149 115 48MB
German Pages 427 Year 1990
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 580
Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht Von Norbert Kazele
Duncker & Humblot · Berlin
NORBERT KAZELE Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 580
Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht
Von Dr. Norbert Kazele
Duncker & Humblot * Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Kazele, Norbert: Interessenkollisionen und Befangenheit im Verwaltungsrecht / von Norbert Kazele. — Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 580) Zugl.: Glessen, Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-06842-4 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Alb. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-06842-4
Vorwort Die Arbeit wurde von dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Justus-LiebigUniversität Gießen als Dissertation angenommen. Die Disputation fand am 13. Juli 1989 statt. Gutachter waren Prof. Dr. Klaus Lange und Prof. Dr. Gunter Kisker. Die Arbeit geht auf eine Anregung von Prof. Dr. Klaus Lange zurück, dem ich an dieser Stelle für die freundliche Betreuung der Dissertation danke. Widmen möchte ich die Arbeit dem Gedenken an meine verstorbene Großmutter sowie meiner Mutter, die den Verlauf der Promotion mit großer Teilnahme verfolgt und mich von den Problemen des Alltags weitgehend entlastet hat. Linden, i m Oktober 1989
Norbert
Kazele
Inhaltsverzeichnis A. Die Gemeinwohlbezogenheit des Verwaltungshandelns und der Grundsatz der Unparteilichkeit der Verwaltung I. Die Ausrichtung der Verwaltungstätigkeit II. Gemeinwohlkonkretisierung durch Verfahren III. Nicht auf die Sicherung der Entscheidungsfindung gerichtete Interessenkollisionsnormen
19 19 21 25
B. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht I. Systematik und Terminologie
27 27
1. Die Ausschlußgründe
28
2. Die Besorgnis der Befangenheit
28
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
29
1. Das Verhältnis der verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften zueinander a. Abgrenzung des formellen Anwendungsbereiches aa. Der kompetenzielle Anwendungsbereich der VwVfGe bb. Bereichsausnahmen aaa. Totaler Anwendungsausschluß der VwVfGe bbb. Partieller Anwendungsausschluß cc. Die Subsidiaritätsregeln
29 29 29 30 30 31 32
dd. Der formelle Anwendungsbereich des SGB-X
32
ee. Der Anwendungsbereich der AO '77
33
b. Abgrenzung des materiellen Anwendungsbereiches
33
2. Das Verhältnis der Vorschriften aus dem Kommunalrecht zu den Befangenheitsvorschriften des HVwVfG
34
a. Der personelle Anwendungsbereich des kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbotes
34
b. Der gegenständliche Anwendungsbereich
35
c. Die ergänzende Heranziehung des § 21 HVwVfG und die besondere Problematik des kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbotes
37
aa. Exkurs: Das Unbefangenheitsprinzip und seine Rechtfertigung im kommunalen Bereich — Insbesondere: Vergleich mit dem Parlamentsrecht
40
bb. Der verfassungsrechtliche Hintergrund einer engen Sichtweise ...
43
Inhaltsverzeichnis
8
aaa. Der demokratisch-egalitäre Wahlrechtsgrundsatz
43
bbb. Die formal-prozedurale Komponente des Demokratieprinzips
44
ccc. Die Selbst Verwaltungsgarantie
44
cc. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Unbefangenheitsgebotes aaa. Rechtsstaatsprinzip
45 45
α) Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
45
ß) Der materielle Rechtsstaatsbegriff
46
γ) Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes
47
bbb. Das Demokratieprinzip
48
ccc. Das Unbefangenheitsgebot als Ausdruck materiellen Grundrechtsschutzes
49
α) Menschenwürde
50
ß) Gleichheitssatz
51
γ) Freiheitsrechte
52
ddd. Konsequenzen aus den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Unbefangenheitsgebotes dd. Die Zulässigkeit der Heranziehung des § 21 HVwVfG auf die Tätigkeit kommunaler Vertretungskörperschaften
55
3. Das Verhältnis der beamtenrechtlichen Regelungen zu den kommunal- und verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften
57
III. Offene Regelungsbereiche
53
59
1. Die Analyse der Entstehungsgeschichte
59
2. Die vom Unbefangenheitsgebot erfaßten Rechtsvorgänge
60
a. Die Anwendbarkeit auf die Rechtsetzungstätigkeit
61
b. Einbeziehung auch von Verwaltungsinterna
62
3. Der methodische Weg IV. Subjekte der Befangenheit
65 66
1. Natürliche Personen
66
2. Verwaltungsträger und ihre Subeinheiten als Subjekte der Befangenheit .
70
a. Denkbare Interessenkollisionen
71
b. Die Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts
73
c. Bestehen eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes?
75
d. Resümee
78
3. Exkurs: Trennung von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde als Instrument zur Minimierung von Interessenkollisionen
79
a. Das Planfeststellungsverfahren der VwVfGe
79
b. Spezialgesetzlich normierte Planfeststellungsverfahren
83
c. Die Realisierung der Behördentrennung
84
V. Auslegungsregeln 1. Enge oder weite Auslegung der Befangenheitsregelungen?
84 84
Inhaltsverzeichnis 2. Funktionale Gesichtspunkte a. Die Funktionen des Unbefangenheitsgebotes aa. Die subjektive Komponente bb. Die objektive Komponente b. Die Konsequenzen hinsichtlich der Auslegung
C. Die Ausschlußgründe im Verwaltungsrecht
87 87 87 87 88
90
Erster Abschnitt Interessenkollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre der Amts- und Mandatsträger I. Selbstbeteiligung
90
1. Allgemeines a. Antragsteller und Antragsgegner b. Adressaten eines Verwaltungsaktes c. Partner eines öffentlich-rechtlichen Vertrages d. Zum Verfahren hinzugezogene Dritte e. Lediglich Anzuhörende
90 91 92 93 93 95
2. Der Beteiligtenbegriff in Planfeststellungsverfahren
95
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten 1. Zum Begriff „Vorteil oder Nachteil" a. Quantitative Aspekte aa. Saldierende Betrachtungsweise? bb. Keine konkrete Bestimmung des Umfangs der Vor- bzw. Nachteile b. Zur qualitativen Beschaffenheit aa. Nur wirtschaftliche Interessen? bb. Beschränkung auf rechtliche Interessen c. Die Möglichkeit eines Vor- oder Nachteils 2. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit a. b. c. d.
98 99 99 99 100 100 100 102 105 107
Das Bestehen eines konstitutiven Regelungsgehaltes Direkter Kausalzusammenhang? Funktional-teleologische Betrachtungsweise Die Ausrichtung des Sonderinteresses an dem materiellen Regelungsgehalt aa. Die Fälle eine konkret-individuellen Regelungsgehaltes
107 111 113
aaa. Fälle finaler Betroffenheit bbb. Fälle der „Drittbetroffenheit" ccc. Die mitgliedschaftliche Betroffenheit α) Die Zwischenschaltung einer juristischen Person ß) Gesamthandsgemeinschaften bb. Die Fälle eines abstrakt-individuellen Regelungsgehaltes
117 118 120 120 122 123
cc. Die Fälle eines konkret-generellen Regelungsgehaltes dd. Die Fälle eines abstrakt-generellen Regelungsgehaltes
124 125
115 116
10
Inhaltsverzeichnis
III. Angehörigeneigenschaft
127
1. Verlobte
128
2. Ehegatten
129
3. Verwandte und Verschwägerte gerader Linie
130
4. Geschwister und von diesem Status abgeleitete Angehörige
131
5. Pflegeeltern und Pflegekinder
132
IV. Vertretung und Beistand
132
1. Ein erweitertes Verständnis des Grundausschlußtatbestandes
133
2. Die Lückenhaftigkeit des § 25 I 1 Nr. 3 HGO
134
3. Die Beschaffenheit der Vertretungsmacht
135
4. Der Beistand
137
V. Angehörigeneigenschaft in bezug auf Vertreter VI. Angehörige eines in Steuersachen Hilfeleistenden
138 139
VII. Gegen Entgelt Beschäftigte und Organmitglieder
140
1. Die gegen Entgelt beschäftigen Personen
140
a. Das Beschäftigungsverhältnis
140
b. Zum Begriff des Entgelts
142
c. Die Identität von Beteiligten und Arbeitgeber
143
d. Die Restriktion der kommunalrechtlichen Vorschriften
145
2. Organmitglieder
146
VIII. Gutachter oder sonstige Tätigkeit
147
1. Handeln als Privater
147
2. Tätigkeit in der betreffenden Angelegenheit
149
3. Der Auftraggeber
150
4. Zum Gegenstand der Tätigkeit
150
a. Gutachten
150
b. Sonstige Tätigkeit
151
Zweiter Abschnitt Die Behandlung von Amtskonflikten — Erweiterung des Schutzzweckes hin zur Vermeidung von Funktionenhäufungen
152
I. Amtskonflikte im Verwaltungsverfahrensrecht
152
1. Die gesetzliche vorgesehene Ausnahme
153
Inhaltsverzeichnis 2. Die Behandlung der von dieser Vorschrift nicht erfaßten Amtskonflikte . a. Doppelfunktionen von Amtsträgem
155 156
aa. Die Auslegung der Ausschlußtatbestände der Nrn. 3 und 5 bei isolierter Betrachtungsweise
157
aaa. Teleologische Reduktion?
157
bbb. Analoge Anwendung der Ausnahmeregelung der Nr. 5 HS 2? ccc. Die Erfassung funktionaler Betroffenheit zur Herstellung einer inneradministrativen Gewalten teilung und Gewaltenkontrolle
158 163
bb. Kollision mit dem Grundsatz der Ministerverantwortung
170
cc. Verdrängung des Mitwirkungsverbotes durch das Erfordernis der Sicherung angemessenen Einflusses der öffentlichen Hand nach § 65 I BHO? — Konkurrenzver hältnis zu sonstigen Vorschriften
174
b. Die nachträgliche Aufgabe einer Funktion als Weg zur Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit eines Amts trägers?
175
c. Die Fälle der Selbstkontrolle der Verwaltung
178
II. Die Regelung von Amtskonflikten auf dem Gebiet des Gemeinde verfassungsrechts
181
1. Die grundsätzliche Geltung des Mitwirkungsverbots für alle Arten des Interessenwiderstreits
181
a. Der Ausschlußtatbestand der entgeltlichen Beschäftigung
181
aa. Die Einbeziehung öffentlich Bediensteter
181
bb. Zur Reichweite der Einbeziehung öffentlich Bediensteter
183
aaa. Allgemeines
183
bbb. Analoge Anwendung der Ausnahmeregelung des Verwaltungsverfahrensrechts?
185
b. Vertretung in amtlicher Eigenschaft 2. Das Mitwirkungsprivileg bei Organmitgliedschaften a. Die Rechtslage bei den wirtschaftlichen Unternehmen des privaten Rechts aa. Vertreter und Entsandte in den verschiedenen Unternehmensorganen
186 186 187 187
aaa. Gesellschafter- und Hauptversammlung
187
bbb. Vertreter und Entsandte im Vorstand bzw. Aufsichtsrat
190
α) Aufsichtsorgane
190
ß) Leitungsorgane
190
γ) Mitwirkungsprivileg auch bei Wahl auf Vorschlag der Gemeinde? bb. Zur Reichweite des Mitwirkungsprivilegs in diesen Fällen b. Die Rechtslage bei den wirtschaftlichen Unternehmen des öffentlichen Rechts
191 193 193
aa. Sparkassen
193
bb. Zweckverbände
196
12
Inhaltsverzeichnis Dritter Abschnitt Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot I. Vertreter von Kollektivinteressen
196 196
1. Die ratio
196
2. Das Bestehen eines konstitutiven Regelungsgehaltes
198
3. Die Tatbestandsmerkmale im einzelnen
201
a. Die Gruppe
201
b. Das Gruppeninteresse
203
aa. Die Gleichgerichtetheit der Interessen
203
bb. Die Förderung des Gemeinwohls
203
c. Das Betroffensein als Gruppenangehöriger II. Wahlen
204 205
1. Das Entfallen des Mitwirkungsverbots bei Wahlen
206
a. Der Begriff der Wahlen
206
b. Die durch die Wahl zu besetzende Stelle
207
2. Die Abberufung
209
III. Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen
210
IV. Gefahr im Verzug
210
1. Die Tatbestandsvoraussetzungen
211
2. Die Qualität der getroffenen Maßnahmen
212
V. Ungeschriebene Ausnahmen
213
1. Die Wahrnehmung eigener Angelegenheiten von Gemeindeorganen
213
2. Ausnahme auch bei Doppelmitgliedschafter in Kreis- und Gemeindeorganen?
214 D. Ineligibilität, Inkompatibilität, Vertretungsverbote und Befangenheit — Verhältnis und Abgrenzung der Regelungsbereiche
218
Erster Abschnitt Funktion und Wirkungsweise anderer Interessenkollisionsnormen I. Inkompatibilitäten
219 219
1. Begriff und Überblick
219
2. Funktion und Wirkungsweise
220
3. Sonderprobleme a. Zulässigkeit beschränkter Ineligibilitäten
222 222
b. Zulässigkeit der Verhinderung von Ämterkumulierungen
224
Inhaltsverzeichnis II. Vertretungsverbote
225
1. Der personelle Geltungsbereich
225
2. Funktion
228
3. Der sachliche Anwendungsbereich a. Geltendmachen von Ansprüchen gegen die Gemeinde b. Ausnahmen aa. Geltendmachen eigener oder fremder Ansprüche als gesetzlicher Vertreter bb. Organstreitverfahren cc. Bußgeldverfahren 4. Die Frage der Drittwirkung des Vertretungsverbotes
233 233 234 234 235 235 236
Zweiter Abschnitt Verhältnis
der Regelungsbereiche
I. Das Verhältnis von Inkompatibilitätsregelungen zu den anderen Interessenkollisionsnormen
238 238
1. Das Verhältnis zu BefangenheitsVorschriften
238
2. Inkompatibilität und Vertretungsverbote
240
II. Vertretungsverbot und Befangenheit III. Resümee
242 244
E. Die Besorgnis der Befangenheit I. Die Konzeption als Auffangtatbestand
245 245
1. Das Verhältnis zu den Ausschlußgründen
245
2. Sicherung der Sachgebundenheit der Verwaltungstätigkeit
247
a. Allgemeines b. Ergänzungsfunktion in bezug auf das Vertretungsverbot aa. Schutzrichtung: Verwaltung bb. Schutzrichtung: Bürger cc. Voraussetzungen der Aktualisierung der Ergänzungsfunktion II. Zum Begriff der „Besorgnis der Befangenheit"
247 249 249 250 250 251
1. Grund der geeignet ist, Mißtrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen a. Der Befangenheitsgrund b. Bewertungsmaßstab aa. Der subjektiv-objektive Maßstab der h. M bb. Der primär subjektive Maßstab cc. Die Notwendigkeit eines primär objektiven Bewertungsmaßstabes
251 252 252 253 254 255
2. Die Behauptung eines Befangenheitsgrundes durch einen Beteiligten
256
14
Inhaltsverzeichnis
III. Einzelne Erscheinungsformen der Befangenheit 1. Möglichkeit der Übernahme der Kasuistik zum gerichtlichen Verfahrensrecht 2. Orientierung an der Kasuistik der gerichtlichen Befangenheitsvorschriften a. Verfahrensbezogene Befangenheitsgründe aa. Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen aaa. Schwerwiegende Rechtsverletzungen
258 258 260 260 260 262
bbb. Evidente Verstöße gegen Vorschriften, die dem Schutz der Beteiligten dienen
264
ccc. Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
265
ddd. Verfahrensverzögerung und evident mangelnde Sorgfalt ....
265
bb. Allgemeine Verfahrensführung
266
cc. Festlegungen im tatsächlichen Bereich
267
aaa. Äußerungen innerhalb des Verfahrens gegenüber Beteiligten
267
bbb. Außerdienstliche Äußerungen
268
dd. Äußern einer Rechtsansicht aaa. Mitteilungen zu Rechtsfragen innerhalb des Verfahrens bbb. Wissenschaftliche Äußerungen ee. Erteilen von Ratschlägen b. Einzelne außerhalb des Verfahrens liegende Befangenheitsgründe
269 270 271 272 273
aa. Freundschaft — Feindschaft
273
bb. Wirtschaftliche Interessen cc. Beeinflußungen des Amtsträgers durch Zuwendungen oder Benachteiligungen
274
IV. Reduktion der Anforderungen aufgrund einer Indizwirkung
274 275
1. Allgemeines
275
2. Korrektur legislativer Defizite
276
V. Die Problematik des Informalen Verwaltungshandelns
277
1. Begriff
277
2. Funktionen
278
3. Die spezifische Gefahr selektiver Interessenberücksichtigung
278
4. Abmilderung der Gefahrenlage durch den Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung und das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit
280
a. Gefährdung der Verfahrenschancengleichheit
283
b. Gefährdung der Verfahrensteilhabe
285
c. Vereitelung von Kontrolle
287
d. Sonstige Gründe
288
Inhaltsverzeichnis VI. Exkurs: Prüfungswesen
288
1. Kontakt aus dem Lehrverhältnis
288
2. Wissenschaftliche Mitarbeit außerhalb des eigentlichen Ausbildungsverhältnisses
290
3. Zwistigkeiten unter den Prüfern
290
4. Die Wiederholungsprüfung
291
5. Nachholung einer Prüfung
293
VII. Besonderheiten des Kommunalrechts
294
1. Allgemeines
294
2. Sonderproblem: Lobbygeldzahlungen
294
VIII. Ausnahmen vom Handlungsverbot
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit 1. Die Verfahrenseinleitung a. Auf Veranlassung eines Verfahrensbeteiligten
297
299 299 299 299
aa. Formelles Ablehnungsrecht
299
bb. Formelles Ablehnungsrecht allgemein in „förmlichen" Verwaltungsverfahren
301
cc. Die Behauptung einer Befangenheit als auslösendes Moment
306
b. Fälle der „Selbstablehnung"
308
c. Verfahrenseinleitung von Amts wegen
309
d. Die Unterrichtungspflicht
310
aa. Qualitative Voraussetzungen
310
bb. Die zeitliche Dimension
310
cc. Verstöße gegen die Unterrichtungspflicht
312
2. Präklusionswirkung
312
a. Voraussetzungen
312
b. Zur Reichweite der Präklusionswirkung
314
3. Die Folgen der Verfahrenseinleitung
315
a. Das vorläufige Mitwirkungsverbot
315
b. Das Mitwirkungsverbot in dem eingeleiteten Subverfahren
316
4. Die zur Entscheidung zuständige Stelle
316
a. Bezüglich des monokratischen Amtsträgers
316
b. Im Falle des Vorliegens eines Befangenheitsgrunde bei dem Behördenleiter
317
aa. Der Behördenleiter
317
bb. Die Aufsichtsbehörde
318
Inhaltsverzeichnis
16
c. Befangenheit bei dem Geschäftsführer eines Versicherungsträgers oder dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit
319
aa. Der Kreis der Versicherungsträger
319
bb. Die betroffenen Personen
320
d. Bei Kollegialorganen 5. Das Überprüfungsverfahren
320 322
a. Die analoge Heranziehung der prozeßrechtlichen Regelungen
322
b. Das Erfordernis der Glaubhaftmachung
323
c. Dienstliche Äußerung
324
d. Vermutung der Unbefangenheit?
325
6. Die Entscheidung
327
a. Bestehen eines Entscheidungsspielraums?
327
b. Die Entscheidungsbildung
327
c. Der Verfahrensabschluß
330
II. Rechtsschutzmöglichkeiten 1. Beteiligte
331 331
a. Nichtförmliche Verwaltungsverfahren
331
b. Förmliche Verwaltungsverfahren
332
2. Der „befangene" Amts- und Mandatsträger
336
a. Der monokratische Amtsträger
336
b. Mitglieder von Kollegialorganen
338
aa. Die Rechtslage auf dem Gebiet des VerwaltungsVerfahrensrechts ...
338
bb. Die Geltendmachung des Mitgliedschaftsrechts im Kommunalrecht
338
3. Das Geltendmachen von Mitgliedschaftsrechten durch ein überstimmtes Einzelmitglied oder durch eine überstimmte Minderheit im Kommunalverfassungrecht
339
4. Beanstandung der Entscheidung über das Mitwirkungsverbot
341
III. Zur Reichweite des Mitwirkungsverbotes
342
1. Der Begriff des Tätigwerdens
343
a. Zum Kausalitätserfordernis
343
b. Zum Begriff im einzelnen
345
aa. Informationsbezogene Kontaktaufnahmen
346
aaa. Informationsgespräche
346
bbb. Einsicht in Akten und Niederschriften
348
ccc. Beantwortung von Anfragen
350
bb. Verlassen des Sitzungssaales
350
cc. Tätigwerden aufgrund von Weisungen dd. Ausnahmen kraft ungeschriebenen Rechts bzw. kraft Natur der Sache
353
2. Tätigwerden „für eine Behörde"
354 355
Inhaltsverzeichnis 3. „In einem Verwaltungsverfahren" bzw. „in einer Angelegenheit"
357
a. Beginn und Abschluß eines Verfahrens
357
b. Erfassung auch des Vorfeldes eines Verfahrens
358
c. Reichweite in mehrstufigen Verfahren
359
aa. Teilbarkeit des Mitwirkungsverbotes?
360
bb. Erfassung auch der Ausschußtätigkeit
360
cc. Ausklammerung der Fraktionsarbeit
361
IV. Folgen der mangelnden Handlungsbefugnis eines Amts- und Mandatsträgers
362
1. Vertretung des monokratischen Amtsträgers
362
2. Die Auswirkungen bei Kollegialorganen
362
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes I. Die Situation vor Abschluß des Verfahrens
364 364
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
364
1. Zur Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes
367
a. Nichtigkeit aa. Mitwirkung eines befangenen monokratischen Amtsträgers
367 367
aaa. Das Tätigwerden eines Beteiligten oder eines diesem gleichgestellten Amtsträgers
368
bbb. Der Verstoß gegen die übrigen Ausschlußgründe
370
ccc. Verstoß gegen das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit bb. Besonderheiten bei Kollegialorganen aaa. Die Spezialregelung des § 25 V I HGO
372 372 373
bbb. Die Folgen für den Beschluß des Kollegialorgans auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts ccc. Der das Verfahren abschließende Verwaltungsakt b. Rechtswidrigkeit aa. Rechtliche Notwendigkeit des Verwaltungsakts trotz des verbotenen Tätigwerdens aaa. Zur dogmatischen Struktur der §§46 VwVfGe, 42 SGB-X
2 Kazele
376 377 379 379
und 127 AO'77
379
bbb. Extensive Ansichten
383
ccc. Rechtliche Alternativlosigkeit α) Ausklammerung administrativer Letztentscheidungsermächtigungen
384 384
Inhaltsverzeichnis
18
β) Abstrakte oder konkrete Betrachtungsweise? Das Beispiel der Ermessensreduzierung auf Null γ) Der Einfluß der Fehlerart bb. Tatsächliche NichtUrsächlichkeit als weitere Ausnahme der Aufhebbarkeit? 2. Fehlerfolgen bei Zusagen 3. Fehlerfolgen beim Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages sowie bei der Abgabe von auf ihn einwirkenden Willenserklärungen a. Die Fehlerregelungen der §§ 59 II VwVfGe, 58 I I SGB-X aa. Die Regelung der Nr. 1 bb. Die Nr. 2 dieser Normen b. Die Heranziehung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften aa. Die entsprechende Anwendung des § 134 BGB bb. Der Rückgriff auf die gesellschaftsrechtlichen Interessenkollsionsnormen 4. Die Verletzung des Mitwirkungsverbotes im Rahmen der Rechtsetzungstätigkeit a. Der allgemeine Grundsatz b. Sog. Heilungsvorschriften im Kommunalverfassungsrecht: Die Regelung des § 25 V I 2, 3 HGO aa. Die dogmatische Struktur aaa. Herabstufung von Verfahrensregelungen? bbb. Heilung? Fiktion? ccc. Konstitutive rechtscharakterverändernde Elemente? ddd. Die Parallele zur Bindungswirkung von Verwaltungsakten . eee. Die Interpretation als materielle Ausschlußfrist bb. Die verfassungsrechtliche Beurteilung aaa. Abwägungsdefizite bbb. Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes? III. Exkurs: Die unberechtigte Anordnung eines Mitwirkungsverbotes Literaturverzeichnis
385 386 387 389 390 391 391 392 393 393 395 397 397 398 400 400 401 401 402 402 405 405 406 409 411
A. Die Gemeinwohlbezogenheit des Verwaltungshandelns und der Grundsatz der Unparteilichkeit der Verwaltung I . Die Ausrichtung der Verwaltungstätigkeit a m öffentlichen Interesse Gegenstand der vorliegenden Arbeit soll die Untersuchung der Frage sein, auf welche Weise Interessenkollisionen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts bewältigt werden. W i e der Titel der Arbeit deutlich macht, w i r d der Schwerpunkt der Untersuchung auf den verwaltungsrechtlichen Befangenheitsvorschriften liegen, da diese — wie i m folgenden noch zu zeigen sein wird — den Kernbereich der Interessenkollisionsnormen ausmachen. Gewählt wird damit ein Ansatz, der die gesetzlichen Ausprägungen des Unbefangenheitsgebots eingebettet in das weite Feld anderer öffentlich-rechtlicher Interessenkollisionsnormen sieht. Betrachtet werden sollen Gemeinsamkeiten, Wechselwirkungen und Ausstrahlungen der insoweit bestehenden Rechtsinstitute. Beginnt man mit der Untersuchung, so stehen zunächst der übergeordnete Begriff der Interessenkollision und die Frage, warum es Regelungen gibt, die eine solche zu vermeiden suchen, i m Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Beide Aspekte sind mit dem Gegenstand des Verwaltungsrechts, nämlich der öffentlichen Verwaltung, eng verwoben. Positiv kann die öffentliche Verwaltung als die planmäßige, in ihren Zielen und Zwecken durch die Rechtsordnung und innerhalb dieser durch die politischen Entscheidungen der Regierung bestimmte und zugleich begrenzte Tätigkeit öffentlicher Gemeinwesen zur Gestaltung und Gewährleistung des sozialen Zusammenlebens durch konkrete Maßnahmen beschrieben werden
Stellt sich danach die Verwaltung als eine Form der Sozialge-
staltung dar, so hat sie sich mit den Angelegenheiten des Gemeinwesens und der Menschen i m Gemeinwesen zu befassen 2 . Daraus folgt, daß die Verwaltung am öffentlichen Interesse ausgerichtet sein muß. Das Problem der Begriffsbestimmung des öffentlichen Interesses soll an dieser Stelle zunächst nicht weiterverfolgt werden. Entscheidend bleibt in diesem Zusammenhang vielmehr festzuhalten, daß der Verwaltung die Wahrnehmung von Partikularinteressen losgelöst von der Verfolgung öffentlicher Aufgaben verwehrt ist 3 . Denn das öffentliche ι Bachof, EvStL, Sp. 2773; vgl. auch Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht I, § 2 I I a. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 9. 3 Vgl. etwa die „Boxberg"-Entscheidung des BVerfG (NJW 1987, 1251 ff., 1253, 1255) zur Frage der Enteignung zugunsten privater Unternehmen und die Ausführungen 2
2*
20
A. Gemeinwohlbezogenheit des Verwaltungshandelns
Interesse ist durch die Ausrichtung auf das Ganze der menschlichen Gemeinschaft geprägt. Die Verwaltung soll, anders als das Privateigentum gemäß Art. 14 I I 2 GG, nicht „zugleich", sondern „ausschließlich" dem W o h l der Allgemeinheit dienen 4 . Dies stellt zugleich auch einen wesensmäßigen Unterschied zu Privatrechtssubjekten dar. W i e Art. 2 I GG mit seiner Schrankentrias verdeutlicht, haben sie eigene, jeweils unterschiedliche Bestrebungen und Bedürfnisse, deren Erfüllung sie verfolgen. Dies schließt nicht aus, daß sie i m Einzelfall auch öffentliche Interessen wahrnehmen. Während dies jedoch bei jenen Subjekten eine Nebenerscheinung ihrer eigenen privaten und primär verfolgten Zielsetzung ist, existiert die Verwaltung doch nur um der Verfolgung öffentlicher Interessen willen. Diese Feststellung leitet über zu dem Grundsatz der Unparteilichkeit der Verwaltung. Unparteilichkeit läßt sich dabei umschreiben als Bindung an objektive Maßstäbe, unter Hintansetzung subjektiver Interessen und Stellungnahmen, die solche einer Partei sind 5 . Gegen die Annahme eines solchen Grundsatzes könnte nun von vornherein eingewandt werden, daß die Verwaltung j a selbst handelt und daher selbst oft Partei ist, wie etwa bei der Durchsetzung von Ansprüchen des Staates, sie also selbst gar nicht unparteiisch ist und bleiben kann 6 . Indessen darf die Frage, ob die moderne, intervenierende, sozialstaatliche Verwaltung überhaupt unparteiisch sein kann, nicht von dem formellen A k t des Handelns und des auf diese Weise Beteiligtseins der Verwaltung abhängig gemacht werden. W i l l man sich nicht den Blick auf den materiellen Kern des Aussagegehaltes des Begriffs der Unparteilichkeit verstellen, so muß die Charakterisierung der Verwaltungstätigkeit als Handeln im öffentlichen Interesse in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt werden. Zur Verdeutlichung ist dabei mit Dagtoglou terminologisch zwischen Neutralität und Unparteilichkeit zu unterscheiden. Neutralität ist danach als Nicht-Intervention, als ein Fernbleiben vom K o n f l i k t zu definieren 7 . Demgegenüber ist die Unparteilichkeit ein auf Sachlichkeit und infolgedessen Gerechtigkeit bezogener Begriff, der die Realisierung des öffentlichen Interesses, des Gemeinwohls gewährleisten soll. Hier soll noch einmal der Vergleich mit Privatrechtssubjekten bemüht werden. Das einzelne Subjekt kann seine Zielsetzung selbst definieren, damit i m Rahmen der ihm durch die Rechtsordnung gezogenen Grenzen ausschließlich seine Interessen verfolgen, aber auch seinen Empfindungen, j a irrationalen Vorstellungen nachgeben und etwa bewußt ihm selbst nachteilige Entschlüsse fassen. Ganz anders zu der Notwendigkeit einer effektiven rechtlichen Bindung des begünstigten Privaten an das Gemeinwohlziel. 4 Vgl. v. Münch, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 III. 5 Ryffel, in: Morstein Marx, Verwaltung, S. 264 ff., 264. 6 So etwa Meyer, in: Meyer / Borgs, VwVfG, vor § 20 Rn. 5 (der von der institutionellen Parteilichkeit der Verwaltung das Unbefangenheitsprinzip — in personeller Hinsicht — unterscheiden will). ι Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, S. 65 ff., 67.
II. Gemeinwohlkonkretisierung durch Verfahren
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die öffentliche Verwaltung. Da sie das öffentliche Interesse, nämlich das allgemeine W o h l zu realisieren hat, muß sie sich bei ihrem Handeln ausschließlich an rationalen und in der Sache begründeten Kriterien orientieren, um eine in diesem Sinne richtige Entscheidung zu treffen. Der Begriff der Unparteilichkeit ist daher auf die gerechte Intervention, auf ein sachgemäßes Tun bezogen. Neutralität und Unparteilichkeit schließen sich also gegenseitig aus. Wer dem Konflikt fernbleibt, kann zur gerechten Beilegung des Konflikts nicht beitragen. Unparteilichkeit ist also eine Eigenschaft, die nur den sich mit dem K o n f l i k t Befassenden zukommen kann. Sie ist aber gegenstandslos und nichtssagend, wenn sie auf den Fernbleibenden angewandt w i r d 8 . Diese begriffliche Differenzierung findet auch in gesetzlichen Regelungen ihren Ausdruck. So regelt etwa § 116 A F G die Neutralitätspflicht des Staates bei Arbeitskämpfen. Weder durch Zahlung von Arbeitslosen- noch durch die von Kurzarbeitergeld soll in jene eingegriffen werden. Durch dieses Fernbleiben von einem solchem Konflikt soll einer sachgerechten Lösung durch die sich selbst regulierenden Mechanismen Raum gelassen werden. Umgekehrt setzen die noch zu behandelnden gesetzlichen Ausprägungen des Unbefangenheitsprinzips 9 stets ein Tätigwerden voraus, daß in allein durch das Gemeinwohl bestimmten Bahnen gehalten werden soll. Richtet sich somit das Gebot der Unparteilichkeit nur an denjenigen, der handelt, so kann die Verwaltung zwar nicht neutral, soll aber, insbesondere, wenn sie Konflikte löst, unparteiisch sein. Insofern kann und soll vom Prinzip der Unparteilichkeit der Verwaltung gesprochen werden 1 0 .
I I . Gemeinwohlkonkretisierung durch Verfahren W i r d der Grundsatz der Unparteilichkeit der Verwaltung durch die ausschließliche Bindung ihrer Tätigkeit an das öffentliche Interesse als determiniert angesehen, so bleibt die Forderung nach einer Konkretisierung des Begriffs „Öffentliches Interesse" nicht aus. Aus Raumgründen kann diese Problematik hier nur gestreift werden n . Auszugehen ist von der dem Grundgesetz allein entsprechenden Prämisse, daß das öffentliche Interesse als Synonym für den Begriff Gemeinwohl nicht etwas Vorgegebenes, etwas Feststehendes ist. Das Gemeinwohl läßt sich vielmehr in einem pluralistischen Gemeinwesen nicht a priori feststellen, sondern es bildet sich jeweils aus den Konflikten und Kompromissen gesellschaftlicher Gruppen a posteriori heraus 1 2 . In diesem Sinne ist durch die Verfassung 8 Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, S. 65 ff., 67. 9 Siehe Kapitel Β vor I. •o Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, S. 65 ff., 67. 11 Siehe zu einer Problemanalyse des Pluralismus aus politikwissenschaftlicher Sicht: Bohret/Jann/Junkers/Kronenwett, Innenpolitik und politische Theorie, S. 66 ff. und besonders instruktiv S. 195 ff. 12 Bohret, in: K ö n i g / v . Oertzen / Wagener, Öffentliche Verwaltung, S. 53 ff., 56; vgl. auch Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151 ff., 164.
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A. Gemeinwohlbezogenheit des Verwaltungshandelns
die politische Einheit i m Sinne von Hesse aufgegeben. Aus der Vielfalt der menschlichen Interessen, Bestrebungen und Verhaltensweisen muß eine Synthese zu einheitlichem Handeln und Wirken gelingen 1 3 . Der Staat ist in dieser Konzeption der Ort des Interessenausgleichs. Ihm wächst daher die Aufgabe zu, eine ausgewogene, gerechte Interessenregulierung zu gewährleisten 1 4 . V o r diesem Hintergrund gewinnt auch das Verwaltungsverfahren, verstanden in einem weiten Sinne als eine Ordnung von verschiedenen Handlungen, die das Ziel haben eine Verwaltungsentscheidung hervorzubringen 1 5 , eine neue Perspektive. Dieses ist der Kristallisationspunkt der auszugleichenden Interessen. Idealtypischerweise treffen hier Verwaltung und öffentliches Interesse auf der einen, und Bürger und privates Interesse mit einem Abwehranspruch gegen unzulässige Beeinträchtigungen seines Status auf der anderen Seite aufeinander. Beide Interessensphären berühren sich in einem Verwaltungsverfahren und verbinden sich in dem Ziel einer materiell richtigen Entscheidung. Prozessual stellt die sich dabei ergebende Synthese nichts anderes als Gemeinwohlfindung dar 1 6 . Ausgleichs- und regelungsbedürftig sind dabei nicht nur die als Gegensatz begriffenen Belange des Einzelnen und der Allgemeinheit, sondern meist zugleich auch Berührungen oder Überschneidungen von spezifischen Wirkungssphären einiger Bürger untereinander 17 . A n dieser Stelle ist nun zwischen zwei Fallgruppen zu unterscheiden. Einmal kann der i m Einzelfall erforderliche Ausgleich zwischen dem Interesse des einzelnen Bürgers und dem Interesse der Allgemeinheit schon vom Gesetzgeber vorgenommen sein. In diesem Fall besitzt er für die Rechtsanwendung lediglich mittelbare Bedeutung. Die gesetzgeberische Konfliktentscheidung ist hier durch die Verwaltung in dem der Entscheidung vorausgehenden Verwaltungsverfahren lediglich nachzuvollziehen 1 8 . Weitaus bedeutender für den hier interessierenden Zusammenhang ist demgegenüber der Bereich, in dem der Exekutive Entscheidungsspielräume zur Verfügung stehen. Wenngleich es sich hier nicht um eine gesetzesfreie Konfliktlösung durch die Verwaltung handelt, sondern um die gesetzesdirigierte Bestimmung materiell-rechtlicher M e r k m a l e 1 9 , so ist doch nicht zu verkennen, daß das Verwal13
Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 1 II. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 26 V und § 37 I I 3; Bohret / Jann / Junkers / Kronnenwett, Innenpolitik und politische Theorie, S. 201. 15 Held, Der Grundrechtsbezug des VerwaltungsVerfahrens, S. 19 f., 22; vgl. auch Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 13. ι 6 Schmitt Glaeser, in: Lerche / Schmitt Glaeser / Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, S. 35 ff., 61; Schmidt-Aßmann, ebenda, S. 1 ff., 22. 17 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 537; Schmitt Glaeser, in: Lerche / Schmitt Glaeser / Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, S. 61. 18 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 50. 14
II. Gemeinwohlkonkretisierung durch Verfahren
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tungshandeln hier in einer gewissen Freiheit erfolgt. Die Verwaltung ist ermächtigt, eigene Ermessenserwägungen anzustellen und i m Rahmen dieser Maßstabskompetenz die vom Gesetzgeber nur zum Teil konzipierte N o r m zu ergänzen 2 0 . Dabei erweist sich der erwähnte Idealtypus des Interessenkonflikts regelmäßig als Verkürzung der Sichtweise. Die geschilderten Bürgerbeziehungen „ m i t " und „unter" der Verwaltung 2 1 sind zwar meist durch eine Divergenz in der Interessenlage gekennzeichnet. Dies aber nicht nur in der Weise, daß die Interessen schlicht gegenläufig sind, sondern ebenso in dem Sinne von vielfach verschränkten Belangen. Dem einen Interesse kann regelmäßig nichts zugestanden werden, ohne daß in einer Art Kettenreaktion zahlreiche andere Interessen berührt werden 2 2 . Zumindest latent nehmen dabei Bürger durchaus auch öffentliche Interessen wahr, wenn sie etwa darauf achten, daß andere Bürger den ihnen gesetzlich gezogenen Rahmen des Erlaubten bei der Realisierung eines Vorhabens nicht überschreiten 23 . Dies zeigt, daß der Interessenausgleich, der durch die Verwaltung bewerkstelligt werden soll, i m Gegensatz zur Modellvorstellung ein vielschichtiger und komplexer Vorgang ist. Damit ist zugleich das Problem der Entscheidungsfindung angesprochen. Nach der behavioristisch-rationalen Entscheidungstheorie, die heute i m Vordergrund der Erörterungen steht, ist die skizzierte Problem- und Umweltkomplexität der entscheidende Ansatzpunkt. Sie steht in einem Spannungsverhältnis zu der beschränkten Informationsverarbeitungskapazität des Entscheidenden. Diese auseinanderdriftenden Faktoren werden zum einen durch Prozesse des Lernens und Suchens
sowie
zum
anderen
durch
ein
arbeitsteiliges
Zusammenwirken
überbrückt 2 4 . Die Entscheidungsfindung stellt sich danach als ein Ablaufprozeß innerhalb einer Zeiteinheit dar, der sich aus der Interaktion zwischen einem Entscheidungsträger, dem System und dessen U m w e l t ergibt 2 5 . Die zentrale Stellung nimmt damit das Prozeßhafte der Entscheidungsbildung ein: Das Ergebnis der Abwägung ist insbesondere bei offenen Normprogrammen nicht als Deduktion aus objektiven „Rechtslagen" zu verstehen, sondern es stellt sich als das Produkt der einzubringenden Subjektivitäten dar, die durch den Ausfall oder das „Zuspätkommen" einer einzigen ihrer Voraussetzungen verändert werden k a n n 2 6 . Ob dem Verwaltungsverfahren lediglich die Funktion der Informationsbe-
'9 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 vor Rn. 8; Martens, Die Praxis des VerwaltungsVerfahrens, Rn. 50 FN 150, Rn. 21 ff. 20 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 50 FN 150. 2· Schmitt Glaeser, in: Lerche / Schmitt Glaeser / Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, S. 35 ff., 77. 22 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 536. 23 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 537. 24 Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), 179 ff., 194. 25 Schmitt Glaeser, Festschrift für Boorberg Verlag, 1977, S. 1 ff., 36 ff.; ders., VVDStRL 31 (1973), S. 179 ff., 194 f. 26 Hufen, NJW 1982, 2160 ff., 2166.
24
A. Gemeinwohlbezogenheit des Verwaltungshandelns
Schaffung zukommt, wie verbreitet behauptet w i r d 2 7 , erscheint vor diesem Hintergrund fraglich. Die strikte Trennung eines äußeren Verfahrens mit dem Ziel der Informationsbeschaffung von einem verwaltungsinternem Informationsverarbeitungsprozeß, der schließlich die Entscheidung hervorbringt, liegt unter Berücksichtigung der Aussagen der neueren Entscheidungstheorien aber jedenfalls eine unnötige Verengung des Verfahrensbegriffs
zugrunde 2 8 .
Damit stellt sich das Problem der Gemeinwohlkonkretisierung nicht nur als ein materielles Gerechtigkeitsproblem dar, erforderlich ist vielmehr auch Verfahrensgerechtigkeit. Dies lenkt nun die Aufmerksamkeit auf verfahrensrechtliche Absicherungen einer ausgewogenen, gerechten Interessenregulierung. Soll nämlich in der Sache selbst gerecht entschieden werden, so sind die kollidierenden Interessen richtig gegeneinander abzuwägen und damit zu bewerten 2 9 . Diese als Soll-Interesse zu bezeichnende Zielsetzung der Verwaltung hat nun auch notwendigerweise der einzelne Amtsträger zu verfolgen. Denn ist die Verwaltung als ganze verpflichtet, sachgerecht und damit frei von sachfremden Einflüssen vorzugehen, so muß der einzelne Amtsträger bei seiner Amtsausübung diesem Prinzip denknotwendig ebenfalls verpflichtet sein. Dieses Soll-Interesse kann nun mit den tatsächlichen Bestrebungen und Bedürfnissen, die sich aus der Vorstellung und dem W o l l e n des Amtsträgers ergeben — kurz seinem Ist-Interesse 30 — , kollidieren. Dem Amtsträger ist es nun in derartigen Fällen aufgrund seiner M i t w i r k u n g in einem Verwaltungsverfahren auf Seiten der schließlich entscheidenden Verwaltung möglich, den erforderlichen Interessenausgleich zu behindern und sein Ist-Interesse dominieren zu lassen. U m den Grundsatz der Unparteilichkeit der Verwaltung zu gewährleisten, sind daher Normen erforderlich, die derartige Interessenkollisionen verhindern. Die Funktion von Interessenkollisionsnormen kann mithin in der Weise umschrieben werden, daß sie zur Sicherung der Gemeinwohlkonkretisierung den Einfluß von unsachlichen psychologischen M o t i v e n auf die Verwaltungsentscheidung verhindern w o l l e n 3 1 . Verfolgt wird mit ihnen also das Z i e l der Gewährleistung eines ungestörten und ausgewogenen Interessenausgleichs. Der Verfahrensbezug der Gemeinwohlfindung macht dabei deutlich, daß die Sicherung des korrekten Nachvollzugs eines gesetzlich schon vorgenommenen bzw. die Vornahme eines gesetzlich dirigierten Interessenausgleichs in der Verfahrensgestaltung ansetzen muß. Die insoweit einschlägigen Befangenheitsvorschriften be27 Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 19 ff.; Bettermann, Festschrift für Hans Huber, 1981, S. 25 ff., 47. 28 Vgl. Schmitt Glaeser, Festschrift für Boorberg Verlag, 1977, S. 1 ff., 38 f.; Brohm, VVDStRL 30 (1972), 245 ff., 253 ff., 289 ff.; Hufen, NJW 1982, 2160 ff., 2164. 29 Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 26 V 1. 30 Terminologie nach v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteresse, S. 33. 31 Vgl. Gaisbauer, österr. VwArch. 1970, S. 53 ff., 53; Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, S. 65 ff., 88.
III. Nicht nur Sicherung der Entscheidungsfindung
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zwecken vor diesem Hintergrund das Fernhalten des Amtsträgers von den Verwaltungsverfahren, an dessen Gegenstand er oder eine ihm nahestehende Person ein Sonderinteresse h a t 3 2 .
I I I . Nicht auf die Sicherung der Entscheidungsfindung gerichtete Interessenkollisionsnormen Indessen ist diese Funktionsbestimmung nur für einen Teil der auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts bestehenden Interessenkollisionsnormen einschlägig. Interessenkollisionsnormen der dargestellten Provenienz sind auf das Produkt des einschlägigen Verwaltungshandelns ausgerichtet und wollen insoweit Absicherungen zu dessen Sachrichtigkeit treffen. Demgegenüber wählt eine andere Kategorie von Interessenkollisionsnormen mit der Absicherung der Sachgebundenheit der Verwaltung einen breiteren Ansatzpunkt. Denn die Sachgerechtigkeit der Verwaltungsentscheidung ist bei einer Interessenkollision nicht notwendigerweise gefährdet. Der betroffene Amtsträger kann dieser aufgrund seiner Motivationslage vielmehr indifferent gegenüberstehen, weil sie ihn nicht betrifft. Gleichwohl kann er aber das von ihm bekleidete öffentliche A m t zu persönlichen Zwecken außerhalb der kompetenzmäßig in Frage stehenden Verwaltungstätigkeit ausnutzen. U m dies mit einem Beispiel zu illustrieren: Sammelt die Verwaltung etwa Daten und Informationen, um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können, ζ. B. um eine Entscheidung vorzubereiten, so sollen diese lediglich zur Verfolgung des insoweit einschlägigen öffentlichen Interesses dienen. Offensichtlich ist dabei, daß diese Zweckbindung mit der oben als Ist-Interesse bezeichneten Einstellung des öffentlichen Funktionsträgers in Konflikt geraten kann, ohne daß die Informationserhebung oder die ergehende Entscheidung beeinträchtigt werden müßte. Hat ein öffentlicher Funktionsträger bestimmte Kenntnisse infolge der Wahrnehmung seines Amts bzw. Mandats erlangt, so ist es ihm möglich diese für seine sonstige berufliche Tätigkeit zu nutzen oder private Dispositionen zu treffen, die ihm einen Vorteil gegenüber außerhalb der Verwaltung stehenden Dritten bringen und unter Umständen weitere schädigende Auswirkungen haben. Z u m Schutz der Verwaltung wie auch der einzelnen Betroffenen und der Allgemeinheit 3 3 müssen daher über die Absicherung der Sachrichtigkeit der Verwaltungsentscheidung hinausreichende Vorkehrungen getroffen werden. Diese Kategorie von Interessenkollisionsnormen wird dabei in vielfältigen Formen wirksam. U m bei dem gewählten Beispiel der unberechtigten Ausnutzung eines Informationsvorsprunges zu bleiben, kann einer Interessenkollision dadurch entgegengewirkt werden, daß es dem Amts- und Mandatsträger untersagt 32 Vgl. dazu im Einzelnen Kapitel Β. I., sowie Kapitel D zu den Wirkungsweisen der anderen Interessenkollisionsnormen. 33 Einzelheiten dazu in Kapitel D, Erster Abschnitt II., sowie in Kapitel E I. 2.
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A. Gemeinwohlbezogenheit des Verwaltungshandelns
wird, Informationen an interessierte Dritte weiterzugeben. Interessenkollisionsnormen können jedoch insoweit auch i m verwaltungsinternen Bereich ansetzen und einen öffentlichen Funktionsträger von der Tätigkeit ausschließen, die ihm persönlich interessierende Informationen zur Kenntnis bringen würde. Da ein derartiger Ansatz in bestimmten Konstellationen die effektive Wahrnehmung der öffentlichen Funktion in erheblichem Maße behindern, wenn nicht sogar unmöglich machen würde, setzen andere Interessenkollisionsnormen außerhalb der Verwaltungstätigkeit an. Dem betroffenen Amts- und Mandatsträger w i r d etwa eine außerdienstliche Tätigkeit untersagt, sofern sie m i t seinen öffentlichen Pflichten kollidieren könnte. Den Interessenkollisionsnormen dieser zweiten Kategorie kommt dabei i m Hinblick auf den Grundsatz der Unparteilichkeit der Verwaltung nur eine K o m plementärfunktion zu, da sie nicht auf die gerechte Intervention der Verwaltung ausgerichtet sind. Denn der Erfolg des zu verhindernden Handelns des betreffenden Funktionsträgers tritt j a gerade außerhalb dieser Verwaltungstätigkeit ein und läßt grundsätzlich das konkrete Verwaltungshandeln, in dem sich die sachgerechte Intervention der Verwaltung manifestiert, unberührt. Nur sofern innerhalb der konkreten Verwaltungssphäre ein Mißbrauch der Kompetenzen hinsichtlich des Verwaltungshandelns selbst durch den interessierten Amts- und Mandatsträger droht, sind der Grundsatz der Unparteilichkeit der Verwaltung und die insoweit einschlägigen Interessenkollisionsnormen angesprochen. Die folgende Untersuchung w i r d allerdings zeigen, daß sich die verschiedenen, zu behandelnden Rechtsinstitute nicht stringent nur einer dieser beiden Kategorien von Interessenkollisionsnormen zuordnen lassen, sondern partiell eine Überlappung dieser funktionalen Aspekte zu konstatieren ist.
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht M i t diesen einführenden Bemerkungen ist bereits die zentrale Bedeutung der Befangenheitsvorschriften i m Rahmen der verwaltungsrechtlichen Interessenkollisionsnormen sichtbar geworden. Die gesetzlichen Ausprägungen des Unbefangenheitsgebots finden sich zum einen in den „drei Säulen" 1 des Verwaltungsverfahrensrechts, dem V w V f G des Bundes vom 25. 5. 1976 (und den weitgehend inhaltsgleichen Verwaltungsverfahrensgesetzen der einzelnen Bundesländer), der Abgabenordnung v o m 16. 3. 1976 und dem ersten Kapitel des 10. Buches des Sozialgesetzbuches v o m 18. 8. 1980. In diesen drei Verfahrensgesetzen sind in den § § 2 0 , 21 V w V f G , 82, 83 A O und 16, 17 S G B - X nahezu inhaltsgleiche Normierungen des Unbefangenheitsprinzips enthalten. In verschiedenen Verwaltungsteilbereichen waren bereits zuvor entsprechende gesetzliche Regelungen zu finden. Besondere Bedeutung hat insoweit das, in allen Gemeindeordnungen verankerte Verbot der M i t w i r k u n g von Gemeinderatsmitgliedern bei Angelegenheiten, an denen sie ein Sonderinteresse besitzen, erlangt. § 59 B B G und die entsprechenden Bestimmungen der Landesbeamtengesetze sehen die Entbindung des Beamten von gegen ihn oder seine Angehörigen gerichteten Amtshandlungen vor.
I . Systematik und Terminologie I m ersten Kapitel wurde bereits dargelegt, daß Kennzeichen der unparteiischen Entschließung der Einfluß unsachlicher psychologischer Motive ist. Befangenheit ist damit ein innerer Zustand, eine innere Einstellung 2 . Dies hat verschiedene Konsequenzen. Einmal ist es möglich, daß sie einem Außenstehenden niemals manifest wird, und ihre schädliche W i r k u n g i m Verborgenen entfaltet. Dies umso mehr, als sie den Handelnden selbst nicht einmal bewußt zu werden braucht 3 . Ersichtlich kann einer solchen latenten Befangenheit nicht mit rechtlichen M i t t e l n begegnet werden. Erfolg verspricht dies nur, wenn die Befangenheit nach außen hin erkennbar wird. Auch in diesem Fall ist es jedoch für die Verfahrensbeteilig1 Ule, VerwArch. 76 (1985), S. 129 ff., 144; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, Einl. 51 ff., 52. 2 Krekeler, NJW 1981, 1633 ff., 1633; Buschmann, RiA 1986, 225 ff., 225. 3 Krekeler, NJW 1981, 1633 ff., 1633; Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, S. 270.
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Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
ten nicht ohne weiteres erkennbar, ob der Amtsträger tatsächlich befangen ist oder lediglich einen dahingehenden Eindruck erweckt. Als Folge dieser Problemlage verlangen die erwähnten Befangenheitsvorschriften nicht eine tatsächliche Befangenheit, sondern lassen Fallkonstellationen für ein Mitwirkungsverbot des Amtsträgers ausreichen, in welchen eine Befangenheit möglich erscheint 4 . Dabei lassen sich wiederum zwei Kategorien von Befangenheitsvorschriften unterscheiden. Einmal existieren abschließend aufgezählte Fälle, in denen ein Amts- und Mandatsträger von der M i t w i r k u n g im Verfahren kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Daneben besteht die Möglichkeit des Handlungsverbots wegen Besorgnis der Befangenheit. Da beide Kategorien unterschiedliche Voraussetzungen für ein Mitwirkungsverbot aufstellen, soll der terminologischen Klarheit w i l l e n die folgende Unterscheidung getroffen werden.
1. Die Ausschlußgründe Hier knüpft das Handlungsverbot wegen Befangenheit in abstrakter Weise an typische Konfliktsituationen, wie nahe Verwandtschaft des Amtsträgers mit dem Antragsteller an, und beansprucht absolute, auch durch den Nachweis tatsächlicher Unbefangenheit nicht zu erschütternde Geltung. A u f die persönliche Einstellung dieses Amtsträgers zu der betreffenden Angelegenheit und die Person des beteiligten Bürgers kommt es nicht an, die subjektive Auffassung beider ist unwesentlich. Bei diesen als Ausschlußgründe zu bezeichnenden Befangenheitsvorschriften wird die normierte Interessenkollision unwiderleglich vermutet 5 .
2. Die Besorgnis der Befangenheit Demgegenüber stellt die andere Kategorie von Befangenheitsvorschriften darauf ab, ob nach den Umständen des Einzelfalls konkreter Anlaß zum Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Amtsträgers besteht. Die Befangenheit beruht hier somit nicht auf einer unwiderlegbaren gesetzlichen Vermutung, sondern auf Besonderheiten des Einzelfalls. Es geht mit anderen Worten darum, ob die Besorgnis besteht, der Amtsträger werde an die entsprechenden Angelegenheiten nicht unbefangen herangehen. Deshalb ist präzise gesprochen auch nicht Ablehnung oder Ausschließung wegen Befangenheit, sondern wegen Besorgnis der Befangenheit — allein dieses ist schon ausreichend — hier die Frage 6 .
4 Soweit daher im Folgenden von einem Befangenen die Rede ist, wird dieser Terminus in einem untechnischen Sinne gebraucht. 5 Scheuing, NVwZ 1982, 487 ff., 487. 6 Foerster, SKV 1975, 11 ff., 11.
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
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I I . Abgrenzung der Regelungsbereiche Die genannten Befangenheitsvorschriften sind verschiedenen Regelungsbereichen des Verwaltungsrechts entnommen. Sie alle statuieren für Personen, bei denen ein abstrakter oder konkreter Befangenheitsgrund vorliegt, ein M i t w i r kungsverbot in einem Verfahren, das ein Träger der öffentlichen Verwaltung durchführt. Damit stellt sich die Frage nach dem Anwendungsbereich und dem Verhältnis der beamten-, kommunal- und verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen zueinander.
I . Das Verhältnis der verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften zueinander a. Abgrenzung
des formellen
Anwendungsbereiches
Die Anwendungsbereiche der zu Anfang genannten Verfahrensgesetze ergeben sich aus den § § 1 , 2 B V w V f G und den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften sowie aus § 1 A O '77 und § 1 SGB-X.
aa. Der kompetenzielle Anwendungsbereich der V w V f G e Hier ist zunächst auf das Verhältnis des B V w V f G zu den Landesverwaltungsverfahrensgesetzen einzugehen. Dabei soll aus Gründen der Übersichtlichkeit lediglich das Verhältnis zwischen dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes ( B V w V f G ) und dem hessischen Verwaltungsverfahrensgesetz ( H V w V f G ) betrachtet werden. Das B V w V f G knüpft seinen kompetentiellen Anwendungsbereich zunächst in § 1 I Nr. 1 an die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten, Stiftungen des öffentlichen Rechts. Ferner gilt es für die Behörden der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen (§ 1 I Nr. 2 B V w V f G ) , und, wenn sie Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen (§ 1 I I B V w V f G ) . Demgegenüber gilt das H V w V f G nach § 1 I für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Landes, der Kommunen und der anderen der Aufsicht des Landes unterstehenden öffentlich-rechtlichen Organisationen. Grenzt man die Anwendungsbereiche dieser beiden V w V f G e gegeneinander ab, so sind hinsichtlich der Tätigkeit der zuletzt genannten Behörden mehrere Fallvarianten zu unterscheiden.
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
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Führen sie Landesgesetze aus oder handeln sie i m gesetzesfreien Raum, so greift das B V w V f G überhaupt nicht ein. Einschlägig ist vielmehr auf der Grundlage der ausschließlichen Landesgesetzgebungskompetenz des Art. 70 G G das Landesrecht 7 . Bei der Ausführung von Bundesrecht durch diese Behörden ist hingegen eine Konkurrenz des H V w V f G mit dem B V w V f G festzustellen. Dies nämlich dann, wenn Hessen nach dem Inkrafttreten des B V w V f G erlassene Bundesgesetze nach Art. 83 G G als eigene Angelegenheit auszuführen hat. Ohne Rücksicht auf diesen zeitlichen Aspekt ist dies ebenfalls bei Bundesgesetzen festzustellen, die Hessen in Auftragsverwaltung nach Art. 85 G G ausführt 8 . § 1 I I I B V w V f G löst diese Kollision dahingehend auf, daß das jeweilige Landesverwaltungsverfahrensgesetz, hier also das H V w V f G , auch für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder — gleich, ob dieses als eigene Angelegenheit oder i m Auftrag des Bundes ausgeführt w i r d — an die Stelle des B V w V f G tritt. Das B V w V f G tritt dabei allerdings nur soweit zurück, als die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit durch ein V w V f G geregelt ist. M i t diesen „soweit"-Vorbehalt, der nicht die Existenz eines Landes V w V f G genügen läßt, ist für den beschriebenen Konkurrenzbereich grundsätzlich ein Einfallstor für die Anwendung des B V w V f G bei der Ausführung von Bundesgesetzen durch die hessischen Landesbehörden gegeben 9 . Ist für nach dem Inkrafttreten des B V w V f G am 1. 1. 77 erlassene Bundesgesetze, die Hessen nach Art. 83 G G als eigene Angelegenheit auszuführen hat, keine spezielle N o r m vorhanden, die das B V w V f G für anwendbar erklärt, so folgt aus der Regelung des § 1 I I 2 B V w V f G , daß § 1 I H V w V f G unmittelbar kraft der Landesgesetzgebungskompetenz des Art. 72 I G G g i l t 1 0 .
bb. Bereichsausnahmen Für die im Einzelfall erforderliche Abgrenzung ist weiter zu beachten, daß der Anwendungsbereich der V w V f G e beschränkt ist:
aaa. Totaler Anwendungsausschluß
der VwVfGe
— V ö l l i g von der Anwendung ausgeschlossen ist das B V w V f G gemäß § 2 I hinsichtlich der Tätigkeit der Kirchen, der Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihrer Verbände und Einrichtungen. Einen insoweit identischen Anwendungsausschluß enthält § 2 I H V w V f G . 7 Meyer, in: Meyer / Stolleis, HessStVwR, S. 89 ff., 93; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 8 I 2. » Meyer, in: Meyer / Stolleis, HessStVwR, S. 89 ff., 93. 9 Meyer, in: Meyer / Stolleis, HessStVwR, S. 89 ff., 93. 10 Meyer, in: Meyer/ Stolleis, HessStVwR, S. 89 ff., 93.
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II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
— Das für die Verwaltungstätigkeit des Bundes in Betracht kommende B V w V f G gilt nach § 2 I I Nrn. 1 und 4 weiter nicht für das Verfahren der Finanzbehörden nach der A O und nicht für das Sozialleistungsrecht. Für diese beiden Bereiche bestehen in § 1 A O '77 und § 1 S G B - X Sonderzuweisungen. Demgemäß enthält auch das H V w V f G in § 2 I I Nrn. 1 und 3 entsprechende Bereichsausnahmen. Da § 4 H K A G für kommunale Abgaben, also kommunale Steuern, Beiträge und Gebühren, gerade auch eine Reihe von verfahrensrechtlichen Vorschriften der A O '77 für anwendbar erklärt, fallen die kommunalen Abgaben ganz aus dem Anwendungsbereich des H V w V f G heraus 1 1 . — Ausgenommen sind nach § 2 I I Nrn. 2, 3, 5 und 6 B V w V f G der Bereich der Strafverfolgung (geregelt in der StPO), das Bußgeldverfahren (einschlägig ist hier das O W i G ) sowie das Lastenausgleichs-, Wiedergutmachungs- und Patentrecht. Das H V w V f G enthält in § 2 I I Nr. 2, 4, und 5 weitgehend entsprechende Regelungen. Hinzu tritt in der Nr. 6 die Unanwendbarkeit auf die Berufung von Hochschullehrern. Der Grund für diese Ausnahmen ist darin zu sehen, daß hier in Spezialgesetzen, etwa L A G , Patentgesetz, besondere ζ. T. lückenhafte vorschriften
12
Verfahrens-
bestehen.
— Das B V w V f G gilt ferner nicht für die deutschen Auslandsvertretungen und nicht für die Benutzung der Post- und Fernmeldeeinrichtungen der Bundespost. — § 2 I 2. Alternative H V w V f G bestimmt, daß die Tätigkeit des Hessischen Rundfunks von der Anwendung des H V w V f G ausgeschlossen bleibt.
bbb. Partieller
Anwendungsausschluß
— Gemäß § 2 I I I findet das B V w V f G zudem keine Anwendung auf Behörden der Justizverwaltung, soweit ihre Tätigkeit nicht der Kontrolle der Verwaltungsgerichte unterliegt — I m übrigen gilt das B V w V f G nach § 2 I I I Nr. 2 nur teilweise für die Tätigkeit der Behörden bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen. § 2 I I I Nr. 2 H V w V f G wiederholt diese Bestimmung für seinen Geltungsbereich. Hinzu kommt in § 2 I I I Nr. 3 H V w V f G eine teilweise Erstreckung des Anwendungsbereichs auf die Tätigkeit der Schulen. Für den sich i m Rahmen dieser Arbeit stellenden Fragenkreis ist von Interesse, das insoweit die Befangenheitsvorschriften der §§ 20, 21 B V w V f G für anwendbar erklärt werden. Lediglich § 20 I Nr. 2 H V w V f G soll keine Anwendung auf Schullein Meyer, in: Meyer / Stolleis, HessStVwR, S. 89 ff., 96 problematisiert dies mit den Hinweis darauf, § 4 H K A G verweise nicht auf das Rechtsbehelfs verfahren der AO '77, so daß die Regelung des § 80 HVwVfG Anwendung finden müsse. '2 Wittern, Grundriß des Verwaltungsrechts, § 4 I I Rn. 29.
32
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht ter und Lehrer finden, wenn ein von ihnen unterrichteter Schüler Beteiligter ist 1 3 . cc. Die Subsidiaritätsregeln Diese von der Geltung der V w V f G e ausgenommenen Bereiche sind grundsätz-
lich spezialgesetzlichen Regelungen überlassen 14 . Aber auch wo die V w V f G e ihre Anwendbarkeit nicht ausdrücklich ausschließen, gelten sie nach § 1 I, I I B V w V f G und § 1 H V w V f G nur, soweit Rechtsvorschriften des Bundes bzw. des Landes nicht inhaltsgleiche oder entgegenstehende Vorschriften enthalten, also nur subsidiär. Zu beachten ist dabei, daß über diese „soweit-Klausel" ein totaler Anwendungsausschluß nicht möglich ist. Das Fachgesetz schließt die Anwendung der V w V f G e nur soweit aus, wie die von ihm selbst getroffenen Regelungen reichen 1 5 . Erst wenn diese Prüfungen zu keiner speziellen Verfahrensregelung führen, greifen die Regelungen der § 1 I, I I B V w V f G und § 1 I H V w V f G ein, denen insoweit der Charakter von Generalklauseln z u k o m m t 1 6 .
dd. Der formelle Anwendungsbereich des S G B - X Das Verwaltungsverfahren des SGB-X ist für alle dem Bundesstaat zuzurechnenden Behörden verbindlich. Für die Behörden des Landesrechtskreises gilt § 1 1 1 S G B - X bei der Ausführung von besonderen Teilen des SGB, die nach Inkrafttreten der Vorschriften des ersten Kapitels des S G B - X Bestandteil des SGB werden, jedoch nur, soweit diese besonderen Teile mit Zustimmung des Bundesrates die Vorschriften dieses Kapitels für anwendbar erklären. I m übrigen treten die §§ 1 bis 66 S G B - X gemäß § 1 11 S G B - X hinter spezielleren Vorschriften der bereits kodifizierten oder in das Sozialgesetzbuch integrierten Teile (SGB I bis I X ) zurück. Sie gelten nach § 1 I 3 S G B - X auch nicht für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Eine Subsidiarität ist somit auch bei dem ersten Kapitel des SGB-X festzustellen. Damit handelt es sich lediglich um eine interne Subsidiarität. Das Verwaltungsverfahren des S B G - X tritt lediglich gegenüber Spezialregelungen des SGB selbst zurück, nicht aber gegenüber externen gesetzlichen Regelungen 1 7 . Die Vorbehaltsklausel des § 1 I 2 S G B - X bezieht sich lediglich auf neue Kodifikationsschritte, die bislang nur als Teile des SGB geltende Materien endgültig •3 Siehe dazu auch Kapitel F III. 1 b cc. 14 Wendt, JA 1980, 25 ff., 26. is Meyer, in: Meyer / Stolleis, HessStVwR, S. 89 ff., 95. 16 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, § 1 I Rn. 2. 17 W . Meyer, SGb. 1981, 501 ff., 502.
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
33
einordnen. Die Vorschriften des S G B - X sind somit auf alle in Art. I I S G B - I genannten Gesetzesmaterien anzuwenden, soweit in diesen Teilen nicht besondere Vorschriften normiert sind.
ee. Der Anwendungsbereich der A O '77 Auch die A O '77 gilt nicht für alle Steuern, sondern nach § 1 I A O '77 nur für solche Steuern (einschließlich Steuervergütungen), die durch Bundesrecht (Art. 105 GG) oder das Recht der Europäischen Gemeinschaften geregelt werden, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet (Art. 108 GG) werden 1 8 . Für Realsteuern nach § 3 I I A O '77 gilt die A O '77 nach § 11 A O '77 insoweit, wie sie durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Diese Verwaltung erstreckt sich auf das Verfahren zur Festsetzung und evtl. zur Zerlegung des Steuermeßbetrages (§§ 22 I; 184 I I I ; 185 A O '77). Außer in den Stadtstaaten obliegt die Festsetzung, Erhebung und Beitreibung dieser Steuern den steuerberechtigten Gemeinden (vgl. Art. 108 I V 4 GG). Für die von den Gemeinden verwalteten kommunalen Steuern gilt die A O '77 nur, soweit in den Landesgesetzen über die kommunalen Steuern die A O '77 für anwendbar erklärt worden ist. Z u beachten sind hier die Kommunalabgabengesetze
19
.
A u f steuerliche Nebenleistungen i. S. des § 3 I I I A O '77 sind die Vorschriften der A O '77 gemäß § 1 I I I A O '77 sinngemäß anzuwenden.
b. Abgrenzung
des materiellen
Anwendungsbereichs
Gemäß dem i m Bundes- und hessischen V w V f G übereinstimmenden § 9 und dem inhaltsgleichen § 8 S G B - X unterstehen den verfahrensrechtlichen Bestimmungen der V w V f G e und des ersten Kapitels des S G B - X diejenigen Verwaltungstätigkeiten, die nach außen wirken und auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlaß eines Verwaltungsaktes oder den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet sind einschließlich des Abschlusses des Vertrages oder des Erlasses des Verwaltungsaktes. Damit sind wichtige Verwaltungstätigkeiten aus dem Geltungsbereich dieser Verfahrensgesetze ausgeklammert. So etwa das schlichthoheitliche Verwaltungshandeln ebenso wie die Handlungen der Bedarfsverwaltung und der (im Rahmen des SGB nur beschränkt relevanten) erwerbswirtschaftlichen Betätigung oder wegen des Merkmals der Außenwirksamkeit auch die sogenannten internen Verwaltungsverfah18 Tipke, Steuerrecht, § 2, 1., S. 12. 19 Tipke, Steuerrecht, § 2, 1., S. 13. 3 Kazele
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Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
ren, also etwa alle Vorgänge i m Bereich des Verwaltungsträgers, die nur dessen Selbstorganisation, Meinungsbildung und Entscheidungsvorbereitung vor der Kontaktaufnahme mit dem außenstehenden Rechtssubjekt dienen 2 0 . In den von der Geltung der V w V f G e insgesamt ausgenommenen Bereichen, unter denen die Sachbereiche der Abgabenordnung und des Sozialrechts die größten sind und daher in die Betrachtung einbezogen werden, stellt sich das Problem der Kollision spezialgesetzlicher Regeln und der allgemeinen Regeln der V w V f G e von der gesetzlichen Regelungssystematik her n i c h t 2 1 .
2. Das Verhältnis der Vorschriften aus dem Kommunalrecht zu den Befangenheitsvorschriften des HVwVfG a. Der personelle Anwendungsbereich des kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbotes Die Betrachtung soll auch hier wieder exemplarisch auf die hessische Rechtslage beschränkt werden. Das in § 25 H G O geregelte kommunalrechtliche M i t w i r kungsverbot umfaßt nach der ausdrücklichen Anordnung des Abs. 1 jede hauptund ehrenamtliche Tätigkeit in der Gemeinde. Gemäß § 35 I I H G O sind die Gemeindevertreter als ehrenamtlich Tätige in dem eingeschränkten Sinn der §§ 24-26, 27 H G O zu betrachten 2 2 . Erfaßt von diesem Mitwirkungsverbot werden also Gemeindevertreter ebenso wie Mitglieder der Ausschüsse der Gemeindevertretung und Mitglieder des Gemeinde Vorstandes 23 . Nach der Verweisungsvorschrift des § 18 I H K O gilt das Mitwirkungsverbot des § 25 H G O entsprechend für die ehren- und hauptamtliche Tätigkeit in den Landkreisen. Gemäß § 28 I I 1 H K O sind die Kreistagsabgeordneten ebenso wie die Gemeindevertreter nach § 35 I I H G O als ehrenamtlich Tätige anzusehen, mit der Maßgabe, daß auch für sie das Mitwirkungsverbot des § 25 H G O gilt. Keine Anwendung findet danach die Interessenkollisionsnorm des § 25 H G O auf Gemeinde- und Kreisbedienstete, die keine ehren- oder hauptamtliche Tätigkeit für ihre kommunalen Gebietskörperschaften wahrnehmen. Für die insoweit verbleibende Gruppe der Angestellten und Arbeiter ergeben sich damit M i t w i r kungsbeschränkungen bei Vorliegen einer Befangenheit i m Rahmen eines Verwaltungsverfahrens aus den subsidiär ( § 1 1 H V w V f G ) heranzuziehenden §§ 20, 21 H V w V f G 2 4 . Sofern es sich um eine Tätigkeit außerhalb eines Verwaltungsver-
20 W. Meyer, SGb. 1981, 501 ff., 505. 21 Wendt, JA 1980, 25 ff., 27. 22 Meyer, in: Meyer / Stolleis, HessStVwR, S. 138 ff., 169. 23 H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. II, XVIII; Schneider-Jordan, HGO, § 25 Erl. 2; v. Arnim, JA 1986, 1 ff., 1 FN 1. 24 Vgl. Galette / Laux-Borchert, GO SH, § 22 Abs. 1 Anm. 2.
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
35
fahrens handelt, sind diese Regelungen analog als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens heranzuziehen 25 . b. Der gegenständliche
Anwendungsbereich
Gegenständlich bezieht sich das Mitwirkungsverbot nach § 25 I 1 H G O auf die Beratung und Entscheidung von Angelegenheiten der Gemeinde. Die Aufgaben der Gemeinde lassen sich dabei mit den freiwilligen und Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben, den Fremdverwaltungsaufgaben und den Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung umschreiben, wobei noch Befassungen i m Wege der Organleihe hinzukommen. Die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben sind dabei dadurch gekennzeichnet, daß sie den Gemeinden verfassungsmäßig elementar zustehen und eigenverwortlich zu erfüllen sind 2 6 . Die daneben bestehenden Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben oder weisungsfreie Pflichtaufgaben unterscheiden sich von diesen lediglich durch einen Erledigungszwang, um sicherzustellen, daß bestimmte in einem Sozialstaat unabdingbare Angelegenheiten auch tatsächlich wahrgenommen werden. Sie stehen daher i m Zusammenhang mit einer gleichmäßigen, infrastrukturellen Mindestausstattung der Gemeinde oder mit allgemeinen Aufgaben, für deren Zweckerreichung eine bürgernahe, den lokalen Bedingungen eigenverantwortlich angepaßte Umsetzung unerläßlich erscheint 2 7 . W i c h t i g ist, daß lediglich das Moment der Erledigung, das „ O b " vorgeschrieben wird, nicht aber die A r t und Weise der Erledigung. Diese verbleibt vielmehr in der eigenen Verantwortung der Gemeinde. Damit ergeben sich auch Rückwirkungen hinsichtlich des Umfangs der Aufsichtsrechte des Staates: Weder können Weisungen für den Einzelfall ergehen, noch unterliegt die Durchführung der Aufgaben einer fachaufsichtlichen Kontrolle. Lediglich der Erledigungszwang beruht auf einer Rechtspflicht gegenüber dem Staat, deren Einhaltung von der Kommunalaufsicht, die hier nur Rechtsaufsicht ist, überwacht w i r d 2 8 . Für diesen skizzierten Aufgabenbereich kann die Geltung des Mitwirkungsverbots daher nicht zweifelhaft sein. Dagegen wurde früher zu dem in § 25 D G O statuierten kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbot die Ansicht vertreten, dieses sei auf Fremdverwaltungs- bzw. Auftragsangelegenheiten nicht anwendbar. Begründet wurde dies mit dem Charakter dieser Aufgabenart. Hier werden die Gemeinden in unbeschränkt weisungsgebundener Abhängigkeit von den staatlichen Ober- und Mittelbehörden zur Erledigung gesetzlich übertragener staatlicher Angelegenheiten tätig 2 9 . Kön25 26 27 28 29 *
Vgl. unten III. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 460; v. Mutius, JuS 1978, 28 ff., 29. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 529; v. Mutius, JuS 1978, 28 ff., 29. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 530. γ. Mutius, JuS 1978, 28 ff., 29.
36
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
ne somit die staatliche Aufsichtsbehörde ohnehin jederzeit nach eigenem Ermessen eingreifen, so sei der Vertretungskörperschaft tatsächlich ein eigenverantwortlicher Spielraum nicht gegeben. Es sei i m Rahmen von Auftragsangelegenheiten Sache der Kommunalaufsicht, über das Vorliegen einer Interessenkollision zu entscheiden. Demgegenüber habe das Mitwirkungsverbot bei Selbstverwaltungsaufgaben seinen guten Sinn, da die Kommunalaufsicht dort in ihren Eingriffsbefugnissen beschränkt sei 3 0 . Indessen ist es ohne Belang, ob das betreffende Gemeindeorgan in Selbstverwaltungs- oder in staatlichen Auftragsangelegenheiten tätig wird. Denn die Erfüllung dieser Aufgaben durch die Gemeinde erfolgt — soweit es die Weisung zuläßt — nach pflichtgemäßen Ermessen. Bereits damit w i r d deutlich, daß der Gemeinde auch in Auftragsangelegenheiten erhebliche Handlungsmöglichkeiten eröffnet sind, wobei sie auch die diesen Aufgabenbereich betreffende Beschlüsse in der Regel selbst t r i f f t 3 1 . Wenngleich die Aufsichtsbehörde insoweit Eingriffsmöglichkeiten besitzt, so stellen diese Willensäußerungen nicht solche des Staates dar, sondern sind solche des Gemeindeorgans. Auch bei der Wahrnehmung staatlicher Auftragsangelegenheiten bleibt also das betreffende Organ ein Organ der Gemeinde und ist in dieser Beziehung den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterworfen 3 2 . Nach dem Sinn und Zweck des MitwirkungsVerbotes muß dieses daher auch in diesem Bereich zur Anwendung k o m m e n 3 3 . Z u demselben Ergebnis kommt man bei den Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung. Sinngemäß trifft die vorstehende Argumentation auch auf diese Aufgabenart zu, da sie selbst nach der weitgehensten Meinung rechtlich i m Hinblick auf das Mitwirkungsverbot nicht anders als die Auftragsangelegenheiten zu bewerten ist34. Bedient sich die unmittelbare Staatsverwaltung aufgrund gesetzlicher Ermächtigung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nur eines einzelnen kommunalen Organs und nicht der kommunalen Körperschaft als solchen (sog. Organleihe), so handelt es sich hier nicht um Kommunalverwaltung, also weder um kommunale Selbstnoch um kommunale Fremdverwaltung, sondern um unmittelbare Staatsverwaltung 3 5 . Damit aber ist das betreffende Organ in diesen Fällen nicht mehr ein solches der Gemeinde und unterliegt folglich auch nicht dem Mitwirkungsverbot des § 25 H G O 3 6 . 30 Fecker, DVB1. 1950, 364 f., 364. 31 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 99. 32 Haueisen, DVB1. 1950, 774 ff., 776; ebenso Hofmeister, Interessenkollisionen, S. 13. 33 Schneider-Jordan, HGO, § 25 Erl. 2; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 99; dies gilt erst recht, wenn man mit Schmidt-Jortzig den Gemeinden in diesen Bereich eine Verwaltungsverantwortung mit dem Korrelat der Organisationhoheit zugesteht: Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 554 und 546 f. mit Nachweisen zum Streitstand. 34 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 100. 35 v. Mutius, JuS 1978, 28 ff., 30; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 570.
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
37
Geht man von diesen Grundgedanken aus und überträgt sie auf die Kreisebene, so kann nicht zweifelhaft sein, daß das Mitwirkungsverbot dort ebenfalls bei Selbstverwaltungsaufgaben, Auftragsangelegenheiten und Pflichtaufgaben zur Erfüllung auf Weisung gilt. Dagegen findet es keine Anwendung in Angelegenheiten, in denen der Landrat im Sinne des § 55 H K O als untere staatliche Verwaltungsbehörde fungiert. Denn auch in diesem Fall werden Aufgaben der Landesverwaltung ohne Einschaltung der Gebietskörperschaft von einem kommunalen Amtsträger wahrgenommen 3 7 .
c. Die ergänzende Heranziehung des §21 HVwVfG und die besondere Problematik des kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbotes Fragen wirft die Abgrenzung der Regelungsbereiche der Befangenheitsvorschriften des Kommunalrechts und des H V w V f G ' s auf. Hier ist zunächst zu beachten, daß das H V w V f G seinen Anwendungsbereich in § 9 auf das Verwaltungsverfahren beschränkt, welches zum Erlaß eines Verwaltungsakts oder zum Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages führt. Eine Kollision der genannten Regelungsbereiche kann daher lediglich bezüglich dieser vom H V w V f G erfaßten Verwaltungstätigkeiten auftreten. M i t dem Hinweis auf die oben skizzierte subsidiäre Geltung des H V w V f G wird in diesem Zusammenhang übereinstimmend die Position bezogen, die bei näherer Betrachtung von § 25 H G O abweichenden Regelungen der §§ 20, 21 H V w V f G könnten keineswegs eingreifen. Das kommunalrechtliche Mitwirkungsverbot stelle insoweit eine entgegenstehende Bestimmung i m Sinne des § 1 I H V w V f G dar, die vorrangig sei 3 8 . Dieser Ansicht ist insoweit zuzustimmen, als es um die Kollision von § 25 H G O und § 20 H V w V f G geht. Die Hessische Gemeindeordnung enthält hier ohne Zweifel eine speziellere Vorschrift. Durchaus fragwürdig ist diese Ansicht jedoch, soweit sie auch die Regelung des § 21 H V w V f G in die Anordnung der Subsidiaritätsregel einbeziehen w i l l . Diese unterscheidet sich in ihrer dogmatischen Struktur von den Ausschlußgründen und bildet diesen gegenüber letztlich einen Auffangtatbestand, um der Vielfalt der möglichen — sich gerade deshalb einer konkreten gesetzlichen Fixierung entziehenden — Befangenheitsgründe
36 Zur Anwendung können insoweit jedoch die angeführten verwaltungsverfahrensrechtlichen Ausprägungen des Unbefangenheitsgebotes kommen. 37 Borchmann / Breihaupt / Viola, Kommunalrecht in Hessen, S. 116, 117 f.; insoweit liegt ein Gleichlauf mit dem gegenständlichen Anwendungsbereich des kommunalrechtlichen Vertretungsverbotes vor. Vgl. dazu Schoch, N V w Z 1984, 626 ff., 628 ff.; Kirchhof, VR 1981, 421 ff., 422 ff. m. w. Nw.; enger dagegen Witte-Wegmann, VR 1981, 266 ff., 268 ff. 38 Rauball / Pappermann / Roters, GO für NrW, § 23 Rn. 2; Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 2; Schmitt-Vockenhausen, Städte- und Gemeindebund 1978, 224 ff., 228; VGH Mannheim, BWVPr. 1986, 85 f., 86.
38
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
wirksam zu begegnen. Der formale Hinweis auf § 1 I H V w V f G vermag unter diesem funktionalen Gesichtspunkt die Unanwendbarkeit des § 21 H V w V f G auf dem Gebiet des Kommunalrechts nicht zu tragen. Z u untersuchen ist hier vielmehr die Frage, ob die Regelung des § 25 H G O als eine abschließende oder nur partielle zu betrachten ist, deren Zweck eine Ergänzung durch das H V w V f G erlaubt 3 9 . Für die oben genannte Ansicht scheint die historische Auslegung zu sprechen. § 25 H G O , der durch Änderungsgesetz v o m 30. 8. 1976 4 0 in wesentlichen Teilen novelliert wurde, wurde durch Gesetz v o m 4. 7. 1980 4 1 in Anlehnung an § 20 H V w V f G in den Absätzen 1, 2 und 5 neu gefaßt. Daher liegt der Einwand nahe, daß, wenn schon der Gesetzgeber eine Angleichung der Befangenheitsvorschriften vorgenommen habe, er auch die Regelung des § 21 H V w V f G in das K o m m u nalrecht hätte übernehmen können. Dies sei aber bewußt nicht geschehen. Systematisch könnte dies mit der Regelung des § 25 V I H G O unterstrichen werden. Die dort statuierte Fehlerregelung bezieht sich lediglich auf einen Verstoß gegen die in § 25 I bis I V H G O enthaltene Befangenheitsregelung. Daher könnte man zu dem Ergebnis gelangen, § 25 H G O stelle eine abschließende Regelung dar, die eine Anwendung des § 21 H V w V f G nach § 1 I H V w V f G ausschließe. Diese Auslegung ist jedoch nur scheinbar zwingend. Ihr stehen i m wesentlichen zwei Hindernisse i m Wege. Entscheidendes M o t i v für die Gesetzesnovellierung i m Jahre 1980 war primär eine Verbesserung der Verständlichkeit der Regelung 4 2 . Nicht bedacht wurde dabei, daß die Auslegung des § 25 H G O , i m besonderen die des Begriffs des unmittelbaren Vor- oder Nachteils, durch die Regelung des § 2 0 1 H V w V f G eine Veränderung erfahren hat und dem Auffangtatbestand des § 21 H V w V f G infolge dieser Entwicklung ein anderer Stellenwert beizumessen ist, als bei der herkömmlichen Bestimmung des Sonderinteresses. Das Begriffspaar des unmittelbaren Vor- oder Nachteils, das — wie letztlich auch der Gesetzgeber durch die Gesetzesnovellierung zu erkennen gegeben hat — aufgrund des gleichen systematischen Zusammenhangs und der identischen Funktion in beiden Gesetzen einheitlich auszulegen ist, hat insoweit, wie an späterer Stelle noch näher dargelegt werden wird, speziell in qualitativer Hinsicht eine Einschränkung erfahren 4 3 . Da dies unbemerkt blieb, konnte die Erforderlichkeit der Übernahme des Auffangtatbestandes des § 21 H V w V f G , um sämtliche als schwerwiegend zu beurteilende Interessenkollisionen zu erfassen, durch den hessischen Gesetzgeber auch nicht erkannt werden. Aus der historischen Auslegung kann somit kein der Heranziehung des § 21 H V w V f G i m hessischen K o m munalrecht entgegenstehendes Argument hergeleitet werden. 39 40 41 42 43
Kopp, VwVfG, § 1 Rn. 8; Meyer /Borgs, VwVfG, § 1 Rn. 18. GVB1. I S. 325. GVB1. I S. 219. Schneider-Jordan, HGO, § 25 Erl. 1. Siehe dazu Kapitel C, Erster Abschnitt, I. 1. a. bb., 2. d.
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
39
Der weitere und entscheidende Einwand resultiert aus der Beantwortung der Frage, ob die Regelung des kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbotes unter Berücksichtigung seines Zwecks als eine abschließende Regelung angesehen werden kann. Mustert man Literatur und Rechtsprechung unter diesem Gesichtspunkt durch, so w i r d eine bunte Palette unterschiedlicher Ansichten sichtbar. Eine Ansicht hält ein argumentum e contrario aus der bloßen Statuierung von Ausschlußgründen nicht für zulässig, da dies zu unvertretbaren, v o m Sinn der gesetzlichen Vorschriften nicht gedeckten Ergebnissen führe. So dürfte dann etwa trotz des Vorliegens eines atypischen, aber dennoch schwerwiegenden Befangenheitsgrundes, z. B. einer klar zu Tage tretenden Freundschaft mit einem Beteiligten, ein Organwalter hoheitlich begünstigend tätig werden und sich damit über das Gerechtigkeitspostulat der Sachlichkeit hinwegsetzen, während ihm dies versagt wäre, falls ein Verwandter dritten Grades, mit dem er keinerlei enge Beziehungen unterhalte, an dem Ergebnis der Beratung und Entscheidung unmittelbar interessiert wäre 4 4 . A u f dieser Linie liegen auch Ansichten, die neben den tatbestandlich fixierten Ausschlußgründen zur Gewährleistung einer korrekten Gemeinwohlkonkretisierung weitere, ungeschriebene Ausschlußgründe annehm e n 4 5 . Sofern dieser Ansicht nicht gefolgt und die Regelung als abschließend betrachtet wird, versucht man diesen Interessenkollisionen — wenngleich mit einer restriktiveren Tendenz — durch eine weite Auslegung des Sonderinteresses zu begegnen 4 6 . Deutlichen Ausdruck findet dies etwa bei Hofmeister, der zu insoweit befriedigenden Ergebnissen durch eine „sinnreiche" Auslegung der gesetzlichen Vorschriften gelangen w i l l 4 7 . Ebenso bei Stahl, der dem Unmittelbarkeitskriterium überhaupt einen Regelungsgehalt absprechen w i l l und auf diese Weise zu einer extensiven Auslegung des kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbotes gelangt 4 8 . Als Resümee dieser Bestandsaufnahme kann damit festgehalten werden, daß i m Kern die Beschränkung des kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbotes auf seine strenge tatbestandliche Ausprägung als nicht sachgerecht empfunden wird. Die zur Bewältigung dieses Problems wählten Wege erweisen sich jedoch nicht als tragfähig. Die extensive Interpretation des Sonderinteresses befrachtet diesen Begriff mit noch größeren Unsicherheiten als ihm ohnehin innewohnen. Abgesehen davon, daß er in der Folge keine klaren dogmatischen Konturen erhalten kann, ist, wie schon angedeutet, einer solchen weiten Auslegung mit dem Erlaß des H V w V f G ohnehin der Boden entzogen worden. Die 44
Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 86 ff., 87 f.; Haueisen, DVB1. 1950, 774 ff., 777. 45 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 156 ff. (hinsichtlich der Frage des Ausschlusses bei Freund-/ Feindschaft); vgl. auch Zuber, Interessenkollision, S. 102. 46 Stahl, DVB1. 1972, 764 ff., 768; Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 79 f. 47 Hofmeister, Interessenkollisionen, S. 27. 4 » Stahl, DVB1. 1972, 764 ff., 767 f.; siehe dazu auch Kapitel C, Erster Abschnitt II. 2 a.
40
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
Anerkennung gesetzlich nicht fixierter Ausschlußgründe hingegen läßt die Frage nach der rechtlichen Grundlage offen. Eine solche Grundlage bietet aber gerade die subsidiäre Heranziehung des § 21 H V w V f G , deren Vorteile nicht zu übersehen sind. Diese Norm bietet aufgrund ihrer konzeptionellen Fassung 4 9 einerseits die Gewähr dafür, daß die mit der tatbestandlichen Abgrenzung der Ausschlußgründe verfolgten Z w e c k e 5 0 Beachtung finden. Andererseits ist sie ausreichend flexibel, um schwerwiegenden weiteren Interessenkollisionen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des kommunalen Willensbildungsprozesses 51 zu begegnen. Geht man somit von einer lückenhaften Regelung des kommunalen M i t w i r kungsverbotes
und einem
damit
korrespondierendem
Bedürfnis
für
eine
Schließung dieser Lücken aus, was bei einigen Konstellationen, wie etwa Vorteilsannahme, Bestechung, aber auch einer Freundschaft oder Feindschaft jedenfalls ab einer bestimmten Qualität unabweisbar ist, so w i r d bereits deutlich, daß die Heranziehung des § 21 H V w V f G nicht auf die Bereiche kommunaler Verwaltungstätigkeit, in denen ein Verwaltungsakt erlassen oder ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen wird, beschränkt bleiben kann. Sie muß vielmehr konsequenterweise darüberhinaus greifen und sämtliche Tätigkeiten, die in den dargestellten Anwendungsbereich des kommunalen Mitwirkungsverbotes fallen, erfaßen, um einen effektiven Schutz gegen Interessenkollisionen herzustellen. § 21 H V w V f G wäre daher über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens analog auf diese Verwaltungstätigkeiten anzuwenden 5 2 . aa. Exkurs: Das Unbefangenheitsprinzip und seine Rechtfertigung i m kommunalen Bereich — Insbesondere: Vergleich mit dem Parlamentsrecht Die Frage, die sich nunmehr anschließt, betrifft den Aspekt der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer über den Ausschluß des in § 1 I H V w V f G statuierten Subsidiaritätsprinzips herbeigeführten unmittelbaren und über diesen Bereich hinaus analogen Anwendung des § 21 H V w V f G i m Kommunalrecht. Da die Entscheidungsprozesse i m kommunalen Bereich, insbesondere diejenigen in der Gemeindevertretung, dem Zweck der Definition und Artikulation des Gemeinwohls i m Rahmen der örtlichen Gemeinschaft (Art. 28 I I GG) dienen 5 3 , ist es nach den einleitenden Erörterungen nur konsequent, wenn das Verfahren, 49 Siehe Kapitel E, I. 50 Sie bleiben unberücksichtigt bei Analogien zu den Ausschlußgründen. Vgl. insoweit H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. X. 2. (§ 25 V 1 Nr. 2 HGO analog bei Nichtehelicher Lebensgemeinschaft). Dazu Kapitel C, Erster Abschnitt, III. 2. 51 Siehe Kapitel E VII. 52 Zu der Möglichkeit einer analogen Anwendung der §§ 20,21 VwVfG, insbesondere auch auf die (kommunale) Rechtsetzungstätigkeit, siehe unten unter III. 53 Achterberg, AöR 108 (1984), S. 505 ff., 527.
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
41
in dem der erforderliche Interessenausgleich vorzunehmen ist, Vorkehrungen für eine verantwortliche und sachgemäße Entscheidung des Mandatsträgers trifft. Ein Problem ergibt sich insofern aber, als § 21 H V w V f G auch auf die Tätigkeit innerhalb der Gemeindevertretung bzw. des Kreistages angewandt werden soll. So zeigt der B l i c k auf die Bundes- und Landesebene, daß dort keine Beschränkung der Abstimmungsbefugnis der Abgeordneten für den Fall existiert, daß sie aufgrund ihrer M i t w i r k u n g bei der Entscheidung des Bundestages oder des Landesparlaments in eigenen oder ihnen nahestehenden fremden Interessen berührt werden. Gerade der Aspekt, daß in diesen Parlamenten durch die legislative Tätigkeit j a ebenfalls ein Interessenausgleich und damit Gemeinwohlkonkretisierung betrieben wird, führt zu der Frage nach dem Grund für diese divergierende Rechtslage. Ob dieser in der Zuordnung der Gemeindevertretung zu der Funktion „ V o l l z i e h u n g " und des Parlaments zu der Funktion „Gesetzgebung" gesehen werden k a n n 5 4 , erscheint fragwürdig. Z u m einen nimmt die Gemeindevertretung die kommunale Rechtssetzungsbefugnis wahr, wobei noch zu zeigen sein wird, daß Befangenheitsvorschriften ihrem Wesen nach gerade auch auf Rechtsetzungsakte Anwendung finden können 5 5 . Z u m anderen beschränkt sich die Tätigkeit der Parlamente auf Bundes- und Landesebene nicht auf die Gesetzgebungstätigkeit 5 6 . Ohne auf die umstrittene Frage der Parlamentseigenschaft der Gemeindevertretung einzugehen, kann daher festgestellt werden, daß dies in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht der entscheidende Gesichtspunkt sein kann. In den Vordergrund der Betrachtung muß vielmehr der konkrete Gegenstand der Entscheidung gestellt und die Gefahren, die für einen sachgerechten Interessenausgleich bestehen, untersucht werden. Wählt man diesen Ansatzpunkt, so zeigt sich, daß der sachliche Umfang des Aufgabenbereichs der Gemeindevertretung einen Schlüssel zur Lösung birgt. Die durch Art. 28 I I 1 G G statuierte Beschränkung des Aufgabenbereichs auf die Regelung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft hat zur Konsequenz, daß die Gemeindevertretung nicht nur wichtige Einzelentscheidungen verwaltungsrechtlicher A r t zu treffen hat, sondern, daß auch Rechtsetzungsakte häufig einzelne Personen betreffen und daher die Gefahr von Interessenkollisionen leicht gegeben ist. Die unmittelbare Beziehung zum Entscheidungsgegenstand, die aus dem örtlichen Wirkungskreis der Gemeinde resultiert, beinhaltet eine nicht unerhebliche Gefahrenlage für einen sachgerechten Interessenausgleich. Demgegenüber ist diese Gefahr unsachlicher Motivation in den Parlamenten des Bundes und der Länder in weit geringerem Maße gegeben 5 7 . Die meist legislativen Entscheidungen, die
54 Achterberg, AöR 108 (1984), S. 505 ff., 527. 55 Siehe dazu Kapitel B. III.; zu der Frage, ob insoweit eine Delegation von Gesetzgebungskompetenzen oder eine Zuweisung einer spezifischen Verwaltungskompetenz vorliegt, vgl. Barbey, Bundesverfassungsgericht und einfaches Gesetz, S. 28 mit FN 49 f. 56 Meyer, in: Meyer / Stolleis, Hessisches Staats- und Verwaltungsrecht, S. 138 ff., 154. 57 Hofmeister, Interessenkollisionen, S. 5; Scholler / Broß, VR 1978, 77 ff., 81.
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Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
hier getroffen werden, sind so allgemein gehalten, daß sie kaum jemals die Interessen des einzelnen in einem besonderen Umfang berühren. In der Regel w i r d der Abgeordnete Vor- und Nachteile nur als Angehöriger einer Bevölkerungsgruppe wahrnehmen und nur insofern an der Verabschiedung des Gesetzes interessiert sein 5 8 . Gleichwohl sind Fallkonstellationen denkbar, in denen der Abgeordnete des Bundestages oder eines Länderparlamentes in der zur Beratung und Abstimmung stehenden Angelegenheit als „Selbstbetroffener" anzusehen ist. Sei es, daß er selbst unmittelbar ein Interesse an der Angelegenheit hat oder er sich mit einem fremden Interesse identifiziert 5 9 . Das Kriterium der Begrenztheit des Systems schlägt hier nicht durch. In diesem Bereich besteht nun Uneinigkeit, ob und inwieweit ein Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier gegeben ist. Bei diesem Meinungsstreit stehen sich i m wesentlichen zwei Lager gegenüber. Eine Ansicht bezieht den Standpunkt, daß den Abgeordneten bewußt ein politischer Spielraum eingeräumt werden soll. Der uneingeschränkten Ausübung des politischen Mandats soll ein höherer Stellenwert beizumessen sein, als der Gefahr einer unsachlichen Entscheidung aufgrund einer unangemessenen Einflußnahme eines betroffenen Mandatsträgers 60 . Hinzu kämen die Grundsätze der Funktionsfähigkeit und der Leistungseffizienz des Parlaments. Abgesehen von schwierigen Abgrenzungsfragen würde der Ausschluß von Abgeordneten von der Abstimmung aus verfahrensrechtlicher Sicht auf jeden Fall zu einer Funktionsminderung des Parlaments führen. Denn konsequenterweise müßte sich der Ausschluß auch auf die Ausschußtätigkeit, einem wesentlichen Bestandteil eines modernen parlamentarischen Systems, beziehen. Die Gefahr der Lahmlegung sei nicht auszuschließen 61 . Schließlich sei nicht zu verkennen, daß der Wähler es in der Hand habe, den befangenen Abgeordneten oder seine Partei für eine inkorrekte Handlungsweise politisch zur Verantwortung zu ziehen. Das Parlamentsrecht zeichne sich zu einem guten T e i l als „lex de iure imperfecta, de politicis perfecta" aus 6 2 . Aus diesen materiellen Gründen sei von einer Einführung des Abstimmungsverbotes, die mangels Bestehens eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes erforderlich sei 6 3 , abzusehen. Dieser Ansicht steht die Meinung gegenüber, derzufolge ein Abstimmungsverbot in den Fällen eines Mandatsmißbrauchs aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere durch das Rechtsstaatsprinzip und den Abgeordnetenstatus des Art. 38 I 2 GG, geboten ist. Bereits de lege lata bestehe in den Fällen eines
58 Hofmeister, Interessenkollisionen, S. 5; Scholler / Broß, VR 1978, 77 ff., 81. 59 Vgl. die Fallgruppen von Peine, JZ 1985, 914 ff., 915 f. im Anschluß an KnebelPfuhl, Mitwirkungsverbot für Parlamentarier wegen Befangenheit?, S. 39 ff. 60 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 26. 61 Achterberg, AöR 108 (1984), S. 505 ff., 528. 62 Achterberg, AöR 108 (1984), 505 ff., 529 ff., 531. 63 Achterberg, AöR 108 (1984), 505 ff., 507 ff., 510 ff.
