWG
v. 15. 7. 1991 zur Festlegung von Grundregeln für die Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführten Tieren, ABl. Nr. L 268 v. 24. 9. 1991, S. 56
EG-Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen
385
Nr. 91 / 628 / EWG
v. 19. 11. 1991 über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/ 496 / EWG vom 19. 11. 1991, ABl. Nr. L 340 v. 11. 12. 1991, S. 17
Nr. 91 / 692 / EWG
v. 23. 12. 1991 zur Standardisierung und Rationalisierung von Berichten über die Umsetzung bestimmter Umweltrichtlinien, ABl. Nr. L 377 v. 23. 12. 1991, S. 48
Nr. 92/59/EWG
v. 29. 6. 1992 über die allgemeine Produktsicherheit, ABl. Nr. L 228 v. 11.8. 1992, S. 24
Nr. 93/43/EWG
v. 14. 6. 1993 über Lebensmittelhygiene, ABl. Nr. L 175 v. 19.7. 1993, S. 1
Nr. 99/93/EWG
v. 29. 10. 1993 über zusätzliche Maßnahmen im Bereich der amtlichen Lebensmittelüberwachung, ABl. Nr. L 290 v. 24. 11. 1993, S. 14
Nr. 93/119/EG
v. 22. 12. 1993 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung vom 22. 12. 1993, ABl. Nr. L 340 v. 31. 12. 1993, S. 21
Nr. 94/65/EG
v. 14. 12. 1994 zur Festlegung von Vorschriften für die Herstellung und das Inverkehrbringen von Hackfleisch / Faschiertem und Fleischzubereitungen v. 14. 12. 1994, ABl. Nr. L 368 v. 31. 12. 1994, S. 10
Nr. 96 / 23 / EG
v. 29. 4. 1996 über Kontrollmaßnahmen hinsichtlich bestimmter Stoffe und ihrer Rückstände in lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinien 85 / 358/EWG und 86/469/EWG und der Entscheidungen 89/ 187/EWG und 91/664/EWG vom 29. 4. 1996, ABl. Nr. L 125 v. 23.5. 1996, S. 10
Nr. 96/82/EG
v. 9. 12. 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen, ABl. Nr. L 10 v. 14. 1. 1997, S. 13
Nr. 97/78/EG
v.l8. 12. 1997 zur Festlegung von Grundregeln für die Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführten Tieren, ABl. Nr. L 24 v. 30. 1. 1998, S. 9
Nr. 1999/31 /EG
v. 26. 4. 1999 über Abfalldeponien, ABl. Nr. L 182 v. 16.7. 1999, S. 1
Nr. 2000/12/EG
v. 20. 3. 2000 über die Aufnahme und Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. Nr. L 126 v. 26. 5. 2000, S. 1
B. Verordnungen Nr. 17/1962/EWG Rat
25 David
Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages v. 6. 2. 1962, ABl. 1962 Nr. 13 v. 21. 2. 1962, S. 204
386
EG-Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen
Nr. 25/EWG Rat
über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik, ABl. Nr. 30 v. 20. 4. 1962, S. 991
Nr. 99/63/EWG
v. 25. 7. 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 v. 6. 2. 1962, ABl. Nr. 127 vom 20. 8. 1963, S. 2268
Nr. 1017/68/EWG
über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs, ABl. Nr. L 175 v. 23. 7. 1968, S. 1
Nr. 729/70/EWG
v. 21. 4. 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik, ABl. Nr. L 94 v. 21. 4. 1970, S. 13 (aufgehoben durch Verordnung Nr. 1258/1999/EG)
Nr. 2262/84/EWG
v. 17. 7. 1984 über Sondermaßnahmen für Olivenöl, ABl. Nr. L 208 v. 3. 8. 194, S. 11
Nr. 3975/87/EWG
v. 14. 12. 1987 über die Einzelheiten der Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Luftfahrtunternehmen, ABl. Nr. L 374 v. 31. 12. 1987, S. 1
Nr. 2052/88/EWG
v. 24. 6. 1988 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Entwicklungsbank und der anderen vorhandenen Finanzinstrumente, ABl. Nr. L 185 v. 15. 7. 1988, S. 9 (aufgehoben durch Verordnung Nr. 1260/ 1999/EG)