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
43
eindeutigen Mandatsmißbrauchs ein Mitwirkungsverbot 6 4 . In Fällen eines möglichen Mandatsmißbrauchs hingegen ließen sich die näheren Kriterien interpretatorisch nicht der Verfassung entnehmen, so daß der Gesetzgeber hier eine Gestaltungsfreiheit habe. Daher könne ein Mitwirkungsverbot in diesem Bereich nur de lege ferenda statuiert werden 6 5 . Z u dieser staatsrechtlichen Diskussion soll hier nicht weiter Stellung genommen werden, da sie außerhalb der Themenstellung der vorliegenden Arbeit liegt. Anzumerken bleibt jedoch in diesem Zusammenhang, daß die aufgeführten Argumente für und wider einer Befangenheitsregelung für Parlamentsabgeordnete auch die Problematik des kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbotes kennzeichnen. Sie bilden den theoretischen Hintergrund der eingangs aufgeworfenen Frage. Denn auf der Grundlage der genannten Mindermeinung zum Parlamentsrecht besteht ein Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit nur dann, wenn es ausdrücklich gesetzlich angeordnet wird. W o dies nicht der Fall ist, soll es dementsprechend keine Existenzberechtigung haben. So ist es denn auch nur folgerichtig, wenn Achterberg diese Prämisse unter Berücksichtigung der Stellung der Gemeindevertreter als gewählte Volksvertreter auf das Kommunalrecht überträgt. Das Mitwirkungsverbot für Mandatsträger gelte dort nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung. Es sei davon auszugehen, daß die Länder in den Gemeindeordnungen ausschließlich die katalogisierten Gründe für einen Ausschluß von kommunalen Mandatsträgern wegen Betroffenheit erfassen wollten, somit also eine abschließende Regelung vorliege, die einen Rückgriff auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz in diesem Bereich ausschließe 66 . Folge wäre insoweit also, daß § 21 H V w V f G i m Rahmen der Verweisungen der §§ 35 I I H G O und 28 I I H K O auf § 25 H G O nicht der Analogie fähig wäre. Infolgedessen ist zu prüfen, ob diese Ansicht mit ihren verfassungsrechtlichen Implikationen haltbar ist.
bb. Der verfassungsrechtliche Hintergrund einer engen Sichtweise aaa. Der demokratisch-egalitäre
Wahlrechtsgrundsatz
Analysiert man die Ansicht Achterbergs unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, so kommt zunächst der aus Art. 3 1 G G abzuleitende demokratischegalitäre Wahlrechtsgrundsatz zum Tragen. Danach soll jedermann seine staatsbürgerlichen Rechte, namentlich bei der Mandatsausübung, in formal möglichst gleicher Weise ausüben können 6 7 . Gleich ist die Wahl in diesem Sinne nur, wenn jeder Stimme nicht nur das gleiche Gewicht, der gleiche Zähl wert zukommt, 64 Peine, JZ 1985,914 ff., 920; Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 173 ff., 178; ähnlich Pestalozzi JZ 1984, 559 ff., 561. 65 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier?, S. 178, 179 ff.; Peine, JZ 1985, 914 ff., 920 f. 66 Achterberg, AöR 108 (1984), 505 ff., 523 f., 526. 67 BVerfGE 40, 296 ff., 317.
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Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
sondern jede Stimme muß grundsätzlich auch den gleichen Erfolgswert haben. In dieser Hinsicht kommt den auf die Beratung und Entscheidung bezogenen Mitwirkungsrechten, die sich aus der Struktur der Kommunalverfassung ergeben und die für die einzelnen Bürger gewährleisten sollen, daß die gemeindlichen Angelegenheiten durch die mit ihrer Stimme entsandten Mitglieder geregelt werden 6 8 , eine besondere Bedeutung zu. Da das Mitwirkungsverbot insoweit eine Beschränkung des Erfolgswertes beinhaltet, ist eine extensive wie dessen Tatbestand erweiternde Auslegung einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
bbb. Die formal-prozedurale
Komponente
des Demokratieprinzips
Hinzu tritt das Demokratieprinzip unter dem Gesichtspunkt des Willensbildungsprozesses. Unter der Prämisse der real bestehenden Möglichkeit unterschiedlicher und sich verändernder Mehrheitsverhältnisse stellt das Mehrheitsprinzip eine inhaltliche Ausprägung des demokratischen Willensbildungsprozesses dar 6 9 . Diese Komponente des Demokratieprinzips ist beeinträchtigt, wenn sich die in Volkswahlen festgelegten Mehrheitsverhältnisse durch die Statuierung von Mitwirkungsverboten verändern 7 0 . Die Möglichkeit der Verschiebung der durch die Volkswahl in der Gemeindevertretung bestehenden Mehrheitsverhältnisse wirft daher Bedenken gegen eine Ausweitung der Befangenheitsregelungen in diesem Bereich auf.
ccc. Die
Selbstverwaltungsgarantie
Bedenken in dieser Hinsicht bestehen zudem unter dem Gesichtspunkt der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 I I GG. Sie umfaßt neben der Gewährleistung eines Aufgabenbereichs für die Gemeinden und Gemeindeverbände auch die Garantie, diese Aufgaben in eigener Verantwortung durchzuführen 7 1 . Die Verwirklichung dieser Garantie setzt jedoch das Bestehen einer Verwaltungseffizienz, verstanden i m Sinne einer Effektivität des Verwaltungshandelns und einer Funktions- bzw. Leistungsfähigkeit der (Kommunal-)Verwaltung 7 2 , voraus. Nur wenn die insofern erforderlichen sachlichen, personellen, arbeitsmäßigen und finanziellen Bedingungen gegeben sind, kann die Verwaltung die ihr zugewiesenen Aufgaben erfüllen. Ob die überwiegend vertretene Ansicht, die das Gebot der Verwaltungseffizienz als Element der eigenständigen Verwaltungsfunktion ansieht 7 3 , zutrifft, kann dabei dahingestellt bleiben. Denn ihm kann vor dem 68 OVG Münster NJW 1979, 2632 f., 2632. 69 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, §5 I I 1; Herzog, in: Maunz/Dürig/ Herzog / Scholz, GG, Art. 20 I I Rn. 14. 70 γ. Arnim, JA 1986, 1 ff., 2; vgl. auch Hill, DVB1. 1983, 1 ff., 3. 71 v. Mutius, Jura 1982, 28 ff., 31. 72 Steinberg, DÖV 1982, 619 ff., 621; Schwarze, DÖV 1980, 581 ff., 583.
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
45
geschilderten Hintergrund zumindest nicht jede Verfassungsrelevanz abgesprochen werden 7 4 . Erleidet das Prinzip der Verwaltungseffizienz einen Einbruch, so gerät auch die Zielverwirklichung durch die betreffende Verwaltungseinheit, hier die Verwirklichung der Selbstverwaltungsgarantie, in Gefahr. Betrachtet man nun die Auswirkungen einer extensiven Anwendung des M i t wirkungsverbotes, so ist einmal der Eintritt von Funktionsverlusten der Gemeindevertretung zu beobachten. Abgesehen davon, daß in die Mitwirkungsrechte der einzelnen Gemeindevertreter eingegriffen w i r d 7 5 , sind Kollegialitätsdefizite und eine Minderung der Repräsentationsfunktion die Folge 7 6 . Funktionsverluste treten aber auch bei der Ausschußarbeit i m Hinblick auf die rasche, wirksame und rationelle Erfüllung der Aufgaben ein. Da die Funktionsfähigkeit der Gemeindeorgane bei der Statuierung von M i t wirkungsverboten in Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit so wenig wie möglich beeinträchtigt werden darf, ist eine Erweiterung der kommunalrechtlichen Befangenheitsregelung auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstverwaltungsgarantie nicht bedenkenfrei.
cc. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Unbefangenheitsgebotes Diese dem Unbefangenheitsgebot eine Grenze setzende verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte dürfen jedoch nicht den Blick darauf verstellen, daß dieses Prinzip selbst auf grundgesetzlich verankerte Vorgaben zurückführbar ist.
aaa. Rechtsstaatsprinzip a ) Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Eine der wichtigsten Folgerungen aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit ist die in Art. 1 I I I und 20 I I I G G ausgesprochene Bindung der vollziehenden Gewalt und damit auch der Verwaltung an die Grundrechte sowie das Gesetz und das Recht. Deutlich ist im Zusammenhang mit der gebundenen Verwaltungstätigkeit, daß eine unsachliche psychologische Motivation des entscheidenden Amts- und Mandatsträgers eine Gefahrenquelle für die richtige Rechtsanwendung und damit für 7 3 Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 200; Schwarze, DÖV 1980, 581 ff., 590; Hufen, NJW 1982, 2160 ff., 2168; vgl. auch BVerfGE 48, 127 ff., 159 f. 74 Steinberg, DÖV 1982, 619 ff., 621. 75 Vgl. zu dem damit angesprochenen Grundsatz der freien Mandatsausübung speziell BremStGH, NJW 1977, 2307 ff., 2307 f. 76 Krebs, VerwArch. 71 (1980), 181 ff., 186 mit FN 31.
46
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung darstellt. Dieses Ergebnis ist jedoch auch bei Entscheidungsspielräumen der Verwaltung zu konstatieren. So verpflichtet ein bestehender Ermessensspielraum die Verwaltung ganz allgemein dazu, sich von sachlichen und zweckgerechten Erwägungen leiten zu lassen. Die an der Entscheidung mitwirkenden Amtsträger müssen von einer unsachlichen Motivation frei sein und dürfen nur Umstände berücksichtigen, die vom Zweck der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt sind 7 7 . V o n der Rechtsordnung mißbilligte subjektive M o t i v e oder Haltungen des Amtsträgers, wie die Befangenheit, schließen insofern grundsätzlich die Annahme aus, daß die getroffene Entscheidung auf der gebotenen Abwägung des Für und Wider aller für die Entscheidung einschlägigen Gesichtspunkte beruht 7 8 . In diesem Fall liegt ein nicht von § 40 V w V f G gedeckter Ermessensmißbrauch vor, der zur Rechtswidrigkeit der getroffenen Entscheidung führt. Daraus läßt sich ein verallgemeinerungsfähiger Grundsatz i m Hinblick auf gesetzlich nicht gebundene Entscheidungen, wie insbesondere administrativen Letztentscheidungsermächtigungen
(Beurteilungsermächtigungen,
Einschät-
zungsprärogativen, Prognoseentscheidungen, Rezeptionsbegriffe, Planungs- und Normsetzungsermessen) 79 entwickeln. Wenngleich die Entscheidungsfindung sich hier in einem gesetzlich bewußt offengelassenen Raum vollzieht und sich nicht notwendigerweise als Rechtsanwendung charakterisieren läßt, so muß sich der handelnde Amts- und Mandatsträger doch an den Zielen und Wertvorstellungen der diesem Entscheidungsspielraum zugrundeliegenden Ermächtigung und nicht an dem Parteiinteresse eines Beteiligten ausrichten. Bliebe nämlich bei dieser administrativen Rechtshervorbringung die Letztmotivation dem Belieben des handelnden Amts- und Mandatsträgers überlassen, so würde die Rechtsgewährleistung in der entscheidenden Phase der Rechtsverwirklichung ausgeblendet 8 0 . Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erfordert insoweit eine Unbefangenheit des Amtsträgers, die ihm die Freiheit zur Entscheidung innerhalb des vorgegebenen Rahmens vermittelt. Die Befangenheit nimmt dem Betroffenen dagegen diese Freiheit und führt auf diese Weise dazu, daß die mit dem Entscheidungsspielraum gerade verfolgten Zwecke zumindest unzureichend erfüllt werden. ß) Der materielle Rechtsstaatsbegriff Bestätigen läßt sich dieses Ergebnis mit dem freilich nicht unproblematischen 81 materiellen Rechtsstaatsbegriff. Danach ist ein Rechtsstaat ein auf die Idee der 77
Erichsen, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 I I 2 c bb. » Kopp, VwVfG, § 40 Rn. 17; VG Sigmaringen, VB1BW 1984, 420 ff., 421. 79 Zu diesem neueren Begründungsansatz siehe BVerfGE 62, 82 ff., 111; SchmidtAßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 184 f. so Kirchhof, VerwArch. 66 (1975), 370 ff., 373; VG Sigmaringen, VB1BW 1984, 420 ff., 421. 7
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
47
Gerechtigkeit bezogener Staat 8 2 . Ist die gesamte Tätigkeit aller Staatsorgane an diesem Staatszweck gebunden, so müssen auch die Maßnahmen die die öffentliche Verwaltung trifft, von dem Streben nach Gerechtigkeit getragen sein. Das spezifische Gerechtigkeitserfordernis drückt sich in der materiellen Richtigkeit, der Sachgemäßheit und Objektivität des Entscheidungsprodukts aus 8 3 . Verfolgt nun ein Amtswalter bei einer Amtshandlung Sonderinteressen, so w i r d die getroffene Entscheidung stets sachwidrig sein, selbst wenn dieses Sonderinteresse objektiv höherwertig ist als entgegenstehende Interessen Dritter. Denn sie ist notwendigerweise von pflichtwidrigen Erwägungen getragen, wobei bereits diese subjektive S ach Widrigkeit den Grundsatz der Sachgemäßheit verletzt 8 4 . Das Rechtsstaatsprinzip erfordert daher, daß sich die Verwaltung von vornherein an dem Grundsatz des sachgemäßen Handelns ausrichtet. γ) Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes Als Grundlage des Unbefangenheitsgebots ist auch das i m Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit verankerte Recht des Bürgers auf Geltendmachung und Verteidigung seiner Rechte zu erblicken. Dieses Recht ist zwar in Art. 19 I V G G nur für das gerichtliche Verfahren ausdrücklich angesprochen. Es beansprucht aber überwiegender Ansicht zufolge auch bereits für das Verwaltungsverfahren Gültigkeit 8 5 . Dies nicht nur als Folge von Art. 1 GG, sondern ebenso wie die Rechtsweggarantie des Art. 1 9 I V G G auch als wesentlicher Teil der Rechtsstaatlichkeit, so wie das G G diesen Begriff versteht 8 6 . Aus diesem Grundsatz der Rechtsverteidigung in einem fairem Verfahren ergibt sich für alle Beteiligten auch der Anspruch auf Durchführung des Verfahrens vor der zuständigen Behörde durch einen unparteiischen Amtsträger. Die Möglichkeit der Erlangung nachträglichen Rechtsschutzes entbindet den Gesetzgeber nicht von der Verpflichtung schon auf der Ebene des Verwaltungsverfahrens Regeln zur Abwehr entsprechender Gefahren zu statuieren. Denn die gerichtlich nachprüfbare fehlerhafte Entscheidung muß so getroffen werden, daß sie für den Betroffenen auch w i r k l i c h angreifbar i s t 8 7 . Gerade diese Forderung erscheint bei der M i t w i r k u n g befangener Amtsträger äußerst zweifelhaft. Insbesondere wenn die Verwaltung einen Entscheidungsspielraum besitzt, ist dem Betroffenen, wenn sich die Maßnahme
si Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 20 V I I Rn. 15 ff. 82 v. Münch, Grundbegriffe des Staatsrechts, Bd. II, S. 66. 83 Vgl. Hill, DVB1. 1983, 1 ff., 2; Peine, JZ 1985, 914 ff., 918 f. 84 Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 39; Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 11. 85 Laubinger, VerwArch. 73 (1982), 60 ff., 82; Hill, DVB1. 1983, 1 ff., 2; a. A. v. Mutius, NJW 1982, 2150 ff., 2153. 86 Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 20, 102 f.; Spanner, DÖV 1958, 651 ff., 653. 87 Hill, DVB1. 1983, 1 ff., 2.
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
48
innerhalb der möglichen Bandbreite zu halten scheint, der Nachweis der tatsächlichen Befangenheit nahezu unmöglich. V o r diesem Hintergrund ist nicht nur die sachliche Richtigkeit, Gesetzmäßigkeit und Gerechtigkeit des Ergebnisses des Verfahrens in Frage gestellt, vielmehr verlieren auch alle Rechte, die den Beteiligten zur Wahrung ihrer Ansprüche und rechtlichen Interessen eingeräumt werden müssen, insbesondere auch das Recht auf Gehör, ihre Bedeutung 8 8 . Daher kann das Unbefangenheitsgebot auch unter diesem Aspekt als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips angesehen werden.
bbb. Das
Demokratieprinzip
Das Demokratieprinzip enthält eine Staatszielbestimmung und beauftragt insoweit auch die Verwaltung mit der Verwirklichung dessen, was demokratische Staatswirklichkeit ausmacht 8 9 . Auch i m Rahmen der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes w i r d Herrschaft von Menschen über Menschen ausgeübt. Dabei soll die notwendige politische Führung durch einzelne keine dem V o l k aufgezwungene, sondern von der Mehrheit des Volkes anvertraute und legitimierte, dem V o l k verantwortliche Herrschaft sein 9 0 . Materiell fordert daher das Demokratieprinzip das verantwortliche Handeln gegenüber dem Gemeinwohl und setzt somit eine Entscheidungsbildung nach überindividuellen Kriterien voraus. Es fordert für jeden Staatsentscheid eine Distanz des Entscheidenden zu diesem Gegenstand, verlangt also eine Trennung zwischen Rechtshervorbringung bzw. -Verwirklichung und der Rechtsbetroffenheit 91 . Die Befangenheit nimmt einen Amtswalter gerade diese Offenheit für die Anliegen der Staatsgesamtheit und die Distanz zu den Verwaltensbetroffenen,
führt
mithin
zu
einem
Mißbrauch
des
demokratischen
Entscheidungsauftrags 92 . Die Unbefangenheit der Verwaltungsentscheidung ist daher eine Bedingung materieller Demokratie und demokratischer Repräsentanz.
88
Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 122. Kirchhof, VerwArch. 66 (1975), 370 ff., 376. 90 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5 I I 2; Deutlichen Niederschlag findet dies als Folge der in Art. 28 I 1 GG enthaltenen Gewährleistung des Demokratieprinzips auch auf Kreis- und Gemeindeebene in dem in §§35 HGO, 28 HKO verankerten Grundsatz des freien Mandats. Vgl. zur Ableitung des Unbefangenheitsgebotes aus der dadurch bedingten Gewissensbindung des Mandatsträgers Peine, JZ 1985, 914 ff., 919 f. m. w. Nw.; ablehnend aber Achterberg, AöR 108 (1984), 505 ff., 512 ff. 91 Kirchhof, VerwArch. 66 (1975), 370 ff., 376. 92 Hill, DVB1. 1983, 1 ff., 2; Kirchhof, VerwArch. 66 (1975), 370 ff., 376. 89
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
49
ccc. Das Unbefangenheitsgebot als Ausdruck materiellen Grundrechtsschutzes Ferner ist die Frage zu stellen, ob Befangenheitsvorschriften nicht als Ausdruck materiellen Grundrechtsschutzes verstanden werden können. In Literatur 9 3 und Rechtsprechung 94 nimmt die Tendenz zu, auch aus den materiellen Grundrechtsverbürgungen Konsequenzen sowohl für die normative Ausgestaltung des Verfahrensrechts als auch für dessen Anwendung abzuleiten. Sollen nämlich die Grundrechte ihre Funktion in der sozialen Wirklichkeit erfüllen, so bedürfen sie geeigneter Organisationsformen und Verfahrensregelungen sowie einer grundrechtskonformen Anwendung des Verfahrensrechts, soweit dies für einen wirksamen Grundrechtsschutz von Bedeutung i s t 9 5 . Ohne eine wirksame verfahrensrechtliche Absicherung könnten die Grundrechte vielfach nicht durchgesetzt werden und verlören weitgehend ihren praktischen Wert für den jeweiligen Grundrechtsträger. Wesentlicher Bestandteil eines jeden Grundrechts ist deshalb ein effektiver Rechtsschutz als Garantie seiner tatsächlichen Durchsetzbarkeit 9 6 . Diese verfahrensrechtliche Relevanz hat das Β VerfG zunächst für das gerichtliche Verfahren entwickelt, dann aber schrittweise auch auf das Verwaltungsverfahren ausgedehnt. Denn wenn die Garantie effektiven Rechtsschutzes bereits unmittelbar aus den materiellen Grundrechten folgt, dann kann die Garantie nicht auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle beschränkt bleiben, sondern beeinflußt auch schon das behördliche Verfahren 9 7 . Nach der Rechtsprechung des Β VerfG und einer verbreiteten Literaturmeinung ergeben sich aus den zunächst materiellrechtlich wirkenden Grundrechten daher auch verfahrensrechtliche Positionen, die grundrechtlich geschützt sind. Aus dem objektivrechtlichen Gehalt eines Grundrechts folge die Pflicht, sich schützend und fördernd vor die darin genannten Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren. Eine Grundrechtsverletzung soll danach dann in Betracht kommen, wenn gegen solche Verfahrensvorschriften verstoßen wird, die der Staat in Erfüllung seiner grundrechtlichen Schutzpflicht erlassen hat 9 8 . Z u prüfen ist daher, ob Befangenheitsregeln Ausdruck eines solchen Grundrechtsschutzes sind.
93 BVerfGE 49, 89 ff., 142 f.; 49, 220 ff., 225; 50, 30 ff., 62 ff. 94 Bethge, NJW 1982, 1 ff., 2 ff.; Hufen, NJW 1982, 2160 ff., 2161; Starck, JuS 1981, 237 ff., 242. 95 Β VerfG, DVB1. 1981, 623 ff., 624. 96 BVerfGE 39, 276 ff., 294. 97 BVerfGE 53, 30 ff., 57 f. 98 BVerfGE 53, 30 ff., 65 f. 4 Kazele
50
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
α ) Menschenwürde Der in Art. 1 1 2 GG niedergelegten Verpflichtung aller staatlicher Gewalt und damit auch der Verwaltung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde kommt nach der Wertordnung des G G zentrale Bedeutung zu. Ist in der Wertordnung des G G die Menschenwürde der oberste Wert, so steht dem Menschen i m Lichte dieses Menschenbildes in der Gemeinschaft ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch zu, der sich unter anderem darin manifestiert, daß der Mensch nicht zum bloßen Objekt i m Staat gemacht werden d a r f " . Der Ansicht von Kopp zufolge soll aus dieser Menschenwürdegarantie das Recht des Bürgers abzuleiten sein, daß über seine Rechte nur durch einen Amtsträger entschieden wird, an dessen Objektivität und Unparteilichkeit keine begründeten Zweifel bestehen 10 °. Dem steht die Ansicht gegenüber, die Menschenwürdegarantie werde überstrapaziert, wenn ihr ein Verfahrensrecht entnommen w e r d e 1 0 1 . Indessen ist insofern auf die Rechtsprechung des B V e r w G zu verweisen. Dieses hat für die Vorschriften des gerichtlichen Verfahrensrechts anerkannt, daß bestimmte in Befangenheitsvorschriften normierte Konstellationen durchaus Ausprägungen von Art. 1 G G sind. Danach ist der Bürger gegen eine unsachliche oder kränkende Verhandlungsführung durch die Vorschriften über die Ablehnung von Gerichtspersonen wegen Besorgnis der Befangenheit geschützt 1 0 2 . Bestätigt w i r d diese Rechtsprechung, wenn man auf den Verletzungsvorgang abstellt und von dort
ausgehend den Inhalt der
Menschenwürdegarantie
b e s t i m m t 1 0 3 . Geht man von diesem Ansatz aus, so ergibt sich, daß schon der Umstand der M i t w i r k u n g eines befangenen Amtsträgers geeignet ist, die Menschenwürde zu beeinträchtigen. Dies folgt aus der Situation, in der sich ein betroffener Bürger befindet, der sich einem befangenen Amtsträger gegenübersieht. Denn in diesem Verfahren geht es nicht um seine Person und die in diesem Zusammenhang herzustellende Rechtsverwirklichung, sondern um ganz andere Zwecke, nämlich die Verfolgung persönlicher oder dritter Interessen, die in diesem Verfahren nicht oder nicht in diesem Ausmaß zu berücksichtigen sind. Damit aber ist der betroffene Bürger letztlich nicht mehr Subjekt des Verfahrens, sondern lediglich ein Objekt, das als M i t t e l zur Förderung von individuellen Sonderinteressen dient. 99 BVerfG, NJW 1969, 1707 f., 1707. 100 Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 42 f. ιοί Laubinger, VerwArch 73 (1982), 60 ff., 80 f.; ähnlich Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 134, der der Menschenwürdegarantie nur dort einen konkreten Maßstab entnehmen will, wo ein personales Kontaktverhältnis zwischen Bürger und Behörde besteht. Ein solches sieht er grundsätzlich nur im Bereich der Sozialverwaltung als gegeben an. 102 BVerwG, MDR 1966, 950 f., 950. 103 Dürig, in Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 1 I Rn. 28.
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
51
Allerdings trifft dieser Befund nur bei einer massiven Verfolgung von Sonderinteressen seitens des handelnden Amtsträgers zu. Der betroffene Bürger w i r d sich nur ab einer gewissen Intensität der unzulässigen Interessenwahrnehmung als Objekt des Verfahrens erleben. Erfaßt werden auf diese Weise die schon erwähnten kränkenden und verletzenden Äußerungen und Verhaltensweisen von Amtsträgern, sowie massive Benachteiligungen von am Verwaltungsverfahren Beteiligten 1 0 4 . Dagegen kann ein Unbefangenheitsgebot nicht auf Art. 1 I G G gestützt werden, soweit etwa die Bevorzugung eines mit dem Amtsträger verbundenen Dritten in Frage steht. Bei Gewährung eines ungerechtfertigten Vorteils w i r d sich diese Person sicher nicht als bloßes Objekt betrachten können, vielmehr steht sie gerade übergebühr i m Vordergrund der Entscheidung. ß) Gleichheitssatz Z u erwägen ist, ob nicht auch dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I G G i m Hinblick auf Befangenheitsregelungen Aussagen für eine Verfahrensausgestaltung zu entnehmen sind. In dem Gebot der Gleichheit aller vor dem Gesetz verwirklicht der Rechtsstaat eine elementare Forderung des Rechtsgefühls, daß jeder sich in gleicher Weise den von der Rechtsordnung statuierten Pflichten zu unterwerfen hat und daß jeder andererseits in gleicher Weise Anspruch auf Schutz der ihm nach der Rechtsordnung zukommenden Rechte durch die Gemeinschaft h a t 1 0 5 . In diesem Zusammenhang steht nicht die Frage der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens als ein formalisiertes i m Vordergrund 1 0 6 . Entscheidend ist vielmehr, daß unabhängig davon die Einzelentscheidungen ohne Ansehen der Person nach objektiven, i m Gesetz festgelegten Gesichtspunkten unbeeinflußt von persönlichen Sympathien oder Antipathien, von parteipolitischen, konfessionellen oder sonstigen sachwidrigen Beweggründen erfolgen m u ß 1 0 7 . Aus dem hoheitlichen Handeln eines befangenen Subjekts öffentlicher Verwaltung kann nun eine Entscheidung folgen, die ungerechtfertgte Differenzierungen begünstigender oder benachteiligender Art hinsichtlich bestimmter Personen oder deren Situationen trifft, die gegen den Rechtsgrundsatz der Gleichbehandlung verstößt 1 0 8 . Das Unbefangenheitsgebot ist somit auch Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 I GG. Diese Ableitung umfaßt dabei i m Gegensatz zu derjenigen aus der Menschenwürdegarantie auch Begünstigungen von mit dem Befangenen verbundenen Dritten.
104 los 106 107
4*
In diesem Sinne auch Kirchhof, VerwArch. 66 (1975), 370 ff., 374 mit FN 30. Baltes, Die Neutralität des Berufsbeamten, S. 43. Vgl. dazu Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 137 ff. Baltes, Die Neutralität des Berufsbeamten, S. 43. Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 44 f.
52
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
γ) Freiheitsrechte Wesentlich für den Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens ist zudem die
Wechselwirkung
verfahren
109
zwischen
Freiheitsrechten
und
dem
Verwaltungs-
. Dies erklärt sich daraus, daß der grundrechtliche Freiheitsbereich
mit dem Ziel allgemeiner personaler Freiheit in einer Industriegesellschaft durch die Herstellung staatsfreier Räume nicht mehr erreicht werden k a n n 1 1 0 . „Gesellschaftliches" Leben ist in dieser Hinsicht ohne die verantwortliche Gestaltung durch den Staat, die mittels Planung, Steuerung und Umverteilung erfolgt, nicht mehr möglich. Folge ist insoweit ein Wandel der Realisierungsbedingungen von individueller Freiheit 1 1 1 . Unter diesen Bedingungen erweist sich das Verfahren oft als Mittel, ein grundrechtsgemäßes Ergebnis herbeizuführen und damit Grundrechte auch i m Zeichen des eingetretenen Wandels der Staatsaufgaben wirksam werden zu lassen 1 1 2 . Deutlich wird dies, wenn die Rückwirkungen dieses Wandels auf die normativen Bindungen der Verwaltung in die Betrachtung einbezogen werden. Die gesetzlichen Grundlagen, die die Tätigkeit der planenden und lenkenden Verwaltung steuern, sind überwiegend nicht konditional programmiert. Vorherrschend ist die finale oder gar nur reflexive (prozedurale) Steuerung des Verwaltungshandelns 1 1 3 . Die damit bestehende Lockerung der normativen Bindung der Verwaltung und das Zugestehen eines Handlungs- und Gestaltungsspielraums zum Zwecke des selbständigen Ausfüllens des Entscheidungsinhalts muß nun im Zusammenhang mit den Gewährleistungen der Freiheitsrechte gesehen werden. Wegen der weiten Auslegung als allgemeine menschliche Handlungsfreiheit, die Art. 2 I G G durch das BVerfG erfahren hat, besteht ein lückenloser Grundrechtsschutz für jede Tätigkeit, zu welcher der Bürger selbständig ohne Hilfe des Staates in der Lage i s t 1 1 4 . Daher kann ein solches Tätigwerden materiell nur insoweit verboten werden, als das einschlägige Grundrecht selbst das zuläßt. Zulässig ist somit grundsätzlich nur ein formelles Verbot des Tätigwerden ohne Erlaubnis. Dieser Erlaubnisvorbehalt ermöglicht der Behörde die rechtzeitige Nachprüfung, ob sich die beabsichtigte Tätigkeit materiell i m Bereich des gesetzlich Erlaubten oder Verbotenen hält. Lediglich i m Bereich des materiell Verbotenen kann der Gesetzgeber es der Behörde gestatten, ohne Anspruch nach ihrem Ermessen „Dispense" zu erteilen 1 1 5 . Muß somit der Bürger, dessen Grundrechte 109
Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 141. no Grimm, NVwZ 1985, 865 ff., 866. m Grimm, NVwZ 1985, 865 ff., 866; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 1 II; vgl. zu dieser im Hinblick auf die daraus zu ziehenden Folgen kontrovers geführten Diskussion im übrigen Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 153 f. h 2 Hesse, in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 100. '13 Baudenbacher, ZRP 1986, 301 ff., 303; Grimm, NVwZ 1985, 865 ff., 866 f. 114 BVerfGE 6, 32 ff., 36. us Schwerdtfeger, DÖV 1966, 494 ff., 494.
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
53
durch einen Genehmigungsvorbehalt berührt werden, grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf die Genehmigungserteilung haben, wenn ein gesetzlicher Versagungsgrund nicht vorliegt, so besteht je unbestimmter das Entscheidungsprogramm der Verwaltung ausgebildet ist, in entsprechend höherem Maße die Gefahr der unzulässigen Verkürzung der allgemeinen Handlungsfreiheit durch eine unsachgemäße Entscheidung eines befangenen Amtswalters. Denn die Lockerung des Normprogramms ermöglicht es ihm, unsachgemäße Erwägungen einfließen zu lassen, sie hinter den möglichen Entscheidungsalternativen zu verbergen und eine seinen Interessen genehme Lösung zu präferieren. Den von der Verwaltungsentscheidung Betroffenen muß es angesichts der neuen administrativen Steuerungsformen durch eine entsprechende Gestaltung des Verfahrens ermöglicht werden, ihre Interessen wirksam zur Geltung zu bringen 1 1 6 , was u. a. eine M i t w i r kung
von
unbefangenen
Amtsträgern
in
dem
entsprechenden
Verfahren
bedingt 1 1 7 .
ddd. Konsequenzen aus den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Unbefangenheitsgebotes In der Literatur wird aus diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben des Unbefangenheitsgebotes der Schluß gezogen, ihnen sei schon genügt, wenn sichergestellt sei, daß Amts- und Mandatsträger, die tatsächlich nicht die Gewähr für eine unparteiische, sachliche Amtsführung bzw. Mandatsausübung böten, keinen Einfluß auf den Ausgang des Verfahrens erlangen könnten. Denn die Maßnahme eines nur potentiell Befangenen brauche nicht von einer objektiv sachfremden Motivation getragen zu sein oder objektiv sachfremde Ziele zu verfolgen 1 1 8 . Diese Schlußfolgerung überzeugt jedoch aus verschiedenen Gründen nicht. Einmal beansprucht diese Argumentation für sich, daß Gemeinwohl absolut — von
116 Grimm, NVwZ 1985, 865 ff., 867. 117 Dies geht auch in anderer Hinsicht aus speziellen Freiheitsrechten hervor. So greift etwa die körperliche Untersuchung durch den persönlichen Feind in das Grundrecht aus Art. 2 I I GG ein. Die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG schützt gegen den Zutritt eines persönlich voreingenommenen Amtswalters. Weiter wehrt etwa Art. 12 GG die Prüfung von Geschäftskalkulationen, Art. 14 GG die Offenbarung von Patenten gegenüber einen Staatsbediensteten ab, der außerdienstliche Nachforschungsinteressen haben könnte. Hier sind verwaltungsrechtliche Sicherungen wie Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten unergiebig, soweit der Schutz der Intimsphäre in Frage steht. Dies trifft auch in den Fällen zu, in denen schon der bloße Realakt der Kenntnisnahme eine Rechtsgutsgefährdung schafft, die durch spätere gesetzliche Vorkehrungen nicht hinreichend aufgefangen werden können. In derartigen Fällen stellen Freiheitsrechte die Grundlage von Befangenheitsvorschriften dar. Vgl. hierzu: Kirchhof, VerwArch 66 (1975), 370 ff., 374 f., 375 mit FN 32. 118 Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 88; Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 45; Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 10, 12, 15; vgl. auch Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 37.
54
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
dem demokratischen Willensbildungsprozeß gelöst — definieren zu können, was nach den Vorangegangenen gerade nicht möglich i s t 1 1 9 . Hinzu kommt die beschränkte Wirksamkeit einer bloß repressiven verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Vergegenwärtigt man sich, daß nach dem Vorangegangenen das Unbefangenheitsprinzip dort eine zentrale Rolle spielt, wo der Verwaltung Entscheidungsspielräume zur Verfügung stehen, so w i r d die Relevanz einer präventiv wirkenden Verfahrensgestaltung deutlich. Die zunehmende Anerkennung administrativer Letztentscheidungsermächtigungen durch Literatur und Rechtsprechung 1 2 0 , in deren Konsequenz die Regelung des § 114 V w G O nur eine Spielart ist, zeigt, daß es zur Gewährleistung eines sachgerechten Interessenausgleichs nicht ausreicht, erst die effektiv sachfremd motivierten Verwaltungsentscheidungen der nachträglichen gerichtlichen Kontrolle wegen Ermessens- und Abwägungsfehlern zu unterwerfen 1 2 1 . Sind danach präventiv wirkende Befangenheitsregelungen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geboten, so rückt die Frage nach ihrer inhaltlichen Ausgestaltung in den Vordergrund. Hier lassen sich lediglich rudimentäre Aussagen treffen. Verfassungsrechtlich geboten sind insofern nur Befangenheitsregelungen, die Fälle erfassen, in denen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Befangenheit besteht. Angesprochen sind damit jene Fälle, in welchen der Amts- und Mandatsträger selbstbeteiligt ist oder Verfahrensbeteiligte eine enge Beziehung zum Verfahrensgegenstand, etwa durch nahe Verwandtschaft oder starke Abhängigkeitsverhältnisse, vermitteln. Doch sind damit nur die Schwerpunkte des Unbefangenheitsgebotes abgesteckt. Daneben ist eine breite Palette weiterer Interessenkonflikte denkbar, die nicht oder nur sehr schwer i m vorhinein einer detailierten Normierung zugänglich sind. Auch diesen Konstellationen muß der Gesetzgeber Rechnung tragen und insoweit Vorkehrungen treffen. Sowohl die Regelungen auf verwaltungsverfahrensrechtlichen Gebiet wie auch diejenigen in den einzelnen Prozeßordnungen belegen in diesem Zusammenhang die Erforderlichkeit einer Generalklausel, die es ermöglicht nach den Besonderheiten des Einzelfalls Interessenkollisionen zu vermeiden und auf diese Weise die Lücken, die die Ausschlußgründe mit ihren zumeist klar konturierten Tatbeständen lassen, füllt. Ist also auch eine lückenfüllende Generalklausel durchaus als verfassungsrechtlich geboten anzusehen, um hinreichend schwerwiegenden Interessenkollisionen zu begegnen, so können Bedenken gegen die verfassungsrechtliche Gebotenheit gerade des § 21 H V w V f G nur aus dem Gesichtspunkt hergeleitet werden, daß die verfassungsrechtliche Vorgabe lediglich den Rahmen absteckt, ihre inhaltliche Ausgestaltung jedoch dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers vorΠ9 Krause, DÖV 1974, 325 ff., 330. 120 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 184 ff., insbesondere Rn. 188 ff. m. w. Nw. 121 Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 487.
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
55
behalten bleibt. Ob ein solcher Einwand in dem hier interessierenden Zusammenhang durchschlagend ist, erscheint zweifelhaft. Denn der Gesetzgeber ist in dieser Hinsicht schon tätig geworden. So ist in den Verwaltungsverfahrensgesetzen und den Prozeßordnungen die zur Lückenschließung erforderliche Generalklausel durch den Gesetzgeber in nahezu wörtlicher Übereinstimmung ausgestaltet worden. Dies und der Umstand, daß § 21 H V w V f G nach den obigen Ausführungen in bestimmten Bereichen sogar direkt im Kommunalrecht anwendbar ist, läßt damit eine klare gesetzgeberische Wertung erkennen. Wenn diese auch nicht die verfassungsrechtlich einzig zulässige darstellt, so ist doch in bezug auf den hier zu erörtenden Zusammenhang festzuhalten, daß insoweit eine gesetzgeberische Ausfüllung des Verfassungsauftrags vorliegt, die ohne tiefgreifende Bedenken auch über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus als Konkretisierung des verfassungsrechtlich verankerten Unbefangenheitsprinzips angesehen werden kann. dd. Die Zulässigkeit der Heranziehung des § 21 H V w V f G auf die Tätigkeit kommunaler Vertretungskörperschaften Die vorstehenden Ausführungen haben den komplexen Rechtsgüterzusammenhang, in dem die Ausprägungen des Unbefangenheitsprinzips insbesondere i m Kommunalrecht stehen, aufgezeigt. Nachdem eine Generalklausel als zusätzliche Absicherung dieses Prinzips verfassungsrechtlich geboten ist und § 21 H V w V f G insofern als Konkretisierung dieses Gebotes aufgefaßt werden kann, ist nunmehr das Verhältnis der einzelnen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter zueinander zu untersuchen. Dabei ist nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz zu verfahren. Die verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter müssen i n der Problemlösung einander so zugeordnet werden, daß jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt. W o Kollisionen entstehen, darf nicht in vorschneller „Güterabwägung" oder gar abstrakter „Wertabwägung" eines auf Kosten des anderen realsiert werden. Vielmehr stellt das Prinzip der Einheit der Verfassung die Aufgabe einer Optimierung: beiden Gütern müssen Grenzen gezogen werden, damit beide zur optimalen Wirksamkeit gelangen k ö n n e n 1 2 2 . Insoweit ist zu untersuchen, ob mit der Anwendung des § 21 H V w V f G auf die Tätigkeit kommunaler Vertretungskörperschaften nicht dem Unbefangenheitsprinzip gegenüber den anderen verfassungsrechtlich relevanten Rechtsgütern eine einseitige Dominanz zuerkannt wird. Bedenken aus dem Gesichtspunkt, das Selbstverwaltungsprinzip werde bei einer extensiven Handhabung des Unbefangenheitsprinzips zu sehr ausgehöhlt 1 2 3 , sind nicht durchschlagend. Der i m Rahmen des Art. 28 I I GG aktivierte Effizienzgedanke ist nicht speziell i m Hinblick auf die Kommunalverwaltung einschlägig, 122
Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 2 I I I 2 c bb. 123 Vgl. Zinzow, DVB1. 1966, 829 ff., 831.
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Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
sondern stellt eine für die öffentliche Verwaltung allgemeingültige Aussage dar. Damit liegt der Effizienzgedanke auch den Regelungen der V w V f G e zugrunde. § 21 V w V f G ist dort also mit dem Aspekt der Funktionsfähigkeit der Verwaltung vereinbar. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, daß der i m Einzelfall ausgeschlossene Gemeindevertreter nicht durch ein M i t g l i e d der gleichen Partei ersetzt werden k a n n 1 2 4 . Damit ist die Situation i m Grundsatz anders zu bewerten, als in anderen Verwaltungsbereichen, in denen der befangene Amtsträger ersetzt werden kann. Gleichwohl ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob deshalb auch schwerwiegende Interessenkollisionen hingenommen werden müssen. Eine sachgerechte Lösung kann hier durch eine restriktive Handhabung des § 21 H V w V f G erreicht werden. In die Betrachtung einbezogen werden müssen ferner Mechanismen, die die H G O selbst zur Bewältigung des angesprochenen Konflikts bereitstellt. So enthält § 53 I I I H G O eine spezielle Regelung 1 2 5 hinsichtlich der Beschlußfähigkeit der Gemeindevertretung für den Fall der Abwesenheit von Gemeindevertretern aus Rechtsgründen, wie den Fällen der Interessenkollision. Die Verhinderung von schwerwiegenden Interessenkollisionen durch die Anwendung des § 21 H V w V f G führt vor diesem Hintergrund nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der Selbstverwaltungsgarantie. Auch aus dem Aspekt der Wahlrechtsgleichheit kann nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. W i e die Rechtsprechung des B V e r f G zur 5%-Klausel zeigt, können verfassungskräftige Gegengründe die Wahlrechtsgleichheit bis zu einem gewissen Grad einschränken 1 2 6 . Genau dies ist aber bei dem Unbefangenheitsprinzip der Fall, so daß insoweit ein besonders wichtiger Grund für Differenzierungen hinsichtlich des Erfolgswertes der Wählerstimmen vorhanden ist. Da dieser Erfolgswert durch das Unbefangenheitsprinzip zudem nur punktuell beeinträchtigt wird, werden bei der Anwendung auch des § 21 H V w V f G die engen Grenzen in denen eine Ausnahme möglich ist, nicht überschritten. Schließlich ist auch die formal-prozedurale Komponente des Demokratieprinzips nicht einseitig in den Hintergrund gedrängt. Denn das Demokratieprinzip bewirkt selbst eine gegenläufige Tendenz. Repräsentation und Mehrheitsprinzip als Eckpunkte des Demokratieverständnisses sind Verfahrensnormen, die ihrerseits gegen Verletzungen geschützt werden müssen. Nur wenn der politische Prozeß den ihm innewohnenden Verfahrensvoraussetzungen genügt, ist auch seine Legitimationswirkung gesichert 1 2 7 . Die persönliche Unbefangenheit des Gemeindevertreters ist wie diejenige des Abgeordneten nach den obigen Ausführungen ein solcher unabdingbarer Verfahrensgrundsatz repräsentativer Willensb i l d u n g 1 2 8 . Daher kann der formal-prozedurale Aspekt des Demokratieprinzips auch nur in diesem Rahmen seine W i r k u n g entfalten. 124 v. Arnim, JA 1986, 1 ff., 2. 125 Über § 32 HKO auch auf eine Beschlußunfähigkeit des Kreistages anzuwenden. 126 BVerfGE 1, 208 ff., 247 f.; 6, 84 ff., 89 ff.; 34, 81 ff., 98 ff.; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, § 34 I I 3 a, § 37 I I 1 b. 127 Krause, DÖV 1974, 325 ff., 327; ähnlich BremStGH, NJW 1977, 2307 ff., 2308.
II. Abgrenzung der Regelungsbereiche
57
Als Ergebnis kann damit festgehalten werden, daß eine Analogie zu § 21 H V w V f G im Kommunalrecht auch i m Hinblick auf die Tätigkeiten eines Gemeindevertreters oder eines Kreistagsabgeordneten zulässig i s t 1 2 9 . Unmittelbar herangezogen werden kann § 21 H V w V f G dagegen nur, sofern eine kommunale Verwaltungstätigkeit in Frage steht, bei welcher ein Verwaltungsakt erlassen oder ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen wird.
3. Das Verhältnis der beamtenrechtlichen Regelungen zu den kommunal- und verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften Die beamtenrechtlichen Ausschließungsregelungen der § § 5 9 B B G , 35 B R R G und der entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen, etwa § 73 H B G , betreffen, wie aus ihrem Wortlaut, ihrer systematischen Stellung und ihrer Funktion hervorgeht, i m Grundsatz nur das Innenverhältnis Dienstherr — Beamter 1 3 0 . Unabhängig von der Verfahrensart, der Materie und der Handlungsform enthalten sie ganz allgemein eine Aussage zur Amtsausübung der Beamten und zwar für alle Beamte ohne Rücksicht auf die A r t des Beamtenverhältnisses. Sie sind daher auch maßgeblich für Wahl- und Ehrenbeamte 1 3 1 . Danach ist der Beamte von Amtshandlungen schlechthin zu befreien, die sich gegen ihn selbst oder einen Angehörigen richten. Obwohl damit lediglich die interne Verfahrensweise bei Vorliegen einer Interessenkollision geregelt ist, entfaltet diese Regelung auch Wirkungen i m Außenverhältnis Behörde — Bürger. Denn nicht zuletzt ist auch der Schutz des Bürgers unter die ratio der Regelung zu fassen. Ferner zeitigt die Befreiung von einer Amtshandlung die Konsequenz, daß der betroffene Beamte diese dem Bürger gegenüber nicht vorzunehmen braucht bzw. nicht vornehmen darf. Sie ist damit gerade auch auf jenes Außenverhältnis gerichtet. Dies hat jedoch nicht die Folge, daß die beamtenrechtlichen Befangenheitsvorschriften auch dieses Verhältnis regeln. Vielmehr sind mit dem Erlaß der V w V f G e , der A O '77 und des S G B - X Verfahrensvorschriften statuiert worden, die spezielle Befangenheitsregelungen enthalten und sich insbesondere auf dieses Außenverhältnis beziehen. Da die dort verankerten Grundgedanken auch über den Anwendungsbereich dieser Verfahrensgesetze hinaus Bedeutung h a b e n 1 3 2 und in ihrer tatbestandlichen Fixierung zudem spezifizierter sind als die beamtenrechtlichen Vorschriften, sind diese für das Außenverhältnis maßgebend.
128 Krause, DÖV 1974, 325 ff., 331. '29 So auch Galette / Laux-Borchert, GO SchlH, § 21 Abs. 1 Anm. 2 a, § 22 Abs. 1 Anm. 3. 130 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 2; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 16 Anm. 1. e., S. 276 f. 131 Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil C, § 62 Rn. 1 a. Ε.; H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. II; Foerster, SKV 1975, 11 ff., 12. !32 Siehe dazu nachfolgend unter B. III.
58
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
Die Beschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 59 I B B G , 73 I H B G auf das Verhältnis Dienstherr — Beamter drückt sich auch in der folgenden Problemstellung aus. Gemäß § § 5 9 I I I B B G , 73 I I I H B G bleiben gesetzliche Vorschriften, nach denen der Beamte von einzelnen Amtshandlungen ausgeschlossen ist, unberührt. Fraglich ist, wie diese Rückverweisung auf die „gesetzlichen Vorschriften" zu verstehen ist. Eine verbreitete Ansicht w i l l den Ausschluß eines befangenen Beamten kraft Gesetzes eintreten lassen. In der Folge w i r d daraus der Schluß gezogen, daß der Beamte von Amtshandlungen gegen sich selbst oder Angehörige i m Rahmen der Ausschlußgründe der V w V f G e , des S G B - X , der A O '77 und des Kommunalrechts bereits ex lege ausgeschlossen ist und daher nicht erst von der Amtshandlung befreit zu werden braucht. Daher soll diesen Regelungen der Vorrang gegenüber den beamtenrechtlichen Vorschriften z u k o m m e n 1 3 3 . Indessen ist die Prämisse dieser Auffassung unzutreffend. Nicht der Ausschluß selbst w i r d kraft Gesetzes angeordnet, sondern nur das Vorliegen einer Befangenheit, die ihrerseits erst zu einem Mitwirkungsverbot führt. Liegen die Tatsachen fest, die einen Ausschlußgrund begründen, so hat dies bereits die zwingende Annahme einer Befangenheit des betreffenden Beamten zur Folge. Damit ist aber noch nicht ausgesagt, ob der Beamte den Ausschlußgrund selbst feststellen und sich selbst ohne Einschaltung seines Dienstherrn einer M i t w i r k u n g i m Verwaltungsverfahren enthalten kann. Vielmehr hat auch hier noch die interne Befreiung den Sinn, den Vorgesetzten von dem möglichen Vorliegen eines Ausschlußgrundes in Kenntnis zu setzen und ihm eine Nachprüfung zu ermöglichen, die insbesondere bei dem konkretisierungsbedürftigen Rechtsbegriff der unmittelbaren Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeit relevant wird. I m übrigen wäre es nicht einsichtig den Beamten einmal von einer gegen ihn oder einen Angehörigen gerichteten Amtshandlung zu befreien, ihn hingegen von diesem Erfordernis freizustellen, nur weil sich die Amtshandlung in einem Verwaltungsverfahren i m Sinne von § 9 V w V f G vollzieht, in dem er oder sein Angehöriger Beteiligter ist. Dieser WertungsWiderspruch w i r d nur vermieden, wenn dem in § § 5 9 I B B G , 73 I H B G statuierten Befreiungserfordernis eine allgemeine Bedeutung in bezug auf die interne Rechtsstellung des Beamten zuerkannt wird. Er kann sich ohne der Gefahr disziplinarrechtlicher Folgen in allen Fällen eines Mitwirkungsverbotes nur dann eines Tätigwerdens enthalten, wenn er zuvor von der Vornahme der entsprechenden Amtshandlungen durch den Dienstherrn entbunden wurde. Die angesprochene Rückverweisung ist daher in dem Sinne zu verstehen, daß nicht die Erforderlichkeit einer Befreiung von der Amtshandlung bei Ausschlußgründen beseitigt werden soll, ihr Sinn besteht vielmehr darin, weitergehende Befreiungsmöglichkeiten bedingt durch das Normprogramm anderer Vorschriften zu eröffnen 1 3 4 . 133
Scheerbarth / Höffken, Beamtenrecht, § 611. a. aa.; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 12 I 2; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 4. 1 34 In diesem Sinne Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 13; wohl auch Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 19.
III. Offene Regelungsbereiche
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I I I . Offene Regelungsbereiche Die Skizzierung des Anwendungsbereichs der V w V f G e zeigt, daß wichtige Bereiche des Verwaltungshandelns von deren Geltung ausgenommen sind. Neben den Ausschluß ganzer Verwaltungsbereiche fallen insbesondere interne Verwaltungsvorgänge, das fiskalische Handeln sowie Verfahren, die auf den Erlaß einer Rechtsverordnung oder einer Satzung, auf Abgabe einer sonstigen rechtserheblichen Erklärung oder auf die Vornahme eines Realakts gerichtet sind, aus dem Anwendungsbereich der V w V f G e heraus. I m Hinblick auf die in den V w V f G e n in § § 2 0 , 21 enthaltenen Befangenheitsregelungen stellt sich damit die Frage nach der Möglichkeit der Übertragung des dort konkretisierten Unbefangenheitsgebots auf solche Bereiche, in denen eine unmittelbare Anwendung der V w V f G e ausscheidet.
1. Die Analyse der Entstehungsgeschichte Einer solchen Heranziehung der dort kodifizierten Regeln, sei es mittels Analogie, sei es, daß man jene als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes des Verwaltungsrechts ansieht, scheint zunächst der gesetzgeberische W i l l e entgegenzustehen. E contrario könnte man aus der Beschränkung des Anwendungsbereichs der V w V f G e folgern, daß in diesen Bereichen die Regeln der V w V f G e gerade nicht zum Tragen kommen sollen. Die Bestätigung oder Ablehnung dieser These setzt zunächst eine Erforschung der Gründe voraus, weshalb der Gesetzgeber den Geltungsanspruch dieser Normen beschnitten hat. Der gesetzgeberische W i l l e , eine unmittelbare Geltung nicht vorzusehen, war zum einem von dem Gedanken geprägt, das behördeninterne Verfahren und die materiellen Rechte i m Behördeninnenbereich seien für eine Kodifizierung noch zu unbestimmt, sowie zum anderen von der Befürchtung getragen, eine Kodifizierung werde die Flexibilität der Verwaltung zu stark einengen 1 3 5 . Auch die Einengung des Anwendungsbereichs durch die Subsidiaritätsklausel, die den Fachgesetzen den Vorrang einräumt, hat ihren Grund in der Befürchtung, die V w V f G e könnten in bestehende Normgefüge einbrechen, ohne daß dies wegen der Fülle der bestehenden Normen erkannt w ü r d e 1 3 6 . Als Begründung für die Herausnahme ganzer Sachbereiche aus dem Anwendungsbereich ist angeführt worden, in diesen Sachgebieten bestünden bereits i m wesentlichen abgeschlossene Verfahrensregelungen, die sich über längere Zeit bewährt hätten und die so stark auf die speziellen Bedürfnisse und Besonderheiten dieser Rechtsgebiete abgestellt seien, daß es untunlich sei, diese bewährten Regelungen zugunsten der Anwendung des Verfahrensgesetzes aufzuheben. Allerdings ging die Begründung des E V w V f G
1963 zugleich davon aus, daß grundsätzlich alle
135 Meyer, in: Meyer / Stolleis, HessStVwR, S. 89 ff., 94. 136 Meyer, in: Meyer / Stolleis, HessStVwR, S. 89 ff., 94.
60
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
Gesetze dem Verfahrensgesetz nach einer Übergangszeit, die zur Rechtsbereinigung genutzt werden sollte, unterworfen sein sollten 1 3 7 . Diese gesetzgeberischen Intentionen schließen es daher keineswegs aus, daß die in den V w V f G e n verankerten Grundsätze als allgemeine Verfahrensgrundsätze herangezogen und in den ausgeklammerten Bereichen unter diesem Gesichtspunkt doch Anwendung finden können. Davon geht auch die amtliche Begründung des E V w V f G aus, nach der es nicht ausgeschlossen ist, daß über die Heranziehung von allgemeinen Verfahrensgrundsätzen die i m Gesetz verankerten Grundsätze doch zur Anwendung k o m m e n 1 3 8 . Keine Bedenken dürften dagegen bestehen, zumindest die wesentlichen Verfahrensgrundsätze des V w V f G auch auf solche Verfahren anzuwenden, die nicht unter die Legaldefinition des Verwaltungsverfahrens i m Sinne des § 9 ( B ) V w V f G fallen. Auch dafür liefert die amtliche Begründung des E V w V f G einen Beleg. Danach könne nicht verkannt werden, daß durch das Eigengewicht, das eine ganze Reihe von Vorschriften besäßen (ζ. B. rechtliches Gehör, Akteneinsicht, ausgeschlossene Personen, Besorgnis der Befangenheit), diese über den eigentlichen Anwendungsbereich hinaus allgemeine Bedeutung für alle vom Entwurf nicht erfaßten Verfahrensarten erlangen w ü r d e n 1 3 9 .
2. Die vom Unbefangenheitsgebot erfaßten Rechtsvorgänge Hat die Analyse der Entstehungsgeschichte des V w V f G , die von einem Streben nach einer weitgehenden Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrensrechts getragen i s t 1 4 0 , gezeigt, daß die in ihm erfolgte Ausprägung des Unbefangenheitsgebotes in den §§ 20, 21 auch auf jede weitere Verwaltungstätigkeit übertragen werden kann, die nicht dessen Anwendungsbereich unterliegt, so stellt sich nunmehr die weitere Frage, ob nicht das Unbefangenheitsgebot wesensmäßig nur bestimmte Rechtsvorgänge erfaßt. Während diese Regelungen zeigen, daß sie auf Einzelfallentscheidungen wie auch, wie e contrario aus § 20 I I V w V f G geschlossen werden kann, auf Wahlen Anwendung finden, könnte fraglich sein, ob auch eine Anwendung auf die Rechtssetzungtätigkeit stattfinden kann.
137 Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Anm. 5.32 der allgemeinen Begründung, Anm. 2 zu § 1. 138 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/910, S. 33. 139 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, B T / Drucksache 7/910, S. 29. 140 Bericht und Antrag des Innenausschusses zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/ 4494, S. 3 f., 13.
II.
ene Regelungsbereiche
a. Die Anwendbarkeit
61
auf die Rechtsetzungstätigkeit
Bedenken könnten aus dem Umstand entstehen, daß das Unbefangenheitsgebot typischerweise auf Individualentscheidungen bezogen ist. Stets wenn eine Person in einem bestimmten Näheverhältnis zu dem Verfahrensgegenstand steht, ist sie von der M i t w i r k u n g ausgeschlossen. V o n diesem Gedanken ausgehend soll einer Ansicht zufolge das Unbefangenheitsprinzip keine Anwendung auf den Erlaß von Rechtssätzen finden, da diese allgemeine und abstrakte Normen darstellten, so daß das Interesse daran begriffsnotwendig allgemein s e i 1 4 1 . Andernfalls läge zudem eine Verkennung von Rechtsgrundlage und Rechtsanwendung, gewissermaßen eine Verwechslung von Ursache und W i r k u n g vor. Das folge aus der Tatsache, daß die bloße Existenz des Rechts als eines Abstraktums noch keine Rechtsfolgen erzeuge und nicht identisch sei mit seinem Vollzug, der erst ein positiv oder negativ als Vor- oder Nachteil zu wertendes Konkretum schaffe 1 4 2 . Diese Ansicht stellt jedoch zu einseitig auf die Rechtsnatur der Rechtsetzungsakte ab und vernachlässigt dabei die Voraussetzungen des Unbefangenheitsgebots. Der Charakter einer Satzung oder Verordnung w i r d lediglich im Hinblick auf das Abstrakt-Generelle interpretiert, woraus dann eine für alle Rechtsetzungsakte allgemeingültige Aussage abgeleitet w i r d 1 4 3 . Damit w i r d jedoch verkannt, daß es formelle Rechtssätze gibt, denen etwa ein konkret-individueller materieller Regelungsgehalt zukommt. Entscheidend kann daher gar nicht die formelle Rechtsnatur eines Hoheitsaktes sein, vielmehr ist stets das Näheverhältnis der Interessen des Individuums zu dem Verhandlungsgegenstand ausschlaggebend. Immer, wenn es daraus einen Sondervorteil erlangen kann, muß dies zum Ausschluß führen. Die diesbezügliche Beurteilung hängt dabei stets von dem materiellen Regelungsgehalt des Hoheitsaktes ab. Insofern unterscheidet auch Dagtoglou, der in Bezug auf ein materielles Einzelfallgesetz eine Ausnahme anerkennen w i l l 1 4 4 , nicht exakt zwischen der Rechtsnatur und den konkreten Voraussetzungen der Befangenheit. Die Beurteilung, ob der Rechtssetzungsakt seinem Inhalt nach einer Einzelfallentscheidung gleichkommt, ist nicht Folge seiner rechtlichen Einstufung als Einzelfallgesetz, sondern Ergebnis der positiven oder negativen Subsumtion unter den Tatbestand des Mitwirkungs Verbotes 145 . Als Ergebnis bleibt damit festzuhalten, daß das Unbefangenheitsprinzip auch auf die administrative Rechtsetzungstätigkeit, also den Erlaß von Verordnungen und Satzungen, Anwendung findet.
141 Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, 65 ff., 81.
142 143 144 145
Großmann, BaWüVBl. 1965, 133 ff., 133 f. Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 113. Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, 65 ff., 81. Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 114.
62
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht b. Einbeziehung
auch von Verwaltungsinterna
Fraglich ist, ob die Erstreckung der §§ 20, 21 V w V f G e auch auf bloße Verwaltungsinterna, wie den Flächennutzungsplan oder die raumordnerischen Landesund Regionalpläne, erfolgen kann. Jäde lehnt insoweit sowohl eine Analogie als auch die Anerkennung eines allgemeinen Rechtsgedankens ab. Eine analoge Anwendung setze ein Verfahren voraus, daß strukturell mit dem Verwaltungsverfahren i m Sinne des § 9 V w V f G e i m Hinblick auf Sinn und Zweck von Ausschließungs- und Befangenheitstatbeständen vergleichbar sei. Dafür sei jedoch schon deshalb kein Raum, weil der Grundtatbestand des § 20 I 1 V w V f G e seinerseits mit dem Beteiligtenbegriff des § 13 V w V f G e an einen spezifisch verwaltungsverfahrensrechtlichen Begriff anknüpfe. Eine Beteiligung in diesem Sinne läge aber etwa bei einem Raumordnungsverfahren gerade nicht vor. Auch wenn man von dieser strengen Sichtweise abrücke und die § § 2 0 , 21 V w V f G e lediglich ihren grundsätzlichen Rechtsgedanken nach heranziehe, komme man zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Anwendungsbereich des Unbefangenheitsprinzips hänge i m Bereich der Verwaltung davon ab, ob die exekutive Tätigkeit das Spezifikum der richterlichen aufweise, nämlich auf eine Entscheidung gerichtet sei. Die das Raumordnungsverfahren abschließende landesplanerische Beurteilung sei aber zumindest nach der bayerischen Rechtslage gerade keine Entscheidung. Das Raumordnungsverfahren ziele nicht auf die Erarbeitung konkreter Lösungen ab, sondern auf die Feststellung der landesplanerisch erheblichen Probleme und habe daher nur eine vorbereitende Natur, die keinerlei Außenwirkung entfalte , 4 6 . Diese Ansicht vermischt in unzulässigerweise die Frage, ob §§ 20,21 V w V f G e Aussagen über ihren Anwendungsbereich hinaus enthalten, mit der Frage, wann i m Einzelfall ein Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit gegeben ist. Hinsichtlich dieser ersten Frage kann es nicht entscheidend sein, ob eine mit der Beteiligtenstellung i m verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinne vergleichbare Sachlage vorliegt. Diese Beurteilung hat erst auf der zweiten Stufe bei der Prüfung zu erfolgen, ob der handelnde Amtsträger befangen ist. Die strukturelle Vergleichbarkeit, die dieser Autor für eine Analogie zu § § 2 0 , 21 V w V f G e fordert, muß — wie schon aus dem anfangs dargestellten Grundsatz der Unparteilichkeit der Verwaltung folgt — auf ein administratives Handeln bezogen werden. Nichts anderes ist hier der Erlaß eines Verwaltungsaktes oder der Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. V o n diesem allgemeinen Ansatzpunkt aus ist dann zu fragen, ob auch andere Handlungsformen unter teleologischen Gesichtspunkten dem Unbefangenheitsgebot unterstellt werden müssen. Dies wurde soeben für die Rechtsetzungstätigkeit untersucht und kann allgemein für jede Verwaltungstätigkeit i m Außenrechtskreis bejaht werden. Der B l i c k ist daher ausschließlich darauf zu richten, ob die Anwendung von Befangenheitsregelungen auf diesen Bereich beschränkt bleiben kann und verwaltungsinterne Handlungsformen ausgenommen sind. 146 Jäde, BayVBl. 1986, 614 ff., 615.
II.
ene Regelungsbereiche
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Der Aspekt der mangelnden Außenwirkung der in Frage stehenden Maßnahme vermag eine solche Beschränkung jedoch nicht zu stützen. Auch der verwaltungsinterne Bereich ist unter dem Gesichtspunkt des Unbefangenheitsgebots kein rechtsfreier Raum. Unmittelbar einsichtig ist dies bei Einzelfallentscheidungen, wie etwa Weisungen. Plastisch wird dies, wenn etwa der Fall betrachtet wird, in welchem ein Vorgesetzter, der ein Sonderinteresse an dem Verfahrensgegenstand hat, bestimmte Weisungen an in dem entsprechenden Verwaltungsverfahren handelnde Amtsträger erteilt. Hier sind i m Hinblick auf das Unbefangenheitsprinzip die gleichen Erwägungen maßgebend, wie bei Individualentscheidungen im Außenverhältnis zum Bürger. Sie können hier wie dort von unsachlichen Motiven mit den gleichen schädlichen Folgen beeinflußt sein. Aber auch in bezug auf Rechts Vorgänge, die i m formellen Sinne einen abstrakt-generellen Charakter aufweisen, kann nichts anderes gelten. Auch Verwaltungsvorschriften können einen konkret-individuellen materiellen Regelungsgehalt aufweisen, so daß auch hier die Gründe, die für den Einbezug der Rechtsetzungstätigkeit mit Außenwirkung unter die Geltung des Unbefangenheitsgebotes sprechen, einschlägig sind. Z u prüfen bleibt, ob dies auch für Verwaltungsinterna sui generis, wie Flächennutzungspläne und raumordnerische Landes- und Regionalpläne zutrifft. Der Aspekt, daß die Raumordnungs- wie die Flächennutzungsplanung nur Planvorgaben für nachfolgende Planungsstufen erzeugen und insoweit vorbereitend wirken, kann nicht für die Ansicht von Jäde herangezogen werden. Betrachtet man die Rechtswirkungen derartiger Pläne, so sind zwei Ebenen zu unterscheiden. Blickt man zunächst auf die Rechtswirkungen, die von ihnen auf die Träger der öffentlichen Gewalt ausgehen, so ist die Ansicht von Jäde, wonach raumordnerische Landes- und Regionalpläne keine Entscheidungen darstellen sollen, i m höchstem Maße fragwürdig. Sie führt die ΒindungsWirkung der landesplanerischen Beurteilung für die Fachplanungsbehörde auf den relativen Grad der Verbindlichkeit eines Fachgutachtens, das die Genehmigungsbehörde i m Laufe eines Verfahrens einhole, zurück 1 4 7 . Diese Sichtweise wird jedoch dem gesetzlichen System vertikaler und horizontaler Anpassungspflichten nicht gerecht und öffnet der Möglichkeit, daß die Ziele der Landesplanung von Dritten oder jeweils unteren Verwaltungsebenen unterlaufen werden, Tür und Tor. Sie widerspricht zudem den Regelungen in den Landesplanungsgesetzen, die Abweichungen von der Raumordnungsplanung nur begrenzt zulassen. So erfordert etwa § 8 I I I HLPlanG für eine Abweichung von den regionalen Raumordnungsplänen einen wichtigen Grund. Z u berücksichtigen ist ferner die fortschreitende Regelungsintensität insbesondere der Regionalplanung und die insoweit entstandene Diskussion hinsichtlich der Zulässigkeit von bereichsscharfen Festsetzungen für einzelne Gemeindeteile (ζ. B. Einbeziehung in regionale Grüngürtel, Zentralitätsbestimmungen für Gemeindeteile, Ausweisung von Siedlungsbereichen und 147 So ausdrücklich Jäde, BayVBl. 1986, 614 ff., 616.
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Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
Siedlungszäsuren) 148 . Dies zeigt nicht nur, daß die raumordnerischen Landesund Regionalpläne sehr w o h l als Entscheidungen der zuständigen Planungsträger begriffen werden können. Zugleich belegen die Regelungsintensität und die Existenz auch öffentlich-rechtlicher Sonderinteressen 149 das Bedürfnis für die Geltung des Unbefangenheitsgebotes auch in diesem Bereich. Richtet man den Blick auf das Verhältnis der Planungsträger zu dem Bürger, so ist festzustellen, daß unmittelbare Rechtswirkungen für Private von den angesprochenen Plänen nicht ausgehen. Insoweit kann in der Tat i m Hinblick auf ein konkretes Vorhaben nicht von einer entscheidenden Tätigkeit der Verwaltung gesprochen werden. Doch auch dieser Aspekt vermag die Ansicht von Jäde nicht zu tragen. Denn das Unbefangenheitsprinzip kann nicht auf die entscheidende Tätigkeit beschränkt werden. Wenngleich diese im Vordergrund steht, so dürfen vorbereitende oder beratende Amtshandlungen in diesem Zusammenhang nicht ausgeblendet werden. Ansonsten würde die erhebliche Bedeutung solcher Tätigkeiten für die Entscheidung verkannt 1 5 0 . Dem tragen auch die Regelungen der § § 2 0 , 21 V w V f G e Rechnung, die das Verbot auf jegliches Tätig werden eines befangenen Amtsträgers i m Verwaltungverfahren erstrecken. I m übrigen ergibt sich das Bedürfnis für die Geltung des Unbefangenheitsgebotes in diesem Zusammenhang aus der mittelbaren rechtlichen Wirkung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung auf die Rechtsstellung des Privaten. So können etwa i m Straßenrecht (§ 9 I I I FStrG), Wasserrecht (§ 6 W H G ) oder Wirtschaftsrecht (§ 4 I I EnergiewirtschaftsG) die Ziele der Raumordnung und Landesplanung die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und die Ermessensausübung steuern 1 5 1 . Besonders ausgeprägt ist diese mittelbare Außen Wirkung auf dem Gebiet des Bauplanungsrechts i m Hinblick auf die Zulässigkeit von Vorhaben. So w i r d für den nicht beplanten Innenbereich für die Tatbestände des § 3 4 I I BauGB wegen der Raumordnungsklausel des § 11 I I I 1 Nr. 2, S. 2 B a u N V O und des § 34 I V , V BauGB bei entsprechenden Satzungsinhalt die Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung bejaht 1 5 2 . Ferner können sich i m Rahmen des § 35 I I I 3 BauGB die Ziele der Raumordnung und Landesplanung auf die Zulässigkeit eines Vorhabens auswirken, sofern diese nur in den Programmen und Plänen sachlich und räumlich hinreichend konkret s i n d 1 5 3 . I m Rahmen derartiger Fälle mittelbarer Außenwirkungen raumordnerischer Landes- und Regionalpläne sind nun Fallkonstellationen denkbar, in denen ihr materieller Gehalt 148
Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, 2 V 2 m. w. Nw. 9 Siehe dazu Kapitel C Zweiter Abschnitt I. 2. a. aa. ccc. 150 Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, 65 ff., 78; siehe im übrigen Kapitel E V. 3. sowie Kapitel F III. ist Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, 2 V 4. 152 Battis, Öffentliches Baurecht und Raumordnungsrecht, 2 V 4. 153 Krautzberger, NVwZ 1987, 449 ff., 454; Ernst/Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Raumplanungsrecht, Rn. 233; Grabis / Kauther / Krebsbach, Bau- und Planungsrecht, 4.5.2. 14
III. Offene Regelungsbereiche
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in — wenn auch — engen Grenzen hinreichend individualisiert sein k a n n 1 5 4 . Raumordnerische Landes- und Regionalpläne können daher ebenso wie Flächennutzungspläne eine „Präjudizwirkung" i m Hinblick auf die Zulässigkeit einzelner Vorhaben ausüben und damit auf das rechtliche Interesse der betroffenen Vorhabenträger e i n w i r k e n l 5 5 . Infolgedessen dürfen auch diese Handlungsformen der Exekutive nicht von der Geltung des Unbefangenheitsgebotes ausgenommen bleiben. 3. Der methodische Weg Festzuhalten bleibt nach alledem, daß die in §§ 20,21 V w V f G erfolgte Ausprägung des Unbefangenheitsprinzips, die auch in den beiden weiteren „Säulen" des Verwaltungsverfahrensrechts, der A O '77 und dem S G B - X , in §§ 82, 83 A O '77 und in §§ 16, 17 S G B - X bis auf einige zu vernachlässigende Abweichungen enthalten ist, auf jede administrative Handlungsform, also auch auf die administrative Rechtssetzung, verwaltungsinterne Vorgänge oder das fiskalische Handeln übertragen werden kann. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb geboten, weil dieses Verfahrensprinzip letztlich nichts weiter als eine Konkretisierung verfassungrechtlicher Bestimmungen und Prinzipien i s t 1 5 6 . Offen ist bisher der methodische Weg, auf dem dieses Ziel erreicht werden kann. Eingangs wurden die Möglichkeiten einer Rechtsanalogie oder der Heranziehung der Vorschriften der §§ 20, 21 V w V f G als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes des Verwaltungsrechts genannt. Forsthoff w i l l hier eine strenge Trennung zwischen diesen Methoden der Lückenfüllung durchführen. I m zweiten Fall handele es sich nicht um eine analoge, sondern um die direkte Anwendung von Rechtssätzen, die in ihrer Gesamtheit den sog. Allgemeinen Teil des Rechts bilden sollen 1 5 7 . Zunächst ist festzustellen, daß die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts letztlich keine eigene Rechtsquellenkategorie darstellen, sondern als Sammelbegriff für verschiedene zumeist ungeschriebene Rechtsnormen dienen, die sich bei näheren Zusehen als Gewohnheitsrecht oder — häufiger — als Richterrecht, zuweilen auch als Gesetzesrecht erweisen, also in den herkömmlichen Kategorien von Rechtsquellen aufgehen 1 5 8 . Als Geltungsgrund kommt nun vorliegend die Anknüpfung an bestehende gesetzliche Regelungen und als rechtsmethodisches Hilfsmittel die Analogie in Betracht. Bei einer Rechtsanalogie w i r d nun gerade mehreren Bestimmungen, die an verschiedene Tatbestände die gleiche Rechtsfolge anknüpfen, ein „allgemeiner Rechtsgrundsatz" entnom•54 Vgl. Kapitel C, Erster Abschnitt unter II. 2. d. dd. zu Flächennutzungsplänen, iss Vgl. Kapitel C, Erster Abschnitt II. 1. a. bb. 156 Schmitt Glaeser, Festschrift für den Boorberg Verlag, 1977, S. 1 ff., 32; Kopp, VwVfG, vor § 1 Rn. 23, § 20 Rn. 3. 157 Forsthoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 168. 158 Ossenbühl, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 IX 3; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 23. 5 Kazele
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
66
men, der auf den i m Gesetz nicht geregelten Tatbestand wertungsmäßig ebenso zutrifft wie auf die geregelten Tatbestände 1 5 9 . Insoweit ist in methodischer Hinsicht kein Gegensatz erkennbar, vielmehr ist für das als Gesamtanalogie bezeichnete Verfahren stets der Rückgang auf die allen Einzelvorschriften gemeinsame „ratio legis" sowie deren Verallgemeinerung erforderlich 1 6 0 . Insoweit ist die Feststellung eines allgemeinen Grundsatzes des Verwaltungsrechts die Voraussetzung für eine Gesamtanalogie, die in der Anknüpfung an gesetzliche Vorschriften deren Geltungsgrund liefert. Daß die in §§ 20, 21 V w V f G enthaltenen Befangenheitsvorschriften
Ausdruck
eines
allgemeinen
Grundsatzes
des
Ver-
waltungsrechts sind, wurde schon zuvor dargelegt. Daher sind die § § 2 0 , 21 V w V f G analog als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens des Verwaltungsverfahrensrechts auch in den nicht ausdrücklich von ihn erfaßten Bereichen anzuwenden 1 6 1 .
I V . Subjekte der Befangenheit 1. Natürliche Personen Subjekte der Befangenheit sind zunächst natürliche Personen. Dies ergibt sich i m Rahmen der beamtenrechtlichen Regelungen schon daraus, daß die Beamteneigenschaft nur natürlichen Personen zukommen kann. Deutlich wird dies auch i m Rahmen von § 25 I 1 Nr. 1 H G O dadurch, daß lediglich eine Person, die haupt- oder ehrenamtlich in der Gemeinde tätig ist, von dem Mitwirkungsverbot erfaßt wird. Haupt- oder ehrenamtlich tätig in diesem Sinne kann aber nur eine natürliche Person sein. Während der personelle Anwendungsbereich dieser Vorschriften klar umschrieben ist, zeichnen sich die Befangenheitsvorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts, konkret die §§ 20,21 V w V f G e , §§ 16,17 S G B - X und § 82 A O '77 durch eine Offenheit des Adressatenkreises aus. Ganz generell werden alle diejenigen Personen, die in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde, d. h. auf ihrer Seite 1 6 2 , tätig werden sollen, dem Mitwirkungsverbot unterstellt. Insofern erheben sich zwei Fragen. Einmal diejenige, ob der Anwendungsbereich i m Hinblick auf natürliche Personen angesichts der Weite dieser Umschreibung nicht eine Eingrenzung erfahren muß. Z u m anderen erhebt sich die Frage, ob das Gesetz andererseits nicht bewußt abstrahiert, um auch Organisationseinheiten als solche dem Mitwirkungsverbot unterstellen zu können. Letztere Frage soll an späterer Stelle erörtert werden. 15
9 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 368. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 370. 161 Kopp, VwVfG, vor § 1 Rn. 24, § 20 Rn. 3. 162 Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 82 Rn. 3. 160
IV. Subjekte der Befangenheit
67
Wendet man sich der ersteren zu, so fällt die Regelung des § 83 A O '77 auf. Dort verwendet der Gesetzgeber an Stelle der genannten allgemeinen Umschreibung den Begriff des Amtsträgers. Unter den Begriff des Amtsträgers fallen in dem hier interessierenden Zusammenhang nach § 7 A O '77 und den damit übereinstimmenden § 11 I Nr. 2 StGB alle diejenigen Personen, die nach deutschem Recht Beamte sind, in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen oder sonst dazu bestellt sind, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen 1 6 3 . Hingegen findet sich eine vergleichbare Definition weder in den V w V f G e n noch i m SGB-X. Das insoweit zur Begründung vorgetragene Argument, dies liege in der L o g i k der Gesetze, da sie nicht organisations- und personalbezogen seien, sondern nur den Verfahrensablauf i m Auge hätten 1 6 4 , klingt zwar schlüssig, überzeugt jedoch bei näherer Betrachtung nicht. Denn auch die A O '77 ist nicht spezifisch organisations- oder personalbezogen, sondern regelt in ihrem zentralen Bereich das Steuerverfahrensrecht. So ist denn auch die Definition des Amtsträgers in den Abschnitt der steuerlichen Begriffsbestimmungen der §§ 3ff. A O '77 enthalten und wiederholt lediglich den bereits i m StGB positivierten Begriff, ohne daß ihm aufgrund der Materie Spezifika hinzugefügt worden wären. Hinzu kommt, daß der Begriff Amtsträger auch in der amtlichen Begründung zu § 17 E V w V f G 1 6 5 verwendet wird. Daraus lassen sich nun Rückschlüsse i m Hinblick auf den Adressatenkreis des Mitwirkungsverbotes ziehen. Einmal zeigt die Verwendung dieses Begriffs, daß nach der gesetzgeberischen Intention das M i t w i r kungsverbot jedenfalls befangene Amtsträger erfassen sollte, wobei dies nicht nur in bezug auf die Besorgnis der Befangenheit gilt. Aufgrund des identischen Regelungsziels kann für die Ausschlußgründe nichts anderes gelten. Dabei hat die inhaltliche Ausfüllung des Begriffs des Amtsträgers in einem einheitlichen Sinn anhand der §§ 7 A O '77, 11 I Nr. 2 StGB zu erfolgen. Abgesehen davon, daß diese eine allgemeine Begriffsbestimmung vornehmen, folgt dies aus der Notwendigkeit einer grundsätzlich einheitlichen Auslegung und Anwendung des formell getrennten VerwaltungsVerfahrensrechts 166 , der nach den obigen Darlegungen in dem hier vorliegenden Zusammenhang keine Bedenken entgegenstehen. Als Zwischenergebnis kann daher festgestellt werden, daß Adressaten der verwaltungsverfahrensrechtlichen Befangenheitsregelungen Amtsträger i m Sinne der Umschreibung der §§ 7 A O '77, 11 I Nr. 2 StGB sind. Amtsträger i m Sinne dieser Legaldefinition sind drei Personengruppen. Zunächst die Beamten i m staatsrechtlichen Sinne, bei welchen also lediglich die formale Berufung in 163 Meyer/Borgs, VwVfG, vor § 20 Rn. 5; Tipke/Kruse, AO, § 82 Rn. 2; Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 82 Rn. 3. 164 Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 21 Rn. 9. 165 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungs Verfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, Drucksache 7/910, S. 47. 166 Kopp, VwVfG, vor § 1 Rn. 18. 5*
68
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
ein Beamtenverhältnis durch Aushändigung der Ernennungsurkunde entscheidend i s t 1 6 7 . Die weiter genannten Berufs- wie Laienrichter (§§ 7 Nr. 1 A O '77, 11 I Nr. 2 a StGB i. V . m. §§ 11 I Nr. 3 StGB) sind in diesem Kontext von keiner Relevanz, da insoweit das gerichtliche Verfahrensrecht einschlägig ist. M i t §§ 7 Nr. 2 A O '77, 11 I Nr. 2 b StGB sind ferner alle jene Personen der Exekutive erfaßt, die zwar hoheitlich tätig werden, aber nicht beamtenrechtlich organisiert s i n d 1 6 8 . Schließlich sind nach der Generalklausel der § § 7 Nr. 3 A O '77, 11 I Nr. 2 c StGB Personen als Amtsträger anzusehen, soweit sie bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Durch die Voraussetzung der Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung sind Personen aus dem Amtsträgerbegriff herausgenommen, die insbesondere nicht selbst Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, sondern lediglich als Hilfskräfte bei öffentlichen Aufgaben mitwirken, wie etwa Registratur-, Schreibkräfte
oder
Boten169. Fraglich ist, ob über diesen Personenkreis hinaus noch weitere Personen von dem Mitwirkungsverbot betroffen sind. Eine verbreitete Ansicht w i l l durch diese Vorschriften unter dem Hinweis auf die Funktionen des Unbefangenheitsgebots alle Personen erfaßt wissen, die das behördliche Handeln i m Verwaltungsverfahren willentlich beeinflußen können. Es sei für einen Ausschluß ausreichend, daß die für die Behörde tätige Person, tatsächlich
in der Lage sei, auf die Willensbil-
dung der Behörde einzuwirken 1 7 0 . T i p k e / K r u s e wollen daher auch bloße Hilfskräfte einbeziehen, soweit diesen Manipulationsmöglichkeiten eröffnet seien 1 7 1 . Indessen würde die Einbeziehung auch dieses Personenkreises zu unverhältnismäßigen Schwierigkeiten führen 1 7 2 . Einmal besteht in diesen Fällen oftmals keine zumutbare andere Gestaltungsmöglichkeit, etwa die Möglichkeit einer Vertretung, oder sie würde jedenfalls zu übermäßigen, in keinem Verhältnis zu der tatsächlichen Gefahrenlage stehenden Aufwendungen führen. Denn es handelt sich hier um Fälle von geringer Bedeutung ohne Entscheidungsspielraum. Der Schwerpunkt des Anwendungsbereichs des Unbefangenheitsgebots liegt aber, wie insbesondere i m Rahmen der Erörterungen zur Gemeinwohlkonkretisierung durch Verfahren deutlich w u r d e 1 7 3 , auf den Fallgestaltungen, in denen bei der Entscheidungsfindung ein Freiraum vorhanden ist. Dagegen ist die Bedeutung dieses Prinzips bei einem bloß mechanischen Gesetzesvollzug gering. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß jeder Befangenheitstatbestand einer Mißachtung des Rechts zuvorkommen w i l l und in dieser Hinsicht der Vorsorge 167 168 169 170 171 172 173
Dreher /Tröndle, StGB, § 11 Rn. 12. Geppert, Jura 1981, 42 ff., 44. Paulick, Lehrbuch des allgemeinen Steuerrechts, § 22 I Rn. 449. Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 82 Rn. 4. Tipke/Kruse, AO, § 82 Rn. 2; ähnlich Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 6, 37. Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 4. Oben Kapitel Α. II.
IV. Subjekte der Befangenheit
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für das Recht d i e n t 1 7 4 . Bei der dabei erforderlichen Prognose über dessen Gefährdung muß nun gerade auf typische Gefahrenlagen abgestellt werden und nicht auf wenig wahrscheinliche und unbedeutende, w i l l man nicht die Funktionsfähigkeit der Verwaltung übermäßig belasten, zumal der völlige Ausschluß jeder möglichen Beeinflußung der Amtswalter bei ihrer Tätigkeit niemals möglich ist. Dies muß nun auch Konsequenzen in bezug auf den Adressatenkreis der Befangenheitsvorschriften haben. Subjekte der Befangenheit können nur solche Personen sein, die aufgrund ihrer Stellung auf den Ausgang eines Verfahrens zumindest potentiell maßgeblichen Einfluß haben, wie es i m Hinblick auf die unter den Begriff der Amtsträger zu fassenden Personen der Fall i s t 1 7 5 . Angesichts der weiten Auslegung, die dieser Begriff in Rechtsprechung und Literatur erfahren h a t 1 7 6 , entstehen i m Hinblick auf die personelle Reichweite des Mitwirkungsverbotes bei Befangenheit auch keine gravierende Lücken. In Frage gestellt werden könnte dieses Ergebnis allenfalls, wenn die Ergänzungsfunktion der Besorgnis der Befangenheit in bezug auf das Vertretungsverbot, die Dritte betrifft, welche in einem Näheverhältnis zu dem von dem Vertretungsverbot betroffenen Amts- und Mandatsträger stehen, in die Betrachtung einbezogen w i r d 1 7 7 . Das Vertretungsverbot w i l l gerade die Ausnutzung verwaltungsinterner Einfluß- und Kenntnismöglichkeiten zu privaten Zwecken verhindern 1 7 8 . Unter diesem Gesichtspunkt liegt es nahe unter Hinweis auf § 30 I I I A O '77 eine Erweiterung des Adressatenkreises zumindest für das Mitwirkungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit zu propagieren. § 30 I I I A O '77 ordnet nämlich eine Erweiterung des Personenkreises, der zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet ist, an. Über den Kreis der Amtsträger des § 7 A O '77 hinaus, werden auch alle für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten i m Sinne des § 11 I Nr. 4 StGB erfaßt. Entsprechend könnte in den angesprochenen Fällen der Ergänzungsfunktion der Besorgnis der Befangenheit, argumentiert werden, es könne i m Hinblick auf die Gefährdung der Sachgebundenheit der Verwaltung nicht darauf ankommen, ob der Dritte Amtsträger oder lediglich ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter sei. Auch eine Schreibkraft etwa könne aufgrund ihrer Tätigkeit wichtige Informationen liefern. Demgegenüber würde jedoch eine derartige Ausweitung des Adressatenkreises den Wertungsgesichtspunkten, die den Gesetzgeber bei dem kommunalrechtlichen Vertretungsverbot bzw. den Regelungen über die Nebentätigkeit von Beamten, die ebenfalls nur punktuell wirken können, geleitet haben, zuwiderlaufen. Denn diese Interessenkollisionsnormen richten sich lediglich an haupt- und ehrenamtlich Tätige und damit an Amtsträger im Sinne der genannten D e f i n i t i o n 1 7 9 . 174 175 176 177 178 179
Kirchhof, VerwArch 66 (1975), 370 ff., 375. Meyer/Borgs, VwVfG, vor § 20 Rn. 5. Vgl. nur die Kommentierung bei Dreher / Tröndle, StGB, § 11 Rn. 11 bis 25. Siehe dazu Kapitel E I. 2. b. BVerfG, DVB1. 1988, 54 ff., 55; sowie Kapitel D Erster Abschnitt II. 2. Siehe Kapitel D Erster Abschnitt II. 1.
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Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
Bei einer Erweiterung des Adressatenkreises des Mitwirkungsverbotes i m Rahmen der Besorgnis der Befangenheit würde ein Weitungswiderspruch aufgerichtet. Während nämlich für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete selbst dem Vertretungsverbot nicht unterworfen wären, könnten sie bei Vorliegen einer entsprechenden Fallkonstellation i m Rahmen der erwähnten Ergänzungsfunktion der Besorgnis der Befangenheit einem Mitwirkungsverbot unterliegen. Die Interessenkollisionsnormen würden also hier einen Fall erfassen, der durch die Vermittlung eines Interessenwiderstreits über eine der handelnden Person nahestehenden Dritten gekennzeichnet ist, während die massivere Konfliktsituation, in der nämlich der Dritte auf Seiten der Verwaltung selbst handelt, gleichsam unbeachtet bliebe. Auch der Einbezug dieses Gesichtspunktes spricht für die Einengung des personellen Anwendungsbereichs der verwaltungsverfahrensrechtlichen Befangenheitsvorschriften auf den Begriff des Amtsträgers. Einer Mindermeinung zufolge sollen unter den von diesen Normen erfaßten Personenkreis auch Sachverständige fallen, die von einer Behörde zur Ermittlung des Sachverhalts herangezogen werden 1 8 0 . Dies erscheint jedoch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungssystematik zweifelhaft. Während § § 2 1 I I I 3 S G B - X , 65 12 V w V f G i m Zusammenhang mit der Ablehnung von Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit auf §§ 406, 42 ZPO verweisen, enthält § 96 I I A O '77 zu diesem Punkt eine eigene Regelung. Sie geben einen allgemeinen Grundsatz für den Einsatz dieses Beweismittels in allen — nicht nur in förmlichen 1 8 1 — Verfahren w i e d e r 1 8 2 und lassen damit den Gegenschluß zu: Gerade weil der Gesetzgeber in bezug auf die Befangenheit von Sachverständigen eine abweichende Regelung getroffen hat, wird deutlich, daß er diesen Personenkreis nicht schon nach §§ 20, 21 V w V f G , 16, 17 S G B - X und 82, 83 A O '77 als ausgeschlossen betrachtet hat. Denn ansonsten wäre diese Regelung nicht nur überflüssig, sondern auch unverständlich.
2. Verwaltungsträger und ihre Subeinheiten als Subjekte der Befangenheit Stand bisher das Verwaltungspersonal als Adressat des Unbefangenheitsgebots i m Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, so ist nun weiter zu fragen, ob nicht auch Organisationseinheiten, die mit der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben betraut sind, als solche Adressat der Befangenheitsvorschriften sein können. Die unter dieser globalen Fragestellung aufgeworfene Problematik ist die, ob auch juristische Personen des öffentlichen Rechts und andere Träger öffentlicher V e r w a l t u n g 1 8 3 , wie etwa beliehene Unternehmen, sowie ihre organisatorischen 180 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 4; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 6, 37. 181 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 12 I I 1. 182 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, § 5 I I I 3 Rn. 147; teilweise bestr. von Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 26 Rn. 16a.
IV. Subjekte der Befangenheit
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Untergliederungen (Behörden, Abteilungen, Referate etc.) als befangen angesehen und von der M i t w i r k u n g an der Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden können. a. Denkbare
Interessenkollisionen
Ausgangspunkt dieser Fragestellung ist die These, daß das Z i e l eines Verwaltungsverfahrens, nämlich der Ausgleich der betroffenen privaten und öffentlichen Interessen nicht nur durch die personelle Besetzung der sich mit der entsprechenden Angelegenheit befassenden Stelle in Frage gestellt werden kann. Eine Gefahrenlage für einen gerechten, sachgemäßen Interessenausgleich kann sich ebenso aus einer organisatorischen Gestaltung des Verwaltungsaufbaus ergeben. Angesprochen sind damit jene Fälle, in denen eine hoheitliche Verwaltungsmaßnahme einer Organisationseinheit der öffentlichen Verwaltung eine Angelegenheit betrifft, die in ihren eigenen fiskalischen oder hoheitlichen Aufgabenbereich oder jenen des von ihr vertretenen Verwaltungsträgers fällt. Hier werden die Verwaltungsträger, die Behörden oder Dienststellen in ihrem eigenen oder i m Interesse derjenigen Verwaltungsträger tätig, als deren Organe sie auftreten, so daß die reale Gefahr gegeben ist, daß dabei der erforderliche Interessenausgleich verkürzt w i r d 1 8 4 . V o n Bedeutung sind in diesem Zusammenhang vor allem die Fälle, in denen i m kommunalen Bereich i m Rahmen der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben die kommunale Gebietskörperschaft in fiskalischer Eigenschaft auftritt, sie beispielsweise auf dem Gebiet der Leistungsverwaltung Aufgaben durch Regieoder Eigenbetriebe erfüllt (Elektrizitäts-, Gas-, Wasserwerke, Verkehrsbetriebe etc.) 1 8 5 . Hier ist es nicht auszuschließen, daß der kommunale Verwaltungsträger bei der Entscheidung der Angelegenheit sachfremde, außerhalb der zu vollziehenden Hoheitsfunktion liegende M o t i v e berücksichtigt und zum eigenen Vorteil entscheidet 1 8 6 . Die insoweit bestehende Gefahrenlage zeigt sich i m übrigen ganz allgemein, wenn bei der Realisierung öffentlicher Bauprojekte die Genehmigungsbehörde mit dem Träger des Vorhabens identisch oder die übergeordnete Fachbehörde ist. I n diesen Fällen ist die Gefahr der selektiven Wahrnehmung aufgrund fachlicher Festlegung nicht von der Hand zu weisen, da die originäre Aufgabe der Fachplanungsbehörde gerade in der Ausführung dieses bereichsspezifischen Projekts liegt. Durch diese originäre Aufgabenstellung w i r d ein sozialpsychologischer Mechanismus in Gang gesetzt. A u f die Realisierung der der Organisationseinheit speziell vorgegebenen Aufgabe, nicht aber auf Beschränkung, Verzögerung oder gar Verhinderung des Vorhabens ist das Denken der entscheidenden Beamten gerichtet 1 8 7 . 183 Vgl. insofern den Überblick bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 7 ff. 184 Siehe dazu speziell auch Kapitel C Zweiter Abschnitt I. 2. a. aa. iss Schwarz-Dumke, AO, § 82 Rn. 12. 186 Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 55 f.; v. Turreg, NJW 1955, 81 ff., 83.
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Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht V o r diesem Hintergrund besteht also sehr w o h l ein Bedürfnis für die Erfassung
dieser Interessenkollisionen. Der folgende Überblick zeigt dabei, daß es die einzelnen Tatbestände des Mitwirkungsverbotes bei Befangenheit durchaus ermöglichen würden, diesen wirksam zu begegnen. aa. So etwa, wenn die Fallgruppe betrachtet wird, in welcher eine Beteiligtenstellung des Verwaltungsträgers im Sinne des VerwaltungsVerfahrensrechts 188 gegeben ist. Gemeint sind damit etwa die Fälle der Erteilung von Genehmigungen für Maßnahmen der Körperschaft, deren eigene Behörde Genehmigungsbehörde ist (ζ. B. Baugenehmigungen, wasserrechtliche Genehmigungen) oder jene, in welchen Ordnungsverfügungen gegen die entsprechende Körperschaft ergeh e n 1 8 9 . U m dies mit Beispielen zu illustrieren: Kann etwa der Kreis als untere Bauaufsichtsbehörde über seinen eigenen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines neuen Gebäudekomplexes der Kreisverwaltung entscheiden? Kann der Kreis über eine Baueinstellung an diesem Vorhaben entscheiden, wenn von den entsprechenden Bauarbeiten eine Gefahr für Nachbarbauwerke ausgeht? Z u berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang ferner all jene Fälle, in denen ein Verwaltungsträger zu einem Verfahren hinzugezogen wird, weil seine rechtlichen Interessen berührt sind. Als Beispiele seien genannt: Ein stark emittierender Betrieb beantragt eine Baugenehmigung auf einen neben der nunmehr erstellten neuen Kreisverwaltung gelegenen Grundstück. Oder aber: Nicht der Gebäudekomplex der Kreisverwaltung ist betroffen, sondern der Sitz des Regierungspräsidenten. Kann dieser dem Kreis als unterer Bauaufsichtsbehörde unter Hinweis auf einen Rechtsfehler die Weisung erteilen, die Baugenehmigung zu versagen, wenn der Kreis nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis gekommen ist, die Genehmigung sei zu erteilen? bb. Einzubeziehen sind weiterhin Situationen, in denen Interessenkollisionen aus einer „Vertreterstellung" entstehen 1 9 0 . Dies ist der Fall bei sich überschneidenden Aufgabenkreisen eines Organs. So etwa, wenn der Landrat als Behörde der Landesverwaltung an den Kreis als Gemeindeverband eine Verfügung richten soll. cc. Hinzu kommen Fallkonstellationen, die von den Umständen des Einzelfalls abhängig sind. Zur Illustration mag der Fall dienen, in welchem eine Gemeindesatzung, die einen Benutzungszwang für einen Gemeinde-Schlachthof vorsieht, durch den Kreis genehmigt werden soll. Kann der Kreis hier als Aufsichtsbehörde
•»ν Schmidt-Aßmann, DÖV 1979, 1 ff., 3; Steinberg, DÖV 1982, 619 ff., 627; ders., Die Verwaltung 1978, 309 ff., 317 ff.; siehe auch Mögele, BayVBl. 1987, 545 ff., 547. 188 Siehe dazu Kapitel C Erster Abschnitt I. 189 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 6.5; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 20; Kopp, § 20 Rn. 33. 190 Ebenso Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 81.
IV. Subjekte der Befangenheit
73
tätig werden, wenn er selbst die Errichtung eines Schlachthofs plant und folglich ein Interesse daran hat, daß diese Satzung nicht wirksam w i r d ? 1 9 1
b. Die Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts Wie oben bereits angesprochen, bringen die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen in ihrem Wortlaut — sieht man von § 83 A O '77 ab — keine Beschränkung auf natürliche Personen als Adressaten des Unbefangenheitsgebots zum Ausdruck. Der Adressatenkreis dieser Regelungen scheint sich allein danach zu bestimmen, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig wird. Teilweise w i r d daher angenommen, diese verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften richteten sich auch an Verwaltungsträger 1 9 2 . Gegen diese Ansicht ließe sich zunächst das Argument formulieren, welchen Sinn den Ausschlußgründen der Nrn. 3 und 5 der §§ 20 I 1 V w V f G e , 16 1 1 S G B - X und 82 I 1 A O '77 dann noch beizumessen sei. Gerade diese Sonderregelungen bestätigten, daß der Anwendungsbereich der Befangenheitsvorschriften auf natürliche Personen beschränkt s e i 1 9 3 . Bei näherer Betrachtung ist jedoch ein Umkehrschluß aus den Ausschlußgründen der Nrn. 3 und 5 nicht gerechtfertigt. Werden nämlich die Grundausschlußtatbestände der Nr. 1 und des Satzes 2 der §§ 20 I V w V f G e , 16 I S G B - X , 82 I A O '77 weit verstanden und ihnen auch Verwaltungsträger und ihre Organisationseinheiten unterstellt, so verbleibt für die Nrn. 3 und 5 gleichwohl noch ein Anwendungsbereich. Erfaßt werden insoweit alle Vertreter und Organmitglieder juristischer Personen des Privatrechts, die keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen und folglich auch nicht für eine Behörde in einem Verwaltungsverfahren tätig werden können. A u c h bei einem weiten Verständnis der Grundtatbestände besitzen die Nrn. 3 und 5 noch Relevanz. Den entscheidenden Einwand gegen ein solches weites Verständnis liefert jedoch die in Nr. 5 enthaltene Ausnahmeregelung. Danach gilt der Ausschlußgrund der Nr. 5 nicht für den, dessen Anstellungskörperschaft Beteiligte ist. Ratio dieser Ausnahme ist die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung durch Vermeidung von Lahmlegungseffekten 1 9 4 . Wendet man sich den Anwendungsbereich dieser Vorschrift zu, so ist festzustellen, daß die Anstellung eines Amtsträgers und das Anvertrauen eines öffentlichen Amtes grundsätzlich durch dieselbe Körperschaft erfolgt. M i t h i n liegt die Schlußfolgerung nahe, die Anstellungskörperschaft müsse daher umgekehrt in dem ihre Angelegenheiten
191 Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 82 f. m. w. Bsp. 192 Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, §82 Rn. 3; Tipke/Kruse, AO, §82 Rn. 2. 193 Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 146 FN 7. 194 Siehe Kapitel C Zweiter Abschnitt I mit näheren Nachweisen.
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Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
betreffenden Verwaltungsverfahren handeln können, unterliege folglich als solche nicht dem Mitwirkungsverbot. Ein solcher Umkehrschluß ist indessen nur dann zwingend, wenn die in Rede stehende Ausnahmeregelung nicht noch in anderer Weise erklärt werden kann. Z u betrachten sind hier die anderen möglichen Fälle, in denen der Amtsträger sein öffentliches A m t nicht bei seiner Anstellungskörperschaft ausübt, sie aber Beteiligte in einem Verwaltungsverfahren ist, das von der Körperschaft durchgeführt wird, für die der Amtsträger tätig werden soll. Denkbar sind solche Situationen i m Falle einer Abordnung oder im Falle der Betrauung eines Beamten mit einem
Nebenamt
Unterstellt
196
durch
eine
andere
als
die
Anstellungskörperschaft I 9 5 .
man einmal, die Ausnahmeregelung der Nr. 5 wäre speziell auf
diese Fälle zugeschnitten, so wäre sie nicht geeignet die angeführte ratio zu verwirklichen. Die Erfassung allein dieser Fälle würde zudem eine erhebliche gesetzgeberische Inkonsequenz darstellen. Denn es wäre nicht zu erklären, warum gerade in derartigen Konstellationen die Interessenkollision zu ignorieren sein sollte. Einen Sinn gewinnt diese Regelung somit nur, wenn sie all jene Fälle erfaßt, in denen die Anstellungskörperschaft nicht nur Beteiligte, sondern auch zur Entscheidung der Sache zuständig ist. Ist dem aber so, so ist das genannte argumentum e contrario zu ziehen. Gerade weil Amtsträger der Anstellungskörperschaft in einem solchen Verwaltungsverfahren handeln können, kann die Anstellungskörperschaft nicht selbst dem Unbefangenheitsgebot unterliegen. Da auch beliehene Unternehmen unter den Begriff der Anstellungskörperschaft f a l l e n 1 9 7 , kann insoweit festgehalten werden, daß Verwaltungsträger als solche in keinem Fall den gesetzlichen Ausprägungen des Unbefangenheitsprinzips unterfallen können. Der Gesetzgeber ist vielmehr von der Vorstellung ausgegangen, Adressat des Unbefangenheitsgebotes könne stets nur das einzelne Individuum sein. Belegt w i r d dies durch den systematischen Zusammenhang der einzelnen Ausschlußgründe. Aus dem in den jeweiligen Tatbeständen verwandten Wortlaut folgt, daß diese nur natürliche Personen von einem Handeln für die Behörde ausschließen. Für § 20 I Nr. 2 und 4 der V w V f G e (§§ 16 I Nr. 2 und 4 SGBX , 82 I Nr. 2 und 4 A O '77) ergibt sich dies schon daraus, daß nur natürliche Personen Angehörige haben können, für § 20 I Nr. 3 V w V f G (Abs. I Nr. 3 der §§ 16 S G B - X , 82 A O '77) daraus, daß nach h. M . nur natürliche Personen Vertreter oder Bevollmächtigte sein k ö n n e n 1 9 8 . Neben dem eindeutig auf natürliche Personen ausgerichteten Ausschlußgrund der Nr. 5 ist weiter auf das M i t w i r kungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit hinzuweisen. Hier zeigen 195
Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, § 4 sub 3. !96 In Kapitel C Zweiter Abschnitt I. wird ferner zu zeigen sein, daß diese Fälle nicht unter die Ausnahmeregelung fallen. 197 Kapitel C Zweiter Abschnitt I. 198 Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 146 FN 7; vgl. insoweit auch Β FH, NJW 1977, 776.
IV. Subjekte der Befangenheit
75
der Wortlaut des § 83 A O '77 und die Entstehungsgeschichte des § 21 V w V f G klar, daß lediglich der individuelle Amtsträger als Subjekt der Befangenheit angesprochen ist. So ist in der amtlichen Begründung zu § 21 V w V f G stets nur von dem Amtsträger die Rede 1 9 9 . Die Gesamtschau dieser Umstände zeigt, daß auch die Grundausschlußtatbestände des Satzes 1 Nr. 1 und des Satzes 2 der §§ 20 I V w V f G e , 16 I S G B - X und 82 I A O '77 nur natürliche Personen als Subjekte der Befangenheit in ihren Anwendungsbereich einbeziehen. Der Begriff des Tätigwerdens in den Satz 1 Halbsatz 1 der angeführten Vorschriften ist somit vor dem Hintergrund der Handlungsfähigkeit von Organisationen zu interpretieren. Juristischen Personen und nichtrechtsfähigen Organisationseinheiten fehlt es an der natürlichen Handlungsfähigkeit, so daß diese nur durch ihre Organe, konkret deren Mitglieder handeln k ö n n e n 2 0 0 . Dementsprechend trifft das Handlungsverbot bei Befangenheit nicht den Verwaltungsträger oder seine Subeinheiten, sondern nur die Organmitglieder bzw. die vertretungsberechtigten Personen. Denn nur diese können in einem Verwaltungs verfahren für eine Behörde handeln 2 0 1 .
c. Bestehen eines allgemeinen
Rechtsgrundsatzes?
Beziehen somit die gesetzlichen Ausprägungen des Unbefangenheitsprinzips Verwaltungsträger und ihre Untereinheiten als solche nicht in ihren Adressatenkreis ein, so erhebt sich die Frage, ob nicht insofern ein allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt werden kann. Eine vereinzelt geäußerte Ansicht w i l l dies bejahen und einen Rechtsgrundsatz des Handlungsverbots bei Befangenheit aufstellen, nach denen unterstaatliche juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie Behörden oder Dienststellen wegen Befangenheit keine hoheitliche Amtshandlungen vornehmen dürfen, wenn sie hierdurch in ein Verwaltungsverfahren eingreifen würden, an dessen Gegenstand sie selbst oder die von ihnen vertretenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Behörden oder Dienststellen als Träger fiskalischer Interessen beteiligt sind oder wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die objektiv geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu setzen 2 0 2 . Begründet w i r d dies in bezug auf die juristischen Personen des öffentlichen Rechts damit, daß eines der wesentlichsten Merkmale des Rechtsstaates ihre rechtliche Angleichung an die juristischen Personen des Zivilrechts und damit wegen der weithin gleicharti199 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode 7/910, S. 47. 200 Hübner, Allgemeiner Teil des BGB, §. 13 IV 2 Rn. 123; Gernhuber, Bürgerliches Recht,§ 9 IV 2 d. 201 Kube, DVB1. 1971, 204 ff., 205 FN 15. 202 Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 81 ff., 91; v. Turreg, NJW 1955, 81 ff., 85.
76
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
gen Behandlung aller Zivilrechtspersonen an die natürliche Person sei 2 0 3 . Hingewiesen wird weiter auf den in der Spezialbestimmung des § 59 des preußischen Landesverwaltungsgesetzes von 1883 zum Ausdruck gekommenen Grundgedanken. Diese Vorschrift habe für das Beschlußverfahren, eine besondere Art des Verwaltungsverfahrens, ein Handlungsverbot aufgestellt, wonach eine große Zahl von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in Preußen — nämlich die Land- und Stadtkreise — dann nicht durch ihre Beschlußbehörden entscheiden durften, wenn sie an der zu regelnden Angelegenheit „als solche beteiligt" waren. Wenn nun im Jahre 1883 dem Gesetzgeber solche Entscheidungen in eigener Sache als mit einer sauberen und objektiven Verwaltungsführung unvereinbar erschienen sei, so könne man heute keinen dem Bürger ungünstigeren Standpunkt einnehmen 2 0 4 . Eine Ausnahme soll aus Praktikabilitätserwägungen nur für staatliche juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten. Denn ein für den Staat als solchen bestehendes Handlungsverbot würde unerträgliche Folgen haben. Da er bei innerstaatlichen Handlungen nicht durch ein anderes Staatsgebilde vertretbar oder ersetzbar sei, hätte ein solches Verbot zur Konsequenz, daß etwa überall dort, wo der Staat nichthoheitliche oder fiskalische Verwaltung ausübe, keine staatlichen Hoheitsmaßnahmen durchgeführt werden dürften. Dem Bereich der Staatswaltung wären diese Verwaltungsformen ganz entzogen, was zu einer Lähmung der Staatstätigkeit führen würde, da der Staat in großem Rahmen fiskalisch tätig s e i 2 0 5 . Gleichwohl dürfe das Handlungsverbot bei Befangenheit auch insoweit nicht v ö l l i g ignoriert werden. Vielmehr müsse in solchen Fällen die in Frage stehende hoheitliche Maßnahme von einer sachlich oder örtlich entfernten Behörde vorgenommen werden. A u f diese Weise werde eine Entscheidung in eigener Sache durch allzu nahe mit ihr verbundene Stellen vermieden und damit die Garantie für eine gewisse Objektivität des Verwaltungshandelns gegeben 2 0 6 . Indessen ist es fraglich, ob diesen Schlußfolgerungen gefolgt werden kann. Der gelegentlich erhobene Einwand, auch auf dem Gebiet des Prozeßrechts sei eine Ablehnung des ganzen Gerichts als Spruchkörper nicht möglich, abgelehnt werden könnten stets nur die einzelnen R i c h t e r 2 0 7 , erweist sich allerdings nicht als stichhaltig. Die fehlende Möglichkeit, ganze Gerichte oder Richterkollegien abzulehnen, beruht auf einer für die Rechtsprechung typischen Situation. Die Gerichte sind dazu berufen, als unabhängige Instanz auftretende Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden. Außerhalb dieser Funktion verfolgen sie jedoch keine 2 °3 v. Turegg, NJW 1955, 81 ff., 84; Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 57. 204 V. Turegg, NJW 1955, 81 ff., 84. 205 v. Turreg, NJW 1955, 81 ff., 84; Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 57. 206 γ. Turreg, NJW 1955, 81 ff., 85; Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 58. 207 Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 146 FN 7.
IV. Subjekte der Befangenheit
77
weiteren eigenen Interessen, während i m Gegensatz dazu die Verwaltung auf nahezu allen Gebieten in unterschiedlicher Gestalt zur Verwirklichung öffentlicher Interessen tätig i s t 2 0 8 . Daß aufgrund dieser Vielgestaltigkeit des Verwaltungshandelns Zielvorstellungen bei der Verwirklichung von öffentlichen Interessen divergieren, ist dabei nahezu zwangsläufig. In diesem Zusammenhang kann auch nicht eingewandt werden, Kennzeichen der eingreifenden wie der fürsorgenden Verwaltung sei ihre Parteilichkeit, Beteiligung und mangelnde Neutralität. V o n dieser institutionellen Parteilichkeit der Verwaltung sei die Forderung nach Freiheit von persönlichen Interessen bei ihren Amtsträgern streng zu unterscheiden 2 0 9 . V o r dem Hintergrund dieser Differenzierung könnten daher lediglich natürliche Personen Subjekte der Befangenheit sein. Indessen wurde schon zu Anfang dieser Arbeit gezeigt, daß es einen Grundsatz der Parteilichkeit der Verwaltung in diesem Sinne nicht gibt. A u c h die Verwaltung als solche muß unparteiisch handeln. Die gegen die Annahme eines solchen allgemeinen Grundsatzes des Verwaltungsrechts vorhandenen Bedenken ergeben sich aber aus der Generalisierung einer Spezialvorschrift. Solche gesetzliche Einzelvorschriften, die Verwaltungsträger von bestimmten Handlungen ausschließen, finden sich vereinzelt auch noch heute. So schließt etwa § 136 V H G O den Landrat als Aufsichtsbehörde bei einem Interessenwiderstreit zwischen Kreis und Gemeinde aus 2 1 0 . Die Rechtsprechung hat sich in derartigen gesetzlich nicht geregelten Fällen — nicht zuletzt wegen des Eingriffs in die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung — stets gescheut, dem allgemeinen Verwaltungsrecht einen Grundsatz in dem obigen Sinne zu entnehmen und ist auf andere Mechanismen, insbesondere eine strengere Überprüfung der Ermessensausübung ausgewichen 2 1 1 . Auch die Stellungnahmen i m Schrifttum zu dieser Frage sind ablehnend. I m Fall eines Interessenwiderstreites zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts sei stets nur der konkret befangene Amtswalter, nicht aber die ganze Behörde auszuschließen 212 . I m übrigen müßte, selbst wenn nun ein allgemeiner Grundsatz in dem genannten Sinn bestanden hätte, die Entscheidung des Gesetzgebers i m Rahmen des Verwaltungsverfahrensrechts respektiert und dieser nunmehr i m Einklang mit dem V w V f G ausgelegt werden 2 1 3 .
208 Marré, Befangenheit im Verwaltungs verfahren, S. 55. 209 Meyer/Borgs, VwVfG, vor § 20 Rn. 5. 210 H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. II. 211 BVerwGE 3, 1 ff., 8, 10; vgl. auch OVG Hamburg, VerwRspr. 6, 476 ff., 476. 212 Forsthoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 234; Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, S. 65 ff., 95. 213 Kopp, VwVfG, vor § 1 Rn. 24.
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Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht d. Resümee Als Ergebnis ist daher festzuhalten, daß nach dem geltenden Recht lediglich
natürliche Personen als Subjekte der Befangenheit angesehen werden können. Organisationseinheiten der öffentlichen Verwaltung als solche sind bei einem Interessenwiderstreit nur im Falle einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung von einer M i t w i r k u n g in der betreffenden Angelegenheit ausgeschlossen. Derartige gesetzliche Anordnungen sind im geltenden Recht nur unzureichend anzutreffen. Für den hessischen Rechtskreis ist insofern nur § 136 V 1 H G O einschlägig. Diese Regelung zielt lediglich auf den Landrat in seiner Funktion als Kommunalaufsichtsbehörde. Zur Vermeidung von Interessenkollisionen, die insofern aufgrund seines Aufgabenbereichs als Organ des Landkreises (§ 43 H K O ) entstehen können, w i r d die Zuständigkeit auf die nächsthöhere Aufsichtsbehörde verlagert. Diese Vorschrift belegt, daß in bestimmten Bereichen institutionelle Interessenkollisionen durch Zuständigkeitsverlagerungen auf die übergeordnete Ebene bewältigt werden können, ohne die Funktionsfähigkeit der Verwaltung in Frage zu stellen 2 1 4 . Hier bietet sich insbesondere die kommunale Ebene an. So ist bei der Beteiligtenstellung einer kommunalen Körperschaft eine — jedenfalls im Bereich der Pflichtaufgaben nach Weisung bzw. Auftragsangelegenheiten nach Weisung mögliche — Verlagerung kommunaler Zuständigkeiten auf den Staat, etwa nach dem V o r b i l d der §§ 85 I I BaWüGO, 48 I I N r W K r e i s O zu erwägen 2 1 5 . Das Argument weitreichender Lahmlegungseffekte ist demgegenüber i m Bereich der staatlichen Verwaltung nicht von der Hand zu weisen. Der Frage, in welchem Umfang die individualistische Lösung der insoweit bestehenden Interessenkollisionen über das Unbefangenheitsgebot, konkret die dortige Bewältigung von Amtskonflikten, aufgefangen werden kann, soll an späterer Stelle aufgegriffen werden 2 1 6 . Festzuhalten bleibt jedoch, daß auch in diesem Zusammenhang Mechanismen denkbar sind, die die existierenden Interessenkonflikte verringern. Hinzuweisen ist hier speziell auf institutionelle Vorkehrungen, die den schon angesprochenen Effekt der selektiven Wahrnehmung einzelner Behörden entgegenwirken 2 1 7 . Die institutionelle Neutralisierung von Ressortegoismen kann dabei verschiedene Formen annehmen. Steinberg verweist i m Zusammenhang mit Genehmigungsverfahren auf die Möglichkeit einer organisatorischen Verselbständigung der Genehmigungsbehörde etwa in Form einer (Landes)-Oberbehörde hin. Gerade eine solche Verselbständigung könnte einerseits die Konzentration 214 Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 489 mit FN 36. 215 VGH München, NVwZ 1982, 510 ff., 511. 216 Kapitel C Zweiter Abschnitt I. 21V Steinberg, DÖV 1982, 619 ff., 627; Hufen, Fehler im Verwaltungsvefahren, S. 79; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 193 ff., 212 ff., 214 mit allerdings auch kritischen Hinweisen; vgl. auch Mögele, BayVBl. 1987, 545 ff., 547.
IV. Subjekte der Befangenheit
79
des Sachverstandes herbeiführen, andererseits aber auch zu einer Interessendistanzierung führen. Denkbar sei aber auch, die Genehmigungsbehörde in einem „neutralen" Ressort, etwa dem Innenministerium oder einer dessen nachgeordneten Behörde anzusiedeln. Wenngleich bei allen Alternativen kein von politischen und sozialen Interessen freier Raum geschaffen werden könne, so sei doch mit derartigen Gestaltungsmöglichkeiten jedenfalls die Chance einer relativen Autonomie gegenüber einzelnen öffentlichen oder privaten Belangen vergrößert 2 1 8 . Vorstellbar ist auch eine ausgleichende Bildung interner Projektgruppen, die gegenläufige interne Interessen und Sichtweisen zum Tragen bringen könnten 2 1 9 . Dies macht deutlich, daß eine breite Palette denkbarer Möglichkeiten der Bewältigung institutioneller Interessenkollisionen besteht. Z u fragen bleibt unter diesen Gesichtspunkt, ob über diese rechtspolitischen Vorschläge hinaus nicht schon das geltende Recht entsprechende Anknüpfungspunkte enthält.
3. Exkurs: Trennung von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde als Instrument zur Minimierung von Interessenkollisionen a. Das Planfeststellungsverfahren
der VwVfGe
I n den Blick geraten dabei die Regelungen der §§ 72ff. V w V f G e . Das dort verankerte Planfeststellungsverfahren ist in zwei Verfahrensabschnitte unterteilt, nämlich das Anhörungsverfahren und die anschließende Planfeststellung. § § 7 3 I, I X V w V f G e unterscheiden dementsprechend auch zwischen der Anhörungsund der Planfeststellungsbehörde. Geht man von dem Wortlaut dieser Normen aus, so ist dort eine begriffliche Trennung von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde vorgesehen. Die h. M . w i l l diese begriffliche Differenzierung jedoch nur auf die Funktion i m Planfeststellungsverfahren beziehen und sie dahingehend verstehen, daß sie nicht zu einer organisatorischen Trennung z w i n g t 2 2 0 . Zur Begründung w i r d insofern auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Parallelproblematik i m Rahmen des FStrG und des L u f t V G verwiesen 2 2 1 . Die Rechtsprechung hat die auch in diesen Gesetzen vorgesehene Trennung von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs von Bundesrecht in das jeweilige Landesorganisationsrecht problematisiert und von diesem Aus-
218 Steinberg, DÖV 1982, 619 ff., 627. 219 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 79. 220 uie / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 401 2; Ronellenfitsch, Einführung in das Fachplanungsrecht, S. 112; Obermayer, VwVfG, § 73 Rn. 14; Kopp, VwVfG, §73 Rn. 2; Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, §73 Rn. 13; Badura, in: Erichsen/ Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 42 II. 221 BVerwG, DÖV 1972, 129 ff., 131; BayVBl. 1980, 26 ff., 27; BayVBl. 1981, 244 ff., 245 f.; VGH München, BayVBl. 1979, 243 f.
80
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
gangspunkt eine einengende Auslegung betrieben. Dieser Aspekt ist in dem vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht einschlägig, da die einzelnen Länder mit der Übernahme der §§ 72ff. Β V w V f G in ihre Landesverwaltungsverfahrensgesetze selbst die gesetzgeberische Entscheidung getroffen haben. Die vorgenannte Rechtsprechung kann schon aus diesem Grund nicht auf die Regelungen der V w V f G e übertragen werden 2 2 2 . Geht man demgegenüber von dem Wortlaut der einschlägigen Normen aus und interpretiert diesen vor dem Hintergrund des Behördenbegriffs der §§ 1 I V V w V f G e , so tritt die Fragwürdigkeit der h. M . deutlich hervor. Unter dem Begriff der Behörde i m Sinne der dortigen Legaldefinition wird eine vom Wechsel der in ihr tätigen Personen unabhängige, organisatorisch selbständige Einrichtung verstanden, der durch Rechtsvorschrift Zuständigkeiten zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen worden sind. Da die interne Geschäftsverteilung demgemäß keine Zuständigkeit i m Rechtssinne darstellt, sind ζ. B. Abteilungen oder Dezernate keine Behörden im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts 223 . Infolgedessen kann der dem Wortlaut des Gesetzes zu entnehmenden Trennung von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde nicht dadurch genügt werden, daß zwei verschiedene Abteilungen derselben Behörde im Sinne der §§ 1 I V V w V f G e die Funktion von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde übernehmen 2 2 4 . Abgesehen davon, daß bereits der Wortlaut klar zu erkennen gibt, daß von der Funktion her zwei unterschiedliche Behörden verlangt werden, verkennt die h. M . zudem v ö l l i g die Bedeutung der Organisationsstruktur für den Planfeststellungsbeschluß 2 2 5 . So w i r d denn auch weder von der Rechtsprechung noch von der herrschenden Lehransicht überhaupt die Frage nach dem Sinn und Zweck der Behördentrennung gestellt 2 2 6 . Geht man in diesem Zusammenhang von dem Ziel des Planfeststellungsverfahrens aus, so ist festzuhalten, daß dieses auf die Feststellung der Zulässigkeit eines konkreten, meist raumbezogenen Vorhabens gerichtet ist. Durch den Planfeststellungsbeschluß werden dabei alle öffentlichrechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt und alle anderen behördlichen Entscheidungen ersetzt 2 2 7 . Dem Anhörungsverfahren kommt in dieser Hinsicht eine wesentliche Funktion zu. Es dient der erschöpfenden Ermittlung des Kreises 222 Meyer /Borgs, VwVfG, § 73 Rn. 4. 223 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 9 I I I 2 a; Kopp, VwVfG, § 1 Rn. 27 f. 224 Kopf/Schönefelder/Richter, BayVBl. 1979, 393 ff., 394 mit Hinweis auf die soweit ersichtlich unveröffentliche Entscheidung des VG Hamburg, Beschluß vom 30.05. 1968, Az.: V I I VG 1229/78. 225 Steinberg, DÖV 1982, 619 ff., 627. 226 Besonders deutlichen Ausdruck findet dies etwa bei Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 250 FN 10, die gar entsprechende Ansätze in der Literatur mehr als rechtspolitische, denn als rechtsdogmatische Ausführungen begreifen wollen. 227 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 39 I; Badura, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 42 I.
IV. Subjekte der Befangenheit
81
der Planbetroffenen, der umfassenden Gewährung des rechtlichen Gehörs für alle Beteiligten und der M i t w i r k u n g der in ihrem Aufgabenkreis berührten Behörden und Verwaltungsträger. Insoweit soll der Plan durch die Anhörung transparent gemacht werden, wobei durch den Einbezug des Sachverstandes der von der Planung betroffenen Fachbehörden und die ex-ante Einbeziehung der betroffenen Bürger eine optimale Entscheidungsgrundlage geschaffen werden s o l l 2 2 8 . Der Plan wird also nicht erst i m Rahmen der Planfeststellung überprüft. Vielmehr soll er nach der gesetzlichen Vorstellung bereits in der dieser vorgeschalteten Phase des Anhörungs Verfahrens eine wertende Beurteilung erfahren, die sich in der nach § § 7 3 V w V f G e von der Anhörungsbehörde zu fertigenden Stellungnahme ausdrückt 2 2 9 . I m Rahmen dieser Stellungnahme w i r d — für die Planfeststellungsbehörde zwar nicht bindend — das Planungsermessen ausgeübt und die Abwägung aktenmäßig erfaßt. Der damit verbundene Effekt zeitigt in dreifacher Weise Wirkung. Neben der Erleichterung der gerichtlichen Nachprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf Ermessens- und Abwägungsfehler, dient sie auch einer Überprüfungsmöglichkeit durch den Bürger vor Beschreiten des Rechtsweges. Entscheidend ist i m vorliegenden Zusammenhang jedoch eine dritte Komponente. Der Planfeststellungsbehörde soll es zugleich auch ermöglicht werden, ihre eigene Entscheidung, insbesondere ihre Ermessensausübung, unter den Aspekten der Vollständigkeit und Sachgerechtigkeit zu überprüfen 2 3 0 . Berücksichtigt man einerseits diese Funktion des Anhörungsverfahrens und bezieht man andererseits die schon angesprochene Gefahr selektiver Wahrnehmung aufgrund fachlicher Festlegung durch die Planfeststellungsbehörde ein, so ist es aus dem B l i c k w i n k e l des Gesetzgebers nur konsequent, wenn die Aufgaben der Anhörungsbehörde einer Behörde zugewiesen werden, die kein eigenes Interesse an der Durchführung des Vorhabens h a t 2 1 3 . Ratio der Behördentrennung ist es, eine von der originären Aufgabenstellung der Planfeststellungsbehörde lösgelöste Betrachtung des (öffentlichen) Bauprojekts zu ermöglichen und insofern auch gegenläufige Interessen und Sicht weisen eine Chance zu eröffnen, in dem erforderlichem Maße zur Geltung zu kommen. Eine Gewähr kann insoweit aber nur dann bestehen, wenn die Funktion der Anhörungsbehörde von einer Stelle wahrgenommen wird, die organisatorisch von der Planfeststellungsbehörde verselbständigt ist und ihre Zuständigkeiten i m Verhältnis zu dieser eigenverantwortlich wahrnimmt. Insoweit läßt sich der Trennung von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde der Gedanke einer inneradministrativen Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle 22
8 Badura, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, §42 II; Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß und seine Anfechtbarkeit, S. 30 ff.; Kopf / Schönefelder / Richter, BayVBl. 1979, 393 ff., 394 f. 229 Kopf/Schönefelder/Richter, BayVBl. 1979, 393 ff., 395. 230 Kopf/Schönefelder/Richter, BayVBl. 1979, 393 ff., 395 f. 231 Kopf/Schönefelder/Richter, BayVBl. 1979, 393 ff., 395. 6 Kazele
82
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
entnehmen 2 3 2 . Eine einseitige Interessenlastigkeit der Entscheidung soll durch die Schaffung institutioneller Gleichgewichtslagen verhindert werden. V o n der Rechtsprechung w i r d gegenüber dieser Argumentation eingewandt, ein Gebot, Verwaltungsfunktionen zwecks gegenseitiger Kontrolle möglichst breit zu verteilen, sei nicht anzuerkennen 2 3 3 . Einmal lasse sich ein derartiger Grundsatz organisatorischer Gewaltenteilung dem Grundgesetz, insbesondere dem in Art. 20 I I , I I I G G verankerten Grundsatz der Gewaltenteilung nicht entnehmen. Zudem trage das Gesetz dem wegen der regelmäßig intensiven und sachlich wie räumlich umfassenden Eingriffswirkung einer Planfeststellung u. U. i n der Tat gesteigerten Rechtsschutzbedürfnis der Planbetroffenen dadurch Rechnung, daß es das Planfeststellungsverfahren als förmliches Verwaltungsverfahren ausgestaltet habe. Die dadurch gewährleistete Formstrenge des Planfeststellungsverfahrens, gerade auch in bezug auf die Beteiligung und Anhörung von Planbetroffenen, führe zu einer erhöhten Rechtsschutz- und Gesetzmäßigkeitsgarantie unabhängig davon, ob das Verfahren vor ein und derselben Behörde stattfinde oder auf zwei verschiedene Behörden aufgeteilt s e i 2 3 4 . Diese Stellungnahme des B V e r w G überzeugt in mehrfacher Hinsicht nicht. Sie verschließt die Augen vor den beschriebenen Interessenkollisionen, zu deren Minimierung die Behördentrennung gerade beitragen soll. Das insoweit bestehende Begründungsdefizit w i r d auch nicht durch den blankettartigen Verweis auf das förmlich ausgestaltete Planfeststellungsverfahren ausgeräumt. Insoweit ist festzuhalten, daß die Effektivität der förmlichen Ausgestaltung eines Verfahrens auch entsprechende Wirkungsbedingungen, wie etwa die hier angesprochene Behördentrennung, voraussetzt. Daher wäre von Seiten des B V e r w G vornehmlich zu erörtern gewesen, ob es nicht gerade auch in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben könnte, hier eine zusätzliche Absicherung zu statutieren. Dies leitet zu einem weiteren Einwand über. Die Ableitung eines Gebotes inneradministrativer Gewaltenteilung und -kontrolle w i r d ausschließlich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten problematisiert. Insofern bedarf es aber keines Verweises auf die Existenz verfassungsrechtlicher Prinzipien, die die Vermeidung von Interessenkollisionen i m Interesse einer sachgerechten, ausgewogenen Entscheidung gebieten. Abgesehen davon, daß von diesen eine Ausstrahlung nicht nur auf das Verfahrensrecht, sondern auch auf die Organisationsstruktur ausgeht 2 3 5 , ist in dem vorliegenden Zusammenhang allein die Frage von Bedeutung, ob nicht der Gesetzgeber einfachgesetzlich ein derartiges Gebot statuiert h a t 2 3 6 . Hier ist es einmal der beschriebene Normzweck der Behördentrennung in den § § 7 3 232 Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193 ff., 213 f.; Kopf / Schönefelder / Richter, BayVBl. 1979, 393 ff., 395. 233 VGH München, BayVBl. 1979, 243 f., 244; BVerwG, BayVBl. 1980, 26 ff., 28. 234 BVerwG, BayVBl. 1980, 26 ff., 28. 235 So etwa die moderne Sichtweise des Grundrechtsschutzes, siehe Kapitel Β II. 2. c. cc. ccc. und die dortigen Nachweise. 236 Ähnlich Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193 ff., 214.
IV. Subjekte der Befangenheit
83
V w V f G e , die einen Grundsatz inneradministrativer Gewaltenteilung und -kontrolle zum Tragen kommen läßt. Z u m anderen w i r d die Analyse der Bewältigung von Amtskonflikten durch die gesetzlichen Ausprägungen des Unbefangenheitsprinzips zeigen 2 3 7 , daß der Gesetzgeber auch insoweit von diesem Leitgedanken ausgegangen ist.
b. Spezialgesetzlich
normierte
Planfeststellungsverfahren
Eine Behördenidentität ist vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses zunächst nur dann zulässig, wenn sie in einem Spezialgesetz (vgl. insoweit die Subsidiaritätsklauseln der §§ I I V w V f G e ) vorgesehen ist. Dies ist etwa in den Planfeststellungsverfahren nach §§ 14ff. WaStrG (vgl. dort §§ 14 I 3, 17 I II), §§ 9b I V Nr. 1 A t G i. V . m. 8 A t V f G der F a l l 2 3 8 . Problematisch sind i m Rahmen spezialgesetzlicher Normierungen eines Planfeststellungsverfahrens somit allein die höchstrichterlich entschiedenen Fälle, in welchen Bundesgesetze eine Trennung von Anhörungs- und Feststellungsbehörde vorsehen. Eine solche Behördentrennung ist beispielsweise in den Planfeststellungsverfahren nach §§ 17ff. FStrG (vgl. dort § 18 I, I X ) , 28ff. PBefG (§ 30 II) und 8ff. L u f t V G (§ 10 II) vorgesehen 2 3 9 . Nach den vorangegangenen Darlegungen kann hier nur das von der Rechtsprechung vorgebrachte Argument, insoweit liege eine nicht gewollte Einschränkung der nach Art. 85 I G G bestehenden Organisationsgewalt der Länder v o r 2 4 0 , für eine andere Sichtweise sprechen. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob insoweit überhaupt von einer verfassungsrechtlich bedenklichen Einschränkung der Organisationsgewalt gesprochen werden kann. Denn geregelt w i r d insofern lediglich ein Verwaltungsverfahren, das zeitlich gestuft ist und dessen getrennte Funktionen durch zwei unterschiedliche Behörden wahrzunehmen sind. Damit aber liegen genuin verwaltungsverfahrensrechtliche Normen vor, für die es nach Art. 85 I G G eines Zustimmungsgesetzes nicht bedarf 2 4 1 . Die Begründung der Zuständigkeit dieser Behörden w i r d insofern allein dem Landesorganisationsrecht vorbehalten. Diese werden erst durch eine organisationsrechtliche N o r m des einzelnen Landes individualisiert 2 4 2 . Die Prä237 Siehe dazu Kapitel C Zweiter Abschnitt I. 2. a. aa. ccc. 238 Vgl. insoweit Ronellenfitsch, Einführung in das Fachplanungsrecht, §§ 18 ff. mit einem instruktiven Überblick über die einzelnen spezialgesetzlichen Planfeststellungsund Genehmigungsverfahren. 239 Kopf/Schönefelder/Richter, BayVBl. 1979, 393 ff., 398. 240 BVerwG, BayVBl. 1980, 26 ff., 27 f.; VGH München, BayVBl. 1979, 243 f., 244. 241 Näheres bei: Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 85 Rn. 33 f., Art. 84 Rn. 22 ff., 25; im übrigen ist die Ansicht des BVerwG auch deshalb nicht ganz verständlich, da der Bundesrat dem FStrG gleichwohl zugestimmt hat, vgl. zu der Entstehungsgeschichte des FStrG ausführlich mit Nachweisen: Marschall / Schroeter / Kostner, BFStrG, vor § 1. 242 Meyer /Borgs, VwVfG, § 74 Rn. 4; Kopf / Schönefelder / Richter, BayVBl. 1979, 393 ff., 396. *
84
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
misse der h. M . erweist sich daher als nicht haltbar. Auch bei spezialgesetzlichen Normen, die eine Behördentrennung bei Planfeststellungsverfahren vorsehen, ist es nicht ausreichend, wenn lediglich zwei Abteilungen einer Behörde die Funktionen der Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde wahrnehmen. Der Wortlaut und die ratio dieser Normen gebieten es, daß insoweit zwei unterschiedliche Behörden tätig werden.
c. Die Realisierung
der
Behördentrennung
Richtet man den Blick auf die konkrete Verwirklichung der Trennung von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde, so erweckt einer Ansicht zufolge die Zuordnung der Aufgaben der Anhörungsbehörde auf die nachgeordnete Behörde i m Rahmen der dekonzentrierten Staatsverwaltung Bedenken. Die Ausübung der insoweit bestehenden Weisungsbefugnis würde zwar i m Einzelfall gegen § § 6 8 II, 78 I X V w V f G e verstoßen, doch seien verhaltenslenkende generelle Weisungen, etwa in Form von Ermessensrichtlinien denkbar, die den gutachterlichen Spielraum der Anhörungsbehörde beschränkten und ihre Stellungnahme beeinflußten 2 4 3 . Diesen Bedenken wird man jedoch durch die Beschränkung auch der bestehenden, generellen Weisungsbefugnisse begegnen können. Denn wenn schon Einzelweisungen zum Zwecke der Funktionsverwirklichung der Behördentrennung unzulässig sein sollen, muß dies i m gleichem Maße auch für Weisungen genereller Art gelten, die den Regelungszweck zu unterlaufen drohen. Zuzustimmen ist dieser Ansicht jedoch darin, daß die Gefahr von Funktions Verlusten für die Anhörungsbehörde jedenfalls dann nicht zu befürchten ist, wenn sie der Planfeststellungsbehörde i m Bereich des dekonzentrierten Behördenaufbaus nicht nachgeordnet ist oder zur dezentralisierten Staatsverwaltung gehört, so daß nur ein rechtsaufsichtliches Einschreiten möglich i s t 2 4 4 .
V . Auslegungsregeln 1. Enge oder weite Auslegung der Befangenheitsregelungen? Ein in diesem Zusammenhang umstrittener Punkt ist die Frage, ob die verwaltungsrechtlichen Befangenheitstatbestände restriktiv oder extensiv zu interpretieren sind. Eine verbreitete Ansicht nimmt den Standpunkt ein, zur Erreichung des Normzwecks seien die Mitwirkungsverbote weit auszulegen 2 4 5 . Sie könnte zur Begründung besonders auf die Entstehungsgeschichte des kommunalrechtli243 Kopf/Schönefelder/Richter, BayVBl. 1979, 393 ff., 396. 244 Kopf/Schönefelder/Richter, BayVBl. 1979, 393 ff., 396. 245 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 119 ff., 121; v. Arnim, JA 1986, 1 ff., 3.
85
V. Auslegungsregeln
chen Mitwirkungsverbotes verweisen. § 25 D G O vom 30. 1. 1935 besaß mit den „unmittelbaren Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten" den gleichen Grundtatbestand der Ausschlußgründe, wie die heutigen kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbote
und
die
verwaltungsverfahrensrechtlichen
Regelungen
der
§§20
V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O '77. Aus der amtlichen Begründung zu § 25 D G O geht hervor, daß die Grenzen dieses Grundausschlußtatbestandes bewußt weit gezogen seien, um ein Mißtrauen gegen eine unparteiische Amtsführung auszuschließen 246 . Der gesetzgeberische W i l l e ließ daher eindeutig eine extensive Auslegung dieser Befangenheitsregelung zu. Indessen muß insoweit auch der historische Zusammenhang, in dem diese Vorschrift stand, berücksichtigt werden. So war das Gemeinderatsmitglied der D G O kein gewählter Volksvertreter der Ortsstufe und damit auch nicht Träger eines Mandats. Folglich brauchte der damalige Gesetzgeber auch gar nicht auf Mandatsrechte Rücksicht zu nehmen. Vielmehr wurde das Gemeinderatsmitglied als Ehrenbeamter durch das M i t w i r kungsverbot in seinem Rechtsstatus nicht beschränkt, so daß eine weitgehende Anwendung des Mitwirkungsverbotes angezeigt schien 2 4 7 . Aus der Übernahme der Gesetzesfassung des § 25 D G O in die heutigen Befangenheitsregelungen kann somit aufgrund der in dieser Hinsicht veränderten Rechtslage nicht der Schluß gezogen werden, daß insoweit die gesetzgeberische Intention unverändert geblieben i s t 2 4 8 . Vielmehr muß unter den gewandelten Gegebenheiten i m Rahmen der Auslegung des Mitwirkungsverbotes der Stellung der Gemeindevertreter als gewählte Volksvertreter Rechnung getragen werden. Aber auch über diesen Bereich hinaus hat eine weite Auslegung der Befangenheitsvorschriften negative Auswirkungen. Der Ausschluß großer Bevölkerungsgruppen wegen Befangenheit vernachlässigt den Aspekt der Funktionsfähigkeit der V e r w a l t u n g 2 4 9 , die schon aufgrund ihrer Verfassungsrelevanz vor unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen geschützt werden m u ß 2 5 0 . Ob jedoch eine einheitlich restriktive Auslegung der Mitwirkungsverböte 2 5 1 eine gangbare Alternative ist, ist nicht unzweifelhaft. Zwar kann insoweit auf die nach überwiegender Ansicht restriktive Auslegung der Befangenheitsvorschriften des gerichtlichen Verfahrensrechts verwiesen werden. Doch w i r d dort die Begründung aus dem Gesichtspunkt des Gebots des gesetzlichen Richters nach Art. 1 0 1 1 2 G G gegeben. V o n der Regel, daß niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden dürfe, stellten die prozeßrechtlichen Befangenheitsregelungen Ausnahmen dar, die somit nach allgemeinen Grundsätzen eng auszulegen 24
6 Surèn-Loschelder, DGO, § 25 Erl. 3 mit Zitat der amtlichen Begründung; vgl. auch Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 139; Hartmann, DVB1. 1956, 708 ff., 709. 247 Geyer, Das Mitwirkungs verbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 58. 248 Geyer, Das Mitwirkungs verbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 58. 249 VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 405. 250 Siehe Kapitel Β II. 2. c. bb. ccc. 251 So wohl Jäde, BayVBl. 1986, 614 ff., 618.
86
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
seien 2 5 2 . O b w o h l diese Aussage in dem dortigen Zusammenhang letztlich eine petitio prinzipii darstellt 2 5 3 , könnte die Charakterisierung als Ausnahmevorschrift doch eine tragfähige Begründung darstellen. Die Statuierung eines Mitwirkungsverbotes könnte eine Ausnahme von den grundsätzlich bestehenden Mitwirkungsrechten des Gemeindevertreters und den kompetenzmäßigen Handlungsmöglichkeiten eines Amtsträgers darstellen 2 5 4 . Doch ist diese Argumentation von dem Standort des Betrachters abhängig. Denn das Unbefangenheitsprinzip ist selbst ein allgemein gültiger Grundsatz des Verwaltungsrechts, so daß Mitwirkungsrechte und Handlungsmöglichkeiten nur in seinem Rahmen bestehen können. Die Befangenheitsvorschriften brauchen mithin nicht notwendigerweise als Ausnahmen, sondern können ebenso als Grenzen der Handlungsmöglichkeiten angesehen werden, wie etwa Zuständigkeitsregelungen. Diese formale Argumentation kann daher keine überzeugende Erklärung für die Auslegung der Befangenheitsregelungen geben. Anzuknüpfen ist i m Hinblick auf diese Auslegungsfrage vielmehr an die bereits i m Rahmen der verfassungsrechtlichen Grundlagen des Unbefangenheitsprinzips getroffene Feststellung, daß dieses in einem komplexen Rechtsgüterzusammenhang eingebettet ist. Dieses Ergebnis muß auch bei der Auslegung der Befangenheitsvorschriften in der Weise Berücksichtigung finden, daß alle involvierten Rechtsgüter adäquat zur Geltung k o m m e n 2 5 5 . V o r diesem Hintergrund ist eine schematische Auslegung zu vermeiden 2 5 6 . Die BefangenheitsVorschriften können daher nicht in einem einheitlichen Sinne eng oder weit ausgelegt werden. Vielmehr ist i m Rahmen der einzelnen Befangenheitstatbestände sowie der daran geknüpften Rechtsfolgen zu differenzieren. In der Konsequenz w i r d bei der Auslegung der Tatbestandsseite eine restriktive Tendenz überwiegen 2 5 7 , da bei der Prognose der Gefahrenlage in bezug auf die Gemein Wohlkonkretisierung, die die Befangenheitstatbestände kennzeichnen, eine hinreichende Schwere und Wahrscheinlichkeit für ihr Eintreten vorliegen muß. Nur auf diese Weise w i r d eine übermäßige Beeinträchtigung speziell der Funktionsfähigkeit der Verwaltung vermieden. Liegt aber eine in diesem Sinne schwerwiegende und wahrscheinliche Gefahr für die Realisierung eines sachgerechten Interessenausgleichs bei der Entscheidungsfindung vor, so w i r d regelmäßig nichts dagegensprechen auch Lücken, die die gesetzlichen Regeln lassen, zu füllen und insbesondere die Rechtsfolgenseite des Mitwirkungsverbotes extensiv zu interpretieren.
252 Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 42 Anm. 2 b bb; Sarstedt, JZ 1966, 314 ff., 314; ähnlich Wassermann, NJW 1963, 429 ff., 430. 253 Teplitzky, JuS 1969, 320 ff., 321. 254 in diesem Sinne: Zinzow, DVB1. 1966,· 829 ff., 831. 255 Krebs, VerwArch. 71 (1980), 181 ff., 186. 256 OVG Münster, NJW 1979, 2632 f., 2632; Rauball / Pappermann / Roters, GO NrW, § 23 Rn. 3. 257 In diesem Sinne auch V G H München, BayVBl. 1985, 399ff., 405; OVG Münster, NJW 1979, 2632 f., 2632.
V. Auslegungsregeln
87
2. Funktionale Gesichtspunkte Eine weitere Problematik der Auslegungsfragen tritt bei der Interpretation der Befangenheitsregelungen unter teleologischen Aspekten auf.
a. Die Funktionen
des Unbefangenheitsgebotes
aa. Die subjektive Komponente Unter funktionalen Gesichstpunkten ist zunächst eine subjektive Komponente festzustellen. Diese drückt sich in dem Schutz des betroffenen Bürgers, des Verwaltungsträgers, sowie des Amts- und Mandatsträgers selbst aus 2 5 8 . aaa. Zunächst bieten sie dem betroffenen Bürger die Gewähr dafür, daß kein unsachlich motivierter Amtsträger an dem Verwaltungsverfahren, in welchem seine Angelegenheiten behandelt werden, teilnehmen wird. Sie dienen in dieser Hinsicht dem Individualrechtsschutz des Betroffenen (also dem effektiven Schutz der Grundrechte des Einzelnen, seiner Subjektstellung und Chancengleichheit sowie der Verwirklichung seiner zulässigen Handlungsfreiheit) 2 5 9 . bbb. Darüberhinaus entfaltet das Unbefangenheitsprinzip seine W i r k u n g durch den Schutz der Belange der öffentlichen Verwaltung i m Falle eines Interessenwiderstreits zwischen ihr und dem Amtsträger. Dem Staat könnte ein konkreter Schaden entstehen, wenn sich Verwaltungsangehörige von sachfremden Erwägungen leiten ließen. Zugleich wirkt es aber auch nach außen in dem Sinne, daß das Ansehen der Verwaltung als einer unparteiischen Instanz geschützt und gefördert w i r d 2 6 0 . ccc. Schließlich w i r d auch der persönlich an der Entscheidung interessierte Amtsträger vor Konflikten moralischer, wirtschaftlicher oder beruflicher Art, mithin also vor Gewissenskonflikten bewahrt 2 6 1 .
bb. Die objektive Komponente Neben dieser subjektiven Komponente ist auch eine objektive, die Allgemeinheit tangierende Seite festzustellen. Befangenheitsnormen gewährleisten in dieser Hinsicht eine möglichst objektive, i m Sinne von Sonderinteressen der handelnden 258 Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, S. 65 ff., 81; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 12 I 1. 259 Siehe Kapitel Β II. 2. c. ccc.; Schwarz-Dumke, AO, vor §§ 82-84 Rn. 2; Meyer/ Borgs, VwVfG, vor § 20 Rn. 2. 260 Koch-Helsper, AO, vor §§ 82-84; Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 82 Rn. 2. 261 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 4; Meyer/Borgs, vor § 20 Rn. 2; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 2.
88
Β. Die Regelung des Unbefangenheitsgebotes im geltenden Recht
Personen freie Beurteilung des Gegenstandes und schaffen damit eine unabdingbare Voraussetzung für die richtige Rechtsanwendung und optimale Erfüllung der öffentlichen Aufgaben 2 6 2 . Insoweit dienen Befangenheitsvorschriften
der
Sicherung der Rechtsstaatlichkeit. Zudem w i r d durch die Vermeidung des bösen Scheins, daß unsachliche Beweggründe dienstlicher Angelegenheiten beeinflussen könnten, das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der öffentlichen Verwaltung gestärkt, wodurch die integrierende und legitimierende Funktion des Rechts bewahrt wird. Niederschlag findet dies auch in dem Gedanken der Entlastung der
Verwaltung
und Verwaltungsgerichtsbarkeit
von Widerspruchs-
bzw.
Gerichtsverfahren 2 6 3 .
b. Die Konsequenzen hinsichtlich
der Auslegung
Diese Vielzahl der funktionalen Gesichtspunkte läßt die Frage aufkommen, unter welchen Voraussetzungen sie unter teleologischen Gesichtspunkten zur Auslegung der Befangenheitsvorschriften herangezogen werden können. Praktische Bedeutung erlangt dies an der immer wieder zu findenden These, das zu schützende Vertrauen des Bürgers in die „Sauberkeit" der Verwaltung und die Vermeidung des „bösen" Scheins einer Unparteilichkeit seien taugliche Auslegungskriterien 2 6 4 . Insbesondere wenn der unter dem Begriff der Sauberkeit der Verwaltung nicht nur das Fehlen persönlicher Interessen und darauf beruhender Motivation verstanden, sondern auch das Bestreben einbezogen wird, möglichst nahe an die Ziele der Objektivität und Gerechtigkeit zu gelangen 2 6 5 , ist nicht zu übersehen, daß die konkrete Gefahrenlage, denen Befangenheitsvorschriften begegnen wollen, aus den Augen verloren wird. Insoweit besteht nicht nur die Gefahr einer Ausuferung des Anwendungsbereichs der Befangenheitsvorschriften, vielmehr w i r d der Schutz der Sauberkeit der Verwaltung hier zu einem Selbstzweck verselbständigt 2 6 6 . Diese Einwände greifen auch gegenüber der Auslegung, die den Aspekt der Vermeidung schon des bösen Scheins in der Vordergrund stellt. Hier ist ein Mißverständnis der dogmatischen Struktur der Befangenheitsvorschriften festzustellen. Da die Befangenheit als innere Einstellung eines Amts- und Mandatsträgers regelmäßig kaum feststellbar ist, beruhen die Mitwirkungsverbote auf Vermutungen, daß bestimmte, an äußere Umstände anknüpfende Faktoren einen sachfremden Einfluß auf Amtshandlungen haben werden. Die Befangenheitsvor262 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 2. 263 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 4. 264 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 59 ff., 64; v. Arnim, JA 1986, 1 ff., 2; besonders deutlich bei v. Mutius, JuS 1979, 37 ff., 39; ders., VerwArch. 1974, 429 ff., 436; Scholler / Broß, Grundzüge des Kommunalrechts, S. 133. 265 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 64. 266 Siehe dazu auch Kapitel C Erster Abschnitt II. 2. c.
V. Auslegungsregeln
89
Schriften wirken damit notwendigerweise präventiv und vermeiden unter diesem Gesichtspunkt bereits den bösen Anschein. Das bedeutet jedoch nicht, daß dies der wesentliche Aspekt ist, der bei ihrer Auslegung zu berücksichtigen ist. Vermieden werden sollen auf diese Weise vielmehr Interessenkollisionen von einigem Gewicht. N i m m t man hingegen diese Struktur isoliert als Anknüpfungspunkt für eine Auslegung, so ist eine nicht unerhebliche Ausweitung der Befangenheitsregelungen die Folge. Denn wenn die Vermeidung des bösen Scheins als alleiniger Maßstab der Auslegung herangezogen wird, müssen letztlich konsequenterweise auch weniger wahrscheinliche oder weniger schwerwiegende Interessenkollisionen in den Anwendungsbereich der Befangenheitsvorschriften einbezogen werden 2 6 7 . Eine Auslegung, die entscheidend auf die Vermeidung des Anscheins einer Befangenheit oder die Sauberkeit der Verwaltung abstellt, erweist sich daher nur dann als tragfähig, wenn sie die konkrete Gefährdungslage für die Verwaltungsentscheidung, die aus dem Einfluß sachfremder M o t i v e resultiert und der Befangenheitsvorschriften begegnen wollen, berücksichtigt. Losgelöst von dieser Gefahrenlage ist eine solche Heranziehung hingegen inhaltsleer und unter teleologischen Gesichtspunkten für eine Auslegung untauglich.
267 VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 404 f.
C. Die Ausschlußgründe im Verwaltungsrecht Ausgehend von der durchgeführten Differenzierung 1 zwischen den Ausschlußgründen und der Besorgnis der Befangenheit sind nunmehr die tatbestandlichen Ausprägungen der Ausschlußgründe, die ihrer Natur nach eine unwiderlegliche Vermutung für das Vorliegen einer Interessenkollision enthalten, gleichgültig also, ob dies i m konkreten Fall zutrifft oder nicht, zu untersuchen. Solche Regelungen sind in nahezu wörtlicher Übereinstimmung jeweils in den Abs. 1 der §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O '77 enthalten. Sie finden sich ebenso i m Anschluß an § 5 1 1 PrGemVerfG von 1933 und § 25 D G O in den kommunalrechtlichen Mitwirkungsverboten wieder, wobei sich die folgende Darstellung auf § 25 H G O beschränkt. Z u erwähnen sind schließlich die §§ 59 I B B G und 73 I H B G , die die Entbindung des Beamten von gegen ihn oder seine Angehörigen gerichteten Amtshandlungen vorsehen.
Erster Abschnitt
Interessenkollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre der Amts- und Mandatsträger I . Selbstbeteiligung 1. Allgemeines Nach §§ 20 I Nr. 1 V w V f G e , 16 I Nr. 1 S G B - X und 82 I Nr. 1 A O '77 darf für eine Behörde nicht tätig werden, wer selbst Beteiligter ist. Die M i t w i r k u n g eines Beteiligten an einem ihn betreffenden Verfahren stellt die gravierendste Form der Interessenkollision dar. Die persönliche Beziehung zum Verfahrensgegenstand, die eine Befangenheitssituation kennzeichnet, ist hier am stärksten ausgeprägt. Der Beteiligte hat notwendigerweise ein persönliches Interesse am Ausgang des Verwaltungsverfahrens, so daß eine Interessenkollision unausweichlich ist 2 .
• Siehe Kapitel Β I. 2 Hauck / Haines-Nehls, SGB-X 1,2, Κ § 16 Rn. 6; Pickel, Lehrbuch des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens, § 11 I. 1. a.
I. Selbstbeteiligung
91
M i t dem Begriff Beteiligter ist zunächst der durch die §§ 13 I V w V f G e , 12 I S G B - X und 78 A O '77 erfaßte Personenkreis von der Tätigkeit in dem entsprechenden Verwaltungsverfahren ausgeschlossen. Die genannten Vorschriften geben eine instrumentale Definition des Beteiligten. Anknüpfungspunkt sind nicht die betroffenen Personen oder das Verfahren als solche, sondern die in Betracht kommenden Handlungsmodalitäten. Der Begriff Beteiligter fungiert als Oberbegriff für alle Personen, die an einem Verwaltungsverfahren i m Sinne der § § 9 V w V f G e , 8 S G B - X 3 mit eigenen Verfahrensrechten, insbesondere dem Recht, Anträge zum Verfahren und zur Sache zu stellen, beteiligt sind 4 . Der Begriff der Beteiligung am Verfahren erfordert dabei stets ein formales Element, nämlich den tatsächlichen Einbezug des Bürgers in das Verfahren. Die Möglichkeit, daß der Bürger durch den Abschluß des Verfahrens in seinen Rechten, rechtlich geschützten oder rechtlichen Interessen betroffen wird, ist zwar regelmäßig Voraussetzung der Beteiligung, läßt diese aber nicht eo ipso entstehen. Der solchermaßen Betroffene w i r d nur dadurch Beteiligter, daß er als Adressat der Entscheidung, Antragsteller oder Antragsgegner diese Verfahrensstellung besitzt, oder sonst formell in das Verfahren einbezogen w i r d 5 . a. Antragsteller
und
Antragsgegner
Nach den Nrn. 1 der §§ 13 I V w V f G e , 12 I SGB-X, 78 A O '77 ist Beteiligter der Antragsteller und der Antragsgegner. Während Einigkeit darüber besteht, daß bloße Anregungen oder Anzeigen an eine Behörde keine Beteiligtenstellung begründen 6 , ist die Frage streitig, ob mit den Nrn. 1 nur solche Verwaltungsverfahren erfaßt werden, die von der Behörde ohne Antrag nicht eingeleitet werden dürfen und deren alleiniger Verfahrensgegenstand der Antrag ist 7 . Die weite Auffassung läßt es demgegenüber ausreichend sein, wenn die Behörde zwar das Verfahren auch von Amts wegen einleiten kann, sie jedoch auf einen Antrag hin tätig werden m u ß 8 . Letzterer Ansicht ist zu folgen, da auch insoweit die Funktionen dieser Beteiligtenstellung einschlägig sind. Das Antragserfordernis trägt in diesen Fällen dem Rechtsschutz des Bürgers Rechnung 9 . Dem entspricht es, wenn die Beteiligtenstellung und damit auch Verfahrensrechte nicht erst durch den formalen A k t der Hinzuziehung begründet werden, sondern bereits durch die Antragstellung selbst. Ist der Bürger zumindest 3 Sachlich gilt trotz fehlender Legaldefinition auf dem Gebiet der AO '77 nichts anderes, vgl. Tipke / Kruse, AO, § 78 Rn. 2. 4 Rasenack, Steuern und Steuerverfahren, §111; Kopp, VwVfG, § 13 Rn. 1. 5 Kopp, BVerwG-FS, 1978, 387 ff., 393; ders., VwVfG, § 13 Rn. 6; Badura, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 40 I. 6 Kopp, VwVfG, § 13 Rn. 9. 7 So Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 I I 1; VG Berlin, DVB1. 1984, 1186 ff., 1187. s Kopp, VwVfG, § 13 Rn. 9; Stelkens / Βonk / Leonhardt, VwVfG, § 13 Rn. 7. 9 Kopp, VwVfG, § 22 Rn. 6.
92
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
potentiell in seinen Rechten betroffen, so w i r d andererseits deutlich, daß auch die Funktionen des Unbefangenheitsgebotes seinen Ausschluß fordern, wenn er zugleich auf seiten der Behörde in diesem Verfahren tätig werden soll. I m Hinblick auf den Antragsgegner bleibt anzumerken, daß dieser Begriff auf Parteienverfahren zugeschnitten ist. Da die das Verfahren durchführende Behörde nicht Antragsgegner noch sonst Beteiligte ist, ist eine so begründete Beteiligtenstellung lediglich in Verwaltungsverfahren denkbar, die auf Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung zielen. Antragsgegner ist in diesen Fällen die Person, in deren Rechte der vom Antragsteller beantragte Verwaltungsakt eingreift, dessen Rechtsstellung durch den beantragten Verwaltungsakt verbessert oder dem gegenüber ein Rechtsverhältnis bzw. einzelne Rechte und / o d e r Pflichten durch den beantragten Verwaltungsakt festgestellt werden s o l l e n l ü . Streitig ist der Zeitpunkt, in welchem die Stellung als Beteiligter beginnt. Insoweit besteht eine erhebliche Bandbreite von Ansichten. Neben dem Zeitpunkt, in welchem die Behörde aufgrund des Antrags ein Verfahren einleitet 1 1 , wird auch der Moment ins Spiel gebracht, in welchem die Behörde den Antragsgegner von der Eröffnung des Verfahrens benachrichtigt 1 2 . Zuzustimmen ist demgegenüber einer dritten Ansicht, derzufolge bereits der Eingang des Antrags bei der Behörde entscheidend ist. Begründet w i r d dies damit, daß die auf den Beteiligten zugeschnittenen Vorschriften, insbesondere jene, die den Beteiligten Verfahrensrechte zugestehen, möglichst frühzeitig eingreifen müßten 1 3 . Einen besonders deutlichen Beleg findet diese Ansicht in der ratio des Ausschlußgrundes der Selbstbeteiligung. So kann es etwa dem Antragsgegner nicht überlassen bleiben, ob und wann er aufgrund des Antrages ein Verfahren einleitet.
b. Adressaten eines Verwaltungsaktes Beteiligte sind gemäß Nrn. 2 der §§ 13 I V w V f G e , 12 I S G B - X und 78 A O '77 diejenigen, an die die Behörde einen Verwaltungsakt richten w i l l oder gerichtet hat. Nicht ausreichend ist es also, wenn die Person durch den beabsichtigten Verwaltungsakt lediglich mittelbar i m Wege der DrittWirkung betroffen würde 1 4 . io Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, §78 Rn. 28; Kopp, VwVfG, § 13 Rn. 11; Knack-Clausen, VwVfG, § 13 Rn. 3.1; a. A. dagegen Meyer/Borgs, VwVfG, § 13 Rn. 5. h Martens, Die Praxis des Verwaltungs Verfahrens, S. 53 Rn. 74; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 22 Rn. 14. i2 Kopp, VwVfG, § 13 Rn. 12 für den Antragsgegner. ι 3 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 I I 1; Obermayer, VwVfG, § 13 Rn. 11, 13; Knack-Clausen, VwVfG, § 13 Rn. 3.1; Grüner, SGB-X, § 12 Anm. I I I 1; ferner Kopp, VwVfG, § 13 Rn. 10 (allerdings nur in bezug auf den Antragsteller). i4 Kopp, VwVfG, § 13 Rn. 13; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 I I 2; VG Berlin, DVB1. 1984, 1186 ff., 1187; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 13 Rn. 20.
93
I. Selbstbeteiligung
A u c h hier wird man aus den genannten Gründen hinsichtlich des Beginns der Beteiligtenstellung nicht auf eine offizielle Mitteilung an den Betroffenen abstellen können 1 5 , sondern eine solche schon dann annehmen müssen, wenn es die Behörde in ihre Erwägungen einbezieht, einen Verwaltungsakt gegen eine bestimmte Person zu richten 1 6 . Der tatsächliche Adressat eines Verwaltungsaktes behält mit Rücksicht auf die Nachwirkungen (Kostenentscheidungen, Rechtsbehelfsverfahren, Folgenbeseitigung etc.) einer Verbescheidung nach der 2. Alternative der Nr. 2 seine Beteiligtenstellung 1 7 . Der Erlaß des Verwaltungsaktes bildet daher i m Hinblick auf das Mitwirkungsverbot keine Zäsur. Der betroffene Amtsträger bleibt auch weiterhin in dieser Angelegenheit ausgeschlossen. c. Partner
eines öffentlich-rechtlichen
Vertrages
Nach Nrn. 3 der §§ 13 I V w V f G e , 12 I S G B - X und 78 A O '77 sind auch diejenigen Personen Beteiligte, mit denen die Behörde einen öffentlichrechtlichen Vertrag schließen w i l l oder geschlossen hat. Die Stellung eines Beteiligten wird dabei nicht allein schon dadurch begründet, daß eine Person einer Behörde den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages anbietet. Vielmehr wird es als erforderlich erachtet, daß die Behörde diesen Antrag aufgreift und als Handlungsmöglichkeit in Erwägung zieht 1 8 .
d. Zum Verfahren
hinzugezogene
Dritte
Gemäß §§ 13 I Nr. 4 V w V f G e , 12 I SGB-X sind schließlich diejenigen, die nach §§ 13 I I V w V f G e , 12 I I S G B - X von der Behörde zum Verfahren hinzugezogen worden sind, Beteiligte. §§ 13 I I V w V f G e , 12 I I SGB-X unterscheiden zwei Fälle. Nach Satz 1 dieser Vorschriften kann die Behörde i m Rahmen der sog. nicht notwendigen oder einfachen Hinzuziehung von Amts wegen oder auf Antrag diejenigen, nicht bereits nach Abs. I Nr. 1 bis 3 Beteiligten als Beteiligte hinzuziehen, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können. Unter Berücksichtigung der in Rechtsprechung und Literatur zu § 65 I V w G O entwickelten Ansichten setzt die Berührung rechtlicher 15 Kopp, VwVfG, § 13 Rn. 13; Meyer/Borgs, VwVfG, § 13 Rn. 6. 16 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 I I 2; Knack-Clausen, VwVfG, § 13 Rn. 3.2; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 13 Rn. 11; Grüner, SGB-X, § 12 Anm. I I I 2. 17 Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 78 Rn. 35. 18 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 I I 3; Knack-Clausen, VwVfG, § 13 Rn. 3.3; Meyer/Borgs, VwVfG, § 13 Rn. 7; Grüner, SGB-X, § 12 Anm. I I I 3; a. Α. Kopp, VwVfG, § 13 Rn. 16 (Eröffnung von Vertragsverhandlungen); Obermayer, VwVfG, § 13 Rn. 18 (Einigung über Einleitung eines Verwaltungsverfahrens bzw. über Abschluß des öffentlich-rechtlichen Verfahrens).
94
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Interessen voraus, daß der Ausgang des Verfahrens die Rechtsstellung eines Dritten irgendwie i m positiven oder negativen Sinn berührt 1 9 . Dies ist i m Fall der in Satz 2 statuierten notwendigen Hinzuziehung immer gegeben. Hier ist Voraussetzung, daß der Ausgang des Verfahrens für einen Dritten eine rechtsgestaltende W i r k u n g hat. § 78 A O '77 stimmt hinsichtlich der Nrn. 1 bis 3 mit den vorgenannten Regelungen überein, nennt aber den Hinzugezogenen (Nr. 4) nicht. Die Hinzuziehung w i r d erst in § 360 A O '77 erwähnt, und zwar für das Rechtsbehelfsverfahren, in dem der Hinzugezogene nach § 359 Nr. 2 A O '77 (neben den in Nr. 1 genannten Rechtsbehelfsführer) Beteiligter ist. Ferner sieht § 174 V 2 A O '77 die Hinzuziehung in Verfahren zur Vermeidung oder Behebung widerstreitender Steuerfestsetzungen vor. Gerade diese N o r m zeigt, daß die Aufzählung der Beteiligten in § 78 A O '77 unvollständig ist. A u c h der nach § 174 V 2 A O '77 Hinzugezogene ist Beteiligter an dem Verwaltungsverfahren 2 0 . Streitig ist nun i m Zusammenhang mit der Hinzuziehung, ob neben den nach §§ 13 I Nr. 4 V w V f G e , 12 I Nr. 4 S G B - X bereits Hinzugezogenen auch der Amtsträger, der noch nicht Beteiligter ist, aber nach Abs. I I der § § 1 3 V w V f G e , 12 S G B - X zum Verfahren hinzugezogen werden soll, hinsichtlich der Frage seiner Hinzuziehung nach §§ 2 0 1 Nr. 1 V w V f G e , 161 Nr. 1 S G B - X ausgeschlossen ist. Dies w i r d von einer Ansicht ohne weitere Begründung bejaht 2 1 . Indessen spricht der Wortlaut dieser Regelung für einer Verneinung dieser Frage. Danach verschafft erst der konstitutive behördliche A k t der Hinzuziehung die Beteiligtenstellung, und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen der § § 1 3 I I V w V f G e , 12 I I S G B - X vorliegen 2 2 . Wer also erst als Beteiligter hinzugezogen werden soll, hat noch nicht die Beteiligtenstellung und ist deshalb noch nicht nach Nr. 1 von einer Tätigkeit für die Behörde in dem Verwaltungsverfahren ausgeschlossen. Personen, die erst hinzugezogen werden sollen, fallen daher nicht unter den Ausschlußgrund der Selbstbeteiligung nach §§ 20 I Nr. 1 V w V f G e , 16 I Nr. 1 SGB-X. Allerdings w i r d regelmäßig der Ausschlußgrund der Vor- oder Nachteilsmöglichkeiten nach Abs. I S. 2 der § § 2 0 V w V f G e , 16 S G B - X gegeben sein 2 3 .
19 Obermayer, VwVfG, § 13 Rn. 26; Kopp, BVerwG-FS, 1978, S. 387 ff., 394. 20 Martens, Die Praxis des Verwaltungs Verfahrens, § 3 I I I 1 Rn. 73; Hübschmann/ Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 174 Rn. 21. 21 Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 13; Hauck/Haines-Nehls, SGB-X I, 2, Κ § 16 Rn. 6. 22 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 I I 4. 23 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 6.1; siehe dazu im übrigen auch nachfolgend II. 1. b. bb. und 2. d.
I. Selbstbeteiligung e. Lediglich
95
Anzuhörende
Keinen Beteiligtenstatus besitzen diejenigen, die — ohne daß die zuvor genannten Voraussetzungen vorliegen — in einem Verfahren lediglich anzuhören sind, §§ 13 I I I V w V f G e , 12 I I I SGB-X. Also etwa Sachverständige, Verbände, Behörden, die aufgrund besonderer gesetzlicher Anordnung ihre Sachkunde in das Verfahren einbringen sollen 2 4 .
2. Der Beteiligtenbegriff in Planfeststellungsverfahren Ein besonderes Problem hinsichtlich des Ausschlußgrundes der §§ 20 I 1 Nr. 1 V w V f G e entsteht i m Zusammenhang mit den Regelungen der § § 7 3
IV
V w V f G e . Sie statuieren i m Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens das Recht gegen den Plan Einwendungen zu erheben. Darunter sind sachliche auf die Verhinderung oder Modifizierung des beantragten Vorhabens abzielende Gegenvorbringen zu verstehen 25 . Eine Einwendungsbefugnis besteht dabei nur für diejenigen Rechtssubjekte, deren eigene Belange durch das Vorhaben berührt werden können. Der Begriff Belange umfaßt nach h. M . rechtliche Interessen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Art i m Sinne der §§ 13 I I 1 V w V f G e . Er geht jedoch darüberhinaus und erfaßt grundsätzlich jegliches Interesse, sachlicher oder ideeler Natur, sei es wirtschaftlicher, sozialer oder sonst ideeler A r t 2 6 . Geht man von dem Beteiligtenbegriff der § § 1 3 V w V f G e aus, so sind die Einwender weder Antragsgegner noch Personen, an die die Behörde den Verwaltungsakt, hier also den Planfeststellungsbeschluß, richten w i l l . M i t h i n können sie lediglich dadurch zu Beteiligten i m Sinne dieser Vorschriften werden, daß sie zu dem Verfahren hinzugezogen werden 2 7 . Teilweise w i r d daher in der individuellen Ladung nach §§ 73 V I 3 V w V f G e eine konkludente Hinzuziehung gesehen. I m Falle einer öffentlichen Ladung (§§ 73 V I 4 V w V f G e ) liege diese in der Zulassung zum Erörterungstermin, da ihr eine Prüfung der Teilnahmeberechtigung anhand der vorliegenden Einwendungslisten vorausgehe 28 . Diese A n sicht überzeugt nicht. Denn, ob für eine Hinzuziehung der Einwender i m Planfeststellungsverfahren überhaupt Raum ist, erscheint fraglich. Das Institut der Einwendung erfüllt nämlich zumindest teilweise dieselbe Funktion wie die Hinzuziehung i m Verwaltungsverfahren. Insoweit w i r d bereits durch die Erhebung der Einwendung der Einwender in das Verfahren hineingezogen. Die These einer 24
Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 I I 5. Ronellenfitsch, Einführung in das Fachplanungsrecht, S. 111. 2 6 Meyer/Borgs, VwVfG, § 73 Rn. 37 f.; Stelkens / Β onk / Leonhardt, VwVfG, § 73 Rn. 38; Knack-Busch, VwVfG, § 73 Rn. 7.1.1.; Obermayer, VwVfG, § 73 Rn. 97 ff. 27 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 40 IV 3. 2 8 Deppen, Beteiligungsrechte des Bürgers in Planfeststellungsverfahren, S. 115 f.; vgl. auch Kopp, VwVfG, § 73 Rn. 35. 25
96
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
konkludenten Hinzuziehung erweist sich daher als Fiktion. Hinzu tritt der Umstand, daß die Hinzuziehung nach §§ 13 I I V w V f G e voraussetzt, daß die rechtlichen Interessen des Hinzuziehenden berührt werden. Der Kreis der Einwendungsbefugten geht aber gerade über diesen Personenkreis hinaus 2 9 . Dies zeigt, daß die Regelungen der § § 1 3 V w V f G e und der in § § 7 3 I V V w V f G e nicht aufeinander abgestimmt sind. Demgemäß ist es nur allzu verständlich, daß die Meinungen über das Verhältnis der Normen auseinandergehen. Einer Ansicht zufolge sollen die Vorschriften, die an den Begriff des Beteiligten anknüpfen, nur auf die in §§ 13 V w V f G e verankerte Definition zugeschnitten sein 3 0 . Zur Begründung w i r d auf den Abs. 3 dieser Regelungen hingewiesen. Danach würden diejenigen Personen oder Stellen, die angehört würden, ohne Beteiligte i m Sinne des Abs. 1 zu sein, jedenfalls durch den formalen A k t der Anhörung nicht zu Beteiligten. Zwar beziehe sich Absatz 3 primär auf Personen und Stellen, deren Rechtssphäre von der Sachentscheidung nicht berührt werde. Doch sei Sinn und Zweck dieser Regelung, eine rein formale Beteiligung von der letztlich durch das materielle Recht bestimmten Beteiligung i m Sinne der Absätze 1 und 2 zu trennen. Die Rechtsstellung von Beteiligten sei auf Einwender nur dann zu übertragen, wenn die Voraussetzungen der §§ 13 I, I I V w V f G e vorlägen 3 1 . Die überwiegende Ansicht w i l l die Einwender demgegenüber wie Beteiligte behandeln und die Vorschriften, die für „Beteiligte" gelten, auf die Einwender zumindest entsprechend anwenden 3 2 . Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Sie findet zunächst eine Stütze in der Entstehungsgeschichte des B V w V f G . Die Einschränkung des Akteneinsichtsrechts durch § 72 I letzter HS B V w V f G wurde in der amtlichen Begründung mit verwaltungspraktischen Gründen erklärt. Ein entsprechender Anspruch könne i m Planfeststellungsverfahren nicht gewährt werden, da solche Verfahren oft Massenverfahren mit „Zehntausenden von Beteiligten" seien 3 3 . Der Gesetzgeber selbst sah also Einwender als Beteiligte an. Belegt w i r d dies zudem durch §§ 73 V 2 Nr. 3 V w V f G e . Danach ist in der öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens darauf hinzuweisen, daß bei Ausbleiben eines „Beteiligten" im Erörterungstermin auch ohne ihn verhandelt werden kann. Es ist aber unbestritten, daß unter den „Beteiligten" i m Sinne dieser 29 Ule / Laubinger, Verwaltungs verfahrensrecht, § 40 IV 3. 30 Graffe, Beteiligung der Bürger an umweltschutzrechtlich relevanten Verfahren, S. 149 ff., 151; v. Mutius, DVB1. 1978, 665 ff., 674. 31 v. Mutius, DVB1. 1978, 665 ff., 674; ähnlich Ahlers, Beteiligungsrechte im Verwaltungsverfahren, S. 59 ff., die weitergehend auch allein den formellen Akt der Hinzuziehung ausreichen lassen will. 32 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 40 IV 3; Kopp, VwVIG, § 73 Rn. 36; Henle, BayVBl. 1981, 1 ff., 4; Knack-Busch, VwVfG, § 73 Rn. 7.1.3. 33 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT-Drucksache 7/910, S. 88; Ule/ Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 40 IV 3.
97
I. Selbstbeteiligung
Regelung auch der Einwender zu verstehen ist. Gleiches ist i m Hinblick auf die Verweisung der §§ 73 V I 6 V w V f G e auf §§ 67 I I Nr. 4 V w V f G e und den dort zu findenden Begriff „Beteiligter" festzustellen 34 . Weiteren Ausdruck findet die vom Gesetzgeber zumindest beabsichtigte Gleichstellung des Einwenders mit dem Beteiligten auch in §§ 74 I V 1 V w V f G e . Vergleicht man die dort gewählte Umschreibung mit der sprachlichen Fassung der § § 4 1 I 1, 74 I V 1 V w V f G e , so fällt auf, daß sie den Terminus „Beteiligter" ersetzt und den Einwender somit diesem gleichsteht 3 5 . Die Gesamtschau dieser Einzelheiten zeigt zum einen, daß der Gesetzgeber den Einwender i m Sinne des Planfeststellungsverfahrens nicht mit den Beteiligten i m Sinne der allgemeinen Begriffsbestimmung identifiziert, gleichwohl aber eine Gleichbehandlung beider Personengruppen beabsichtigt. Insoweit enthält das spezifisch ausgestaltete Planfeststellungsverfahren einen eigenen und weitergezogenen Begriff des Beteiligten. Er bildet das Korrelat zur Partizipation des Bürgers i m Verwaltungsverfahren. Insoweit ist auch unter Berücksichtigung der Funktionen des Unbefangenheitsgebotes die Anwendung des Ausschlußgrundes der §§ 20 I 1 Nr. 1 V w V f G e auf den Einwender geboten. Der Einwender artikuliert mit Erhebung seiner Einwendung Bedenken gegen den Plan in seiner gegenwärtigen Form, wobei ihm nach überwiegender Meinung in einem bestimmten Umfang eine Substantiierungspflicht t r i f f t 3 6 . Damit dokumentiert er nach außen hin deutlich sichtbar, daß die Realisierung des Plans, jedenfalls so, wie sie von Seiten des Trägers des Vorhabens gewollt ist, mit seinen eigenen Belangen nicht in Einklang steht. M i t dem Einbringen der Bedenken gegen das Projekt in das Verfahren sind zudem Pflichten der handelnden Behörden verbunden. So hat nach §§ 73 V I 1 V w V f G e die Anhörungsbehörde rechtzeitig erhobene Einwendungen mit den Einwendern zu erörtern, wobei es i m Ermessen der Behörde steht auch verspätete Einwendungen noch zu berücksichtigen. Aufgabe der Anhörungsbehörde ist es insoweit, auf einen gütlichen Ausgleich der kollidierenden Interessen, etwa durch Zurücknahme der Einwendungen oder durch Änderung des Plans, hinzuwirken 3 7 . Über nicht erledigte Einwendungen hat die Planfeststellungsbehörde nach §§ 74 I I 1 V w V f G e zu entscheiden. Daraus w i r d ersichtlich, daß ein Amtsträger, der auf Seiten der Anhörungs- oder Planfeststellungsbehörde tätig wird, den von ihn erhobenen Einwendungen einen größeren Stellenwert beimessen kann als ihnen zukommt. Die Gefahr der einseitigen Interessenpräferierung durch diesen Amtsträger ist nicht von der Hand zu weisen 3 8 .
34
Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 40 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 40 3 6 BVerwGE 60, 297 ff, 300, 311 f.; Kopp, VwVfG, Verwaltungsverfahrensrecht § 40 IV 1. 37 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 40 3 « Siehe dazu auch nachfolgend II. 1. b. bb. 35
7 Kazele
IV 3. IV 3. § 73 Rn. 44; Ule / Laubinger, V 3.
98
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre I I . Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten Dem Beteiligten gleichgestellt ist jeweils nach Absatz 1 Satz 2 der § § 2 0
V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O '77 derjenige, der durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil erlangen kann. Dieser Ausschlußgrund ist ebenfalls in § 25 I Nr. 1 H G O , wie auch in den entsprechenden Vorschriften der übrigen Gemeindeordnungen enthalten 3 9 . Schließlich statuieren § 59 B B G und die entsprechenden Bestimmungen der Landesbeamtengesetze, etwa § 73 H B G die Entbindung des Beamten von gegen ihn oder seine Angehörige gerichteten Amtshandlungen. Während § 73 I H B G eine solche Befreiung auch bei begünstigenden Amtshandlungen vorsieht, fehlt eine entsprechende Regelung in § 59 I B B G . Es erscheint aber fraglich, ob der Gesetzgeber des B B G gerade die i m Verhältnis zum einzelnen Bürger wie gegenüber der Öffentlichkeit besonders anrüchigen Begünstigungen, die unter Umständen sogar strafrechtrechtlich erfaßt werden, für zulässig ansehen wollte. W i e die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift zeigt, hat der Gesetzgeber die Erfassung solcher Vorteilsmöglichkeiten als selbstverständlich vorausgesetzt und sich geradezu gescheut, dies noch ausdrücklich in das Gesetz hineinzuschreiben 4 0 . Der Vorläufer des B B G , das Deutsche Beamtengesetz v o m 26. 1. 1937 enthielt in § 5 I eine Vorschrift, wonach der Beamte ohne Genehmigung des Vorgesetzten keine Amtshandlung vornehmen durfte, die ihm oder einen Angehörigen einen Vorteil verschaffen würde. Eine entsprechende Vorschrift war zunächst i m Entw u r f der Bundesregierung für ein Bundesbeamtengesetz enthalten. Sie wurde jedoch i m Gesetzgebungsverfahren mit der Begründung gestrichen, daß sich ein solches Verfahren schon nach den allgemeinen Beamtenpflichten verbiete und deshalb eine Bestimmung hierüber überflüssig sei. Insbesondere aus dem Gebot der Uneigennützigkeit (§ 54 B B G 4 1 ) sei ein solches Verbot der Begünstigung durch Amtshandlungen zu entnehmen 4 2 . Beachtenswert ist zudem noch der Umstand, daß § 5 D G B es i m Einzelfall dem Beamten unter der Voraussetzung der Genehmigung durch den Vorgesetzten ermöglichte, eine für sich selbst oder einen Angehörigen vorteilhafte Amtshandlung vorzunehmen. Diese Regelung wurde nun aber v o m Gesetzgeber nicht übernommen, da er sie aus rechtsstaatlichen Erwägungen unter der Geltung des Grundgesetzes für unvertretbar hielt. Gegenüber dem D B G war somit mehr eine Verschärfung als eine Milderung der Bestimmungen über die Beschränkung bei der Vornahme von Amtshandlungen beabsichtigt 4 3 . Der Beamte ist daher wegen 39 BaWü § 18 I GO; Bay. Art. 49 I GO; Br § 11 I Verf.; Hbg. § 25 I I BezVwG; Nds. § 261 1 GO; RhPf. § 22 I GO; Sa. § 27 I KSVG; SH § 22 I GO; NrW § 23 I GO. 40 Foerster, SKV 1975, 11 ff., 12; Meyer/Borgs, VwVfG, vor § 20 Rn. 7; Wenzel, DÖV 1976, 411 ff., 411. 41 Vgl. auch §§ 35 BRRG, 67 I 2 HBG. 42 Foerster, SKV 1975, 11 ff., 12. 43 Foerster, SKV 1975, 11 ff., 13.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
99
Interessenkollision nach § 59 I B B G ebenso wie nach § 73 I H B G auch dann ausgeschlossen, wenn die betreffende Amtshandlung einen persönlichen Vorteil bringen würde. Damit drängt sich die Frage auf, ob der Vor- bzw. Nachteil i m Rahmen der beamtenrechtlichen Regelungen wie bei den zuvor aufgeführten Regelungen auch ein unmittelbarer sein muß oder aber ein mittelbarer ausreichend ist. Ersichtlich muß auch hier eine Eingrenzung erfolgen, da die Berücksichtigung auch nur mittelbarer Vorteile ins Uferlose führt und in dieser Hinsicht die Folgen in Bezug auf die Verwaltungstätigkeit selbst unübersehbar wären. Z u berücksichtigen ist zudem die grundsätzliche Wertentscheidung der anderen Befangenheitsvorschriften, die die Grenzlinie bei unmittelbaren Vor- bzw. Nachteilen ziehen. Die Fälle der nur mittelbaren Begünstigung oder Benachteiligung sind daher ebenso wie bei den Verwaltungsverfahrens- und kommunalrechtlichen Befangenheitsvorschriften auszuschließen 44 . Als Ergebnis ist damit festzuhalten, daß alle drei Regelungsbereiche in einheitlicher Weise auf unmittelbare Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten abstellen.
1. Zum Begriff „Vorteil oder Nachteil" Der Begriff Vor- oder Nachteil läßt sich zunächst mit einer Besser- oder Schlechterstellung umschreiben, die durch die Entscheidung für die befangene Person eintreten kann. a. Quantitative
Aspekte
aa. Saldierende Betrachtungsweise? Fraglich ist, ob bei der Feststellung des Vor- oder Nachteils der Blick isoliert auf die bevorstehende Entscheidung zu richten ist. Diskutiert w i r d in diesem Zusammenhang der Fall, daß über die Aufwandsentschädigung des Bürgermeisters beraten wird. Eine früher zu dieser Frage vertretene Ansicht wollte hier einen Vorteil mit der Begründung verneinen, die Entscheidung decke allenfalls den tatsächlichen Aufwand des Bürgermeisters 45 . Insoweit ist der Aspekt zu betrachten, ob nicht grundsätzlich eine Saldierung zwischen Zugewinn und tatsächlichen A u f w a n d stattfinden muß. Dies ist mit Rücksicht auf die den Befangenheitsvorschriften zugrundeliegenden Zwecke zu verneinen. Entscheidend kann danach allein sein, ob die betroffene Person etwas erhält oder einbüßt, was sie ohne diese Entscheidung nicht erlangen oder verlieren w ü r d e 4 6 . Insoweit ist es unmittelbar einsichtig, daß die Sachgerechtigkeit der zu treffenden Entschei44 Foerster, SKV 1975, 11 ff., 13. 45 Odenbreit-Hensel, GO NrW, 11. Aufl., S. 278 46 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 137 f. τ
100
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
dung — auch wenn mit ihr lediglich ein Ausgleich bewirkt werden soll — ebenso gefährdet ist, wie in anderen Fällen. So, wenn etwa an die in dem Verfahren zu entscheidende Frage gedacht wird, ob und in welchem Umfang erlittene Vermögensnachteile ausgeglichen werden sollen. Die Gefahr des Einflusses unsachlicher Motive ist hier manifest.
bb. Keine konkrete Bestimmung des Umfangs der Vor- bzw. Nachteile Muß daher eine isolierte, allein auf die Entscheidung zu richtende Betrachtung Platz greifen, so kann gleichwohl noch die Frage gestellt werden, ob dem Ausmaß des von der Entscheidung zu erwartenden Vor- bzw. Nachteils eine Bedeutung zuzuerkennen ist. U m bei dem genannten Beispiel zu bleiben: Soll es unerheblich sein, ob die in Rede stehende Aufwandsentschädigung 1 D M oder 1 000 D M beträgt? Deutlich w i r d insoweit jedenfalls, daß die Gefahr des unsachgemäßen Einflusses der M i t w i r k u n g eines Befangenen durchaus von dem Umfang des zu erwartenden Vor- bzw. Nachteils abhängen kann. Auch die Fassung des § 26 I GO Nds., wonach ein „besonderer" Vor- oder Nachteil zum Ausschluß führt, könnte dazu verleiten, es müsse ein gesteigerter Wert oder Umfang vorliegen 4 7 . Indessen wäre eine derartige Schlußfolgerung verfehlt. Einmal wollte der niedersächsische Gesetzgeber keine quantitative Bewertung vornehmen, sondern eine Abgrenzung des individuellen Sonderinteresses zu dem allgemeinen und jedermann betreffenden Interesse schaffen 4 8 . M i t der Verwendung dieser Umschreibung sollte gegenüber der Formulierung also keine sachliche Abweichung verbunden werden. Z u m anderen stellt der Ausschlußgrund nicht auf die konkrete, sondern auf die abstrakte Gefährdung der Übereinstimmung der Entscheidung mit dem geltenden Recht ab. Der Gesetzgeber hat diese Entscheidung bewußt i m Interesse der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit getroffen. Demgemäß spielt das Ausmaß des Vor- oder Nachteils keine R o l l e 4 9 .
b. Zur qualitativen
Beschaffenheit
aa. Nur wirtschaftliche Interessen? Wendet man sich der qualitativen Beschaffenheit des Vor- bzw. Nachteils zu, so wird diese zunächst mit wirtschaftlichen Interessen identifiziert. Stets, wenn der Befangene geschäftliche oder finanzielle Gewinne oder Einbußen durch seine Tätigkeit erlangt, sollen Vor- oder Nachteile i m Sinne der angeführten Vorschriften vorliegen 5 0 . 47 Hartmann, DVB1. 1956, 708 ff., 710 f. 48 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 122. 49 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 47.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
101
Einige Autoren nehmen nun den Standpunkt ein, daß nur solche Interessen wirtschaftlicher A r t zu einem Ausschluß führen könnten. Einmal w i r d hier der Schutzzweck der Mitwirkungsverbote bemüht. Dieser sei darin zu erblicken, die Gemeinde vor Schäden zu bewahren. Solche Schäden materieller Art könnten aber durch die Verfolgung ideeller Interessen nicht eintreten. Außerdem sei der Begriff des nichtwirtschaftlichen Interesses außergewöhnlich verschwommen. Bei diesem handele es sich um einen relativen Begriff, der eine einheitliche Abgrenzung nicht ermögliche. Was nämlich der eine als angenehm oder lästig empfinde, könne den anderen in der gleichen Lage völlig unberührt lassen 51 . Dem steht aber zum einen die Entstehungsgeschichte entgegen. So wurde i m Rahmen des § 25 D G O , des Vorläufers der heutigen kommunalrechtlichen M i t wirkungsverbote, auf der Grundlage eines weiten Verständnisses 52 für die Annahme der Interessenkollision ein nichtwirtschaftliches Interesse für ausreichend gehalten. Auch die vor der D G O geltenden preussischen Gesetze ließen jedes persönliches Interesse genügen, daß i m Gegensatz zu den Gemeindeinteressen stand. Insoweit ist nun kein Grund ersichtlich, weshalb die Mitwirkungsverbote des gegenwärtigen Gemeindeverfassungsrechts — und die in Anlehnung daran entstandenen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen — eine solche bedeutsame Einschränkung machen sollten 5 3 . Nichts anderes ergibt sich, wenn der Sinn und Zweck des Ausschlußgrundes betrachtet wird. Entscheidend ist danach allein, ob die Einwirkung der Entscheidung auf ein bestimmtes Interesse einen Rückschluß in der Weise erlaubt, daß die Motivation des betroffenen Amts- und Mandatsträgers derart beeinflußt wird, daß sie einen Einfluß auf den Verfahrensausgang wahrscheinlich macht. Unter diesem Gesichtspunkt ist aber einsichtig, daß auch die Verfolgung nichtwirtschaftlicher Interessen seitens des betroffenen Amts- und Mandatsträgers unter bestimmten Umständen einen ebenso schädlichen Einfluß auf das Verfahren haben kann, wie dies bei ökonomischen Interessen der Fall ist. Insoweit macht auch der Aspekt des Grundrechtsschutzes durch Verfahren, dem die Befangenheitsvorschriften dienen, deutlich, daß es nicht ausschließlich ökonomische Faktoren sein können, die zum Ausschluß wegen Interessenkollision führen müssen. Bestätigt wird dies zudem durch einen Blick auf andere Rechtsgebiete, die sich mit ähnlichen Regelungszusammenhängen befassen. So sollen einhelliger Ansicht zufolge die § § 4 2 ZPO, 24 StPO auch die Verfolgung nichtwirtschaftlicher Interessen verhindern. Ebenso zeigen die strafrechtlichen Delikte der Vor50
Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 138. Hofmeister, Interessenkollisionen nach deutschem Gemeindeverfassungsrecht, S. 29 ff., 31; Freckmann, Das Mitwirkungs- und Vertretungsverbot bei Interessenkonflikten, S. 7. 52 Siehe dazu Kapitel Β V. 1. 53 Hartmann, DVB1. 1956,708 ff., 709; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 139. 51
1 0 2 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
teilsgewährung und Bestechung nach §§ 330, 331 StGB, daß auch andere als bloß wirtschaftliche Interessen Berücksichtigung finden. Dort ist es unbestritten, daß unter den Vorteilsbegriff auch solche freiwilligen Zuwendungen fallen, die keinen Vermögenswert haben. Ausreichend sind hier immaterielle Vorteile, u. U. sogar Gefälligkeiten. Wenn auch die strafrechtliche Regelung nicht unbedingt den verwaltungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen ist, so ist doch eine Übereinstimmung hinsichtlich des Ziels zu erkennen, nämlich die Sachlichkeit der öffentlichen Tätigkeit zu gewährleisten 5 4 . Eine Beschränkung des Vor- bzw. Nachteilsbegriffs auf ökonomische Interessen ist daher abzulehnen.
bb. Beschränkung auf rechtliche Interessen Die ganz überwiegende Meinung w i l l daher auch nichtwirtschaftliche Interessen jeder A r t mit den Vor- bzw. Nachteilsbegriff erfassen. So etwa auch ideelle, ethische, wissenschaftliche, private oder familiäre Interessen, ohne daß diese rechtlicher Natur sein müssen 5 5 . Indessen ist hier die Frage zu stellen, ob nicht angesichts der Weite dieses Vor- bzw. Nachteilsbegriffs eine Eingrenzung erfolgen muß. Einmal des Aspekts der Funktionsfähigkeit der Verwaltung wegen, die durch diese Weite in erheblicher Weise in Mitleidenschaft gezogen werden kann, obwohl eine Gefahrenlage für die Übereinstimmung der Verwaltungsentscheidung mit dem geltenden Recht derart geringfügig ist, daß sie vernachlässigt werden kann. Z u m anderen fordert auch der Aspekt der Vorhersehbarkeit für den Betroffenen eine solche Eingrenzung. Z u berücksichtigen ist ferner die Praktikabilität i m Hinblick auf die Anwendung für die für den Ausschluß zuständige Stelle. Insoweit kann auch nicht eingewandt werden, eine solche Eingrenzung werde mit dem Merkmal der „ U n mittelbarkeit" bewirkt. W i e noch zu zeigen sein wird, soll mit diesen Merkmal vielmehr die Intensität beschrieben werden, mit der ein Sonderinteresse des Betroffenen durch die Verwaltungsentscheidung berührt wird. Denkbar ist nun eine sachgemäße inhaltliche Eingrenzung des Sonderinteresses dadurch zu bewirken, daß lediglich rechtliche Interessen m i t den Begriffspaar „ V o r - oder Nachteil" erfaßt werden. Nur wenn die materiellen, immateriellen, wirtschaftlichen, sozialen oder sonstigen Interessen rechtlicher Natur sind, ist ein Vorteil bzw. Nachteil i. S. der beschriebenen Befangenheitsvorschriften gegeben. Der Vorteil einer solchen Eingrenzung liegt darin, daß damit ein Maßstab gewonnen wird, der sich an den grundsätzlichen Wertentscheidungen der Rechts54 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 140 f.; Hartmann, DVB1. 1956, 708 ff., 709. 55 VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 404; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 29; Meyer/ Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 11; Knack-Clausen, § 20 Rn. 7; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 27; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 36.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
103
Ordnung selbst orientiert. Diesem Ansatz kann zunächst nicht der Verweis auf die weite Begriffsbestimmung, die dem Vor- bzw Nachteil nach § 25 D G O zugrundelag und über diesen Bereich hinausging, entgegengehalten werden. Denn der Begründungsansatz für die genannte Eingrenzung ergibt sich aus den Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts selbst. Die Rechtslage hat sich somit mit deren Inkrafttreten geändert. Konkret folgt die Begrenzung des Vor- bzw. Nachteilsbegriffs aus der Gleichstellung mit der Fallgruppe der Selbstbeteiligung. Geht man von der allgemeinen Begriffsbestimmung des Beteiligten in §§ 13 V w V f G e , 12 S G B - X sowie der lückenhaften Regelung des § 78 A O '77 aus, so zeigt sich, daß die Beteiligtenstellung durch eine rechtliche Betroffenheit in der Sache charakterisiert i s t 5 6 . Die Gleichstellung mit diesem Ausschlußgrund in den §§ 20 I 2 V w V f G e , 16 1 2 S G B - X und 82 I 2 A O '77 setzt nun eine wertungsmäßig gleichzusetzende Situation voraus. Eine solche Vergleichbarkeit ist deshalb nur dann gegeben, wenn die in Frage stehende Verwaltungsentscheidung in irgendeiner Form auf den Rechtskreis des befangenen Amts- oder Mandatsträger einwirkt. Denn nur bei einer möglichen Einwirkung auf rechtliche Interessen w i r d das Interesse eines Amts- und Mandatsträgers an dem Verfahrensgegenstand so erheblich sein, daß eine unsachgemäße Entscheidung befürchtet werden muß. Insoweit kommt auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts
dem Ausschlußgrund des
Abs. 1 Satz 2 lediglich eine Komplementärfunktion in dem Sinne zu, daß hiermit nur Fälle erfaßt werden, bei welchen eine Hinzuziehung zu dem Verfahren nach §§ 13 I I V w V f G e , 12 I I S G B - X unterblieben ist. I n Frage gestellt werden könnte diese Argumentation jedoch mit den Hinweis darauf, daß i m Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens auch der Einwender als Beteiligter anzusehen sei, wobei dessen rechtliche Interessen aufgrund der weitergehenden Einwendungsbefugnis gerade nicht berührt zu sein brauche. E i n derartiger Einwand liefe indessen ins Leere. Einmal handelt bei der Einbeziehung des Einwenders um einen nicht verallgemeinerungsfähigen Sonderfall. Unterstrichen w i r d dies durch die Regelungen des S G B - X und der A O '77, die keine dem Planfeststellungsverfahren vergleichbare Normierungen enthalten. Die dort statuierten Ausschlußgründe können sich also nur auf die allgemeine begriffliche Festlegung des Beteiligten beziehen. Entscheidend ist jedoch, daß ein solcher Einwand den grundlegenden Unterschied zwischen dem Fall des Einwenders und den sonstigen Fällen der Berührung nicht-rechtlicher Interessen verkennen würde. Der Ausschluß eines Amtsträgers, der Einwendungen gegen ein Vorhaben erhoben hat, von der Tätigkeit in einem Verwaltungsverfahren ist als Reaktion auf die von ihm wahrgenommene Möglichkeit der Partizipation gerade in diesem Verfahren zu verstehen. M i t der Wahrnehmung des Einwendungsrechts dokumentiert er deutlich sichtbar, daß er dem Vorhaben vermehrte Aufmerksamkeit schenkt und dessen Realisierung nicht oder jedenfalls nur unter Änderungen 56 Kopp, Festschrift für den Boorberg-Verlag, 1977, S. 159 ff., 169.
1 0 4 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
befürwortet. Er bekundet mit der Erhebung der Einwendung seine insoweit ablehnende Haltung und eben dieses läßt eine einseitige Interessenpräferierung bei dem Tätigwerden dieses Amtsträgers befürchten. Dies ist ein grundlegender Unterschied zu den anderen Fällen, in welchen nicht-rechtliche Interessen tangiert werden. In derartigen Fällen fehlt es gerade an einem solchen typisierbaren Anknüpfungspunkt für die Befangenheit eines Amtsträgers. Deutlich w i r d dies etwa, wenn der B l i c k auf die nachfolgend noch zu betrachtende Konkurrenzsituation geworfen wird. Steht die Erteilung einer Genehmigung an einen Dritten in Rede und kann sich diese auf erwerbswirtschaftliche Aktivitäten des handelnden Amtsträgers auswirken, so fehlt es an einem solchen klar zu Tage tretenden Moment, der einen Ausschluß rechtfertigen würde. Hier ist es sachgerechter auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen und das insoweit einschlägige Instrument der Besorgnis der Befangenheit zur Vermeidung von Interessenkollisionen einzusetzen. Läßt sich damit aus dem Ausschluß von Amtsträgern, die Einwendungen i m Rahmen eines Planfeststellungsverfahren erhoben haben, nichts gegen die Begrenzung des Vor- bzw. Nachteils auf rechtliche Interessen herleiten, so ist weiter der Begriff der rechtlichen Interessen zu klären. Eine Ansicht versteht darunter solche Interessen wirtschaftlicher, sozialer, ideeller oder sonstiger Art, die durch eine Rechtsnorm des öffentlichen oder des Privatrechts geschützt sind. Ein nicht durch Rechtsnormen geschütztes, bloß faktisches Interesse soll insoweit nicht ausreichen 57 . Demgegenüber zieht die überwiegende Auffassung den Kreis der rechtlichen Interessen weiter. Einschlägig sollen alle Interessen sein, die jemand i m Hinblick auf den Verfahrensgegenstand hat, dessen Ausgang seine Rechte unmittelbar berührt oder das zumindest mittelbare Auswirkungen für seine Rechtsstellung dadurch hat, daß hier Vorentscheidungen über für seine Rechtsstellung präjudizielle Fragen fallen, die auch wenn sie für ihn rechtlich nicht bindend sind, die Rechtslage aber für ihn bereits in wichtigen Punkten präjudizieren 5 8 . Bloß ideelle, soziale oder wirtschaftliche Interessen sind dagegen nicht ausreichend. Dieser Auffassung ist zu folgen, da nach der engeren Ansicht zwischen den Rechten und den rechtlichen Interessen kein Unterschied mehr bestünde, obwohl die V w V f G e letzteren Begriff bewußt weiter fassen w o l l t e n 5 9 . V o n diesem Hintergrund aus ist nunmehr zu prüfen, ob mit der Begrenzung auf rechtliche Interessen eine sachgerechte Beschränkung des Normbereichs der in Rede stehenden Interessenkollisionsnorm möglich ist. Dies könnte auf den ersten B l i c k zweifelhaft sein, wenn die folgenden Beispiele betrachtet werden 6 0 .