Nr. 2423/88/EWG
v. 11.7. 1988 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern, ABl. Nr. L 209 v. 2. 8. 1988, S. 1 (aufgehoben durch Verordnung Nr. 384/96/EG)
Nr. 4253/88/EWG
v. 19. 12. 1988 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2052/ 88/EWG hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits, ABl. Nr. L 372 v. 31. 12. 1988, S. 1 (aufgehoben durch Verordnung Nr. 1260/ 1999/EG)
Nr. 4254/88/EWG
v. 19. 12. 1988 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2052/ 88/EWG in Bezug auf den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung ABl. Nr. L 374 v. 31. 12. 1988, S. 15 (aufgehoben durch Verordnung Nr. 1783/ 1999/EG)
Nr. 4255/88/EWG
v. 19. 12. 1988 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2052/ 88/EWG hinsichtlich des Europäischen Sozialfonds (ESF), ABl. Nr. L 374 v. 31. 12. 1988, S. 21 (aufgehoben durch Verordnung Nr. 1784/1999/EG)
EG-Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen Nr. 4256/88/EWG
387
v. 19. 12. 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich des Europäischen Ausrichtungsund Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, ABl. Nr. L 374 v. 31. 12. 1988, S. 25 (aufgehoben durch Verordnung Nr. 1257 /1999 / EG)
Nr. 1552/89/EWG, Euratom v. 29. 5. 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/ EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften, ABl. Nr. L 155 v. 7. 6. 1989, S. 1 (aufgehoben durch Verordnung Nr. 1150 / 2000 / EG, Euratom) Nr. 1553/89/EWG, Euratom v. 29. 5. 1989 über die endgültige einheitliche Regelung für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel, ABl. Nr. L 155 v. 7. 6. 1989, S. 9 Nr. 2048/89/EWG
v. 19. 6. 1989 mit Grundregeln über die Kontrollen im Weinsektor, ABl. Nr. L 202 v. 14. 7. 1989, S. 32
Nr. 4045/89/EWG
v. 21. 12. 1989 über die von den Mitgliedstaaten vorzunehmende Prüfung der Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, sind, und zur Aufhebung der Richtlinie 77/435/EWG, ABl. Nr. L 388 v. 30. 12. 1989, S. 18
Nr. 4064/89/EWG
v. 21. 12. 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. Nr. L 395 v. 30. 12. 1989, berichtigte Fassung abgedruckt in ABl. Nr. L 257 v. 21. 9. 1990, S. 13
Nr. 386/90/EWG
v. 12. 2. 1990 über die Kontrolle bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die Erstattungen oder andere Zahlungen geleistet werden, ABl. Nr. L 42 v. 16. 2. 1990, S. 6
Nr. 1210/90/EWG
v. 7. 5. 1990 zur Errichtung einer Europäischen Umweltagentur und eines Europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetzes, ABl. Nr. L 120 v. 11. 5. 1990, 1 (geändert durch Verordnung Nr. 933/1999/EG v. 29. 4. 1999, ABl. Nr. L 117, S. 1)
Nr. 595/91/EWG
v. 4. 3. 1991 betreffend Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 283/72/EWG, ABl. Nr. L 67 v. 14.3. 1991, S. 11
Nr. 218 / 92 / EWG
v. 27. Januar 1992 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung (MWSt.), ABl. Nr. L 24 v. 1. 2. 1992, S. 1
Nr. 2075/92/EWG
v. 30. 6. 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Rohtabak, ABl. Nr. L 215 v. 30. 7. 1992, S. 70
Nr. 2913 / 92 / EWG
v. 12. 10. 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. Nr. L 302 v. 19. 10. 1992, S. 1
25*
388
EG-Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen
Nr. 3002/92/EWG
v. 16. 10. 1992 über gemeinsame Durchführungsbestimmungen für die Überwachung der Verwendung und / oder Bestimmung von Erzeugnissen aus den Beständen der Interventionsstellen, ABl. Nr. L 301 v. 17. 10. 1992, S. 17
Nr. 3508/92/EWG
v. 27. 11. 1992 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen, ABl. Nr. L 355 v. 5. 12. 1992, S. 1 (ab I.1. 2002: Verordnung Nr. 2419/2001 / EG)
Nr. 3887/92/EWG
v. 23. 12. 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen, ABl. Nr. L 391 v. 31. 12. 1992, S. 36; maßgebliche Änderungen der Durchführungsverordnung durch Verordnung Nr. 1678/98/EG, ABl. Nr. L212v. 30. 7. 1998, S. 23
Nr. 85/93/EWG
v. 19. Januar 1993 über die Kontrollstellen im Tabaksektor, ABl. Nr. L 12 v. 20. 1. 1993, S. 9
Nr. 259/93/EWG
v. 1.2. 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft, ABl. Nr. L 30 v. 6. 2. 1993, S. 1
Nr. 2186/93/EWG
v. 22. 7. 1993 über die innergemeinschaftliche Koordinierung des Aufbaus von Unternehmensregistern für statistische Verwendungszwecke, ABl. Nr. L 196 v. 5. 8. 1993, S. 1
Nr. 2309/93/EWG
v. 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln, ABl. Nr. L 214 v. 24. 8. 1993, S. 1
Nr. 2454/93/EWG
v. 2. 7. 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92/EWG v. 12. 10. 1992, ABl. Nr. L 253 v. I I . 10. 1993, S. 1
Nr. 2847/93/EWG
v. 12. 10. 1993 zur Einführung einer Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik, ABl. Nr. L 261 v. 20. 10. 1993 S 1 (maßgeblich geändert durch die Verordnungen Nr. 686/ 97/EG v. 14. 4. 1997, ABl. Nr. L 102 v. 19. 4. 1997, S. 1 und Nr. 2846 / 98 / EG v. 17. 12. 1998, ABl. Nr. L 358 v. 31. 12. 1998, S. 5)
Nr. 40/94/EG
v. 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke, ABl. Nr. L 11 v. 14. 1. 1994, S. 1
Nr. 1681/94/EG
v. 11.7. 1994 betreffend Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der Strukturpolitiken sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems, ABl. Nr. L 178 v. 12.7. 1994, S. 43
Nr. 2100/94/EG
v. 27. 7. 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz, ABl. Nr. L 227 v. 19. 9. 1994, S. 1
EG-Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen Nr. 1663/95/EG
v. 7. 7. 1995 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung Nr. 729/70/EWG bezüglich des Rechnungsabschlußverfahrens des EAGFL, Abteilung Garantie, ABl. Nr. L 158 v. 8. 7. 1995, S. 6
Nr. 2988/95/EG, Euratom
v. 18. 12. 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, ABl. Nr. L 312 v. 23. 12. 1995, S. 1
Nr. 2291/95/EG
v. 20. 9. 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 386/90/ EWG hinsichtlich der Warenkontrolle bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, für die eine Erstattung gewährt wird, ABl. Nr. L 224 v. 21. 8. 1995, S. 13
Nr. 384/96/EG
v. 22. 12. 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern, ABl. Nr. L 5 v. 6. 3. 1996, S. 1
Nr. 2185/96/Euratom, EG
v. 11. 11. 1996 betreffend die Kontrollen und Uberprüfungen vor Ort durch die Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten, ABl. Nr. L 292 v. 15. 11. 1996, S. 2
Nr. 2200/96/EG
v. 28. 10. 1996 über die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse, ABl. Nr. L 297 v. 21. 11. 1996, S. 1
Nr. 515/97/EG
v. 13. 3. 1997 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und der Agrarregelung, ABl. Nr. L 82 v. 22. 3. 1997, S. 1
Nr. 659/97/EG