57 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 I I I 3 a) aa); Knack-Clausen, VwVfG, § 13 Rn. 4.1; ähnlich VG Berlin, DVB1. 1984, 1186 ff., 1188. 58 Kopp, VwVfG, § 9 Rn. 14; Obermayer, VwVfG, § 13 Rn. 27; Meyer/Borgs, VwVfG, § 13 Rn. 9; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 13 Rn. 16. 59 Kopp, VwVfG, § 9 Rn. 14. 60 Obermayer, VwVfG, § 13 Rn. 32-34.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
105
So ist eine Berührung rechtlicher Interessen nicht gegeben, bei dem Interesse des Gläubigers eines Verfahrensbeteiligten am günstigen Ausgang des die Zahlung eines Geldbetrages betreffenden Verfahrens, wenn eine Schmälerung der Liquidität des Beteiligten zu befürchten ist, die die Durchsetzbarkeit eigener Ansprüche in Frage stellen würde. Ebenso bei dem Interesse eines Gewerbetreibenden an der Versagung einer Konzession gegenüber einem Dritten, wenn dieser als künftiger Konkurrent den eigenen Umsatz beeinträchtigen würde. Dies gilt auch bei dem Interesse eines Dritten an der Klärung einer Rechtsfrage, die für ein anderes ihn betreffendes Verfahren von Bedeutung ist. Diese Beispiele könnten nun zu der Annahme verführen, daß damit Fallkonstellationen ausgenommen wären, die unter der Berücksichtigung der verfolgten Schutzzwecke einbezogen werden müßten. Ein B l i c k auf die in Hinblick auf derartige Fallkonstellationen vertretenen Ansichten zeigt jedoch, daß auch die überwiegende Ansicht diese unter dem Aspekt des Unmittelbarkeitsbegriff aus dem Anwendungsbereich des Mitwirkungsverbots aussondern w i l l . So komme etwa eine Geldleistung an einen Schuldner des handelnden Amts- und Mandatsträger zunächst dem Vermögen des Schuldners zugute, nicht aber unmittelbar dem des handelnden Amtsträgers 6 1 . Ebenso etwa die Konkurrenzsituation. Wirtschaftliche Nachteile erleidet der Betreffende erst durch den Wechsel seiner Kunden zu dem neuen Konkurrenten. Dieser Vergleich der Ergebnisse zeigt, daß die Beschränkung auf rechtliche Interessen durchaus zu sachgerechten Ergebnissen führt. Überdies können die Regelungen der §§ 21 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77, die ohnehin als Auffangtatbestände gedacht sind, als Korrekturmöglichkeit fungieren. Als Ergebnis ist damit festzuhalten, daß der Begriff des Vor- oder Nachteils in den §§ 20 I 2 V w V f G e , 16 I 2 S G B - X und 82 I 2 A O '77 in qualitativer Hinsicht ein rechtliches Interesse voraussetzt, daß durch die Entscheidung eine Besser- oder Schlechterstellung erfahren kann. Dieses Ergebnis darf jedoch nicht auf die Rechtslage der Verwaltungsverfahrensgesetze beschränkt bleiben. Die sich hier manifestierenden Grundgedanken sind i m gleichem Maße auch i m Rahmen des insoweit identischen kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbotes und der beamtenrechtlichen Regelungen einschlägig. Auch in dem dortigen Zusammenhang ist eine positive oder negative Beeinträchtigung eines rechtlichen Interesses in dem dargelegten Sinn erforderlich.
c. Die Möglichkeit
eines Vor- oder Nachteils
Nach der übereinstimmenden Fassung aller erwähnten Befangenheitsvorschriften ist es für den Ausschluß des Amts- oder Mandatsträgers ausreichend, wenn ihm die Entscheidung einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann,
Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 124.
106
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
wenn also die Möglichkeit dieser Sonderfolgen besteht. Die zu treffende Entscheidung braucht also nicht zwangsläufig einen Vor- oder Nachteil zu bewirken. Offen ist damit, ob hierunter jede nur denkbare Möglichkeit zu verstehen ist oder die Möglichkeit eines Vor- bzw. Nachteils nach allgemeinen Erfahrungssätzen gegeben sein muß. M i t dem Begriff der Möglichkeit ist eine bestimmte A r t des Kausalzusammenhangs zwischen der zu treffenden Entscheidung und dem Eintritt des Erfolges, nämlich des Vor- bzw. Nachteils, umschrieben. Erforderlich ist also, daß durch die Entscheidung eine Voraussetzung für den Erfolgseintritt geschaffen wird. V o n der Gewißheit unterscheidet sich die Möglichkeit dabei dadurch, daß der Erfolg nicht zwangsläufig mit der Entscheidung eintritt, sondern von weiteren Umständen abhängig ist. Insoweit decken sich die Begriffe „ M ö g l i c h k e i t " und „Wahrscheinlichkeit". Sie unterscheiden sich jedoch dadurch, daß die für den Erfolgseintritt notwendigen weiteren Voraussetzungen bei der Wahrscheinlichkeit in höheren Maße erwartet werden als bei der M ö g l i c h k e i t 6 2 . Daher ist für den Begriff der Möglichkeit zu fordern, daß mit dem Eintritt der weiteren Voraussetzungen zu rechnen ist, wenn auch in geringeren Maße als bei der Wahrscheinlichkeit. Der Erfolgseintritt darf aber andererseits nicht außerhalb der Lebenserfahrung liegen. Nicht alle denkbaren, spekulativen Geschehensabläufe, die sich vor- oder nachteilig auswirken, kommen in Betracht. Das Verfahren muß vielmehr eine adäquate, nach der Lebenserfahrung in Frage kommende Ursache für eine Besser- oder Schlechterstellung des Amts- und Mandatsträgers darstellen 6 3 . Insoweit w i r d auch dem Aspekt der Funktionsfähigkeit der Gemeindeorgane und der Verwaltungsbehörden einerseits, wie auch dem Sinn und Zweck der Befangenheitsvorschriften andererseits Rechnung getragen. Da kein vernünftiger Mensch seine Entscheidungen auf spekulative Erwägungen gründen wird, besteht insoweit auch keine reale Gefahr für die Richtigkeit der Entscheidung, wenn diese nach der Lebenserfahrung dem Betroffenen keinen Vor- oder Nachteil bringen k a n n 6 4 . Bei der Beurteilung, ob eine solche Möglichkeit besteht, kommt es aufgrund der abstrakten Fassung des Ausschlußtatbestandes nur auf objektive Maßstäbe an 6 5 . Es kommt daher nicht darauf an, ob der Betroffene schon bei seinem Handeln i m Rahmen der Entscheidungsfindung erkennen kann, ob die Folgen für ihn vor- oder nachteilig sein werden 6 6 . Zwar kann sich die Gefahr eines unsachlichen Einflusses auf die Verwaltungsentscheidung überhaupt nur dann realisieren, wenn auch das subjektive Element bei dem Handelnden gegeben ist. 62
Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 62. 63 Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 12; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 40; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 119; Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeinde Vertreter, S. 48. 64 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 121. 65 Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 12. 66 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 44.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
107
Doch kann sich die Kenntnis über die Handlungsfolgen bei dem befangenen Amts- und Mandatsträger jederzeit während des Verfahrens einstellen. Das M i t wirkungsverbot kann jedoch nicht von diesem intellektuellen Moment abhängig gemacht werden. Dieser Zeitpunkt läßt sich regelmäßig für einen außenstehenden Dritten nicht oder jedenfalls nur sehr schwer bestimmen. Abgesehen von der Gefahr, daß das Mitwirkungsverbot damit in bestimmten Fällen leerliefe, muß für seine Anwendbarkeit schon aus Praktikabilitätsgesichtspunkten ein klar erkennbarer, für die Beurteilung durch außenstehende Dritte handhabbarer A n knüpfungspunkt vorhanden sein.
2. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit Höchst kontrovers w i r d in Literatur und Rechtsprechung der Begriff der Unmittelbarkeit des Vor- bzw. Nachteils behandelt. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß dieser Begriff Ausdruck einer dogmatischen und sachlichen Verlegenheit ist, der insoweit als Ersatz für eine präzise Inhaltsbeschreibung dient und Raum für Wertungsmöglichkeiten läßt 6 7 .
a. Das Bestehen eines konstitutiven
Regelungsgehaltes
Eine verbreitete Ansicht nimmt den Standpunkt ein, der in den Normtexten enthaltenen Einschränkung auf „unmittelbare" Vor- oder Nachteile komme überhaupt kein konstitutiver Regelungsgehalt z u 6 8 . Begründet w i r d dies mit dem Hinweis auf die ausdrücklichen Ausnahmeregelungen in § 25 I 2 H G O und den Abs. 1 Satz 3 der §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X , 82 A O '77, nach denen eine Befangenheit dann entfällt, wenn es sich um Vor- bzw. Nachteile handelt, die der Amts- und Mandatsträger lediglich als Angehöriger einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe erfährt. Daraus w i r d nun der Schluß gezogen, daß ein unmittelbarer Vor- oder Nachteil immer dann angenommen werden müsse, wenn nicht Gruppen, sondern Einzel- oder Sonderinteressen verfolgt würden. Damit sei aber das Merkmal der Unmittelbarkeit überhaupt überflüssig und irreführend 6 9 . Dies gehe auch aus der Entstehungsgeschichte der Regelungen der Gemeindeordnungen hervor. § 25 D G O habe den Begriff der Unmittelbarkeit in Anlehnung an einige wenige frühere Gemeindeordnungen übernommen, damit aber für den überwiegenden Rechtskreis, der diese Einschränkung nicht gekannt habe, keine allgemeine Einengung des Mitwirkungsverbotes bringen wollen. Insoweit müsse auch berücksichtigt werden, daß die einzelnen Gemeindeordnungen nun zusätz67 Nipperdey, NJW 1967, 1985 ff., 1990. 68 Stahl, DVB1. 1972, 765 ff., 766 ff.; Rügge, SKV 1968, 197 f., 197; Ehrmann, SKV 1977, 137 ff., 139; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 38; ähnlich VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 404. 69 Hartmann, DVB1. 1956, 708 ff., 710.
108
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
lieh bestimmten, daß das Mitwirkungsverbot nicht gelte, wenn der Betroffene als Vertreter von Kollektivinteressen anzusehen sei. Gerade daraus folge, daß die Gemeindeordnungen i m Vergleich zu den früheren Regelungen, die Einschränkungen dieser Art nicht kannten, keine doppelte Beschränkung bringen wollten, indem sie über die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen hinaus noch eine weitergehende Beschränkung durch das Erfordernis der Unmittelbarkeit festsetzten 70 . Indessen spricht der Wortlaut gegen eine derartige Interpretation. Die Vorschrift besagt nicht ausdrücklich, daß Interessen, die weder Allgemeininteressen noch Gruppeninteressen sind, als Sonderinteressen anzusehen sind. Eine derartige Schlußfolgerung ist allein durch einen Umkehrschluß zu gewinnen. Ein solcher setzt jedoch voraus, daß die Vorschrift bewußt eng gefaßt ist, um die von ihr erfaßten Fälle von einer entsprechenden Behandlung auszuschließen 71 . W i e Geyer aber anhand einer eingehenden Analyse der Entstehungsgeschichte der Vorschriften der Gemeindeordnungen gezeigt hat, w i l l diese Bestimmung sagen, daß ein Sonderinteresse jedenfalls nicht bei einem Gruppeninteresse vorliegen soll. Damit findet eine Ausdehnung des Begriffs „Sonderinteresse" auf alle Interessen, die sich vom Allgemeininteresse oder von einem Gruppeninteresse abheben, nicht statt. Vielmehr kommt durch die Ausnahmeregelung nur zum Ausdruck, daß außer der Beteiligung als Gruppenangehöriger auch andere Fälle anerkannt werden, in denen ein Interesse des Amts- und Mandatsträgers nicht als Sonderinteresse gilt und ein Ausschluß nicht stattfinden sollte 7 2 . Aber selbst, wenn man mit der dargestellten Ansicht konform geht und lediglich ein wie auch immmer geartetes Einzelinteresse und kein blosses Gruppeninteresse an der Angelegenheit verlangt, so ergibt sich daraus allein noch keine sinnvolle Begrenzung des in Betracht kommenden Personenkreises. Besonders deutlichen Ausdruck findet dies in einer neueren Entscheidung des V G H M ü n chen i m Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren bezüglich des Flughafens München II. Danach w i r d die Abgrenzung zwischen Sonderinteresse und Gruppeninteresse nach bestimmten Lärmzonen getroffen. Ausgegangen wird dabei von einer dreifachen Abstufung der möglichen Lärmbeeinträchtigungen. Bewohner der eindeutig, d. h. der besonders stark belasteten Zone um den Flughafen dürfen allein aufgrund ihres Wohnortes am Verfahren nicht mitwirken. Bewohner einer mittleren Zone, die als „Problemzone" bezeichnet wird, sollen zwar nicht schon aufgrund ihres Wohnortes an der M i t w i r k u n g i m Verfahren gehindert sein. Doch soll die Lärmbeeinträchtigung Anlaß zu Zweifeln an der Unbefangenheit geben, die sich bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei Anzeichen persönlicher Beeinträchtigung, zur Besorgnis der Befangenheit i. S. des § 21 V w V f G verdichten kann. Bei Bewohnern einer äußeren, i m wesentli70 Stahl, DVB1. 1972,, 765 ff., 768. 71 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 57. 72 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 57.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
109
chen unbelasteten Zone schließlich könne sich eine Besorgnis der Befangenheit nicht auf objektive Lärmwirkungen, sondern ausschließlich auf sonstige Umstände, insbesondere Äußerungen, gründen 7 3 . Das Gericht sieht also nur eine besonders starke Lärmbeeinträchtigung als Grundlage für ein Sonderinteresse an, während eine schwächere Betroffenheit zur Annahme eines Gruppeninteresses führen soll. Zwar erscheine es auf den ersten B l i c k widersinnig, jemanden, der in der Problemzone wohne, als betroffen und klagebefugt, weil in seinen Rechten verletzt anzusehen, nicht aber als „benachteiligt" i m Sinne der Ausschließungsvorschriften. Doch gehe es bei der Abgrenzung der Klagebefugnis und damit auch der Beteiligungsbefugnis i m Verwaltungsverfahren allein um die Begrenzung des Rechts zu förmlichen Verfahrensvorbringen. Jemanden die Klagebefugnis zuzubilligen, bedeute insofern lediglich, daß man ihm i m Falle der Klageerhebung eine rechtserhebliche Lärmbetroffenheit „glaube". Schon angesichts der individuell äußerst unterschiedlichen Lärmwirkungen sei damit aber nichts darüber gesagt, wie sich Lärm dieser Stärke auf die Willens- und Entschließungsfreiheit anderer Bürger, die keine Klage erhoben hätten, auswirke. Nur diese Auswirkungen habe der Ausschlußtatbestand der unmittelbaren Vor- und Nachteilsmöglichkeiten von seinem Sinn und Zweck her i m A u g e 7 4 . Das Ergebnis des V G H München, wonach der Begriff des unmittelbaren Voroder Nachteils nicht mit dem Begriff der Rechtsverletzung in §§ 42 II, 113 I 1 V w G O gleichzusetzen oder sogar weiter zu fassen sei, ist jedoch nach den obigen Darlegungen in höchstem Maße fragwürdig. Danach nimmt dieses Begriffspaar gerade auf die rechtliche Betroffenheit, die für die Beteiligtenstellung charakteristisch ist, Bezug. M i t h i n hat der Gesetzgeber selbst der rechtlichen Betroffenheit in der Sache eine bestimmte, die Willens- und Entscheidungsfreiheit einschränkende Wirkung zugesprochen. V o r diesem Hintergrund ist es daher gänzlich unbeachtlich, ob der ein Bürger etwa Klage erhoben hat oder nicht. Entscheidend für das Vorliegen des in Rede stehenden Ausschlußgrundes ist vielmehr allein, ob der Eintritt eines unmittelbaren Vor- oder Nachteils möglich ist. Ausreichend ist es damit, daß die Entscheidung eine adäquate, nach der Lebenserfahrung in Frage kommende Ursache für die rechtliche Betroffenheit i m Sinne der oben skizzierten materiellen Voraussetzungen einer Beteiligtenstellung darstellt. Erforderlich ist also nicht, daß etwa eine Rechtsverletzung tatsächlich eintritt. Speziell die Einräumung einer Klagebefugnis läßt nun aber stets den Schluß auf eine solchermaßen erforderliche potentielle Rechtsbetroffenheit zu. Damit ist aber nach der Struktur der Ausschlußtatbestände eine unwiderlegliche Vermutung für eine Interessenkollision gegeben. Die fehlende Rechtswahrnehmung durch den Bürger ist daher auch unter diesem Aspekt nicht geeignet, einen Ausschlußgrund zu negieren.
73 VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 403 ff. 74 VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 404.
1 1 0 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Abgesehen von diesen dogmatischen Einwänden, überzeugt die Entscheidung auch unter anderen Gesichtspunkten nicht. Denn die Begründung für die getroffene Abgrenzung von (unmittelbaren) Sonderinteressen und (mittelbaren) Gruppeninteressen bleibt i m Dunkeln. Der insoweit allein gegebene Hinweis auf die Verkehrsauffassung und die Umstände des Einzelfalls 7 5 vermögen keine tragfähige Begründung zu geben. Insbesondere ist es nicht nachvollziehbar, aus welchem Grunde die Bewohner der sog. Problemzone von der Planfeststellung lediglich mittelbar, nämlich als Folge eines Gruppeninteresses betroffen sein sollen, während bei den Bewohnern der Kernzone ein solches Gruppeninteresse nicht gegeben sein soll. Hier w i r d klar erkennbar, daß der getroffenen Abgrenzung Wertungsgesichtspunkte zugrundeliegen, die mit dem Begriff des Gruppeninteresses in keinerlei Zusammenhang stehen. Die vorgenommene Abgrenzung von Sonderund Gruppeninteresse kann schon aus diesem Grunde nur als w i l l k ü r l i c h und sinnwidrig erscheinen 76 . Dies zeigt die grundsätzlichen Bedenken gegen die Ansicht auf, entscheidend sei allein die Abgrenzung des Sonderinteresses v o m Gruppeninteresse. Ein individualisierbares Interesse etwa an den Festsetzungen eines Bebauungsplanes hat ζ. B. der Grundstücksmakler, der den Verkauf von Bauland i m Plangebiet vermitteln möchte, oder der Architekt, der die Betreuung einzelner Baumaßnahmen übernehmen w i l l , auch der Notar, der Grundstückskaufverträge beurkunden könnte. Kurz gesagt, könnte jeder Bürger einmal selbst, d. h. in seiner individuellen Interessenlage und nicht nur aufgrund irgendeiner Gruppenzugehörigkeit, von den Planentscheidungen berührt werden. Noch deutlicher w i r d dies bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen, da sich diese auf das gesamte Gemeindegebiet erstrecken, so daß der Kreis derer, die durch die Planentscheidung Voroder Nachteile haben könnten, noch größer w i r d 7 7 . Aufgrund dieser Konsequenzen w i r d deutlich, daß sich der Gesetzgeber vor die Notwendigkeit gestellt sieht, eine Eingrenzung vorzunehmen, w e i l andernfalls eine weitgehende Handlungsunfähigkeit insbesondere von Kollegialorganen, wie den kommunalen Vertretungskörperschaften droht. Speziell auf dem Gebiet der Bauleitplanung liefe zudem der Verzicht auf eine weitere Eingrenzung deren bundesgesetzlich gesetzten Zielen zuwider 7 8 . Nach alledem erweist sich somit das Merkmal der Unmittelbarkeit keineswegs als überflüssig. Daher ist nach dem Regelungsgehalt dieses Begriffes zu fragen.
75 76 77 78
VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 404. So im Ausgangspunkt auch VGH München, BayVBl. 1985, 399ff., 404. γ. Mutius, VerwArch. 65 (1974), 429 ff., 433. v. Mutius, VerwArch. 65 (1974), 429 ff., 434.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten b. Direkter
111
Kausalzusammenhang?
Teilweise wird die Position eingenommen, der Begriff der Unmittelbarkeit müsse i m Sinne eines direkten Kausalzusammenhangs verstanden werden. Der Vor- oder Nachteil müsse bereits aufgrund der zu treffenden Entscheidung möglich sein. Das Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere weiterer behördlicher Entscheidungen, dürfe für den Eintritt des Vor- oder Nachteils nicht erforderlich sein 7 9 . Begründet w i r d dies mit dem Hinweis auf die Verwendung des Begriffs der Unmittelbarkeit. Dieser verlange seinem Wortsinn nach einen Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der Angelegenheit und dem potentiellen Eintritt des Vor- oder Nachteils 8 0 . Indessen begegnet diese Begründung Bedenken. Aus der Systematik der gesetzlichen Bestimmungen ist zu schließen, daß der Begriff „unmittelbar" auf das Kausalverhältnis zwischen der Entscheidung und dem Eintritt des Vor- bzw. Nachteils überhaupt nicht anwendbar i s t 8 1 . Wenn auch der Ausdruck „unmittelbar" in seinem ursprünglichen Wortsinn stets das Verhältnis zwischen einer Ursache und einer W i r k u n g in der Weise kennzeichnet, daß zwischen diesen kein M i t t e l oder Mittler treten soll, so geht aus dem Wortlaut der Vorschriften hervor, daß hier eine solche Bedeutung gerade nicht zum Ausdruck gebracht werden soll. M i t dem Begriff der Unmittelbarkeit sollte vielmehr festgelegt werden, in welchem Verhältnis das Interesse des Betroffenen zu der Allgemeinheit stehen muß, um eine persönliche Beteiligung zu begründen. Hätte der Gesetzgeber durch diesen Begriff den Begriff der „ M ö g l i c h k e i t " des Vorbzw. Nachteils einschränken, also einen Teil der bei der Möglichkeit noch ausstehenden Voraussetzungen für unbeachtlich erklären wollen, so wäre das Wort „unmittelbar" i m Gesetzestext nicht adjektivisch den Begriffen Vor- oder Nachteil zugeordnet, sondern adverbial verwandt worden, also „ . . . ihm . . . einen besonderen Vor- oder Nachteil unmittelbar bringen k a n n " 8 2 . Auch die Entstehungsgeschichte des Vorläufers der heutigen kommunal- und der in deren Folge erlassenen verwaltungsverfahrensrechtlichen
Regelungen,
nämlich des § 25 D G O , mit dessen Abs. 1 Satz 1 die bisherigen landesrechtlichen Vorschriften in das Reichsrecht übernommen werden sollten, spricht gegen eine derartige Interpretation. Für diese Vorschriften war nämlich allgemein anerkannt, daß mit dem Wort „unmittelbar" keine direkte Kausalitätskette gemeint war, sondern die unmittelbare persönliche Beteiligung 8 3 .
79 VGH Mannheim, DVB1. 1966, 827 ff., 828; VGH Kassel, N V w Z 1982, 44 f., 45; Schneider-Jordan, HGO, § 25 Erl. 3; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 12 I I 2 g. so Krebs, VerwArch. 71 (1981), 181 ff., 182. si Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 50. 82 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 51. 83 Borchmann, N V w Z 1982, 17 ff., 18.
1 1 2 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Unabhängig davon sind auch die Konsequenzen dieser Auffassung fragwürd i g 8 4 . Versteht man den Unmittelbarkeitsbegriff i m Sinne einer direkten Kausalität, so ist zweifelhaft, ob etwa Satzungen, soweit sie nicht „self-executing" sind, und insbesondere Pläne überhaupt eine unmittelbare Betroffenheit auszulösen vermögen. So würde etwa das Mitwirkungsverbot bei einer Beschlußfassung über eine Satzung durch die Gemeindevertretung nicht eingreifen, wenn sie noch eines Vollzuges durch Verwaltungsakte bedarf. Denn zur Realisierung der Voroder Nachteile müssen noch weitere Ereignisse hinzutreten, und zwar selbst dann, wenn ein derartiger Verwaltungsakt lediglich eine bloß formale Konkretisierung der Satzung i m Einzelfall und der Eintritt der zu erwartenden Vorteile bereits deutlich in der Satzung selbst angelegt i s t 8 5 . Aus der Sichtweise dieses formalen Kriteriums würde die Satzung selbst unmittelbar keinen Vorteil hervorbringen, sondern erst der sie konkretisierende Verwaltungsakt als zwischen die Satzung und den Vorteil geschalteter Umstand. Inkonsequent ist es, wenn vor dem Hintergrund dieser — unter dem Aspekt der verfolgten Schutzzwecke — unbefriedigenden Ergebnisse erklärt wird, das Erfordernis der Unmittelbarkeit verstanden i m Sinne einer direkten Kausalität dürfe nicht schematisch angewandt, bzw. es müßten Ausnahmen von diesen Grundsatz zugelassen werden 8 6 . Linden führt hier das Beispiel an, daß der Amtsund Mandatsträger Inhaber einer Einmann-AG ist und diese durch die Entscheidung einen Vor- oder Nachteil erlangen kann. Interpretiert man hier unmittelbar i m Sinne von direkt, so wäre an sich durch die Zwischenschaltung der juristischen Person eine Unmittelbarkeit nicht gegeben. O b w o h l auf den Boden dieser Ansicht stehend, w i l l dieser Autor dies dennoch unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks des Handlungsverbotes bejahen. Wenn das Verhältnis des Amts- und Mandatsträgers zum Verhandlungsgegenstand so nahe sei, daß die Möglichkeit eines Vor- oder Nachteils nicht ausgeschlossen werden könne, so könne zwar formell betrachtet ein Kausalverhältnis nicht vorliegen, eine Unmittelbarkeit i m Sinne des Gesetzes aber doch anzunehmen sein. Bei Anwendung des Begriffes sei es daher wichtig, die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des Mitwirkungsverbotes in eine dem Normzweck entsprechende Relation zueinander zu stellen. Die Unmittelbarkeit dürfe nicht lediglich i m Hinblick auf ein streng abhängiges Verhältnis von Entscheidungsgegenstand zur Vorteilserlangung einengend ausgelegt werden, sondern müsse in Beziehung zur Erlangung eines Vor- oder Nachteils gebracht werden 8 7 . M i t dieser Einschränkung w i r d aber zugleich die Deutung des Unmittelbarkeitsbegriffs als Kausalerfordernis zugunsten einer bewertend funktionalen Sicht84 Vgl. dazu auch VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 404. 85 y. Mutius, zitiert bei: Borchmann, N V w Z 1982, 17 ff., 19 FN 21. 86 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 124; VGH Kassel, N V w Z 1982, 44 f., 45. 87 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 125.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
113
weise aufgegeben. Ebenfalls, wenn etwa die Rechtsprechung i m Hinblick auf die heute nahezu einmütig beurteilte Konstellation, bei welcher ein Grundstück eines Gemeindevertreters i m Plangebiet eines Bebauungsplans liegt, eine Ausnahme machen w i l l 8 8 . Dem Argument, daß die Entscheidung über den Bebauungsplan unmittelbar eine Bodenwertsteigerung bewirke, ist entgegenzuhalten, daß sich dieser Vorteil erst mit Hilfe eines zusätzlich hinzutretenden Rechtsgeschäfts realisieren läßt 8 9 . Die Deutung des Unmittelbarkeitsbegriffs i m Sinne eines direkten Kausalzusammenhangs zwischen der Entscheidung und dem Eintritt des Vor- oder Nachteils erweist sich somit aufgrund der erzielten, überwiegend fragwürdigen Ergebnisse als nicht tragfähig. c. Funktional-teleologische
Betrachtungsweise
Als funktional-telelogisch ist eine Interpretation der Befangenheitsvorschriften zu bewerten, die in der Rechtsprechung verschiedentlich anzutreffen ist. So hat etwa der V G H Kassel unter Anlehnung an eine Entscheidung des V G H M a n n h e i m 9 0 den Zweck dieser Normen in der Vermeidung schon des bösen Scheins der Parteilichkeit erblickt 9 1 . V o n diesem Ausgangspunkt weitergehend hat nun v. Mutius die These entwickelt, daß zur Ermittlung der Kriterien zur Eingrenzung des interessenmäßig berührten Personenkreises i m Zweifel auf den Empfängerhorizont abzustellen sei. Stets sei zu prüfen, welchen Eindruck es auf dem Bürger mache, wenn gerade das in seinen Interessen möglicherweise tangierte Rats- oder Ausschlußmitglied an der fraglichen Entscheidung mitwirke. Da die Möglichkeit eines Vor- oder Nachteils ausreichend sei und die Wahrnehmung von Gruppeninteressen ausdrücklich ausgenommen sei, komme es dem Gesetzgeber zumindest nicht ausschließlich auf die tatsächliche, primär durch individuelle Interessen motivierte Einflußnahme auf Entscheidungen der kommunalen Vertretungskörperschaften an. Diese ließen sich schon wegen der vielfachen politischen und sozialen Interessenverflechtungen durch Mitwirkungsverbote allein kaum ausschließen. Ebenso wichtiger Regelungszweck sei es, das Vertrauen der Bürger in die Objektivität der Verwaltungsführung zu erhalten und zu festigen, mithin also schon den insoweit möglichen „bösen Schein" zu vermeiden. Der Bürger, dem die Hintergrundinformationen weitgehend fehlten, orientiere sich an dem äußerlich Erkennbaren. Daher sei die Unmittelbarkeit möglicher Vor- oder Nachteile von Kriterien abhängig zu machen, die auf äußerlich erkennbaren, für den Bürger einsichtigen Umständen beruhten 9 2 . 88 VGH Mannheim, DVB1. 1966, 827 ff., 828. 89 Krebs, VerwArch. 71 (1980), 181 ff., 183. 90 VGH Mannheim, BBauBl. 1971, 334 f., 335. 91 VGH Kassel, HessVRspr 76, 73 ff. 74 f. 92 v. Mutius, VerwArch 65 (1974), 429 ff., 435; ders., JuS 1979, 37 ff., 39; Scholler/ Broß, Grundzüge des Kommunalrechts, S. 134 mit einer weitergehenden Tendenz. 8 Kazele
114
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Es erscheint jedoch fraglich, ob dieser Ansicht, die in Literatur 9 3 und Rechtsprechung 9 4 Zustimmung erfahren hat, gefolgt werden kann. Der Sinn und Zweck der Befangenheitsvorschriften erschöpft sich keineswegs in der Wahrung des Ansehens der Verwaltung, wobei bereits i m Zusammenhang mit den Auslegungsfragen hervorgehoben wurde, daß dieser Aspekt alleine kein teleologisch taugliches Auslegungskriterium darstellt. Der zentrale Punkt ist insofern vielmehr in der Gewährleistung der Übereinstimmung der Verwaltungsentscheidung mit dem geltenden Recht und der aus der M i t w i r k u n g eines Befangenen resultierenden Gefahrenlage zu sehen. Die Verengung des Blickwinkels auf Vertrauensgesichtspunkte wird diesen weitergehenden Anliegen, daß insbesondere auch den Individualrechtsschutz des Bürgers vor unsachgemäßen Eingriffen bezweckt, nicht gerecht. Abgesehen davon, daß sich diese Auffassung i m Hinblick auf die von ihr vertretene Abgrenzungsmöglichkeit vor die Schwierigkeit gestellt sieht, i m Einzelfall festzustellen, ob es sich um einen Vor- bzw. Nachteil handelt, der durch äußerlich erkennbare, für den Bürger einsichtige Umstände deutlich wird, erscheint es i m Hinblick auf die weiteren Schutzzwecke fraglich, ob das Fehlen einer derartigen äußeren Erkennbarkeit ausreicht, die Befangenheitsvorschriften nicht zur Anwendung kommen zu lassen. Ein versteckter Vor- bzw. Nachteil kann hier ebenso bedeutsam sein wie ein deutlich nach außen hin erkennbarer 95 . Zudem sind gegen die Auslegung vom Empfängerhorizont her auch methodische Bedenken anzuführen. Sie ist i m Bürgerlichen Recht i m Rahmen der Auslegung empfangsbedürftiger Erklärungen anerkannt. Dort hat die Auslegung einer Willenserklärung mit Rücksicht auf die Verständnismöglichkeit des Empfängers zu erfolgen. Bei Erklärungen an einen unbestimmten Personenkreis fällt dabei die Rücksicht auf die Verständnismöglichkeit gerade des Empfängers fort und w i r d durch die eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers oder eines Angehörigen des angesprochenen Personenkreises ersetzt. Voraussetzung ist aber stets eine nach außen an Dritte dringende Erklärung des Betroffenen 9 6 . In bezug auf das hier in Frage stehende Mitwirkungsverbot w i r d aber nicht ein außenwirksames Verhalten bewertet, sondern vielmehr die Zuordnung einer Person zu einem Interesse, daß von der zu treffenden Entscheidung zumindest potentiell tangiert wird. Maßgebend ist hier also das Verhältnis von Entscheidung und dem persönlichen Interesse an dem Verfahrensgegenstand, und dies unabhängig von einem Verhalten des Betroffenen. Ein solches braucht gerade nicht gegeben zu sein. Damit aber fehlt gerade der für die Parallelität der Auslegungskriterien erforderliche Anknüpfungspunkt, nämlich ein aus der Sicht des Außenstehenden zu bewer-
93 94 95 96
Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 30; Borchmann, N V w Z 1982, 17 ff., 19. OVG Lüneburg, NVwZ 1982, 44. Creutz, BauR 1979, 470 ff., 475. Larenz, Allgemeiner Teil, § 19 II.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
115
tendes Verhalten des Betroffenen. Infolgedessen kann auch nicht entscheidend auf den Empfängerhorizont abgestellt werden.
d. Die Ausrichtung des Sonderinteresses an dem materiellen Regelungsgehalt M i t dem Begriff der Unmittelbarkeit wird vielmehr gerade die Intensität der durch die zu treffende Entscheidung ausgelösten Betroffenheit angesprochen 97 . Der Begriff der Unmittelbarkeit w i l l von der allgemeinen Betroffenheit hin zur besonderen, nicht i m Sinne einer quantitativen Bewertung des Vor- oder Nachteils zu verstehenden Betroffenheit abheben. Erforderlich ist also ein individuelles Sonderinteresse, daß sich von den Belangen einer unbestimmten Personenmehrheit deutlich abhebt und von der Verwaltungsentscheidung in einer spezifischen Weise getroffen wird. Bei dieser globalen Umschreibung darf jedoch nicht stehen geblieben und die Entscheidung dem Einzelfall überlassen werden 9 8 . Vielmehr muß nach weiteren Kriterien gesucht werden, die eine begriffliche Konkretisierung des Unmittelbarkeitsbegriffs erlauben. Als Ansatzpunkt ist dabei die Fallgruppentechnik zu wählen. Denn der Gesetzgeber, der derartige wertausfüllungsbedürftige Maßstäbe verwendet, hat dabei zweifellos solche Fälle i m Auge, über deren Beurteilung nach dem angegebenen Maßstab ein allgemeiner Konsens besteht. Der Maßstab enthält also einen allgemeinen Rechtsgedanken, der eine Orientierung an bestimmten Gesichtspunkten nahelegt 9 9 . Wenn sich auch aus solchen allgemeinen Rechtsgedanken und Prinzipien unmittelbar noch keine konkreten Entscheidungen gewinnen lassen, so sind sie gleichwohl nicht v ö l l i g inhaltslos. Sie lassen sich vielmehr an Beispielen verdeutlichen und i m Anschluß daran mit anderen vergleichen. Dies und die Herausarbeitung weiterer, spezieller Rechtsgedanken aufgrund einer rechtlichen Analyse derjenigen Fälle, an denen sie hervortreten, ermöglicht es nach und nach, den relativ „unbestimmten" Maßstab inhaltlich anzureichern, mit bezug auf bestimmte Fälle und Fallgruppen zu konkretisieren und dadurch schließlich ein Geflecht von Entscheidungsmustern zu schaffen, in das neu zu beurteilende Fälle größtenteils eingeordnet werden können 10 °. Anzusetzen hat eine Fallgruppenbildung, die nach der Intensität der durch die zu treffende Entscheidung ausgelösten Betroffenheit fragt, an dem materiellen Regelungsgehalt dieser Entscheidung. Denn insofern kann nicht die formelle Rechtsqualität des zu treffenden Aktes maßgebend sein. A l l e i n der materielle Regelungsgehalt zeigt, inwieweit begünstigend oder belastend in die Rechtssphäre eines davon Betroffenen eingegriffen wird. 9v Creutz, BauR 1979, 470 ff., 474. 98 So aber Creutz, BauR 1979, 470 ff., 475. 99 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 281. 100 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 282. 8'
1 1 6 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
U m insoweit zu relevanten und geeigneten Abgrenzungskriterien zu gelangen, erscheint es notwendig, zunächst die auf die einzelnen materiellen Strukturmerkmale bezogenen typischen Unterschiede der Verwaltungsrechtshandlungen zu ermitteln und begrifflich zu erfassen. Herkömmlicherweise werden auf dem Gebiet der Rechtsquellenlehre als maßgebliche Differenzierungsmerkmale von Rechtssatz und Verwaltungsakt die Begriffspaare Generalität — Individualität und Abstraktheit — Konkretheit herangezogen. Während die Merkmale des Einzelfalls und des bestimmten Personenkreises, also die Konkretheit und Individualität, die Charakteristika des Verwaltungsakts darstellen, soll sich der Rechtssatz gerade durch seine Generalität und Abstraktheit auszeichnen 1 0 1 . Er soll zunächst für und gegen jedermann wirken und sich von allen anderen staatlichen Äußerungen gerade durch die abstrakte Allgemeinheit der Adressaten unterscheiden. Nicht die Regelung eines Einzelfalls, sondern die Bezeichnung eines abstrakten Tatbestands und die daran geknüpften Rechtsfolgen, durch welche eine unbestimmte Vielzahl von gleichgelagerten Einzelfällen geregelt werden, soll ihm eigen sein. A n dieser Stelle soll nicht in die Diskussion um die begriffliche Unterscheidung von Rechtsnorm und Verwaltungsakt eingegriffen werden. Vielmehr sollen diese materiellen Abgrenzungskriterien, die den materiellen oder funktionalen Regelungsgehalt bestimmen 1 0 2 , als Kriterien für die Bestimmung der Intensität der Betroffenheit herangezogen und untersucht werden. Da sich die zahlenmäßige Bestimmtheit oder Unbestimmtheit einer Regelung auf die beiden weiteren Strukturmerkmale beziehen kann, sind vier Fallkonstellationen zu unterscheiden: Fälle eines abstrakt-generellen, konkret-generellen, abstraktindividuellen und eines konkret-individuellen (materiellen) Regelungsgehalts.
aa. Die Fälle eines konkret-individuellen Regelungsgehaltes Betrifft die Regelung einen konkreten Sachverhalt und richtet sie sich an eine bestimmte Person, trägt sie also einen konkret-individuellen Charakter, so handelt es sich um den stärksten Grad des Betroffenseins durch eine Regelung. Sie trägt gewissermaßen das Vollzugsergebnis schon in sich. Dabei ist der individuelle Charakter auch dann noch anzunehmen, wenn sich die (konkrete) Regelung zwar nicht an eine Person, aber doch an einen individuell bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet. Die Grenze zwischen individuell und generell ist nicht numerisch festzulegen, sondern danach zu ziehen, ob der Adressatenkreis zur Zeit des Erlasses der Regelung objektiv feststeht oder nicht, ob er geschlossen oder noch offen und erweiterungsfähig i s t 1 0 3 . 101 v. Mutius, Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 167 ff., 184 ff.; Ossenbühl, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 II; Erichsen, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 I I 6; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 I I Rn. 14 ff. 102 v. Mutius, Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, 167 ff., 184. 103 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 I I 3 Rn. 16.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
117
Da allein auf den materiellen Regelungsgehalt abzustellen sind, fallen unter diese Fallgruppe nicht nur Verwaltungsakte, sondern auch Rechtssätze i m formellen Sinn. Beispielhaft soll hier der Bebauungsplan untersucht werden.
aaa. Fälle finaler
Betroffenheit
Gemäß § 10 BauGB w i r d der Bebauungsplan in der Rechtsform einer Satzung erlassen. Nach den vorangegangenen Bemerkungen ist jedoch nicht diese formelle Rechtsnatur dafür maßgebend, daß die Entscheidung für einen Bebauungsplan dem Eigentümer eines in dem Plangebiet liegenden Grundstücks einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann. Z u untersuchen ist vielmehr stets der materielle Regelungsgehalt der zu treffenden Entscheidung. Hier ist zu berücksichtigen, daß ein Bebauungsplan sehr unterschiedliche Festsetzungen enthalten kann. Die Festsetzung von Verkehrsflächen etwa hat einen konkret-individuellen Charakter, die Festsetzung der Mindestgröße der Baugrundstücke in einem Baugebiet wirkt hingegen eher abstrakt-generell 104 . Insgesamt ist die Allgemeinheit bauplanerischer Festsetzungen jedoch stets durch ihren Bezug auf eine begrenzte Zahl von Grundstücken und durch ihre konkret gestaltende Funktion begrenzt. Insoweit kann der Bebauungsplan als eine Bündelung von Einzelentscheidungen angesehen werden, die sich jeweils konkret auf einzelne Grundstücke beziehen. Damit überwiegt aber beim Bebauungsplan die konkret-individuelle Tendenz. Sie läßt gänzlich abstrakte, von jeglichem Bezug zu den einzelnen Baugebieten und ihrem jeweiligen Charakter losgelöste Regelungen als Inhalt eines Bebauungsplanes nicht z u 1 0 5 . Aufgrund dieses Regelungsgehaltes ist somit das Merkmal der Unmittelbarkeit bei der Aufstellung von Bebauungsplänen gegeben. Die Gemeindevertreter, die Eigentümer von Grundstücken in dem betreffenden Plangebiet sind, sind daher von dessen Beschlußfassung ausgeschlossen. Fraglich ist, ob insoweit nicht bei der Beschlußfassung über die Änderung eines Bebauungsplans eine andere Sichtweise geboten ist. Während bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes stets eine konkret-individuelle Regelung getroffen wird, ist dies bei der Änderung eines Bebauungsplans, wie zuvor schon angeklungen, nicht notwendig der Fall. Hier ist darauf abzustellen, welchen Regelungsgehalt die zu ändernde Festsetzung des Bebauungsplanes trägt. Nur wenn dieser ein konkret-individueller Charakter zukommt, ist eine Unmittelbarkeit gegeben.
104 BVerwGE 40, 268 ff., 272; Oldiges, in: Arndt/Kopp u. a., Besonderes Verwaltungsrecht, IV. Β. II. 4.2.3. Rn. 60. 105 Oldiges, in: Arndt/Kopp u. a., Besonderes Verwaltungsrecht, IV. Β. II. 4.2.3. Rn. 60; BVerwGE 50, 115 ff., 120 f.
118
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
bbb. Fälle der „DrittbetrOffenheit" Bisher wurde die Fallkonstellation betrachtet, in der der betroffene Amts- und Mandatsträger aufgrund des materiellen Regelungsgehalts, genauer des konkretindividuellen Charakters, als Adressat betrachtet werden konnte. Indessen sind nicht nur solche, durch eine Finalität gekennzeichneten Konstellationen denkbar. So können etwa Grundstückseigentümer, deren Grundstücke außerhalb des Plangebiets liegen, ebenso von einem Bebauungsplan betroffen werden. Es stellt sich damit die Frage, wie diese Form der Drittbetroffenheit i m Zusammenhang mit dem Unmittelbarkeitsbegriff zu bewältigen ist. Denkbar wäre zunächst, solche Fälle der Drittbetroffenheit überhaupt nicht zu berücksichtigen. Das O V G Lüneburg stellt anknüpfend an die Wirkung des Bebauungsplanes darauf ab, daß sich unmittelbare Vor- oder Nachteile nur aus der i m Bebauungsplan vorgesehenen baulichen Ausnutzbarkeit und deshalb auch nur für i m Plangebiet gelegene Grundstücke ergeben k ö n n e n 1 0 6 . Dies erscheint jedoch bedenklich, da die räumliche Begrenzung eines Plangebiets auch für außerhalb
gelegene
Nachbargrundstücke
erhebliche
Auswirkungen
haben
k a n n 1 0 7 . Deutlich w i r d dies, wenn man sich hier die daran anknüpfenden rechtlichen Konsequenzen ins Gedächtnis ruft. Einmal kann schon der Bebauungsplan mit seiner räumlichen Begrenzung entschädigungsrechtliche Ansprüche begründen 1 0 8 . Z u denken ist in diesem Zusammenhang auch an die Anfechtung begünstigender Verwaltungsakte mit belastender Drittwirkung. Typisches Beispiel ist hier die aufgrund eines Bebauungsplans ergehende, den Bauherrn begünstigende, aber in Rechte des Nachbarn eingreifende Baugenehmigung. Diese Auswirkungen zeigen, daß die Interessen von Gemeindevertretern mit Grundeigentum in der Nähe des Plangebietes nicht als „untergeordnete oder ganz entfernte" Interessenkollisionen angesehen werden k ö n n e n 1 0 9 . Insoweit ergibt sich die Notwendigkeit, auch bestimmte Drittwirkungen einer — materiell gesehen — konkretindividuellen Regelung unter den Unmittelbarkeitsbegriff i. S. der Befangenheitsvorschriften zu fassen. Probleme wirft aber die Reichweite der Erfassung derartiger Drittwirkungen auf, dies insbesondere deshalb, weil eine i m Hinblick auf die verfassungsrechtlich geschützte Planungshoheit der Gemeinden mißliche weitgehende Handlungsunfähigkeit kommunaler Vertretungskörperschaften zu befürchten ist. Die v o m V G H Mannheim gebrauchte Formel, der Bebauungsplan müsse in einer konkreten, unmittelbaren Beziehung zu der Tatsache stehen, daß der Gemeindevertreter Eigentümer eines bestimmten Grundstücks i s t 1 1 0 , hilft wegen 106 ιόν los 109 no
OVG Lüneburg OVGE 27, 478 ff., 483. Hegel, BauR 1974, 377 ff., 379. Dazu ausführlich: Sendler, WiR 1972, 453 ff., 473 ff. Hegel, BauR 1974, 377 ff., 379; VGH Mannheim, BauR 1973, 368 ff., 368 f. VGH Mannheim, BauR 1973, 368 ff., 369.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
119
ihrer Unbestimmtheit nicht w e i t e r 1 1 1 . Der V G H Mannheim deutet jedoch zwei Möglichkeiten an, diese Formel zu konkretisieren. Einmal könne eine Abgrenzung entsprechend der Berücksichtigungsmöglichkeit privater Interessen nach § 1 V 2 BauGB erfolgen 1 1 2 . Dies erscheint jedoch schon deshalb nicht als geeignetes Abgrenzungskriterium, weil jede Bauleitplanung den Bestand angrenzender Gebiete, bzw. die dafür getroffenen planerischen Festsetzungen in die Abwägung einbeziehen muß. Damit würde wegen der vagen und in der Praxis kaum durchführbaren Abgrenzung die Feststellung der Befangenheit von Gemeindevertretern mit einem erheblichen
Unsicherheitsfaktor
belastet 1 1 3 . Dolde w i l l daher die Eigentümer von Grundstücken, die unmittelbar an den Planbereich angrenzen oder von ihm nur durch eine Straße getrennt werden, wie die Eigentümer i m Planbereich behandeln 1 1 4 . Dieser Ansatz beseitigt zwar den Unsicherheitsfaktor, führt aber durch die schematische Behandlung zu einer Vernachlässigung des Grundes für diese Gleichstellung und in der Folge zu einer ungerechtfertigten Ausdehnung der Befangenheitsvorschriften. Es ist nämlich keineswegs denknotwendig, daß ein angrenzendes Grundstück von den Auswirkungen eines Bebauungsplanes in dem Sinn betroffen wird, daß dessen Eigentümer davon unmittelbare Vor- oder Nachteile erlangen könnte. Näher liegt daher schon die weitere v o m V G H Mannheim ins K a l k ü l gezogene Möglichkeit der Abgrenzung entsprechend der Antragsbefugnis nach § 47 I I V w G O 1 1 5 . M i t der Parallele zu § 47 I I V w G O werden allerdings nur mögliche Nachteile erfaßt, nicht aber ebenfalls zur Befangenheit führende Vorteile. Ferner erfordert § 47 V w G O , daß der Antragsteller einen Nachteil bereits erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat, während die Fälle der Interessenkollision bereits dann gegeben sind, wenn der Plan Vor- oder Nachteile bringen kann, was gerade nicht voraussetzt, daß diese auch tatsächlich eintreten 1 1 6 . Zudem ist für die Feststellung des Nachteils i m Normenkontrollverfahren nach § 47 V w G O der Inhalt der endgültig erlassenen Satzung maßgebend, während es für die Befangenheitsvorschriften nach ihrem Sinn und Zweck auf den Inhalt und das Stadium des Entscheidungsentwurfs ankommen muß, weil vor der Beratung und Beschlußfassung über die betreffende Angelegenheit feststehen muß, welches M i t g l i e d der Gemeindevertretung bzw. Ausschusses von der M i t w i r k u n g ausgeschlossen ist, und sich Entwurf und spätere Entscheidung inhaltlich nicht zu decken brauchen 1 1 7 .
m Dolde, BauR 1973, 350 ff., 351; v. Mutius, VerwArch 65 (1974), 429 ff., 434. 112 VGH Mannheim, BauR 1973, 368 ff., 369. Π3 Dolde, BauR 1973, 350 ff., 351. 114 Dolde, BauR 1973, 350 ff., 351. us VGH Mannheim, BauR 1973, 368 ff., 369. 116 Dolde, BauR 1973, 350 ff., 351. 117 v. Mutius, VerwArch 65 (1974), 429 ff., 434; zu der mangelnden Vergleichbarkeit siehe auch VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 404.
1 2 0 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Z u diskutieren ist, ob die in Frage stehende Entscheidung nicht eine rechtsgestaltende W i r k u n g für den Dritten haben muß. Die auf diese Weise gezogene Grenzlinie würde dem oben dargelegten Begründungsansatz für eine Ausdehnung auf Drittbetroffene entsprechen und einer ausufernden Einbeziehung Dritter entgegenwirken. Zweifel könnte jedoch in der Hinsicht auftauchen, ob damit der betroffene Personenkreis nicht zu eng gezogen ist. Dies insbesondere, wenn die Rechtslage auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts betrachtet wird. Nach §§ 13 I I 1 V w V f G e , 12 I I 1 S G B - X kann die Behörde einen Drittbetroffenen schon dann zu dem Verfahren hinzuziehen, wenn dessen rechtliche Interessen von der zu treffenden Entscheidung berührt werden. Der Drittbetroffene ist in diesem Fall als Beteiligter von der M i t w i r k u n g i m Verwaltungsverfahren ausgeschlossen. Diese gesetzgeberische Entscheidung muß nun auch hier Berücksichtigung finden. A u c h wenn eine solche Hinzuziehung von der Behörde nicht durchgeführt worden ist, ist der Drittbetroffene von der M i t w i r k u n g ausgeschlossen, sofern seine rechtlichen Interessen von der Entscheidung tangiert sein können. Übertragen auf die M i t w i r k u n g an der Beschlußfassung über einen Bebauungsplan bedeutet dies, daß Gemeindevertreter, deren Grundstücke außerhalb des Plangebiets liegen, dann ausgeschlossen sind, wenn ihre rechtlichen Interessen zumindest potentiell berührt werden.
ccc. Die mitgliedschaftliche
Betroffenheit
Vielfach wird der Amts- und Mandatsträger von einer hoheitlichen Entscheidung als Mitglied eines organisatorischen Zusammenschlusses, etwa einer Personen· oder einer Kapitalgesellschaft oder einer nichtkapitalistischen Körperschaft, betroffen sein. V o n Interesse ist hierbei die Frage, inwiefern eine Unmittelbarkeit gegeben ist, wenn eine Verwaltungsentscheidung auf diesen organisatorischen Zusammenschluß zielt und nicht auf deren einzelne Mitglieder. α ) Die Zwischenschaltung einer juristischen Person Ist der Amts- und Mandatsträger M i t g l i e d einer juristischen Person, etwa in einem rechtsfähigen Verein, bzw. Aktionär oder Gesellschafter einer G m b H , welche von der zu treffenden Entscheidung betroffen wird, so ist grundsätzlich festzustellen, daß von einer solchen Entscheidung nur die juristische Person selbst einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil erlangen kann. Gerade aus der Rechtsfigur der juristischen Person ergibt sich, daß diese losgelöst von deren Mitgliedern zu betrachten i s t 1 1 8 . Als selbständiges Rechtssubjekt ist sie von ihren Mitgliedern und Sachwaltern geschieden. Ist also ihr Interesse durch die Entscheidung betroffen, so sind ihre Mitglieder, Gesellschafter oder Aktionäre nicht von dem Mitwirkungsverbot betroffen. 118 Scheffler, DÖV 1962, 936 ff., 937.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
121
Gleichwohl können juristische Person und M i t g l i e d nicht immer so behandelt werden, als wären sie voneinander ebenso getrennt wie die juristische Person und ein Dritter. So w i r d auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts unter bestimmten Umständen die rechtliche Trennung ausnahmsweise i m sog. Durchgriff durchbrochen. Eine unter diesem Oberbegriff diskutierte Fallgruppe ist durch die Zurechnung von Kenntnissen, Eigenschaften und Fähigkeiten gekennzeichnet 1 1 9 . In anderen als Haftungsfällen soll i m Hinblick auf den Normzweck der anzuwendenden Regelungen auf die Person des Alleingesellschafters bzw. jene des die Körperschaft beherrschenden Gesellschafters abzustellen sein. So etwa i m Rahmen des gutgläubigen Erwerbs, da diese Vorschriften nur dem Schutz des Rechtsverkehrs dienen sollen. Ebenso kann ζ. B. der Alleingesellschafter oder der die Körperschaft beherrschende Gesellschafter nicht als Makler zwischen der G m b H und einem Dritten tätig sein, da er wirtschaftlich nur seine eigene Interessen wahrnimmt und kein selbstständiger Vermittler i s t 1 2 0 . Die Einbeziehung des Normzwecks führt in diesen Fällen zu einer Relativierung der juristischen Person. Es fragt sich, ob die Trennung zwischen juristischer Person und Gesellschafter nicht auch in dem vorliegenden Zusammenhang unter der Voraussetzung der wirtschaftlichen Identität beider außer acht zu lassen ist. Diese Frage ist von Interesse, da die Gesellschafter einer juristischen Person als solche nicht dem Ausschlußtatbestand der Nr. 5 der §§ 20 I 1 V w V f G e , 16 I 1 S G B - X , 82 I 1 A O '77 und 25 I 1 H G O unterliegen, da die Gesellschafter- oder Hauptversammlung kein dem Vorstand bzw. Aufsichtsrat vergleichbares Organ darstellt 1 2 1 . Der Alleingesellschafter wie der herrschende Gesellschafter könnten daher, sofern sie nicht Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates sind, in einer die juristische Person betreffenden Angelegenheit mitwirken. Begreift man die sich in den Fällen dieses sog. Zurechnungsdurchgriffs stellende Problematik, wie schon angedeutet, mit einem Teil der Lehre als Normanwendungsproblem 1 2 2 , so ist die Frage nach einem Mitwirkungsverbot für diese Gesellschafter jedoch zu bejahen. I m Hinblick auf den Normzweck der verwaltungsrechtlichen Befangenheitsvorschriften, nämlich der Vermeidung der Gefahr einer Diskrepanz von Entscheidung und geltendem Recht, ist auch hier auf die Person des Alleinbzw. des herrschenden Gesellschafters abzustellen. Dieser w i r d nämlich die rechtlichen Interessen der juristischen Person aufgrund seiner Stellung in der Gesellschaft als seine eigenen empfinden, so daß es i m Hinblick auf die geschilderte Gefahrenlage keinen Unterschied macht, ob seine oder die Interessen der Gesellschaft berührt werden, da diese identisch sind. Folglich ist auch der Ein119 Kübler, Gesellschaftsrecht, § 23 I I 1; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 29 I 1. 120 Hopt-Hehl, Gesellschaftsrecht, Rn. 1111 ff.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 29 I I jeweils mit weiterführenden Nachweisen. 121 Kapitel C Erster Abschnitt VII. 2. und insbesondere Zweiter Abschnitt II. 2. a. aa. aaa. 122 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 I I I 2; sowie MünchKomm-Reuter, BGB; vor § 21 Rn. 12 ff.; Hachenburg-Mertens, GmbHG, § 12 Anh. I Rn. 37 ff.
1 2 2 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
manngesellschafter sowie der die Körperschaft beherrschende Gesellschafter von der M i t w i r k u n g an einer Entscheidung, die die juristische Person betrifft, ausgeschlossen. Geht man damit konform, so erheben sich zwei Fragen. Z u m einen ergibt sich eine Abgrenzungsschwierigkeit i m Zusammenhang mit der Annahme der Beherrschung einer juristischen Person durch einen Gesellschafter. Die Frage, wann ein solches Verhältnis gegeben ist, läßt sich negativ in der Weise bestimmen, daß bei einer lediglich finanziellen Minderheitsbeteiligung eine Zurechnung ausgeschlossen i s t 1 2 3 . I m übrigen w i r d man die Frage, ob eine Beherrschung durch einen Gesellschafter vorliegt, in Anlehnung an die Kasuistik zu der konzernrechtlichen Regelung des § 17 A k t G zu beantworten haben 1 2 4 . Soweit danach ein Beherrschungsverhältnis ausscheidet, stellt sich die Frage, ob es sachgerecht ist, etwa einen starken Minderheitsaktionär, der keinen Einfluß auf die A G ausübt, nicht einem Mitwirkungsverbot zu unterstellen. Dies ist grundsätzlich zu bejahen. Denn nur in dem Falle eines beherrschenden Einflusses ist es dem Gesellschafter möglich die juristische Person zum Instrument seiner Interessen zu machen, so daß nur in diesen Fällen ihre Verselbständigung gegenüber ihren Mitgliedern überspielt werden kann. Ein Betätigungsverbot für nicht maßgeblich beteiligte Gesellschafter kann sich somit allenfalls unter dem Gesichtspunkt der §§ 21 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 ergeben, sofern diese Gesellschafter infolge der Entscheidung wirtschaftlich in erheblicher Weise in ihren gesellschaftsrechtlichen Vermögensrechten getroffen werden, etwa weil die Ertragslage nunmehr eine Dividendenausschüttung nicht mehr zuläßt oder das Unternehmen gar Konkurs anmelden müßte. ß) Gesamthandsgemeinschaften Eine personenbezogene Struktur weisen die BGB-Gesellschaft, die O H G und K G auf. Die personenbezogene Struktur der BGB-Gesellschaft läßt dabei das Gesamthandsprinzip auch dann deutlich hervortreten, wenn ein Gesellschafter von der Vertretung und Geschäftsführung ausgeschlossen sein sollte. Jeder Gesellschafter w i r d durch das gemeinsame Handeln berechtigt und verpflichtet, ist aber gleichzeitig mit den anderen verbunden. Der Amts- und Mandatsträger, der BGB-Gesellschafter ist, w i r d daher unmittelbar in seiner Stellung als Gesamthänder betroffen 1 2 5 . O H G und K G sind i m Rechtsverkehr, um den Bedürfnissen des Handelsverkehrs gerecht zu werden, in stärkeren Maße als Einheit verselbständigt (vgl. 123 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 29 I I 2 a. 124 Eine unmittelbare Heranziehung scheidet aus, da der private Großaktionär bewußt nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen wurde, siehe dazu Emmerich / Sonnenschein, Konzernrecht, § 2 Α. II. 3. 125 Scheffler, DÖV 1962, 936 ff., 937.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
123
etwa § 124 H G B ) . Gleichwohl werden auch hier die gesamthänderisch gebundenen Gesellschafter durch die Belange ihrer Gesellschaft unmittelbar berührt 1 2 6 . Z u überlegen ist, ob nicht auch von diesem Grundsatz Ausnahmen zu machen sind. In Betracht zu ziehen wäre dies zunächst für den nichtrechtsfähigen Verein. Dieser hat abweichend von dem gesetzgeberischen Leitbild eine immer stärkere Annäherung an den rechtsfähigen Verein erlangt 1 2 7 . Auch der nichtrechtsfähige Verein stellt mehr als nur die Summe seiner Mitglieder dar. Das Verhältnis des Mitgliedes zu dem nichtrechtsfähigen Verein ist in seiner Struktur mit der Beziehung des Mitgliedes zum rechtsfähigen vergleichbar. Diese tatsächliche, sich auch rechtlich immer weiter verfestigende Vergleichbarkeit des rechts- und des nicht-rechtsfähigen Vereins, muß nach dem Sinn und Zweck der Befangenheitsvorschriften auch in deren Rahmen Berücksichtigung finden. Die bloße Mitgliedschaft in einem nichtrechtsfähigen Verein führt wegen der fehlenden Unmittelbarkeit nicht zum Mitwirkungsverbot. Diese ist nur dann gegeben, wenn der nichtrechtsfähige Verein durch seine geringe Mitgliederstärke und seine innere, verstärkt personenbezogene Struktur nicht mehr dem rechtsfähigen Verein, sondern tatsächlich der BGB-Gesellschaft gleichkommt und damit die dort angestellte Überlegung auch hier einschlägig i s t 1 2 8 . Die gleichen Erwägungen sind auch bei Publikums- und Massengesellschaften einschlägig. Das Recht der Personengesellschaften ist auf den Zusammenschluß einer überschaubaren Zahl von Personen zugeschnitten. Demgegenüber w i r d in den Fällen der Massen- oder Publikumsgesellschaft, zumeist in der Rechtsform einer K G , der Gesellschaftsvertrag von einer kleinen Gruppe von Gründern in der Weise ausgearbeitet, daß einer unbestimmten Vielzahl von Kommanditisten der Eintritt in die Gesellschaft zu den i m Vertrag definitiv festgelegten Bedingungen angeboten w i r d 1 2 9 . Die Vielzahl der rein kapitalistisch beteiligten Gesellschafter ist auch hier von dem Mitwirkungsverbot ausgenommen.
bb. Die Fälle eines abstrakt-individuellen Regelungsgehaltes Z u betrachten sind weiter Regelungen, die eine unbestimmte Zahl von Fällen betreffen, sich aber an einen bestimmten oder zumindest bestimmbaren Personenkreis richten. Beispiele für solche abstrakt-individuelle Regelungen sind etwa: Anordnung gegenüber A , jeweils bei Glatteis zu streuen oder die Anordnung an alle Wehrbesitzer jedesmal das Wehr zu schließen, wenn das Wasser einen Pegel überschreitet, wobei davon nur die beiden allein in dem von der Geltung erfaßten Raum existierenden Wehrbesitzer betroffen s i n d 1 3 0 . 126 Scheffler, DÖV 1962, 936 ff., 937. 127 Kübler, Gesellschaftsrecht, § 1 1 1 1 . 128 Scheffler, DÖV 1962, 936 ff., 937. 129 Kübler, Gesellschaftsrecht, § 20 I I I 1; Hopt-Hehl, Gesellschaftsrecht, Rn. 816. 130 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 20.
1 2 4 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Betrachtet man diese Beispiele genauer, so ergibt sich, daß den Betroffenen, wenn auch in abstrakter Form, eine ganz konkrete Handlungspflicht auferlegt wird. Die Regelung hat eine gewisse Dauerwirkung und aktualisiert sich auch nur bei Hinzutreten weiterer Umstände. Damit steht sie aber der Fallgruppe des konkret-individuellen materiellen Regelungsgehaltes nahe 1 3
Unterscheiden sich
somit diese Regelungen von jenen nur durch die Unbestimmtheit bzw. Unbestimmbarkeit der geregelten Fälle, so sind bei dieser Fallgruppe dieselben Fallkonstellationen denkbar wie in den Fällen mit konkret-individuellen Regelungsgehalt. Insofern kann auf das dort Gesagte verwiesen werden.
cc. Die Fälle eines konkret-generellen Regelungsgehaltes Denkbar ist weiter, daß eine Regelung einen bestimmten Sachverhalt betrifft, sich aber an eine unbestimmte Zahl von Personen richtet, also konkret-generellen Charakter hat. Als Beispiel mag folgender Fall dienen. Eine von zwei sich in der Gemeinde G befindenden Geschäftsstraßen wird mit einem absoluten Halteverbot belegt, da es in der Vergangenheit wegen parkender Wagen stets zu erheblichen Verkehrsbehinderungen gekommen ist. Die Regelung ist generell, weil der betroffene Personenkreis noch nicht bestimmt oder bestimmbar ist, sie richtet sich vielmehr an alle Autofahrer, die in dieser Straße parken wollen. Sie ist jedoch konkret, weil es um einen Sachverhalt, nämlich absolutes Halteverbot in der betreffenden Straße, geht. Ruft man sich die eingangs aufgestellten Postulate des Sonderinteresses ins Gedächtnis, so sind bei dieser Fallgruppe nur Fälle der Drittbetroffenheit denkbar. Denn das Sonderinteresse muß den einzelnen in einer besonderen Weise treffen und sich von den Belangen einer unbestimmten Personenmehrheit deutlich abheben. Letzteres ist aber aufgrund des gerade unbestimmten Adressatenkreises bei Vorschriften mit konkret-abstrakten Regelungsgehalt nicht der Fall. Vergegenwärtigt man sich das oben genannte Beispiel, so wird der Fall der Drittbetroffenheit deutlich, wenn der Blick auf die in den beiden Geschäftsstraßen ansässigen Geschäftsleute gerichtet wird. Benachteiligt werden die in der mit dem Halteverbot belegten Straße ihre Läden betreibenden Geschäftsleute, begünstigt dagegen diejenigen in der anderen Geschäftsstaße, die aufgrund ihrer Beschaffenheit Parkstreifen erlaubt, während die Kunden der ersteren nunmehr einen längeren Fußweg zu einem Parkplatz antreten müssen. Die Lösung solcher Fallgestaltungen erfolgt nach den unter aa). bbb). dargelegten Grundsätzen.
131
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 20.
II. Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten
125
dd. Die Fälle eines abstrakt-generellen Regelungsgehaltes Schließlich existieren Regelungen, die eine unbestimmte Zahl von Fällen und eine unbestimmte Zahl von Personen betreffen, also abstrakt-generellen Charakter tragen. Bei dieser Konstellation sind keine unmittelbaren Vor- oder Nachteile denkbar. Weder treffen hier Vor- oder Nachteile den einzelnen in einer besonderen Weise, noch heben sich diese von den Belangen einer unbestimmten Personenmehrheit deutlich ab. Verdeutlicht werden soll dies am Beispiel des Flächennutzungsplans. Der Flächennutzungsplan enthält i m Gegensatz zum Bebauungsplan keine rechtsverbindliche Festsetzung der baulichen Ausnutzbarkeit der Grundstücke, sondern lediglich eine Darstellung der beabsichtigten A r t der baulichen Nutzung nach den vorhersehbaren Bedürfnissen der Gemeinde, § 5 I BauGB. Er ist damit Ausdruck eines allgemeinen Ordnungs- und Entwicklungskonzepts der Gemeind e 1 3 2 . Sein gesamtörtlicher Charakter macht ihn zum verbindenden Element zwischen der überörtlichen Raumordnung und Landesplanung und der stärker teilgebietsbezogenen Bebauungsplanung. Er fügt die überörtlichen Planungsvorgaben in die Gemeindeplanung ein und stellt so die Übereinstimmung zwischen diesen Planungsstufen h e r 1 3 3 . Seinen Inhalt nach soll er in den Grundzügen darstellen, wie sich die verschiedenen Formen der Bodennutzung innerhalb der Gemeinde nach ihrer städtebaulichen Konzeption auf die einzelnen Gemeindeflächen verteilen. § 5 I I BauGB enthält dabei einen — nicht erschöpfenden — Katalog von Bodennutzungen, die i m allgemeinen zu berücksichtigen sind, wobei die die bauliche Nutzung i m Vordergrund steht. So soll der Flächenutzungsplan die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen und der besonderen Art sowie dem allgemeinen Maß ihrer baulichen Nutzung darstellen, § 5 I I Nr. 1 BauGB. Erläutert w i r d dies durch die B a u N V O , die insoweit die Kategorien festlegt, in denen die Darstellung erfolgen soll. Aufgrund dieser Festsetzungen wie seines überörtlichen Charakters ist dem Flächennutzungsplan ein abstrakt-genereller Charakter beizumessen, so daß nach dem Vorstehenden das Merkmal der Unmittelbarkeit abzulehnen ist. Eine Ansicht w i l l demgegenüber aufgrund der Wirkungen des Flächennutzungsplans unmittelbare Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten annehmen. So könne der Flächennutzungsplan Rechtswirkungen haben, die denen eines Bebauungsplans i m Hinblick auf die planungsrechtliche Beurteilung von Einzelvorhaben ähnlich sein könnten. Diese Parallelität der Auswirkungen von Flächennutzungsplänen zu Bebauungsplänen verstärke sich, wenn man sich die tatsächlichen Wirkungen von Flächennutzungsplänen vor Augen halte. Dem Flächennutzungs132 Oldiges, in: Arndt/Kopp u. a., Besonderes Verwaltungsrecht, IV Β 4.1., Rn. 52. 133 Oldiges, in: Arndt/Kopp u. a., Besonderes Verwaltungsrecht, IV Β 4.1., Rn. 52.
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre plan komme allein aufgrund seiner bindenden Wirkungen für die zukünftige Planung eine nicht unerhebliche tatsächliche Bedeutung zu. Darstellungen eines Flächennutzungsplanes etwa wirkten sich auf den wirtschaftlichen Wert eines Grundstückes in gleicher Weise aus, wie Festsetzungen eines Bebauungsplanes
134
.
Diese Auffassung sieht sich dem Einwand ausgesetzt, daß sie keine Entscheidungskriterien dafür liefert, wann solche unmittelbare Wirkungen eines Flächennutzungsplan gegeben sein sollen. Insbesondere steht sie jedoch i m Gegensatz zu den Grundgedanken des BauGB und der Beschlußfassung gerade durch die kommunale Vertretungskörperschaft. Einmal sollen sich die Rechtswirkungen des Flächennutzungsplans nach der Intention des Gesetzes gerade nicht nach außen an den Bürger und den Grundstückseigentümer richten. So richtet sich die Zulässigkeit eines Bauvorhabens und damit der Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung nicht nach dem Flächennutzungsplan, sondern i m Bereich eines qualifizierten Bebauungsplanes allein nach dessen Festsetzungen, § 30 BauGB. Bedeutung hat der Flächennutzungsplan insofern lediglich i m Rahmen des § 35 I I I 1. Spiegelstrich BauGB als entgegenstehender öffentlicher Belang, während dies im Rahmen des § 34 I BauGB keine Rolle spielt 1 3 5 . Hinzu kommt, daß auch die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung (§§ 14, 19, 24, 25 BauGB) und das Enteignungsrecht (§ 85 I Nr. 1 BauGB) nur durch den Bebauungsplan, nicht aber schon durch den Flächennutzungsplan ausgelöst werden. Ebenso wie der durch die Ausweisung von Flächen i m Flächennutzungsplan entstandene Wertzuwachs keine enteignungsfähige Rechtsposition darstellt, begründet der Wertverlust wegen einer Flächennutzungsplanung auch keinen Entschädigungstatbestand 136 . Diese i m Verhältnis zum Bürger nur als mittelbar zu bewertende W i r k u n g des Flächennutzungsplans muß gerade auch i m Rahmen des Mitwirkungsverbotes Geltung beanspruchen. Dies folgt auch aus der gemeindlichen Planungshoheit. Insbesondere wegen seines gesamtörtlichen Charakters ist bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen dem Aspekt der Erhaltung der Beschlußfähigkeit der Gemeindevertretung und der Gewährleistung einer effektiven und praktikablen Verwirklichung der gemeindlichen Planungshoheit durch die gewählten Mitglieder der Gemeindevertretung Beachtung zu schenken. Die Möglichkeit, daß sich die Ausnutzbarkeit von Grundstücken einzelner Gemeindevertreter infolge der Erstellung eines Flächennutzungsplanes verändern könnte, reicht insoweit nicht aus, um hieraus ein Mitwirkungsverbot ableiten zu k ö n n e n 1 3 7 .
134 Creutz, BauR 1979, 470 ff., 473. 135 Vgl. nur Emst / Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Raumplanungsrecht, Rn. 387; vgl. insoweit auch die neue Fassung des § 34 I BauGB. 136 Friauf, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 477 ff., 508; Oldiges, in: Arndt/Kopp u.a., Besonderes Verwaltungsrecht, IV Β 4.1.2. Rn. 54. 137 OVG Münster, NJW 1976, 2632 f., 2633.
III. Angehörigeneigenschaft
127
Fraglich kann vor dem Hintergrund der durchgeführten Abgrenzung nach dem materiellen Regelungsgehalt nur sein, ob hier nicht Ausnahmesituationen denkbar sind. Derartige Ausnahmesituationen müssen durch einen wesentlich engeren Regelungsgehalt i m Sinne der vorangegangenen Darlegungen gekennzeichnet sein. Ein konkret-individueller Gehalt ist etwa in der Fallkonstellation gegeben, in der die Aufstellung des Flächennutzungsplans gerade nur ein Grundstück erfaßt 1 3 8 . Eine ähnliche Fallsituation kann vorliegen, wenn eine Änderung eines bereits aufgestellten Flächennutzungsplanes vorgenommen wird. So nimmt das O V G Münster zurecht für den Fall, daß eine Änderung des bereits aufgestellten Flächennutzungsplans in einem klar abgrenzbaren kleineren Teilbereich zur Entscheidung oder Beratung in der Gemeindevertretung oder ihren Ausschüssen steht, ein Mitwirkungsverbot für die von der Planänderung betroffenen Gemeindevertreter bzw. Ausschußmitglieder a n 1 3 9 . Sollen etwa bestimmte Grundstücke i m Sinne der B a u N V O i m Flächennutzungsplan umgestuft oder soll bei ihnen eine solche Umstufung abgelehnt werden, sind die betroffenen Grundstückseigentümer schlossen
140
von der M i t w i r k u n g
an diesem Verfahrensgegenstand
ausge-
.
In allen diesen Fällen rechtfertigt sich ein Mitwirkungsverbot aus dem Gesichtspunkt heraus, daß unter den genannten Voraussetzungen die anstehende Beratung und Entscheidung über die Aufstellung bzw. Änderung des Flächennutzungsplans den abstrakt-generellen Charakter verliert. Es liegt vielmehr ein konkret-individueller Regelungsgehalt vor. Nicht mehr die gesamtörtliche Planung, sondern eine wesentlich engere steht i m Raum. Daher muß auch das Interesse an der Vermeidung einer den demokratischen Willensbildungsprozeß blockierenden Handhabung der Ausschlußregelung zurücktreten. Die betroffenen Grundstückseigentümer sind in diesen Fällen von der M i t w i r k u n g und Beratung ausgeschlossen. I I I . Angehörigeneigenschaft Nach § 25 I Satz 1 Nr. 2 H G O und den §§ 20 I 1 Nr. 2 V w V f G e , 16 I 1 Nr. 2 S G B - X und 82 I 1 Nr. 2 A O '77 ist derjenige von einem Mitwirkungsverbot betroffen, der Angehöriger einer Person ist, die durch die Entscheidung in der Angelegenheit einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil erlangen kann oder in dem entsprechenden Verwaltungsverfahren Beteiligter ist. Ähnliche Regelungen enthalten § 5 9 1 B B G und § 73 I H B G , wonach der Beamte von Amtshandlungen zu entbinden ist, die sich gegen einen Angehörigen richten oder diesem einen Vorteil bringen können. 138 OVG Lüneburg, BauR 1970, 89 f., 90. 139 OVG Münster, NJW 1976, 2632 f., 2633; Röper, VR 1982, 334 f., 335. 140 Picozzi, VR 1980, 113 ff., 116.
128
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Wer Angehöriger ist, ergibt sich jeweils aus Abs. 5 der § § 2 5 H G O , 20 V w V f G e , 16 SGB-X, sowie aus § 15 A O '77, die eine wörtlich übereinstimmende Legaldefinition enthalten. Abweichend davon verweisen die beamtenrechtlichen Regelungen in § 59 I I B B G und § 73 I I H B G auf das Strafprozeßrecht. Nur solche Personen sind Angehörige im Sinne dieser Bestimmungen, zu deren Gunsten dem Beamten wegen familienrechtlichen Beziehungen i m Strafverfahren das Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Aus diesem Verweis auf § 5 2 1 StPO ergibt sich gegenüber den erwähnten übereinstimmenden Legaldefinitionen ein engerer Angehörigenbegriff: Als Angehöriger sind nur der Verlobte, der Ehegatte — dies auch wenn die Ehe nicht mehr besteht — sowie in gerader Linie Verwandte und Verschwägerte, bzw. in der Seitenlinien bis zum dritten Grad Verwandte oder bis zum zweiten Grad Verschwägerte anzusehen. Die insoweit entstehende Lücke wird durch die Verweisung der § § 5 9 I I I B B G und 73 I I I H G B auf anderweitige gesetzliche Regelungen, wie die des Verwaltungsverfahrensrechts gefüllt 1 4 1 . Die betroffenen Beamten sind daher über den von §§ 59 I I B B G , 73 I I H B G gesteckten Bereich auch in diesen Fällen von der Vornahme von Amtshandlungen zu befreien. Für die einzelnen Elemente des kommunal- und verwaltungsverfahrensrechtlichen Angehörigenbegriffs ergibt sich folgendes:
1. Verlobte (Satz 1 Nr. 1 der §§ 15 I AO '77, 20 V VwVfGe, 16 V SGB-X und 25 V HGO) Einschlägig ist hier die Regelung des § 1297 B G B . Danach ist unter Verlöbnis das gegenseitige Versprechen zweier Personen verschiedenen Geschlechts zu verstehen, künftig die Ehe miteinander einzugehen. Es bedarf keiner besonderen Form. Andererseits genügt ein Zusammenleben allein nicht, das Eheversprechen muß vielmehr als solches vorliegen. Insoweit sind die i m Strafverfahrensrecht für das Zeugnisverweigerungsrecht entwickelten Grundsätze heranzuziehen, wonach ein ernstgemeintes und nicht unsittliches Eheversprechen für das Vorliegen eines Verlöbnisses erforderlich ist, es aber auf die Bekanntgabe des Verlöbnisses nicht unbedingt a n k o m m t 1 4 2 . Ein nichtiges Verlöbnis genügt daher nicht. Nach Beendigung des Verlöbnisses, etwa durch Aufhebungsvertrag oder Rücktritt, entfällt die Angehörigeneigenschaft, es sei denn, das Verlöbnis w i r d durch Eheschließung beendet 1 4 3 .
141 Vgl. dazu allgemein Kapitel Β II. 3. 142 Kunze/Bronner/Katz, GO BaWü, § 18 Rn. 5; Kleinknecht/Meyer, StPO, § 52 Rn. 4. 143 Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 9.
III. Angehörigeneigenschaft
129
2. Ehegatten (S. 1. Nr. 2 der §§ 15 I AO '77, 20 V VwVfGe, 16 V SGB-X, 25 V HGO) Voraussetzung ist zunächst lediglich, daß die Ehe rechtlich besteht. Ob die Ehegatten tatsächlich getrennt leben, ist unerheblich. Neben der bestehenden wird nach § 15 I I Nr. 1 A O '77 und den Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 der genannten Bestimmungen auch die nicht mehr bestehende Ehe erfaßt, da auch hier Verhältnisse angenommen werden, die eine objektive Entscheidung gefährden können. Dabei spielt es keine Rolle, ob die frühere Ehe durch Scheidung nach § 1564 B G B , Nichtigerklärung nach § 23 EheG oder Aufhebung nach § 29 EheG aufgelöst w u r d e 1 4 4 . Angesichts dieser extensiven Fassung stellt sich die Frage, ob nicht eine analoge Anwendung dieses Ausschlußtatbestandes auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft erfolgen muß. Eine Literaturansicht bejaht dies mit dem Hinweis auf den Sinn und Zweck der Norm. Soweit eine Beeinflussungsgefahr in gleichem Umfang bestehe, sei das Mitwirkungsverbot, sofern nicht auf ein Verlöbnis geschlossen werden könnte, auch bei eheähnlichen Verhältnissen analog anzuwenden 1 4 5 . Diesem Standpunkt ist zuzugeben, daß in derartigen Fällen zwischen den Partnern meist ebensolche emotionale und wirtschaftliche Beziehungen bestehen können wie zwischen Verlobten und Ehegatten, so daß unter funktionalen Gesichtspunkten eine abweichende Entscheidung nicht zu überzeugen vermag. Doch steht dem zunächst der klare Wortlaut des Gesetzes entgegen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, daß es sich bei den dort aufgeführten Personenkreisen um exakt bestimmbare familiäre Beziehungen handelt, wenn auch bei dem Verlöbnis Schwierigkeiten auftauchen, die jedoch anhand der heute herrschenden Vertragstheorie noch einigermassen in den Griff bekommen werden k ö n n e n 1 4 6 . Gänzlich aufgegeben würde diese objektiv klare Abgrenzungsmöglichkeit durch die Einbeziehung der gesetzlich nicht geregelten nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Gerade, wenn man den B l i c k auf die Konsequenzen richtet, die eine derartige Einbeziehung hätte, wird dies deutlich. Die Frage, ob die Voraussetzungen des Vorliegens einer Interessenkollision gegeben sind, hat die Gemeindevertretung bzw. der Behördenleiter zu entscheiden. Diese zur Entscheidung zuständige Stelle hätte dabei zur Bestimmung des Vorliegens einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Überlegungen zu treffen, die weit in dem Intimbereich des einzelnen reichen w ü r d e n 1 4 7 , da die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht die gleiche Offenkundigkeit beinhaltet wie die anderen aufgeführten familienrechtlichen Bestimmungen. Der Gesetzgeber wollte also mit dieser Anknüpfung an klare familienrechtlichen Beziehungen nicht nur Fälle erfassen, die typi•44 145 146 147
Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 87. H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. X. 2. Härchen / Hüttemann, SKV 1971, 291 ff., 291. Härchen/Hüttemann, SKV 1971, 291 ff., 291.
9 Kazele
130
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
scherweise eine objektive Verwaltungsführung beeinträchtigen können, sondern er wollte hiermit diese Fälle zum Zwecke der Offenkundigkeit klar abgrenzen. Insofern enthalten die angeführten verwaltungsrechtlichen Legaldefinitionen des Angehörigenbegriffs eine abschließende A u f z ä h l u n g 1 4 8 . Eine analoge Anwendung dieser Normen auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft scheidet somit aus. 3. Verwandte und Verschwägerte gerader Linie (Satz 1 Nr. 3 der §§ 15 I AO '77, 20 V VwVfGe, 16 V SGB-X, 25 V HGO) Die Verwandtschaft und Schwägerschaft ist ebenfalls nach bürgerlichem Recht, in concreto den §§ 1589, 1590 B G B , zu beurteilen. Die Legaldefinitionen des Angehörigenbegriffs fordern dabei keine Gradnähe. Die Seitenlinien sind in den Sätzen 1 Nrn. 4 bis 7 der genannten Regelungen erfaßt. a. Verwandte gerade Linie sind nach § 1589 S. 1 B G B Personen, deren eine von der anderen abstammt, also: Vater, Mutter, Großvater, Großmutter, usw.; Sohn, Tochter, Enkel, Urenkel, usw. Eine solche Verwandtschaft wird außer durch eine eheliche Geburt auch begründet 1 4 9 : — durch Legitimation nach § 1719 B G B , — durch die Annahme als K i n d (aufgrund der dem § 1754 B G B immanenten Abstammungsfiktion), und zwar in entsprechender Anwendung des Sat zes 2 Nr. 2 auch für den Fall, daß die Annahme als K i n d inzwischen aufgehoben worden i s t 1 5 0 , — durch Ehelicherklärung auf Antrag des Kindes nach § 1740a B G B i. V . m. § 1740f B G B , — durch Ehelicherklärung auf Antrag des Vaters nach § 1723 B G B i. V . m. § 1736 B G B , — i m Verhältnis zum Vater durch eine nichteheliche Geburt, § 1600a B G B b. Verschwägerte
gerader
Linie
sind nach § 1590 I B G B die Verwandten
eines Ehegatten in gerader Linie, n ä m l i c h 1 5 1 — in aufsteigender Linie: Schwiegermutter, Schwiegervater, Schwiegergroßmutter, Schwiegergroßvater usw. — in absteigender Linie: Schwiegersohn, Schwiegertochter, Ehegatten der Enkel usw., da diese ihrerseits durch ihren jeweiligen Ehegatten mit ihren Schwieps 149 150 151
Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 7, 9. Auflistung nach Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 90. Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 90. Auflistung nach Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 91.
III. Angehörigeneigenschaft
131
gereltern, Schwiegergroßeltern usw. verschwägert sind und damit unter den Gesichtspunkt der Reziprozität auch von seiten der Schwiegereltern, Schwiegergroßeltern usw. eine Schwägerschaft besteht, obgleich dies i m Wortlaut des § 1590 I B G B nicht klar zum Ausdruck k o m m t 1 5 2 . A u f den Grad der Schwägerschaft kommt es nicht an. Verschwägerte in der Seitenlinie (ζ. B. Bruder der Ehefrau) fallen nicht unter Nr. 3. Es besteht allerdings eine Schwägerschaft in gerader Linie des nichtehelichen Kindes mit der Ehefrau seines Vaters 1 5 3 . Die Angehörigeneigenschaft gilt nach Absatz 5 Satz 2 Nr. 1 der § § 2 0 V w V f G e , 16 S G B - X , 25 H G O sowie § 15 I I Nr. 1 A O '77 fort, auch wenn die die Beziehung begründende Ehe nicht mehr besteht oder nach der Nr. 2 die Verwandtschaft duch Annahme als K i n d erloschen ist. Da aber bereits nach § 1590 I I B G B die Schwägerschaft i m Falle einer Auflösung der Ehe, durch die sie begründet wurde, fortdauert, kommt der Regelung des Satzes 2 (bzw. des Abs. 2) Nr. 1 über das Fortbestehen des Schwägerschaftsstatus bei Wegfall der ihn begründenden Ehe nur eine deklaratorische Bedeutung z u 1 5 4 .
4. Geschwister und von diesem Status abgeleitete Angehörige Nach Nr. 4 der §§ 15 I A O '77, 20 V 1 V w V f G e , 16 V 1 SGB-X, 25 V 1 H G O zählen auch Geschwister zu den Angehörigen. Geschwister s i n d 1 5 5 : a. die (von gemeinsamen Eltern abstammenden) vollbürtigen und die (nur einen gemeinsamen Elternteil aufweisenden) halbbürtigen Geschwister als in der Seitenlinie i m zweiten Grad miteinander Verwandte. b. die von beiden Eltern oder einem Elternteil als Kinder angenommenen Adoptivgeschwister. Ferner sind nach den jeweiligen Nrn. 5 der genannten Vorschriften Angehörige Kinder dieser Geschwister, also als Neffen und Nichten alle Kinder von vollbürtigen, halbbürtigen und Adoptivgeschwistern, auch wenn sie Kinder von Adoptivgeschwistern oder selbst als K i n d angenommen worden s i n d 1 5 6 . Nach den jeweiligen Nrn. 6 sind auch die Ehegatten der Geschwister
und die
Geschwister der Ehegatten als Angehörige anzusehen, also Schwäger und Schwägerinnen. Dies auch dann, wenn die Ehe nicht mehr besteht, vgl. Satz (Abs.) 2 Nr. 1 der genannten Vorschriften.
•52 •53 154 155 •56 9*
Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 91. Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 10. Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 92. Auflistung nach Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 93. Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 94.
132
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Nr. 7 nennt als Angehörige ferner die Geschwister der Eltern, also Onkel und Tanten, nicht dagegen deren Kinder (Vetter und Cousinen). Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 1755 B G B . Danach erlischt mit der Annahme als K i n d , der Adoption, das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten, weil ein neues Verwandtschaftsverhältnis über den oder die Annehmenden eintritt, § 1754 B G B . Aus den früheren Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnissen können aber noch derartige Bindungen bestehen, die eine Befangenheit befürchten lassen 1 5 7 . Die Nrn. 2 der §§ 15 I I A O '77, 20 V 2 V w V f G e , 16 V 2 S G B - X , 25 V 2 H G O vermuten diese Befangenheit und bestimmen, daß die Angehörigeneigenschaft in den Fällen der Nrn. 3 bis 7 auch dann fortbesteht, wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft durch Adoption erloschen ist.
5. Pflegeeltern und Pflegekinder Nach den jeweiligen Nrn. 8 der Legaldefinitionen sind als Angehörige auch Pflegeeltern und Pflegekinder anzusehen. Die Vorschrift gibt dabei zugleich eine verfahrensrechtliche Definition des Pflegeverhältnisses. Danach sind Pflegeeltern und Pflegekinder Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und K i n d miteinander verbunden sind. A u f andere Vorschriften i m materiellen Recht kommt es hier nicht an, insbesondere nicht auf das Vorliegen eines Pflegschaftsverhältnisses
nach
§ § 2 7 ff. JWG. Der Begriff „häusliche Gemeinschaft" setzt dabei voraus, daß die Beteiligten i m Regelfall in einem Hausstand zusammenleben 1 5 8 . Die Angehörigeneigenschaft besteht nach Abs. 5 S. 2 Nr. 3 (bzw. § 15 I I Nr. 3 A O '77) auch dann fort, wenn die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht. Erforderlich ist aber, daß die Personen weiterhin wie Eltern und K i n d verbunden sind. M o t i v für diese Regelung war die Überlegung, daß auch, wenn ein Pflegek i n d etwa an einem anderen Ort studiert, die innere Verbundenheit, die j a gerade den Grund für diesen Ausschlußtatbestand darstellt, weiterbesteht 1 5 9 .
I V . Vertretung und Beistand Ausgeschlossen werden gemäß Nr. 3 der §§ 20 I 1 V w V f G e , 16 I 1 SGB-X, 82 I 1 A O '77 und 25 I 1 H G O die gesetzlichen und gewillkürten Vertreter von Personen, die Beteiligte i m Sinne der Nr. 1 oder diesen nach Satz 2 gleichgestellt 15V Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 12; Stelkens / Βonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 50. 158 Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 13; Stelkens / Β onk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 49. 159 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 49.
IV. Vertretung und Beistand
133
sind. Grundlage dieses Ausschlußtatbestandes ist die Überlegung, daß der Vertreter an die Stelle des Vertretenen tritt, dieser also dessen Interessen verfolgt. Insofern besteht die Gefahr, daß der Vertreter sich aufgrund seiner Vertretungsmacht von den Belangen des Vertretenen und nicht von seinen Amts- oder Mandatspflichten leiten lassen k ö n n t e 1 6 0 .
1. Ein erweitertes Verständnis des Grundausschlußtatbestandes Diesem Ausschlußtatbestand liegt, ebenso wie den noch zu behandelnden Ausschlußtatbeständen der Abs. 1 S. 1 Nrn. 4 und 5 der §§ 25 H G O , 20 V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O '77, ein erweitertes Verständnis der Grundausschlußtatbestände der Selbstbeteiligung bzw. der unmittelbaren Vor- oder Nachteilsmöglichkeit zugrunde. Es wurde bereits gezeigt, daß diese Grundausschlußtatbestände durch die Beschränkung auf natürliche Personen gekennzeichnet s i n d 1 6 1 . Demgegenüber ist jedoch ersichtlich, daß ein nach Nrn. 3 bis 5 zum Ausschluß führendes Näheverhältnis zum Verfahrensgegenstand nicht nur dadurch vermittelt werden kann, daß natürliche Personen an der zu beratenden oder zu entscheidenden Sache ein Sonderinteresse besitzen. Die Gefahrenlage ist identisch, wenn durch die Entscheidung einer juristischen Person oder einer Subjektsmehrheit ein unmittelbarer Vor- oder Nachteil entstehen kann und zugleich einer ihrer Vertreter, Organmitglieder oder Beschäftigten hoheitlich in der Angelegenheit tätig werden soll. Die H G O trägt dem dadurch Rechnung, daß in § 25 I 1 Nrn. 3 bis 5 ausdrücklich auch auf juristische Personen bzw. (in den Nrn. 4 und 5) auf Vereinigungen bezug genommen wird. Dagegen enthält der Wortlaut der verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen insoweit keine Klarstellung. Gleichwohl gilt hier unter Berücksichtigung des beschriebenen Normzwecks und der Entstehungsgeschichte nichts anderes. So waren i m E V w V f G 1973 diese Ausschlußtatbestände der heutigen Nrn. 3 bis 5 noch in der Weise gefaßt, daß sie als Anknüpfungspunkte neben einer natürlichen auch eine juristische Person oder Vereinigung wählten, soweit sie nur ein Sonderinteresse an der Sache besaßen 1 6 2 . Die Änderung der Fassung hatte lediglich redaktionelle Gründe und war nicht sachlich bedingt. Der Begriff des Beteiligten und der ihm nach Satz 2 gleichgestelltem Person w i r d daher infolge der Gesetz gewordenen unpräzisen Fassung in den § § 2 0 V w V f G e , 16 S G B - X , 82 A O '77 in einem unterschiedlichen Sinne verwandt.
160 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 71; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 160. 161 Kapitel Β IV., dort insbesondere 2. b. !62 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, Drucksache 7/910, S. 11.
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C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Der weite Begriff, der den Nrn. 3 bis 5 zugrunde liegt, nimmt auf die Beteiligungsfähigkeit der §§ 11 V w V f G e , 10 S G B - X bezug 1 6 3 . Sie ist die rechtliche, nicht tatsächliche Fähigkeit, an einem Verwaltungsverfahren beteiligt zu sein, d. h. als Beteiligter i m Sinne von §§ 13 I V w V f G e , 12 I S G B - X 1 6 4 an einem Verwaltungsverfahren teilnehmen zu k ö n n e n 1 6 5 . Neben den natürlichen und juristischen Personen sind danach auch Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, und Behörden i m Sinne von §§ 1 I V V w V f G e , 1 I I S G B - X , 6 I A O '77 beteiligungsfähig. Unter dem Begriff der Vereinigung sind dabei Personenzusammenschlüsse zu verstehen, denen entweder durch Gesetz oder Gewohnheitsrecht die generelle Fähigkeit zuerkannt worden ist, i m eigenen Namen zu klagen oder verklagt zu werden (also O H G , K G , politische Parteien, Gewerkschaften als nichtrechtsfähige Vereine), oder das materielle Recht bestimmte Rechte einräumt oder bestimmte Pflichten auferlegt (ζ. B. nichtrechtsfähiger Verein, BGB-Gesellschaft, Erbengemeinschaft, Gemeinde- und Kreistagsfraktion, Freie Wählergemeinschaft). Letztere Gruppe ist allerdings nur in solchen Verwaltungsverfahren beteiligungsfähig, in denen es um eben jene Rechte oder Pflichten g e h t 1 6 6 . Nicht Beteiligte i m Rahmen der Nrn. 3 bis 5 der genannten verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen ist die das Verfahren durchführende Behörde. Wäre nämlich diese Behörde selbst als Beteiligte anzusehen, so wäre die Konsequenz fatal. Denn dann wären ihre Vertreter und Bediensteten (von der Ausnahme der Nr. 5 HS 2 abgesehen) von der M i t w i r k u n g ausgeschlossen, wodurch die Behörde funktionsunfähig w ü r d e 1 6 7 . Dem entspricht auch die ganz h. M . , wonach die das Verfahren durchführende Behörde nicht Antragsgegnerin i m Sinne der §§ 13 I Nr. 1 V w V f G e , 12 I Nr. 1 S G B - X und 78 Nr. 1 A O '77 i s t 1 6 8 .
2. Die Lückenhaftigkeit des § 25 I 1 Nr. 3 H G O Ein Sonderproblem ergibt sich nun i m Rahmen des Ausschlußtatbestandes des § 25 I 1 Nr. 3 H G O aus dem Umstand, daß ihm lediglich Vertreter von natürlichen und juristischen Personen unterstellt werden. Die weiteren Tatbestän163 Eine Beteiligtenfähigkeit ist in der AO '77 ausdrücklich nicht geregelt. Die Steuerrechtssubjektivität geht ebenfalls über den Kreis der nach bürgerlichem Recht Rechtsfähigen hinaus, vgl. dazu Paulick, Lehrbuch des allgemeinen Steuerrechts, § 25 III, Rn. 493 f. 164 Martens, Die Praxis des VerwaltungsVerfahrens, Rn. 79; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 IV 1; Kopp, VwVfG, § 11 Rn. 4. 165 Zu dem Begriff Beteiligten nach der AO '77 siehe oben Kapitel C Erster Abschnitt I. 166 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 IV 2 b; str. Kopp, VwVfG, § 11 Rn. 5 ordnet die erste Gruppe § 11 Nr. 1 VwVfG zu. Dies findet jedoch im Gesetz keine Grundlage, vgl. auch Meyer/Borgs, VwVfG, § 11 Rn. 5. 167 Ähnlich Tipe/Kruse, AO, § 78 Rn. 5. 168 Vgl. nur Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrenrecht, § 15 I I 1; a. A. nur Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 72; ähnlich Kopp, VwVfG, § 13 Rn. 8a.
135
IV. Vertretung und Beistand
de der Nrn. 4 und 5 hingegen enthalten als Anknüpfungspunkt auch Vereinigungen. Hinzu kommt nach dem oben Gesagten, daß auch die Regelungen des Verwaltungs Verfahrensrechts nicht auf den Ausschluß des Vertreters einer natürlichen oder juristischen Person beschränkt sind. Dies und der Normzweck lassen insoweit auf kommunal-rechtlichen Gebiet eine Lücke erkennen. Ersichtlich stellt der Tatbestand von § 25 I 1 Nr. 3 H G O allein auf die Wirkungen der Vertreterstellung und der damit verbundenen Interessenwahrnehmung ab. Sie sind i m gleichem Maße auch bei der Vertretung von Vereinigungen gegeben. Fraglich ist danach nur der methodische Weg, auf dem diese Lücke geschlossen werden kann. Einmal bietet sich an, § 25 I 1 Nr. 3 H G O analog auf die Vertreter von Vereinigungen anzuwenden. Denkbar ist jedoch auch, diese Lücke über die Heranziehung des § 2 1 H V w V f G zu schliessen 1 6 9 . Vorzuziehen ist die erste Möglichkeit, da sie der gesetzgeberischen Wertung gerecht wird. Die Befangenheit soll hier nicht der Prüfung des Einzelfalls überlassen bleiben, sondern unwiderleglich vermutet werden. Insoweit bestehen auch nicht die Bedenken, die gegen eine analoge Anwendung von § 25 I 1 Nr. 2 i. V . m. dessen Abs. 5 S. 1 Nr. 1 H G O auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft sprachen 1 7 0 .
3. Die Beschaffenheit der Vertretungsmacht Bei den Vertretern ist es, wie aus allen Normtexten ausdrücklich hervorgeht, unerheblich, ob ihre Vertretungsmacht kraft Gesetzes (ζ. B. Eltern, Vormund, Pfleger, Vorstand von Handelsgesellschaften) oder kraft Vollmacht besteht. Letztere kann auf Einzelvollmacht gemäß § § 1 6 4 ff. B G B beruhen oder auf Dauer angelegt sein, wie etwa bei der handelsrechtlichen Prokura (§§ 48 ff. H G B ) oder Handlungsvollmacht
(§ 54 H G B ) .
Auch
der Bevollmächtigte
nach §§ 14
V w V f G e , 13 S G B - X , 80 A O '77 fallen hierunter, ebenso die von den Beteiligten nach §§ 17 ff. V w V f G e benannten oder bestellten Vertreter i m Verwaltungsverfahren 1 7 1 . Gewillkürter Vertreter ist auch der Empfangsbevollmächtigte nach §§ 15 V w V f G e , 14 S G B - X . Da seine Vollmacht jedoch auf die Entgegennahme von Mitteilungen beschränkt und er zur Vertretung i m übrigen nicht befugt ist, unterfällt er jedoch diesem Ausschlußtatbestand n i c h t 1 7 2 . Als gesetzlicher Vertreter w i r d hingegen der nach §§ 16 ff. V w V f G e , 15 S G B - X , 81 A O '77 von Amts wegen bestellte Vertreter erfaßt 1 7 3 .
169 Kapitel C Erster Abschnitt III. 2. 170 Siehe oben Kapitel Β II. 2. c. dd. πι Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 14; Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 6.3. 172 Knack-Clausen, VwVfG, §20 Rn. 6.3; Kopp, VwVfG, §20 Rn. 15; Hauck/ Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 14. 173 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 15; Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2 Κ § 16 Rn. 14.
1 3 6 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Die Vertretungsmacht muß sich allgemein auf alle Angelegenheiten oder speziell auf das betreffende Verwaltungsverfahren beziehen, in dem der Ausgeschlossene tätig werden w i l l . Eine Vertreterbefugnis für ein bestimmtes anderes Verwaltungsverfahren führt daher nicht zum Ausschluß. Eine sachlich beschränkte Vertretungsbefugnis schließt dagegen nur eine Tätigkeit in dem konkreten Verwaltungsverfahren aus. Dies gilt auch, wenn die Vollmacht nur auf einzelne Teile des Verfahrens oder auf bestimmte Verfahrenshandlungen beschränkt ist. Dagegen hindert eine sachlich beschränkte Vertretungsbefugnis, die nicht in Zusammenhang mit dem Verfahren steht, nicht ein Tätigwerden in dem Verwaltungsverfahren 1 7 4 . Bei der Vertretung kraft rechtsgeschäftlicher Vollmacht w i r d man daher auch nur den ausschließen können, der Vollmachtsträger in der behandelten Sache ist. Dies ist etwa nicht der Fall bei einem Prokuristen einer O H G , wenn über Grundstücksangelegenheiten seiner Gesellschaft zu entscheiden ist175. I n bezug auf die qualitative Beschaffenheit der Vertretungsbefugnis ist auf dem Gebiet des Gemeindeverfassungsrechts auch die berufliche Stellung von Rechtsanwälten von Interesse. Zunächst ist als Grundsatz festzuhalten, daß diese von der M i t w i r k u n g in Angelegenheiten ihrer Mandanten ausgeschlossen sind. Voraussetzung ist jedoch insoweit, daß es zwischen dem A n w a l t und dem Mandanten zu einem festen Vertragsverhältnis in der zur Beratung und Entscheidung stehenden Angelegenheit gekommen ist. Ist dieser nur bei Gelegenheit beratend tätig geworden, hat er etwa also nur eine Auskunft erteilt ohne das es zu einem umfangreichem Schriftverkehr gekommen ist, so würde es eine Überspitzung des Handlungsverbotes bedeuten, den Anwalt in diesen Fällen auszuschließen. Ebenso ist der Sozius eines Anwalts nur dann von dem Ausschlußgrund betroffen, wenn die Vollmacht des Mandanten auch für ihn gilt. Besteht lediglich eine Bürogemeinschaft oder ist der Anwalt nur Angestellter des anderen, so ist keine Befangenheit wegen eines Vertretungsverhältnisses anzunehmen 1 7 6 . Fraglich ist in diesem Zusammenhang weiter, ob eine allgemeine Vertretungsbefugnis auch dann zum Ausschluß führt, wenn sie in dem betreffenden Verfahren überhaupt keine Rolle spielt, weil etwa der Vertretene hierfür einen besonderen Bevollmächtigten bestellt hat. Während dies eine Ansicht ohne Angabe von Gründen verneint 1 7 7 , w i l l eine andere Auffassung auf den Loyalitätskonflikt abstellen. Dieser werde nicht dadurch aufgehoben, daß derjenige, der ihm eine allgemeine Vollmacht erteilt habe, für das konkrete Verfahren einen besonderen Vertreter — womöglich gerade i m Hinblick auf die M i t w i r k u n g seines allgemeinen Vertreters am Verfahren — bestelle , 7 8 . Neben diesen Argumenten der fortbe174
175 176 177 178
Pickel, Lehrbuch des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens, § 11 I 1 c. Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 165. Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 166. Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 16; Meyer /Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 5. Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 15.
IV. Vertretung und Beistand
137
stehenden Loyalitätsverpflichtung des Vertreters und der Leichtigkeit der Umgehungsmöglichkeit spricht auch die unterschiedliche Fassung der Ausschlußtatbestände der Nrn. 3 und 4 der §§ 20 I 1 V w V f G e , 16 I 1 S G B - X und 82 I 1 A O '77 für einen Ausschluß des Amtsträgers, der mit einer allgemeinen Vertretungsmacht versehen ist. Wäre nämlich gewollt gewesen, daß die allgemeine Vertretungsmacht auch i m konkreten Verfahren bestehen muß, hätte Nr. 3 wie Nr. 4 formuliert und mit dieser zusammengefaßt werden k ö n n e n 1 7 9 . Erforderlich ist stets, daß die Vertretungsbefugnis auch noch zu dem fraglichen Zeitpunkt besteht. Eine nicht mehr bestehende Vertretungsbefugnis führt keinen Ausschluß herbei 18 °. Hier, wie auch in den zuvor genannten und nicht erfaßten Fällen, sind die Nr. 6 der Ausschlußtatbestände sowie die § § 2 1 V w V f G e , 17 S G B - X , 83 A O '77 zu prüfen. 4. Der Beistand Ergänzend gegenüber §§ 20 V w V f G e , 82 A O '77 schließt § 16 I 1 Nr. 3 SGBX neben dem Vertreter auch den Beistand aus. Der Beistand ist ein von dem Beteiligten zu dessen Unterstützung hinzugezogener Helfer. Er kann jedoch nicht anstelle, sondern nur zusammen mit dem Beteiligten handeln. Ihm ist es nicht möglich Verfahrenshandlungen vorzunehmen, also etwa Anträge zu stellen oder Vergleiche abzuschließen 1 8 1 . Lediglich sein Sachvortrag gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, wobei auch dieser unbeachtlich ist, wenn der Beteiligte ihm unverzüglich widerspricht (§§ 13 I V 2 S G B - X , 14 I V 2 V w V f G e , 80 I V 2 A O '77). Die V w V f G e und die A O '77 sehen wegen dieser Rechtsstellung des Beistandes von der Statuierung eines Ausschlußgrundes ab. Aufgrund der beschränkten Handlungsmöglichkeiten des Beistandes für den Beteiligten, w i r d regelmäßig keine derart starke Interessenidentität zwischen diesen Personen gegeben sein, daß diese einen Ausschluß des Beistandes vom Verfahren rechtfertigen würde. Vielmehr ist das Mitwirkungsverbot hier eine Frage des Einzelfalls 1 8 2 . Die insoweit divergierende Rechtslage auf dem Gebiet des S G B - X läßt sich nur mit verwaltungspraktischen Gründen erklären. Der Gesetzgeber des SGBX wollte mit dieser Ergänzung der Nr. 3 offensichtlich den Umstand Rechnung tragen, daß die Beistandschaft gerade in sozialrechtlichen Verfahren häufiger anzutreffen ist und nicht selten Behördenbedienstete bestellt werden 1 8 3 . Dem Gesetzgeber erschien es vor diesem Hintergrund nicht angängig stets eine einzelfallbezogene Prüfung der Besorgnis einer Befangenheit vornehmen zu lassen und hat der Rechtsklarheit willen diesen Ausschlußgrund statuiert. 179 Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 15; Pickel, Lehrbuch des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens, § 11 I 1 c. ι«« Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 6.3; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 17. •si Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 17 III; Kopp, VwVfG, § 14Rn.24. 182 Siehe dazu etwa Kapitel E III. 2. a. ee. 183 Grüner, SGB-X, § 16 Anm. III 3, S. 14.
1 3 8 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre V . Angehörigeneigenschaft in bezug auf Vertreter
§§ 20 I 1 Nr. 4 V w V f G e und 16 I 1 Nr. 4 S G B - X erstrecken die für Vertreter i m Sinne der zuvor behandelten Nr. 3 geltende Ausschlußregelung auch auf die Angehörigen des Vertreters. Dieser Ausschlußgrund beruht auf einer Kombination der den Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 1 S. 1 Nr. 3 der §§ 25 H G O , 20 V w V f G e , 16 SGB-X und 82 A O '77 zugrundeliegenden Gedanken. Besteht nämlich zwischen der Person, die ein Sonderinteresse an dem Verfahrensgegenstand besitzt, und ihrem Vertreter Interessenidentität, so kann i m Rahmen der Entscheidungsfindung bei der M i t w i r k u n g eines Angehörigen des Vertreters die gleiche Gefahrenlage bestehen, wie sie dem Ausschlußgrund der Nr. 2 zugrundeliegt. Gleichwohl ist dieser Ausschlußgrund in rechtspolitischer Hinsicht durchaus fragwürdig. Zwar bestehen in diesen Fällen enge Beziehungen des Amts- und Mandatsträgers zu dem Vertreter, nicht aber zu den Beteiligten oder der Sonderinteressen verfolgenden Person selber. Sieht man aber die persönliche Beziehung zu dem Verfahrensgegenstand als kennzeichnend für die Statuierung von Ausschlußgründen a n 1 8 4 , so verflüchtig sich dieses Näheverhältnis bei einer mehrfachen Vermittlung eben dieses Verhältnisses durch an dem Verfahrensgegenstand interessierte Personen. Einen Beleg für diese Überlegung liefern die Regelungen der § 82 I A O '77 und § 25 I H G O , in welchem dieser Ausschlußgrund nicht enthalten ist. De lege ferenda wäre unter diesem Gesichtspunkt zu erwägen, ob solchen Konstellationen nicht mit dem flexibleren Instrument der Besorgnis der Befangenheit begegnet werden sollte, statt eine Befangenheit unwiderleglich zu vermuten 1 8 5 . Die Einbeziehung derartiger Dreiecksverhältnisse in die Fallgruppen der Ausschlußgründe erscheint insoweit allenfalls in solchen Fällen angebracht, in denen der Ehegatte oder Abkömmlinge des Amts- und Mandatsträgers eine solche Stellung innehaben 1 8 6 . Was nun den Tatbestand der Nr. 4 der eingangs erwähnten Vorschriften betrifft, so ist zu beachten, daß Nr. 4 i m Gegensatz zur Nr. 3 allein auf die Vertretung i m konkreten Verwaltungsverfahren abstellt. Dies erklärt sich aus dem unterschiedlichen Adressatenkreis der beiden Ausschlußgründe. Da die Nr. 3 die Person des Vertreters i m B l i c k hat, muß dieser Tatbestand notwendigerweise über das konkrete Verfahren hinausgehen, wenn er wirksam der Gefahr einer Interessenkollision begegnen w i l l . Die Nr. 4 hingegen schließt nur den Angehörigen eines Vertreters aus, die ausschließlich dann gerechtfertigt sein kann, wenn ein konkretes Verwaltungsverfahren in Rede steht. Ein Angehöriger (im Sinne der oben aufgezeigten Definition) eines Vertreters ist daher nur ausgeschlossen, ι«4 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 170; Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 76 f., 80. •85 Ähnlich Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 80. 186 Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 76.
VI. Angehörige eines in Steuersachen Hilfeleistenden
139
wenn dieser einen Beteiligten oder eine diesem gleichgestellte Person in dem konkreten Verwaltungsverfahren vertritt, nicht aber dann, wenn die Vertretung auf einer allgemeinen Vertretungsmacht basiert, sofern sich diese nicht zugleich in dem konkreten Verwaltungsverfahren auswirkt. Eine allgemeine, jedoch für das konkrete Verwaltungsverfahren durch Bevollmächtigung eines anderen Vertreters abbedungene Vertretungsmacht führt daher — anders als bei der Nr. 3 - nicht zum Ausschluß des Angehörigen des Vertreters 1 8 7 . Unerheblich ist i m übrigen auch i m Rahmen der Nr. 4, ob die Vertretungsmacht auf einer allgemeinen oder besonderen, durch Rechtsgeschäft oder Gesetz erteilten Vollmacht beruht 1 8 8 . Z u beachten ist i m Rahmen des S G B - X , daß Angehörige des Beistandes nicht genannt werden. Teilweise w i r d daher die Ansicht vertreten, § 16 I 1 Nr. 4 SGBX sei aufgrund der gleichen Interessenlage auch auf den Angehörigen des Beistandes eines Beteiligten entsprechend anzuwenden 1 8 9 . Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen, da das angesprochene Nähe Verhältnis bei einem Beistand ohnehin geringer ist, als bei einem Vertreter. Z u prüfen bleibt hier, ob nicht in besonders gelagerten Fällen ein Mitwirkungsverbot wegen einer Besorgnis der Befangenheit vorliegt190.
V I . Angehörige eines in Steuersachen Hilfeleistenden Eine besondere Regelung enthält § 82 I 1 Nr. 4 A O '77. Danach ist ausgeschlossen, wer Angehöriger ( § 1 5 A O '77) einer Person ist, die für einen Beteiligten oder diesem gleichstehende Person i m konkreten Verfahren Hilfe in Steuersachen i m Sinne des Steuerberatungsgesetzes leistet 1 9 1 . Dieser Ausschlußtatbestand findet seine Begründung darin, daß es nicht selten Ehen und Familien gibt, in denen ein M i t g l i e d bei einer Finanzbehörde tätig ist, ein anderes M i t g l i e d i m steuerberatenden Beruf arbeitet. I n derartig gelagerten Fällen ist es evident, daß die familiären Beziehungen zwischen dem Verwaltungsträger und dem auf der Beteiligtenseite Hilfeleistenden geeignet sind, die Objektivität der Verwaltung zu gefährden 1 9 2 .
'87 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 6.4; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 20; Stelkens/ Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 17; Hauck / Haines-Nehls, SGB X, 1, 2, Κ § 16 Rn. 15; Grüner, SGB-X, § 16 Anm. I I I 3, S. 15. 188 Hauck/Haines-Nehls, SGB X, 1, 2, Κ § 16 Rn. 15. 189 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 16 Anm. 3 d, S. 283; Grüner, SGB-X, Anm. I I I 4; Pickel, Lehrbuch des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens, § 11 I 1 b. 190 Hauck/Haines-Nehls, SGB X, 1, 2, Κ § 16 Rn. 15. 191 Tipke/Kruse, AO, § 82 Rn. 7. 192 Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, §82 Rn. 17; Tipke/Kruse, AO, §82 Rn. 7.
140
C. 1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre V I I . Gegen Entgelt Beschäftigte und Organmitglieder
Nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 der §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O '77 sowie § 25 I 1 Nr. 4 und 5 H G O sind von einem Ausschluß auch Amts- und Mandatsträger betroffen, die sich aufgrund einer (neben)beruflichen Tätigkeit in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Beteiligten oder einer gleichstehenden Person befinden. Dabei sind zwei Personengruppen zu unterscheiden.
1. Die gegen Entgelt beschäftigten Personen Ausgeschlossen sind nach der ersten Alternative der Nr. 5 der verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften sowie nach § 25 I 1 Nr. 4 H G O die Amts- und Mandatsträger, welche bei einem Beteiligten oder einer diesem gleichgestellten Person gegen Entgelt beschäftigt sind. Das entgeltliche Beschäftigungsverhältnis zu einem Beteiligten ist ein seit 1933 i m Kommunalrecht bestehender Ausschließungsgrund und hat dort wegen der Ehrenamtlichkeit der Gemeindevertreter besondere Bedeutung erlangt. Da die Amtsträger der § § 2 0 V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O '77 ganz überwiegend nur in einem Beschäftigungsverhältnis zu dem das Verfahren betreibenden Verwaltungsträger stehen werden, kommt der Nr. 5 insoweit eine beschränkte Bedeutung z u 1 9 3 . Der Ausschließungsgrund trägt der wirtschaftlichen und sozialen Abhängigkeit des betreffenden Bediensteten und der daraus u. U. entstehenden Interessenkollision Rechnung. Diese Abhängigkeit kann leicht dazu führen, daß der Arbeitnehmer in Angelegenheiten, die seinen Arbeitgeber berühren, nicht zu einer objektiven Stellungnahme gelangt. Insbesondere durch die Erwartung von Beförderungen, Prämien, Vertragsverlängerungen u. ä. könnte sich der Amts- und Mandatsträger verleiten lassen, den Sonderinteressen seines Arbeitsgebers Vorrang vor dem öffentlichen Interesse einzuräumen. In dieser Hinsicht hat der Ausschlußtatbestand auch die Bedeutung, von dem Arbeitnehmer die aus dieser Lage möglicherweise entstehenden Gewissenskonflikte fernzuhalten 1 9 4 . a. Das
Beschäftigungsverhältnis
Erforderlich ist eine entgeltliche Beschäftigung zur Zeit des Verwaltungsverfahrens bzw. der Beratung und Entscheidung der in Frage stehenden Angelegenheit in der Gemeindevertretung oder einem von ihren Ausschüssen. Nach Beendigung der entgeltlichen Beschäftigung (oder der Mitgliedschaft in einem der genannten Organe) besteht dieser Ausch lußgrund nicht mehr. Insofern ist aber der Tatbestand der Nr. 6 in Betracht zu ziehen. 193 Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 7. 194 Schneider-Jordan, HGO, § 25 Erl. 6; Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 7.
VII. Gegen Entgelt Beschäftigte und Organmitglieder
141
Voraussetzung für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisse ist eine länger dauernde, wenn auch zeitlich begrenzte Tätigkeit, die ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis begründet. Dies geht aus den Worten „bei . . . beschäftigt" hervor 1 9 5 . Eine solche Beschäftigung gegen Entgelt liegt zunächst immer dann vor, wenn es sich um eine Tätigkeit i m Sinne des Arbeitsrechts handelt. Unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Zielsetzung ist es unerheblich, ob der Betreffende dabei in leitender oder untergeordneter Stellung tätig i s t 1 9 6 . Streit herrscht um die Frage, ob dieser Ausschlußtatbestand auf ein arbeitsrechtliches Abhängigkeitsverhältnis beschränkt bleiben kann. Die überwiegende Ansicht stellt dies in Abrede und verweist darauf, daß es nach der Intention des Gesetzes entscheidend sei, wirtschaftlich abhängige Personen dem Mitwirkungsverbot zu unterstellen. Daher könne allein die soziale Abhängigkeit nicht das maßgebliche Kriterium sein. Vielmehr könne eine Beschäftigung gegen Entgelt auch bei D i e n s t - l 9 7 , unter Umständen sogar bei Werkverträgen 1 9 8 gegeben sein, sofern der Beteiligte oder die ihm gleichgestellte Person eine arbeitgeberähnliche Position innehat. Eine solche Situation wird man etwa dann anzunehmen haben, wenn der Werkunternehmer bzw. der Dienstverpflichtete in einer laufenden Geschäftsverbindung mit der mit einem Sonderinteresse beladenen Person steht, sei es, daß langfristige vertragliche Bindungen bestehen, oder, daß regelmäßig wiederkehrende Vertragsschlüsse erfolgen und diese für den Betroffenen eine erhebliche wirtschaftliche Relevanz besitzen. Indessen ist diese extensive Ansicht Zweifeln ausgesetzt. Abgesehen von den sich insoweit ergebenden Abgrenzungsschwierigkeiten löst sie sich von dem dem Ausschlußgrund zugrunde liegenden Gedanken. Die unwiderlegliche Vermutung einer Interessenkollision ist aufgrund der für die Ausschlußgründe charakteristischen typisierenden Betrachtungsweise nur dann angezeigt, wenn neben der wirtschaftlichen auch eine soziale Abhängigkeit vorliegt. Nur bei einer solchen Konstellation ist es wirklich manifest, daß der Beteiligte einen Amts- und Mandatsträger beeinflußen k a n n 1 9 9 . Dies findet seinen deutlichen Niederschlag in der amtlichen Begründung zum E V w V f G 1973. Dort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Ausschlußgrund auf der Überlegung beruht, daß der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber in erheblichem Maße abhängig ist und aus diesem Grunde die Interessen seines Arbeitgebers i m Zusammenhang mit der Entscheidung der Angelegenheit bevorzugt berücksichtigen w i r d 2 0 0 . Der gesetz195 Ehrmann, SKV 1977, 137 ff., 139. 196 Meyer / Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 7; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 178. 197 Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 7; Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 6.5. 198 Ehrmann, SKV 1977, 137 ff., 139; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 179; Kömer, GO NrW, § 23 Erl. 6. '99 Müller, BauR 1984, 437 ff., 440; Koch-Helsper, AO, § 82 Rn. 9. 200 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, B T / D r s . 7/910, S. 46.
1 4 2 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
geberische W i l l e geht also dahin, wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse nur dann als Ausschlußgründe zu erfassen, wenn zugleich eine soziale Abhängigkeit vorliegt. Das Abstellen auf die bloße wirtschaftliche Abhängigkeit führt demgegenüber zu einer Auflösung des insoweit klar konturierten Tatbestandes. Hinzu kommt, daß mit dem Auffangtatbestand der Besorgnis der Befangenheit ein Handlungsverbot verbunden ist, daß gerade auf die Beurteilung des Einzelfalls zugeschnitten ist. Schon unter systematischen Gesichtspunkten sind rein wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse daher diesem Handlungsverbot zuzuordnen. Unter dem Begriff der Beschäftigung ist folglich lediglich die nichtselbständige Arbeit zu verstehen, insbesondere also ein Arbeitsverhältnis, wobei auch ein faktisches Arbeitsverhältnis ausreichend ist, und arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten (ζ. B. Heimarbeiter) 2 0 1 . Dagegen fehlt es bei Freiberuflern, etwa Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Architekten, an einem Beschäftigungsverhältnis. Ebensowenig fällt derjenige unter diesen Ausschlußtatbestand, der aufgrund eines Werkvertrages zur Herstellung eines bestimmten Werkes verpflichtet i s t 2 0 2 . Als Arbeitgeber bzw. Dienstherr in diesem Sinne kommt jede natürliche oder juristische Person in Betracht. § 25 I 1 Nr. 4 H G O nennt daneben noch Vereinigungen, ohne daß dieser Begriff in der H G O definiert wird. Insoweit bestehen keine Bedenken diesen Begriff in der gleichen Weise zu interpretieren, wie dies oben für den entsprechenden Begriff des Verwaltungsverfahrensrechts erfolgt ist203. b. Zum Begriff
des Entgelts
„ Gegen Entgelt beschäftigt" ist, wer eine echte Vergütung finanzieller oder sonstiger A r t erhält. Dies ist nicht der Fall, wenn für eine — in der Regel ehrenamtliche — Tätigkeit lediglich eine Aufwandsentschädigung oder ein sonstiger finanzieller Ausgleich für Auslagen und Verdienstausfall gewährt w i r d 2 0 4 . Nicht durch die Regelung betroffen werden also die unentgeltlich Tätigen. Bei einer Beschäftigung ohne Entgelt sind die möglichen Auswirkungen der behandelten Angelegenheit auf den Arbeitgeber grundsätzlich ohne Bedeutung, weil das Gesetz nur die sozial und wirtschaftlich abhängigen Personen als zu stark persönlich beteiligt ansieht. In Fällen, in denen diese Kriterien nicht vorliegen, kann sich ein Mitwjrkungsverbot bei einem Tätigwerden für eine andere Person unter folgenden Gesichtspunkten ergeben 2 0 5 : 201 202 203 204 205
Hauck/Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 16. Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungs verfahren, § 16 Anm. 3 e), S. 283. Ähnlich Schneider-Jordan, HGO, § 25 Erl. 6. Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 178. H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. XI.
143
VII. Gegen Entgelt Beschäftigte und Organmitglieder
— bei gesetzlichen oder gewillkürten Vertretern i m Rahmen der schon behandelten Nr. 3 dieser Bestimmungen, — bei Organmitgliedern gemäß der Nr. 5 — bei Tätigkeit in der behandelten Angelegenheit für einen anderen nach Nr. 6. Zudem kann auch ein Mitwirkungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit gegeben sein. c. Die Identität
von Beteiligten
und Arbeitgeber
Z u beachten ist, daß stets eine Identität des Beteiligten oder der diesem gleichstellten Person und dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn in den genannten Sinn vorliegen muß. Stets sind die Interessen des Arbeitgebers und nicht etwa die des Vorgesetzten maßgebend. So kann der betroffene Amts- und Mandatsträger in Verfahren oder an Angelegenheiten mitwirken, in welchen etwa ein Vorstandsmitglied eines Unternehmens beteiligt i s t 2 0 6 , und dies obwohl auch hier eine Konfliktlage etwa bezüglich des beruflichen Fortkommens bestehen kann. In solchen Fällen ist zu prüfen, ob ein Mitwirkungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit besteht. V o n Interesse ist unter dem Gesichtspunkt der Identität von Beteiligten und Arbeitgeber weiter die — soweit ersichtlich — in der Literatur noch nicht erörterte Frage, wie Arbeitsverhältnisse mit arbeitsrechtlichen Drittbezug 2 0 7 zu behandeln sind. Z u erwähnen sind in dem hier vorliegenden Zusammenhang das mittelbare Arbeitsverhältnis und das sog. Leiharbeitsverhältnis, da insoweit eine Aufteilung oder Aufspaltung der Arbeitgeberfunktion möglich i s t 2 0 8 . Sicher ist zunächst,
das
bei
einem
mittelbaren
Arbeitsverhältnis
der
Mittelsmann
(„Zwischenmeister" 2 0 9 ) dem Ausschlußgrund unterliegt, wenn sein Arbeitgeber ein Sonderinteresse in der Angelegenheit besitzt. Ebenso ist der Unterarbeitnehmer ausgeschlossen, wenn eine Angelegenheit des Zwischenmeisters, also seines Arbeitgebers, behandelt wird. W i e ist aber zu entscheiden, wenn der Unterarbeitnehmer in einer Angelegenheit des Oberarbeitgebers tätig werden soll? Eine Parallelproblematik stellt sich bei den sog. Leiharbeitsverhältnissen für den Fall, daß der Arbeitnehmer an einer Entscheidung mitwirken soll, die den EntleiherArbeitgeber betrifft. Bei der Lösung der sich insoweit stellenden Probleme ist danach zu fragen, ob der Sinn und Zweck der Statuierung eines Ausschlußgrundes bei entgeltlichen Beschäftigungsverhältnissen i m gleichem Maße auch bei diesen Fallkonstellationen einschlägig ist. Richtet man den Blick auf die Folgen eines derartigen 206 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 180. 207 Vgl. Zöllner, Arbeitsrecht, § 27; Konzen, ZfA 1982, 259 ff. 208 Zöllner, Arbeitsrecht, § 27 vor I. 209 Zöllner, Arbeitsrecht, § 27 I I 1.
1 4 4 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Drittbezuges von Arbeitsverhältnissen, so ist zunächst festzustellen, daß der mittelbare Arbeitgeber wie der Entleiher-Arbeitgeber in gewissen Umfang Arbeitgeberfunktionen besitzt. So ist er etwa weisungsberechtigt und hat Schutzund Rücksichtpflichten auch gegenüber diesen Arbeitnehmern. Gleichwohl trifft ihn eine Verpflichtung zur Lohnzahlung nach wohl überwiegender Meinung nur, wenn eine besondere Verpflichtungsgrundlage besteht 2 1 0 . Dies zeigt, daß eine wirtschaftliche Abhängigkeit in diesem Verhältnis nicht notwendig vorliegt. Andererseits kann auch dieser Kreis von Arbeitnehmern ein erhebliches Interesse an einer Entscheidung, die ihren Entleiher- oder mittelbaren Arbeitgeber betrifft, haben. So etwa, wenn eine Stillegungsverfügung für Betriebsteile im Raum steht, die den Wegfall von Arbeitsplätzen zur Folge hat. Doch hängt auch dieser Aspekt wiederum von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Insbesondere bei Leiharbeitsverhältnissen ist insoweit die Dauer der „ L e i h e " zu nennen. Diese kann sowohl für ganz kurze wie auch für eine sehr lange Zeit vorkommen. Hinzu kommt, daß das Leiharbeitsverhältnis entweder darauf gerichtet sein kann, nur gelegentlich und vorübergehend einem Leiher Arbeitsleistungen zu bringen, oder grundsätzlich darauf abzielt, daß Arbeitsleistungen nur Dritten gegenüber zu erbringen s i n d 2 1 1 . Ähnliche Erwägungen gelten i m Zusammenhang mit dem mittelbaren Arbeitsverhältnis. Die hier genannten Beispiele des Melkmeisters, der Melkgehilfen i m eigenen Namen einstellt, um seine Arbeitsleistung gegenüber seinem Arbeitgeber zu erfüllen, oder des Orchesterleiters, der sich als Arbeitnehmer verdingt und seinerseits Orchestermitglieder als Arbeitnehmer einstellt 2 1 2 , lassen gleichfalls eine Vielzahl von Fallkonstellationen zu. Z u denken ist etwa daran, daß der Zwischenmeister eine Vielzahl von Teilzeitarbeitsverträgen abgeschlossen hat, so daß sich je nach dem Umfang der Arbeitsleistung zugunsten des oberen Arbeitnehmers die Gefahr einer Interessenidentität relativiert. Dies alles zeigt, daß hier sehr heterogene Fallgestaltungen vorliegen, deren stereotype Behandlung unter dem Gesichtspunkt des Mitwirkungsverbotes wenig sachgerecht ist. Zwar spielen bei dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Ausschlußgrund der entgeltlichen Beschäftigung die Umstände des Einzelfalls keine Rolle. Doch unterscheiden sich die hier in Rede stehenden Fallkonstellationen gerade von diesem Normalfall. Der Gesetzgeber hat dort den typischen Fall eines zweiseitigen Arbeitsverhältnisses vor Augen, bei welchem sich der Arbeitnehmer nur seinem Arbeitgeber zur Arbeitsleistung verpflichtet hat. Gerade diese ökonomischen und sozialen Abhängigkeiten in einem solchen zweipoligen Rechtsverhältnis indizieren die Gefahr der Interessenwahrnehmung zugunsten des Arbeitgebers bei der hoheitlichen Entscheidungsfindung. Diese Gefahr ist aber nicht i m gleichem Umfang gegeben, wenn Arbeitsleistungen auch Dritten 210 Söllner, Arbeitsrecht, § 38 V, VII; Zöllner, Arbeitsrecht, § 27 II 2, I I I 2. 211 Vgl. Zöllner, Arbeitsrecht, § 27 III 3. 212 Zöllner, Arbeitsrecht, § 27 I I 1.
VII. Gegen Entgelt Beschäftigte und Organmitglieder
145
gegenüber erbracht werden. Die Abhängigkeiten des Arbeitnehmers von den Dritten, der ihm gegenüber Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, sind hier regelmäßig nicht derart stark ausgeprägt. Das Arbeitsverhältnis etwa kann nur zwischen dem unteren Arbeitnehmer und seinem Vertragspartner beendet werden, Gratifikationen, Prämien, Beförderungen und dergleichen können ebenfalls grundsätzlich nur von dem Mittelsmann bzw. dem Entleiher-Arbeitgeber gewährt werden. Dem in das Arbeitsverhältnis einbezogenen Dritten fehlt insoweit die direkte Einwirkungsmöglichkeit auf den Arbeitnehmer, wie sie dem zweipoligen A r beitsverhältnis innewohnt. Insoweit fehlt es bei Arbeitsverhältnissen mit Drittbezug an der strukturellen Vergleichbarkeit der aus zweipoligen Arbeitsverhältnissen resultierenden Gefahrenlage, so daß es nicht angängig erscheint, sie unter den Ausschlußgrund der entgeltlichen Beschäftigung zu subsumieren, wenn Interessen des Dritten betroffen sind. Hier ist es vielmehr sachgemäßer nach den Umständen des Einzelfalls ein Mitwirkungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit eingreifen zu lassen. Bestätigt w i r d dies zudem, wenn die Auswirkungen auf den Arbeitnehmer betrachtet werden. Ist ein Arbeitsverhältnis gerade auf die Arbeitsleistung für eine Mehrzahl von Dritten angelegt, so könnte die Annahme eines Ausschlußgrundes für den betroffenen Arbeitnehmer eine erhebliche Einschränkung seiner dienstlichen Verwendbarkeit mit sich bringen.
d. Die Restriktion
der kommunalrechtlichen
Vorschriften
Bemerkenswert im Rahmen dieses Ausschlußtatbestandes ist der Umstand, daß die kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbote gegenüber den verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen eine Einschränkung vornehmen 2 1 3 . Gemäß § 25 I 1 Nr. 4 H G O müssen Tatsachen vorliegen, die die Annahme einer Befangenheit rechtfertigen. Es genügt also nicht, daß der haupt- oder ehrenamtlich Tätige bei jemandem mit Sonderinteressen gegen Entgelt beschäftigt ist, es müssen vielmehr Tatsachen hinzutreten, aus denen der Schluß gezogen werden kann, daß er gegenüber seinen Arbeitgeber nicht mehr unbefangen ist und seine Entscheidungsfreiheit
in
der
betreffenden
Angelegenheit
daher
eingeengt
erscheint 2 1 4 . Damit liegt aber unter systematischen Gesichtspunkten letztlich kein Fall eines abstrakten v o m Einzelfall losgelösten Ausschlußgrundes vor. Vielmehr steht dieser Tatbestand den Fällen der Besorgnis der Befangenheit in den § § 2 1 V w V f G e , 17 S G B - X , 83 A O '77 nahe. M i t dieser Einschränkung w i r d der Zweck verfolgt, die Anwendung der Vorschrift des § 25 I 1 Nr. 4 H G O nicht ausufern zu lassen und weite Bevölkerungskreise von der Mitarbeit in kommunalen Gremien nicht ausschließen zu müssen, etwa wenn zahlreiche Gemeindevertreter bei dem einen in der Gemeinde angesiedelten Großunternehmen beschäftigt sind, dessen Interessen berührt werden 2 1 5 . 213 Vgl. etwa §§ 23 II Nr. 1 GO NrW; 18 I I Nr. 1 GO BaWü. 214 H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. XI. 10 Kazele
1 4 6 C .
1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Bei den Tatsachen, die die Annahme der Befangenheit rechtfertigen, ist insbesondere die Art der Beschäftigung des Betroffenen zu berücksichtigen. Ausdrücklich findet sich diese Erläuterung in § 23 I I Nr. 1 G O N r W , die aufgrund desselben gesetzgeberischen Grundgedankens auch auf das hessische Gemeinderecht übertragen werden kann. Daher ist ein Ausschluß etwa aufgrund der folgenden Umstände anzunehmen: Wegen des hohen Maßes der dienstlichen Nähe des Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber, wegen seiner exponierten Stellung i m Unternehmen (wobei einfache Arbeitsverhältnisse ausscheiden können). Ebenso, wenn die Beschäftigung und Zuständigkeit des Arbeitnehmers gerade mit der zur Beratung und Entscheidung stehenden Angelegenheit im Zusammenhang steht. Berücksichtigung w i r d es auch finden müssen, wenn der Arbeitgeber sein Interesse an einer Entscheidung in bestimmter Richtung zum Ausdruck gebracht hat216. 2. Organmitglieder Ein eigener Ausschlußgrund ist nach der 2. Alternative des Abs. 1 S. 1 Nr. 4 der §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X , 82 A O '77 die Tätigkeit bei einem Beteiligten (oder diesem Gleichgestellten) als Mitglied des Vorstandes, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs. Deutlich macht dies § 25 I 1 Nr. 5 HGO, der insoweit beide Ausschlußgründe trennt. Die ausdrückliche Gleichstellung der erwähnten Personengruppe mit den gegen Entgelt beschäftigten Personen in den verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen ist darauf zurückzuführen, daß diese mangels Arbeitnehmereigenschaft nicht unter den Begriff der gegen Entgelt beschäftigten Personen fallen. Gleichwohl ist aufgrund ihrer Tätigkeit jedoch auch bei ihnen eine Interessenkollision zu befürchten 2 1 7 . Andererseits sind die Mitglieder des Vorstandes hier einbezogen worden, weil sie nicht immer unter das Mitwirkungsverbot der bereits behandelten Nr. 3 fallen, da das einzelne Vorstandsmitglied nicht notwendigerweise zur Vertretung befugt i s t 2 1 8 . Soweit jedoch Beschäftigte, Vorstandsmitglieder etc. zugleich Vertreter i m Sinne der Nrn. 3 sind, stellt sich diese Regelung als lex specialis d a r 2 1 9 . Als „gleichwertige Organe" sind lediglich solche anzusehen, die wie der Vorstand leitende oder wie der Aufsichtsrat kontrollierende Funktionen ausüben. Bloße Beratungsaufgaben können daher nicht als gleichartig angesehen werden, so daß insofern beratende Beiräte oder Unterausschüsse aus dem Anwendungsbereich dieser Regelung ausscheiden 220 . 215 Schneider-Jordan, HGO, § 25 Erl. 6. 216 H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. XI; Schneider-Jordan, HGO, § 25 Erl. 6. 217 Ähnlich Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 17; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 22. 218 Schneider-Jordan, HGO, § 25 Erl. 6. 219 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 6.5; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 21; Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 82 Rn. 19.
VIII. Gutachter oder sonstige Tätigkeit
147
V I I I . Gutachter oder sonstige Tätigkeit Ausgeschlossen sind nach Abs. 1 S. 1 Nr. 6 der §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X , 82 A O '77, 25 H G O diejenigen Amts- und Mandatsträger, die außerhalb ihrer öffentlichen Eigenschaft in der Angelegenheit tätig geworden sind. Die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen differenzieren dabei danach, ob der betroffene Amtsträger außerhalb seiner amtlichen Eigenschaft in der Angelegenheit ein Gutachten abgegeben hat oder sonst tätig geworden ist.
1. Handeln als Privater Der Tatbestand des Ausschlußgrundes setzt zunächst voraus, daß der Gemeindevertreter oder Amtsträger als Privater gehandelt hat. Die Erstellung eines Gutachtens in amtlicher Eigenschaft scheidet daher ebenso aus wie die Anwendbarkeit der Norm auf die Vernehmung als Zeugen. Die amtliche Begründung zum E V w V f G verweist hier darauf, daß nicht einzusehen sei, warum die zeugenschaftliche Vernehmung oder die in amtlicher Eigenschaft abgegebene sachverständige Äußerung jemanden für die M i t w i r k u n g i m Verwaltungsverfahren ungeeignet erscheinen lassen sollte 2 2 1 . Der Gesetzgeber erblickt die ratio dieses Ausschlußgrundes darin, daß jemand, der in einer Angelegenheit bereits privat tätig geworden ist, insbesondere in der Sache ein Gutachten abgegeben hat, seiner amtlichen Aufgabe nicht mehr unbefangen gegenüber steht. Abgestellt wird insoweit auf die Rolle des Privatgutachters. Dieser ist Gehilfe des Beteiligten, er stellt seine Sachkunde zur Verfügung, zieht aus Tatsachen konkrete Schlußfolgerungen, vermittelt Kenntnis von Erfahrungssätzen und stellt mit seinem Fachwissen Tatsachen fest. Aufgrund dieses privaten Engagements in der gleichen Sache kann daher angenommen werden, daß er an einem bestimmten Verfahrensausgang interessiert i s t 2 2 2 . Es stellt sich jedoch die Frage, ob die v o m Gesetzgeber durchgeführte Differenzierung zwischen dem Tätigwerden in amtlicher und privater Eigenschaft vor dem Hintergrund der Gewährleistung der Objektivität der Verwaltung zutreffend ist. A u c h ein Beamter ist nicht mehr v ö l l i g unbefangen, wenn er in einer Angelegenheit tätig werden soll, in der er als amtlicher Sachverständiger ein Gutachten erstattet hat. Insbesondere, wenn beim Privatgutachter schon allein das persönliche Interesse entscheidend ist und nicht das Vorliegen eines unmittelbaren Vor- oder Nachteils, so ergeben sich zwischen demjenigen, der privat, und demjenigen, der in öffentlicher Eigenschaft ein Gutachten verfaßt, keine Unterschiede 2 2 3 . Auch jemand, der ein Gutachten 220 Hauck/Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 16; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 21; Vgl. dazu im übrigen auch unten: Zweiter Abschnitt II. 2. a. aaa. 221 Amtliche Begründung zum Entwurf eines VerwaltungsVerfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, Drucksache 7/910, S. 46. 222 Hauck/Haines-Nehls, SGB-X 1, 2, Κ § 16 Rn. 17; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 23. 10*
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1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
in öffentlicher Eigenschaft erstellt hat, w i r d regelmäßig seine einmal geäußerte Auffassung, ebenso wie ein Privatgutachter, nicht umstoßen wollen. Linden w i l l demgegenüber diesem Ausschließungsgrund einen anderen Sinn beimessen. Ihm zufolge ist entscheidend, daß ein Privatgutachter von privater Seite beauftragt w i r d und in der Regel von dem Auftraggeber dafür entschädigt wird, so daß unter Umständen die für den Auftraggeber günstigen Gesichtspunkte zu sehr in den Vordergrund geschoben werden. Insofern sei dieser Ausschlußtatbestand wiederum auf ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zurückzuführen 2 2 4 . Dem muß jedoch entgegengehalten werden, daß der Ausschlußgrund weder in der Alternative der Gutachtertätigkeit noch der des sonstigen Tätigwerdens danach differenziert, ob dies gegen Entgelt erfolgt. Nicht die wirtschaftliche Abhängigkeit ist der entscheidende Faktor, sondern die Ausschaltung von M o menten, die einen unsachlichen Einfluß auf die Behandlung der Angelegenheit durch den Amts- und Mandatsträger haben. Daß hier lediglich bei einem privaten Auftraggeber günstige Aspekte zu sehr in den Vordergrund geschoben werden könnten, wirft angesichts der — wie an späterer Stelle noch zu zeigen sein w i r d — Existenz auch von öffentlichen Sonderinteressen Zweifel auf. Jedenfalls birgt aber ein solches Gutachten typischerweise die Gefahr in sich, daß eine Festlegung oder Voreingenommenheit in bezug auf die zur Entscheidung stehende Angelegenheit begründet wird. Unter dem Gesichtspunkt, daß dieser Ausschlußgrund eine Voreingenommenheit infolge einer vorherigen Befassung mit der Angelegenheit verhindern w i l l , erweist sich somit die Differenzierung des Gesetzgebers als fragwürdig 2 2 5 . Fragwürdig ist die Beschränkung dieses Ausschlußgrundes nach diesen Ausführungen aber auch i m Hinblick auf die Ausklammerung der zeugenschaftlichen Vernehmung. Sie ist mit guten Gründen in den §§ 41 Nr. 5 ZPO, 22 Nr. 5 StPO, 51 Nr. 4 B D O enthalten. Der dort statuierte Ausschluß trägt der psychologischen Unmöglichkeit, bei eigener Zeugenstellung unparteiisch zu entscheiden, Rechnung. Der Richter, der den aufzuklärenden Lebenssachverhalt aus seiner eigenen Perspektive wahrgenommen hat, ist überfordert, die Aussagen anderer Zeugen objektiv zu würdigen, wenn sie mit seiner eigenen Erinnerung in Widerspruch stehen. Er hat sich insofern eine bestimmte Überzeugung von dem Lebenssachverhalt gebildet. Nach den Erkenntnissen der Sozial- und Lernpsychologie kommt dieser Erstinformation eine besondere Bedeutung zu. Das menschliche Hirn kann von den ihm vermittelten Fakten wegen der „Enge des Bewußtseins" stets nur einen kleinen Teil verarbeiten (Selektionsprinzip) und wählt diejenigen aus, die den vorgefaßten Erwartungen entsprechen (Redundanzprinzip). Die Wahrneh223
Zuber, Inkompatibilität und Interessenkollision, S. 115. Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 171 ; Meyer / Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 9. 225 Ule/Becker, Verwaltungsverfahren im Rechtsstaat, S. 31; Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, S. 65ff., 91. 224
VIII. Gutachter oder sonstige Tätigkeit
149
mung des Lebenssachverhalts durch den Richter wird sich daher in der Hauptverhandlung in einer Kontrollstrategie niederschlagen, die dem sich bei ihm verfestigten B i l d entgegenstehende Informationen
fernhält 2 2 6 . Angesichts dieses
Hintergrundes kann die gesetzgeberische Nichtberücksichtigung einer zeugenschaftlichen Vernehmung als Ausschlußgrund nicht überzeugen 2 2 7 . Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „ i n amtlicher bzw. in öffentlicher Eigenschaft' 4 ist zu beachten, daß ein Gutachten nur dann in dieser Eigenschaft erstattet wird, wenn es sich bei dem Betreffenden um einen Bediensteten oder ein M i t g l i e d eines Organs des Staates oder einer juristische Person des öffentlichen Rechts handelt und jener gerade i m Rahmen seiner Aufgabenwahrnehmung tätig geworden i s t 2 2 8 . V o n dem Mitwirkungsverbot sind daher beispielsweise nicht Richter, Staatsanwälte oder Jugendpfleger erfaßt, sofern sie gerade in dieser Eigenschaft tätig geworden sind. Privatgutachten von Behördendienststellen oder -bediensteten führen hingegen zum Ausschluß. Ebenso ist das Gutachten eines Universitätsprofessors, auch wenn er vor Gericht als Sachverständiger gehört wird, privater N a t u r 2 2 9 . Nicht erforderlich ist, daß die amtliche Eigenschaft, in der der Betroffene tätig war, mit der jetzt wahrgenommenen amtlichen Funktion zusammenhängt. Ein Amtsträger, der im Verlauf einer früheren Verwendung bei einer anderen Behörde oder einem Gericht in derselben Angelegenheit dienstlich tätig war, ist daher nicht ausgeschlossen 230 .
2. Tätigkeit in der betreffenden Angelegenheit Die Tätigkeit muß sich weiter auf die zur Entscheidung stehende Angelegenheit bezogen haben und damit für den Amts- und Mandatsträger Anlaß gewesen sein, sich für einen bestimmten Verfahrensausgang einzusetzen. Eine Tätigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn das Tätigwerden in einem engen Zusammenhang mit dem zu beurteilenden Lebenssachverhalt und dem konkreten Fall steht. Gutachten, Stellungnahmen etc. zu einer Sach- oder Rechtsfrage ohne konkreten Bezug zu diesem Lebenssachverhalt oder eine Tätigkeit in einem lediglich gleichliegenden Fall mit anderen Beteiligten, wenn auch unter Umständen vor derselben Behörde, stellen daher keine Tätigkeit in diesem Sinne d a r 2 3 1 . So führt etwa die frühere Bauplanung für einen Grundstückseigentümer oder die Erstattung eines 226 Krekeler, NJW 1981, 1633 ff., 1636; Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 36. 227 Zu der Frage, inwieweit eine Korrektur über den Tatbestand der Besorgnis der Befangenheit erfolgen kann, siehe Kapitel E. 228 Siehe zu diesem Tatbestandsmerkmal ausführlich unten: Zweiter Abschnitt I. 2. b. 229 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 172. 230 Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 9. 231 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 25; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 26; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 24.
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1. Abschn.: Kollisionen zwischen amtlicher und privater Sphäre
Wertgutachtens nicht zu einem Mitwirkungsverbot des insoweit tätig gewordenen Architekten. Denn in diesem Fall unterscheiden sich sowohl die Beteiligten, wie auch der Zweck und das Ergebnis der Verfahren 2 3 2 . Hingegen liegt eine Tätigkeit in der betreffenden Angelegenheit vor, wenn der Architekt für das Gesamtareal des Bebauungsplans einen Bebauungsvorschlag i m Auftrag eines Bauträgers erarbeitet hat. Bei dieser Fallgestaltung ist diese Angelegenheit — unabhängig davon, ob ein Wechsel des Bauträgers oder eine inhaltliche Änderung des Plans stattgefunden hat — mit der i m Bauleitplan verfahren zu entscheidenden gleichzusetzen. Der Architekt hat sich nämlich insofern in seiner beruflichen Eigenschaft bereits für einen bestimmten Verfahrensausgang eingesetzt 2 3 3 .
3. Der Auftraggeber Über den Auftraggeber ist i m Gesetz nichts bestimmt. Aus der Natur der Sache ergibt sich jedoch, daß regelmäßig ein Beteiligter, ausnahmsweise auch ein Angehöriger eines Beteiligten oder ein sonstiger am Ausgang des Verfahrens Interessierter als Auftraggeber in Betracht kommt. Erforderlich ist dies aber nicht234. 4. Zum Gegenstand der Tätigkeit Gegenständlich kann die Tätigkeit in der Abgabe eines Gutachtens oder in einer sonstigen Tätigkeit bestehen. A u f die Entgeltlichkeit kommt es nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck nicht an.
a. Gutachten Unter Gutachten ist ein i. d. R. schriftlich abgefaßtes, mit Gründen versehenes Urteil von Sachverständigen zu verstehen, das vorgegebene Tatsachen durch subjektive Wertungen, Schlußfolgerungen und Hypothesen auswertet und dazu bestimmt ist, als Entscheidungsgrundlage zu dienen 2 3 5 . Wissenschaftliche oder technische Äußerungen ohne Fallbezug sind nicht ausreichend 2 3 6 . Ob das Gutachten vor oder nach dem Beginn des Verwaltungsverfahrens erstattet worden ist, ist unerheblich. Ist die Arbeit an einem Gutachten noch nicht abgeschlossen, so genügt es für die Anwendbarkeit des Ausschlußgrundes, wenn der Amts- und Mandatsträger seinem Auftraggeber bereits den wesentlichen Inhalt des Gutach232 Müller, BauR 1984, 437 ff., 441. 233 Müller, BauR 1984, 437 ff., 442. 234 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 24; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 26. 235 Meyer / Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 9; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 16 Anm. 3 f. 1., S. 285. 236 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 83.
VIII. Gutachter oder sonstige Tätigkeit
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tens, das mit der zur Entscheidung stehenden Angelegenheit in Beziehung steht, zur Kenntnis gebracht h a t 2 3 7 .
b. Sonstige Tätigkeit Auch ein sonstiges privates Tätigwerden in der Angelegenheit führt zum Ausschluß. Ein Teil der Literatur faßt unter diesen Tatbestand nur eine der Erstellung eines Gutachtens vergleichbare Tätigkeit, etwa wenn sich der betreffende Amts- und Mandatsträger in anderer Weise, z. B. i m Rahmen einer Beratung, für einen bestimmten Verfahrensausgang eingesetzt hat. Begründet w i r d diese Ansicht aus dem Zusammenhang der Vorschrift und dem erkennbaren Sinn und Z w e c k 2 3 8 . Geht man damit konform, so ergibt sich i m Rahmen der Ausschlußgründe eine Lücke. Es wäre nämlich ein großer Teil von Befangenheitssituationen nicht erfaßbar, in denen zwar ein persönlicher Ausschlußgrund sonst nicht vorliegt, aber aufgrund des Engagements des Amts- und Mandatsträgers bereits eine starke Voreingenommenheit gegeben i s t 2 3 9 und es daher sachgerecht· erscheint, auch insoweit eine unwiderlegliche Vermutung der Befangenheit anzunehmen. In die Richtung eines weitergehenden Verständnisses dieses Tatbestandes weist auch die Entstehungsgeschichte. Der Gesetzgeber wollte mit diesem Ausschlußgrund alle nicht regelbaren Fälle des täglichen Lebens erfassen, in denen der Amtsträger aufgrund einer früheren Verhaltensweise voreingenommen sein kann. So hebt die amtliche Begründung zum E V w V f G hervor, daß mit diesem Ausschlußgrund diejenigen Personen erfaßt werden sollen, die i m laufenden Verwaltungsverfahren unter den Voraussetzungen der Nrn. 3 bis 5 des § 20 I 1 E V w V f G tätig waren, deren Tätigkeit aber inzwischen beendet i s t 2 4 0 . Der Ausschlußgrund der „sonstigen Tätigkeit" ist insofern also als Auffangtatbestand konzipiert worden, mit dem alle Fälle zu erfassen sind, in denen bei einem Amts- und Mandatsträger aufgrund früherer Tätigkeit in nicht amtlicher Eigenschaft eine Voreingenommenheit oder ein persönliches Interesse zu vermuten i s t 2 4 1 . I m Hinblick auf diese Funktion bleibt anzumerken, daß mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu der Beendigung der in Nrn. 3 bis 5 der §§ 20 I 1 V w V f G e , 16 1 1 S G B - X , 82 I 1 A O '77 und 25 I 1 H G O erfaßten Tätigkeiten auch die Gefahr, daß weiterhin eine Interessenkollision vorliegt, sinkt. § 7 1 c) Bln. V w V f G 237 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 28. 238 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 29. 239 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 173. 240 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, Drucksache 7/910, S. 46. 241 Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 10; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 24; Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 17; BVerwG, DVB1. 1987, 573 ff., 579.
152
C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
vom 2. 10. 1958, auf welche die amtliche Begründung zum E V w V f G bezug n i m m t 2 4 2 , erfaßte lediglich solche entgeltliche Beschäftigungsverhältnisse, die während der letzten 5 Jahre bestanden hatten. Obgleich diese Vorschrift nicht in das V w V f G übernommen wurde, stellt sie doch eine Richtschnur für das Eingreifen des Auffangtatbestandes der Nr. 6 dar. Neben der zeitlichen Komponente w i r d zudem zu prüfen sein, inwieweit zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien nachwirkende Vertragspflichten (Wettbewerbsverböte, Sozialleistungen und dergleichen) bestehen.
Zweiter Abschnitt
Die Behandlung von Amtskonflikten — Erweiterung des Schutzzweckes hin zur Vermeidung von Funktionenhäufungen Bisher wurde das Unbefangenheitsgebot unter den Aspekt des Ausschlusses des persönlich interessierten Amtsträgers betrachtet, mit der Konsequenz, daß die Entscheidung möglichst freigehalten werden soll von persönlichen, privaten Motiven. Die Interessen, die mit den für die Verwaltungsentscheidung bedeutsamen zu kollidieren drohen, können jedoch von unterschiedlicher A r t sein. In Betracht zu ziehen sind unter diesem Aspekt nicht nur die erwähnten Privatinteressen, sondern auch Drittinteressen, die der Amtsträger in anderen Funktionen legitimerweise wahrzunehmen hat. A u c h diese können i m Hinblick auf den Entscheidungsgegenstand als störend oder jedenfalls einseitig erscheinen 2 4 3 . Bei der Betrachtung derartiger Amtskonflikte lassen sich zwei Konstellationen unterscheiden. Es sind dies einmal die Fälle gleichzeitiger interessenverschiedener amtlicher Berührung des Amtsträgers mit den Entscheidungsgegenstand und zum anderen die Fälle der Selbstkontrolle der V e r w a l t u n g 2 4 4 . V o r dem Hintergrund dieser Differenzierung ist zunächst das Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts und i m Anschluß daran die teilweise davon abweichende Rechtslage i m K o m m u nalverfassungsrecht zu betrachten.
I . Amtskonflikte i m Verwaltungsverfahrensrecht Die Behandlung von Amtskonflikten gewinnt in den Ausschlußtatbeständen der Nrn. 3 und 5 der §§ 20 I 1 V w V f G e , 16 I 1 S G B - X und 82 I 1 A O '77 Bedeutung. Hier ist nach neueren Stellungnahmen von Literatur und Rechtspre242 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, Drucksache 7/910, S. 45. 243 Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 489; Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, 65 ff., 88. 244 Scheuing, NVwZ 1982, 487 ff., 488.
I. Amtskonflikte im Verwaltungsverfahrensrecht
153
chung streitig geworden, ob und inwieweit ein Mitwirkungsverbot auch bei Vertretung in amtlicher Eigenschaft bzw. bei hoheitlich-fiskalischer Interessenkollision besteht. 1. Die gesetzlich vorgesehene Ausnahme Der Ausschlußgrund der Nrn. 5 der §§ 20 I 1 V w V f G e , 16 1 1 S G B - X , 82 A O '77 gilt nach dessen zweiten Halbsatz nicht für einen Amtsträger, dessen Anstellungskörperschaft Beteiligte ist, selbst wenn die übrigen Voraussetzungen, die i m ersten Halbsatz genannt werden, vorliegen. Wie schon erwähnt 2 4 5 soll diese Regelung verhindern, daß bei einem Tätigwerden von Hoheitsträgern in eigener Sache, insbesondere bei Überschneidung von fiskalischen und hoheitlichen Handeln, ganze Behörden durch den Ausschlußtatbestand lahmgelegt werden. Ohne diese Ausnahme wären nämlich alle Bediensteten der Anstellungskörperschaft (Bund, Land oder Gemeinde) dann an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gehindert, wenn diese etwa als Antragstellerin oder als Antragsgegnerin auftritt oder Adressatin eines Verwaltungsaktes sowie Hinzugezogene ist, so daß in vielen Fällen überhaupt kein Verfahren möglich w ä r e 2 4 6 . Fraglich ist, ob die das entsprechende Verfahren durchführende Behörde stets eine solche der Anstellungskörperschaft sein muß. Bedeutung hat diese Frage in den Fällen, in welchen der Amtsträger nicht bei seiner Anstellungskörperschaft ein öffentliches A m t wahrnimmt, dieser also etwa zu einer anderen Körperschaft abgeordnet ist oder mit einem Nebenamt durch eine andere Körperschaft betraut wurde. Kann nun dieser Amtsträger unter Hinweis auf das Mitwirkungsprivileg der Nr. 5 in einem Verfahren, in welchem seine Anstellungskörperschaft Beteiligte ist oder einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil erlangen kann, tätig werden? Naheliegend ist ein argumentum a maiore ad minus. Lasse das Gesetz schon die M i t w i r k u n g von Amtsträgern zu, wenn die Anstellungskörperschaft in eigener Sache entscheide, so müsse dies erst recht in dem weniger gravierenden Fall gelten, in welchem eine von der Anstellungskörperschaft des Amtsträgers verschiedene Körperschaft zur Entscheidung zuständig sei. Indessen wäre ein solcher Schluß höchst vordergründiger Natur. Zwar stünde er in Einklang mit dem Wortlaut der Ausnahmeregelung. Er würde jedoch mit ihrer ratio in Widerspruch stehen. Das Mitwirkungsprivileg ist als Reaktion auf eine bestehende gesetzliche Zuständigkeitsverteilung zu verstehen. Ist danach die Anstellungskörperschaft zur Entscheidung in eigener Sache befugt, so soll dies nicht durch das Unbefängenheitsgebot unterlaufen werden. Die bestehende Zuständigkeit der Anstellungskörperschaft soll erhalten bleiben und auf diese Weise Lahmlegungseffekten begegnet werden. Ist hingegen eine von der Anstellungskörperschaft verschiede245 Kapitel Β IV. 2. b. 246 Hauck/Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 16; Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 6.5; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 21.
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C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
ne Körperschaft zur Entscheidung der Angelegenheit zuständig, so ist die Funktionsfähigkeit jedenfalls nicht in einem Maße tangiert, die es rechtfertigen würde, ein Mitwirkungsprivileg zu statuieren. Denn die Situation unterscheidet sich in diesen Fällen nicht von jenen, in denen befangene Amtsträger auch sonst durch unbefangene ersetzt werden müssen. Ein Unterlaufen der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung ist hier nicht denkbar. Vielmehr ist in diesen Fällen gerade umgekehrt mit den bestehenden Zuständigkeiten eine Objektivierung der Entscheidung verbunden. Institutionelle Interessenkollisionen werden vermieden und dürfen daher nicht über das Mitwirkungsprivileg der Nr. 5 wieder zugelassen werden. Die Ausnahmeregelung der Nr. 5 greift daher nur dann ein, wenn eine Behörde der Anstellungskörperschaft zugleich auch das Verfahren leitet, in welchem die Anstellungskörperschaft Beteiligte oder mit einem Sonderinteresse beladen ist. Z u beachten ist, daß die Anstellungskörperschaft selbst Beteiligte sein oder aber ihr selbst ein unmittelbarer Vor- bzw. Nachteil durch die Entscheidung entstehen muß. Die Ausnahmeregelung greift daher ebenfalls nicht ein, wenn die Anstellungskörperschaft Aufgaben durch öffentliche Unternehmen erfüllt, die selbst beteiligtenfähig s i n d 2 4 7 . Ein weiteres Problem stellt sich im Zusammenhang mit Amtsträgern, die bei einem beliehenen Unternehmen beschäftigt sind, wenn dieses Unternehmen ein Sonderinteresse in der Angelegenheit besitzt. Fraglich ist hier die Anwendung der Ausnahmeregelung unter dem Gesichtspunkt des Tatbestandsmerkmals „ A n stellungskörperschaft". Betrachtet man den Wortlaut, so erscheint es nicht geboten den Begriff lediglich auf ein Rechtssubjekt des öffentlichen Rechts zu beziehen 2 4 8 , so daß auch ein beliehenes Unternehmen als Anstellungskörperschaft angesehen werden könnte. Z u untersuchen ist daher, ob der Regelungszusammenhang weiteren Aufschluß über die Auslegung des Begriffs gibt. I m Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob die ratio der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung die Anordnung des Mitwirkungsprivilegs rechtfertigt. Für den nach den vorausgegangenen Darlegungen insoweit nur zu beurteilenden Sachverhalt, daß das Unternehmen die ihm verliehenen Hoheitsrechte auch dazu nutzen kann, in eigenen Angelegenheiten zu entscheiden, ist dies zu bejahen. Denn auch in diesem Fall würde mit dem Mitwirkungsverbot eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung unterlaufen, die mit Lahmlegungseffekten verbunden wäre. Regelmäßig macht sich der beleihende Verwaltungsträger durch die Beleihung die Sachkunde sowie die technischen und betrieblichen M i t t e l und Möglichkeiten, insbesondere von privaten Wirtschaftsunternehmen zu nutze. Kehrseite ist die Entlastung des Verwaltungsapperates 2 4 9 . Dem beleihenden Verwaltungs247 Schwarz-Dumke, AO, § 82 Rn. 12. 248 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, § 4 sub 4. m. w. Nw. zur ähnlichen Problematik auf dem Gebiet der Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG; siehe ferner Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 150; Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 245. 249 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 57; Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, Rn. 595.
I. Amtskonflikte im Verwaltungsverfahrensrecht
155
träger w i r d es also i m Falle der Handlungsunfähigkeit des Beliehenen schwer fallen, selbst oder unter Einschaltung von Dritten das notwendige Verfahren durchzuführen. V o r diesem Hintergrund ist auch bei Beliehenen die ratio des Mitwirkungsprivilegs der Nr. 5 einschlägig. I m übrigen ist eine teleologische Reduktion dieser Ausnahmeregelung geboten. Zwar ist nach dem Wortlaut die Tatsache der M i t w i r k u n g eines Angehörigen derselben Behörde, die zugleich Beteiligter ist, zulässig. Doch hat dies nicht die Konsequenz, daß insoweit auf eine personelle Trennung der beiden kollidierenden Funktionen verzichtet werden könnte. W i e eingangs dieser Arbeit dargelegt wurde, lassen sich die Befangenheitsvorschriften
auf
verfassungsrechtliche
Grundpositionen zurückführen, die nicht gegenüber dem Aspekt der Funktionsfähigkeit der Verwaltung vernachlässigt werden dürfen. I m folgenden wird noch i m einzelnen zu zeigen sein, daß auch die funktionale Befangenheit zum Eintritt einer jedenfalls vergleichbaren Gefahrenlage führen kann, wie dies bei nichtamtlichen Interessenkonflikten möglich ist. Insoweit ist die Ausnahmeregelung angesichts der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Gebotenheit des Verfahrensausschlusses bei Amtskonflikten nur hinzunehmen, wenn die beiden Funktionen dann wenigstens von verschiedenen Amtsträgern der Anstellungskörperschaft erfüllt werden 2 5 0 . Denn der Umstand, daß eine Behörde verschiedene, unter Umständen gegenläufige Interessen vertreten darf, trifft noch keine Aussage darüber, ob dies auch ohne weiteres durch die gleichen Personen erfolgen darf. Gerade der Aspekt der Trennung bei der persönlichen M i t w i r k u n g ist maßgeblich dafür, daß die Institution selbst als über den Interessenkonflikten stehend angesehen werden k a n n 2 5 1 . Der das Verfahren bearbeitende Amtsträger darf daher seine Behörde nicht i m Hinblick gerade auf ihre Beteiligung verkörpern. Die „Beteiligungsinteressen" seiner Behörde sind von einem anderen Beamten (derselben Behörde) wahrzunehmen. Der einen Antrag stellende und der darüber befindende Amtsträger müssen zwei also verschiedene Personen sein 2 5 2 . Eine dieser Ausnahmeregelung vergleichbare Situation stellt sich bei den Betriebskrankenkassen. Bei ihnen bestellt der Arbeitgeber des Betriebes nach § 3 6 2 1 R V O auf seine Kosten und Verantwortung die für die Geschäfte erforderlichen Bediensteten. Wegen dieser dienstrechtlichen Besonderheit der Betriebskrankenkasse erstreckt § 16 I 1 Nr. 5 HS 2 2. A l t . S G B - X die Ausnahmeregelung auch auf die Beschäftigten bei Betriebskrankenkassen. Sie können also auch in einem Verfahren mitwirken, in dem ihr Arbeitgeber Beteiligter i s t 2 5 3 .
250 Scheuing, NVwZ 1982, 487 ff., 490 mit FN 43. 251 VGH München, N V w Z 1982, 510 ff., 511; Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, S. 65 ff., 85, 91. 252 Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 6. 253 Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 16.
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C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten 2. Die Behandlung der von dieser Vorschrift nicht erfaßten Amtskonflikte
Die Ausschlußtatbestände der Nrn. 3 und 5 der verwaltungsverfahrensrechtlichen Befangenheitsnormen gelten ihren Wortlaut nach auch für den Fall der amtlichen Berührung mit der betreffenden Angelegenheit. So fällt unter den Wortlaut der Nr. 3 auch die Vertretung in amtlicher Eigenschaft. Sie erfaßt daher auch Personen, die aufgrund besonderer Rechtsvorschriften i m Zusammenhang mit ihrem öffentlichen A m t (ζ. B. Bürgermeister) als Vertreter bestellt oder die aufgrund besonderer Wahl oder Bestellung als Vertreter in ein Organ entsandt worden s i n d 2 5 4 . Auch i m Rahmen der Nr. 5 spielt es — folgt man allein dem Wortlaut — keine Rolle, ob der Arbeitgeber oder Organträger dem privaten oder dem öffentlichen Recht zuzurechnen ist. Insofern sind also weitere Amtskonflikte denkbar, die nicht von der Ausnahmeregelung der Nr. 5 HS 2 erfaßt werden, da sie sich ihrem Wortlaut nach nur auf den ersten Halbsatz der Nr. 5 bezieht. Daher ist die Frage zu stellen, inwieweit hier ein Ausschluß von Amtsträgern wegen einer funktionalen Befangenheit stattfindet. a. Doppelfunktionen
von Amtsträgern
Z u betrachten ist hier zunächst die schon angesprochene Fallgruppe der Doppelfunktionen von Amtsträgern. Bei den so umschriebenen Amtskonflikten geht es um die Gefahr einer von vornherein einseitigen Entscheidungsfindung infolge gleichzeitiger interessenverschiedener amtlicher Berührung des Amtsträgers mit dem Entscheidungsgegenstand 255 . Besondere Bedeutung gewinnt diese Fallgruppe dadurch, daß sich der Staat und andere Hoheitsträger zur Erfüllung ihrer Aufgaben aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten privatrechtlicher Gestaltungsformen bedienen, insbesondere private Gesellschaften errichten und diesen bestimmte Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen oder sich jedenfalls der Hilfe solcher Gesellschaften bedienen. Die Palette reicht hier von Banken mit speziellen öffentlichen Zielsetzungen, Verkehrsflughäfen, Binnenhäfen, Staatsbädern, Landessiedlungsunternehmen, Sondermülldeponien, bis hin zu Kurverwaltungen, Fachinformationszentren u. ä . 2 5 6 . Stets, wenn solche verselbständigte, privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger, in deren Vorstand oder Aufsichtsgremien Amtsträger einer Behörde vertreten sind, eine Beteiligtenstellung in einem Verfahren einnehmen, das eben jene Behörde, der diese Amtsträger angehören, durchführt, w i r d die Frage nach einem Mitwirkungsverbot virulent. Ähnliche Probleme ergeben sich auch in dem umgekehrten Fall, wenn Verfahrensbeteiligte zugleich aufgrund ihres gesetzlichen Auftrags oder jedenfalls in unmittelbaren Zusammenhang damit auch im Verfahren für die Behörde tätig werden sollen 2 5 7 . 254 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 18. 255 Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 488. 256 Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 226.
I. Amtskonflikte im Verwaltungsverfahrensrecht
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Dies soll an den folgenden Beispielen illustriert werden. Eine Aktualität hat diese Problematik in Zusammenhang mit den Großprojekten Rhein-Main-Donau Kanal und Flughafen München I I gewonnen. I m ersteren Fall obliegt die Herstellung der Main-Donau Verbindung der Rhein-Main-Donau A G ( R M D - A G ) , an der der Bund, das Land Bayern und einige kommunale Körperschaften beteiligt sind. Vorstandsmitglied der R M D - A G ist der Präsident der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd, der das diesbezügliche Planfeststellungsverfahren durchführenden Behörde. I m Rahmen dieses Verfahrens nahm er verschiedene Amtshandlungen v o r 2 5 8 . Vergleichbar gelagert war der zweite Fall. Eigens für die Zwecke des Flughafenbetriebs gegründet befindet sich die Flughafen München G m b H ( F M G ) ausschließlich in öffentlicher Hand. I m Planfeststellungsverfahren für den neuen Flughafen München II, in welchem die F M G als Antragsteller beteiligt war, wirkten zwei Angehörige des für die Fachaufsicht zuständigen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr, der Staatsminister und ein Ministerialdirigent, die zugleich auch Aufsichtsratsmitlieder waren, m i t 2 5 9 . Als drittes Beispiel sollen Landessiedlungsunternehmen dienen. Diese vom Staat getragenen und von ihm kontrollierten, in der Form einer privatrechtlichen Gesellschaft betriebenen Unternehmen sind etwa als Instrumente der staatlichen Siedlungs- und Agrarpolitik auf der Grundlage von § 99 FlurbG regelmäßig in Flurbereinigungsverfahren zur Unterstützung der zuständigen Behörde eingeschaltet (Betrauung mit Vorarbeiten, Führung von Verhandlungen mit Beteiligten, Erarbeitung eines Zusammenlegungsplans etc.). Aufgrund ihres Eigentums an Grundstücken i m Flurbereinigungsgebiet sind sie jedoch zugleich auch Beteiligte des Verfahrens 2 6 0 . In allen diesen Fällen stellt sich die Frage nach einem Mitwirkungsverbot für Vertreter bzw. Organmitglieder dieser Gesellschaften.
aa. Die Auslegung der Ausschlußtatbestände der Nrn. 3 und 5 bei isolierter Betrachtungsweise aaa. Teleologische
Reduktion?
Ein Autor w i l l wegen der v ö l l i g unterschiedlichen Zweckrichtung der Beteiligung die Anwendung der Nrn. 3 und 5 auf Beteiligte, die ausschließlich i m öffentlichen Interesse beteiligt sind, a priori ausschließen, da die Einbeziehung solcher Beteiligter von der ratio der Vorschrift nicht gefordert werde. Während nämlich bei jenen die von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen mit den Interessen, die auch die das Verfahren führende Behörde zu verwirklichen habe, 257 258 259 260
Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 145. VGH München, NVwZ 1982, 508 ff., 508. VGH München, N V w Z 1982, 510 ff., 510; BVerwG, DVB1. 1987, 575 ff., 578 f. Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 145.
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C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
gleichgerichtet seien und die Beteiligung nur der Unterstützung der Behörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben diene, sei anderen Personen die Stellung als Beteiligte zur Wahrung ihrer Individualinteressen zuerkannt worden. Eine Gleichstellung beider Beteiligter würde daher den gesetzlichen Aufgaben der in Frage stehenden Einrichtung und dem alleinigen Zweck ihrer M i t w i r k u n g i m Verfahren, die Behörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben i m Verfahren zu unterstützen, zuwiderlaufen 2 6 1 . Dabei könne es auch nicht entscheidend auf die Rechtsform solcher „Formalbeteiligter' 4 als Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts ankommen. Maßgeblich müsse vielmehr sein, daß in geeigneter und hinreichender Weise sichergestellt sei, daß der „Beteiligte" keine von den von der Behörde zu wahrenden öffentlichen Interessen abweichenden Interessen verfolge. Entscheidend sei vielmehr, daß solche Körperschaften und Einrichtungen, die nicht öffentliche Rechtsträger i m engeren organisatorischen Sinne seien, ohne eigene persönliche Interessen in der Sache als beliehene Unternehmer oder in ähnlicher Funktion Aufgaben öffentlicher Verwaltung im materiellen Sinn wahrnähmen 2 6 2 . Indessen widerspricht die Auffassung, daß Körperschaften und Einrichtungen, die nicht öffentliche Rechtsträger im engen organisatorischen Sinne sind, aber Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, nicht als Beteiligte i m Sinne der §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X , 82 A O '77 angesehen werden können, der Ausnahmeregelung der Nr. 5 HS 2. Aus dieser folgt e contrario, daß auch Amtsträger, die solche Subjekte vertreten, bei diesen beschäftigt oder M i t g l i e d ihrer Organe sind, unter die Ausschlußtatbestände der Nrn. 3 und 5 fallen. Denn andernfalls hätte es dieser Ausnahmeregelung gar nicht bedurft.
bbb. Analoge Anwendung
der Ausnahmeregelung
der Nr. 5 HS 2?
V o n diesem Gedanken der Interessenidentität ausgehend, argumentiert Kopp hilfsweise damit, daß insoweit jedenfalls eine Vorstellungslücke des Gesetzgebers vorliege. Dieser Mangel müsse durch einen Analogieschluß zu der Ausnahmeregelung der Nr. 5 HS 2 korrigiert werden 2 6 3 . Ins Feld geführt wird dabei insbesondere der Vergleich mit den Fällen der Ausnahmeregelung. Denn es sei ein absurdes Ergebnis, wenn die Fälle, in denen nicht die Anstellungskörperschaft Beteiligte sei, sondern die Gesellschaft u. ä., bei der der betreffende Amtsträger gegen Entgelt beschäftigt, bzw. M i t g l i e d eines leitenden oder kontrollierenden Organs sei, anders zu behandeln wären, als die in der Nr. 5 HS 2 angesprochenen Fälle der Beteiligung einer Anstellungs261 Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 147. 262 Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 147. 263 Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 241 ff.; Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 147 ff.; vgl. auch Eyermann, GewArch 1981, 256 ff., 258.
I. Amtskonflikte im Verwaltungsverfahrensrecht
159
körperschaft. Dies müsse um so mehr gelten, wenn die Gesellschaft kraft Gesetzes selbst öffentliche Aufgaben erfülle und die Mitarbeit dort bzw. die Mitgliedschaft in einem Organ gleichgerichteten öffentlichen Interessen und Zwecken diene wie auch das Verfahren, an dem die Gesellschaft etc. teilnehme. Die Ausnahme der Nr. 5 HS 2 könne nicht einem Amtsträger die Erteilung einer Genehmigung, die seine Anstellungskörperschaft beantragt habe, ohne weiteres gestatten, die Erteilung einer Genehmigung, die eine Gesellschaft beantragt habe, für die die erwähnten Kriterien zuträfen und in der der in Frage stehende Amtsträger nur tätig sei, um die Interessen seiner Anstellungskörperschaft zu wahren, dagegen verbieten 2 6 4 . Die Situationen seien von der Interessenlage und auch vom Rechtsgedanken her gleich zu bewerten. In beiden Fällen handele es sich letztlich darum, daß ein Amtsträger sowohl in einem unmittelbaren Näheverhältnis zu der Körperschaft stehe, deren Behörde im Verwaltungsverfahren tätig werde, als auch zu einem Beteiligten. In beiden Fällen habe die Ausnahme von dem Grundsatz, daß eine am Ausgang eines Verfahrens (möglicherweise) interessierte Person von dem Tätigwerden i m Verfahren ausgeschlossen sein solle, ihren inneren Grund darin, daß es an dem besonderen Interessengegensatz fehle von dem § 20 V w V f G (und insofern auch §§ 16 S G B - X und 82 A O '77) ausgehe: Die Teilnahme auf Seiten der Behörde und auf Seiten des Beteiligten diene letztlich denselben öffentlichen Interesse 2 6 5 . Der Unterschied zwischen den wahrzunehmenden öffentlichen Interessen und den privaten Individualinteressen sei auch keineswegs nur graduell zu sehen. Er liegt nach dieser Ansicht in der Natur der Sache selbst begründet und sei damit grundlegender Art. Wenn es nämlich ausschließlich um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gehe, so könne es i m Hinblick auf die Anwendung von § 20 V w V f G keinen Unterschied machen, ob der Staat selbst eine Einrichtung, etwa einen Flughafen, betreibe oder aber aus Gründen der Zweckmäßigkeit dafür eine Gesellschaftsform des Privatrechts als Rechtsträger wähle, tatsächlich aber jedenfalls den maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung behalte. Denn auch im letzteren Fall handele es sich nach ganz h. M . um „Verwaltung". Auch die vom Staat in Gesellschaften des Privatrechts zur Wahrnehmung staatlicher Interessen entsandten Amtsträger und Organe hätten unter gerechter Abwägung aller im Einzelfall berührten öffentlichen und privaten Belange das Gemeinwohl nach besten Kräften zu fördern, nicht anders als i m Bereich der unmittelbaren staatlichen V e r w a l t u n g 2 6 6 . Keinen entscheidenden Unterschied mache es, daß gesellschaftsrechtlich etwa nach § 93 I, I I A k t G und §§ 52 I G m b H G i. V . m. 93 I, I I A k t G die Mitglieder des Vorstandes, Aufsichtsrates usw. einer Gesellschaft immer zur Wahrung des 264 Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 149; Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 242. 265 Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 149; Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 242. 266 Eyermann, GewArch 1981, 256 ff., 258; Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 148 f.; Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 243.
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C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
Gesellschaftsinteresses verpflichtet seien, während Beamte grundsätzlich alle Aspekte des Gemeinwohls bei ihren Handlungen und Entscheidungen zu berücksichtigen haben. Auch die Interessen einer Gesellschaft würden durch ihren Gesellschaftszweck bestimmt. Dieser aber könne bei Unternehmen, die zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe gegründet wurden und in denen der Staat maßgeblichen Einfluß habe, schon begrifflich nicht in einem Gegensatz zu den sonst für das Handeln staatlicher Amtsträger maßgeblichen öffentlichen Interessen stehen 2 6 7 . Es sei auch keineswegs angängig, die bei Behörden und Beamten u. U. vorhandenen divergierenden Vorstellungen über Inhalt und Erfordernisse der i m konkreten Fall zu verfolgenden oder zu wahrenden öffentlichen Interessen mit den in den verwaltungsverfahrensrechtlichen
Ausschlußtatbeständen vorausgesetzten
Interessengegensätzen zwischen dem öffentlichen Interesse und einem oder mehreren privaten Interessen, die ggfs. auch untereinander i m Gegensatz stehen können, gleichzusetzen. Mögliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörden und Verwaltungsorganen seien ihrer Natur nach völlig anders zu beurteilen als die typischerweise zwischen Behörden und Bürgern bestehenden Interessengegensätze 268 . Die Voreingenommenheit aufgrund verschiedenartiger Amtsverantwortung behandele keinen Konflikt zwischen amtsfremdem M o t i v und Amtsrecht, sie betreffe vielmehr einen Verantwortlichkeitskonflikt innerhalb des Amtsrechts. Kollisionen zwischen verschiedenen Motiven des Rechts aber seien nicht durch die Verdrängung eines rechtlich anerkannten Zwecks zu lösen, sondern durch rechtliche Koordinationsregeln, insbesondere durch Verfahrensordnungen, Inkompatibilitätsregeln und verwaltungsinterne Arbeitsabstimmung. Das Verwaltungsrecht bewältige eine amtsrechtlich veranlaßte Voreingenommenheit folgerichtig auch nicht durch ein Unbefangenheitsgebot. Es übertrage die Wahrnehmung verschiedener Amtsanliegen nicht konsequent verschiedenen Personen, sondern es vermeide Amtskonflikte je nach Zweckmäßigkeit. Insofern werde nicht die Verwirklichung des Rechts gehindert, da die Verwaltungsentscheidung nicht durch ein außeramtliches M o t i v verfälscht w e r d e 2 6 9 . Unterstrichen werde dies dadurch, daß hier mögliche wirtschaftliche Abhängigkeiten und dementsprechend persönliche Interessen und Konfliktmöglichkeiten in den Fällen einer Beschäftigung gegen Entgelt oder der Mitgliedschaft in Aufsichtsräten oder anderen Organen einer ausschließlich zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben und zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen errichteten Gesellschaft keine Rolle spielten, wobei dies aber gerade von der ratio der Ausschlußtatbestände der Nrn. 3 und 5 gefordert werde 2 7 0 . 267 268 269 270
Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 149; Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 244. Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 149. Kirchhof, VerwArch 66 (1975), 370 ff., 380. Kopp, AgrarR 1984 ff., 148, 150.
I. Amtskonflikte im Verwaltungsverfahrensrecht
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Dieser grundlegende Unterschied werde nicht zuletzt dadurch bestätigt, daß sog. „In-sich-Verfahren", in denen eine Behörde eines Rechtsträgers Anträge desselben Rechtsträgers genehmige, allgemein als unbedenklich angesehen würden, obwohl unter bestimmten Voraussetzungen in derartigen Fällen bei Ablehnung des Antrags sogar die Klagebefugnis des betroffenen Rechtsträgers gemäß § 42 I I V w G O bejaht werde. Der Ausgleich verschiedener Auffassungen i m staatlichen Bereich sei daher Aufgabe des staatlichen Organisationsrechts, nicht des „Außenrechts", das allein Gegenstand der Regelungen über die Befangenheit in den Verwaltungsverfahrensgesetzen sei 2 7 1 . Nicht zuletzt spreche für die Unanwendbarkeit des Unbefangenheitsgebots bei Amtskonflikten auch, daß amtliche Interessen zweifellos den sonst von den Ausschlußtatbeständen geforderten persönlichen Interessen sehr viel ferner stünden als die allgemeinen Gruppeninteressen, die keine Befangenheit i m Rechtssinne begründeten. Es könne nicht angenommen werden, daß „amtliche", funktionale Interessen ein Ausschlußgrund seien, wenn Gruppeninteressen, die nur deshalb im Rechtssinne nicht als persönliche Interessen behandelt würden, weil sie zugleich auch Interessen anderer seien, als unschädlich erklärt würden. Eine solche Auslegung sei mit dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbar 2 7 2 . Aus diesen, aus der Normstruktur und der ratio der Ausschlußtatbestände der Nrn. 3 und 5 sich zwingend ergebenden Gesichtspunkten sei die Ausnahmeregelung der Nr. 5 HS 2 aufgrund des insofern zu weit geratenen Wortlauts dieser Tatbestände analog anzuwenden. Deren Gesetz gewordene Fassung basiere auf Vorstellungslücken des Gesetzgebers. Daß die ursprüngliche Fassung des RegE zu § 20 I 1 Nrn. 3 und 5 V w V f G , die den voranstehenden Erwägungen v o l l Rechnung getragen hätte, nicht übernommen worden sei, beruhe lediglich auf redaktionellen Gründen, weil man den Aufbau des § 82 A O '77 für zweckmäßiger gehalten habe. Die i m Rahmen dieser Anpassung zugleich vorgesehene Streichung der weiterreichenden Ausnahmeregelung, die auch die Vertretung bzw. Mitgliedschaft in amtlicher Eigenschaft umfaßte, sei dabei offenbar erfolgt, ohne die Folgen und die sich daraus ergebenden Widersprüchlichkeiten näher zu durchdenken. Vieles spreche daher dafür, daß der Gesetzgeber der Auffassung gewesen sein könnte, die hier in Frage stehenden Fälle würden ohnehin schon unter die Regelung der enger gefaßten Ausnahme der heutigen Nr. 5 HS 2 fallen, denn als Anstellungskörperschaft könne i m weiteren Sinne durchaus auch die Körperschaft des Privatrechts verstanden werden, bei der ein Amtsträger, wenn auch vielleicht i m Nebenamt, als M i t g l i e d des Vorstandes oder Aufsichtsrates tätig s e i 2 7 3 .
271 Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 149; Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 243 f. 272 Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 149. 273 Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 150; Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 245. 11 Kazele
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C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
Anzuführen sei insofern auch der Umstand, daß der Gesetzgeber des V w V f G von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf die die amtliche Begründung jeweils ausdrücklich eingehe, nur das bisher geltende Verfahrensrecht habe kodifizieren, nicht aber Neuerungen habe einführen wollen. I m Zusammenhang mit der Abweichung von der Regierungsvorlage aber spreche auch der Bericht des Innenausschusses nur von einer Abweichung von der Regierungsvorlage, nicht aber von einer Neuerung gegenüber der bisher h. A . in Literatur und Rechtsprechung. Denn bis zum Erlaß des V w V f G sei es in Rechtsprechung und Schrifttum fast ganz herrschend gewesen, daß die funktionale, „amtliche" Betroffenheit keinen Ausschlußgrund darstelle 2 7 4 . Auch stelle sich die Nr. 5 HS 2 lediglich scheinbar als eine Regelung mit Ausnahmecharakter dar. Abgesehen davon, daß ein zwingender Grundsatz, daß Ausnahmen eng auszulegen seien, dem geltenden Recht fremd sei und allenfalls die Bedeutung eines bei der Auslegung neben anderen wichtigeren Gesichtspunkten zu berücksichtigenden Gesichtspunkts habe, stelle die Regelung der Nr. 5 HS 2 gerade einen Anwendungsfall eines allgemeinen Grundsatzes des Inhaltes dar, daß die Wahrnehmung institutionell-funktioneller Interessen nicht zu einem Ausschluß wegen Interessenkollision führe 2 7 5 . Schließlich werden noch Praktikabilitätserwägungen angeführt. Führe i m Rahmen der Nr. 3 auch eine Vertretung in amtlicher Eigenschaft zum Ausschluß, so müßte bei allen Amtsträgern mit Doppelfunktionen verschiedener staatlicher oder staatlich / kommunaler Körperschaften eine erhebliche Einschränkung der Leitungsfunktionen hingenommen werden 2 7 6 . Insbesondere sei zu berücksichtigen, daß der Ausschlußgrund der Nr. 3 sonst auch für jeden weiteren Vertreter des primär für die Vertretung der Körperschaft zuständigen Vertreters gelten würde und damit in der Regel (wenn man von Ausnahmefällen, in denen die Bestellung eines „Verfahrenspflegers" für die handlungsunfähig gewordene Behörde durch eine außerhalb stehende Stelle möglich sei, absehe) eine Sachentscheidung überhaupt nicht getroffen werden k ö n n t e 2 7 7 . Zudem seien auch die Vorteile hervorzuheben, die die einheitliche Wahrnehmung der öffentlichen Interessen in einem Leitungs- oder Kontrollorgan eines Beteiligten und in einem Verwaltungsverfahren hätte. Insbesondere sei andernfalls die M i t w i r k u n g von Personen, die aufgrund ihrer „Zuständigkeit" und Verantwortung innerhalb der zuständigen Behörde für eine Angelegenheit an sich in besonderem Maße kompetent und berufen seien, in Verwaltungsverfahren, die eine Gesellschaft irgendwie in dem dargelegten Sinn betreffen könnten, ausgeschlossen. Dies aber würde dazu zwingen, entweder in die Gesellschaft, für die der Staat mitverantwortlich sei, von vornherein nur Personen der „zweiten L i n i e " zu entsenden oder aber 274 275 276 277
Kopp, WiVerw. Kopp, WiVerw. Knack-Clausen, Kopp, VwVfG,
1983, 226 ff., 245 ff.; Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 150. 1983, 226 ff., 247; Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 150. VwVfG, § 20 Rn. 6.3. § 20 Rn. 18.
I. Amtskonflikte im Verwaltungsverfahrensrecht
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eventuelle Verfahren Personen „zweiter L i n i e " vorzubehalten, was eine theoretisch mögliche, praktisch aber wenig sinnvolle Lösung darstelle 2 7 8 . Hinzu komme, daß es sich in solchen Fällen zumeist um Funktionen handele, die i m Dienstrang höherstehenden Amtsträgern übertragen würden. Eine Vertretung in Fällen einer Befangenheit sei in derartigen Fällen nur bei Gründen privater A r t sinnvoll, weil auch von einem i m Rang sonst nachgeordneten Vertreter hier eine hinreichend unbefangene Entscheidung erwartet werden könne. In amtlichen Angelegenheiten laße sich dagegen kaum sicherstellen, daß der Vertreter seine Entscheidungen gänzlich unbeachtet der Auffassungen treffe, die sein Vorgesetzter zur Sache vertrete oder von denen er annehme, daß sein Vorgesetzter sie vertrete 2 7 9 .
ccc. Die Erfassung funktionaler einer inneradministrativen
Betroffenheit zur Herstellung Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle
Demgegenüber erscheint es jedoch fraglich, ob die von dieser Ansicht behauptete Regelungslücke besteht. Aus der Entstehungsgeschichte der Bundesfassung des V w V f G ist zwar zu entnehmen, daß zunächst nach dem Entwurf das Betätigungsverbot nicht gelten sollte, sofern der Amtsträger in amtlicher Eigenschaft Organmitglied ist oder eine Vertretung wahrnimmt. Ausweislich der Beratungen i m Bundestags-Innenausschuß wollte nun der Gesetzgeber nicht nur unter Aufrechterhaltung des angeblich früher geltenden Rechtszustandes eine Anpassung an die A O vornehmen, vielmehr wurde diese weitergehende Einschränkung des Mitwirkungsverbotes ausdrücklich als nicht vertretbar abgelehnt 2 8 0 . Damit aber liegt eine klare Wertung des historischen Gesetzgebers vor. Diese steht auch keineswegs in Widerspruch zur Rechtslage vor Erlaß des V w V f G . So hatte namentlich das P r O V G in ständiger Rechtsprechung über spezialgesetzliche Regelungen hinaus nicht nur ein allgemeines Handlungsverbot bei sog. persönlicher Beteiligung des Amtsträgers, sondern auch den Amtskonflikt als Anwendungsfall des Unbefangenheitsprinzips anerkannt 2 8 1 . A u c h das Schrifttum vor 1977 verfocht, soweit es überhaupt auf das Problem einging — und dies sind mit Ausnahme der Stellungnahme von Kirchhof alle bei K o p p aufgeführten Autoren — dieselbe Meinung. Ferner steht der oben bereits angeführte Sinn und Zweck der Gesetz gewordenen Ausnahmeregelung einer Ausdehnung i m Wege der Analogie entgegen. Der Gesetzgeber wollte damit Lahmlegungseffekte verhindern. Bei der Organmitgliedschaft werden aber nur diese Mitglieder von der M i t w i r k u n g an dem Verwaltungsverfahren auf seiten der Behörde ausgeschlos-
278 279 280 281 11*
Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 229. Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 150. VGH München, N V w Z 1982, 510 ff., 511. Scheuing, NVwZ 1982, 487 ff., 488 m. w. Nw.
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C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
sen. Keinesfalls wird damit aber eine ganze Behörde lahmgelegt 2 8 2 . Dies trifft auch für die Fälle der Vertretung in amtlicher Eigenschaft zu. Auch hier ist das Betätigungsverbot nur auf diejenigen Amtsträger beschränkt, die Doppelfunktionen wahrnehmen. Insofern ist also nicht eo ipso jeder weitere Vertreter des primär für die Vertretung einer Körperschaft zuständigen Amtsträgers ausgeschlossen. Dies trifft lediglich dann zu, wenn auch dieser wiederum als Amtsträger in diesem Verfahren mitwirkt. Das somit eine Sachentscheidung überhaupt nicht getroffen werden könnte, erscheint daher als eine wenig realistische Überspitzung. Darüberhinaus schlägt aber auch der von der Gegenansicht als Ausgangspunkt gewählte Gedanke der Interessenidentität nicht durch. Insofern sind zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden. Einmal ist die Stellung des Amtsträgers in der privatrechtlich organisierten Gesellschaft, sowie zum anderen das Verhältnis zwischen dem von dieser Gesellschaft verfolgten Zweck und dem öffentlichem Interesse zu untersuchen 2 8 3 . Wendet man sich dem ersten Aspekt zu, so stellt sich die Frage, ob der betreffende Amtsträger überhaupt als Vertreter oder Organ der privatrechtlichen Gesellschaft zu betrachten ist, oder, ob er nicht vielmehr in den Gesellschaftsorganen die Interessen des Staates gegenüber der Gesellschaft vertritt. Hier ist es aber gerade die Doppelnatur derartiger Gesellschaften, die einerseits aus ihren Gesellschaftern bestehen, andererseits diesen gegenüber juristisch verselbständigt sind, die zur Verneinung dieser Frage führt. Denn dieser Umstand wirkt sich auch auf die Funktionen der Gesellschaftsorgane aus. Einerseits leiten oder kontrollieren die Organmitglieder im Auftrag der Gesellschafter die Gesellschaft, andererseits sind sie selbst aber wiederum deren Organe und ihr gegenüber zur sorgfältigen Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen verpflichtet und insoweit auch haftbar, vgl. § § 9 3 , 116 A k t G , 43, 52 GmbHG. Gerade vor diesem zweiten Aspekt verschließen die Vertreter der dargestellten Ansicht ihre Augen. Die Unterstellung, die betroffenen Amtsträger würden sich bei ihrer Tätigkeit in den Gesellschaftsorganen lediglich von dem öffentlichem Interesse leiten lassen, nicht aber umgekehrt — bei einer öffentlichrechtlichen Tätigkeit in bestimmten Verwaltungsverfahren — auch die Interessen der Gesellschaft verfolgen, der sie als Organe angehören und der sie verantwortlich sind, stellt sich als willkürlich dar284. Dieser Aspekt könnte lediglich dann überspielt werden, wenn die Interessen solcher Gesellschaften mit denjenigen des Staates identisch wären. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, daß der Begriff des öffentlichen Interesses inhaltlich heterogen ist. Er fungiert als Oberbegriff für ein vielfältiges, nicht
282 VGH München, N V w Z 1982, 510 ff., 511. 283 VGH München, NVwZ 1982, 510 ff., 511. 284 VGH München, NVwZ 1982, 510 ff., 511.
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leicht faßbares und hochkomplexes Gefüge öffentlicher Interessen, deren Beziehungen zu- und untereinander sich dem wissenschaftlichen Zugriff nur schwer eröffnen 2 8 5 . Grundsätzlich können alle Interessen als öffentliche angesehen werden, wenn sie auf die Ordnungen und Gestaltungen der verschiedenen Handlungsgefüge der Systeme bezogen sind, in denen sich die Glieder der Gesellschaft als Gesamtheit begreifen und ggfs. organisieren. Unter funktionalen Gesichtspunkten werden diese öffentlichen Interessen auch nicht dadurch notwendig zu staatlichen Interessen, daß der Staat auf ihre Verwirklichung gestaltend einwirkt, sie in sein Handeln aufnimmt. Sie bleiben vielmehr den einzelnen Bereichen bzw. Systemen der Gesellschaft zugeordnet 2 8 6 . Insoweit ist ein funktional-inhaltlicher Pluralismus von öffentlichen Interessen festzustellen, wobei diese selbst den gesellschaftlichen Strukturbedingungen unterworfen sind. Sie können miteinander kollidieren, sind einem stetigen Diskussionsprozeß — etwa über das Gewicht, das ihnen bei Interessenkonflikten zukommen soll — ausgesetzt und unterliegen dem gesellschaftlichen W a n d e l 2 8 7 . V o r diesem Hintergrund ist nun unmittelbar einsichtig, daß die von Gesellschaften und sonstigen Körperschaften wahrgenommenen öffentlichen Interessen nur einen Ausschnitt aus einer ganzen Palette von öffentlichen Interessen darstellen. Hält man sich den v o m V G H München entschiedenen Fall vor Augen, so wird deutlich, daß dort die Flughafen München G m b H allein schon wegen ihres Satzungszwecks nur die zu den öffentlichen Interessen gehörenden Interessen des Flughafenbetriebes verfolgen kann. Die öffentlichen Interessen, die die Planfeststellungsbehörde wahrzunehmen hat, sind demgegenüber wesentlich vielschichtiger und umfassender. Sie hat alle durch das Flughafenprojekt berührten öffentlichen und privaten Belange in Betracht zu ziehen und gerecht gegeneinander abzuwägen, wobei die dem Projekt entgegenstehenden Belange überwiegen können, die Interessen der Luftverkehrsverwaltung i m engeren Sinne also zurückstehen müssen 2 8 8 . Daran w i r d deutlich, daß die von Gesellschaften, wie etwa der Flughafen München G m b H , vertretenen — wenn auch öffentlichen — Interessen i m Vergleich zu den von (Planfeststellungs)Behörden zu berücksichtigenden Gesamtinteressen öffentliche Sonderinteressen darstellen. In diesem Zusammenhang gewinnt insbesondere die organisatorische Verselbständigung eine besondere Bedeutung. Gerade dieser Punkt läßt die von der Gegenseite gezogene Parallele zu einem gänzlich innerhalb der Staatsverwaltung ablaufenden Entscheidungsprozeß in die Leere laufen. Abgesehen davon, daß — worauf bereits hingewiesen w u r d e 2 8 9 — in bestimmten Planfeststellungsver285 Steiger, Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, 385 ff., 399. 286 Steiger, Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, 385 ff., 398 f. 287 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 I 3 Rn. 10; v. Münch, in: Erichsen/ Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 III. 288 VGH München, NVwZ 1982, 510 ff., 511. 289 Siehe Kapitel Β IV. 3.