v. 16. 4. 1997 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 2200 / 96 / EG hinsichtlich der Interventionsregelung für Obst und Gemüse, ABl. Nr. L 100 v. 17. 4. 1997, S. 22
Nr. 2064/97/EG
v. 15. 10. 1997 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 4253/88/EWG hinsichtlich der Finanzkontrolle durch die Mitgliedstaaten bei von den Strukturfonds kofinanzierten Maßnahmen, ABl. Nr. L 290 v. 23. 10. 1997, S. 1
Nr. 696/98/EG
v. 27. 3. 1998 zur Durchführung der Verordnung Nr. 515/97/ EG über die gegenseitige Amtshilfe zwischen Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Zoll- und Agrarregelung, ABl. Nr. L 96 v. 28.3. 1998, S. 22
Nr. 659/1999/EG
v. 22. 3. 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des EG-Vertrags, ABl. Nr. L 83 v. 27. 3. 1999, S. 1
Nr. 1026/1999/EG, Euratom v. 10. 5. 1999 zur Festlegung der Rechte und Pflichten der von der Kommission mit der Kontrolle der Eigenmittel der Gemeinschaft beauftragten Bediensteten, ABl. Nr. L 126 v. 20. 5. 1999, S. 1
390
EG-Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen
Nr. 1073/1999/EG
v. 25. 5. 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), ABl. Nr. L 136 v. 31.5. 1999, S. 1
Nr. 1074/1999/Euratom
v. 25. 5. 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), ABl. Nr. L 136 v. 31.5. 1999, S. 8
Nr. 1258/1999/EG
v. 17. 5.1999 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik, ABl. Nr. L 160 v. 26. 6. 1999, S. 103
Nr. 1260/1999/EG
v. 21. 6. 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds, ABl. Nr. L 161 v. 26. 6. 1999, S. 1
Nr. 1493/1999/EG
v. 17. 5. 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein, ABl. Nr. L 179 v. 14. 7. 1999, S. 1
Nr. 1783/1999 /EG
v. 12. 7. 1999 über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), ABl. Nr. L 161 v. 13. 8. 1999, S. 1
Nr. 1784/ 1999/EG
v. 12. 7. 1999 betreffend den Europäischen Sozialfonds (ESF), ABl. Nr. L 1999 v. 13. 8. 1999, S. 5
Nr. 1150/ 2000 / EG, Euratom v. 22. 5. 2000 zur Durchführung des Beschlusses Nr. 94/ 728/EG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften, ABl. Nr. L 130 v. 31. 5. 2000, S. 1 Nr. 2037/2000/EG
v. 29. 6. 2000 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, ABl. Nr. L 244 v. 29. 9. 2000, S. 1
Nr. 2729/2000/EG
v. 14.12. 2000 mit Durchführungsbestimmungen für die Kontrollen im Weinsektor, ABl. Nr. L 316 v. 15. 12. 2000, S. 16
Nr. 45/2001/EG
v. 18. 12. 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr, ABl. Nr. L 8 v. 12. 1. 2001, S. 1
Nr. 438/2001/EG
v. 2. 3. 2001 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 1260/ 1999/EG in Bezug auf die Verwaltungs- und Kontrollsysteme bei Strukturfondsinterventionen, ABl. Nr. L 63 v. 3. 3. 2001, S. 21
Nr. 448/2001/EG
v. 2. 3. 2001 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 1260/1999/EG hinsichtlich des Verfahrens für die Vornahme von Finanzkorrekturen bei Strukturfondsinterventionen, ABl. Nr. L 64 v. 6. 3. 2001, S. 13