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fahren mögliche Interessenkollisionen durch eine Trennung von Anhörungs- und Feststellungsbehörde minimalisiert werden und insoweit bestehende unbefriedigende Situationen, in denen die Feststellungs- bzw. Genehmigungsbehörde mit dem Träger des Vorhabens identisch oder die übergeordnete Fachbehörde ist, nicht zum Anlaß genommen werden können, diese Unzulänglichkeiten auch noch auf andere Fallkonstellationen auszuweiten, ist bei Entscheidungsabläufen i m staatsinternen Bereich grundsätzlich eine Abschwächung des Interessenkonflikts zu konstatieren. Überträgt man die Fälle der Organmitgliedschaft auf den Innenbereich, so wäre die Lage vergleichbar derjenigen bei der M i t w i r k u n g verschiedener Behörden-Sachgebiete an einer Entscheidungsfindung. Dort werden jeweils sachbezogene eigene Interessen vertreten, ohne daß jemand von Interessenkollisionen sprechen könnte, weil es sich eben um einen rein innerdienstlichen Meinungsbildungsprozeß handelt 2 9 0 . Anders liegt aber der Fall, daß Interessen in Form einer juristischen Person verselbständigt werden, wobei hinzukommt, daß bei juristischen Personen des Privatrechts in der Regel nicht nur eine staatliche Körperschaft allein Gesellschafter ist. Hier sind die Amtsträger Angestellte einer privaten Gesellschaft, die nicht wie ein unselbständiger Teil der Staatsverwaltung ständig die Einbindung ihrer Interessen in das Gemeinwohl i m Auge haben muß, sondern die sich kraft ihres Auftrags auf die Wahrnehmung ihrer kaufmännischen Interessen beschränken darf. Es ist daher nicht belanglos, auf welche Weise, in welcher Rechtsform Interessen organisiert sind. Die Form kann i m Gegenteil die inhaltliche Bewertung beeinflußen, wenn einzelne Interessen aus der Gesamtheit der Staatsziele gewissermaßen ausgegliedert und einer selbständigen juristischen Person als deren Parteiinteressen zugewiesen werden. A u f deren Charakter als öffentliche Interessen kann es dann nicht mehr ankommen, da dies Interessenkonflikte nicht ausschließt 2 9 1 . Die gegenteilige Ansicht ignoriert insoweit das Eigengewicht, welches Partialinteressen selbst öffentlicher Natur gerade durch ihre organisatorische Verselbständigung gewinnen. Bei Zweitfunktionen i m Dienste organisatorisch verselbständigter Partialinteressen ist die Ausrichtung der Amtsträger an diesen Interessen nach dem Gesagten nicht nur typischerweise zu erwarten, sondern sie ist gerade durch die genannten Organmitgliedschaften Pflichten rechtlich verankert. Unter diesen Gesichtspunkten stellt die einseitige Dominanz dieser Sonderinteressen eine nicht von der Hand zu weisende reale Größe dar. Damit sind aber die Funktionen des Unbefangenheitsgebotes auch in diesem Zusammenhang einschlägig. Der Ausgleich zwischen den zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Belangen untereinander und gegeneinander, worin die Aufgabe des Verwaltungsverfahrens und der Genehmigungserteilung besteht, ist gerade auch durch Funktionenhäufungen innerhalb der öffentlichen Verwaltung gefährdet. Nicht die Dominanz eines öffentlichen Sonderinteresses, sondern die 290 VGH München, NVwZ 1982, 510 ff., 512. 291 VGH München, NVwZ 1982, 510 ff., 512; Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 489 f.
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gesetzlich vorgegebenen Wertvorstellungen und damit die sachgerechte Berücksichtigung sämtlicher berührten Interessen sollen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde prägen. Dies setzt eine Offenheit der Genehmigungsbehörde für private und gesellschaftliche Informationen und Interessen voraus, die mit der Distanz zu den Verwaltungsbetroffenen korrespondiert. Der hier gerade festzustellende Verlust der angemessenen hoheitlichen Distanz gegenüber den Adressaten oder der sonstigen U m w e l t birgt eine erhebliche Gefahr für eine sachgerechte Wahrnehmung aller betroffenen Interessen in sich. Z u m gesteigerten Problem w i r d dieser Distanzabbau, wenn die bevorzugten Interessenträger ohnehin ausgebaute personelle und organisatorische Kontaktzonen nutzen können, wie dies etwa bei Aufsichtsratsposten staatlicher Funktionsträger der Fall i s t 2 9 2 . Insoweit genügt es sich nur, das andernfalls denkbare Extrembeispiel vorzustellen, bei dem die Leitungsorgane solcher Gesellschaften selbst mit der Wahrnehmung der Aufgaben der Behörde beliehen w ü r d e n 2 9 3 . Z u berücksichtigen ist ferner, daß die beteiligten Interessen i m Verfahren gleiche Chancen haben müssen. Es geht dabei nicht an, daß die Gegner eines Projekts der Behörde als außenstehende Beteiligte gegenüberstehen, während Organe der das Projekt betreibenden Gesellschaft unmittelbar in die Behörde hineinwirken und gewissermaßen mit am Entscheidungstisch sitzen. Dies wäre kein faires Verfahren und würde die Gleichheit vor dem Gesetz verletzen 2 9 4 . Zudem ist auch die spezifische Interessenlage des Amtsträger zu berücksichtigen, die bei Doppelfunktionen der beschriebenen A r t eintritt. Er hat sich nämlich durch diese Doppelfunktion in einem kritischen Amtskonflikt hineinbegeben, da er letztlich immer auch über den Erfolg und Mißerfolg seines zweiten Arbeitsbereiches mitentscheiden m ü ß t e 2 9 5 . Dieser Konfliktsituation, der sich der betroffene Amtsträger ausgesetzt sieht, soll ebenfalls durch die Anordnung eines M i t w i r kungsverbotes begegnet werden. Gewinnen somit alle Funktionen des Unbefangenheitsgebotes, daß zudem verfassungsrechtlich geboten i s t 2 9 6 , auch i m Rahmen der hier in Frage stehenden Amtskonflikte Bedeutung, so erweist sich die Annahme des 8. Senats des V G H München, die institutionelle Interessenkollision sei kein Fall der Befangenheit 2 9 7 , als nicht zutreffend. Vorhaben der Daseinssorge können mit anderen Belangen, zumal des Umweltschutzes, ebenso in K o n f l i k t geraten wie „rein" private Vorhaben 2 9 8 . Gerade wegen der hier sogar in personalisierter Form ausgedrückten 292 Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1981), 187 ff., 209 f.; Blümel, DVB1. 1975, 695 ff., 700; Stich, Festschrift für Ule, 1977, 215 ff., 234 f. 293 Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 489. 294 VGH München, N V w Z 1982, 510 ff., 512; vgl. auch BVerwG, DVB1. 1987, 573 ff., 579 f. 295 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 82. 296 BVerwG, BayVBl. 1984, 631 ff., 633. 297 VGH München, N V w Z 1982, 508 ff., 510.
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fachbezogenen Interessenidentität von Unternehmen,
Unternehmenskontrolle
und Genehmigungsbehörde muß das Mitwirkungsverbot in diesen Fällen v o l l zur Anwendung k o m m e n 2 9 9 . Anzumerken bleibt, daß auch die insoweit vorgebrachten Praktikabilitätserwägungen, die alleine ohnehin keine Rechtswirkungen zu entfalten vermögen, nicht überzeugen. Die Fachkompetenz ist in der öffentlichen Verwaltung nicht derart begrenzt, daß es erforderlich wäre, gerade den mit einem bestimmten Bereich befaßten Ressortchef oder Abteilungsleiter zum Aufsichtsratmitglied eines öffentlichen Unternehmens zu machen 3 0 0 . Zudem ist zu berücksichtigen, daß die aufgrund von Doppelfunktionen entstehende Mehrfachbelastung der Amtsträger auch einen negativen Einfluß auf die Qualität der Amtshandlungen haben kann. Z u beachten sind hier aber auch Akzeptanzprobleme insbesondere mit umstrittenen Großprojekten. Ämterkumulierungen lassen die Akzeptanzbereitschaft der von der Entscheidung Betroffenen sinken. Je ausgeprägter diese sind, desto mehr erwächst in dem Außenstehenden der Eindruck, politische Entscheidungen seien aufgrund von Interessenverflechtungen zu — wenn auch öffentlichen — Unternehmen zustande gekommen und sollten nun ohne die angemessene Berücksichtigung von Drittinteressen durchgesetzt werden. M i t der gefundenen Berechtigung des Ausschlusses von Amtsträgern bei Doppelfunktionen ist aber zugleich eine Funktionserweiterung des Unbefangenheitsgebotes festzustellen. In Fällen dieser Art w i r d durch eine gezielte Ausbalancierung eine Interessenlastigkeit, die durch die Verbundenheit des Amtsträgers mit einem Parteiinteresse über anderweitige amtliche Funktionen entstanden ist, neutralisiert. Insofern w i r d auch eine Unvereinbarkeitsregelung getroffen, die ihre Stoßrichtung auf die auf Ämterkumulierung hinauslaufende Entsendepraxis entfaltet. In diesem Sinne dient das Unbefangenheitsgebot ebenso wie die Trennung von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde im Rahmen der V w V f G e einer inneradministrativen Gewaltenteilung und -kontrolle 3 0 1 . Aus diesen einfachgesetzlichen Normierungen läßt sich ein allgemeiner Grundsatz aufstellen. Immer dort, wo innerhalb der Verwaltungsorganisation Machtkonzentrationen auftreten, die geeignet sind, die Aufgabe der Exekutive, nämlich die Hervorbringung eines ausgewogenen und sachgerechten Interessenausgleichs, in Frage zu stellen, müssen Vorkehrungen bestehen, die die Vorherrschaft solcher partikularer Kräfte eindämmen. Der damit angesprochene Gedanke der ausgewogenen Verteilung der Macht bedingt eine strukturelle Vielfalt und Funktionenteilung auch innerhalb der Verwaltung. Die gegen die Schaffung eines Systems von „checks and balances" denkbaren Einwände zielen in drei Richtungen. Einmal sei ein inneradministrativer Gewaltenteilungsgrundsatz schon wegen der bestehenden repressiven 298 299 300 soi
VGH München, NVwZ 1982, 510 ff., 512. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 82. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 82. Scheuing, NVwZ 1982, 187 ff., 489.
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Kontrolle der Verwaltungsentscheidungen durch die Rechtsprechung überflüssig. Z u m anderen sei eine Verfahrensgestaltung vorhanden, in welcher der betroffene Bürger eine mit eigenen Rechten ausgestattete Subjektstellung innehabe. Schließlich belaste ein solcher Grundsatz die Entscheidungsbildung und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Diese Einwände sind jedoch nicht überzeugend. Zur Verdeutlichung muß zunächst gesehen werden, daß solche inkriminierten Machtkonzentrationen regelmäßig in Zusammenhang mit der Planung und Realisierung von Großprojekten auftreten, wie die angeführten Rechtsprechungsbeispiele belegen. Das gerade in diesem Zusammenhang bestehende Planungsermessen wie auch die Auswirkungen bereits geschaffener Tatsachen zeigen, daß die repressive Kontrolle der Entscheidungen durch die Rechtsprechung nicht die inneradministrative Kontrolle ersetzen kann. Der Rechtsprechung ist abgesehen von der kassatorischen Entscheidung jede Einflußnahme auf die Ausübung des Planungsermessen verschlossen. Schon aus diesem Grund kompensiert die gerichtliche Überprüfung nicht die Möglichkeiten, die ein schon i m administrativen Bereich ansetzendes System von Machtbegrenzungen und Gleichgewichtslagen besitzt. Weiterhin ist in die Betrachtung einzubeziehen, daß die Rechtsprechung Zurückhaltung übt, wenn es darum geht, Entscheidungen nach zeitlich, finanziell und personell aufwendigen Planungs- und Anhörungsverfahren aufzuheben oder in der Folge noch einen Baustopp bzw. eine Abrißverfügung zu veranlassen 302 . Eine inneradministrative Gewaltenteilung und -kontrolle führt daher aus der Sicht des Bürgers zu einer Effektuierung der individuellen Freiheitsrechte. Dies umso mehr, als auch die ihm zum Schutz dieser Freiheitsrechte i m Verwaltungsverfahren eingeräumten Rechte entsprechende Wirkungsbedingungen — unter anderem eben den Abbau gefährlicher Machtkonzentrationen — voraussetzen, um v o l l zur Geltung zu kommen. Blickt man demgegenüber auf den verwaltungsinternen Willensbildungsprozeß, so kann eine zunehmende Kompliziertheit und ggfs. auch Langsamkeit des Verwaltungshandelns durch die Anerkennung eines solchen Grundsatzes nicht von der Hand gewiesen werden. Diesen Nachteilen stehen jedoch auch Vorteile gegenüber. So kann das Zusammenwirken mehrerer administrativer Organe, die Kontrolle des einen durch das andere und die Möglichkeit nachträglicher Korrekturen die Qualität der Arbeitsleistung auch erhöhen 3 0 3 . So wirkt ein bestehender Binnenpluralismus regelmäßig einer einseitigen Betrachtungsweise entgegen. Er erlaubt es in das entsprechende Verfahren administrative Überlegungen und Sichtweisen einzuführen, die durch das bisher handelnde Organ nicht oder nur unzureichend berücksichtigt wurden. I m übrigen ist darauf hinzuweisen, daß es in diesem Zusammenhang nicht darum gehen kann, die höchste vorstellbare 302 Vgl. etwa Blümel, NJW 1980, 1669 ff., 1669. 303 Vgl. — in allerdings anderem Zusammenhang — Benda, in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 493.
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Effektivität administrativen Handelns zu verwirklichen 3 0 4 . Die Tätigkeit der Verwaltung dient nicht den von ihr selbst definierten Zielen, sondern der V e r w i r k l i chung der in der Rechtsordnung festgelegten Wertvorstellungen. Die Zuordnung von Funktionen und Zuständigkeiten, ihre Begrenzung und Kontrolle der Sicherungen der Verwaltungsentscheidungen schon i m inneradministrativen Bereich stellt daher eine wesentliche Bedingung für die Sachgerechtigkeit des Verwaltungshandelns und damit letztlich für den demokratischen Rechtsstaat als solchen dar. bb. Kollision mit dem Grundsatz der Ministerverantwortung Verschlägt somit eine Einschränkung des Ausschlußtatbestandes der Nr. 5 auf der Tatbestandsseite nicht, so wird der Versuch unternommen, dies über eine Konkurrenzlösung zu erreichen. Eine Literaturmeinung w i l l nämlich den Ausschi ußtatbestand der Nr. 5 nach den Grundsätzen verfassungskonformer Auslegung in dem Sinne verstanden wissen, daß die Ministerverantwortung in jedem Fall Vorrang habe und Art. 65 G G und die entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen, etwa Art. 102 Hess Verf. die Anwendung dieses Ausschlußtatbestandes jedenfalls dann ausschlössen, wenn die M i t w i r k u n g in Aufsichtsund Leitungsorganen von öffentlichen oder privaten Unternehmen allein dem Zweck der Wahrung und Durchsetzung öffentlicher Interessen diene 3 0 5 . Ausgehend von dem Gedanken, daß Art. 65 GG, der die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers und die Ressortkompetenz der Bundesminister statuiert, Ausdruck des sog. parlamentarischen Prinzips sei, nach dem die Regierung bzw. der Regierungschef und die einzelnen Minister dem Parlament gegenüber politisch verantwortlich seien, also die volle Verantwortung für das politische und administrative Geschehen in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen trügen, soll der Bundeskanzler oder Bundesminister grundsätzlich auch berechtigt und verpflichtet sein, alle ihm nach der Verfassung, einfachen Gesetzen, nach getroffenen Vereinbarungen u. ä. zur Verfügung stehenden Leitungs- und Kontrollbefugnisse wahrzunehmen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Die politische Verantwortung des Kanzlers und der Minister erstrecke sich gemäß Art. 65 G G auch auf die Wahrnehmung der Befugnisse, die mit einer Beteiligung des Staates an privaten Gesellschaften verbunden seien oder die in anderer Weise durch Gesetz oder Vereinbarung begründet würden, um den Staat die Möglichkeit zu geben, über die in Frage stehenden Gesellschaften Gemeinwohlinteressen zu realisieren oder zumindest darauf hinzuwirken, daß das Gemeinwohl keinen Schaden nehme. Dies umso mehr, als es sich um Gesellschaften handle, die Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllten 3 0 6 . 304 Vgl. Benda, in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 493 f. 305 Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 231 ff. 306 Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 232.
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Aus dieser politischen Verantwortung folge notwendig die Verpflichtung des Kanzlers bzw. der zuständigen Ressortminister, i m Rahmen der durch das Gesellschaftsrecht gegebenen Möglichkeiten auch bei Gesellschaften, die dem Staat gehörten oder an denen er wesentlich beteiligt sei, gerade durch die Übernahme von Funktionen in Aufsichts- oder Leitungsorganen dafür zu sorgen, daß die Zielsetzungen der staatlichen Politik hinlänglich Berücksichtigung fänden. Dies aber bedeute, daß der Minister (oder sein Vertreter) nicht nur berechtigt, sondern — soweit dies zur wirksamen Wahrnehmung der Verantwortung gegenüber dem Parlament erforderlich sei — sogar verpflichtet sei, solche Einflußmöglichkeiten persönlich wahrzunehmen 3 0 7 . Bei politisch wichtigen staatlichen Beteiligungen sei dies sogar i. d. R. anzunehmen. Die politische Verantwortung könne hier grundsätzlich nicht durch Delegierung an nachgeordnete Beamte des Ministeriums wirksam wahrgenommen werden und zwar auch dann nicht, wenn man die Weisungsgebundenheit dieser Beamten berücksichtige. Zumindest könne aber verfassungsrechtlich nicht zweifelhaft sein, daß das in Art. 65 GG zum Ausdruck gekommene grundlegende Prinzip der demokratisch-parlamentarischen Ministerverantwortlichkeit gebiete, daß dem zuständigen Minister die Entscheidung überlassen bleibe, ob und in welchem Umfang er ggfs. die Wahrnehmung von Aufgaben, für die er letztlich die politische Verantwortung trage, nachgeordneten Beamten überlasse 3 0 8 . Zwar könne die politische Verantwortung des Kanzlers und der Minister unter bestimmten Voraussetzungen zumindest faktisch eingeschränkt werden. Eine dahingehende Entscheidung des Gesetzgebers müsse aber in einem Gesetz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen und sich i m Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen halten. Beide Voraussetzungen seien aber nicht gegeben. Weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte des § 20 I 1 Nr. 5 V w V f G gäben irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber sich auch nur entfernt eines möglichen Konflikts der Regelung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Ministerverantwortlichkeit bewußt gewesen sei. Noch seien Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß er für diesen Fall den Ausschluß des Ministers, Staatssekretärs etc. von jedem Tätig werden in Verwaltungs verfahren Vorrang vor der politischen Verantwortung des Ministers geben wollte oder umgekehrt und dabei in Kauf genommen hätte, daß entweder die Wahrnehmung der Rechte i m Aufsichts- und Leitungsorganen der in Frage stehenden Gesellschaft oder aber die Leitungs- und Koordinierungsaufgaben des Ministers und die Sorge für einen effektiven V o l l z u g der Gesetze der persönlichen Verantwortung des zuständigen Ministers entzogen w ü r d e 3 0 9 . Aber auch von der Sache her handele es bei den beiden beschriebenen Tätigkeiten um Aufgaben, die der Gesetzgeber der Ministerveranwortlichkeit durch Ge307 Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 232. 308 Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 232. 309 Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 234.
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setz nicht ohne weiteres ganz oder teilweise entziehen könne. Die Entscheidung für oder gegen die Errichtung und den Betrieb einer Sondermülldeponie, eines Großflughafens und dergleichen sei keine politikferne Entscheidung, bei der das Parlament auf die Ministerverantwortlichkeit ganz oder teilweise verzichten könne, und zwar weder hinsichtlich der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte in den betreffenden Gesellschaften noch hinsichtlich des Genehmigungsverfahrens. Die Bedeutung der hier zu entscheidenden Angelegenheiten habe i m Gegenteil häufig zur Folge, daß die politische Verantwortung unverzichtbar sei. Jedenfalls aber wäre es eine durch nichts gerechtfertigte Unterstellung anzunehmen, daß die Parlamente in Bund und in den Ländern für die in Frage stehenden Fälle vorweg generell auf die Ministerverantwortung verzichten wollten oder auch nur mit Beschränkungen einverstanden gewesen wären. Schon die Brisanz der betroffenen Probleme verbiete eine solche A n n a h m e 3 1 0 . Der zuständige Minister müsse daher, wenn er seiner Verantwortung gerecht werden solle, alle Befugnisse haben, die ihm auch sonst zuständen, einschließlich der Befugnis in einem Verfahren, für das das Ministerium zuständig sei, selbst zu entscheiden oder, wenn eine nachgeordnete Behörde zuständig sei, dieser eine Weisung für die Entscheidung erteilen können. Andernfalls würde die politische Verantwortung des Ministers für das Geschehen in seinem Ressort i m Kern angetastet 311 . Indessen ist mehr als fraglich, ob dieser Ansicht gefolgt werden kann. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Art. 65 G G ebenso wie etwa Art. 102 Hess Verf. bewußt relativ unscharf gefaßt ist. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Verhältnisse innerhalb einer Regierung sich einer zuverlässigen Beurteilung entziehen. Verhaltensweisen, die in einer Regierung gewissermaßen selbstverständlich sind, erscheinen in einer anderen als v ö l l i g ausgeschlossen und unmöglich. Ebenso können Rechtsfragen, die in der einen nie und nimmer aktuell werden könnten, in einer anderen durchaus zum Ausgangspunkt erheblicher Streitigkeiten werden. Gerade in diesen Zusammenhängen wird die Abhängigkeit von den beteiligten Menschen, ihren Interessen und Fähigkeiten, ihrer Persönlichkeit und ihrem politischen Einfluß deutlich 3 1 2 . Aufgrund der genannten Eigentümlichkeiten stellt sich der Bereich der Regierung als einer dar, der am wenigsten typisierbar ist. Wegen dieser mangelnden Konkretisierbarkeit und Typisierbarkeit des Sachverhaltes ist eine konkrete Normierung kaum möglich. Bestimmungen wie Art. 65 GG sind aus diesem Grunde außerordentlich vage gehalten. Damit ist es aber auch der Verfassungsauslegung verwehrt, sie durch Interpretation dieser Eigenart zu berauben 3 1 3 . Denn diese relative Offenheit der Regelung soll einen 310 Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 235. su Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 236. 312 Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 65 Rn. 15. 313 Eschenburg, DÖV 1954, 193 ff., 195; Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 65 Rn. 15.
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Spielraum für die politische Betätigung der Regierungsmitglieder eröffnen. Dieser aber würde bei einer extensiven Verfassungsinterpretation verloren gehen. Die Statuierung von Pflichten des Kanzlers bzw. Ministerpräsidenten oder Minister zur persönlichen Wahrnehmung von Einflußmöglichkeiten in privaten, zur Verfolgung öffentlicher Interessen gegründeten Gesellschaften stellt nun nicht nur eine Überspannung des Begriffs der politischen Verantwortung gegenüber dem Parlament, sondern auch einen Verstoß gegen den zuvor angeführten Interpretationsgrundsatz dar. Der gerade offen zu haltende politische Gestaltungsspielraum wird in einem erheblichen Maße beschnitten, wenn bei politisch wichtigen staatlichen Beteiligungen an Gesellschaften, die Aufgaben der Daseinsvorsorge dienen, eine Delegierung der Wahrnehmung der
Einflußmöglichkeit
ausgeschlossen sein soll. Insbesondere wäre dann auch eine Berufung sachkundigerer Amtsträger ausgeschlossen. A u c h bei politisch brisanten Projekten muß dem entsprechenden Resortminister in dieser Hinsicht ein Entscheidungsspielraum verbleiben. I m übrigen ist zu beachten, daß die durch Art. 65 G G dem einzelnen Minister eingeräumte „Selbständigkeit" und seine „eigene Verantwortung" seine Stellung gegenüber dem Regierungschef betreffen, indem sie ihn vor konkreten Weisungen schützen 3 1 4 . Insbesondere ist es nicht zutreffend, daß die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Geschäfte seines Ressorts, ohne die der Minister seine Verantwortung nach außen hin nicht tragen könnte, aus verfassungsrechtlichen Gründen keinerlei Einschränkung zugänglich i s t 3 1 5 . Dies geht schon daraus hervor, daß die Ministerverantwortung nur soweit reichen kann, wie dies die Verfassung selber zuläßt. Es wurde aber bereits gezeigt, daß das Unbefangenheitsgebot, auch soweit es die funktionale Befangenheit erfaßt, selbst seine Grundlage i m Verfassungsrecht findet. Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip fordern hier ebenso wie ein effektiver Grundrechtsschutz i m Verfahren den Ausschluß des solchermaßen befangenen Amtsträgers. Damit gerät aber der Ausschlußtatbestand der Nr. 5 des § 20 I 1 V w V f G (und der § § 1 6 1 1 S G B - X , 82 I 1 A O '77) nicht mit der in Art. 65 G G niedergelegten demokratisch-parlamentarischen Ministerverantwortlichkeit in Widerspruch, so daß auch eine verfassungskonforme Auslegung dieser Norm i m Sinne von Kopp ausscheidet.
314 Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 65 Rn. 4; BVerwG, BayVBl. 1984, 631 ff., 633. 315 BVerwG, BayVBl. 1984, 631 ff., 633.
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C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten cc. Verdrängung des Mitwirkungsverbotes durch das Erfordernis der Sicherung angemessenen Einflusses der öffentlichen Hand nach § 65 I BHO? — Konkurrenzverhältnis zu sonstigen Vorschriften
Gegen die Anwendung des Ausschlußtatbestandes der Nr. 5 auf die Fälle der Doppelfunktionen von Amtsträgern wird schließlich eingewandt, daß die in § 65 I B H O und ähnlichen Vorschriften begründete Verpflichtung zur Entsendung von Vertretern in die Vorstände, Aufsichtsräte und ähnliche Organe von Gesellschaften, an denen der Bund, ein Land oder ein anderer Rechtsträger des öffentlichen Rechts beteiligt sei, durch die Nr. 5 nicht berührt werde, sondern umgekehrt in jedem Fall diesen Vorschriften vorgehe und ihre Anwendung ausschließe 316 . Begründet w i r d dies damit, daß es sich hier um gleichrangige Vorschriften handele und weder der Wortlaut noch die Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte dafür gäben, daß der Gesetzgeber sich bei dem Betätigungsverbot nach Nr. 5 bewußt gewesen sei, geschweige denn beabsichtigt habe, den Widerspruch in dem einen oder anderen Sinne zu lösen. Daher müsse der Sinn und Zweck der Vorschriften einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden. Während § 65 I Nr. 3 B H O und die entsprechenden Vorschriften des Landeshaushaltsrechts neben dem aller staatlichen Tätigkeit immanenten Zweck der Wahrung und Durchsetzung des allgemeinen öffentlichen Interesses vor allem den Zweck dienten, den Bestand, die zweckmäßige und zweckgemäße Nutzung und die Erhaltung der investierten öffentlichen M i t t e l zu gewährleisten, verfolgten die Regelungen der Interessenkollisionen den Zweck der Sicherung des sachgemäßen, unparteiischen Vollzugs der Gesetze und der Vermeidung sachfremder Einflüsse. Bei dem Vergleich der Normzwecke zeige sich, daß die Wahrnehmung der hier in Frage stehenden „amtlichen Interessen" nach den Wertungen der Rechtsordnung gerade gewollt sei. Die Lösung des wirklichen oder auch nur scheinbaren Normenkonflikts könne nur darin bestehen, § 65 I Nr. 3 B H O und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften als leges specialis gegenüber dem Ausschlußgrund der Nr. 5 anzusehen 3 1 7 . V o r dem Hintergrund dieser Argumentation führt Kopp noch weitere Vorschriften an, die ihren Zweck nur dann erfüllen könnten, wenn das Mitwirkungsverbot nicht anwendbar sei. Als Sondervorschriften in diesem Sinne sieht er i m Hinblick auf die von ihm als Beispiel genannte Landsiedlung Baden-Württemberg, die nach § 1 RSG, §§ 6 I I RSErgG i. V . m. 31 L L G ein Organ und damit wesentliches Instrument der Siedlung und Verbesserung der Agrar- und Infrastruktur ist, etwa deren M i t w i r k u n g nach dem FlurbG (§§ 18 I, 54 II, 99 II) und dem BauGB (§§ 159, 189 f.) a n 3 1 8 . 316 Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 237 ff. 317 Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 237 ff., 238. 318 Kopp, AgrarR 1984, 145 ff., 151 f.; Kopp, WiVerw. 1983, 226 ff., 239 f.
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Dieser Ansicht stehen jedoch methodische Bedenken entgegen. I m logischen Verhältnis der Spezialität stehen zwei Normen dann zueinander, wenn der A n wendungsbereich der spezielleren Norm v ö l l i g in dem der allgemeineren N o r m aufgeht, wenn also alle Fälle der spezielleren N o r m auch solche der allgemeinen Norm sind. Das ist der Fall, wenn der Tatbestand der spezielleren Norm alle Merkmale der allgemeineren N o r m und darüberhinaus noch mindestens ein zusätzliches Merkmal enthält 3 1 9 . Dies ist jedoch bei dem Verhältnis des verwaltungsverfahrensrechtlichen Ausschlußtatbestandes der Nr. 5 zu den vorstehenden Vorschriften nicht der Fall. Durch § 65 Β H O und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften soll lediglich ein angemessener Einfluß des Bundes bzw. des jeweiligen Landes auf ein privatrechtliches Unternehmen sichergestellt werden, was nach der Forderung des Bundesrechnungshofes durch die Entsendung von sachkundigen und aktiven Beamten realisiert werden s o l l 3 2 0 . A u f diesen Regelungszweck bezieht sich indessen das Betätigungsverbot nicht. Es läßt diesen Vorgang vielmehr völlig unberührt, denn § 65 I Nr. 3 B H O fordert weder seinen Wortlaut noch seinem Zweck nach, daß diese Beamten zugleich auch noch in einem entsprechenden Verwaltungsverfahren tätig werden sollen oder gar müssen. Insbesondere ist auch nicht anzunehmen, daß die öffentlichen Belange einer sachgerechten und sparsamen Haushaltsführung ausnahmslos durch den Minister persönlich und nicht in Einzelfällen seiner Verhinderung, etwa wegen eines gesetzlichen Betätigungsverbotes, auch durch den Staatssekretär oder einen leitenden Beamten hinreichend wahrgenommen werden k ö n n e n 3 2 1 . Sinngemäß gilt dies auch für die weiteren von K o p p angeführten Vorschriften. Auch hier ist es zur Aufgabenerfüllung solcher Einrichtungen nicht erforderlich, daß Amtsträger Doppelfunktionen wahrnehmen müssen. Als Ergebnis ist damit festzuhalten, daß zwischen dem Betätigungsververbot und den ins Feld geführten Vorschriften kein Verhältnis der Spezialität besteht. Die Rechtsfolgen der verschiedenen Vorschriften sind durchaus miteinander verträglich.
b. Die nachträgliche Aufgabe einer Funktion als Weg zur Wiedergewinnung der Handlungsfähigkeit eines Amtsträgers? Der Ausschlußgrund der Nr. 5 setzt voraus, daß die Organmitgliedschaft noch zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung besteht. W i r d daher die Organmitgliedschaft von einem Amtsträger vor diesem Zeitpunkt aufgegeben, so stellt sich die Frage, ob dieser nunmehr in dem nachfolgenden Verwaltungsverfahren tätig 319 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 256 f. 320 Wais, NJW 1982, 1263 ff., 1264. 321 BVerwG, BayVBl. 1984, 631 ff., 633.
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C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
werden darf. Das B V e r w G hat dies in einer neueren Entscheidung mit Blick auf die Fassung des Ausschlußgrundes der Nr. 6 im Grundsatz bejaht. Zwar wolle dieser Ausschlußtatbestand gerade Tätigkeiten erfassen, die zeitlich vor dem Beginn des Verwaltungsverfahrens lägen, für das der Ausschluß geprüft werde. Entscheidend sei jedoch, daß der Ausschlußgrund der Nr. 6 nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nur Tätigkeiten betreffe, die nicht in amtlicher Eigenschaft ausgeübt wurden. Eine frühere Tätigkeit in amtlicher Eigenschaft solle nach dem W i l l e n des Gesetzgebers nicht zu einem Ausschluß von einer weiteren Tätigkeit führen. Das Gesetz wolle vielmehr einem Amtsträger, der sich in eine mögliche Interessenkollision gestellt sehe, einen Weg eröffnen, seine amtliche Handlungsfähigkeit wiederzuerlangen. Das Tatbestandsmerkmal „ i n amtlicher Eigenschaft" meine dabei soviel wie „ i n Wahrnehmung seiner amtlicher Aufgaben". Amtsträger, die Organen privatrechtlicher Gesellschaften in ihrer Eigenschaft als Funktionsträger öffentlicher Verwaltung angehörten, seien daher nicht von dem Ausschlußgrund der Nr. 6 erfaßt, sondern unterlägen lediglich bei Hinzutreten weiterer Umstände dem Mitwirkungsverbot wegen einer Besorgnis der Befangenheit 3 2 2 . Es erscheint jedoch mehr als fraglich, ob diese Auffassung das gesetzgeberische Anliegen des Ausschlußtatbestandes der Nr. 6 richtig erfaßt. Nicht unter den Ausschlußgrund soll nur derjenige fallen, der innerhalb seiner amtlichen Eigenschaft bereits in der Angelegenheit tätig geworden ist. Den Begriff der amtlichen Eigenschaft erläutert die amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes dahingehend, daß eine Zugehörigkeit in amtlicher Eigenschaft immer nur dann vorliegt, wenn der betreffende Amtsträger aufgrund von Rechtsvorschriften in Zusammenhang mit seinem A m t in das Organ entsandt worden i s t 3 2 3 . Zwar spricht dies dafür, bei Vorliegen dieser Voraussetzungen die privatrechtliche Tätigkeit eines Amtsträgers in einem Unternehmensorgan als Tätigkeit in amtlicher Eigenschaft anzusehen. Gleichwohl ist diese Schlußfolgerung nicht anzustellen. Der RegE 1973 beinhaltete nämlich noch in den heutigen Nrn. 3 und 5 Mitwirkungsprivilegien für den Fall, daß die Vertretung bzw. Organmitgliedschaft in amtlicher Eigenschaft erfolgte. Diese Mitwirkungsprivilegien wurden aber gerade nicht Gesetz, weil sie als zu weitgehend erschienen. Lediglich in der Nr. 6 wurde der Begriff der amtlichen Eigenschaft als negatives Abgrenzungskriterium beibehalten. V o r dem Hintergrund der dargestellten Änderung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens erscheint es nun nicht angängig, den dort verwendeten Begriff ebenso zu interpretieren, wie i m Rahmen der ursprünglich beabsichtigten Mitwirkungsprivilegien. Zu bedenken ist nämlich, daß der Begriff der „amtlichen Eigenschaft" ursprünglich 322 BVerwG, DVB1. 1987, 573 ff., 579. 323 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, B T / Drucksache 7/910, S. 46 im Zusammenhang mit dem später gestrichenen Mitwirkungsprivileg der heutigen Nr. 5 des § 20 I 1 VwVfG. Vgl. dazu im übrigen auch unten II. 2. a.
I. Amtskonflikte im Verwaltungsverfahrensrecht
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nicht nur den gesamten Bereich der hoheitlichen Verwaltung, insbesondere jenen der Selbstkontrolle der Verwaltung, aus dem Anwendungsbereich der heutigen Nr. 6 ausnehmen sollte, sondern auch gerade jenen Bereich, in denen die M i t w i r kungspriviligen nicht einschlägig waren, da die Vertretung bzw. Organmitgliedschaft bereits vor Beginn des Verfahrens beendet waren. Dem Begriff der amtlichen Eigenschaft lag daher in der ursprünglichen Fassung wegen der dort noch enthaltenen Mitwirkungsprivilegien ein weites Verständnis zugrunde. M i t der Streichung dieser Mitwirkungsprivilegien muß daher konsequenterweise auch eine Änderung der inhaltlichen Reichweite des Begriffs „amtliche Eigenschaft" verbunden sein. Deutlich wird dies daran, daß ansonsten ein systematischer Bruch in den Ausschlußgründen zu konstatieren ist. Während der Gesetzgeber einerseits mit der Streichung des Mitwirkungsprivilegs bei Organmitgliedschaften in amtlicher Eigenschaft eine Gleichstellung mit den Fällen anderer Organmitgliedschaften herstellen wollte, würde dieses Ziel i m Rahmen der Nr. 6 gerade verfehlt. Wäre nämlich die Organmitgliedschaft bereits vor Beginn des Verfahrens beendet, so würde dies bei einer amtlichen Wahrnehmung dieser Mitgliedschaft doch wiederum zu einer Privilegierung führen. Hier w i r d deutlich, daß i m Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens bei der Streichung der Mitwirkungsprivilegien keine Synchronisation zu dem Ausschlußgrund der Nr. 6 vorgenommen wurde. Dem kann auch nicht das v o m B V e r w G vorgebrachte Argument entgegengehalten werden, dem Amtsträger solle die Möglichkeit der Wiedererlangung der amtlichen Handlungsfähigkeit eingeräumt werden. Dienen nämlich die Ausschlußgründe der Sachgerechtigkeit der Verwaltungsentscheidung, so muß dieser Maßstab der entscheidende Aspekt sein. Insofern ist aber nach den vorausgegangenen Darlegungen nicht recht einsichtig, weshalb die Gefahrenlage für die Verwaltungsentscheidung hier nicht in dem gleichem Maße bestehen sollte, wie in dem Falle einer bloßen privaten Mitgliedschaft in einem Unternehmensorgan. Hier wie dort können die Interessen des Unternehmens auch weiterhin das Handeln des Amtsträgers bestimmen, wobei bereits früher erwähnt wurde, daß erst mit einem zeitlichen Abstand eine Interessendistanzierung die Regel sein wird324. Diesen Ungereimtheiten entgeht man nur, wenn man das Tatbestandsmerkmal der „amtlichen Eigenschaft" in der Weise interpretiert, daß damit nur die hoheitliche Vorbefassung mit der betreffenden Angelegenheit nicht dem Mitwirkungsverbot unterfallen soll. Die insoweit bestehende Privilegierung des mit der Angelegenheit schon in Berührung gekommenen Amtsträgers gewinnt dann einen spezifischen Sinn. Sie ist als Korrelat einer Einbindung des Amtsträgers in die von der Staatsverwaltung wahrzunehmenden öffentlichen Interessen bei dem erstmaligen Tätigwerden in der Angelegenheit zu denken, bei dem zwar ebenfalls 324 Kapitel C Erster Abschnitt VIII. 4. b. 12 Kazele
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C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
schon eine Festlegung in der Sache entstanden sein kann. Diese Voreingenommenheit würde jedoch aus einer Tätigkeit resultieren, die in die umfassende Abwägung aller in der Sache zu berücksichtigenden Belange eingebunden ist und nicht, wie in dem hier in Rede stehenden Fall, durch die einseitige Perspektive des (öffentlichen) Unternehmensinteresses bedingt sein 3 2 5 . Als Ergebnis ist daher festzuhalten, daß der Amtsträger bei einer Aufgabe der Organmitgliedschaft vor Verfahrenseinleitung der Ausschlußgrund der Nr. 6 der §§ 20 I 1 V w V f G e , 16 1 1 S G B - X und 80 I 1 A O '77 anzuwenden ist, da der Amtsträger seine Tätigkeit als Organmitglied zwar in Wahrnehmung seines amtlichen Aufgabenbereichs ausführt, er jedoch — sieht man von dem Sonderfall des beliehenen Unternehmens ab — dabei nur privatrechtlich, nicht aber in seinem hoheitlichen Aufgabenbereich tätig wird.
c. Die Fälle der Selbstkontrolle
der Verwaltung
Eine weitere Fallgruppe von Amtskonflikten sind die Fälle administrativer Selbstkontrolle. I n diesen Fällen steht nicht wie in den Fällen der Mehrfachfunktionen von Amtsträgern die Sachgerechtigkeit der Erstentscheidung, sondern die Qualität der Zweitentscheidung in Frage. Während es bei den zuvor diskutierten Amtskonflikten um die Gefahr einer von vornherein einseitigen Entscheidungsfindung infolge gleichzeitiger interessenverschiedener amtlicher Berührung des Amtsträgers mit dem Entscheidungsgegenstand ging, hat in den Fällen der Selbstkontrolle der Verwaltung dagegen auch bei Identität von zunächst agierendem und später kontrollierendem Amtsträger dieser stets dieselben öffentlichen Interessen wahrzunehmen. Insoweit steht hier nicht das Problem einer typischerweise drohenden Dominanz von Sonderinteressen, sondern das Problem der Selbstfestlegung des Amtsträgers durch die Erstentscheidung in ihren Auswirkungen auf die Zweitentscheidung i m M i t t e l p u n k t 3 2 6 . In §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O '77 sind jedoch bewußt nur die Amtskonflikte, die auf Mehrfachfunktionen von Amtsträgern beruhen, geregelt, nicht aber die Fälle der Selbstkontrolle der Verwaltung. Die M i t w i r k u n g in der Vorinstanz oder bei früherer Entscheidung wurde somit nicht als Ausschlußgrund aufgenommen. Die amtliche Begründung des E V w V f G verweist hier darauf, daß sich in Selbstverwaltungsangelegenheiten, bei denen regelmäßig die Selbstverwaltungsbehörde selbst über den Widerspruch entscheide (§ 7 3 1 Nr. 3 V w G O ) eine M i t w i r k u n g derjenigen, die an der Erstentscheidung beteiligt gewesen seien, auch bei der Widerspruchsentscheidung häufig nicht vermeiden lassen k ö n n e 3 2 7 . 325 Insoweit ist auch hier von Bedeutung, auf welche Weise öffentliche Interessen organisiert sind: vgl. oben Kapitel C Zweiter Abschnitt I. 2. a. aa. ccc. 326 Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 488. 327 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/910, S. 46.
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Diese Entscheidung des Gesetzgebers erscheint jedoch unter funktionalen Gesichtspunkten fragwürdig. Abgesehen davon, daß unter Praktikabilitätsaspekten, auf die die amtliche Begründung die Ausklammerung dieser Form von Amtskonflikten stützt, der völlige Verzicht auf die Erfassung der Fälle der Selbstkontrolle der Verwaltung nicht als geboten erscheint, stellt die Voreingenommenheit eines Amtsträgers durch eine zuvor von ihm getroffene Erstentscheidung eine typische Gefahrenlage für die Objektivität des Verwaltungshandelns und die Sachgemäßheit der Verwaltungsentscheidungen d a r 3 2 8 . Aus diesem Grund gehört zu den Grundsätzen jeder Prozeßordnung, daß Kläger und Richter, Untersuchungsrichter und erkennendes Gericht nicht identisch sein dürfen und daß dem Berufungsgericht kein Richter der ersten Instanz angehören d a r f 3 2 9 . I n diesem Streben nach Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit liegt letztlich die Funktionentrennung begründet. Der Kläger, der Untersuchungsrichter, der erstinstanzlich entscheidende Richter sind zwar nicht persönlich i m Sinne von privat interessiert, haben aber bereits mehr oder weniger feste Vorstellungen darüber, sind unvermeidlicherweise voreingenommen, eben befangen. Daher sind sie von den weiteren Entscheidungen kraft Gesetzes ausgeschlossen 330 . M a n kann dem auch nicht entgegenhalten, daß dies nur für Akte der Rechtsprechung zutreffe, nicht jedoch für solche der Verwaltung. Dies, wie der Gedanke, daß sich die Selbstkontrolle der Verwaltung gerade als Entscheidung in eigener Sache darstelle, die Verwaltung sich also selbst kontrolliere, sind aber offenbar die Ausgangspunkte für eine Entscheidung des BVerfG, wonach das Rechtsstaatsprinzip einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde über eigene Anträge und Rechtsbehelfe nicht entgegenstehe. Besonders kommunale Behörden, in deren Hand Selbstverwaltungs- und staatliche Auftragsangelegenheiten vereinigt seien, würden häufig in die Lage kommen, über eigene Anträge zu entscheiden. A u c h die vielfältige Gliederung der Verwaltung nicht nur in verschiedene Behörden, sondern innerhalb der Behörden in verschiedene Abteilungen, und die Wahrnehmung fiskalischer und hoheitlicher Funktionen müßten zu solchen Entscheidungen führen 3 3 1 . Die Tatsache jedoch, daß Verwaltungsakte, auch Beschwerde- oder Widerspruchsbescheide keine Akte der Rechtsprechung sind, rechtfertig ebensowenig eine unterschiedliche Sichtweise, wie der Verweis auf das Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den Behörden derselben Verwaltung und die damit verbundene Weisungsbefugnis. Denn Weisungen richten sich von oben nach unten und haben mit der Unzulässigkeit der Entscheidung über eine Beschwerde oder einen Widerspruch nichts zu t u n 3 3 2 . Insbesondere ist nicht einsichtig, wie 328 Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, S. 65 ff., 88. 329
Vgl. §§41 ZPO, 23 I StPO, 54 II, I I I VwGO; auch § 18 I Nr. 2, I I I BVerfGG. 330 Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, S. 65 ff., 88. 331 BVerfGE 3, 377 ff., 382. 332 Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, 65 ff., 94. 1*
C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
180
das B VerfG aus der Bezeichnung der Selbstkontrolle der Verwaltung als Entscheidung in eigener Sache die Ablehnung eines rechtsstaatlichen Prinzips herleitet, das einer Entscheidung über eigene Anträge und Rechtsbehelfe entgegenstehen soll. Auch die Justiz kontrolliert
„sich selbst" in den verschiedenen
Rechtszügen. Gleichwohl führt dieser Umstand nicht zur Ablehnung des Grundsatzes, niemand dürfe Richter in eigener Sache sein, sondern er begründet gerade umgekehrt das Verbot der Teilnahme eines Richters an verschiedenen Rechtszügen in derselben Sache 3 3 3 . Selbstkontrolle der Verwaltung mag Kontrolle der Verwaltung durch sich selbst bedeuten, aber nicht gerade auch durch dieselben Personen. Jede Kontrolle setzt schon begrifflich in der objektiven Welt den Dualismus zwischen Kontrollierten und Kontrollierenden voraus. Ohne diesen Dualismus ist sie eine sinnlose Wiederholung eines bereits entschiedenen Verfahrens 3 3 4 . V o r diesem Hintergrund hat nicht nur das Organisationsrecht durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß eine personelle Trennung erfolgt, vielmehr sollte unter rechtspolitischen Gesichtspunkten in dieser Hinsicht auch der Regelung der Verfahrensdurchführung eine Bedeutung in der Weise zukommen, daß in der M i t w i r k u n g in der Vorinstanz oder bei früherer Entscheidung ein rechtlich beachtlicher Verfahrensfehler liegt. Der Verzicht der Erstreckung des Betätigungsverbotes auf die Fälle der Selbstkontrolle der Verwaltung erweist sich daher als eine Schwachstelle der Kodifizierung des Unbefangenheitsgebotes. Der Vorschlag, diesen Mangel der gesetzlichen Regelung durch eine Analogie zu den §§ 54 I I V w G O , 60 I I SGG, 51 I I FGO, wonach haupt- und ehrenamtliche Richter von der Amtsausübung ausgeschlossen sind, wenn sie in einem vorausgegangen Verwaltungsverfahren mitgewirkt haben, zu überwinden 3 3 5 , kann nicht gefolgt werden. Denn Rechtslücken können nicht einfach mit Mängeln des positiven Rechts gleichgesetzt werden. Ob eine Regelungslücke vorliegt, kann nur vom Standpunkt des Gesetzes selbst und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht beurteilt werden. Als Gesetzeslücke kann danach nur die planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes angesehen werden 3 3 6 . Nach den vorangegangenen Bemerkungen liegt eine solche Planwidrigkeit hier gerade nicht vor. Dem Regelungsplan des Gesetzes zufolge sollten die Fälle der Selbstkontrolle der Verwaltung gerade nicht erfaßt werden. Der rechtspolitische Mangel der Regelung kann daher nicht i m Wege der Rechtsfortbildung geschlossen werden, erforderlich ist vielmehr eine Entscheidung des Gesetzgebers 337 . Inwieweit hier eine Korrektur über die Befangenheitstatbestände der Besorgnis der Befangenheit erfolgen kann, wird an späterer Stelle zu untersuchen sein 3 3 8 . 333 334 335 336 337
Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, 65 ff., Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, 65 ff., Thelen, DAngVers. 1980, 312 ff., 314. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft,
94. 94. S. 354 ff., 355, 358. S. 358.
II. Amtskonflikte im Gemeinderecht
181
I I . Die Regelung von Amtskonflikten auf dem Gebiet des Gemeindeverfassungsrechts 1. Die grundsätzliche Geltung des Mitwirkungsverbots für alle Arten des Interessenwiderstreits Nachdem zuvor die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen der Interesssenkollision daraufhin untersucht wurden, ob sie neben den Widerstreit mit privaten Interessen auch die Kollision öffentlich-rechtlicher Interessen erfassen, ist nunmehr das kommunalrechtliche Mitwirkungsverbot unter diesem Gesichtspunkt zu untersuchen. a. Der Ausschlußtatbestand
der entgeltlichen
Beschäftigung
aa. Die Einbeziehung öffentlicher Bediensteter Während bisher einmütig die Ansicht vertreten wurde, auch der Widerstreit amtlicher Interessen mache eine M i t w i r k u n g unzulässig, w i l l eine neuere Ansicht diese Frage bei öffentlichen Bediensteten als Gemeindevertreter verneinen. A u f dem Boden der Alimentationstheorie stehend wird dies zunächst aus dem Begriff „ Entgelt" abgeleitet. Der Beamte trete in ein dauerndes, nicht kündbares Rechtsverhältnis zum Staat, kraft dessen er seine ganzen Kräfte in dessen Dienst zu stellen habe, wogegen der Staat die Verpflichtung übernehme, ihm den standesgemäßen Unterhalt für sich und seine Familie zu gewähren. Das Diensteinkommen habe hiernach die Natur der Alimente, es sei eine für die Dauer des Amtes gewährte, standesgemäße Unterhaltsrente 3 3 9 . Alimentation und Entgelt seien A l ternativen, keine sich deckenden Begriffe 3 4 0 . Bestätigt werde dies durch die Entstehungsgeschichte des gemeindlichen Mitwirkungsverbotes. § 25 D G O als dessen Vorläufer sei zu einer Zeit erlassen worden, in der die Alimentationstheorie noch unbestrittener gewesen sei als heute. M i t dem Ausschluß der „gegen Entgelt beschäftigten" Personen sollten nun all jene getroffen werden, die von Personen, welche an der Angelegenheit ein zum Mitwirkungsverbot führendes Interesse hätten, wirtschaftlich abhängig seien. Beamte aber seien aufgrund des Alimentationsgrundsatzes gerade nicht wirtschaftlich abhängig 3 4 1 . Schließlich sei das Beamtenverhältnis durch eine besondere Pflichtenbindung gekennzeichnet. Seine Aufgabe sei als Dienst für das öffentliche W o h l anzusehen und deshalb mit der Tätigkeit eines Angestellten oder Arbeiters eines erwerb- und gewinnorientierten Betriebs der Privatwirtschaft nicht zu vergleichen 3 4 2 . Dies müsse 338 Siehe Kapitel E. IV. 2. 339 Blum, DÖV 1977, 507 ff., 510; Stüer, Städte- und Gemeinderat 1977, 169 ff., 170. 340 Blum, DÖV 1977, 507 ff., 511. 341 Blum, DÖV 1977, 507 ff., 510. 342 Blum, DÖV 1977,507 ff., 508; so insbesondere auch Stüer, Städte- und Gemeinderat 1977, 169 ff., 171.
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C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
zumindest auch auf die öffentlichen Angestellten übertragen werden, nicht nur wegen ihrer öffentlichen Aufgabe, sondern auch unter dem Aspekt des Alimentationsprinzips. Zwar gelte dieses Prinzip hier nicht i m eigentlichen Sinne, doch sei insoweit eine Angleichung ihrer Stellung festzustellen 3 4 3 . I m übrigen sei zu berücksichtigen, daß in einer zentralgeführten überschaubaren Organisation der Privatwirtschaft dem Arbeitgeber durch eine direkte Weisungsbefugnis Einflußmöglichkeiten eröffnet seien, die der öffentlichen Verwaltung mit ihren ζ. T. weitgehend selbständigen, vielfach untereinander weisungsunabhängigen Behörden und Abteilungen nicht zur Verfügung stünden 3 4 4 . Gegenüber dieser Auffasssung bestehen jedoch eine Reihe von Einwänden. Fragwürdig erscheint zunächst, ob dem Alimentationsprinzip in diesem Zusammenhang ein derartiger Stellenwert beigemessen werden kann. Unabhängig davon, daß der Begriff der Alimentation ohnehin umstritten und eine Tendenz hin zum Besoldungsprinzip feststellbar i s t 3 4 5 , läßt sich aus dem Wortsinn des Begriffs „Entgelt" nichts für die Auslegung von B l u m herleiten 3 4 6 . Nicht nur, daß auf der Grundlage des erwähnten Besoldungsprinzips die Besoldung des Beamten als ein öffentlich-rechtliches Entgelt verstanden werden kann, zeigt dies, sondern auch die Verwendung dieses Begriffs in den entsprechenden Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts. Dort kann, wie e contrario aus der Ausnahmeregelung des Ausschlußtatbestandes der Nrn. 5 HS 2 hervorgeht, nicht zweifelhaft sein, daß auch öffentliche Bedienstete unter das Mitwirkungsverbot fallen. A u c h aus der Entstehungsgeschichte kann nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. So lassen sich die von B l u m zitierten Stellungnahmen 3 4 7 durchaus in dem Sinne verstehen, daß bereits der historische Gesetzgeber eine Einbeziehung öffentlicher Bediensteter in den Ausschlußtatbestand vornehmen wollte, jedenfalls aber findet sich in den angeführten Kommentar- und Literaturstellen keine ausdrücklich dem entgegengesetzte Position. I m übrigen hatte namentlich das P r O V G in ständiger Rechtsprechung über spezialgesetzliche Regelungen hinaus nicht nur ein allgemeines Handlungsverbot bei sog. persönlicher Beteiligung des Amtsträgers, sondern auch den Amtskonflikt als Anwendungsfall dieses Rechtsgrundsatzes anerkannt 3 4 8 . Schließlich sprechen auch teleologisch-funktionale Gesichtspunkte gegen die dargestellte Ansicht. Der Sinn und Zweck des Mitwirkungsverbotes geht bei der von B l u m und Stüer vertretenen Ansicht gänzlich unter. Daß der Gedanke der 343 Blum, DÖV 1977, 507 ff., 511. 344 stüer, Städte- und Gemeinderat 1977, 169 ff., 171. 345 Summer / Rometsch, ZBR 1981,1 ff., 9 ff.; Kopp, in: Arndt / Kopp / u. a., Besonderes Verwaltungsrecht, I I I C II. 2. Rn. 102. 346 Spieß, DVB1. 1986, 131 ff., 133. 347 Blum, DÖV 1977, 507 ff., 510-512. 348 H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. V und XIV; vgl. auch Scheuing, NVwZ 1982, 487 ff., 488, jeweils mit Nachweisen zur Rspr. des PrOVG.
183
II. Amtskonflikte im Gemeinderecht
Interessenidentität, der zur Rechtfertigung der Beschränkung auf die Kollision des öffentlichen Interesses mit privaten Interessen auftaucht, nicht durchschlagend ist, wurde bereits i m Rahmen der Behandlung der Amtskonflikte auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts dargelegt und bedarf hier keines neuen Nachweises mehr. Kann somit auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts ein eigenes, v o m allgemeinen Interesse 3 4 9 abweichendes Sonderinteresse haben, so fordert die allgemeine Befangenheitsregelung des § 25 I 1 Nr. 4 H G O den
Ausschluß
auch
der
bei
dieser
Person
gegen
Entgelt
öffentlichen
Beschäftigten 3 5 0 . Das Vermeiden des Entstehens von Gewissenskonflikten bei den öffentlich Bediensteten ist hier ebenso einschlägig wie einer der anderen mit der Sicherung der Objektivität und Sachgemäßheit der Verwaltung verbundenen Schutzzwecke des Unbefangenheitsgebotes. Unterstrichen w i r d dies, wenn berücksichtigt wird, daß der hier fragliche Ausschlußgrund keineswegs nur auf die Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes abstellt, sondern auch Beeinflussungen, die durch die Erwartung von Benachteiligungen oder die Gewährung von Vergünstigungen seitens des Arbeitgebers entstehen können, verhindern w i l l . Derartige Bevorzugungs- und Benachteiligungsmöglichkeiten in bezug auf die berufliche Stellung und das berufliche Fortkommen
sind
aber
auch
im
Rahmen
eines
Beamtenververhältnisses
denkbar 3 5 1 . Insbesondere ist es möglich, daß auch der öffentlich Bedienstete in dem Bewußtsein handelt, solche Vergünstigungen würden ihm gewährt, wenn er sich in der in Frage stehenden Angelegenheit in bestimmter Weise verhalte.
bb. Zur Reichweite der Einbeziehung öffentlicher Bediensteter Sind danach auch öffentliche Bedienstete in den Kreis der von dem M i t w i r kungsverbot Betroffenen einzubeziehen, so stellt sich die Frage nach der Reichweite dieser Einbeziehung.
aaa. Allgemeines Eine Eingrenzung tritt zunächst durch das Erfordernis ein, daß die Anstellungskörperschaft zumindest potentiell durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil in der fraglichen Angelegenheit erlangt. Diesem Erfordernis ist nach den obigen Darlegungen zum Begriff des unmittelbaren Vor- oder 349 Das allgemeine Interesse oder Gemeinwohl darf hier nicht als Summe öffentliche Sonderinteressen mißverstanden werden. Vielmehr bezieht sich dieser Begriff jeweils auf das Produkt des Verfahrens, daß einen umfassenden Ausgleich aller tangierten (öffentlichen wie privaten) Interessen zum Inhalt haben muß; vgl. Kapitel A II. 350 Spieß, DVB1. 1986, 131 ff., 134; in diesem Sinne auch Röper, DÖV 1977, 166 ff., 167. 351 Theisen/Klein, VR 1977, 316 ff., 318.
184
C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
Nachteils nur dann genügt, wenn sich die Anstellungskörperschaft in einer der Beteiligtenstellung des Verwaltungsverfahrensrechts vergleichbaren Situation i m Hinblick zum Verfahrensgegenstand befindet. Ein unter dieser Schwelle bestehendes, allgemeines
Interesse
an der Angelegenheit
ist auch hier
nicht
ausreichend 3 5 2 . Eine Kommentaransicht w i l l aus dem zu ziehenden Vergleich zu der Betroffenheit einer Privatperson eine Einschränkung herleiten. Ihr zufolge könnten solche unmittelbare Vor- oder Nachteile dem Bund oder Land nur dann entstehen, wenn sie für diese so gewertet müßten wie für eine Privatperson. Daraus w i r d nun der Schluß gezogen, dies sei nur der Fall, wenn fiskalische Interessen des Landes oder des Bundes, etwa als Grundstückseigentümer oder -erwerber, berührt seien, nicht jedoch, wenn eine Entscheidung den hoheitlichen Aufgabenbereich des Landes oder Bundes betreffe 3 5 3 . Indessen ist es fraglich, ob diese Beschränkung auf den Bereich der fiskalischen Interessen sachlich gerechtfertigt ist. In diesem Zusammenhang muß die organisatorische Aufgabenverteilung auf unterschiedliche Behörden und Dienststellen der jeweiligen Anstellungskörperschaft berücksichtigt werden. Sie führt zu einer Entstehung von Organisationszielen in bezug auf einzelne hoheitliche Aufgabenbereiche 3 5 4 . Diese organisatorischen Interessen sind nun keineswegs deckungsgleich mit dem Begriff des Gemeinwohls, sondern lediglich ein (wenn auch gewichtiges) Element, daß in eine umfassende Abwägung aller relevanten Belange einzustellen ist. Damit können aber auch derartige organisatorische Interessen der Anstellungskörperschaft in ihrem hoheitlichen Bereich ebenso zu unmittelbaren Vor- oder Nachteilsmöglichkeiten durch eine Entscheidung der kommunalen Angelegenheit führen, wie dies auch bei der Berührung ihrer fiskalischen Belange möglich ist. So w i r d etwa ein Interessengegensatz i m hoheitlichen Bereich dann bestehen, wenn Behörden der Anstellungskörperschaft politisch brisante Entscheidungen durchzusetzen haben, die auch die Belange der Kommunen berühren355. Deutlich w i r d dies insbesondere, wenn man i m Rahmen des Unmittelbarkeitsbegriffs auf den materiellen Regelungsgehalt der anstehenden Entscheidung abstellt. Hier kann nicht zweifelhaft sein, daß auch einem ganz bestimmten hoheitlichen Aufgabenbereich ein Sondervorteil oder -nachteil durch eine Entscheidung der Gemeindevertretung entstehen kann. Einen Beleg für die Beachtlichkeit der aus der Berührung des hoheitlichen Aufgabenbereichs mit der zur Entscheidung stehenden Angelegenheit resultierenden Amtskonflikte liefert auch die Regelung 352 in diesem Sinne auch Kunze / Bronner / Katz, GO BaWü, § 18 Rn. 13; Theisen/ Klein, VR 316 ff., 317. 353 Kunze / Bronner / Katz, GO BaWü, § 18 Rn. 13; im Ergebnis ebenso Kottenberg / Rehn, GO NrW, § 23 Anm. I I I 1. 354 Steinberg, DÖV 1982, 619 ff., 627. 355 Spieß, DVB1. 1986, 131 ff., 135.
II. Amtskonflikte im Gemeinderecht
185
des § 136 V H G O , wonach der Landrat nicht als Aufsichtsbehörde entscheiden darf, wenn in der Angelegenheit der Kreis beteiligt ist. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, daß unabhängig von dem Aufgabenbereich der Anstellungskörperschaft ihre öffentlichen Bediensteten stets dann ausgeschlossen sind, wenn jene in bezug auf den Verfahrensgegenstand ein der verwaltungsverfahrensrechtlichen Beteiligtenstellung vergleichbares Sonderinteresse hat. Neben dem Erfordernis eines unmittelbaren Sonderinteresses der Anstellungskörperschaft an der Angelegenheit w i r d eine Einengung des Kreises der Betroffenen auch durch den Umstand erreicht, daß das entgeltliche Beschäftigungsverhältnis in § 25 I 1 Nr. 4 H G O nicht mehr als ein absoluter Befangenheitsgrund ausgestaltet ist. Nach den schon oben genannten Kriterien muß der Amts- und Mandatsträger enge Beziehungen zu dem Teilbereich der körperschaftlichen Verwaltung haben, bei dem sich der Vor- oder Nachteil auswirken kann. Er muß in dieser Hinsicht als in dieses Sonderinteressen eingebunden betrachtet werden können. Diese zum Ausschluß führende Sachnähe ist bei Bediensteten von Bund und Land nicht schon dann gegeben, wenn für die Beschäftigungskörperschaft schlechthin ein Sondervor- oder Sondernachteil möglich erscheint. Wegen der starken Aufgliederung und organisatorischen Verselbständigung der staatlichen Verwaltung w i r d ein Interessenwiderstreit regelmäßig zu verneinen sein, wenn das Ressort der Beschäftigungsbehörde nicht berührt ist. I m Grundsatz w i r d der Ausschluß auf den Fall zu beschränken sein, daß die eigene Behörde betroffen ist356. bbb. Analoge Anwendung der Ausnahmeregelung des Verwaltungsverfahrensrecht s? Problematisch ist die Frage der Reichweite des Ausschlusses öffentlicher Bediensteter dann, wenn die Gemeinde selbst durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil erlangen kann und die M i t w i r k u n g eines Gemeindebediensteten in Rede steht. V o n Bedeutung ist dies nach den vorangegangenen Darlegungen regelmäßig bei einer hoheitlich-fiskalischen Interessenkollision 3 5 7 . Die H G O enthält in diesen Fällen keine den Regelungen des Abs. I 1 Nr. 5 HS 2 der §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O '77 vergleichbare Ausnahmen. Insoweit liegt der Gedanke an eine Analogie zu dieser Ausnahmeregelung nahe. Allerdings ist zweifelhaft, ob eine Analogiebasis gegeben ist. Denn § 25 I 1 Nr. 4 H G O macht den Ausschluß i m Gegensatz zu den verwaltungsver356 Kunze/Bronner/Katz, GO BaWü, § 18 Rn. 13; OVG Koblenz, NVwZ 1984, 670; Polenz, Kommunalpolitische Blätter 1977, 79 f., 80. 357 Kube, DVB1. 1971, 204 ff., 206 (mit einer nach den obigen Darlegungen zum Anwendungsbereich der Befangenheitsregelungen und der unmittelbaren Vor- und Nachteilsmöglichkeiten nicht haltbaren Annahme, ein Mitwirkungsverbot sei in diesen Fällen nur bei Ermessensentscheidungen und nicht-förmlichen Verwaltungsverfahren gegeben.).
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C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
fahrensrechtlichen Regelungen von einer Prüfung des Einzelfalls abhängig. Ruft man sich femer die verfassungskonforme Auslegung der Ausnahmeregelung der Nr. 5 HS 2 ins Gedächtnis, wonach eine personelle Funktionentrennung erforderlich i s t 3 5 8 , so ergibt sich eine mangelnde Vergleichbarkeit der Regelungszusammenhänge. Liegt nämlich eine personelle Funktionentrennung in diesem Sinne vor, so fehlt es auch an der konkreten Befangenheitssituation nach § 25 I 1 Nr. 4 H G O . Infolgedessen werden Lahmlegungseffekte bereits durch die konkrete Befangenheitsprüfung, die i m Rahmen der H G O erforderlich ist, vermieden, so daß eine Analogie zum Verwaltungsverfahrensrecht überflüssig ist.
b. Vertretung
in amtlicher
Eigenschaft
Nach den vorangegegangen Ausführungen kann es auf das Mitwirkungsverbot keine Auswirkung haben, ob die vertretene juristische Person dem Privat- oder dem öffentlichen Recht angehört. Der Ausschluß eines Vertreters kommt also auch dann in Betracht, wenn es sich bei der betreffenden juristischen Person u m eine andere Gebietskörperschaft handelt 3 5 9 . Die dabei gemachte Einschränkung folgt aus einer teleologischen Reduktion. Andernfalls wäre auch der Bürgermeister, der die Gemeinde nach § 7 1 1 H G O nach außen vertritt, von der Beratung und Abstimmung über gemeindliche Angelegenheiten ausgeschlossen, obwohl hier gerade keine Kollision des Amtes mit dem VertretungsVerhältnis festgestellt werden kann.
2. Das Mitwirkungsprivileg bei Organmitgliedschaften Gemäß § 25 11 Nr. 5 HS 2 H G O sind Amts- und Mandatsträger der Gemeinde, die bei einer juristischen Person oder Vereinigung als Mitglieder von Kontrollund Leitungsorganen tätig sind, dann nicht von der Beratung und Entscheidung in einer Angelegenheit ausgeschlossen, wenn sie diesem Organ als Vertreter der Gemeinde angehören oder von dieser in das Organ entsandt worden sind. M i t dem Ausspruch dieses Mitwirkungsprivilegs wird bereits deutlich, daß dieser Ausschlußtatbestand, wie sich nach den vorangegangenen Erörterungen schon aus dessen Sinn und Zweck ergibt, auch die Mitgliedschaft in amtlicher Eigenschaft in diesen Organen erfassen w i l l . V o r diesem Hintergrund ist nun näher zu untersuchen, wann ein ehren- oder hauptamtlich Tätiger als Vertreter der Gemeinde oder als von dieser in das Organ Entsandter angesehen werden kann. Dabei ist das Mitwirkungsprivileg des § 25 I 1 Nr. 5 HS 2 H G O in engem Zusammenhang mit § 125 H G O zu sehen, der 358 Vgl. Kapitel C Zweiter Abschnitt I. 1. 359 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 164; Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 72; Masson/ Samper, Bay. Kommunalgesetze, Art. 49 GO Rn. 10.
II. Amtskonflikte im Gemeinderecht
187
die Vertretung der Gemeinde in den Organen wirtschaftlicher Unternehmen regelt. In Hessen verbleibt es insoweit bei den allgemeinen Vertretungsregeln, wobei nach § 125 I 2 H G O eine Untervertretung möglich i s t 3 6 0 . I m folgendem ist zwischen der Rechtslage bei den wirtschaftlichen Unternehmen des privaten und des öffentlichen Rechts zu differenzieren.
a. Die Rechtslage bei den wirtschaftlichen des privaten Rechts
Unternehmen
Da sich die Gemeinden nach § 122 I 1 Nr. 2 H G O — vorbehaltlich der Dispensmöglichkeit des § 122 I 2 H G O — nur an wirtschaftlichen Unternehmen beteiligen können, wenn für die Beteiligung eine Form gewählt wird, die die Haftung auf einen bestimmten Betrag begrenzt, kommen bei den privatrechtlichen Unternehmen als mögliche Rechtsformen in Betracht: A G , GmbH, eG mbH, K G a A , sowie die Stellung eines Kommanditisten innerhalb einer K G . Wegen der beschränkten Einflußmöglichkeit der Gemeinde bei einer eingetragenen Genossenschaft mit beschränkter Haftung und als Kommanditist werden diese Rechtsformen jedoch nur selten gewählt 3 6 1 . I m folgendem soll daher die Betrachtung auf die in der Praxis wichtigen Gesellschaftsformen der A G und G m b H beschränkt werden. aa. Vertreter und Entsandte in den verschiedenen Unternehmensorganen aaa. Gesellschafter-
und
Hauptversammlung
Besitzt die Gemeinde alle oder einzelne Anteile an einem rechtsfähigen Wirtschaftsunternehmen, also Aktien oder GmbH-Anteile, so vollzieht sich die Rechtsausübung durch Stimmabgabe. Die Wahrnehmung der Stimmrechte in der Haupt- oder Gesellschafterversammlung ist Aufgabe des Gemeindevorstandes. Erklärungen sind durch den Bürgermeister oder dessen Vertreter abzugeben, wobei nach den allgemeinen Regeln über die Außenvertretung auch andere Bedienstete sowie außenstehende Bevollmächtigte mit der Stimmabgabe beauftragt werden können 3 6 2 . Der damit umrissene Personenkreis kann jedoch nur dann als Vertreter oder Entsandte der Gemeinde angesehen werden, wenn die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung als ein dem Vorstand oder Aufsichtsrat gleichartiges Organ angesehen werden kann. Blickt man zunächst lediglich isoliert auf die Kompetenzen von Haupt- und Gesellschafterversammlung und bestimmt man auf diese Weise, ob diese Organe 360 Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 713. 361 Buhren, VR 1977, 342 ff., 342; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 716. 362 H. und D. Schlempp, HGO, § 125 Anm. III.
188
C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
vergleichbare Leitungs- oder Kontrollorgane darstellen, so ergibt sich folgendes Bild. Zwar stellt die Hauptversammlung das oberste Organ der A G dar, doch ist ihre Bedeutung dadurch eingeschränkt, daß ihr die Verfügung über die Verteilung von Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Organen der A G weitgehend entzogen ist. Aufgrund der zwingenden Zuständigkeitsverteilung bleibt daher auch für die Einräumung zusätzlicher Befugnisse nach § 119 I A k t G in der Satzung nur ein schmaler R a u m 3 6 3 . Die Kompetenz der Hauptversammlung umfaßt die Grundlagenzuständigkeit, während sie auf die Führung laufender Geschäfte nahezu keinen Einfluß ausüben kann. Folglich kann sie nicht als Leitungsorgan, sondern lediglich als Aufsichtsorgan angesehen werden. Die insoweit bestehende Kontrollfunktion drückt sich insbesondere in der Wahl und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder (§ 119 I Nr. 1 A k t G ) , der Wahl der Abschlußprüfer (§§ 119 I Nr. 5, 163 A k t G ) und der — allerdings wegen § 120 I I A k t G eher symbolischen 3 6 4 — Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates (§ 119 I Nr. 3 A k t G ) aus. V o r dem Hintergrund dieser Kontrollfunktion könnte die Hauptversammlung einer A G durchaus als ein gleichartiges Organ i m Sinne des Ausschlußgrundes der Nr. 5 angesehen werden 3 6 5 . Z u dem gleichen Ergebnis führt die Betrachtung der Kompetenzen der Gesellschafterversammlung einer GmbH. Z u berücksichtigen ist insofern insbesondere ihre weiterreichende Zuständigkeit. So können die Gesellschafter über dieses Organ auch ohne satzungsmäßige Ermächtigung den Geschäftsführern verbindliche Weisungen (§ 37 I I G m b H G ) erteilen und sich damit maßgeblich an der Leitung des Unternehmens beteiligen 3 6 6 . Fraglich ist jedoch, ob diese isolierte Betrachtungsweise dem Gesetzestext gerecht wird. Nach dem Ausschlußgrund der Nr. 5 ist ausgeschlossen, wer bei einer mit einem Sonderinteresse befrachteten juristischen Person als M i t g l i e d des Vorstandes, des Aufsichtsrats oder eines gleichartigen Organs tätig ist. Die Ausübung der Mitgliedsrechte der Aktionäre bzw. Gesellschafter auf der Hauptbzw. Gesellschafterversammlung müßte also als Tätigkeit bei der juristischen Person als M i t g l i e d eines gleichartigen Organ zu qualifizieren sein. Dies erscheint aber bereits begrifflich als ausgeschlossen. Denn die Umschreibung „bei einer juristischen Person tätig" bezieht sich seinem Wortlaut nach auf ein Rechtsverhältnis, daß durch die Tätigkeit in dem entsprechenden Organ zu der juristischen Person aufgerichtet wird. Belegt w i r d dies i m Hinblick auf den Ausschlußgrund der entgeltlichen Beschäftigung, wo eine vergleichbare Formulierung verwandt wird. Nichts anderes ergibt sich, wenn die Tätigkeit eines Vorstandsmitgliedes 363 Kübler, Gesellschaftsrecht, § 15 V 1. 364 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 16 I 2 c. 365 So ohne Begründung: Ziegler, Der Gemeindehaushalt 1975, 61 f., 62; wohl auch Buhren, VR 1977, 342 ff., 343. 366 Kübler, Gesellschaftsrecht, § 17 V 2 a.
II. Amtskonflikte im Gemeinderecht
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oder eines Mitgliedes des Aufsichtsrats betrachtet wird. So beruht die Anstellung des Vorstandes auf einem zwischen dem Aufsichtsrat ( § 1 1 2 A k t G ) und dem einzelnen Vorstandsmitglied abgeschlossenen Schuldvertrag (regelmäßig ein Dienstvertrag im Sinne des § 611 B G B ) , in dem sich dieses gegenüber der A G zur Leistung der Geschäftsführertätigkeit verpflichtet 3 6 7 . Auch durch die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied entsteht zwischen diesem und der A G ein Schuldverhältnis, das auf zwingenden gesetzlichen Vorschriften beruht und durch Satzung u n d / o d e r Vertrag ergänzt werden k a n n 3 6 8 . Ein auch nur i m Ansatz vergleichbares Schuldverhältnis w i r d durch die Ausübung der Rechte der Aktionäre bzw. Gesellschafter in der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung nicht begründet. Zudem ist auch die Qualität des Tätigwerdens verschieden. Während sich Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder an den bestehenden Unternehmenszweck auszurichten haben, definieren Aktionäre und Gesellschafter durch ihr gemeinschaftliches Zusammenwirken eben jenen Unternehmenszweck und legitimieren das Handeln der anderen Unternehmensorgane. Ebensowenig wie etwa ein Bürger einer Gemeinde durch die Abgabe seiner Stimme bei der Kommunalwahl „bei der Gemeinde" tätig wird, werden Aktionäre bzw. Gesellschafter bei der Ausübung ihrer Rechte in der Haupt- und Gesellschafterversammlung „bei der juristischen Person" tätig. Die Auslegung des Begriffs „gleichartiges Organ" i m Kontext des Ausschlußgrundes der Nr. 5 hat daher zur Folge, daß in der Haupt- oder Gesellschafterversammlung für die Gemeinde auftretende Mitglieder schon nicht unter das M i t w i r kungsverbot des § 25 I 1 Nr. 5 HS 1 H G O fallen. Das Mitwirkungsprivileg des Halbsatzes 2 spielt daher für sie unter diesem Gesichtspunkt keine Rolle. Bedeutung gewinnt dieses nur für exponierte Repräsentanten einer juristischen Person, die ihrem Auftrag gemäß an die von den Gesellschaftern vorgegebenen Unternehmensinteressen gebunden sind. Bestätigt w i r d dieses Ergebnis noch durch den Gedanken, daß i m anderem Fall etwa auch die (regelmäßig) breite Masse der Aktionäre aufgrund der Ausübung ihrer Verwaltungsrechte i m Rahmen der Hauptversammlung durch das Mitwirkungsverbot erfaßt würden. Der Ausschluß von Kleinaktionären — i m Extremfall dürfte auch ein Amts- und Mandatsträger nicht mitwirken, der lediglich eine Aktie eines Großunternehmens besitzt — erscheint jedoch unter Berücksichtigung der die Befangenheitsvorschriften kennzeichnenden Gefahrenlage als unangemessen.
367
Vgl. nur Kübler, Gesellschaftsrecht, § 15 I I I 2 b; entsprechendes gilt für den Geschäftsführer einer GmbH: Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften § 32 I I I 2 a. 368 Kübler, Gesellschaftsrecht, § 15 IV 3; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 V I 1.
190 bbb. Vertreter
C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten und Entsandte im Vorstand bzw. Aufsichtsrat
Ohne Rücksicht auf die Höhe ihrer Anteile und die Mehrheitsverhältnisse kann sich die Gemeinde einen höheren Grad der Einflußnahme auf die Geschäftsbzw. Aufsichtsführung eines Unternehmens sichern, wenn ihr unabhängig von den durch die Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung zu wählenden Organpersonen in der Satzung, dem Gesellschaftsvertrag oder einer sonstigen Vereinbarung das Recht eingeräumt ist, in die Unternehmensorgane Mitglieder zu entsenden. Das in dieser Weise eingeräumte Entsendungsrecht
wird durch den
Gemeindevorstand ausgeübt. Soweit es sich dabei um den internen Vorgang der Auswahl und Benennung der zu entsendenden Vertreter durch den Gemeindevorstand geht, handelt es sich nicht um eine Sachentscheidung, sondern um eine Stellenbesetzung, die gemäß § 67 I I H G O durch eine Wahl i m Sinne des § 55 H G O zu erfolgen h a t 3 6 9 . α ) Aufsichtsorgane Bei der Rechtsform der A G kann die Satzung der Gesellschaft nach § 101 I I A k t G einer Gemeinde als Aktionärin das Recht einräumen, Mitglieder direkt in den Aufsichtsrat zu entsenden, wobei dieses Entsendungsrecht auf höchstens ein Drittel der Gesamtmitglieder des Aufsichtsrates beschränkt ist. Diese Mitglieder können gemäß § 103 I I A k t G von der Gemeinde jederzeit abberufen und durch andere ersetzt werden. Diese entsandten Mitglieder des Aufsichtsrates sind infolgedessen Vertreter i m Sinne des Mitwirkungsprivilegs 3 7 0 . Darauf kann auch bei einem nach § 77 B e t r V G 1952 obligatorischen Aufsichtsrat einer G m b H verwiesen werden, da auch hier die aktienrechtlichen Regelungen Anwendung finden. Bei einer G m b H , die diesen Erfordernissen nicht unterliegt, steht es den Gesellschaftern frei, ob ein solcher durch Gesellschaftsvertrag eingesetzt wird, wobei für diesen Fall auch keine Bindung an die aktienrechtlichen Vorschriften gegeben ist, also andere Regelungen getroffen werden können. W i r d i m Gesellschaftsvertrag der Gemeinde als Gesellschafterin das Recht eingeräumt, die Aufsichtsratsmitglieder zu entsenden oder zu ernennen, so fallen die Personen ebenfalls unter das M i t w i r k u n g s p r i v i l e g 3 7 1 . ß) Leitungsorgane Da der Vorstand einer A G gemäß § 84 I, I I A k t G v o m Aufsichtsrat bestellt und abberufen wird, kommt insoweit ein Entsendungsrecht der Gemeinde anders als bei der G m b H nicht in Betracht. Bei der G m b H kann der Gemeinde nach 3
69 H. und D. Schlempp, HGO, § 125 Anm. IV. 370 Buhren, VR 1977, 342 ff., 342. 371 Buhren, VR 1977, 342 ff., 343.
II. Amtskonflikte im Gemeinderecht
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§ 6 I I I G m b H G i m Gesellschaftsvertrag das Recht zur Bestellung von Geschäftsführern eingeräumt werden. Sofern sie einziger Gesellschafter der G m b H ist, hat sie ferner die Möglichkeit, den Geschäftsführer abzuberufen, § 38 GmbHG. Ist der Gemeinde ein derartiges Bestellungsrecht eingeräumt, so sind diese Geschäftsführer ebenfalls i m Hinblick auf das Mitwirkungsverbot privilegiert 3 7 2 . γ) Mitwirkungsprivileg auch bei W a h l auf Vorschlag der Gemeinde? Bisher wurde stillschweigend davon ausgegangen, das für das Mitwirkungsprivileg zentrale Kriterium des Vertreters bzw. der von der Gemeinde entsandten Person setze das Recht der Gemeinde zur unmittelbaren Entsendung oder Benennung der in Frage kommenden Personen voraus. Ein zusätzlicher A k t eines Unternehmensorganes wie eine Wahl dieser Personen würde dementsprechend zum Nichteingreifen des Mitwirkungsprivilegs führen. Diese Sichtweise hat nun die Folge, daß das Tatbestandsmerkmal des Vertreters der Gemeinde etwa in einem Vorstand einer A G leerläuft. U n d dies, obwohl das Tatbestandsmerkmal „Vorstand" geradezu auf eine A G zugeschnitten erscheint. Es fragt sich daher, ob nicht eine Erweiterung des Begriffs Entsandte bzw. Vertreter der Gemeinde in den Fällen vorgenommen werden muß, in denen die A G oder auch eine G m b H eine kommunale Eigengesellschaft oder aber die Anteilsrechte jedenfalls überwiegend in kommunaler Hand sind. Denn der auch in diesen Fällen bestehende erhebliche Einfluß der Gemeinde auf die Gesellschaft könnte zu der Annahme bewegen, das Mitwirkungsprivileg des § 25 I 1 Nr. 5 HS. 2 H G O müsse in Anlehnung an § 23 I I Nr. 2 G O N r W dahingehend ausgelegt werden, daß es ausreichend sei, wenn der von dem Mitwirkungsverbot betroffene Amts- und Mandatsträger auf Vorschlag der Gemeinde dem Organ angehört. Rauball kommentiert die Neufassung dieser Norm mit dem Bemerken, in der Praxis habe sich erwiesen, daß kein sachlicher Grund dafür bestehe danach zu unterscheiden, ob jemand unmittelbar in den Vorstand oder Aufsichtsrat einer juristischen Person entsandt worden sei, oder auf Vorschlag der Gemeinde, ζ. B. durch den Aufsichtsrat einer A G , an der die Gemeinde beteiligt sei, in den Vorstand dieses Unternehmens gewählt worden sei. Auch die amtliche Begründung hebe zutreffend hervor, daß das M i t g l i e d der Vertretungskörperschaft gleichermaßen Vertrauensmann der Gemeinde sei, und zwar unabhängig davon, wie Weisungsrechte ihm gegenüber i m einzelnen ausgestaltet sein mögen. Er solle deshalb auch mitwirken dürfen, wenn es sich um die Beziehungen der Gemeinde zu diesem Unternehmen handele 3 7 3 . Es erscheint jedoch fraglich, ob damit nicht der Grundgedanke des M i t w i r kungsprivilegs angetastet wird. Wenn auch ein Weisungsrecht nicht notwendig eine Interessenkollision ausschließt, so ist dennoch der Grund für den Ausschluß 372 Buhren, VR 1977, 342 ff., 343. 373 Rauball / Pappermann / Roters, GO NrW, § 23 Rn. 13.
192
C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
des Mitwirkungsverbotes in der engen Bindung an die Weisungen des Gemeindevorstandes zu sehen 3 7 4 . Zwar scheidet wegen des Vorranges des Gesellschaftsrechts ein direktes Weisungsrecht der Gemeinde aus, denn auch diese Vertreter der Gemeinde haben primär das Interesse der Gesellschaft zu berücksichtigen. Doch gewinnt hier die indirekte Einwirkungsmöglichkeit über das Recht der Abberufung entscheidende Bedeutung. Gerade in dem Bestehen eines, wenn auch nicht rechtlich, so doch durch das Abberufungsrecht verstärkten, faktischen Weisungsrechts soll nach der Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 125 I 2 H G O zum Ausdruck gekommen ist, der Grund für das NichtVorliegen einer Interessenkollision zu erblicken sein. Ein Widerstreit des von der Gesellschaft verfolgten Sonderinteresses mit den Gemeindeinteressen soll dann nicht auftreten können, wenn die Gemeinde ihrerseits auf die Rechtsstellung ihrer Vertreter in der Gesellschaft einwirken k a n n 3 7 5 . Denn in diesem Fall können sie und werden sie in der Realität durch die Einwirkungsmöglichkeit auf das Gemeindeinteresse festgelegt. Sie verfolgen also in der Gesellschaft nicht deren Interesse, sondern das Gemeindeinteresse. Damit aber sind sie letztlich lediglich Vollstrecker des Gemeindewillens in den juristischen Personen 3 7 6 . Diese gesetzgeberische Vorstellung findet auch in der Rückgriffsmöglichkeit wegen des Verstoßes gegen gesellschaftsrechtliche Pflichten nach § 125 I I I 2 H G O ihren Beleg. Gerade durch diesen Aspekt unterscheiden sich die direkt von der Gemeinde in die Unternehmensorgane entsandten Vertreter von den Personen, die auf ihren Vorschlag hin in jene gewählt werden. Abgesehen davon, daß eine Einwirkungsmöglichkeit über ein Abberufungsrecht nur unter den engen gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen möglich ist, sind diese Personen nicht unmittelbar der Gemeinde verantwortlich. Sie leiten oder kontrollieren die Gesellschaft im Auftrag der Gesellschafter- oder Hauptversammlung. Damit sind sie wiederum ihr und diesen Organen zur sorgfältigen Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen verpflichtet und insoweit auch schadensersatzpflichtig. Daher ist der überwiegenden Ansicht zu folgen, wonach das Merkmal des Vertreters der Gemeinde bzw. der von ihr entsandten Person dann nicht gegeben ist, wenn die Mitglieder von Leitungsoder Aufsichtsorganen von dem dafür zuständigen Unternehmensorgan selbst gewählt oder bestellt werden und zwar selbst dann nicht, wenn das Wahlorgan von der Gemeinde majorisiert w i r d oder es sich um eine Eigengesellschaft handelt 3 7 7 .
374 Buhren, VR 1977, 342 ff., 344 mit FN 15. 375 Buhren, VR 1977, 342 ff., 344. 376 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 168. 377 Buhren, VR 1977, 342 ff., 342; H. und D. Schlempp, HGO, § 125 Anm. IV; wohl auch Schneider-Jordan, HGO, § 25 Erl. 6.
II. Amtskonflikte im Gemeinderecht
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bb. Zur Reichweite des Mitwirkungsprivilegs in diesen Fällen Das in diesem Rahmen bestehende Mitwirkungsprivileg gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Es besteht nur insoweit, als in der Gemeindevertretung Angelegenheiten behandelt werden, an der die juristische Person selbst ein Sonderinteresse hat. Es gibt aber auch Angelegenheiten, an der nicht nur die A G oder G m b H als Unternehmen interessiert ist, sondern auch der in deren Organen tätige Gemeindevertreter ein persönliches Eigeninteresse haben kann. In einem solchen Fall kann der Selbstinteressierte nicht aus § 25 I 1 Nr. 5 HS 2 H G O eine Mitwirkungsbefugnis herleiten. Sobald — unabhängig von den Sonderinteressen der juristischen Person — ein Amts- und Mandatsträger ein Eigeninteresse hat, beurteilt sich die Frage eines Mitwirkungsverbotes ausschließlich danach, ob ihm die Entscheidung einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen k a n n 3 7 8 .
b. Die Rechtslage bei den wirtschaftlichen des öffentlichen Rechts
Unternehmen
Außer Betracht bleiben hier die Eigenbetriebe der Gemeinden, da diese rechtlich unselbständige wirtschaftliche Unternehmen darstellen und die Mitglieder der Betriebsleitung oder der Betriebskommission daher von dem Mitwirkungsprivileg nicht erfaßt werden 3 7 9 . In die Betrachtung einbezogen werden sollen lediglich die selbständigen wirtschaftlichen Unternehmen des öffentlichen Rechts, da sie zu den praktisch bedeutsamsten Formen der gemeindlichen Aufgabenerfüllung zuzuordnen sind. Dabei sollen sich die Ausführungen auf die kommunalen Sparkassen und die Zweckverbände, die insbesondere als kommunale Unternehmen auf dem Gebiet der Versorgung von Bedeutung s i n d 3 8 0 , beschränken.
aa. Sparkassen Organe der Sparkasse sind nach § 4 HSparkG der Verwaltungsrat, der Kreditausschuß und der Vorstand. Die Gemeindevertretung wählt nach § 5 I V HSparkG einen Teil der Mitglieder des Verwaltungsrates. Die übrigen Mitglieder des Verwaltungsrates werden nach § 5 I V HSparkG durch den Gemeindevorstand gewählt (§ 67 I I i. V. m. § 55 HGO), während der Bürgermeister nach § 5 V I I I HSparkG den Vorsitz des Verwaltungsrates übernimmt und damit gemäß § 6 1 1 Nr. 1 HSparkG zugleich Vorsitzender des Kreditausschusses ist. Dieser wird mit zwei vom Verwaltungsrat bestimmten Mitgliedern sowie dem Vorsitzenden und einem weiteren M i t g l i e d des Vorstandes komplettiert, § 6 I 1 Nr. 2, 3 HSparkG. Der Vorstand wird schließlich nach § 8 HSparkG durch den Verwal378 Buhren, VR 1977, 342 ff., 343. 379 Buhren, VR 1977, 342 ff., 342 FN 2. 380 Häuselmann, JuS 1984, 940 ff., 941. 13 Kazele
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C. 2. Abschn.: Die Behandlung von Amtskonflikten
tungsrat bestellt. V o r diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, ob auch die Mitglieder dieser Organe von dem Mitwirkungsprivileg des § 25 I 1 Nr. 5 HS 2 H G O erfaßt werden. Nach dem zuvor Gesagten kann dieses Mitwirkungsprivileg lediglich für die Mitglieder des Verwaltungsrates in Frage stehen. Denn die Mitglieder des Kreditausschusses und des Vorstandes werden von den Organen der Sparkasse und nicht unmittelbar von der Gemeinde bestellt. Sie stehen daher ausschließlich in einem öffentlich-rechtlichen Treue- und Pflichtenverhältnis zu der Sparkasse, die nach § 1 I HSparkG eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist. Dementsprechend haben diese Personen bei ihren Entscheidungen allein die in § 2 HSparkG umschriebenen Aufgaben der Sparkasse, die sich nicht mit den Gemeindeinteressen zu decken brauchen, zu berücksichtigen. I m Hinblick auf die Mitglieder des Verwaltungsrates ist zunächst zu untersuchen, ob es sich bei diesem Organ um ein dem Vorstand oder Aufsichtsrat gleichartiges handelt, denn nur in diesem Fall kann das Mitwirkungsprivileg überhaupt zum Tragen kommen. Nach § 5 I 2 HSparkG besteht die Aufgabe des Verwaltungsrates insbesondere darin, die Geschäftsführung des Vorstandes zu beaufsichtigen. Stellt er damit seinem Charakter nach ein Aufsichtsorgan dar, so liegt die beschriebene Voraussetzung des Mitwirkungsprivilegs vor. Fraglich ist aber, ob auch das weitere Erfordernis „Vertreter der Gemeinde" gegeben ist. Buhren vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, die kommunalpolitischen Mitglieder der Verwaltungsräte der Sparkassen seien den Mitwirkungsprivileg entzogen, wenn Sparkassenangelegenheiten von der Gemeindevertretung behandelt würden. Den Grund erblickt er in der Weisungsfreiheit und der mangelnden Abrufbarkeit. Der öffentliche Auftrag müsse zudem auch nicht in allen Fällen mit dem W o h l der Gemeinde übereinstimmen. Überdies müsse mit Rücksicht auf die Gewährträgerhaftung eine neutrale Kontrolle ohne Organmitglieder möglich sein, etwa bei der Entlastung der Sparkassenorgane 381 . Demgegenüber nimmt eine andere Ansicht den Standpunkt ein, daß die Organmitglieder „Vertreter der Gemeinde" seien und daher in der Vertretung des Gewährträgers grundsätzlich auch in Sparkassenangelegenheiten mitwirken dürfen, sofern sie nicht aus speziellen anderen Gründen ausgeschlossen s i n d 3 8 2 . Verwiesen w i r d hier darauf, daß bereits durch die W a h l und Bestellung der Organmitglieder der Sparkasse durch die Vertretung des Gewährträgers und die Aufgabe, Gemeindeinteressen zu vertreten, eine nicht unerhebliche und für die Gemeinde ausreichende Einflußmöglichkeit auf diese Gemeindeorgane gegeben sei. Deren Unabhängigkeit beruhe zudem darauf, daß die Sparkasse als ausgegliederter Teil der Kommunalverwaltung zur selbständigen Wahrnehmung ihres öffentlichen Auftrages berufen sei. Dieser öffentliche Auftrag, wenn er auch 381 Buhren, VR 1977, 342 ff., 344. 382 Horbach, VR 1978, 169 f., 170; Ehrmann, SKV 1977, 137 ff., 140.
II. Amtskonflikte im Gemeinderecht
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gelegentlich mit den übrigen Gemeindeinteressen nicht deckungsgleich sei, sei von der Gemeinde auf die Sparkasse delegiert, aber gleichwohl noch Teil der Gesamtaufgabe der Gemeinde. Daher sei es systematisch ungenau, eine Divergenz zwischen dem öffentlichen Sparkassenauftrag und den Gemeindeinteressen zu konstruieren 3 8 3 . Diese K r i t i k berücksichtigt jedoch nicht die v o m Gesetzgeber vorgesehene Korrespondenz zwischen einer Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsstellung der „Vertreter der Gemeinde" in Unternehmensorganen und dem Mitwirkungsprivileg. Wenn Horbach in diesem Zusammenhang darauf hinweist, daß ein Weisungsrecht nicht notwendigerweise eine Interessenkollision ausschließt 3 8 4 , so ändert dies nichts daran, daß der Gesetzgeber dem diese Bedeutung beimißt. Während bei privatrechtlichen Unternehmen eine Einflußmöglichkeit der Gemeinde in der Weise besteht, daß die Vertreter der Gemeinde i m Innenverhältnis, verstärkt durch ein Abberufungsrecht, an Weisungen des Gemeindevorstandes gebunden werden können, fehlt eine solche Möglichkeit bei den Sparkassen völlig. Die Mitglieder des Verwaltungsrates sind an Aufträge, insbesondere der Organe des Gewährträgers nicht gebunden 3 8 5 . Insbesondere mangelt es auch an einem dem Weisungsrecht entsprechenden Abberufungsrecht. Der Grund dafür, daß die Mitglieder des Verwaltungsrates nach ihrer eigenen Überzeugung handeln dürfen und sollen, liegt darin begründet, daß ihnen vor dem Hintergrund der besonderen Aufgabenstellung der Sparkassen ein Höchstmaß an Neutralität und Objektivität gesichert werden soll. Sie werden zwar gewählt, um die Interessen des Gewährträgers wahrzunehmen, der von ihnen wahrzunehmende öffentliche Auftrag der Sparkasse geht aber oftmals über die Interessen der Gemeinde hinaus, so daß sich aus dieser umfassenden Aufgabenstellung Interessenkollisionen ergeben können, die es verbieten, sie den entsandten und damit abhängigen Vertretern der Gemeinde gleichzustellen 3 8 6 . Unterstrichen w i r d dieses Ergebnis noch durch folgenden Aspekt. Der Gewährträger ist nach § 3 HSparkG einem erheblichen Haftungsrisiko ausgesetzt, ohne direkten Einfluß auf die Geschäftspolitik der Sparkasse nehmen zu können. Die Möglichkeit einer neutralen Kontrolle würde aber dann zweifelhaft werden, wenn Mitglieder des Verwaltungsrates, die gleichzeitig der Vertretung des Gewährsträgers angehören, bei einer Entscheidung, die i m Interesse der Sparkasse liegt, mitwirken. Daher erscheint es systemgerecht, die Mitglieder des Verwaltungsrates der Sparkassen, die gleichzeitig der Vertretung des Gewährträgers angehören, von der M i t w i r k u n g bei solchen Angelegenheiten auszuschliessen, an deren Erledigung die Sparkasse interessiert i s t 3 8 7 . 383 Horbach, VR 1978, 169 f., 170. 384 Horbach, VR 1978, 169 f., 170. 385 Schlierbach / Schmitt-Weigand, in: Praxis der Gemeindeverwaltung, Bd. L, L 17 He, S. 38. 386 Buhren, VR 1977, 342 ff., 344. 387 Buhren, VR 1977, 342 ff., 344; Ziegler, Der Gemeindehaushalt 1975, 61 f., 62. 13*
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C. 3. Abschn.: Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot bb. Zweckverbände
Gemäß § 14 H K G G sind Organe des Zweckverbandes die Verbands Versammlung und der Verbandsvorstand. Die Mitglieder der Verbandsversammlung werden nach § 15 I I H K G G von den Vertretungskörperschaften gewählt. Sie sind nicht weisungsgebunden und können auch nicht vorzeitig abberufen werden 3 8 8 . Nach § 7 I I H K G G i. V . m. § 35 I H G O analog üben sie ihre Tätigkeit nach ihren freier, nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl bestimmten Überzeugung aus. Fehlt damit jede Einwirkungsmöglichkeit der Gemeinde auf die Mitglieder der Verbandsversammlung, so können diese nach den oben entwickelten Grundsatz auch nicht als „Vertreter der Gemeinde" i m Sinne des Mitwirkungsprivilegs angesehen werden. Für die Mitglieder des Verbandsvorstandes folgt dieses Ergebnis schon daraus, daß sie nach §§ 16 I, 7 I I H K G G i. V . m. § 39 I H G O analog durch die Verbandsversammlung bestellt werden.
Dritter Abschnitt
Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot I . Vertreter von Kollektivinteressen §§ 20 I 3 V w V f G e , 1 6 1 3 S G B - X und 82 I 3 A O '77 erklären in Übereinstimmung mit § 25 I 2 H G O , daß das Mitwirkungsverbot bei Interessenkollision dann nicht eingreift, wenn der Amts- oder Mandatsträger an der Entscheidung der Angelegenheit lediglich als Angehöriger einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe beteiligt ist, deren gemeinsame Interessen durch die Angelegenheit berührt werden. Bezüglich dieser auf dem Gebiet des Kommunalrechts abweichend von den erstgenannten Vorschriften gewählten Formulierung wird einhellig davon ausgegangen, daß der neutrale Begriff „beteiligt" durch „interessiert" ersetzt und entsprechend ausgelegt werden m u ß 3 8 9 .
1. Die ratio Umstritten ist, auf welchem Grundgedanken diese Ausnahmebestimmung zurückzuführen ist. I m Gegensatz zu einer verbreitet vertretenen Auffassung, w i l l Kirchhof diese Regelung nicht als Ausdruck eines Strukturprinzips repräsentativer Demokratie ansehen. Demokratie bedeute die Mitentscheidung aller und 388 H. und D. Schlempp, HGO, § 125 Anm. II. 389 Vgl. nur Ehrmann, SKV 1977, 137 ff., 140.
I. Vertreter von Kollektivinteressen
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damit die Ablehnung der Herrschaft von Gruppen. Konsequenz sei, daß Gruppenanliegen prinzipiell nicht als staatliches Entscheidungsmotiv anerkannt werden könnten. Das G G billige eine solche Befangenheit in Gruppenanliegen nur in den Grenzen einer engen Kompetenzzuweisung. Außerhalb solcher Sonderrechtsbereiche, wie etwa Gemeinden (Art. 28 GG), in Kammern oder Universitäten, sei die Sachnähe und gruppenmäßige Betroffenheit nicht Grundlage einer Selbstverwaltung. Grundsätzlich lasse sich daher eine Befangenheit nicht durch den Unterschied zwischen Einzel- und Gruppenbetroffenheit definieren. Maßgebend sei vielmehr der Widerstreit von amtlichen Auftrag und individuellen Anliegen des Amtswalters 3 9 0 . Dieser Standpunkt läßt jedoch den demokratischen Meinungsbildungsprozeß außer acht. Seinen Ausdruck findet dieser auch in dem Mehrheitsprinzip. Seine einheitsbildende W i r k u n g ist durch die vorherige Einigung und Zusammenfassung der überwiegenden Zahl partikularer Interessen und Bestrebungen gekennzeichnet. Denn eine Gruppe hat nur dann Aussicht die Mehrheit zu stellen und auf diese Weise ihre Ziele zu verwirklichen, wenn sie sich zum Anwalt einer möglichst breiten Skala von Partikularinteressen macht und diese bereits in sich vereinheitlichend ausgleicht 3 9 1 . Die repräsentative Demokratie nimmt daher die M i t w i r k u n g von Interessenvertretern nicht nur in Kauf, sondern es liegt gerade in ihrem Wesen, daß Berufs- und Bevölkerungsgruppen ihnen nahestehende Personen in die Vertretungen, etwa Gemeindevertretungen, entsenden. Damit wird aber unvermeidlich, daß die so Gewählten sich gleichzeitig auch als Vertreter bestimmter Berufs- oder Bevölkerungsgruppen oder -schichten betrachten und danach handeln. Diese Gemeinschaftsinteressen der sie Wählenden fördern durch ihre Zielsetzung und ihren gegenseitigen Ausgleich zugleich auch das G e m e i n w o h l 3 9 2 . Das Eigeninteresse w i r d dabei gewissermaßen durch das Medium der Gruppeninteressen in den Dienst der Gemeinschaft gestellt 3 9 3 . Unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips erscheint daher die M i t w i r k u n g von Vertretern von Kollektivinteressen als legitim. Dies allerdings nur insoweit, als die handelnden Amts- und Mandatsträger gewählt werden. Denn die Legitimität des Mehrheitsprinzips steht unter der Prämisse der Möglichkeit unterschiedlicher und sich veränderter Mehrheiten 3 9 4 . Diese Prämisse gewinnt jedoch nur dann Leben, wenn sie sich in der Möglichkeit eines Amts- und Mandatswechsels wie i m Kommunalrecht durch eine Wahl, also eine Rückkoppelung zu den von dem Verwaltungshandeln Betroffenen ausdrückt. Dagegen ist die Zulässigkeit der Wahrnehmung von Gruppeninteressen durch Amtsträger in Fällen, in denen die Möglichkeit einer solchen Rückkoppelung nicht besteht, unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips nicht einsichtig. So greift die amtliche Begründung 390 391 392 393 394
Kirchhof, VerwArch. 66 (1975), 370 ff., 378. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5 I I 1. Ehrmann, SKV 1977, 137 ff., 140; H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. IX. H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. IX. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5 I I 1.
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C. 3. Abschn.: Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot
des Entwurfs zu einem V w V f G denn auch nicht auf diesen Begründungsansatz zurück, sondern nennt Praktikabilitätsaspekte. Ohne die Ausnahmeregelung sei zu befürchten, daß ein zu großer Personenkreis ausgeschlossen und dadurch die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung in Frage gestellt w ä r e 3 9 5 . Das Mitwirkungsprivileg bei Vorliegen von Kollektivinteressen stellt damit insoweit eine Reaktion auf die Eingebundenheit des Amtsträgers in die U m w e l t dar. Auch er ist nicht sozialfrei in dem Sinne, daß er sich v ö l l i g von Umwelteinflüssen und Vorurteilen der Erziehung und der Tradition lösen k ö n n t e 3 9 6 . Da sich solche Abhängigkeiten nicht vermeiden lassen, müssen sie in einem bestimmten Rahmen hingenommen werden. Insoweit kann es nur darum gehen, solche Abhängigkeiten nicht außer Kontrolle geraten zu lassen und insgesamt möglichst gering zu halten 3 9 7 .
2. Das Bestehen eines konstitutiven Regelungsgehaltes Fraglich ist i m Rahmen der angeführten verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen die Reichweite der Unerheblichkeit von Gruppenvor- und Gruppennachteilen. Eine Ansicht w i l l die Regelung des Satzes 3 nicht auf die Ausschlußtatbestände des Satzes 1 Nr. 1 bis 6 anwenden. Das soll sich aus dem Zusammenhang der Vorschrift mit Satz 2 („Dies gilt nicht") ergeben. Danach beziehe sich offenbar Satz 3 auf den von Satz 2 erfaßten Personenkreis, nicht aber auch auf die bereits nach Satz 1 ausgeschlossenen Personen, denen diese in Satz 2 nur gleichgestellt würden. Dafür spreche auch, daß der Begriff des Beteiligten i m Sinne der Nrn. 1 bis 6 i m Verfahren primär formell bestimmt s e i 3 9 8 . Satz 3 enthalte insoweit eine Erläuterung des Satzes 2 in der Weise, daß damit ein wichtiger Fall der nur mittelbaren W i r k u n g erwähnt sei. Die Funktion dieser Regelung erschöpfe sich darin, den Begriff des Sondervor- bzw. Sondernachteils zu umschreiben, indem sich dieser von den Belangen einer unbestimmten Personenmehrheit deutlich abheben müsse 3 9 9 . Indessen erscheint diese Ansicht aus verschiedenen Gründen fragwürdig. Dem nur mittelbaren Vor- bzw. Nachteil mag meist das Gruppeninteresse, dem unmittelbaren dagegen das Eigeninteresse entsprechen. Beides deckt sich jedoch nicht v o l l 4 0 0 . Benutzt man das Gruppeninteresse i m Rahmen des Unmittelbarkeitsbegriffs zur Konkretisierung des Begriffs des Sondervorteils bzw. -nachteils in der 395 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/910, S. 46. 396 Tipke / Kruse, AO; § 83 Anm. 1 a. 397 Vgl. Meyer, in: Meyer / Stolleis, HessStVwR, S. 39. 398 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 35; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 16 Anm. 3 g 12. 399 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 7; ebenso Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 125ff., 128f.; Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 52ff., 53. 400 Foerster, SKV 1971, 321 ff., 324.
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Weise, daß sich dieser von den Belangen einer unbestimmten Personenmehrheit deutlich abheben muß, so ist damit noch keineswegs ausgesagt, daß die insofern verbleibenden Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten nicht aufgrund eines Gruppeninteresses eintreten. Deutlich w i r d dies in den Fällen, in denen eine Abschaffung oder Ermäßigung von Steuern oder Gebühren zur Diskussion steht. Berät etwa die Gemeindevertretung über die satzungsmäßige Abstufung bestimmter Straßen in eine geringer belastete niedrige Reinigungsstufe, so handelt es sich nach den obigen Darlegungen 4 0 1 um eine — materiell gesehen — konkret-individuelle Regelung. Gleichwohl sind die insoweit initiativ gewordenen Gemeindevertreter, die in diesen Straßen wohnen und als Anlieger gebührenpflichtig sind, nicht von der M i t w i r k u n g ausgeschlossen. Es handelt sich nämlich um ein Gruppeninteresse, das vertreten werden darf, weil die Gruppe der Gebührenschuldner der betreffenden Gebührenklasse generell durch den Beschluß begünstigt w i r d und bei den betroffenen Gemeindevertretern ein darüberhinausgehendes Sonderinteresse nicht ersichtlich i s t 4 0 2 . So auch in dem Fall, in dem über die Beibehaltung oder Erhöhung des Hebesteuersatzes der Gewerbesteuer beraten wird. A u c h in diesem Fall w i r d ein bestimmbarer Personenkreis, nämlich alle Gewerbetreibende in der Gemeinde, von einer konkreten Regelung eines Falles betroffen, genauer, der Höhe des Hebesatzes der Gewerbesteuer. Insoweit steht hier ein konkret-individueller materieller Regelungsgehalt in Rede, so daß für die mitwirkenden Gewerbetreibenden ein unmittelbarer Vor- bzw. Nachteil durch die Entscheidung der Gemeindevertreter hierüber eintreten kann. Gleichwohl w i r d einhellig die M i t wirkung aufgrund der Verfolgung von Gruppeninteressen als zulässig angeseh e n 4 0 3 . Aus diesen Beispielen geht hervor, daß unter bestimmten Umständen auch unmittelbare Vor- oder Nachteile durch die M i t w i r k u n g verschafft werden dürfen. Hinzuweisen ist weiter auf die Entstehungsgeschichte des V w V f G . Nach der Regierungsvorlage sollte die Ausnahmeregelung des Satzes 3 des § 20 V w V f G auch für Satz 1 Nrn. 1 - 5 gelten. Die amtliche Begründung nennt als Grund für die in den Ausschußberatungen erfolgte Änderung der N o r m nur die Anpassung an § 82 A O , dessen Aufbau zweckmäßiger erschien. Es ist jedoch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß auch sachlich von der Regierungsvorlage abgewichen werden sollte. Daher erfaßt Satz 3 auch die in Satz 1 Nr. 1 - 5 erfaßten Fälle der Interessenkollision, während nur der in Nr. 6 geregelte Fall davon auszunehmen ist. Nach der Begründung des Musterentwurfs steht derjenige, der außerhalb seiner amtlichen Eigenschaft i n der Angelegenheit ein Gutachten abgegeben hat oder sonst tätig geworden ist, dem Verwaltungsverfahren auch dann nicht mehr unbefangen gegenüber, wenn die Voraussetzungen des (heutigen) Satzes 3 gegeben s i n d 4 0 4 . Wenngleich angesichts des Umstandes, daß 401 Kapitel C Erster Abschnitt II. 2. d. 402 Foerster, SKV 1971, 321 ff., 321. 403 Schneider-Jordan, HGO, § 25 Erl. 7; H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. IX; Kohrs, SKV 1970, 256 ff., 257.
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C. 3. Abschn.: Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot
der Gesetzgeber diese Konsequenz auf dem Gebiet des Kommunalrechts nicht gezogen hat, an dieser Begründung Zweifel angebracht sind, so kann doch an dieser ausdrücklich geäußerten Auffassung des Gesetzgebers nicht vorbeigegangen werden. Unterstrichen w i r d dieses Ergebnis auch durch die Fassung der Vorschrift. In Satz 2 w i r d insoweit eine Gleichstellung mit den in Satz 1 genannten Fällen vorgenommen. Satz 3 differenziert nun nicht zwischen beiden Fällen, sondern bestimmt pauschal, daß kein Mitwirkungsverbot bestehen soll, wenn die an sich Ausgeschlossenen lediglich als Gruppenangehörige betroffen sind. Wäre hiermit nur eine Erläuterung des Unmittelbarkeitsbegriffs beabsichtigt gewesen, so hätte die Vorschrift dergestalt gefaßt werden müssen, daß ein unmittelbarer Vor- oder Nachteil dann nicht vorliegt, wenn der betroffene Amtsträger als Vertreter von Kollektivinteressen betroffen ist. I m übrigen ist die Erstreckung der Regelung des Satzes 3 auch nur konsequent, wenn man den Unmittelbarkeitsbegriff durch den materiellen Regelungsgehalt der zur Beratung und Entscheidung stehenden Regelung als determiniert ansieht. Denn unter diesem Aspekt erscheint die Beteiligteneigenschaft regelmäßig lediglich als Unterfall unmittelbarer Vor- bzw. Nachteilsmöglichkeiten. Z u berücksichtigen ist insoweit ferner, daß sich aus einer Verwaltungsentscheidung auch gegenüber dem materiell-rechtlich zu Unrecht von der Behörde als Beteiligten in das Verfahren Einbezogenen rechtliche Wirkungen einstellen können, die sich nur durch ein Rechtsmittel beseitigen lassen 4 0 5 . Da also insofern durch diese Entscheidung in der für einen Beteiligten spezifischen Form auf das rechtliche Interesse dieser Person eingewirkt wird, ist dann unter diesem Gesichtspunkt ein unmittelbarer Vor- bzw. Nachteil gegeben. V o r diesem Hintergrund ist nicht einsichtig, warum der in Satz 1 bezeichnete Personenkreis nicht unter die Regelung des Satzes 3 fallen sollte. Nach alledem kommt der Regelung, wonach ein Amts- und Mandatsträger dann nicht von der M i t w i r k u n g ausgeschlossen ist, wenn er als Angehöriger einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe betroffen ist, ein selbständiger Wert z u 4 0 6 . Sie hat die Funktion einer echten Ausnahmeregelung und bestimmt in dieser Hinsicht, daß unter den dort genannten Voraussetzungen auch unmittelbare Vor- oder Nachteile bei dem betroffenen Amts- und Mandatsträger eintreten dürfen. Diese Funktion übersieht Geyer, wenn er sich auf den Standpunkt stellt, ein unmittelbarer Vor- bzw. Nachteil liege auch dann nicht vor, wenn, ohne daß ein Gruppeninteresse gegeben sei, die Entscheidung die Interessen des Amts- und Mandatsträgers und einer einzelnen fremden Person in gleicher Weise betreffe 4 0 7 . 404
Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, S. 115. 405 Kopp, VwVfG, § 13 Rn. 21. 406 Schmitt Glaeser, BaWüVBl. 1968, 180 ff., 182.
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Dem steht der Ausnahmecharakter und der Grundgedanke dieser Regelung, nämlich die Ermöglichung der Verfolgung von Interessen von Berufs- und Bevölkerungsgruppen durch deren gewählte Vertreter, entgegen. Daraus folgt gerade, daß die Wahrnehmung von Interessen, die i m gleichem Maße von anderen Personen geteilt werden, ohne das zugleich die Merkmale einer Gruppe vorliegen, nicht möglich sein soll.
3. Die Tatbestandsmerkmale im einzelnen a. Die Gruppe Bei dem Begriff der Gruppe handelt es sich um einen soziologischen Sachverhalt. Erforderlich ist ein nach objektiven Merkmalen bestimmter, zumindest aber bestimmbarer Personenkreis, wobei dessen formale Organisation kein konstitutives Merkmal darstellt 4 0 8 . Einen typischen Spezialfall nennt dabei das Gesetz selbst mit der Berufsgruppe. Das gemeinsame Merkmal ergibt sich hier aus der Berufszugehörigkeit oder aus der Form, in der der Beruf ausgeübt wird. Demgegenüber ist der Begriff der Bevölkerungsgruppe weiter. Es fragt sich daher, inwiefern hier eine Eingrenzung vorzunehmen ist. Die Abgrenzung vollzieht sich nach den vorangegangenen Erläuterungen nach i m weitesten Sinne sozialen Gesichtspunkten. Eine Abgrenzung nach lokalen oder regionalen Kriterien scheidet daher — abgesehen von den sich dabei ergebenden rein praktischen Schwierigkeiten — aus 4 0 9 . Dagegen kann eine Mehrzahl von Personen dann als Bevölkerungsgruppe angesehen werden, wenn diese Personen durch denselben Status (ζ. B. Rentner, Hauseigentümer, Gewerbetreibende allgemein oder eines bestimmten Gewerbezweiges) oder durch dasselbe Schicksal (Behinderte, Vertriebene etc.) verbunden s i n d 4 1 0 . Unter Berücksichtigung des Normzwecks, der Gewährleistung eines Strukturprinzips der repräsentativen Demokratie, bestehen auch keine Bedenken dagegen, subjektive Einschätzungen wie weltanschauliche Vorstellungen als Kriterien der Gruppenzugehörigkeit zuzulassen, sofern sie sich nach außen, etwa durch Unterschriftenaktionen und dergleichen, manifestiert haben 4 1 1 . Nicht erforderlich ist, daß sich die Gruppen ausschließlich aus natürlichen Personen zusammensetzen. Zwar legt dies der Wortlaut nahe, doch folgt aus dem Charakter als Ausnahmevorschrift, daß auch Gruppen juristischer Personen unter die Regelung fallen 4 1 2 .
407
Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 59. 08 Foerster, SKV 1971, 321 ff., 323. 409 VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 404; vgl. im übrigen Kapitel C Erster Abschnitt II. 410 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 16 Anm. 3 g 12., S. 288. 411 Foerster, SKV 1971, 321 ff., 323. 412 Foerster, SKV 1971, 321 ff., 323. 4
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C. 3. Abschn.: Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot
Umstritten ist die Frage der Größe der Gruppe. Einer Ansicht zufolge ist die Zahl der Gruppenangehörigen unerheblich. Die Gruppe könne sehr klein sein und i m Extremfall auch aus nur einer Person bestehen. Zwar stehe dies i m letzteren Fall mit dem Begriff der Gruppe in einem Spannungsverhältnis, doch sei insoweit der Sonderfall denkbar, daß die Gruppe zeitweilig nur ein M i t g l i e d habe, jedoch die Möglichkeit bestehe, daß sie sich wieder auffülle. Dabei werde allerdings eine nur abstrakte, theoretische Möglichkeit nicht ausreichend sein 4 1 3 . Diese Auffassung w i r d allerdings der ratio des Gruppenprivilegs nicht gerecht. Z u verlangen ist, daß die Berufs- und Bevölkerungsgruppe, welcher der Amtsund Mandatsträger angehört, in der Gemeinde bzw. dem Zuständigkeitsbereich der handelnden Behörde nicht lediglich durch ein Mitglied, sondern durch eine größere Anzahl von Mitgliedern vertreten ist. W i r d nämlich eine Gruppe lediglich durch ein M i t g l i e d repräsentiert, so sind es praktisch die individuellen Interessen, die die Gruppeninteressen bestimmen. V o n einer Wahrnehmung von Gruppeninteressen kann in diesem Fall nicht mehr gesprochen werden 4 1 4 . Nicht geklärt ist, wieviele Mitglieder einer Gruppe konkret vorhanden sein müssen. Das von der Rechtsprechung erwähnte Kriterium der „größeren Anzahl" wird man in der Weise zu präzisieren haben, daß die Auswirkungen der Entscheidungen nicht ohne weiteres von vornherein individualisierbar s i n d 4 1 5 . A u c h kleine Gruppen können danach dann unter das Gruppenprivileg fallen, sofern zu erwarten steht, daß sich ihr Personenkreis in nächster Zeit ausweiten wird. Sind also lediglich drei Gewerbetreibende in einem Ort ansässig und ist in diesem Ort ein Gewerbegebiet erschlossen worden, in welchem die Ansiedlung weiterer Betriebe konkret bevorsteht, so ist von dem Vorliegen einer Gruppe von Gewerbetreibenden auszugehen. Z u beachten ist in diesem Zusammenhang, daß es ausreicht, wenn der Gemeindevertretung oder dem Ausschuß nur ein einziges Gruppenmitglied oder lediglich ein Vertreter oder Angestellter eines Gruppenmitglieds angehört. Denn die Gruppe w i r d in aller Regel gerade außerhalb dieses Gremiums bestehen 4 1 6 . Andererseits ist zu beachten, daß mehrere, unter Umständen auch zahlreiche einzelne noch keine Gruppe zu bilden brauchen. Die Berufs- oder Bevölkerungsgruppe ist hier zu unterscheiden von der bloßen Personenmehrheit, der außer dem Interesse am Ausgang des Verfahrens kein Interesse gemeinsam i s t 4 1 7 .
413 Foerster, SKV 1971, 321 ff., 323; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 33; Rauball / Pappermann/ Roters, GO NrW, § 23 Rn. 9, S. 192. 414 Galette / Laux-Borchert, GO SH, § 22 Absatz 1 Anm. 12; OVG Lüneburg, OVGE 34, 494 ff., 498. 415 Galette / Laux-Borchert, GO SH, § 22 Absatz 1 Anm. 12; ähnlich Seeger, Befangenheit und Vertretungsverbot im Gemeinderecht, S. 17. 416 Foerster, S K V 1971, 321 ff., 323.
417 Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 32; Foerster, SKV 1971, 321 ff., 322 (Fall 5), 323.
I. Vertreter von Kollektivinteressen b. Das
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Gruppeninteresse
Damit ist zugleich die Beschaffenheit des Gruppeninteresses angesprochen. Hier sind zwei Kriterien zu unterscheiden, unter welchen die Wahrnehmung von Gruppeninteressen, auch bei der Ausübung einer Amts- und Mandatstätigkeit als legitim angesehen wird.
aa. Die Gleichgerichtetheit der Interessen Die A r t der Interessen kann unterschiedlich sein. Erforderlich ist zunächst, daß die Gruppenangehörigen ein gemeinsames Band verbindet. Die Interessen müssen den einzelnen Mitgliedern der Gruppe „gemeinsam" sein. Sie müssen übereinstimmend, gleichgerichtet dieselben Ziele anstreben 418 . Diese Voraussetzung erfüllt der Zusammenschluß von Einzelinteressen, die in ihrem Wunsch nach Einflußnahme für oder gegen bestimmte Entscheidungen einig sind, denen aber i m übrigen nur an ihren eigenen Sondervorteilen gelegen ist, nicht. So fehlt es an der Verfolgung eines gemeinsamen Ziels bei Bewerbern u m Gemeindeaufträge i m Rahmen von Entscheidungen über eine Auftragsvergabe, bei Grundstückseigentümern in bezug auf die Festsetzung von Bebauungsplänen 4 1 9 . Aber auch soweit ein gemeinsames Ziel gegeben ist, wird man darüberhinausgehend auch eine gewisse Dauerhaftigkeit in der Zielverfolgung fordern müssen. Das gemeinsame Ziel darf nicht lediglich in dem Ausgang eines konkreten Verwaltungsverfahrens bestehen, sondern muß über diesen punktuellen Anlaß hinausreichen und insoweit allgemeiner A r t sein. Ansonsten wäre der Umgehung des Mitwirkungsverbotes Tür und Tor geöffnet. Ein Amts- und Mandatsträger, dessen Grundstück etwa an das für ein Großprojekt bereitgestellte Gebiet angrenzt, kann sich nicht auf die Ausnahmeregelung für die Vertretung von Kollektivinteressen mit dem Hinweis berufen, es habe sich gegen das Projekt eine Bürgerinitiative formiert, deren M i t g l i e d er sei. Hier richtet sich das gemeinsame Ziel der Mitglieder der Bürgerinitiative lediglich gegen das konkrete Projekt ohne darüberhinausweisende Zielvorstellungen. Aus diesem Grunde liegen keine Kollektivinteressen i m Sinne der Ausnahmeregelung v o r 4 2 0 .
bb. Die Förderung des Gemeinwohls Einer verbreiteten Ansicht zufolge müssen die Interessen femer zugleich auch der Förderung des Gesamtwohls dienen, dürfen also zu diesem nicht in Widerspruch stehen. So dienten etwa Vereinigungen zur Verbesserung von Jugend-, 418 Foerster, SKV 1971, 321 ff., 323; H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. IX. 419 H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. IX. 420 i m Ergebnis ebenso Grüner, SGB-X, § 16 Anm. V, S. 22.
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C. 3. Abschn.: Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot
Schul-, Sport-, Sozial- und Kultureinrichtungen über ihren engeren Zweck hinaus auch dem Allgemeininteresse. Ein über den Nahzweck hinausreichende Zielsetzung fehle demgegenüber bei Zusammenschlüssen zur Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen bei Enteignungen, von Geldforderungen aus Verträgen und dergleichen. I n Fällen dieser A r t liege lediglich eine Vielzahl von Individualinteressen vor, die sich von dem Interesse der Gemeinde abhöben, und die auch in ihrem Endziel nicht das Gesamtwohl und den hierzu erforderlichen Ausgleich mit anderen Gruppeninteressen erstrebten 421 . Indessen folgt das NichtVorliegen des Gruppenprivilegs bei den angeführten Beispielen schon daraus, daß es hier an dem erwähnten Erfordernis der Dauerhaftigkeit der gemeinsamen Interessenverfolgung fehlt. Die gemeinsame Interessenwahrnehmung beschränkt sich hier auf die erstrebten Entscheidungen, reicht jedoch nicht über diese hinaus. Gleichwohl ist dieser Ansicht i m Grundsatz zu folgen. Denn ist der Sinn und Zweck dieser Ausnahmeregelung darin zu erblicken, daß Gruppeninteressen zur Verwirklichung des Gemeinwohls legitimerweise beitragen sollen, so bedingt dies, daß von ihrem Wirken eine Breitenwirkung ausgehen muß, die zumindest potentiell der Gesellschaft als Ganzem zugute kommt. Da das Gemeinwohl aber nichts Vorgegebenes ist, sondern sich durch das Wirken und den Ausgleich von Interessen erst definiert, ist das Erfordernis der Gemeinwohlförderung mittels Gruppeninteressen nur als Negativkriterium tauglich. Eine Gemeinwohlförderung durch die Wahrnehmung von Gruppeninteressen scheidet danach nur dann aus, wenn diese Interessen i m Gegensatz zu einer von dem Verwaltungsträger, für den das entsprechende Gruppenmitglied tätig werden soll, nicht veränderbaren Rechtslage stehen. I n diesem Fall werden nämlich rechtswidrige Entscheidungen erstrebt, die schon allein aus diesem Grunde im Widerspruch zum Gemeinwohl stehen. c. Das Betroffensein
als
Gruppenangehöriger
Erforderlich ist weiter, daß der Amts- und Mandatsträger gerade in der Eigenschaft als Gruppenangehöriger und nicht als Einzelperson von der Entscheidung betroffen wird. Umstritten ist hier der Fall, daß der Vor- oder Nachteil zwar theoretisch alle Angehörigen einer Gruppe erfaßt, praktisch aber nur ein einziges M i t g l i e d der Gruppe davon betroffen ist. Während eine Ansicht, von der Prämisse ausgehend, die Ausschließungsvorschriften müßten i m Zweifel eher weit als eng ausgelegt werden, das Vorliegen eines Gruppeninteresses verneint 4 2 2 , w i r d dies von einer anderen Auffassung, die auf die Verkehrsauffassung abstellt, bejaht 4 2 3 . Der letzte 421 H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. IX; Galette / Laux-Borchert, GO SH, § 22 Absatz 1 Anm. 12; VGH Mannheim, DVB1. 1965, 366 ff., 367. 422 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 7; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 31. 423 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 34.
II. Wahlen
205
ren Ansicht steht jedoch der Sinn und Zweck des Gruppenprivilegs entgegen. Dieses beruht auf dem Gedanken, daß das Interesse einer Gruppe das summative Interesse aller in einer bestimmten Gruppe vertretenen Einzelinteressen ist. W i r d praktisch nur ein Gruppenmitglied von der Entscheidung getroffen, so handelt es sich gerade nicht um ein summatives Interesse, vielmehr bleibt das individuelle Interesse in der Gruppe singular 4 2 4 . Materiell gesehen, w i r d das betreffende M i t g l i e d daher in dieser Fallkonstellation nicht als Gruppenangehöriger getroffen. Infolgedessen kann auch das Gruppenprivileg keine Anwendung f i n d e n 4 2 5 . Das Gruppenprivileg entfällt auch, wenn der Amts- und Mandatsträger Sonderinteressen i m Rahmen der Gruppe verfolgt, wenn also zu dem allgemeinen Sonderinteresse noch ein besonderes Eigeninteresse h i n z u k o m m t 4 2 6 . So etwa, wenn i m Rahmen der geplanten Errichtung einer Sportanlage ein M i t g l i e d eines Sportvereins auf dem Sportgelände eine Gaststätte betreiben w i l l oder aber bereits auf einen unmittelbar an das Sportgelände angrenzenden Grundstück eine Gaststätte betreibt. Hier ist offensichtlich, daß dieses Vereinsmitglied ein über das gemeinsame Interesse hinausgehendes Interesse an der Realisierung dieses Projekts hat. I I . Wahlen Nach § 25 I I H G O ist die Stimmabgabe bei Wahlen und Abberufungen von dem Mitwirkungsverbot ausgenommen. A u f dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts bestimmen §§ 20 I I V w V f G e und 16 I I SGB-X, daß die Ausschlußgründe auf Wahlen zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit oder auf die Abberufung von ehrenamtlich Tätigen keine Anwendung finden. Diese Regelungen beruhen auf dem Gedanken, daß der politische W i l l e der Mehrheit auch durchsetzungsfähig sein muß. Bei Wahlen soll sich, etwa, wenn es um die Besetzung von Ausschüssen geht, die politische Zusammensetzung der Gemeindevertretung auch in ihren Organen widerspiegeln. Die Unanwendbarkeit des Mitwirkungsverbotes stellt daher sicher, daß keine Änderung der Mehrheitsverhältnisse erfolgt. Der Gedanke, daß Wahlen die poltischen Kräfteverhältnisse zum Ausdruck bringen sollen, überlagert hier also das Postulat der Unbefangenheit und Unabhängigkeit der Entscheidenden 4 2 7 . In die gleiche Richtung zielt auch der Gedanke, daß i m politischen Bereich das Recht gilt, für sich selbst zu stimmen. Das Wahlrecht eines Volksvertreters soll aufgrund der spezifisch politischen Natur der Wahlhandlungen nicht durch das Mitwirkungsverbot 424 Vgl. Mittelstraß, in: ders., Methodologische Probleme einer normativ-kritischenGesellschaftstheorie, S. 126 ff., 138. 425 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 16 Anm. 3 g 11., S. 288. 426 Meyer / Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 16; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 43; Stelkens / Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 30. 427 v. Arnim, JA 1986, 1 ff., 4; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 105.
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C. 3. Abschn.: Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot
eingeschränkt werden. Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob die Wahlen vom Wahlvolk oder einer Volksrepräsentanz als Wahlorgan vorgenommen werden 4 2 8 . Gerade in diesem Zusammenhang kann der Ausschluß eines Mitglieds eines politischen Wahlorgans, in dem es auf eine Stimme ankommen kann, besonders leicht zu einer Verfälschung des repräsentativen Willens der Mehrheit führen 4 2 9 . Die oft anzutreffende Begründung, es könne sich in Vertretungskörperschaften, da die Wahlen in geheimer Abstimmung durchgeführt würden, gar nicht feststellen lassen, ob ein Mandatsträger seine Stimme für sich abgegeben habe oder n i c h t 4 3 0 , überzeugt nicht. Denn in aller Regel w i r d der Betroffene j a schon vor der Wahl als Kandidat feststehen. Dann aber wäre er nach den Grundsätzen der Interessenkollision schon von dem Wahlvorgang selbst ausgeschlossen, er dürfte gerade nicht mehr wählen.
1. Das Entfallen des Mitwirkungsverbots bei Wahlen a. Der Begriff
der Wahlen
Unter dem Begriff der Wahlen sind zunächst alle Wahlen zu verstehen, durch die bestimmten Personen eine Funktion in rechtserheblicher Weise übertragen wird. Als Wahlen i m Sinne des § 20 I I V w V f G sind vor allem die sog. Beschlußwahlen nach § 92 V w V f G zur Bestellung von Organen und zur Übertragung bestimmter Ämter durch die Mitglieder- oder Delegiertenversammlung u. ä. einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anzusehen 4 3 1 . A u f dem Gebiet des Sozialrechts kommen insbesondere Wahlen i m Bereich der Sozialversicherung in Betracht, ζ. B. W a h l der Vertreterversammlung, des Vorstandes, der Versichertenältesten und der Vertrauensmänner, § § 4 6 , 52, 61 S G B - I V 4 3 2 . I m Rahmen der kommunalrechtlichen Regelungen ist hier auf § 55 H G O hinzuweisen. Allgemeine Wahlen zu den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und der Länder sowie zu den kommunalen Vertretungskörperschaften finden nicht i m Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nach § § 9 V w V f G e , 8 S G B - X statt und rechnen nicht zur Verwaltungstätigkeit i m Sinne der §§ 1 V w V f G e , 1 SGBX , so daß sie schon deshalb nicht von der Ausnahmeregelung erfaßt werden 4 3 3 . 428 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 83; Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 8. 429 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 84. 430 Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 17; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 41; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 105. 431 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 56; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 42. 432 Hauck / Haines, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 20; Pickel, Lehrbuch des sozialrechtlichen Verwaltungs Verfahrens, § 11 I 2 a. 433 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, §12 I I 3; Kopp, VwVfG, §20 Rn. 42.
II. Wahlen
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I m Bereich des Gemeinderechts folgt dies aus den Aufgaben der Gemeindeorgane, vgl. §§ 50, 51, 66 HGO. Fraglich ist, ob unter den Begriff der W a h l nur die eigentliche Wahlhandlung oder auch Handlungen, die nur in einem weiteren oder engeren Zusammenhang mit dieser stehen, wie etwa die Entscheidung über die Durchführung oder Gültigkeit einer W a h l zu subsumieren s i n d 4 3 4 . Gegen eine Ausdehnung auf solche Akte spricht zunächst der Wortlaut der Ausnahmeregelung. Prägend für die Wahl i m eigentlichen Sinne stellt sich nämlich der Vorgang der Stimmabgabe dar. Allenfalls Vorbereitungshandlungen, wie etwa die Bestimmung des Wahlraums und der Wahlzeit durch einen Wahlausschuß, können dem Begriff der Wahl noch zugerechnet werden 4 3 5 . Entscheidend ist aber, daß der eingangs beschriebene gesetzgeberische Grund der Regelung einer weitergehenden Ausdehnung dieses Begriffs entgegensteht 436 .
b. Die durch die Wahl zu besetzende Stelle Das Verwaltungsverfahrensrecht beschränkt die Ausnahmeregelung auf Wahlen zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Unter einer solchen ist jede auf einer behördlichen Berufung beruhende unentgeltliche M i t w i r k u n g bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben außerhalb eines haupt- oder nebenamtlichen Dienstverhältnisses zu verstehen 4 3 7 . Maßgeblich ist insoweit nicht die Bezeichnung einer Tätigkeit, sondern die A r t der übertragenen Aufgaben. Es muß sich immer nur um Tätigkeiten handeln, die wesentlich auf dem Gedanken der demokratischen bzw. repräsentativen Teilnahme von Vertretern aus dem V o l k an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben beruhen 4 3 8 . Demgegenüber enthält § 25 I I H G O keine derartige Beschränkung auf die ehrenamtliche Tätigkeit. Es stellt sich jedoch die Frage, ob nicht insoweit eine teleologische Reduktion in der Weise erfolgen muß, daß nur solche Wahlen von dem Mitwirkungsverbot ausgenommen werden, die von Gemeindeorganen in unbesoldete Stellen vorgenommen werden. Ein B l i c k auf die Regelungen in den Gemeindeordnungen anderer Bundesländer, wie etwa § 23 V N r W G O oder § 25 I I I 2 SaarGO, zeigt, daß auch dort die Einschränkungen des Verwaltungsverfahrensrechts gemacht werden. Insofern könnten diese Regelungen Ausprägungen eines allgemeinen Prinzips sein. Das eingangs genannte politische Argument für die Ausnahme vom Mitwirkungsverbot kann einer Ansicht zufolge nicht dazu führen, alle Wahlhandlungen dem Betätigungsverbot zu entziehen. Dort, wo 4
34 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 8; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 12 I I 4. 435 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 56. 436 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 43. 437 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 57. 438 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 57.
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C. 3. Abschn.: Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot
Wahlen eine Methode zur Bestimmung hauptamtlicher bzw. besoldeter Verwaltungsamtswalter darstellten, müsse auch das Unbefangenheitsgebot Anwendung finden. Dies sei Ausfluß einer sinngemäßen Interessenabwägung. Gerade bei Wahlen in unbesoldete Wahlstellen spielten politische Motive eine große Rolle. In diesen Fällen sei es durchaus vertretbar, die Folgen eines Interessenkonflikts in Kauf zu nehmen, um das Ergebnis den echten Mehrheitsverhältnissen anzupassen 439 . Die Gegenansicht verweist demgegenüber auf die voranschreitende Politisierung und Parlamentarisierung der Gemeindevertretung. Unter Berücksichtigung dieses Aspekts sei die Gefahr, daß ein persönlich beteiligter Amts- und Mandatsträger seine Entscheidung etwa mit Rücksicht auf ein Verwandtschaftsverhältnis treffen werde, nicht einmal besonders groß. Gerade bei der Wahl in die nach jeweiligen Gemeindeverfassungsrecht vorgesehenen besoldeten Ämter werde in den meisten Gemeindevertretungen mit Fraktionsdisziplin abgestimmt. Deshalb werde weniger die persönliche Beziehung als vielmehr die politische Anschauung, insbesondere die Parteizugehörigkeit, neben den persönlichen und fachlichen Qualitäten des Kandidaten für seine W a h l den Ausschlag geben 4 4 0 . Letzterer Ansicht ist darin zuzustimmen, daß politische Motive bei der Wahl in hauptwie in ehrenamtliche Wahlstellen gleichermaßen eine tragende Rolle spielen. Gerade dies läßt aber insgesamt den Aspekt der politischen Motivation bei Wahlen ungeeignet erscheinen, ihm eine tragende Rolle bei der hier in Rede stehenden Differenzierung beizumessen. Entscheidend ist vielmehr der von anderer Seite ins Spiel gebrachte Hinweis auf den verfassungsrechtlich durch Art. 33 I I G G gewährleisteten Grundsatz des gleichen Zugangs zu öffentlichen Ämtern. Können sich nämlich den Wahlen auch Bewerber stellen, die nicht Mitglieder der Gemeindevertretung sind, so stellt es einen Verstoß gegen den Grundsatz „ m i t gleicher Chance" gewählt zu werden dar, wenn das auch kandidierende Mitglied der Gemeindevertretung an der Wahl teilnehmen k a n n 4 4 1 . Die hiergegen gerichtete K r i t i k von Geyer, der Grundsatz der Chancengleichheit verbiete lediglich, die Möglichkeit der Amtserlangung durch unsachliche Auswahlkriterien einzuschränken, er sei aber nicht bereits dann verletzt, wenn ein Gesetz es unterlasse, lediglich die Gefahr unsachlicher Motive beim Wahlverfahren auszuschließen 4 4 2 , überzeugt nicht. Denn, ob der Amts- und Mandatsträger
für
sich selbst gestimmt hat, w i r d sich kaum je nachweisen lassen. Dies, wie auch die vorangegangenen Darlegungen 4 4 3 zeigen, daß präventiv wirkende Mechanismen zur Verfügung stehen müssen, die verhindern, daß ein Kandidat selbst über 439 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 306; Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, S. 65 ff., 80; OVG Münster, JZ 1963, 178 f., 179. 440 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 85. 441 Galette/Laux-Borchert, GO SH, § 22 Absatz 2 Anm. 1. 442 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 85; Ipsen, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, Bd. II, S. 194. 443 Kapitel Β II. 2. c. cc. ddd.
II. Wahlen
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die eigene Qualifikation für eine Stelle entscheidet. Tragfähiger ist demgegenüber der Gedanke einer Überlagerung des Art. 33 I I G G durch das demokratische P r i n z i p 4 4 4 . Eine solche Überlagerung des Art. 33 I I G G ist allerdings nur dann angängig, wenn die in dem Gremium herrschenden Mehrheitsverhältnisse auf eine andere Weise nicht zur Geltung kommen könnten. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn die Übernahme einer hauptamtlichen Wahlbeamtenstelle v o m Gesetzgeber ausdrücklich an die Zugehörigkeit zur Gemeindevertretung knüpft. In allen anderen Fällen können sich die bestehenden Mehrheitsverhältnisse durchsetzen. Voraussetzung ist insofern lediglich, daß der kandidierende Gemeindevertreter sein Mandat aufgibt 4 4 5 . Ist dies der tragende Gesichtspunkt des Mitwirkungsprivilegs bei Wahlen, so kann dies nicht auf die Besetzung hauptamtlicher Wahlbeamtenstellen beschränkt bleiben, sondern muß darüberhinaus in einem allgemeinen Sinne Bedeutung gewinnen. Auch sind lediglich die Fälle, in denen der Gesetzgeber ausdrücklich zur Übernahme eines Ehrenamtes oder anderer ehrenamtlicher Tätigkeit die Zugehörigkeit zur Gemeindevertretung bzw. zu dem Wahlgremium zur Voraussetzung gemacht hat, den eingangs angeführten Ausnahmen von dem M i t w i r kungsverbot zuzuordnen 4 4 6 . Allgemein formuliert, umfassen diese Mitwirkungsprivilegien nur solche Wahlen, bei denen der Kandidat aus der Mitte des Wahlgremiums zu bestimmen i s t 4 4 7 .
2. Die Abberufung Der Wahl gleichgestellt wird der actus contrarius der Abberufung. Nach dem Sinn und Zweck aller dieser Ausnahmeregelungen muß die Abberufung durch ein Abwahlverfahren erfolgen, auch wenn dies i m Gesetz nicht besonders zum Ausdruck gekommen ist. Für die Absetzung (ehrenamtlich) Tätiger durch eine monokratisch organisierte (Aufsichts)Behörde gelten die Ausschlußgründe des jeweiligen Absatzes 1 in vollem U m f a n g 4 4 8 .
444 Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 33 Rn. 14. 445 Siehe zum Verhältnis von Inkompatibiliät und Befangenheit: Kapitel D Zweiter Abschnitt I. 1. 446 Galette / Laux-Borchert, GO SH, § 22 Absatz 2 Anm. 1. 447 OVG Münster, OVGE 18, 104 ff., 108 448 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 58; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 41; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 34. 14 Kazele
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C. 3. Abschn.: Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot I I I . Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen
Nach § 16 I I 2 S G B - X gelten die in Absatz 1 Satz 1 Nrn. 3 und 5 statuierten Ausschlußgründe nicht für das Verwaltungsverfahren aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen. Da der bisherige Rechtszustand aufrechterhalten werden sollte und weder das Prüfungsverfahren nach den §§ 14 ff. Ersatzkassen vertrag noch dasjenige nach § 368η V R V O formell ein Verfahren der gemeinsamen Selbstverwaltung, sondern nur ein nach § 368n V I R V O mit paritätischer Besetzung des Beschwerdeausschusses vereinbartes Verfahren darstellt, mußte die genannte Ausnahmeregelung gesondert in das Gesetz aufgenommen werden. Darunter fallen sowohl die für die Zulassung als Kassenarzt nach § 368b R V O eingerichteten Zulassungs- und Berufungsausschüsse als auch die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen bzw. kassenzahnärztlichen Versorgung nach § 368n R V O als auch die Schiedsämter nach den §§ 368i ff R V O 4 4 9 . Ohne eine solche Regelung wäre nämlich eine Beschlußfassung und Entscheidung aufgrund der i. d. R. paritätischen Besetzung der Ausschüsse kaum m ö g l i c h 4 5 0 .
I V . Gefahr i m Verzug Die verwaltungs verfahrensrechtlichen Vorschriften der § § 2 0 V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O '77 enthalten in ihren jeweiligen Absätzen 3 als weitere Ausnahme, daß der an sich ausgeschlossene Amtsträger bei Gefahr i m Verzug unaufschiebbare Maßnahmen treffen darf. Ratio legis ist die Gewährleistung der ständigen Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Das Funktionieren der Verwaltung soll in den Fällen besonderer Dringlichkeit Vorrang haben vor dem Schutz der Objektivität der Entscheidung. Denn die Verwaltung muß zur Vermeidung größerer Schäden weiter ununterbrochen arbeiten k ö n n e n 4 5 1 . Der hinter dieser Regelung stehende Gedanke ist in gleichem Maße i m Bereich der Kommunalverwaltung einschlägig. Die durch das Fehlen einer entsprechenden Vorschrift bestehende Lücke, muß daher durch eine Analogie zu den genannten verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen geschlossen werden.
449 Pickel, Lehrbuch des sozialrechtlichen Verwaltungs Verfahrens, § 1112b; Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 21. 450 Hauck /Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 21; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 16 Anm. 4 b 1. 451 Hepp / Hübschmann / Spitaler-Söhn, AO, §82 Rn. 29; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 36; Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 18.
IV. Gefahr im Verzug
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Nach ihren durch das Wort „ d a r f geprägten Formulierung enthält die Vorschrift lediglich eine Ermächtigung des ausgeschlossenen Amtsträgers zum Tätigwerden. Aus der beschriebenen Zielsetzung der N o r m folgt aber, daß der an sich ausgeschlossene Bedienstete die unaufschiebbaren Maßnahmen nicht nur treffen darf, sondern auch treffen muß, wenn er ihre Notwendigkeit erkennt 4 5 2 . Dabei trägt der ausgeschlossene Amtsträger für die Vornahme der zu treffenden unaufschiebbaren Maßnahmen so lange die Verantwortung, bis ein nicht ausgeschlossener zum Handeln befugter Amtsträger zur Verfügung steht 4 5 3 .
1. Die Tatbestandsvoraussetzungen Gefahr i m Verzug liegt vor, wenn zur Abwendung eines erheblichen Schadens ein sofortiges Handeln geboten ist, weil ein Abwarten bis zum Tätigwerden einer nicht ausgeschlossenen Person die notwendigen Maßnahmen erschweren oder vereiteln w ü r d e 4 5 4 . Die Handlungsbefugnis des an sich ausgeschlossenen Amtsträgers beschränkt sich in einem solchen Fall auf unaufschiebbare Maßnahmen. Unaufschiebbar sind alle Maßnahmen, die sofort getroffen werden müssen, um den drohenden Schaden abzuwenden. Welche Anordnungen i m konkreten Fall zu treffen sind, hat der ausgeschlossene Amtsträger nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden 4 5 5 . Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die Ausnahmeregelung des Absatzes 3 nur anwendbar ist, wenn eine Angelegenheit so eilig ist, daß nicht mehr rechtzeitig für eine Vertretung gesorgt werden kann. Während dies der Wortlaut der Ausnahmeregelung nicht ausdrücklich vorschreibt, w i r d von einer Literaturansicht eine solche Einschränkung m i t dem Hinweis darauf, daß andernfalls eine allzu weite Auslegung der Begriffe „ Gefahr i m Verzug" und „ unaufschiebbare Maßnahme" zu befürchten sei, gefordert. Insbesondere die allgemeine Zwecksetzung des Betätigungsverbotes als wesentliches Erfordernis eines rechtsstaatlichen Verfahrens und der Ausnahmecharakter des Absatzes 3 spreche für dieses Ergebnis 4 5 6 . Dem w i r d von einer anderen Ansicht die Entstehungsgeschichte dieser Regelung entgegengehalten. Die Sachverständigenkommission für die Vereinfachung der Verwaltung beim Bundesinnenministerium habe in ihrem 1960 erstatteten Bericht den Zusatz empfohlen: „ . . . wenn die Vertretung nicht sogleich bewirkt werden kann." Der Musterentwurf und die ihm folgenden Regierungsentwürfe hätten aber auf die Einschränkung bewußt verzichtet, da bei Gefahr i m Verzug keine Zeit mit der Klärung interner Zuständigkeiten vertan 452 Stelkens /Bonk /Leonhardt, VwVfG, §20 Rn. 36; Obermayer, VwVfG, §20 Rn. 65. 453 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 66. 454 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 62; Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 9. 455 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 9; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 63. 456 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 46; Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 9. 14*
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C. 3. Abschn.: Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot
werden dürfe 4 5 7 . Es erweckt jedoch Zweifel, ob der Musterentwurf damit den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung ausweiten wollte. Denn i m folgenden hebt die Begründung des Musterentwurfs hervor, daß die vorgeschlagene Regelung der Sache nach von derjenigen der Sachverständigenkommission nicht erheblich abweicht. Nur in Zweifelsfällen sollte eine unfruchtbare Auseinandersetzung über Zuständigkeitsfragen, die die Wirksamkeit behördlichen Handelns bei Gefahr i m Verzug beeinträchtigen könnten, vermieden werden 4 5 8 . V o r diesem Hintergrund ist die Schlußfolgerung verfehlt, die Behörde brauche sich danach nicht mehr um eine Vertretung für den ausgeschlossenen Beamten zu bemühen. Insoweit w i r d nämlich der Einfluß der Möglichkeit einer rechtzeitigen Vertretung auf das Merkmal der Gefahr i m Verzug nicht bedacht. Gefahr i m Verzug im Sinne der angeführten Definition wird regelmäßig nur dann vorliegen, wenn die Vertretung nicht rechtzeitig tätig werden kann, so daß nur in eng zu fassenden Ausnahmefällen, in denen die Zuständigkeitsfrage problematisch ist, diese Ausnahmeregelung eingreift. Überdies erscheint diese auch unter rechtspolitischen Gesichtspunkten mißglückt. Insoweit ist es nämlich die Aufgabe der Verwaltung selbst, für eine klare organisatorische Vertretungsregelung Sorge zu tragen. Es ist fragwürdig, wenn derartige Unklarheiten und Versäumnisse auf Seiten der Verwaltung auf Kosten von Regelungen, die mit dem Schutz von Grundrechtspositionen der am Verfahren Beteiligten dienen, überwunden werden.
2. Die Qualität der getroffenen Maßnahmen I m Streit begriffen ist schließlich die Frage, ob die von einem an sich ausgeschlossenen Amtsträger rechtmäßig nach Absatz 3 getroffenen Maßnahmen in ihrer Qualität hinter denjenigen eines nicht ausgeschlossenen Amtsträgers zurückstehen. Während Kopp die Forderung aufstellt, dem betroffenen Bürger ein Recht auf spätere verwaltungsinterne Überprüfung und Nachholung des Verfahrens durch einen unbefangenen Amtsträger zu gewähren 4 5 9 , w i r d dies von der h. M . ohne nähere Begründung als zuweitgehend abgelehnt 4 6 0 . Der Wortlaut der Regelung bietet für die Bewältigung dieses Problems ebensowenig Anhaltspunkte wie deren Entstehungsgeschichte, so daß dem Sinn und Zweck die entscheidende Bedeutung zukommt. M i t diesem steht aber die Ansicht von Kopp durchaus in Einklang. Muß aus Gründen der Funktionsfähigkeit der Verwaltung sofort eine Entscheidung getroffen werden, die aufgrund ihrer Eilbedürftigkeit auch ein an sich ausgeschlossener Amtsträger veranlassen kann, so steht dem nichts entgegen, dieser nur einen vorläufigen Charakter zuzuerkennen. 457 Meyer/Borgs, VwVfG, §20 Rn. 18; Hepp / Hübschmann / Spitaler-Söhn, AO, § 82 Rn. 30; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 37. 458 Musterentwurf zu einem Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 116. 459 Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungs verfahrensrecht, S. 43. 460 Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 18; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 64.
V. Ungeschriebene Ausnahmen
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Denn die an die getroffene Entscheidung geknüpften Folgen dürfen nicht weitergehen, als der Zweck der Norm dies erfordert. Gerade weil eine Entscheidung in einer Ausnahmesituation getroffen wurde, muß es dem dafür an sich (als Vertreter des ausgeschlossenen Amtsträgers) zuständigen Amtsträger möglich sein, die getroffene Entscheidung zu überprüfen. Unterstrichen w i r d dies durch den Aspekt der inhaltlichen Richtigkeit der getroffenen Entscheidung. Aufgrund der Eilbedürftigkeit ist diese notwendigerweise in einem summarischen Verfahren getroffen worden. Eine nachfolgende Überprüfung dieser getroffenen Entscheidung durch den an sich zuständigen Amtsträger ist daher auch unter diesem Aspekt erforderlich. Somit ist mit der Ansicht von Kopp konform zu gehen, wonach die zur Verhinderung oder Abwehr der Gefahr getroffenen notwendigen Maßnahmen grundsätzlich nur vorläufigen Charakter haben. Sie binden daher den Vertreter nicht, sondern stehen unter der ggfs. auch stillschweigenden Bestätigung durch diesen. Davon ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn Dritte aus der Entscheidung eine geschützte Rechtsposition erlangt haben 4 6 1 . Da Art und Ausmaß der Gefahr darüber entscheiden, welche Maßnahmen unaufschiebbar sind, kann es überdies der Einzelfall ausnahmsweise erfordern, daß auch eine endgültige Regelung getroffen werden m u ß 4 6 2 .
V . Ungeschriebene Ausnahmen 1. Die Wahrnehmung eigener Angelegenheiten durch Gemeindeorgane Eine Ausnahme vom Mitwirkungsverbot ist ferner in den Fällen zu machen, in denen Gemeindeorgane i m Rahmen der gemeindlichen Rechtsetzungs- und Verwaltungsaufgaben Beschlüsse fassen, die sie in ihrer Stellung als Organ der Gemeinde betreffen. So etwa, wenn die Gemeindevertreter über die Höhe ihrer Aufwandsentschädigung entscheiden 4 6 3 . In Fällen dieser A r t kann nach den Vorausgegangenen nicht zweifelhaft sein, daß durch die Entscheidung bei den Gemeindevertretern ein unmittelbarer Vorteil eintritt. Da sich die Gemeindevertretung aus einem genau umgrenzten Personenkreis zusammensetzt, der mangels gleichgerichteter Interessen nicht als Berufsoder Bevölkerungsgruppe qualifiziert werden kann, wären daher die Gemeindevertreter ausgeschlossen 464 . Die Notwendigkeit einer Ausnahme in diesen Fällen 461 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 47. 462 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 9; so wohl auch Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 47, wenn er hervorhebt, daß das Vorstehende nur im Grundsatz gelte. 463 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 131; Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Amtsträger, S. 86. 464 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 131; a. A. aber H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. IX; Galette / Laux-Borchert, GO SH, § 22 Absatz 1 Anm. 12; Rauball / Pappermann / Roters, GO NrW, § 23 Rn. 9.
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C. 3. Abschn.: Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot
ergibt sich aus dem Gesichtspunkt, daß derartige Konstellationen v o m Gesetzgeber gerade gewollt sind. Denn das Mitwirkungsverbot kann nicht auf Beschlüsse Anwendung finden, die von einer rechtmäßig konstituierten Gemeindevertretung in ihrem sachlichen Zuständigkeitsbereich getroffen werden, wenn diese als Ganzes in ihrer Stellung als Organ der Gemeinde betroffen w i r d 4 6 5 . Ansonsten wäre einmal die Arbeitsfähigkeit der Gemeindeorgane in nicht unerheblicher Weise beeinträchtigt und zum anderen das Prinzip der Selbstverwaltungsgarantie tangiert, wenn die staatliche Aufsichtsbehörde diese Entscheidungen zu treffen hätte 4 6 6 . Die von Linden an der weitergehenden Begründung des O V G Koblenz, wonach die Stellung der Gemeindevertreter mit der Stellung der Gemeindevertretung, die letztlich aus der Summe der Einzelrechte der Gemeindevertreter bestünde, identisch s e i 4 6 7 , geübte K r i t i k überzeugt nicht. Die daraus v o m O V G gezogene Konsequenz, daß bei einer solchen Wesensgleichheit ein sich von den Interessen der Gemeinde abhebendes Sonderinteresse schon begrifflich ausscheide, trifft zu. Linden vermischt bei seinem Einwand, nach den Grundsätzen der Interessenkollision als eines abstrakten Tatbestandes sei ein Gegensatz zwischen Gemeindeund Individualinteressen nicht erforderlich 4 6 8 , in unzulässiger Weise die dogmatische Struktur der Ausschlußgründe mit der Funktion der Befangenheitsregelungen. Der Umstand, daß i m konkreten Fall eine Interessenkollision nicht vorzuliegen braucht, darf nicht zu der Annahme verführen, daß Gesetz verzichte ganz auf diese Vorausetzung. Erforderlich ist stets ein zumindest potentieller Interessenwiderstreit. Dessen Vermeidung ist j a gerade der Sinn der Befangenheitsregelung. Steht ein solcher jedoch auch potentiell nicht zu befürchten, so ist der Normanwendungsbefehl in derartigen Fällen sinnlos und eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Z u beachten ist, daß die Ausnahme v o m Mitwirkungsverbot nur dann gemacht werden kann, wenn die Entscheidung das Gemeindeorgan als Ganzes betrifft. Werden lediglich einzelne Organmitglieder, etwa einzelne Gemeindevertreter, in ihrer Stellung betroffen, so sind diese von der Beratung und Entscheidung in dieser Angelegenheit ausgeschlossen 469 .
2. Ausnahme auch bei Doppelmitgliedschaft in Kreis- und Gemeindeorganen? Eine wenig erörterte Frage ist, ob Amts- und Mandatsträger einer kreisangehörigen Gemeinde bei einer — unter Berücksichtigung bestehender InkompatibilitätsVorschriften noch m ö g l i c h e n 4 7 0 — gleichzeitigen Zugehörigkeit zu einem 465 466 467 468 469
OVG Koblenz, DÖV 1959, 233 ff., 234. Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 134. OVG Koblenz, DÖV 1959, 233 ff., 234. Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 134. Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 134.
V. Ungeschriebene Ausnahmen
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Kreis- und einem Gemeindeorgan dem Mitwirkungsverbot unterliegen, soweit eine Begünstigung oder Benachteiligung jeweils der anderen Gebietskörperschaft in Rede steht. Sofern in der Literatur auf dieses Problem eingegangen wird, w i r d dies verneint. Da das Mitwirkungsverbot für die Tätigkeit innerhalb der Gemeinden und der Kreise gelte, sei dies seinem Wortlaut nach zwar zu bejahen. Berücksichtigt werden müsse jedoch, daß die Aufgaben von Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, ihre Finanzwirtschaft und zum Teil auch ihre Verfassungsorganisation vielfältig miteinander verbunden seien. Würden nun bei der Wahrnehmung der sich hieraus als ständige Aufgabe ergebenden Tätigkeit jeweils diejenigen am Willensbildungsprozeß beteiligten Personen einem Mitwirkungsverbot unterliegen, die gesetzliche Vertreter oder Mitglieder des Vertretungsorgans der potentiell durch die Tätigkeit begünstigten oder benachteiligten (voroder nachgeordneten) Körperschaft seien, so müßte dies zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung ihrer Pflichten als Ehrenbeamte, Organmitglieder oder sonst ehrenamtlich Tätige der Körperschaft führen, zu deren Entscheidung die M i t w i r k u n g beitrage. Das Mitwirkungsverbot könne sich daher in solchen Fällen einer Ämterverbindung zwischen Gebietskörperschaften nur auf die Teilnahme an Tätigkeiten beziehen, die nicht zum regelmäßigen A b l a u f der Beziehungen zwischen den Körperschaftsebenen gehörten. Soweit sich die M i t w i r k u n g dagegen i m Rahmen der v o m kommunalen Verfassungsrecht angeordneten oder angestrebten Beziehungen, insbesondere im Rahmen des finanzwirtschaftlichen Verbundes der Gebietskörperschaften, etwa bei der Abstimmung über die Kreisumlage, halte, müsse dem Mitwirkungsrecht und der Mitwirkungspflicht des Amts- und Mandatsträgers Vorrang vor dem Mitwirkungsverbot eingeräumt werden 4 7 1 . Dieser Auffassung ist jedoch zu widersprechen. Sie führt zum einem i m Hinblick auf das von ihr aufgestellte Kriterium des „regelmäßigen" Ablaufs der Beziehungen zwischen den Körperschaftsebenen zu nicht unerheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten in der praktischen Anwendung. Z u m anderem ist sie primär von Praktikabilitätserwägungen getragen. W e i l die Doppelmitgliedschaft eine in der Realität typische Erscheinung sei und zudem die i m Dienste der einen Körperschaft gewonnenen Erfahrungen der jeweils anderen Körperschaft nutzbar gemacht werden müßten, müsse das Mitwirkungs verbot zurücktreten 4 7 2 . Derartige Praktikabilitätserwägungen können jedoch unter methodischen Gesichtspunkten lediglich zusätzliche Gesichtspunkte sein, die eine Auslegung unterstützen, jedoch können sie selbst keine Auslegung tragen. Hinzu kommt, daß die beschriebenen Verbindungslinien zwischen Kreis- und Gemeindeebene nicht zu einer Ämterkumulierung zwingen. Die oben dargestellte Stoßrichtung des Unbefan470
Vgl. §§ 37 Nrn. 1 d, e, 43 I Nrn. 3, 4 HGO, 27 Nr. 1 c, 39 I I I Nrn. 3, 4 HKO. 471 Galette/Laux-Borchert, GO SH, §22 Absatz 1 Anm. 8 b; Meyer, in: Meyer/ Stolleis, HessStVwR, S. 138ff., 169 f. 472 Meyer, in: Meyer / Stolleis, HessStVwR, S. 138 ff., 170; Galette / Laux-Borchert, GO SH, § 22 Absatz 1 Anm. 8 b.
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C. 3. Abschn.: Ausnahmen vom Mitwirkungsverbot
genheitsgebotes hin zu einer administrativen Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle spricht i m Gegenteil gerade auch insoweit für eine Ämtertrennung. Z u einem anderen Ergebnis würde man nur dann gelangen, wenn die insoweit auftretenden Interessenkollisionen derart geringfügig wären, daß sie vernachlässigt werden könnten. Dem ist jedoch nicht so, wenn man sich die Aufgabenstellung der Kreise vergegenwärtigt. Die Funktionen der Kreisebene lassen sich mit den Begriffen der Subsidiarität und der Ausgleichsfunktion beschreiben 4 7 3 . Die mit dem Begriff der Subsidiarität angesprochene Funktion drückt sich in § 2 I 1 H K O aus, demzufolge die Landkreise in ihrem Gebiet grundsätzlich nur die Aufgaben wahrnehmen, die über die Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Gemeinden hinausgehen. Satz 3 des § 2 I H K O präzisiert dies dahingehend, daß sich die Kreise auf diejenigen Aufgaben beschränken sollen, die der einheitlichen Versorgung und Betreuung des ganzen Kreises oder eines größeren Teiles des Landkreises dienen. Die Ausgleichsfunktion des Landkreises w i r d durch § 2 1 2 H K O zum Ausdruck gebracht. Danach haben die Kreise die Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu fördern und zugleich einen angemessenen Ausgleich ihrer Lasten zu vermitteln. In die Betrachtung einzubeziehen sind weiterhin die Instrumentarien, die den Kreisen zur Realisierung dieser Aufgaben zur Verfügung gestellt werden. Hervorzuheben ist hier neben der Kreisumlage (§ 53 I I H K O ) insbesondere die Möglichkeit der Übernahme gemeindlicher Aufgaben durch den Landkreis nach § 19 H K O , die auch gegen den W i l l e n der betroffenen Gemeinden erfolgen kann. Dieser skizzenhafte Überblick zeigt das Feld auf, in denen Interessengegensätze zwischen Gemeinden und Landkreisen wirksam werden 4 7 4 . Das B V e r f G hat in verschiedenen Entscheidungen i m Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Überprüfung von Inkompatibilitätsregelungen vor dem beschriebenen Hintergrund immer wieder auf diese Gefahr möglicher Interessenkollisionen und der Relevanz auch des kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbotes unter diesem Gesichtspunkt hingewiesen. So hat es ausdrücklich zur niedersächsisischen Rechtslage ausgeführt, daß Interessenkollisionen zwischen dem A m t des Gemeindedirektors und dem Mandat des Kreistagsabgeordneten deshalb nicht eintreten könnten, weil die betreffenden Amts- und Mandatsträger bei der Beratung und Entscheidung im Kreistag, i m Kreisausschuß oder in den Ausschüssen des Kreistages aufgrund des Mitwirkungsverbotes ausgeschlossen seien, wenn die Interessen ihrer Gemeinden den Interessen des Landkreises unmittelbar gegenüberstünden 475 . Das B V e r f G sieht also bei dem Vorliegen solcher Doppelmitgliedschaften in Kreis- und Gemeindeorganen gerade ein Bedürfnis für die Anwendung des Unbefangenheitsgebotes. Der hiergegen gerichtete Einwand, die Rechtslage in Niedersachsen unterscheide sich von derjenigen der anderen Bundesländer 4 7 6 ist nicht durchschlagend. W i e bereits hervorgeho473
Borchmann/Breithaupt/ yiola, Kommunalrecht in Hessen, S. 30. BVerfGE 58, 177 ff., 193 ff., 197. 47 5 BVerfGE 18, 172 ff., 185. 4 ™ Galette / Laux-Borchert, GO SH, § 22 Absatz 1 Anm. 8 b. 474
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V. Ungeschriebene Ausnahmen
ben, ist mit der Verwendung des Begriffs „besonderer" Vor- oder Nachteil keine Abweichung gegenüber dem herkömmlichen
Unmittelbarkeitsbegriff
bezweckt 4 7 7 . I m übrigen ist auch nicht ersichtlich, daß das BVerfG sich insoweit auf eine Besonderheit des niedersächsischen Kommunalrechts beruft. Z u m anderen ist daraufhinzuweisen, daß auch Borchert die Gefahr von Interessenkollisionen nicht gänzlich von der Hand weisen kann. Überschreite der Amtsund Mandatsträger die Grenzen seiner Mitwirkungspflichten und -rechte, indem er den Interessen der anderen Körperschaft, deren Organmitglied er ist, einen erkennbaren mißbräuchlichen Vorrang einräume, so lägen die erwähnten Gründe für eine Einschränkung des Mitwirkungsverbots nicht vor. Eine durch das erkennbare Interesse der Gemeinde oder des Kreises nicht gedeckte Begünstigung oder Benachteiligung einer bestimmten anderen Gebietskörperschaft liege außerhalb des regelmäßigen, verfassungsrechtlich angestrebten Ablaufs der Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften. In einem solchen Fall müßten Wiederholungen mißbräuchlicher Ausnutzung der Doppelfunktion durch einen Ausschluß des entsprechenden Amts- und Mandatsträgers bei den diese Gebietskörperschaft unmittelbar betreffenden Beratungen und Entscheidungen verhindert werden 4 7 8 . Diese Ansicht vermag nicht zu befriedigen. Der so bestimmte Anwendungsbereich des Mitwirkungsverbotes bei Doppelmitgliedschaften in Kreis- und Gemeindeorganen widerspricht der Struktur der Befangenheitsvorschriften. Besteht die abstrakt bestimmbare Gefahr einer Interessenkollision, so ist dieser durch die Anwendung des insoweit bestehenden Ausschlußgrundes zu begegnen und nicht erst i m Nachhinein, wenn bereits die Befangenheit eines Amts- und Mandatsträgers einmal ihre W i r k u n g entfaltet hat. Schließlich kann auch nichts aus der Regelung des § 18 I I Nr. 3 GO B a W ü für die Literaturansicht hergeleitet werden. Danach ist nur ein Bürger ausgeschlossen, der M i t g l i e d eines Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist, welcher die Entscheidung der Angelegenheit einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann und die nicht Gebietskörperschaft ist, sofern er diesem Organ nicht als Vertreter oder auf Vorschlag der Gemeinde angehört. Fälle der vorliegenden Art werden von dieser Vorschrift daher von dem M i t w i r kungsverbot ausgenommen 4 7 9 . Bei dieser Vorschrift handelt es sich jedoch um eine Spezialvorschrift, die nach den vorangegangenen Darlegungen nicht verallgemeinerungsfähig und zumindest in rechtspolitischer Hinsicht nicht unerheblichen Bedenken ausgesetzt ist. Als Ergebnis ist damit festzuhalten, daß bei Doppelmitgliedschaften in Kreisund Gemeindeorganen keine Ausnahme von dem Mitwirkungsverbot zu machen ist. 477 Kapitel C Erster Abschnitt II. 1. a. bb. 478 Galette / Laux-Borchert, GO SH, § 22 Absatz 1 Anm. 8 b. 479 Kunze/Bronner/Katz, GO BaWü, § 18 Rn. 16; VGH Mannheim, BaWüVBl. 1970, 41 ff., 42.
D. Ineligibilität, Inkompatibilität, Vertretungsverbote und Befangenheit — Verhältnis und Abgrenzung der Regelungsbereiche Eingangs dieser Arbeit wurden Interessenkollisionsnormen unter abstrakten Gesichtspunkten systematisch in zwei Gruppen eingeteilt. In den sich daran anschließenden Darlegungen über die allgemeinen Grundlagen des Unbefangenheitsprinzips und die einzelnen Tatbestände der Ausschlußgründe wurde deutlich, daß den Befangenheitsvorschriften ein ganzes Bündel von Zielen und Motiven zugrundeliegt, die sich nicht in jedem Einzelfall realisieren, ihr Gewicht vielmehr in mehr oder weniger umfassenden Fallgruppen entfalten. Deutlichen Ausdruck gewann diese Erkenntnis in den von den Ausschlußgründen erfaßten Amtskonflikten, konkret in der sich dabei entfaltenden Zielsetzung einer inneradministrativen Gewaltenteilung und -kontrolle. Bei den nun folgenden Ausführungen soll diese isoliert anhand des Schutzzweckes gewonnene Erkenntnis in den Gesamtzusammenhang anderer Interessenkollisionsnormen gestellt und danach gefragt werden, ob die der Vermeidung von Interessenkollisionen dienenden Rechtsinstitute zu einem System zusammengefügt werden können. U m darauf eine Antwort geben zu können, müssen die anderen Interessenkollisionsnormen des Verwaltungsrechts in zweierlei Hinsicht untersucht werden. Z u m einen ist ihr Zweck zu bestimmen. Denn ein verbindendes Gesamtkonzept gesetzlicher Regelungen setzt eine gemeinsame Zielrichtung, eine i m Kern einheitliche ratio der Rechtsinstitute voraus. Z u m anderen ist ihre Wirkungsweise von Bedeutung. Nur, wenn sich die Regelungen ineinanderfügen, sie sich gegenseitig sinnvoll ergänzen, kann ein System vorliegen. Diese beiden Gesichtspunkte sollen bei dem folgenden Überblick über andere Rechtsinstitute i m Vordergrund stehen.
I. Inkompatibilitäten
219
Erster Abschnitt
Funktion und Wirkungsweise anderer Interessenkollisionsnormen I . Inkompatibilitäten 1. Begriff und Überblick Unter dem Begriff der Inkompatibilität sind Unvereinbarkeitsregeln des öffentlichen Rechts zu verstehen, die die gleichzeitige Vereinigung bestimmter öffentlicher Funktionen mit bestimmten anderen Ämtern, Betätigungen oder Berufen in einer Person für unzulässig erklären 1 . A u f der Grundlage dieser allgemeinen Definition lassen sich zwei Kategorien unterscheiden 2 . Einmal die Amtsinkompatibilität, bei der sich zwei öffentliche Funktionen gegenseitig ausschließen. U n d zum zweiten die Berufsinkompatibilität, die die gesellschaftliche Sphäre des (potentiellen) Amtsträgers im B l i c k hat und jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit als mit dem A m t unvereinbar erscheinen läßt. Amtsinkompatibilitäten wiederum lassen sich in zwei Untergruppen einteilen. Neben der Unvereinbarkeit von A m t und Mandat findet sich auch die Unvereinbarkeit zweier Ämter. Regelungen der ersten Art sind auf die Ermächtigungsgrundlage des Art. 137 I GG zurückzuführen. Nach diesem Gesetzesvorbehalt 3 ist es dem Gesetzgeber möglich, die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern i m Bund, in den Ländern und Gemeinden zu beschränken. Der überwiegenden Ansicht zufolge, soll sich der Anwendungsbereich auf die Beschränkung des passiven Wahlrechts zu den Volksvertretungen von Bund, Ländern und Gemeinden sowie den Kreisen 4 erstrecken 5 . Da hinsichtlich der Kompetenzfrage sowohl der für das jeweilige Parlamentsrecht wie der für das jeweilige Dienstrecht zuständige Gesetzgeber Inkompatibilitäten nach Art. 137 I G G statuieren kann 6 , finden sich entsprechende Regelungen verstreut in verschiedenen Gesetzen. Mustert man diese in bezug auf die in diesem Zusammenhang aufgrund der Fragestellung nur interessierenden Inkom1
Dietrich-Schirrmann, Die Inkompatibilität im kommunalen Bereich, S. 1. Hausmann, Die Inkompatibilität im Gemeindeverfassungsrecht, S. 29; Scholler/ Eder, Verfassungsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 118 f. 3 Schiaich, AöR 105 (1980), 188 ff., 204 ff., 208 mit Nachweisen zu insoweit unklaren Stellungnahmen in der Literatur. 4 Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 137 Rn. 12; BVerfGE 12, 73 ff., 77. 5 Vgl. statt vieler Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 137 Rn. 11. 6 Schiaich, AöR 105 (1980), 188 ff., 189 f.; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 137 Rn. 19. 2
220
D. 1. Abschn.: Andere Interessenkollisionsnormen
patibilitäten i m verwaltungsinternen Bereich durch, so geraten für die hessische Rechtslage die Inkompatibilitätsregelungen für Gemeindevertreter bzw. Kreistagsabgeordnete nach § § 3 7 H G O und 27 H K O in den Blick. Zusätzlich gilt hier das Verbot der §§ 65 I I H G O , 36 I I H K O , wonach Mitglieder des Gemeindevorstandes bzw. des Kreisausschusses nicht zugleich Gemeindevertreter bzw. Kreistagsabgeordnete sein dürfen. Amtsinkompatibilitäten der zweiten Art, die Ämterkumulierungen für unzulässig erklären, finden sich ebenso verstreut in verschiedenen Gesetzen. Eine derartige Regelung enthält etwa § 65 H B G , wonach Beamte bei Ernennung zum M i t glied der Landesregierung in den Ruhestand treten oder (bei Beamten auf Probe bzw. Widerruf) aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden. Ein weiteres Beispiel ist § 110 I I I , I V H G O , der Inkompatibilitätsregelungen für den Kassenverwalter und seinen Stellvertreter enthält. Berufsinkompatibilitäten sind in den einzelnen Beamtengesetzen i m Zusammenhang mit den Regelungen über die Nebentätigkeiten statuiert. So sind in §§ 65 I I B B G , 79 I I H B G Voraussetzungen normiert, unter denen eine Nebentätigkeit nicht genehmigungsfähig ist. A u c h nicht genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten können nach §§ 66 I I 1 B B G , 80 I I I 1 H G B dann untersagt werden, wenn der Beamte durch ihre Ausübung dienstliche Pflichten verletzt.
2. Funktion und Wirkungsweise Dieser Überblick über gesetzlich verankerte Inkompatibilitäten leitet über zu der Frage nach ihrer Funktion und Wirkungsweise. Zunächst kann festgehalten werden, daß Inkompatibilitätsvorschriften präventiv wirken, indem sie mögliche Interessenkollisionen, die aus verschiedenen Wirkungskreisen einer Person resultieren, verhindern. N i m m t eine Person mehrere öffentliche Funktionen wahr, die sich in ihrer konkreten Aufgabenstellung voneinander unterscheiden, oder geht sie sowohl öffentlichen wie privaten, beruflichen Tätigkeiten nach, so besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie in bestimmten Fragen, in denen sich die Pflichtenkreise der von ihr wahrzunehmenden Funktionen überschneiden, in einen Interessenkonflikt geraten w i r d 7 . Das Entstehen derartiger Interessenkollisionen soll mit Inkompatibilitätsvorschriften von vornherein verhindert werden. Indem eine Gefahrenlage für die Sachgemäßheit und Unparteilichkeit des Verwaltungshandelns erst gar nicht entstehen kann, w i r d durch die Statuierung von Inkompatibilitäten eine Gefahrenvorsorge betrieben 8 .
7
Dietrich-Schirrmann, Die Inkompatibilität im kommunalen Bereich, S. 6. « Scheuing, NVwZ 1982, 487 ff., 487; Hofmeister, Interessenkollisionen nach deutschem Gemeindeverfassungsrecht, S. 119; Marré, Befangenheit im Verwaltungsverfahren, S. 61; Linden, Interessenkollisionen nach § 23 GO NrW, S. 12 f.
I. Inkompatibilitäten
221
Diese Funktion als Interessenkollisionsnorm kann auch nicht mit dem Hinweis darauf in Abrede gestellt werden, Schutzzweck sei alleine die Sicherung funktionsgerechter Funktionsausübung 9 . Diese Ansicht ignoriert den Umstand, daß gerade die Vermengung von bestimmten Funktionen Interessenkollisionen der Funktionsträger hervorruft. Daher besteht kaum mehr als ein terminologischer Unterschied zwischen der Sicherung einer funktionsgerechten Funktionsausübung und der Vermeidung von funktionsbedingten Interessenkollisionen 10 . Die durch Ämterkumulation und Machtkonzentration hervorgerufene Gefahrenlage ist identisch. In dieser Hinsicht bietet auch der Gewaltenteilungsgrundsatz keine Basis für eine andere Beurteilung. Er liefert die Grundlage für die Verhinderung der Beteiligung eines Organs an den Funktionen eines anderen Organs, wenn diese Funktionen sachlich nicht miteinander vereinbar sind 1 1 . A u c h der Gewaltenteilungsgrundsatz dient insofern der Verhinderung von Interessenkollisionen 12 . Gegen dieses Ergebnis ließe sich einwenden, daß der Begriff der Inkompatibilität ein speziell staatsrechtlicher Terminus ist, der sich in seinen verschiedenen Ausformungen nicht allein auf das Problem der Interessenkollision reduzieren läßt 1 3 . Dieser Einwand greift jedoch in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht. Untersucht werden soll hier lediglich das Verhältnis von Interessenkollisionsnormen zueinander. Entscheidend ist daher ausschließlich, daß Inkompatibilitäten in ihren einzelnen Erscheinungsformen ausschließlich oder jedenfalls auch auf dem Gedanken der Vermeidung von Interessenkollisionen beruhen. Gerade dies ist jedoch der Fall. Betrachtet man zunächst die Unvereinbarkeit von A m t und Mandat im Bereich der Kommunalverwaltung, so ergibt sich das folgende Bild. Die durch Arbeitsteilung zwischen einer v o m V o l k unmittelbar gewählten Vertretungskörperschaft und den für die Führung der laufenden Geschäfte verantwortlichen Amtsträgern gekennzeichnete kommunale Verwaltungstätigkeit ist aufgrund der Begrenztheit des Systems 1 4 i m besonderen Maße durch die Gefahr von Interessenkollisionen gekennzeichnet. Dies nicht nur i m Hinblick auf den Widerstreit von amtlichen mit persönlichen Interessen, sondern auch i m Hinblick auf die Aufgabenkreise verschiedener öffentlicher Funktionen. So ist in bestimmten Konstellationen, wie etwa der gleichzeitigen Zugehörigkeit von Gemeindebediensteten zur Gemeindevertretung die Möglichkeit ständiger Interessenkollisionen gegeben, weil die Gemeindebediensteten weisungsabhängig und Gemeindevertreter nur ihrem Gewissen unterworfen sind 1 5 . Dies und die Gefahr mangelnder Wahrnehmung der Kontrollfunktion der Gemeindevertretung belegen die Rele9
Hausmann, Die Inkompatibilität im Gemeindeverfassungsrecht, S. 47 ff., 107 ff., 193 ff., 208. •o Schefold, Kommunalwirtschaftliche Inkompatibilität, S. 80 FN 57. 11 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 13 I I 1 b. 12 Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 66 Rn. 4. 13 Sturm, Die Inkompatibilität, S. 2. ' 4 Siehe dazu Kapitel Β II. 2. c. aa. 15 BK-Stober, GG, Art. 137 I Rn. 265.
222
D. 1. Abschn.: Andere Interessenkollisionsnormen
vanz von Inkompatibilitäten als Interessenkollisionsnormen. Unter funktionalen Gesichtspunkten dienen sie wie die funktionalen Befangenheitstatbestände einer inneradministrativen Gewaltenteilung und -kontrolle. Wenn auch der Gewaltenteilungsgrundsatz in seinem klassischen Verständnis als Trennung von Legislative, Exekutive und Judikative insoweit nicht unmittelbar einschlägig i s t 1 6 , so gewinnt dieser doch in einer modifizierten Form Leben. Die Unvereinbarkeit von A m t und Mandat konkretisiert dieses Prinzip auf kommunaler und damit rein administrativer Ebene i m Hinblick auf eine Herstellung von Kontrollen und Gleichgewichtslagen. Ersichtlich liegt dieser Grundgedanke auch der anderen Kategorie von Amtskonflikten zugrunde, wie aus den oben angeführten Beispielen hervorgeht. Keines besonderen Nachweises bedarf schließlich die Feststellung, daß auch Berufsinkompatibilitäten Interessenkollisionsnormen darstellen. Gemäß der Nr. 4 der §§ 79 I I H B G , 65 I I B B G ist eine Nebentätigkeit dann nicht genehmigungsfähig, wenn sie die Unparteilichkeit oder Unbefangenheit des Beamten beeinflussen kann. W i r d die Pflicht zur Objektivität und Uneigennützigkeit beeinträchtigt, so kann nach den § § 8 0 I I I 1 H B G , 66 I I 1 B B G auch eine nicht genehmigungspflichtige Nebentätigkeit ganz oder teilweise untersagt werden. Ob Inkompatibilitäten daneben ganz oder teilweise andere Regelungszwecke verfolgen oder verfolgen können 1 7 , kann somit dahingestellt bleiben. Festzuhalten bleibt in bezug auf die hier zu untersuchende Frage zunächst, daß Inkompatibilitäten auf die gleiche Funktion wie Befangenheitsregelungen
zurückgeführt
werden können. 3. Sonderprobleme V o n Interesse ist in dem vorliegenden Zusammenhang noch, in welchem qualitativen und quantitativen Umfang der Gesetzgeber Unvereinbarkeiten statuieren kann. a. Zulässigkeit
beschränkter
Ineligibilitäten
I n besonderem Maße umstritten ist der Umfang, in dem das passive Wahlrecht der erwähnten Personengruppen beschränkt werden kann. Der Streit dreht sich dabei um die Pole Inkompatibilität — Ineligibilität. Während der Angehörige 16 Bernhard, DVB1. 1981, 869 ff., 870; BK-Stober, GG, Art. 137 I Rn. 189, 265. 17 Auf die insbesondere im Rahmen des Art. 137 I GG problematische Frage, ob der Gesetzgeber eines legitimierenden besonderen Grundes für die Statuierung von Inkompatibilitäten bedarf (so Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 107 f., 164 ff.; Hausmann, Die Inkompatibilität im Gemeindeverfassungsrecht, S. 52 ff. mit der Beschränkung auf die funktionsgerechte Funktionsausbung; anders die h. M.: Bindung des Gesetzgebers nur an die allgemeinen Regelungsschranken, vgl. nur BK-Stober, GG, Art. 137 I Rn. 212) soll hier nicht eingegangen werden.
I. Inkompatibilitäten
223
des öffentlichen Dienstes bei der Inkompatibilität wählbar bleibt, er aber nach seiner Wahl die Entscheidung zu treffen hat, entweder das von ihm bisher bekleidete A m t niederzulegen oder das ihm durch die Wahl zustehende Mandat abzulehnen,
beschreibt
die Ineligibilität
die
gänzliche
Aufhebung
seiner
Wählbarkeit 1 8 . Die Ineligibilität soll nach der ganz überwiegenden Ansicht — gleich in welcher Form sie auftritt — verfassungswidrig sein, da die weniger weitergehenden Inkompatibilitätsvorschriften zur Erreichung des Normzweckes ausreichend seien 1 9 . I m Grundsatz soll dies selbst für sog. faktische Ineligibilitäten zutreffen, bei denen die betroffene Personengruppe aufgrund der Auswirkungen auf ihre berufliche Existenz praktisch nicht in der Lage ist, sich nach der Erringung eines Mandats in der Gemeindevertretung für dessen Annahme und Ausübung zu entscheiden 20 . Eine Ausnahme soll aufgrund der Besonderheiten i m kommunalen Bereich dann gemacht werden, wenn der Normzweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann. Die Ausübung des Mandats sei Erfüllung einer allgemeinen Bürgerpflicht und keine Tätigkeit zur Sicherstellung der materiellen Lebensgrundlage und daher grundsätzlich als Ehrenamt ausgestaltet. A u f dieser Ebene sei für eine aufwendige Auffangregelung zur Abwendung der faktischen Ineligibilität kein R a u m 2 1 . Dieses Dogma von der Verfassungswidrigkeit einer Ineligibilität erscheint jedoch fragwürdig. W i e Schiaich überzeugend nachgewiesen hat, ist das Argument der h. M . , Art. 137 I G G decke nur eine „Beschränkung" der Wählbarkeit, nicht aber deren Ausschluß und schließe daher eine Ineligibilität schlechthin aus, nicht durchschlagend. Eine Beschränkung der Wählbarkeit ist gerade eine Beschränkung der Eligibilität und damit eine partielle, beschränkte Ineligibilität. Inkompatibilitäten i m Sinne einer Option zwischen A m t und Mandat setzen hingegen eine erfolgreiche Wahl, mithin die Wählbarkeit voraus und sind daher letztlich keine Beschränkungen der Wählbarkeit, sondern bloße „Tätigkeitsverbote für Beamten-Abgeordnete" 2 2 . Ihre Subsumtion unter die Ermächtigungsgrundlage des Art. 137 I G G erklärt sich aus dem Umstand, daß diese Bestimmung eine Ausnahmevorschrift zu Art. 38, 48, 28 I 2 G G darstellt, die das allgemeine und gleiche passive Wahlrecht zum Bundestag, den Landtagen und zu den Kreisbzw. Gemeindevertretungen als Ausdruck des Demokratieprinzips gewährleisten. Nach diesen Vorschriften ist jeder unmittelbare oder mittelbare Zwang oder 18 Schiaich, AöR 105 (1980), 188 ff., 211; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 137 Rn. 15; Hausmann, Die Inkompatibilität im Gemeindeverfassungsrecht, S. 29 f. 19 BVerfGE 12, 73 ff., 77; 18, 172 ff., 183; 38, 326 ff., 338; BayVfGH, BayVBl. 1971,381 ff., 382; Hausmann, Die Inkompatibilität im Gemeindeverfassungsrecht, S. 37; Scholler/Broß, VR 1978, 77 ff., 79; Schefold, Kommunalwirtschaftliche Inkompatibilität, S. 52. 20 BVerfGE 48, 64 ff., 90; H. und D. Schlempp, HGO, § 37 Anm. I. 21 BVerfGE 48, 64 ff., 88 ff., 89; BayVfGH, BayVBl. 1971, 381 ff., 384; krit. Schefold, JuS 1980, 493 ff., 495 f. 22 Schiaich, AöR 105 (1980), 188 ff., 214; BK-Stober, GG, Art. 137 I Rn. 252.
224
D. 1. Abschn.: Andere Interessenkollisionsnormen
Druck auf den Gewählten, das Mandat nicht zu übernehmen oder nicht auszuüben sowie jede Erschwerung der Mandatsausübung unzulässig. Inkompatibilitäten führen nun zu einer Differenzierung der Freiheit und Gleichheit der Wählbarkeit gegenüber anderen Abgeordneten, die bei der Annahme der W a h l ihren Beruf nicht aufzugeben brauchen. Da sie also an sich unzulässig wären, ist die verfassungsrechtliche Ermächtigung des Art. 137 I G G erforderlich 2 3 . Überdies zeigt die Wirkungsweise von Inkompatibilitäten, daß die ausschließliche Festlegung des Gesetzgebers durch die h. M . auf diese Figur mehr als fragwürdig ist. Einmal sind Konstellationen denkbar, in denen diese Figur nur beschränkt wirksam ist. So werden interessenmässige Querverbindungen bei der Mandatsannahme durch Angehörige des öffentlichtlichen Dienstes mit dem Ruhen des Dienstverhältnisses nicht ad hoc, sondern erst auf längere Sicht beseitigt werden können 2 4 . Z u m anderen ist ein Blick auf andere grundrechtsbezogene Gesetzvorbehalte zu richten 2 5 . Derartige Gesetzesvorbehalte sagen, sofern sie nicht qualifizierter Natur sind, nichts über die Art und Weise des Eingriffs aus. Er ist innerhalb der Grenzen der Wesensgehaltsgarantie und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit seinen Implikationen ungebunden. Wieso dies i m Rahmen des Art. 137 I G G anders sein soll, bleibt unerklärlich. Auch hier ist es Sache des Gesetzgebers, die Formen und Figuren der Beschränkung selbst zu finden und festzulegen. Die Frage, ob diese Eingriffe dann zulässig sind, ist gesondert unter Berücksichtigung der Tauglichkeit von Inkompatibilitätsvorschriften zur Erreichung des Normzwecks festzustellen. Keineswegs darf sie aber mit der Frage mit der Eingriffsfigur vermengt werden. Die Interpretation des Art. 137 I G G ergibt daher hinsichtlich der Eingriffsfigur, daß lediglich eine uneingeschränkte Ineligibilität, also ein Ausschluß der Wählbarkeit des Amtsträgers wegen seiner bisherigen Amtsausübung, unzulässig ist. Der Gesetzgeber kann sich daher i m Anschluß an eine neuere Ansicht zur Vermeidung von Interessenkollisionen auch Figuren einer beschränkten Ineligibilität bedienen 2 6 .
b. Zulässigkeit
der Verhinderung
von
Ämterkumulierungen
Fraglich ist weiterhin, in welchem Umfang der Gesetzgeber, außerhalb der aufgrund der Beschränkung der Wählbarkeit erforderlichen
Ermächtigungs-
grundlage Inkompatibilitäten anordnen kann. Bei der gesetzlichen Anordnung einer Unvereinbarkeit verschiedener öffentlicher Ämter ist die Beeinträchtigung 23 Hausmann, Die Inkompatibilität im Gemeindeverfassungsrecht, S. 35 f., Schiaich, AöR 105 (1980), 188 ff., 215. 24 Schiaich, AöR 105 (1980), 188 ff., 218; BK-Stober, GG, Art. 137 I Rn. 254. 25 Schiaich, AöR 105 (1980), 188 ff., 216 f. 26 Schiaich, AöR 105 (1980), 188 ff., 218ff. 222; BK-Stober, GG, Art. 137 I Rn. 252 ff., 255 ff. (mit Beispielen), 222; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 137 Rn. 15; Leisner, Unvereinbarkeit von öffentlichem Dienst und Abgeordnetenstellung, S. 18.
II. Vertretungsverbte
225
der Rechtskreise von Selbstverwaltungskörperschaften und derjenigen von (potentiellen) Bewerbern zu berücksichtigen. Bei der Prüfung der Frage, ob die gesetzliche Anordnung solcher Amtsinkompatibilitäten mit dem Selbstverwaltungsrecht insbesondere kommunaler Gebietskörperschaften i m Einklang steht, ist der schon i m Zusammenhang mit dem Unbefangenheitsgebot herangezogene Gedanke der Sicherung der Gemeinwohlkonkretisierung zu aktivieren. Die Verwaltungstätigkeit ist an der Realisierung des Gemeinwohls ausgerichtet. Folge dieser Zwecksetzung der Verwaltung ist, daß sie auch auf den Begriff der (kommunalen) Selbstverwaltung einwirkt und seinen Wesensgehalt entscheidend m i t f o r m t 2 7 . Dem Gesetzgeber ist es daher i m Rahmen der allgemeinen Regelungsschranken möglich, in das (kommunale) Selbstverwaltungsrecht zum Zwecke der Gewährleistung des Gemeinwohls einzugreifen. Insoweit besteht ein legislativer Gestaltungsspielraum. Die Beantwortung der Frage, ob andere Lösungen sinnvoller oder zweckmäßiger sind oder Inkompatibilitäten auch auf anderen Ebenen verwirklicht werden müßten, fällt im Grundsatz in die alleinige Kompetenz des Gesetzgebers. Die von ihm statuierten Inkompatibilitäten müssen lediglich von sachgerechten Erwägungen getragen sein, dürfen nicht w i l l k ü r l i c h belasten und müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen 28 , worauf i m zweiten Abschnitt dieses Kapitels noch gesondert einzugehen sein wird. Hinsichtlich des weiteren Aspekts des Eingriffs in die Rechtsstellung des Amtsbewerbers müssen entsprechende Gesichtspunkte gelten. Auch in diesem Zusammenhang bleibt es dem Gesetzgeber innerhalb der Grenzen des Art. 33 G G überlassen, Zugangsvoraussetzungen für den öffentlichen Dienst zu schaffen, die Rechtsstellung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu normieren oder bestimmte öffentliche Ämter negativ durch den Ausschluß bestimmter Personengruppen zu beschreiben, um Interessenkollisionen zur Sicherung einer sachgerechten Entscheidungsfindung zu verhindern.
I I . Vertretungsverbote 1. Der personelle Geltungsbereich Neben den Unvereinbarkeitsregelungen existieren Interessenkollisionsnormen, die bestimmten Interessenkonflikten punktuell begegnen wollen, indem sie einem i m Einzelfall drohenden Interessenkonflikt entgegenwirken wollen. Das Pendant zu den Befangenheitsvorschriften, die ihre Wirkung i m verwaltungsinternen Bereich entfalten, bildet das kommunalrechtliche Vertretungsverbot, das in seiner Wirkung in der gesellschaftlichen Sphäre des Amts- und Mandatsträgers 27 OVG Koblenz, DVB1. 1982, 782 ff., 783. 28 OVG Koblenz, DVB1. 1982, 782 ff., 784. 15 Kazele
226
D. 1. Abschn.: Andere Interessenkollisionsnormen
ansetzt und dort eine Tätigkeit untersagt 29 . Nach § 26 S. 2 H G O dürfen Ehrenbeamte keine Ansprüche Dritter, sofern sie nicht deren gesetzliche Vertreter sind, gegen die Gemeinde oder den Kreis (§ 18 I 1 H K O verweist auf § 26 H G O ) geltend machen. § 26 S. 3 H G O relativiert dieses absolute Vertretungsverbot für andere ehrenamtlich Tätige insoweit, als der Auftrag mit den Aufgaben ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit i m Zusammenhang stehen muß. V o n diesem Verbot besonders betroffen sind neben den Rechtsanwälten speziell Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Makler und Architekten, da diese Berufe (auch) die Geltendmachung von Ansprüchen Dritter zum Gegenstand haben 3 0 . Auffallend ist hinsichtlich des Normbereichs die ausdrückliche Beschränkung auf ehrenamtlich Tätige. Dies findet seinen Grund in den beamtenrechtlichen Regelungen. Bei hauptamtlicher Tätigkeit ist in diesen Fällen nach § § 6 5 I I Nrn. 2 - 4 B B G , 79 I I Nrn. 2 - 4
H G B aufgrund der Gefahr einer Interessenkollision keine
genehmigungsfähige Nebentätigkeit 3 1 gegeben. Diese Vorschriften finden jedoch nach §§ 177 I Nr. 2 B B G , 186 I Nr. 2 H B G auf Ehrenbeamte keine Anwendung, so daß das Vertretungsverbot als konkrete Ausgestaltung des besonderen Treueverhältnisses zwischen dem ehrenamtlich Tätigen und der jeweiligen kommunalen Gebietskörperschaft erforderlich wird. Damit ist zugleich ein Problem des kommunalen Vertretungsverbotes angesprochen, das dieses Ergebnis mit der Frage verknüpft, ob nur der ehrenamtlich Tätige Adressat des Vertretungsverbotes ist. Dieses Problem ist bei einer Bürogemeinschaft von Rechtsanwälten sowie Anwaltssozietäten virulent. M i t dem Hinweis auf den Normzweck der Vermeidung von Interessenkollisonen, auf den sogleich noch eingegangen werden wird, und der Gefahr der Umgehung des Vertretungsverbotes wurde die Ausdehnung des Vertretungsverbotes auch auf einen Rechtsanwalt vertreten, der selbst nicht ehrenamtlich für die Gemeinde tätig, aber mit einem Gemeindevertreter in Bürogemeinschaft verbunden i s t 3 2 . Das B V e r f G hat dieser Ansicht unter Billigung der h. M . in der Literatur eine Absage erteilt. Wortlaut, Funktion und die systematische Stellung des Vertretungsverbotes beschränken dessen Geltungsbereich auf Inhaber eines gemeindlichen Ehrenamtes bzw. Gemeindevertreter. Personen, die selbst nicht in einer kommunalen Gebietskörperschaft ehrenamtlich tätig sind, unterliegen nicht der kommunalverfassungsrechtlichen Treuepflicht, können infolgedessen auch nicht gegen sie verstoßen und mit Sanktionen belegt werden 3 3 . Für die Erstreckung 29 In diesem Zusammenhang gehören zudem die Vorschriften über die Nebentätigkeiten von Beamten, da nach ihnen auch ein nur partielles Verbot ausgesprochen werden kann. 30 Schneider-Jordan, HGO, § 26 Erl. 2. 31 Plog /Wiedow / Beck, BBG, §65 Rn. 11, 17f.; BVerwG, NJW 1970, 2313 f.; BVerwGE 60, 254 ff., 257 ff. 32 Menger, NJW 1980, 1827 ff., 1828; OVG Münster, OVGE 27, 73 ff., 75; NJW 1975, 2086 f. 33 BVerfGE 56, 99ff., 107 ff.; Bauer, NJW 1981, 2171 f., 2171; Jäkel, JuS 1979, 174 ff., 179; Prutsch, BayVBl. 1981, 523 ff., 527.