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averzeichnis Agentur 185 ff. - Europäische Lebensmittelbehörde 195 ff. - Europäische Umweltagentur 192 ff. Allgemeine Rechtsgrundsätze 281 ff., 301 ff. Amt, europäisches 181 ff. - für Betrugsbekämpfung 114 ff., 183 ff. - für Lebensmittel- und Veterinärfragen 70 f., 182 f. Amtsermittlung 227 ff. Amtshaftung, s. Haftung Anfangsverdacht 238 f., 306 Ankündigung, vorherige 303 f. Aquivalenzprinzip 327 f. Aufsicht 117 ff., 254 ff., 276 f., 376 f. Auskunftsverweigerungsrecht 241 ff., 309 ff. - der Mitgliedstaaten 241 ff. - der Wirtschaftsteilnehmer 309 ff. Begründungspflicht 303 ff. Bestandskraft 350 ff. Betretungsrecht 279 f., 285 ff. Beweiswürdigung 348 ff. Daten- und Geheimnisschutz 315 ff., 373 - Anderungsbefugnisse und Fristen 332 f. - Anwendbares Recht 327 ff. - Aquivalenzprinzip 327 f. - Datenschutz und Datenzugang 330 ff. - Teilnehmer am Informationsaustausch 326 f. - Zweckbindungsgrundsatz 323 ff. Diskriminierungsverbot 234 ff., 260 ff. Durchsuchung 293 ff. Effektivitätsgrundsatz 264 ff. Eingriffsbefugnisse 279 f., 340 ff. Ermächtigungsgrundlagen 157 ff. - für Inspektionen der Mitgliedstaaten 157 ff. - für Kommissionsinspektionen 167 ff.
- sachgebietsbezogene 157 ff., 173 f. - zur institutionellen Ausgestaltung 180 ff. - zur Koordinierung / Rechtsangleichung 165 ff., 174 ff. Geheimnisschutz - s. Daten- und Geheimnisschutz Gehör, rechtliches 239 ff., 306 ff. Gemeinschaftstreueprinzip 198 ff., 264 ff. - Einführung von Sanktionssystemen 204 f. - Inspektionen der Mitgliedstaaten 199 ff. - Kommissionsinspektionen 205 f. Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung - s. Unverletzlichkeit der Wohnung Grundsatz der Zusammenarbeit - s. Gemeinschaftstreueprinzip Haftung 356 ff. - bei horizontaler Kooperation 370 f. - bei vertikaler Kooperation 366 ff. - normative Haftungszuweisungen 362 ff. - Trennungsprinzip 356 ff. Haftungskonkurrenzen 365 ff. - anteilige Haftung 365 f., 371 f. - gesamtschuldnerische Haftung 365 f. - Nichtermittelbarkeit Haftungsanteile 371 f. - stellvertretende Haftung 363 f. Haftungsmaßstäbe 358 ff. - für Handlungen der Gemeinschaft 359 f. - für mitgliedstaatliches Handeln 358 Individualrechtsschutz, s. Rechtsschutz Informationsaustausch 136 ff., 348 ff. Informationsgewinnung 19 f. - durch Auskunftsersuchen 20 - durch Inspektionen 20 Inspektionen - als Direktkontrollen 119
416 -
averzeichnis
als Kontrolle der Kontrolle 118 ff., 379 als Systemkontrollen 120 ff. als Vollzugskontrollen 119 ff. Begriff 25 ff. funktionale Einordnung 117 ff. institutionelle Ausgestaltung 180 ff. sektorübergreifend 108 ff. systematische Einordnung 122 ff. Referenzgebiete, s. dort
Kontrollberichte 144 ff. Kontrollpläne 144 ff. Kooperation, s. Verwaltungskooperation Kooperationselemente 128 ff. - Informationsaustausch 136 ff. - Kontrollpläne und Kontrollberichte 144 ff. - Teilnahmeformen 129 ff. Lebensmittelbehörde 182 f., 195 ff. Legal professional privilege 313 f. - Recht auf Hinzuziehung eines Anwalts 313 f. - Schutz der verteidigungsrelevanten Anwaltskorrespondenz 313 f. Mehrebenensystem 256 ff., 374 ff. Ordre public 241 ff., 270 f. Prinzip
der
begrenzten
Ermächtigung
153 ff., s. Ermächtigungsgrundlagen Prinzip der loyalen Zusammenarbeit, s. Gemeinschaftstreueprinzip Rechnungsabschlußverfahren 246 ff. Rechtsbeziehungen 225 ff., 277 ff. - Kommission und Mitgliedstaat 226 ff. - Mitgliedstaaten untereinander 259 ff. - Wirtschaftsteilnehmer und Verwaltungsstellen 277 ff., 373 ff. Rechtsschutz 335 ff., 373, 380 f. - Bestandskraft 350 ff. - Beweiswürdigung 348 ff. - in Kooperationskonstellationen 339 f., 343 ff., 345 ff., 348 ff., 352 ff. - Primärrechtsschutz 339 ff. - Rügepotential 350 ff. - Sekundärrechtsschutz 356 ff.
Rechtsschutzgarantie 335 ff. Referenzgebiete 25, 30 ff. - Agrarrecht 32 ff. - Bankenaufsichtsrecht 58 ff. - Eigenmittel 104 ff. - Fischereirecht 90 ff. - Lebensmittel- und Veterinärrecht 62 ff. - Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft 98 ff. - Strukturfonds 99 ff. - Umweltrecht 85 ff. - Wettbewerbsrecht 53 ff. - Wirtschaftsrecht 52 ff. Richtervorbehalt 295 ff. Rücksichtnahmegebot 231 ff. Rügepotenzial 350 ff. Sachverhaltsermittlung 19 f. Sanktionen gegenüber Mitgliedstaaten 244 ff., 272 ff. - finanzielle 246 ff. - im Horizontalverhältnis 272 ff. - im Vertikalverhältnis 244 ff. - informelle 245 f. - Weisungen 252 ff. Sanktionen gegenüber Wirtschaftsteil nehmern 204 ff., 348 ff. Selbstbezichtigung 309 ff. Souveränität 154, 267 ff. Subsidiaritätsprinzip 207 ff., 224, 378 f. - und spezielle Verwaltungsstellen 208 f. - und Verwaltungskooperation 209 ff. Teilnahmeformen 129 ff. Trennungsprinzip 335 ff., 337 ff., 356 ff., 361ff., 377, 380 f. Unverletzlichkeit der Wohnung 285 ff. - auf europäischer Ebene 286 ff. - Betretungsrecht 285 ff. - Durchsuchungen 293 ff. - im deutschen Verfassungsrecht 288 ff. - Richtervorbehalt 295 ff. Verfahrensrechte 301 ff., 373 - Ankündigung, vorherige 303 ff. - Begründungspflicht 303 ff. - rechtliches Gehör 239 ff., 306 ff.
Sachverzeichnis Verhältnismäßigkeitsprinzip 215 ff., 221 ff., 224, 236 ff., 269 f., 378 f. Verteidigungsrechte 301 ff., 373 - Legal professional privilege 313 f. - Schutz vor Selbstbezichtigung 309 ff. Vertrauen 274 ff., 276, 377, 380 Verwaltungskooperation 23 ff., 40 f., 45 ff., 51, 56, 60, 71 ff., 80 ff., 93 ff., 103 f., 106 ff., 112 ff., 128 ff., 374 ff. - Begriff 28 ff. - horizontale 134 f., 259 ff., 274 ff. - informationelle 136 ff., 376 - institutionelle 23 - prozedurale 23 - vertikale 129 ff., 226 ff., 254 ff., 258 f. Verwaltungsrecht 20 f.
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- Eigenverwaltungsrecht 122 ff., 127 - europäisches 21 ff., 25 - Gemeinschaftsverwaltungsrecht 122 ff. - nationales 20 f., 122 Verwaltungsvollzug 22, 122 ff. - direkter 22, 127 - im Mehrebenensystem 256 ff., 374 ff. - indirekter 22, 122 ff. Völkerrecht 151 ff. Warenverkehrsfreiheit 260 ff. Weisung 252 ff. Wohnungsgrundrecht, s. Unverletzlichkeit der Wohnung Zweckbindungsgrundsatz 323 ff.