II. Vertretungsverböte
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der Rechtsfolgen auf einen weiteren Personenkreis fehlt es daher an der Rechtsgrundlage. Diese Ansicht hat das B V e r f G auch auf den Fall übertragen, in dem ein Rechtsanwalt mit einem Gemeindevertreter in einer Sozietät verbunden i s t 3 4 . Für die danach noch offene Konstellation eines bei einem ehrenamtlich für die Gemeinde tätigen Rechtsanwalt angestellten Anwalts wird nichts anderes gelten können 3 5 . Damit sind die auch in der Literatur noch geäußerten Zweifel und Differenzierungsansätze danach, ob eine gemeinschaftliche Bevollmächtigung v o r l i e g t 3 6 , als nicht tragfähig anzusehen. Sie erweisen sich auch bei einem Vergleich mit den strafprozessualen Regelungen der §§ 138a, 146 StPO, die ebenfalls der Verhinderung von Interessenkollisionen dienen, als nicht gangbar. I m Rahmen dieser Normen stellt die h. M . ausschließlich auf die Person des einzelnen Anwalts, nicht etwa auf seine Beziehungen zu Kollegen in einer Sozietät oder Bürogemeinschaft a b 3 7 . Insofern wäre es ein Wertungswiderspruch, für das kommunale Vertretungsverbot eine andere Position einzunehmen. Nachdem durch die Rechtsprechung des B V e r f G eine Klärung des personellen Anwendungsbereichs des Vertretungsverbotes eingetreten zu sein scheint, bleibt lediglich die streitige Frage offen, ob der ehrenamtlich tätige Rechtsanwalt aufgrund seiner Treuepflicht auf seinen Sozius einzuwirken hat, von der Vertretung des Mandaten Abstand zu nehmen. Entgegen einer A n s i c h t 3 8 stellt dies eine Überspannung der Treuepflicht dar und würde zudem unverhältnismäßige Konsequenzen nach sich ziehen, wenn bedacht wird, daß der ehrenamtlich für die Gemeinde tätige Rechtsanwalt während der Dauer seines Mandats für die Bildung von Sozietäten nur eingeschränkt oder gar nicht in Frage kommen w ü r d e 3 9 . Abgesehen davon geht diese Ansicht jedoch an der Sache vorbei. W i e nachfolgend gezeigt werden wird, soll das Vertretungsverbot gegen den M i ß brauch von Einfluß- und Kenntnismöglichkeiten schützen, die der ehrenamtlich Tätige aufgrund seiner Stellung in der Kommunalverwaltung erlangt hat. Wenn dem so ist, dann ist zur Gewährleistung des Schutzzweckes in den hier zur Diskussion stehenden Fällen die Verschwiegenheitspflicht des § 24 H G O und die besondere Treuepflicht für Ehrenbeamte nach § 26 S. 1 H G O , die über die Verweisung („Dies gilt auch") in dessen Satz 3 auch für andere ehrenamtlich Tätige einschlägig i s t 4 0 , ausreichend. Z u berücksichtigen ist insoweit insbesondere die Absicherung dieser Pflichten durch die Möglichkeit der Auferlegung von Bußgeldern nach § 24a I Nr. 2 H G O . Aus diesem Grunde kann das Vertretungsverbot auch bewußt i m Gegensatz zum Mitwirkungsverbot auf den Einbezug 34 BVerfGE 61, 68 ff., 73 f. 35 Schoch, NVwZ 1984, 626 ff., 627; ders., DVB1. 1981, 679. 36 OVG Lüneburg, DVB1. 1955, 164 ff., 166; VGH München, BayVBl. 1980, 221 ff., 222; Schneider-Jordan, HGO, § 26 Erl. 4. 37 Prutsch, VR 1981, 1 ff., 6. 38 Jäkel, JuS 1979, 174 ff., 179. 39 Prutsch, VR 1981, 1 ff., 6. 40 H. und D. Schlempp, HGO, § 26 Anm. I. 15*
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D. 1. Abschn.: Andere Interessenkollisionsnormen
dritter Personen in seinen Anwendungsbereich verzichten. Der Schutz der verwaltungsinternen Kenntnisse und der Unparteilichkeit der öffentlichen Verwaltung bedarf aufgrund dieser Pflichten des ehrenamtlich Tätigen keiner derartigen Absicherung. Nur wenn dieser selbst einem Dritten zur wirksamen Interessenvertretung verpflichtet ist, können diese in Zweifel geraten, da sich zwei Pflichtenkreise überlagern. Das Vertretungsverbot w i l l gerade diesen Pflichtenwiderstreit vermeiden. 2. Funktion M i t dieser Begründung ist bereits die Funktion des Vertretungsverbotes als Interessenkollisionsnorm deutlich geworden. Streitig ist allerdings die nähere Begründung, sowie das Hinzutreten weiterer Funktionen. Die ganz überwiegende Ansicht sieht die ratio des Vertretungsverbotes in dem Gedanken begründet, die Gemeindeverwaltung müsse von allen Einflüssen freigehalten werden, die eine objektive, unparteiische und einwandfreie Führung der Gemeindegeschäfte gefährden könnten. V o n diesem Ausgangspunkt soll dieses Rechtsinstitut darauf abzielen, Interessenkollisionen zwischen der geschäftsmäßigen beruflichen Interessenwahrnehmung und der Amtspflicht gegenüber der Gemeinde zu vermeiden. Dies soll sich in zwei Stoßrichtungen ausdrükken. Vermieden werden soll nicht nur die Ausnutzung verwaltungsinterner Kenntnisse zum Zwecke der Berufsausübung, vermieden werden soll vielmehr auch, daß der betreffende Amts- und Mandatsträger seinen Einfluß in der K o m munalverwaltung für die Belange seines Mandanten geltend macht 4 1 . Der Einbezug des Gesichtspunktes der Verhinderung unsachgemäßer Einflußnahme auf die Behandlung der von dem ehrenamtlich Tätigen vertretenen Angelegenheit in die ratio des Vertretungsverbotes ist jedoch unter Berücksichtigung der Funktionen des Unbefangenheitsgebotes nicht ohne weiteres einsichtig. Denn der Bereich, in dem die verwaltungsinterne Entscheidungsfindung vor unsachgemäßen Beeinflußungen geschützt wird, ist durch das Unbefangenheitsgebot und seine gesetzlichen Ausprägungen abgesteckt. Insbesondere durch den Ausschlußgrund des § 25 I 1 Nr. 3 H G O wird verhindert, daß der ehrenamtlich Tätige in der Angelegenheit des Dritten, die er vertritt, bei der Entscheidungsfindung mitwirken kann. Hinzu tritt der Umstand, daß mit dem Handlungsverbot wegen der Besorgnis einer Befangenheit ein flexibles Instrument vorhanden ist, um den Umständen des Einzelfalls gerecht zu werden. So ist es etwa denkbar, Fälle, in denen ein ehrenamtlich Tätiger andere Amts- und Mandatsträger in einer bestimmten Weise zu beeinflußen sucht, den § 21 H V w V f G zu unterstellen und die (potentiell) Beeinflußten mit einem Tätigkeitsverbot in der Angelegenheit zu belegen. Indessen wäre es eine oberflächliche Betrachtung, den Aspekt miß4i BVerfG, DVB1. 1988, 54 ff., 55; Prutsch, VR 1981, 1 ff., 1; Schneider-Jordan, HGO, § 26 Erl. 1; Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 22 m. w. Nw.; Jäkel, JuS 1979, 174 ff., 175; ders., VR 1977, 377 ff., 378; Kirchhof, VR 1981, 421 ff., 423.
II. Vertretungs verbo te
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bräuchlicher Wirkungsmöglichkeiten aus dem Schutzzweck des Vertretungsverbotes auszunehmen. Denn das Vertretungsverbot geht in dieser Hinsicht weiter und berücksichtigt auch alle unterhalb der Schwelle des Mitwirkungsverbotes liegenden Einflußmöglichkeiten des ehrenamtlich Tätigen. So ist etwa denkbar, daß er die interne Geschäftsverteilung zu beeinflußen sucht, Informationen zurückhält, die auch zur Entscheidung der in Rede stehenden Angelegenheit von Bedeutung sind. Denkbar ist aber auch, daß er an Entscheidungen mitwirkt, die zu einer Änderung der Verwaltungspraxis führen, was wiederum auf die Angelegenheit seines Mandanten einen günstigen Einfluß haben kann. In Fällen dieser Art w i r d das Unbefangenheitsgebot regelmäßig kein taugliches Instrument sein, um diesen Gefahren für die Sachgerechtigkeit des Verwaltungshandelns zu begegnen. Z u bedenken ist weiterhin auch der Aspekt, das die Einflüsse, die von den ehrenamtlich Tätigen, der Ansprüche Dritter gegen die Kommune geltend macht, ausgehen, selten faßbar sein werden. Das Mitwirungsverbot nach § 21 H V w V f G w i r d daher oft mangels des erforderlichen Nachweises des Befangenheitsgrundes leerlaufen. Unabhängig von diesen Aspekten rechtfertigt sich der Einbezug der Verhinderung mißbräuchlicher Wirkungsmöglichkeiten in den Schutzzweck des Vertretungsverbotes auch aus einem anderen Gedanken. Weist nämlich das Vertretungsverbot auch jene Stoßrichtung auf, so überlagert es teilweise das Mitwirkungsverbot. Ist es nämlich dem ehrenamtlich Tätigen untersagt, Ansprüche Dritter gegen die Kommune geltend zu machen, so w i r d sichergestellt, daß der Amtsund Mandatsträger seine ehrenamtliche Tätigkeit insoweit ohne Abstriche wahrnehmen kann. Ansonsten bestünde die Gefahr, daß die ehrenamtliche Tätigkeit dieser Person durch Mitwirkungsverbote eingeschränkt würde. Das Ansetzen des Vertretungsverbotes i m gesellschaftlichen Bereich des Amts- und Mandatsträgers zur Bewältigung von Interessenkollisionen dient also insofern zur Gewährleistung der uneingeschränkten Wahrnehmung des Ehrenamtes. Schoch zieht nun den Aspekt der Verhinderung mißbräuchlicher Wirkungsmöglichkeiten des ehrenamtlich Tätigen, der Ansprüche Dritter gegen die Gemeinde vertritt, zur Erklärung des absoluten Vertretungsverbotes heran, wie es auch in § 26 S. 2 H G O enthalten ist. Zwar habe dieses wie das eingeschränkte Vertretungs verbot (vgl. § 26 S. 3 H G O ) den Charakter einer Interessenkollisionsnorm, es verfolge aber aufgrund seines weiteren Geltungsumfangs ein über den Zweck des eingeschränkten Verbotes hinausgehendes Ziel. Dieses Ziel sei in der Vermeidung der Gefahr zu sehen, daß die Stellung als Ehrenbeamter der Sache über die kommunalverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsgrenzen hinweg besonderen Nachdruck verleihe. Gerade auf kommunaler Ebene bestünden M ö g lichkeiten der Einflußnahme auf Verwaltungsvorgänge, mit denen der Ehrenbeamte bzw. das Gremium, dem er angehöre, zuständigkeitshalber nicht in Berührung komme. In diesen Fällen sei ein Interessenkonflikt zwischen der ehrenamtlichen Tätigkeit und den privaten Belangen selbst theoretisch kaum denkbar.
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D. 1. Abschn.: Andere Interessenkollisionsnormen
Eine teleologische Reduktion des sachlichen Anwendungsbereichs des Vertretungsverbotes komme jedoch nicht in Betracht. Dieses wolle nämlich verhindern, daß Mitglieder von Gemeinde- oder Kreisvertretungen ihren politischen Einfluß in der Gemeinde- oder Kreisverwaltung zugunsten der von ihnen vertretenen Personen ausnützten und ihre berufliche Tätigkeit mit den von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen in Widerspruch gerate. Daher gehe es insoweit darum, bereits den Anschein einer Ausnutzung der Tätigkeit des Ehrenbeamten zu verhindern und auf diese Weise die Sauberkeit der K o m m u n a l Verwaltung zu gewährleisten 4 2 . Dieser Ansicht ist zu widersprechen. Ihr steht zunächst entgegen, daß sie eine schon i m Zusammenhang m i t den kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbot problematische Zielvorstellung auf das kommunale Vertretungsverbot überträgt und entscheidend auf den Anschein mangelnder Objektivität abstellt. Folge ist, daß der innere Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer Interessenkollision und dem Gesichtspunkt der Sauberkeit der Verwaltung übersehen w i r d 4 3 . Eine Trennung beider Aspekte führt hier ebenso wie i m Rahmen des Mitwirkungsverbotes zu einer gerade unter teleologischer Sicht unzulässigen Ausweitung des Anwendungsbereiches. Der Verzicht des absoluten Vertretungsverbotes auf den konkreten Zusammenhang mit der Tätigkeit des Ehrenbeamten ist nicht denknotwendig mit dem Verzicht auf den Zweck der Vermeidung einer Interessenkollision gleichzusetzen. Vielmehr bietet der Gedanke der Vermeidung einer Interessenkollision auch in diesem Fall einen tauglichen Erklärungsansatz. Verzichtet w i r d nicht auf einen potentiellen Interessenwiderstreit zwischen dem Ehrenamt und dem Mandat gegen die Gemeinde, vielmehr w i r d für den Ehrenbeamten lediglich ein anderer Anknüpfungspunkt gewählt. Dieser braucht nicht i m einzelnen Fall konkret m i t der Angelegenheit befaßt zu sein. Ausreichend ist es i m Fall des absoluten Vertretungsverbotes schon, wenn das kommunale Organ, dem der Ehrenbeamte angehört, für die Angelegenheit rechtlich zuständig oder verantwortlich i s t 4 4 . Denn hier ist stets eine Interessenkollision zumindest theoretisch möglich. Der Grund für die unterschiedliche Ausgestaltung des Vertretungsverbotes als absolutes bei Ehrenbeamten und als eingeschränktes bei anderen ehrenamtlich Tätigen läßt sich in dieser Hinsicht auf die inhaltliche Reichweite der Treuepflicht zurückführen. Ehrenbeamte sind aufgrund ihrer Stellung und Aufgabenwahrneh42 Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 23 ff., 25; ders., N V w Z 1984, 626 ff., 628; vgl. auch BVerwG, NJW 1984, 377 f. 43 Siehe Kapitel Β VI. 2.; kritisch zu dieser Auslegung in diesem Zusammenhang auch v. Mutius, VerwArch. 69 (1978), 217 ff., 217 f. 44 Witte-Wegmann, DÖV 1975, 581 ff., 582; ähnlich Flämig, BaWüVPr 1974, 170 ff., 171; Schmitt-Vockenhausen, Städte- und Gemeindebund 1978, 224 ff., 224; siehe im übrigen Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 176 ff. mit weiteren Hinweisen zum Streitstand hinsichtlich der Auslegung des eingeschränkten Vertretungsverbotes.
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II. Vertretungs verb te
mung (§ 5 H B G ) der kommunalen Gebietskörperschaft wesentlich enger verbunden als andere für sie ehrenamtlich Tätige. Dies rechtfertigt eine Differenzierung bei der Ausgestaltung der Treuepflicht. Sie kann bei Ehrenbeamten stärker ausgeformt sein und Interessenkollisionen i m weiterem Umfang als bei anderen ehrenamtlich Tätigen umfassen. Bei ihnen ist die Beschränkung des Vertretungsverbots auf die Vermeidung der stärkeren Interessenkollision, nämlich der Kollision zwischen Auftrag und dem personellen Zuständigkeitsbereich aufgrund ihres begrenzten Zugangs zu den Interna der Gemeindeverwaltung sachgerecht. Die gegen die völlige Rückführung des Vertretungsverbotes auf den Gedanken der Interessenkollision von Schoch geäußerte K r i t i k , aufgrund der unterschiedlichen Kommunalverfassungssysteme ergäben sich gravierende Unterschiede in der sachlichen Reichweite des Vertretungsverbots
zwischen den einzelnen
Bundesländern 4 5 , ist nicht durchschlagend. Die Gemeindeordnungen weisen gerade aufgrund der Länderzuständigkeiten unterschiedliche Funktionsabgrenzungen auf. Es ist insoweit kein Grund ersichtlich, warum sich diese Spezifika nicht auch auf die Anwendung eines Rechtsinstituts auswirken dürften. Daß dieses i n allen Gemeindeordnungen enthalten ist, besagt noch nicht, daß es nicht in dem jeweiligen Kontext zu stellen und entsprechend unterschiedlich auszulegen ist. Die einheitliche Auslegung ist daher lediglich ein formelles Argument und nicht geeignet ein sachgerechtes Ergebnis zu überspielen. Das absolute wie das eingeschränkte Vertretungsverbot lassen sich folglich auf denselben Grundgedanken zurückführen. Entscheidend ist stets das Vorliegen eines Interessenkonflikts. Der Ehrenbeamte bzw. ein anderer ehrenamtlich Tätiger, der die Interessen des Bürgers gegenüber der Gemeinde wahrnimmt, muß sich stets zumindest potentiell auf beiden Seiten wiederfinden. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, daß das Vertretungsverbot darauf abzielt, Kollisionen zwischen der geschäftsmäßigen beruflichen Interessenvertretung durch ehrenamtlich Tätige unterschiedlicher Berufe und ihren Amtspflichten gegenüber der Gemeinde zu verhindern, mit anderen Worten die Ausnutzung der ihnen durch ihre Stellung als ehrenamtlich Tätige bedingten Kenntnis- und Wirkungsmöglichkeiten für ihre Berufsausübung zu unterbinden 4 6 . Offen ist damit noch, ob das Vertretungsverbot unter funktionellen Gesichtspunkten weitere Stoßrichtungen aufweist. Prutsch w i l l den Gedanken der Interessenkollision auch darauf erstrecken, daß etwa dem Mandanten eines Rechtsanwalts wegen dessen Treuepflicht gegenüber der Gemeinde ein Nachteil erwachsen könne, wenn dieser das besondere Vertrauen des Dritten für Zwecke der Gemeinde ausnutze 47 . Akzeptierte man diesen Schutzzweck, so wäre nicht erklärlich, warum sich diese Regelung in der Gemeindeordnung wiederfindet. Denn dann würde sie eine spezifische Berufsausübungsregelung darstellen, die 45 Schoch, NVwZ 1984, 626 ff., 628. 46 Schneider-Jordan, HGO, § 26 Erl. 2. 47 Prutsch, VR 1981, 1 ff., 1.
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D. 1. Abschn.: Andere Interessenkollisionsnormen
ihre Legitimation aus dem Verhältnis des ehrenamtlich Tätigen zu seinem Mandanten erhielte. Betrachtet man die Interessenlage, so w i r d deutlich, daß nicht der Mandant schutzbedürftig ist, sondern die kommunale Gebietskörperschaft. Finanzielle Vorteile hat der für die Kommune ehrenamtlich tätige Rechtsanwalt, der einer wirtschaftlichen Existenzgrundlage bedarf, nur von seinem Mandanten zu erwarten 4 8 . Eine andere Auffassung w i l l das Vertretungsverbot als Ausprägung einer Konkurrentenschutzvorschrift begreifen. Das Vertretungsverbot solle verhindern, daß dem ehrenamtlich Tätigen ein unberechtigter Vorteil dadurch erwachse, daß der Eindruck entstehe, ein an der Kommunalverwaltung Beteiligter habe mehr Durchschlagskraft gegenüber der Gemeinde als ein Berufskollege, dem diese Beziehung fehle 4 9 . V o n diesem Ansatzpunkt aus, ist der Schluß auf den Schutz der Berufskollegen vor unlauterer Konkurrenz nur konsequent. Dies insbesondere, wenn der Gedanke aktiviert wird, daß dem ehrenamtlich Tätigen die Materie eines etwaigen Streits des Dritten mit der Kommunalkörperschaft besser zugänglich ist als einem Außenstehenden 5 0 . Das Verständnis als Konkurrentenschutzvorschrift geht jedoch bei näherer Betrachtung des Vertretungsverbotes fehl. Denn dieses Rechtsinstitut erzeugt gerade keine gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen. Vielmehr benachteiligen sie in der Konsequenz die ehrenamtlich Tätigen, indem diese i m Gegensatz zu ihren Berufskollegen keine Ansprüche Dritter gegen die Kommune geltend machen dürfen. Diesen Nachteil steht auch kein entsprechender Vorteil gegenüber. Die Kommunen sind nicht verpflichtet, ihre ehrenamtlich Tätigen zur Wahrnehmung ihrer Interessen Mandate zu erteilen 5 1 . Ganz abgesehen davon, daß etwa Anwälte, die der Opposition angehören, in der Praxis ohnehin nicht in den Genuß solcher Kompensationen kommen werden 5 2 . Zudem kann die Interpretation des Vertretungsverbotes als Konkurrentenvorschrift nicht plausibel erklären, warum eine solche nur die Mandatsverteilung in Rechtsstreitigkeiten gegen die Gemeinde betrifft, nicht aber die Mandatsvergabe durch die Kommunalkörperschaft,
die
als reale Möglichkeit
besteht,
einbezieht 5 3 . Schließlich kann die Funktion des Vertretungsverbotes auch nicht in dem Schutz des Betroffenen vor Gewissenskonflikten erblickt werden 5 4 . Denn der ehrenamtlich Tätige hat es hier i m Gegensatz zu den meisten Befangenheitssitua-
48
Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 27. 49 Kunze / Bronner / Katz, GO BaWü, Art. 17 Anm. I I I 1; Zuber, Inkompatibilität und Interessenkollision, S. 163. 50 Hölzl / Hien, BayGO, Art. 50 Anm. 1. 51 Vgl. insoweit auch Hurst, SKV 1961, 288 ff., 291. 52 Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 26. 53 Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 26. 54 In diesem Sinne aber Lüersen / Neufer, Nds. GO, § 27 Anm. 1; OVG Münster, AnwBl. 1976, 366 ff., 367.
II. Vertretungsverbte
233
tionen selbst in der Hand, ein Mandat gegen die Kommune abzulehnen und auf diese Weise einen Gewissenskonflikt zu vermeiden.
3. Der sachliche Anwendungsbereich a. Geltendmachen
von Ansprüchen
gegen die Gemeinde
Zentrales Tatbestandsmerkmal sowohl beim absoluten wie beim relativen Vertretungsverbot ist das Geltendmachen von Ansprüchen Dritter gegen die Gemeinde. Der Begriff des Anspruchs ist dabei nicht i m Sinne der Legaldefinition des § 194 I B G B zu verstehen. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des Vertretungsverbotes, das i m weiten Umfang leerlaufen würde, wenn Gestaltungsrechte und verfahrensrechtliche Rechtspositionen hiervon ausgenommen blieben. Entscheidend ist vielmehr die Möglichkeit einer Interessenkollision in dem oben dargelegten Sinne. Eine solche kann jedoch auch außerhalb der von § 194 I B G B erfaßten materiell-rechtlichen Ansprüche auftreten. Muß damit der Anspruchsbegriff in einem weiteren Sinne verstanden werden, so fragt sich, wo die Grenzlinie verläuft. W i e Schoch anhand der Analyse der Entstehungsgeschichte und des unterschiedlichen Wortlauts der Vertretungsverbote in den Gemeindeordnungen 5 5 nachgewiesen hat, muß der Anspruchsbegriff von der bloßen Interessenvertretung abgegrenzt und auf eine normative Grundlage zurückgeführt werden 5 6 . Als A n spruch i m Sinne des § 26 H G O ist damit jedes Verlangen, das auf eine Veränderung der Rechtsposition des Mandanten gerichtet ist, zu verstehen 57 . Unter diesen Begriff fallen somit neben den subjektiven privaten und subjektiven öffentlichen Rechten auch Gestaltungsrechte, prozessuale Begehren und bloß formale Rechtspositionen (Verfahrensrechte wie Beteiligung, Akteneinsicht und dergleichen) 5 8 . A u f den Inhalt des Anspruches kommt es nicht an. Die Ansicht von Scholler/ Broß, die den Anspruchsbegriff aus Gründen der Verhältnismäßigkeit restriktiv interpretieren und darunter nur finanzielle Ansprüche verstehen w o l l e n 5 9 , ist im Hinblick auf den Schutzzweck des Vertretungsverbotes nicht überzeugend. Ein Interessenkonflikt ist nicht nur bei finanziellen Ansprüchen möglich, sondern
55
Neben dem Geltendmachen von Ansprüchen lassen die Interessenwahrnehmung genügen: §§ 17 III GO, 13 I I I LKO BaWü; §§ 21 GO, 15 LKO RhPf.; 27 GO Nds. 56 Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 112 ff. 57 Prutsch, VR 1981, 1 ff., 2; Jäkel, JuS 1979, 174 ff., 176; Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 120; str. a. Α.: Siebler, Die Rechtsstellung der Gemeindevertreter in den dt. Gemeindeordnungen, S. 79; Eckhardt, Die Rechtsstellung des bayerischen Gemeinderats im Vergleich zur Rechtsstellung von Gemeindevertretungen in den übrigen Bundeländern, S. 77. 58 Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 120; Schneider-Jordan, HGO, § 26 Erl. 2. 59 Scholler/Broß, VR 1978, 77 ff., 84.
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D. 1. Abschn.: Andere Interessenkollisionsnormen
bei sämtlichen Ansprüchen, die gegen die Gemeinde geltend gemacht werden können 6 0 . Der Begriff des „Geltendmachens" ist weit auszulegen und auf jede Tätigkeit zu erstrecken, die auf die Durchsetzung von Ansprüchen in dem genannten Sinne abzielt. Er umfaßt daher nicht nur die Prozeßführung, sondern jede schrifliche oder mündliche, gerichtliche oder außergerichtliche Vertretung von Drittpersonen gegen die kommunale Gebietskörperschaft. Erfaßt w i r d insoweit auch eine allgemeine Rechtsberatung 61 . b. Ausnahmen aa. Geltendmachen eigener oder fremder Ansprüche als gesetzlicher Vertreter Nicht ausgeschlossen ist zunächst das Geltendmachen eigener Ansprüche sowie das Geltendmachen fremder Ansprüche, soweit der ehrenamtlich Tätige gesetzlicher Vertreter des Dritten ist. Z u m Teil wird diese Ausnahme von dem Vertretungsverbot als befremdlich angesehen. Der Gesetzgeber gehe hier wohl von der Vorstellung aus, daß der ehrenamtlich Tätige nicht fremdes, amtsgebundenes Wissen verwerte und damit begriffsnotwendig nicht den Anschein einer unlauteren Amtsführung erwecke. Angesichts seiner faktischen Besserstellung und der nicht geringeren Gefahr der Beeinflußung von Mitarbeitern der Verwaltung könne diese Argumentation nur Anspruch auf eine formale Richtigkeit haben 6 2 . Die demgegenüber zur Erklärung dieser Ausnahme herangezogene These, bei der Geltendmachung eigener Ansprüche durch den ehrenamtlich Tätigen greife das Mitwirkungsverbot ein, wodurch auftretenden Interessenkollisionen ein Riegel vorgeschoben werde 6 3 , ist nicht schlüssig. Denn es ist nicht denknotwendig, daß der ehrenamtlich Tätige in diesem Fall wegen des Eintritts eines potentiellen unmittelbaren Vor- oder Nachteils ausgeschlossen ist. Versteht man unter der Geltendmachung eines Anspruchs i m Sinne des Vertretungsverbotes das H i n w i r ken auf eine Veränderung der Rechtslage, so w i r d auch ein unmittelbarer Voroder Nachteil vorliegen. Denn die Geltendmachung eines eigenen Anspruches oder eines fremden Anspruches aufgrund gesetzlicher Vertretung stellt eine hinreichend individualisierte Betroffenheit des rechtlichen Interesses dar. Gleichwohl ist das Eingreifen des Ausschlußgrundes nicht notwendig, da dessen Ausnahmen, insbesondere die Verfolgung von Gruppeninteressen, vorliegen können. 60
Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 121. 61 BVerfG, DVB1. 1988, 54 ff., 55; Prutsch, VR 1981, 1 ff., 2; H. und D. Schlempp, HGO, § 26 Anm. I I I 1; Jäkel, JuS 1979, 174 ff., 176. 62 Prutsch, VR 1981, 1 ff., 2. 63 Klein, Die Gemeinde 1954, 93 ff., 94.
II. Vertretungsverbte
235
Hinzu kommt, daß lediglich der an der Beratung und Entscheidung Mitwirkende dem Handlungsverbot unterliegt. Hinsichtlich des absoluten Vertretungs Verbotes, daß auch dann eingreift, wenn der ehrenamtlich Tätige in dieser Funktion nicht mit der entsprechenden Angelegenheit befaßt ist, kann es folglich zu Divergenzen in bezug auf den Adressatenkreis k o m m e n 6 4 . Teilweise w i r d die Ausnahme damit erklärt, den ehrenamtlich Tätigen solle nicht zugemutet werden für die Geltendmachung eigener Ansprüche einen Vertreter zu bestellen 6 5 . Zutreffend w i r d dem entgegengehalten, daß mit der Bestellung des Vertreters nichts gewonnen wäre. Allerdings ist die Begründung, die Verwertung der gemeindeintern erworbenen Erkenntnisse könne nicht verhindert werden, da der ehrenamtlich Tätige seine Kenntnisse dem Vertreter j a mitteilen könne und zudem die Einflußnahme in der Gemeindeverwaltung nicht ausgeschlossen sei 6 6 , schief. Denn die Verschwiegenheitspflicht gilt auch i m Verhältnis des ehrenamtlich Tätigen zu seinem Vertreter. Dieser kann jedoch die Vollmacht so gestalten und Weisungen erteilen, wie es ihm von seinem Hintergrundwissen aus zweckmäßig erscheint. Eine Interessenkollision könnte daher nur bei der Bestellung einer Pflegschaft für den ehrenamtlich Tätigen effektiv verhindert werden 6 7 . Da dies eine v ö l l i g unangemessene Konsequenz wäre, hat der Gesetzgeber insoweit auf die Statuierung eines Vertretungsverbotes verzichtet.
bb. Organstreitverfahren Da das Vertretungsverbot auf eine Interessenkollision zwischen der öffentlichen Stellung des Ehrenamtlichen und der Vertretung eines außerhalb des organisatorischen Binnenbereichs der kommunalen Körperschaft stehenden Dritten zugeschnitten ist, findet es keine Anwendung auf die anwaltliche Vertretung in Organstreitigkeiten und Wahlprüfungsverfahren. Der Anspruch muß sich also gegen die Gemeinde als einen nach außenhin monistisch wirkenden Block richten 6 8 . cc. Bußgeldverfahren Eine letzte Ausnahme hat das BVerfG für das Bußgeld verfahren gemacht und dieses Ergebnis i m wesentlichen darauf gestützt, daß der Rechtsanwalt i m Bußgeldverfahren wie i m Strafverfahren als Organ der Rechtspflege Strafverteidigertätigkeit ausübe. Ebensowenig wie der Verteidiger i m dem Fall, in dem die 64 Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 132 sowie S. 28. 65 Kunze/Bronner/Katz, GO BaWü, Art. 17 I I I 3. 66 Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 131. 67 Vgl. Flämig, BWVPr. 1974, 170 ff., 173 FN 53. 68 Prutsch, VR 1981, 1 ff., 2; vgl. ferner zu den Einzelheiten: Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 165 ff.
D. 1. Abschn.: Andere Interessenkollisionsnormen
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Staatsanwaltschaft die Ermittlungen leite, einen Anspruch verfolge, mache der Verteidiger i m Bußgeldverfahren vor den Ordnungsbehörden einen Anspruch des Betroffenen gegen die kommunale Körperschaft geltend 6 9 . Diese Entscheidung ist zunächst i m Hinblick auf die Wortinterpretation keineswegs eindeutig. A u c h die Einlegung des Einspruchs i m Bußgeld verfahren kann dahingehend gedeutet werden, daß der Betroffene mit ihm den Anspruch auf Aufhebung des Bußgeldbescheides geltend macht 7 0 . Weiter begegnet das Abstellen auf die Stellung des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege Bedenken. Unter dem Gesichtspunkt des Vertretungsverbotes kann dies keine Rolle spielen. Maßgebend ist vielmehr, daß der ehrenamtlich Tätige nur zu der als Verfolgungsbehörde fungierenden kommunalen Gebietskörperschaft in einem besonderen Treueverhältnis steht. Ein solches verbindet ihn aber weder mit der Staatsanwaltschaft, die an die Stelle der Verwaltungsbehörde tritt, noch mit dem über den Einspruch entscheidenden Amtsgericht 7 1 . Auch der Gedanke, daß der Informationsvorsprung, den der ehrenamtlich Tätige besitze, in diesen Fällen regelmäßig derart gering zu veranschlagen sei, daß ein Vertretungsverbot hier nicht angemessen erscheine 72 , ist nicht mehr als eine unbewiesene Annahme und daher wenig überzeugend. Der Einbezug von Bußgeldverfahren in den Anwendungsbereich des Vertretungsverbotes erscheint vielmehr unter funktionalen Gesichtspunkten als geboten 7 3 .
4. Die Frage der Drittwirkung des Vertretungsverbotes Die umstrittene Frage, ob das Vertretungsverbot nur gemeindeinterne Wirkung (intrapersonal zwischen den ehrenamtlich Tätigen und der Gemeinde) entfaltet oder ob es auch im Außenverhältnis (interpersonal) gilt und daher von dritter Seite — speziell dem Prozeßgericht — zu berücksichtigen i s t 7 4 , soll hier nur gestreift werden, da sie für den systematischen Zusammenhang der einzelnen Rechtsinstitute von untergeordneter Bedeutung ist und die Argumente bezüglich der Lösung dieses Problems ausgetauscht sind. Während die h. M . in der Literatur die so umschriebene Frage der Drittwirkung des Vertretungsverbotes negativ beantwortet, wird sie vom B V e r f G und Teilen der Literatur bejaht. Das BVerfG hält eine Zurückweisung des Rechtsanwalts, der Adressat des Vertretungsverbotes ist, durch das Prozeßgericht für zulässig und leitet dies unmittelbar aus dem Verbotszweck her. Dieser werde nur unvollkommen verwirklicht, wenn das Vertretungsverbot i m Innenverhältnis beachtlich wäre, seine Mißachtung aber 69 70 71 72 73 74
BVerfGE 41, 231 ff., 241; VGH Mannheim, DÖV 1979, 872 ff., 873. Scholler/Broß, VR 1978, 77 ff., 83. Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 125 ff., 128. Scholler/Broß, VR 1978, 77 ff., 84. Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 129. Prutsch, BayVBl. 1981, 523 ff., 523.
II. Vertretungsverbote
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gerade in dem Bereich, den der Gesetzgeber durch seine Normsetzung geschützt wissen wollte, keine unmittelbaren Folgen auslösen würde 7 5 . Die Literatur bezieht demgegenüber den Standpunkt, das Vertretungsverbot regele nur das Verhältnis zwischen den ehrenamtlich Tätigen und der kommunalen Gebietskörperschaft. Für die Zurückweisung des betroffenen Rechtsanwalts fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage. Der unbefriedigenden Rechtslage könne aufgrund der Gesetzgebungszuständigkeit weitgehend lediglich der Bundesgesetzgeber abhelfen 7 6 . Die Argumente der Literaturansicht sind gewichtig, werden allerdings aufgrund der Verfestigung der Rechtsprechung des BVerfG kaum in der Praxis eine Änderung bewirken können. Hinzuweisen ist insofern lediglich darauf, daß eine effektive Absicherung des Vertretungsverbotes nicht notwendigerweise i m Außenverhältnis anzusetzen braucht. Ein gangbarer Weg wäre auch ein Ausbau der kommunalrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten. Denkbar wäre die Auferlegung eines Bußgeldes, dessen Betrag den wirtschaftlichen Vorteil, der durch die unzulässige Vertretung des Dritten gegen die kommunale Körperschaft dem ehrenamtlich Tätigen entstanden ist, zumindest abschöpft 7 7 . Die gegenwärtige Sanktionsmöglichkeit des § 24a I I H G O mit einer Geldbuße bis zu einer Höhe von 500 D M ist — allenfalls von Bagatellfällen abgesehen — untauglich, einen Verstoß gegen das Vertretungsverbot zu verhindern. Nur eine Sanktionierung, die einen Verstoß gegen das Vertretungsverbot letztlich als unwirtschaftlich und damit zugleich unwahrscheinlich erscheinen läßt, stellt insoweit ein geeignetes Instrument dar.
75 BVerfGE 41, 231 ff., 241 f.; 52, 42 ff., 54 ff.; 56, 59 ff., 107; Schneider-Jordan, HGO, § 26 Erl. 4; Stober, BayVBl. 1981, 161 ff., 165 ff., 167. 76 Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 247 ff., 262; Prutsch, VR 1981, 1 ff., 3 ff.; ders., BayVBl. 81, 523 ff., 526; Jäkel, JuS 1979, 174 ff., 177 f.; WitteWegmann, DÖV 1975, 581 ff., 583 ff., 586; v. Mutius, VerwArch. 68 (1977), 73 ff., 75 ff., 79; ders., VerwArch. 69 (1978), 217 ff., 219; ders., VerwArch. 71 (1980), 191 ff. 192 ff., 198; Menger, NJW 1980, 1827 ff., 1830; sowie die dissenting opinion von Rottmann und Hirsch in BVerfGE 52, 42 ff., 58 ff. 77 Schoch, Das kommunale Vertretungs verbot, S. 284 f.
238
D. 2. Abschn.: Verhältnis der Regelungsbereiche Zweiter Abschnitt
Verhältnis der Regelungsbereiche I . Das Verhältnis von Inkompatibilitätsregelungen zu den anderen Interessenkollisionsnormen 1. Das Verhältnis zu Befangenheitsvorschriften Die Darlegungen zu der Funktion und der Wirkungsweise von Inkompatibilitätsvorschriften haben gezeigt, daß durch dieses Institut i m Grundsatz Interessenkollisionen jedweder Art vermieden werden können. Damit ist bereits in diesem Zusammenhang deutlich geworden, daß die Annahme, wonach Befangenheitsund Inkompatibilitätsvorschriften ein qualitativer Unterschied zugrundeliegt 7 8 , unzutreffend ist. Weder bauen Befangenheitsregelungen ausschließlich auf den Gegensatz zwischen persönlichem und öffentlichem Interesse auf, noch beschränken sich Inkompatibilitäten auf funktionsspezifische Gegensätze. Dieser Gesichtspunkt der Einbeziehung sämtlicher Interessenkollisionen in den Anwendungsbereich beider Rechtsinstitute öffnet den B l i c k auf ihren systematischen Zusammenhang. Beide dienen der Gewährleistung der Gemeinwohlkonkretisierung, verstanden i m Sinne der Sicherung eines umfassenden, sachgerechten Ausgleichs aller von einem Verwaltungshandeln betroffenen privaten wie öffentlichen Sonderinteressen. Sie unterscheiden sich lediglich in der Intensität, mit der sie dieses Ziel verfolgen. Gegenüber den Befangenheitsregelungen zeichnet sich die Unvereinbarkeit zweier Funktionen bzw. einer amtlichen Funktion mit einer privaten Tätigkeit dadurch aus, daß sie insoweit zu erwartende Interessenkollisionen von vornherein zu vermeiden suchen. Befangenheitsvorschriften setzen hingegen auf einer späteren Stufe an. Sie lassen die Wahrnehmung zweier öffentlicher Funktionen, bzw. einer öffentlichen Funktion mit einer privaten Tätigkeit i m Grundsatz zu und begegnen möglichen, i m Einzelfall auftretenden Interessenkollisionen durch das Verbot des Tätigwerdens des Betroffenen i m administrativen Bereich. Der unterschiedlichen Wirkungsweise der Rechtsinstitute entspricht eine unterschiedliche Einwirkung auf die Rechtsstellung des Betroffenen. Ersichtlich stellen Inkompatibilitäten eine erheblich stärkere Beeinträchtigung des Rechtsstatus des betroffenen Einzelnen sowie der betroffenen Körperschaft dar. Damit richtet sich der B l i c k auf die Frage, ob und inwieweit der Gesetzgeber in der W a h l zwischen diesen Rechtsinstituten frei ist. Als Grundsatz ist zunächst festzuhalten, daß es dem Gesetzgeber überlassen ist, auf welche Weise er Interessenkollisionen, die die Unparteilichkeit der Verwaltung beeinträchtigen, vermei78 Schefold, JuS 1980, 493 ff., 500.
I. Inkompatibilitäten und andere Interessenkollisionsnormen
239
den w i l l . Die verfassungsrechtlichen Grundlagen dieses Grundsatzes, die i m Zusammenhang mit dem Unbefangenheitsprinzip erörtert wurden, gewährleisten zunächst nur die Verhinderung einer hinreichend gravierenden Interessenkollision i m Einzelfall. Sie können jedoch auch darüber hinaus zur Gewährleistung einer gerechten Entscheidungsfindung eine Inkompatibilität fordern, wenn erhebliche Interessenkollisionen auf andere Weise nicht verhindert werden können 7 9 . Die Antwort auf den weitergehenden Aspekt der Frage, ob nämlich der Gesetzgeber frei ist, auch über diese begrenzten Fälle hinaus Inkompatibilitäten als präventiv wirkende Mechanismen zu statuieren, gibt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser aus dem Rechtsstaatsprinzip der Art. 20, 28 I G G abzuleitende Grundsatz, an dem alle statusbeschränkenden Rechtsnormen zu messen sind, bezeichnet mit den Worten von Hesse eine Relation zweier variabler Größen, die dem Prinzip der praktischen Konkordanz am besten gerecht w i r d 8 0 . Inkompatibilitätsnormen müssen sich also daran messen lassen, ob sie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Unparteilichkeit der Verwaltung geeignet, erforderlich und zumutbar sind. Für die Bestimmung des Verhältnisses von Inkompatibilitätsund Befangenheitsvorschriften gewinnt dabei insbesondere das Kriterium der Erforderlichkeit Bedeutung 8 1 . Diesen Gedanken hat auch das B V e r f G in seiner neueren Rechtsprechung aufgegriffen und als Grundsatz herausgestellt, daß eine Inkompatibilität nur dann zulässig ist, wenn der Gefahr von Interessenkollisionen nicht durch das mildere M i t t e l der Befangenheitsvorschriften begegnet werden kann. Kriterien, die bei der Prüfung des Gebotes des geringstmöglichsten Eingriffs Beachtung finden müssen, sind die mit der Vielfalt denkbarer Berührungspunkte zwischen den Funktionen verbundenen Folgen 8 2 . Die Möglichkeit einer eindeutigen Eingrenzung von Interessenkollisionen läßt i m Grundsatz ein punktuell wirkendes Mitwirkungsverbot als ausreichend erscheinen, um Fallkonstellationen zu erfassen, in denen die A r t der dienstlichen Einflußnahme eine sachgerechte Verwaltungsentscheidung gefährdet. Aber selbst in diesem Fall kann die Häufigkeit derartiger Berührungspunkte zu einer derartigen Beeinträchtigung führen, daß eine funktionsgerechte Ausübung des Mandates (oder Amtes) nicht mehr möglich ist. Bei der Gewährleistung eines wirksamen Schutzes der organisatorischen Gewaltenteilung muß also sowohl der effektiven Abwehr sachfremder Einflüsse wie auch den Auswirkungen auf einen geordneten Verwaltungsablauf besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden 8 3 . Dieser innere Zusammenhang von Inkompatibilitäten und Befangenheitsregelungen zeigt, daß die Argumentation des 8. Senats des V G H München hinsichtlich 79 BK-Stober, GG, Art. 137 I Rn. 116; Bernhardt, DVB1. 1981, 869 ff., 870; BVerfGE 48, 64 ff., 89. 80 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 2 II 2 c bb. 81 BK-Stober, GG, Art. 137 I Rn. 118; Schneider, Amt und Mandat, S. 39; Scholler/ Broß, VR 1978, 77ff., 81. 82 BVerfGE 58, 177 ff., 200. 83 BVerfGE 58, 177 ff.. 200 f.
D. 2. Abschn.: Verhältnis der Regelungsbereiche
240
der Auslegung des des § 20 I 1 Nr. 5 HS 1 V w V f G an der Sache vorbeigeht. Diese Regelung soll ihm zufolge deshalb eng auszulegen sein, weil die institutionelle Interessenkollison kein Fall der Befangenheit, sondern den Inkompatibilitäten zuzurechnen sei. Ob aber der Gesetzgeber eine Unvereinbarkeit zulasse oder nicht, sei eine von ihm zu treffende Entscheidung, die von Verfassungs wegen nicht einmal geboten sei. Daher sei es weder zwingend noch einleuchtend, die institutionelle mit der persönlichen Interessenkollision zu verquicken 8 4 . Diese Argumentation verkennt das Rechtsinstitut der Inkompatibilität sowohl i m Hinblick auf die von ihm erfaßten Interessenkollisionen wie auch hinsichtlich des von ihm verfolgten Zweckes. Gerade, wenn es an einer Inkompatibilitätsregelung mangelt, ist es umsomehr geboten, Amtskonflikte auf der Stufe der Befangenheit zu erfassen 85 .
2. Inkompatibilität und Vertretungsverbote Stellt man eine Skala auf und orientiert man die hier zu untersuchenden Rechtsinstitute an dem Bezugspunkt der Möglichkeit der Amtsausübung bei gleichzeitiger anderer Interessenverfolgung, so stellen Inkompatibilitäten — sieht man von ihrem Verhältnis zu Ineligibilitäten ab — die stärkste Interessenkollisionsnorm dar, da sie die Amts- bzw. Mandatsausübung bei anderweitiger Interessenverfolgung generell ausschließen. Befangenheitsregelungen lassen sie zwar im Grundsatz zu, statuieren aber Mitwirkungsverbote bei konkreten Interessenkollisionen. Vertretungsverbote hingegen lassen die Amts- und Mandatsausübung unbeschränkt zu und setzen in der privaten Sphäre, bei der anderweitigen Interessenverfolgung an, indem sie die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die kommunale Körperschaft für unzulässig erklären. Damit weisen sie einerseits eine nahe Verwandtschaft zu den Berufsinkompatibilitäten auf, andererseits ist — wie unten zu zeigen sein wird — mit der Beschränkung auf den Einzelfall eine Parallelität zur Befangenheit gegeben. Obwohl das Vertretungsverbot von seinem Regelungsinhalt her keine Unwählbarkeitsvorschrift darstellt, wird es aufgrund seiner Folgen unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Ineligibilitätsvorschrift problematisiert 8 6 . Den von dem Vertretungsverbot Betroffenen sei es nicht verwehrt, sich für die Kommunalwahlen aufstellen und wählen zu lassen. Der auf das Verwaltungsrecht spezialisierte Rechtsanwalt werde sich jedoch aufgrund der Folgen der Mandatsausübung auf die berufliche Existenz außerstande sehen, sich für das Mandat zu entscheiden 87 . Bei der Prüfung dieser Frage ist zunächst auf das gewählte Abgrenzungskriterium der faktischen W i r k u n g einzugehen. Dieses Begriffsmerkmal ist als solches für 84 85 86 87
VGH München, N V w Z 1982, 508 ff., 510. Ähnlich Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 488. Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 210 ff. Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 212.
I. Inkompatibilitäten und andere Interessenkollisionsnormen
241
eine Untersuchung aufgrund seiner Weite und Unbestimmtheit ungeeignet. Aus Gründen der Rechtssicherheit muß eine Eingrenzung erfolgen. Als tauglich erscheint insoweit der Ansatz, eine faktische Auswirkung nur dann als rechtlich relevant anzusehen, wenn die Regelung generell darauf abzielt, die Bewerber um ein Mandat so zu treffen, daß sie damit rechtlich von der Wählbarkeit v ö l l i g ausgeschlossen werden. Eine faktische Auswirkung w i r d damit nur dann relevant, wenn der Sinn des Ineligibilitätsverbotes umgangen bzw. ausgehöhlt wird, nicht hingegen, wenn sie den Mandatsbewerber nur in Gestalt einer Nebenfolge t r i f f t 8 8 . Legt man diese Kriterien zugrunde, so zeigt sich, daß das Vertretungsverbot i m Gegensatz zu der Inkompatibilitätsregelung des Art. 31 I V Nr. 3 BayGO, die auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand stand 8 9 , keine derartig rechtlich relevante Faktizität zukommt. Einmal ist zu berücksichtigen, daß die beschriebenen Konsequenzen nur einen Teil des dem Vertretungsverbot unterfallenden Personenkreises treffen und die Auswirkungen auch hier nicht derart gravierend sind, wie sie sich für Schoch von seinem Ausgangspunkt darstellen. Nach der hier vertretenen Ansicht, wonach das Vertretungsverbot zumindest theoretisch stets eine Interessenkollison voraussetzt, reduzieren sich die Konsequenzen für verwaltungsrechtlich ausgerichtete Anwälte in nicht unerheblicher Weise 9 0 . V o r diesem Hintergrund stellen die Auswirkungen hier gerade nur eine Nebenfolge dar. Aber selbst wenn man sich dem nicht anschließt, führen hier dieselben Erwägungen, die das B V e r f G in der erwähnten Entscheidung herangezogen hat, zur Lösung. Die oben schon angeführten Besonderheiten der kommunalen Ebene haben den Vorrang des staatsbürgerlichen Elements der Kommunalverwaltung vor den Interessen der beruflich tätigen Inhaber eines Ehrenamtes zur Folge 9 1 . Eine Begrenzung erfährt dieser Grundsatz nur durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Vermeidung der mit dem Vertretungsverbot erfaßten Interessenkollisionen ist jedoch durch andere Regelungen nicht in der gleichen Weise zu erreichen. Auch die Abwägung zwischen den gegensätzlichen Interessen unter Beachtung der Wechselwirkung zwischen geschütztem und beeinträchtigtem Belang zeigt, daß das erzielte Ergebnis sachgerecht i s t 9 2 .
88 BK-Stober, GG, Art. 137 Rn. 263; OVG Münster, OVGE 33, 96 ff., 104. 89 BVerfGE 48, 64 ff., 88 ff. 90 Vgl. die entsprechenden rechtspolitischen Folgerungen bei Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 280. 91 BK-Stober, GG, Art. 137 I Rn. 264; BVerfGE 48, 64 ff., 89; 58, 177 ff., 192 ff. 92 Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 214. 16 Kazele
242
D. 2. Abschn.: Verhältnis der Regelungsbereiche I I . Vertretungsverbot und Befangenheit
Entgegen der Meinung von Schoch unterscheidet sich das Vertretungsverbot v o m Mitwirkungsverbot nicht dadurch, daß letzteres Interessenkonflikte i m Einzelfall verhindern wolle, das absolute Vertretungsverbot aber nicht auf die konkrete Einzelfallsituation abstelle 9 3 . Auch das absolute Vertretungsverbot erklärt nicht eine private Vertretung von Drittinteressen für schlechthin unzulässig, sondern nur in dem Fall, daß ein Anspruch gegen die kommunale Gebietskörperschaft geltend gemacht wird. Es wirkt damit ebenso punktuell wie das M i t w i r kungsverbot. Verzichtet w i r d lediglich auf einen Zusammenhang mit dem Zuständigkeitsbereich der ehrenamtlichen Tätigkeit, ohne daß dabei der Einzelfall aus den Augen verloren wird. Das Verhältnis von absoluten und eingeschränkten Vertretungsverbot ist insofern mit dem Verhältnis von Ausschlußgründen und der Besorgnis der Befangenheit vergleichbar. Während die Ausschlußgründe unwiderlegliche Befangenheitstatbestände enthalten, ist das Vorliegen einer Besorgnis der Befangenheit von einer Prüfung des Einzelfalls abhängig. Damit gewinnt das Verhältnis des Vertretungsverbotes zu den Befangenheitsregelungen besonderes Interesse. In den Mittelpunkt der Überlegungen ist dabei der besondere legitimierende Grund des Vertretungsverbotes zu rücken. Dieses w i l l in einer spezifischen A r t und Weise die Möglichkeit einer Ausnutzung ehrenamtlicher Tätigkeit zu persönlichen Zwecken vermeiden. Während auf den Aspekt der Verhinderung schädlicher Wirkungsmöglichkeiten des ehrenamtlich Tätigen und auf das Verhältnis zum Mitwirkungsverbot bereits aufmerksam gemacht w u r d e 9 4 , soll nun auf die andere Stoßrichtung des Mitwirkungs Verbotes eingegangen werden. Begegnet werden soll nämlich auch der Gefahr einer unbefugten Verwertung der Kenntnisse über Angelegenheiten, die der Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 24 H G O ) unterliegen. Diese Pflicht ist durch die Übernahme der Vertretung Dritter gegen die Gemeinde durch Mitglieder der Gemeindevertretung in einem besonderen Maße gefährdet 9 5 . Gemäß § 50 I I I H G O ist der Gemeindevorstand verpflichtet die Gemeindevertretung über die wichtigen Verwaltungsangelegenheiten laufend zu unterrichten. Zudem kann die Gemeindevertretung zur Kontrolle der Verwaltung der Gemeinde und der Geschäftsführung des Gemeindevorstandes nach § 50 I I 2 H G O Akteneinsicht verlangen. Hinzu kommt die Möglichkeit, über die Ausübung des Fragerechts in den Sitzungen, über schriftliche Anfragen und die Übersendung von Ergebnisniederschriften des Gemeindevorstandes aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung weitere Kenntnisse zu erhalten, § 50 I I 4 H G O 9 6 . Die derartig erlangten amtlichen Kenntnisse sollen zur effektiven Amtsausübung befähigen und insoweit aus93 Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 28; ähnlich OVG Lüneburg, DVB1. 1955, 164 ff., 165; Scholler / Broß, VR 1978, 77 ff., 84. 94 Oben Erster Abschnitt II. 2. 95 OVG Lüneburg, DVB1. 1955, 164 ff., 165. 96 Vgl. die entsprechenden Regelungen in § 29 HKO.
II. Vertretungsverbot und Befangenheit
243
schließlich dem öffentlichen Interesse dienen. Damit unvereinbar ist die Ausnutzung des verwaltungsinternen Wissens zu privaten Zwecken. Gerade sie w i l l das Vertretungsverbot verhindern. Zur Erreichung dieses Zwecks ist das Institut der Befangenheit ungeeignet. Denn das einmal erworbene Wissen läßt sich nicht mehr auslöschen, so daß es wenig nützen würde, das betreffende M i t g l i e d von der Beratung und Abstimmung in der betreffenden
Angelegenheit
auszu-
schließen 9 7 . Damit ist aber zugleich der unterschiedliche Regelungsbereich der Befangenheit und des Vertretungsverbotes offensichtlich geworden. Während die Ausschlußgründe allein auf die Absicherung der Sachgerechtigkeit der Entscheidungsfindung bezogen sind, wählt das Vertretungsverbot einen wesentlich breiteren Ansatzpunkt. Ziel ist der Schutz der Sachgebundenheit der öffentlichen Verwaltung in einem umfassenden Sinne. W i e speziell der Mißbrauch der internen Kenntnismöglichkeiten durch den ehrenamtlich Tätigen deutlich macht, erfaßt das Vertretungsverbot auch solche Interessenkollisionen, bei denen nicht die Sachgerechtigkeit der Entscheidungsfindung gefährdet ist, sondern der Eintritt eines persönlichen Vorteils in Rede steht, der allein aus der Stellung als Funktionsträger, genauer dem dienstlich erlangten Wissen, resultiert. Das Vertretungsverbot ist damit — anders als die betrachteten Ausschlußgründe — auch der zweiten Kategorie der am Anfang dieser Arbeit stehenden Einteilung der Interessenkollisionsnormen zuzurechnen 9 8 . Damit ist zugleich gezeigt, daß die vereinzelt gebliebene Ansicht, wonach das Vertretungsverbot gegen das Übermaßverbot verstoße, da es nicht erforderlich sei 9 9 , nicht haltbar ist. Aus dem Sonderfall, daß sowohl das Mitwirkungsverbot wie auch das Vertretungsverbot einschlägig ist, w e i l der ehrenamtlich Tätige (unzulässigerweise) Ansprüche eines Dritten gegen die Kommune vertritt und die Sache des Vertretenen in einem Kommunalorgan behandelt wird, kann nicht auf die mangelnde Erforderlichkeit des Vertretungsverbotes geschlossen werden. Er macht gerade klar, daß beide Rechtsinstitute in einem Ergänzungsverhältnis stehen 10 °. Dieses stellt sich konkret in der Weise dar, daß das Mitwirkungsverbot dann nicht eingreifen kann, wenn die Vertretung des Driten aufgrund des Vertretungsverbotes unzulässig ist und dieses Verbot beachtet w i r d 1 0 1 . Hingegen ist der umgekehrte Schluß, daß das Vertretungsverbot dann nicht eingreift, wenn der Betroffene aufgrund des Vorliegens eines Mitwirkungsverbotes von der gemeindeinternen Entscheidungsfindung ausgeschlossen ist, aufgrund des breiteren Ansatzpunktes des Vertretungsverbotes nicht angängig. Hinzuweisen bleibt schließlich noch darauf, daß das Vertretungsverbot kein Spezifikum des öffentlichen Rechts darstellt. Parallelerscheinungen finden sich 97 Scholler/Broß, VR 1978, 77 ff., 84. 98 Kapitel A III. 99 Ewers, AnwBl. 1957, 155 ff., 157. 100 Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 29. ιοί Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 279. 16*
244
D. 2. Abschn.: Verhältnis der Regelungsbereiche
auch auf dem Gebiet des privaten Wirtschaftsrechts. So läßt sich etwa das — wenn auch nicht in vollem Umfang vergleichbare — Problem des Insiderhandels, also die Verwertung nicht allgemein zugänglichen Wissens i m Effektenhandel l 0 2 , ζ. T. auf denselben Zielkonflikt zurückführen. In Rede steht auch hier die mißbräuchliche Ausnutzung eines Informationsvorsprunges gegenüber dem allgemeinen Publikum durch Personen, die in naher Beziehung zu einer juristischen Person stehen 1 0 3 .
I I I . Resümee Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten, daß die gesetzlichen Ausprägungen des Unbefangenheitsprinzips in einem engen Zusammenhang mit Inkompatibilitäts- und Ineligibilitätsregelungen sowie dem Vertretungsverbot zu sehen sind. A l l e diese Vorschriften erfüllen Komplementärfunktionen i m Hinblick auf die Zielrichtung der Vermeidung von Interessenkonflikten die die Ausrichtung der Verwaltung am öffentlichen Interesse gefährden 1 0 4 . Die Intensität mit der dieses Z i e l verfolgt w i r d reicht dabei von einer Gefahrenabwehr i m Einzelfall bis hin zu einer generellen Gefahrenvorsorge.
102 Kübler, Gesellschaftsrecht, § 31 IV. 103 Raiser, Das Recht der Kapitalgesellschaften, § 9 I I 5. 104 Scholler/Broß, VR 1978, 77 ff.; Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, S. 277.
E. Die Besorgnis der Befangenheit Die §§ 21 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 regeln, unter welchen Voraussetzungen Amtsträger wegen Besorgnis der Befangenheit nicht in einem Verwaltungsverfahren tätig werden dürfen. Sie bringen eine Ergänzung zu den abstrakten Ausschlußgründen der §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O '77, die einzelne Personengruppen wegen bestimmter — generell die Objektivität einer Verfahrensmitwirkung in Frage stellenden — Eigenschaften kraft Gesetzes vom Verfahren ausschließen 1 . Über diese Fallgruppen hinaus können jedoch i m Einzelfall bestimmte in oder außerhalb des Verfahrensgegenstandes liegende Gründe die Befürchtung nahelegen, der Amts- und Mandatsträger werde die Verwaltungsentscheidung in unsachlicher Art und Weise beeinflußen. Der insoweit bestehenden Gefahrenlage w i l l das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit begegnen 2 .
I . Die Konzeption als Auffangtatbestand 1. Das Verhältnis zu den Ausschlußgründen Den § § 2 1 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 kommt vor diesem Hintergrund folglich die Funktion eines Auffangtatbestandes zu. Probleme wirft dessen Konzeption dabei insofern auf, als dessen Verhältnis zu den Ausschlußgründen der §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O Hl in Rede steht. Unstreitig ist zunächst, daß die Vorschriften über die Besorgnis der Befangenheit, wie sich aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang mit den abstrakten Ausschlußgründen ergibt, nur in den Fällen anwendbar sind, die nicht bereits von den §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O Hl erfaßt werden. Insoweit stehen diese Regelungen i m Verhältnis der Subsidiarität zueinander. Bei Vorliegen eines Ausschlußgrundes nach den erwähnten Normen entfällt daher eine Prüfung der Besorgnis der Befangenheit 3 . Umstritten ist hingegen die Beanwortung der Frage, ob die Annahme eines die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden Grundes auch dann möglich
ι Obermayer, VwVfG, § 21 Rn. 2. Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, Drucksache 7/910, S. 47. 3 Obermayer, VwVfG, § 21 Rn. 14; Kopp, VwVfG, § 21 Rn. 1. 2
246
E. Die Besorgnis der Befangenheit
ist, wenn sie sich faktisch als eine Ausweitung eines der dargestellten Ausschlußtatbestände erweist. Eine Literaturansicht w i l l dies bejahen und den Regelungen über die Besorgnis der Befangenheit auch eine Ergänzungsfunktion i m H i n b l i c k auf die normierten abstrakten Ausschlußtatbestände in der Weise zubilligen, daß diese durch abstrakte Befangenheitsgründe ergänzt werden. Dieser Ansicht liegt einmal die Erwägung zu Grunde, die Ausschlußgründe seien als gesteigerte Befangenheitsgründe i m engeren Sinne zu betrachten. W e i l bei den Ausschließungsgründen die Besorgnis der Befangenheit besonders intensiv sei, habe der Gesetzgeber eine unwiderlegliche Vermutung der Befangenheit aufstellen und auf eine Untersuchung des Einzelfalls verzichten können. Wenn dem so sei, so sollte es sich verstehen, daß sich an diesen Kernbereich der Besorgnis der Befangenheit, die zum Ausschluß führe, eine Zone anschließe, in der die Nähe zur Ausschließung eine das M i t w i r kungsverbot rechtfertigende Besorgnis der Befangenheit begründe 4 . Überdies w i r d darauf verwiesen, daß eine gegenteilige Ansicht Wertungswidersprüche aufwerfe. Verneine man etwa eine Besorgnis der Befangenheit für ein Familienmitglied, das nicht Angehöriger i. S. der beschriebenen Legaldefinition 5 sei, so ergebe sich das untragbare Ergebnis, daß zwar eine Freundschaft oder Feindschaft zur Befangenheit führen könne, die entferntere Verwandtschaft und Schwägerschaft hingegen zu einer unwiderleglichen Vermutung der unparteiischen Amtsausübung führe, soweit keine anderen Befangenheitsgründe vorlägen. U n d dies, obwohl § 21 V w V f G seinem Sinn und Zweck nach die Möglichkeit geben wollte, i m Falle des Tätigwerdens des gerade durch die „Vetternwirtschaft" sprichwörtlich gewordenen Vetters Besorgnis der Befangenheit geltend zu machen 6 . Indessen läuft diese Ansicht den gesetzgeberischen Intentionen zuwider. Denn die in §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X und 82 A O '77 statuierten Ausschließungsgründe resultieren aus typischen Gefahrenlagen, die regelmäßig, wenn auch nicht zwangsläufig, zu erheblichen Interessenkollisionen führen. Es handelt sich hier um Fallgruppen, bei denen die M i t w i r k u n g des betreffenden Amtsträgers unter funktionellen Gesichtspunkten so unerträglich wäre, daß v o m Gesetzgeber ein absolutes Handlungsverbot verhängt wurde 7 . Die Tatbestandsgrenzen der einzelnen Ausschließungsgründe über den U m w e g des § 21 V w V f G und den dieser Regelung entsprechenden Vorschriften des S G B - X und der A O '77 auszuweiten, würde diesen Regelungszweck unterlaufen. Einmal würden nämlich zumindest weniger schwer wiegende Befangenheitsfälle über die Anwendung des § 21 V w V f G den stärksten Formen von Interessenkollisionen i m Hinblick auf das 4 So Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 17 im Zusammenhang mit den Vorschriften des Strafprozeßrechts; vgl. auch Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 122 f. 5 Unter Kapitel C Erster Abschnitt III. 6 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 21 Rn. 2; in die gleiche Richtung weisend: Knack-Clausen, VwVfG, §21 Rn. 12; Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, §83 Rn. 1. ι Meyer/Borgs, VwVfG, vor § 20 Rn. 4.
I. Die Konzeption als Auffangtatbestand
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daraus resultierende Handlungsverbot gleichgestellt. Neben dem Aspekt der gesetzwidrigen Erweiterung typisierter Interessenkollisionen würde aber noch ein weiterer Regelungszweck beeinträchtigt werden. Denn mit der Typisierung von Interessenkollisionen verfolgte der Gesetzgeber auch die Absicht, diese Fälle zum Zwecke der Offenkundigkeit klar abzugrenzen. Gerade diese klare Abgrenzung würde durch eine Annahme einer Ergänzungsfunktion des § 21 V w V f G in dem beschriebenen Sinne wieder relativiert. Zudem ist diese Ansicht geeignet, mögliche Befangenheitsgründe in § 21 V w V f G zu statuieren, obwohl der Gesetzgeber bei ihnen durch ein bewußtes Außerachtlassen beim Katalog des § 20 V w V f G zum Ausdruck gebracht, daß ihr etwaiges Vorliegen hinzunehmen ist. So etwa für die Fälle, in denen Amtsträger i m Rahmen einer Erstentscheidung mitgewirkt haben 8 oder zuvor in derselben Sache als Zeugen oder Sachverständige angehört worden sind 9 . Schließlich treten auch nicht die von der Gegenansicht befürchteten Wertungswidersprüche auf. Abgesehen davon, daß — wie noch zu zeigen sein w i r d — eine Freundschaft oder Feindschaft nicht als solche schon zu einer Besorgnis der Befangenheit führt, ist damit noch keinesfalls ausgesagt, daß eine entfernte Verwandtschaft oder Schwägerschaft niemals zu einem Mitwirkungsverbot führen kann. Vielmehr w i r d man nach dem Gesagten zu dem Ergebnis kommen, daß Gründe, die in § 20 V w V f G und den entsprechenden Regelungen angesprochen werden, danach aber keine Ausschlußgründe sind, dann auch als Befangenheitsgründe nach § 21 V w V f G ausscheiden, wenn nicht besondere, zusätzliche Umstände hinzutreten 1 0 .
2. Sicherung der Sachgebundenheit der Verwaltungstätigkeit a. Allgemeines Die bisherigen Ausführungen betrafen lediglich einen Aspekt des Handlungsverbotes wegen der Besorgnis der Befangenheit, nämlich die Ergänzungsfunktion bezüglich der Absicherung der sachlich richtigen Entscheidungsfindung gegenüber den Ausschlußgründen. Anders als bei diesen ist aber i m Rahmen der Besorgnis der Befangenheit eine weitere funktionale Stoßrichtung festzustellen. In bestimmten Konstellationen fungiert dieser Tatbestand — ähnlich wie das Vertretungsverbot — als Absicherung der Sachgebundenheit der Verwaltungstätigkeit in einem umfassenderen Sinne. Die Sachgebundenheit des Verwaltungshandelns drückt sich nicht nur in der Sachgerechtigkeit der Entscheidungsfindung aus, sondern reicht über diesen Aspekt hinaus. U m dies mit einem Beispiel zu verdeutlichen: So sind etwa von der Verwaltung gesammelte Informationen « Vgl. Kapitel C Zweiter Abschnitt I. 2. b. 9 Meyer/Borgs, VwVfG, § 21 Rn. 3. 10 Kopp, VwVfG, § 21 Rn. 5.
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E. Die Besorgnis der Befangenheit
zweckgebunden, dürfen also nicht von den Amts- und Mandatsträgern zu persönlichen Zwecken verwandt werden. Auch in diesem Bereich, in dem das insoweit zu verhindernde Tätigwerden bestimmter Amts- und Mandatsträger nach dem Maßstab der Lebenserfahrung 11 die Entscheidungsfindung nicht beeinträchtigen m u ß 1 2 , w i r d das Handlungsverbot der §§ 21 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 wirksam. Während die Sicherung der Sachgebundenheit des Verwaltungshandelns in all jenen Fällen, in denen nicht die Sachgerechtigkeit einer konkret zu treffenden Verwaltungsentscheidung in Rede steht, bei den Ausschlußgründen allenfalls als ein Nebeneffekt auftritt, verselbständigt sich dieser Aspekt im Rahmen der Besorgnis der Befangenheit und begründet für sich genommen bereits ein Handlungsverbot. Dies findet seinen deutlichen Niederschlag in dem Wortlaut der
§§21
V w V f G e , 16 S G B - X , 83 A O '77. Vergleicht man diesen mit dem Wortlaut der Ausschlußgründe, so knüpft deren Grundtatbestand an unmittelbare Vor- oder Nachteilsmöglichkeiten der zu treffenden Verwaltungsentscheidung an. Ganz anders die Besorgnis der Befangenheit. Sie wählt als Anknüpfungspunkt die Gewährleistung einer unparteiischen Amtsausübung. Der Begriff der Unparteilichkeit ist dabei nicht in dem stringentem Sinne zu verstehen, in dem er eingangs dieser Arbeit definiert wurde. So verwendet der Gesetzgeber beispielsweise den Begriff der Unparteilichkeit in den beamtenrechtlichen Regelungen teils neben dem Begriff der Unbefangenheit (§§ 65 I I Nr. 4 B B G , 78 I I Nr. 4 H B G ) , teils neben der gerechten und am Allgemeinwohl ausgerichteten Amtsausübung (§§ 52 I B B G , 67 I H G B ) , teils w i r d auf diesen Begriff verzichtet und auf die Uneigennützigkeit abgehoben (§§ 54 I B B G , 69 H B G ) . Dies zeigt, daß der Begriff der Unparteilichkeit nicht in einem bestimmten inhaltlich scharf konturierten Sinne verwendet wird, sondern als Synonym für die Gewährleistung einer Amtsausübung steht, die allein i m öffentlichen Interesse liegt. Durch die Anknüpfung an eine ausschließlich am öffentlichen Interesse ausgerichtete Amtsausübung wählt der Gesetzgeber infolgedessen für das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit erkennbar einen breiteren Ansatzpunkt. Ihm kommt insoweit eine Zwitterstellung zu. Greift man nämlich auf die i m ersten Kapitel entworfene Systematik der Interessenkollisionsnormen zurück, so vereint dieses Handlungsverbot die funktionalen Gesichtspunkte beider dort genannten Kategorien in sich. Neben der Sicherung einer sachgerechten Entscheidungsfindung schützen §§ 21 V w V f G e , 17 S G B - X , 83 A O '77 unabhängig von diesem Aspekt die öffentliche Zwecksetzung der Verwaltungstätigkeit schlechthin. Sie dienen in dieser Hinsicht etwa dem Schutz der Intimsphäre des von einer Leibesvisitation betroffenen Bürgers durch einen Feind oder der Wahrung der öffentlichen Bindung des amtlichen erlangten Wissens. Unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigt sich auch die Annahme eines Handlungsverbotes wegen der Besorgnis der Befan1 · Siehe Kapitel C Erster Abschnitt II. 12 Vgl. unten Kapitel E III. 2. a. aa. bbb.
I. Die Konzeption als Auffangtatbestand
249
genheit bei einem Wasserableser, dem wegen persönlicher Feindschaft ein Hausverbot erteilt w u r d e 1 3 , ohne daß es auf die Entscheidungsrelevanz der Tätigkeit ankäme 1 4 . Relevant w i r d dieser Falltyp speziell bei Realakten, da insoweit keine Entscheidung i m Rechtssinn getroffen w i r d und daher allein die Sicherung der öffentlichen Zwecksetzung des Verwaltungshandelns i m Mittelpunkt stehen kann.
b. Ergänzungsfunktion
in bezug auf das Vertretungsverbot
V o r diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit in einem Ergänzungsverhältnis zu dem (kommunal· oder beamtenrechtlichen) Vertretungsverbot stehen kann, soweit dieses Rechtsinstitut der Absicherung der Sachgebundenheit des Verwaltungshandelns in einem allgemeinen Sinne dient 1 5 . Dieses Ergänzungsverhältnis könnte sich dabei in der Weise darstellen, daß der fehlende Einbezug Dritter in den Anwendungsbereich des Vertretungsverbots, zu denen der Amts- und Mandatsträger in einem Nähe Verhältnis steht, durch das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit aufgefangen werden könnte. Konkret würde dies bedeuten, daß diese Dritten zwar Ansprüche gegen die Gebietskörperschaft geltend machen könnten, der in einem Näheverhältnis zu ihnen stehende Amtsträger aber mit einem Handlungsverbot belegt würde. Diese Umschreibung erweist sich jedoch bei näheren Zusehen als ungenau. Als weitere Bedingung muß hinzutreten, daß die Interessenvertretung des dem Amts- und Mandatsträger nahestehenden Dritten in einem anderen Verfahren erfolgt, als demjenigen, in welchem jener tätig wird. Denn in den Fällen einer Verfahrensidentität liegt eine Gefährdung bezüglich der Entscheidungsfindung vor, so daß hier entweder ein Ausschlußgrund oder jedenfalls die diesbezügliche Ergänzungsfunktion des Handlungsverbotes wegen der Besorgnis der Befangenheit einschlägig ist. Der weitergehende Schutzzweck der Gewährleistung der Sachgebundenheit der Verwaltungstätigkeit kann sich nur dort aktualisieren, w o das amtlich erlangte Wissen in zwei verschiedenen Verfahren von Bedeutung ist. Dies soll an den beiden folgenden Falltypen exemplifiziert werden.
aa. Schutzrichtung: Verwaltung Ausgegangen werden soll von dem folgenden Beispiel: Der Ehegatte des Amts- und Mandatsträgers vertritt Β in einem gerichtlichen Verfahren gegen die kommunale Gebietskörperschaft. Ist in diesem Verfahren die Kenntnis bestimm13 VGH Kassel, JZ 1971, 257ff., 258. 14 Dies übersieht Dagtoglou, JZ 1971, 259 f., 259. 15 Siehe zu der ratio des Vertretungs Verbotes: Kapitel D Erster Abschnitt II. 2.
250
. Die
esogn
der Befangenheit
ter Verwaltungsinterna für Β von Vorteil, so schiebt sich wie beim Vertretungsverbot der Schutz der Kommunalkörperschaft in den Vordergrund, wenn der erwähnte Amts- und Mandatsträger in einem konkreten Verfahren mitwirken soll, in welchem er gerade von diesen Verwaltungsinterna Kenntnis erlangen wird. bb. Schutzrichtung: Bürger In einer anderen Variante stellt sich die Frage nach dem Schutz des von einem Verwaltungshandeln betroffenen Bürgers. Vertritt der Ehegatte die Interessen des Β nicht gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, sondern gegenüber einer anderen Privatperson C, so ist diese unter bestimmten Umständen schutzbedürftig. So etwa i m Prinzip in der Fallgestaltung, in welcher er dem entsprechenden Amts- und Mandatsträger in einem Verwaltungsverfahren gegenübertritt und dort Fakten nennen muß, die in einem ansonsten von diesem Verwaltungsverfahren v ö l l i g getrennten Verfahren entscheidungserheblich sind.
cc. Voraussetzungen der Aktualisierung der Ergänzungsfunktion In den Mittelpunkt beider Fallgestaltungen steht die M i t w i r k u n g eines Amtsund Mandatsträgers, bei dem ausschließlich die Gefahr besteht, daß er amtlich erlangtes Wissen in einer außeramtlichen Sphäre verwerten könnte, während ihm der sonstige Verfahrensausgang unberührt läßt. Ein Handlungsverbot aufgrund der Gefährdung einer korrekten Entscheidungsfindung scheidet daher aus. Dieses kann hier lediglich i m Hinblick auf eine Ergänzungsfunktion bezüglich des Vertretungsverbotes gegeben sein. Dabei zeigen beide Falltypen zunächst plastisch die beschränkte Ergänzungsfunktion des Handlungsverbotes wegen der Besorgnis der Befangenheit auf. Erkennbar ist, daß dieses aufgrund seiner punktuellen Wirkung nur dann zum Zuge kommen kann, wenn der betroffene Amts- und Mandatsträger noch keine Kenntnis von den Verwaltungsinterna hat, er sie also erst durch ein konkretes Verwaltungsverfahren erlangen kann. Besitzt er sie bereits, dann kann das Handlungsverbot nichts mehr bewirken. In diesem Fall entfaltet lediglich die Verschwiegenheitspflicht mit ihrer u. U. gegebenen disziplinar- und strafrechtlichen Absicherung die erforderliche Schutzwirkung. Gerade dieser Aspekt leitet zu einer weiteren Einschränkung über. I n den herangezogenen Beispielen stellt sich die Frage, ob das bloße Näheverhältnis zu dem Interessenvertreter des Dritten bereits das Handlungsverbot auslöst. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der Heranziehung der Wertungsgesichtspunkte, die bei dem Vertretungsverbot hervorgetreten sind. Dort wurde gezeigt, daß das Gesetz in bestimmten Situationen die Verschwiegenheitspflicht mit den
II. Zum Begriff der „Besorgnis der Befangenheit"
251
Sanktionen gegen ihre Verletzung als ausreichend erachtet 16 . Folgt man dem, so muß dieser Gedanke konsequenterweise ebenfalls in dem hier zur Diskussion stehenden Zusammenhang herangezogen werden. A l l e i n das Näheverhältnis des Amts- und Mandatsträgers zu der die Interessen Dritter wahrnehmenden Person kann für ein Handlungsverbot nicht ausreichend sein. Vielmehr müssen zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit weitere Umstände hinzutreten. So etwa, wenn der Amts- und Mandatsträger zu erkennen gegeben hat, daß er sich nicht an die Verschwiegenheitspflicht halten wird. Ferner, wenn i n einem schwebenden Verfahren bereits Indiskretionen stattgefunden haben und der begründete Verdacht gegeben ist, daß sie auf diesen Amtsträger zurückgehen. I n derartigen Fällen kann dem betroffenen Bürger bzw. der öffentlichen Körperschaft nicht zugemutet werden, daß der (potentiell) unzuverlässige Funktionsträger in dem Verwaltungsverfahren mitwirkt. Unter diesen Prämissen kommt dem Handlungsverbot aufgrund der Besorgnis der Befangenheit eine Ergänzungsfunktion hinsichtlich des Vertretungsverbotes zu.
I I . Z u m Begriff der „Besorgnis der Befangenheit" I . Grund der geeignet ist, Mißtrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen Der Gesetzgeber der verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen hat dem Beispiel der gerichtlichen Verfahrensordnungen folgend bewußt davon abgesehen wie bei den Ausschlußgründen einzelne Kategorien von Gründen, die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, oder auch nur eine beispielhafte Aufzählung einzelner Fälle gesetzlich zu regeln. Der Grund ist letztlich darin zu sehen, daß die Lebenssachverhalte, die eine Besorgnis der Befangenheit gegenüber einem Amtsträger begründen können, zu vielgestaltig sind, als daß eine derartige Konkretisierung in erschöpfender Weise erfolgen könnte. Das Gesetz versucht daher den unbestimmten Rechtsbegriff der „Besorgnis der Befangenheit" durch einen anderen zu erläutern, indem es in Absatz 1 Satz 1 der § § 2 1 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 bestimmt, daß ein Grund vorliegen muß, der geeignet ist, Mißtrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Die amtliche Begründung der Regierungsentwurfs konkretisiert diese Generalklausel dahingehend, daß die Besorgnis einen gegenständlichen, vernünftigen Grund verlangt, der die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen kann, daß der Amtsträger nicht unparteiisch und allein sachbezogen entscheiden werde 1 7 .
16 Vgl. Kapitel D Erster Abschnitt II. 1. Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, Drucksache 7/910, S. 47. 17
252
. Die a. Der
esogn
der Befangenheit
Befangenheitsgrund
Erforderlich ist zunächst das Vorliegen objektiv feststellbarer Tatsachen, aus denen geschlossen werden kann, daß ein Amtsträger in einem bestimmten Verwaltungsverfahren nicht unparteiisch, unvoreingenommen und sachgemäß entscheiden w i r d 1 8 . Dies hängt damit zusammen, daß nur der sich nach außen hin abzeichnenden Befangenheit begegnet werden kann. Lediglich wenn die Beteiligten wegen bestimmter in oder außerhalb des Verfahrensgegenstandes liegender Umstände befürchten müssen, daß der Amtsträger infolge einer bewußten oder unbewußten Hinneigung oder Abneigung gegenüber einem Beteiligten, dessen Angehörigen oder dessen Vertreter nicht zu einem korrekten Handeln für die Behörde in der Lage ist, ist ein konkreter Anlaß für das Vorliegen einer Besorgnis der Befangenheit gegeben. Die bloße „ A h n u n g " oder das „Gefühl" eines Beteiligten sind nicht ausreichend 19 . Stets muß es sich um individuelle, angebbare, aus der Person des einzelnen Amtsträgers herleitbare Gründe handeln. Allgemeine Gründe wie Staatsangehörigkeit, Geschlecht, Zugehörigkeit zu einer Partei oder Konfession und dergleichen genügen ebensowenig wie allein der Umstand, daß ein amtliches Handeln mißliebige Konsequenzen für die persönliche Beziehung zwischen Amtsträger und Beteiligten haben könnte. Sie bieten für sich gesehen noch keinen ausreichenden Anlaß zur Annahme eines Befangenheitsgrundes 20 . Eine Ausnahme ist jedoch dann zu machen, wenn sich ein solch allgemeiner Grund in der Person oder in der persönlichen Haltung des Amtsträgers individuell verdichtet h a t 2 1 . So etwa wenn die Zugehörigkeit zu einer Partei oder Konfession zur Festlegung einer bestimmten Meinung führt und das Handeln i m konkreten Verwaltungsverfahren beeinflußen kann. Denkbar sind derartige Konstellationen insbesondere bei Verwaltungsverfahren mit starken politischen Einschlag, wie etwa bei Einstellungsverfahren i m Rahmen der Begründung von Beamtenverhältnissen („Radikalenerlaß") oder — um ein weiteres aktuelles Beispiel zu nennen — Steuerverfahren i m Zusammenhang mit Parteispenden.
b. Bewertungsmaßstab Da sich ein innerer Vorgang in einem Menschen der Feststellung von außen, durch Dritte, entzieht bzw. zumindest in der Regel nicht bewiesen werden und vom äußeren Verhalten nur allzu leicht überdeckt werden k a n n 2 2 , ist nach dem 18 Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 83 Rn. 3. 19 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, §21 Rn. 5; Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 17 Rn. 3. 20 Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 83 Rn. 3. 21 Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 83 Rn. 6; Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 17 Rn. 3; Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 138 ff., insbesondere S. 140 ff.
II. Zum Begriff der „Besorgnis der Befangenheit"
253
Wortlaut des Gesetzes ein Mitwirkungsverbot schon dann gegeben, „ w e n n ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Amtsträgers zu rechtfertigen". Ebenso wie i m Rahmen der Ausschlußgründe ist also nicht erforderlich, daß der Amtsträger tatsächlich befangen ist. Maßgebend ist allein die dahingehende gerechtfertigte Besorgnis der Beteiligten. Ausreichend ist mit anderen Worten das Vorliegen eines Grundes, der den Betroffenen Anlaß bieten könnte, an der Unbefangenheit des Amtsträgers zu zweifeln. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob ausschließlich auf die Sicht der Verfahrensbeteiligten abgestellt werden oder als Maßstab auch von dem Standpunkt des Amtsträgers ausgegangen werden kann. Bedeutung gewinnt diese Frage nur in den seltenen Fällen, in denen der Amtsträger sich selbst aus bestimmten Gründen für befangen hält. Da das Unbefangenheitsprinzip auch den Schutz des Amtsträgers vor auftretenden Gewissenskonflikten bezweckt, w i r d man dies i m Grundsatz bejahen müssen 2 3 . Die Selbstbezichtigung darf jedoch nicht zu einem Instrument werden, um einem unpopulären oder unangenehmen Verfahren auszuweichen 2 4 . Daher w i r d man auch in diesem Rahmen eine Objektivierung des subjektiven Standpunktes des Amtsträgers vornehmen müssen, wie er i m folgenden für die Verfahrensbeteiligten erörtert werden w i r d 2 5 .
aa. Der subjektiv-objektive Maßstab der h. M . Offen geblieben ist bisher, ob bei dem Abstellen auf den Standpunkt des Beteiligten ausschließlich dessen subjektive Bewertung zugrunde zu legen ist. Ein solcher, rein subjektiver Maßstab würde insbesondere zu einer Ausuferung des Mitwirkungsverbotes führen. Auch eine rein subjektive, unvernünftige Vorstellung wäre erheblich. Daher stehen einem derartigen Ansatz zunächst einmal die Erwägungen entgegen, die bereits früher zur Begründung einer in der Tendenz restriktiven Auslegung der Befangenheitsvorschriften herangezogen wurden 2 6 . Für die Notwendigkeit eines objektivierenden Maßstabs spricht zudem auch der Wortlaut des Gesetzes, wonach Gründe vorliegen müssen, die geeignet sind, Mißtrauen gegen die unparteiische Amtsführung eines Amtsträgers zu „rechtfertigen". Übereinstimmend w i r d daher ein subjektiv-objektiver Bewertungsmaßstab angelegt. Derjenige, der über das Vorliegen einer Besorgnis einer Befangenheit zu entscheiden hat, muß sich danach in die Rolle der Verfahrensbeteiligten zu versetzen versuchen und ihre persönlichen Befürchtungen zwar zugrundelegen, ihnen aber nur in dem Umfang Rechnung tragen, wie dieses vernünftigerweise zu geschehen hat. Erst wenn in diesem Rahmen subjektive Befürchtungen der 22 23 24 25 26
Krekeler, NJW 1981, 1633 ff., 1634. Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 83 Rn. 4. Jäde, BayVBl. 1986, 614 ff., 614. Vgl. Grüner, SGB-X, § 17 Anm. II, S. 6. Kapitel Β V. 1.
254
. Die
esogn
der Befangenheit
Beteiligten immerhin verständlich und nicht ziemlich grundlos zu sein scheinen, soll eine Besorgnis der Befangenheit gegeben sein 2 7 . Streitig ist in diesem Zusammenhang, inwieweit bei der erforderlichen Abwägung auf den konkreten Verfahrensbeteiligten abzustellen ist. Ein Überblick über die Literatur und Rechtsprechung zu § 24 I I StPO und 42 I I ZPO zeigt dabei, daß trotz der Betonung des subjektiven Elements, nämlich des Standpunkts des Beteiligten, überwiegend ein primär objektiver Maßstab aufgerichtet wird. Deutlich w i r d dies durch die Verwendung von Formulierungen wie „verständige bzw. vernünftige Würdigung aller Umstände 44 . Eine solche Würdigung sei jene, die ein vernünftig denkender Mensch, ein unbefangener Dritter, ein erfahrener, besonnener Beteiligter anstellen würde, wenn er der Beteiligte in der konkreten Situation wäre 2 8 . Zur Begründung der Verwendung dieses objektiven Maßstabes w i r d i m Rahmen des gerichtlichen Verfahrensrechts auf die Verhinderung von W i l l k ü r und Mißbrauch sowie auf den Gesichtspunkt der Prozeßökonomie verwiesen 2 9 . bb. Der primär subjektive Maßstab Dieser h. M . hält eine Literaturansicht entgegen, sie vermische zwei Aspekte, die deutlich voneinander geschieden werden müßten. Dies sei einmal der Ausgangspunkt, von dem die Prüfung auszugehen habe. Z u m anderen der Maßstab, nach dem die Würdigung der das Ablehnungsgesuch stützenden Lebenssachverhalte vorzunehmen sei. Bezugspunkt für die Prüfung der Besorgnis der Befangenheit sei der konkrete Beteiligte, dessen Standpunkt in der konkreten Situation. Z u fragen und zu entscheiden sei, ob der Beteiligte, in seiner Lage, in der gegebenen Verfahrenssituation, bei seinem Bildungsgrad, seinem Gesundheitszustand und seinen Erfahrungen und Erinnerungen Anlaß hat, den Amtsträger im Hinblick auf eine unbefangene Amtsausübung zu mißtrauen 3 0 . Den von der h. M . angeführten Praktikabilitätserwägungen soll dabei in ausreichenden Ausmaß dadurch Rechnung getragen werden, daß dem Maßstab, nach dem die Würdigung der Befangenheitsgründe zu erfolgen hat, ein objektives Element zugeordnet wird. Denn der Rechtsordnung sei es nicht zumutbar, einem unvernünftigen Mißtrauen des Verfahrensbeteiligten zu weit nachzugeben. Es dürfe und solle deshalb nicht verkannt werden, daß eine Besorgnis der Befangenheit, die auf 27 Vgl. nur Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann-Hartmann, ZPO, § 42 Anm. 2 A b aa.; Löwe / Rosenberg-Wendisch, StPO, § 24 Rn. 6; Kleinknecht / Meyer, StPO, § 24 Rn. 3; KMR-Paulus, StPO, § 24 Rn. 6. 28 BGHSt 21, 334 ff., 341; Schlüchter, Das Strafverfahren, S. 40 Rn. 40; Kleinknecht / Meyer, StPO, § 24 Rn. 3; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 9 II 1; Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann-Hartmann, ZPO, § 42 Anm. 2 b aa; Schellhammer, Zivilprozeß, Rn.
1266.
29 Löwe / Rosenberg-Wendisch, StPO, § 24 Rn. 6 30 Krekeler, NJW 1981, 1633 ff., 1635; Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 28 f.; Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 111 ff.
II. Zum Begriff der „Besorgnis der Befangenheit"
255
übertriebener, unkritischer und unvernünftiger Bewertung der für die Voreingenommenheit des Amtsträgers sprechenden Gründe beruhe, nicht genügen könne. Andererseits könne die Abwägung der Umstände, die der Besorgnis der Befangenheit zugrundelägen, nicht in der Weise erfolgen, daß hier praktisch wie ein „Gutachter" oder „Schiedsrichter" der „vernünftig denkende Mensch" oder „der unbefangene Dritte" in die Rolle des konkreten Verfahrensbeteiligten schlüpfe und nunmehr die Beurteilung der Befangenheitsgründe vornehme. Denn hier werde die subjektive Komponente des Beurteilungsmaßstabes, die an sich nach allgemeiner Meinung nicht nur unverzichtbar, sondern mit entscheidend sei, praktisch aufgegeben und zum reinen Lippenbekenntnis. Die h. M . dränge den Bezugspunkt des konkreten Verfahrensbeteiligten und dessen konkrete Situation in den Hintergrund und bewerte das Gewicht der objektiven Komponente des Beurteilungsmaßstabes über. Das notwendige Zusammenspiel des subjektiven und objektiven Teils des Beurteilungsmaßstabes finde nicht statt 3 1 .
cc. Die Notwendigkeit eines primär objektiven Bewertungsmaßstabes Indessen führt dieser primär subjektive Bewertungsmaßstab aufgrund des A b stellens auf den konkreten Verfahrensbeteiligten bei gleicher Sachlage zu unterschiedlichen Ergebnissen. Dies erklärt sich daraus, daß die Vertreter dieser Ansicht den Sinn und Zweck der Regelungen über die Besorgnis der Befangenheit in dem Vertrauensschutz sehen. So vertritt Arzt i m Rahmen des § 24 I I StPO die Ansicht, der Angeklagte habe einen Anspruch darauf, mit dem Richter unbefangen zusammenzuarbeiten. Das Vertrauensverhältnis zwischen Richter und Angeklagtem werde aber schon dadurch gestört, daß der Angeklagte dem Richter aus Gründen mißtraue, die nur dem Angeklagten einleuchteten 3 2 . Einer solchen Verengung der Blickrichtung auf das Vertrauensschutzprinzip leistet der Wortlaut der §§ 21 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 Vorschub. Ist dort von einem „Mißtrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung" die Rede, so liegt der Schluß auf den Schutz des Vertrauens der Verfahrensbeteiligten nahe. Gleichwohl ist das Anknüpfen des Tatbestandes an ein Mißtrauen der Verfahrensbeteiligten nur ein gesetzestechnisches Mittel, mit dem zum Ausdruck gebracht werden soll, daß schon die Möglichkeit einer Befangenheit in der konkreten Situation ausreicht, um das Handlungsverbot eintreten zu lassen. Dementsprechend w i r d nahezu einhellig der Standpunkt eingenommen, daß weder ein wirkliches Mißtrauen des Beteiligten noch eine Kausalität zwischen Befangenheitsgrund und der Besorgnis vorliegen m u ß 3 3 . Dies folgt schon daraus, daß 31 Krekeler, NJW 1981, 1633 ff., 1635. 32 Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 29. 33 Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 36 ff. mit weiteren Nachweisen; a. A. nur Sarstedt, JZ 1966, 314.
256
. Die
esogn
der Befangenheit
auch die Regelungen über die Besorgnis der Befangenheit eine Reaktion auf bestimmte Gefahrenlagen darstellen, die unabhängig von einem Vertrauensverhältnis bestehen, so daß auch die Funktionen des Unbefangenheitsgebotes nicht daran gekoppelt werden können. Wenn nun eine Gefahrenlage für das sachgerechte Verwaltungshandeln das Charakteristikum der Befangenheitsvorschriften darstellt, so kann ein Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit nicht primär von der Vorstellungswelt des Beteiligten abhängen. Vielmehr müssen hier objektive Kriterien zur Beurteilung des Vorliegens einer solchen möglichen Gefahrenlage herangezogen werden 3 4 . Daher ist i m Ausgangspunkt der überwiegenden Ansicht zu folgen und stets, wenn ein objektiv vernünftiger Grund gegeben ist, der zu Zweifeln an der Objektivität des Amts- und Mandatsträgers führt, eine Besorgnis der Befangenheit anzunehmen. Nur bei einem solch einheitlichen Maßstab w i r d vermieden, daß vor dem Hintergrund der Gefahrenlage gleich zu beurteilende Konstellationen wegen eines unterschiedlichen „Empfängerhorizonts" der Beteiligten verschieden behandelt werden. Schließlich beruht die Gegenansicht entscheidend mit auf dem Gedanken, den als unsachgemäß empfundenen Konsequenzen des objektiv-subjektiven Maßstabes der h. M . insbesondere i m Hinblick auf den Nachweis des Befangenheitsgrundes über den Weg eines primär subjektiven Maßstab zu entgehen. Insoweit handelt es sich bei diesem Meinungsstreit letzten Endes um ein Problem des Nachweises der Voraussetzungen des Mitwirkungsverbotes wegen Besorgnis der Befangenheit 3 5 . Infolgedessen hat die Lösung auch in diesem Rahmen anzusetzen. Daß sich aber auch bei einem primär objektiven Maßstab sachgerechte Ergebnisse erzielen lassen, w i r d i m Zusammenhang mit dem Nachweis des Befangenheitsgrundes noch zu zeigen sein.
2. Die Behauptung eines Befangenheitsgrundes durch einen Beteiligten Die Rechtsfolge des Satzes 1 der §§ 21 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 tritt auch dann ein, wenn von einem Beteiligten das Vorliegen eines Grundes behauptet wird, der geeignet ist, Mißtrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Der Wortlaut dieser Vorschriften läßt offen, ob insoweit ein selbständiger Befangenheitsgrund gemeint ist. Insoweit könnte man zu der Ansicht gelangen, daß es i m Gegensatz zur 1. Alternative ausreichend sei, wenn der Beteiligte schlüssig behauptet, daß ein solcher Grund vorliegt, während die 1. Alternative das Vorliegen eines solchen Grundes und seinen Nachweis erfordert. Es ist indessen fraglich, ob der Gesetzgeber mit dieser Alternative eine 34 In diesem Sinne auch BVerwGE 29, 70 ff., 71; BVerwG, Urt. v. 20.6. 1978, Buchholz Nr. 94 zu 421.0. 35 BGHSt 21, 334 ff., 351.
II. Zum Begriff der „Besorgnis der Befangenheit"
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derartige Regelung beabsichtigte. Dies insbesondere, wenn man sich die Konsequenzen einer solchen Auslegung vor Augen hält. Die Beschränkung auf eine bloße Schlüssigkeitsprüfung der Darlegungen eines Beteiligten würde zu einer Ausweitung des Mitwirkungsverbotes und in der Folge zu einer erheblichen Belastung der Arbeitsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung führen. Abgesehen von diesen negativen Auswirkungen auf die Funktionserfüllung der Verwaltung ist aus dem Wortlaut und dem Normzweck nicht ersichtlich, daß der Gesetzgeber insoweit die Überprüfungsmöglichkeit der zuständigen Stelle beschneiden und damit unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe bei den beiden Alternativen statuieren wollte. Vielmehr wird man unter diesen Gesichtspunkten auch bei der 2. Alternative einen Nachweis der tatsächlichen Verhältnisse für erforderlich halten müssen. I n dieser Hinsicht verweist daher die 2. Alternative lediglich auf den Befangenheitsgrund der 1. Alternative, so daß in der 2. Alternative kein eigenständiger Grund für eine Besorgnis der Befangenheit erblickt werden kann. Damit erhebt sich die Frage, welche Bedeutung dieser 2. Alternative zukommt. In diesem Zusammenhang ist zunächst ein B l i c k auf die entsprechenden Regelungen des gerichtlichen Verfahrensrechts zu werfen. Die § § 4 2 I I I ZPO und 24 I I I StPO bestimmen, welchen Personen ein Ablehnungsrecht zusteht. §§ 48 I ZPO und 30 StPO enthalten ergänzende Bestimmungen hinsichtlich der Selbstablehnung des Richters bzw. der Prüfung der Besorgnis der Befangenheit bei anderer Veranlassung. Die verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften enthalten demgegenüber keine derartig differenzierten Regelungen. Vielmehr umschreibt die 1. Alternative lediglich den Begriff der Besorgnis der Befangenheit. Zugleich wollen die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen damit dem Umstand Rechnung tragen, daß eine Besorgnis der Befangenheit auch dann gegeben ist, wenn ein Befangenheitsgrund vorliegt, ohne geltend gemacht worden zu sein 3 6 . Dies entspricht den Gedanken der § § 3 0 StPO und 48 I ZPO. I m Rahmen der 1. Alternative bedarf es also keines äußeren Anlasses, der Amtsträger hat vielmehr in eigener Verantwortung zu prüfen, ob eine Besorgnis der Befangenheit gegeben ist. Die Frage ist aber auch dann zu prüfen, wenn ein nicht i m Sinne des § 13 V w V f G am Verfahren Beteiligter das Vorliegen eines Befangenheitsgrundes geltend macht 3 7 . Dies folgt schon aus dem Untersuchungsgrundsatz der § § 2 4 V w V f G e , 20 S G B - X und 88 A O '77, die weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck nach durch das Mitwirkungsverbot der §§ 21 V w V f G e , 17 X - S G B - X und 83 A O '77 eingeschränkt werden. Ganz i m Sinne der § § 2 4 I I I StPO und 42 I I I ZPO legt die 2. Alternative fest, daß eine Besorgnis der Befangenheit auch dann besteht, wenn von einem Beteiligten das Vorliegen eines Befangenheitsgrundes behauptet wird. Erkennbar wollte der Gesetzgeber damit den Beteiligten eine Einflußmöglichkeit i n der Weise einräumen, daß die Initiative zur Überprüfung des Vorliegens einer Besorgnis 36 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 21 Rn. 7. 37 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 21 Rn. 8. 17 Kazele
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. Die
esogn
der Befangenheit
der Befangenheit eines Amtsträgers gerade auch von einem Verfahrensbeteiligten ausgehen können soll. A l l e i n um dies sicherzustellen, hätte es jedoch nicht dieser Regelung bedurft. Denn wenn bei der 1. Alternative schon die Geltendmachun . der Besorgnis der Befangenheit durch einen Nichtbeteiligten die Prüfung auslöst ist dies erst recht bei einer Geltendmachung durch einen Beteiligten der Fall. Inwieweit dieser Verfahrenseinleitung auf Initiative des Beteiligten ein Ablehnungsrecht entnommen werden kann, soll an späterer Stelle erörtert werden 3 8 . Festzuhalten bleibt an dieser Stelle lediglich, daß die 2. Alternative keinen eigenen Befangenheitsgrund enthält, sie vielmehr nur auf die 1. Alternative verweist und damit lediglich eine Verfahrensregelung darstellt.
I I I . Einzelne Erscheinungsformen der Befangenheit 1. Möglichkeit der Übernahme der Kasuistik zum gerichtlichen Verfahrensrecht W i l l man nun die Erscheinungsformen der Befangenheit, mögliche Falltypen und ihre Charakteristika aufzeigen, so sieht man sich vor die Frage gestellt, ob die Kasuistik zu den Vorschriften des gerichtlichen Verfahrensrechts Anhaltspunkte geben kann. Dafür spricht zunächst der nahezu identische Wortlaut der §§ 42 I I ZPO, 24 I I StPO und der §§ 21 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77. Da derselbe Wortlaut jedoch i m Rahmen verschiedener Regelungsgegenstände durchaus eine unterschiedliche Auslegung erfahren kann, ist dies für sich genommen noch kein ausreichendes Argument. Vielmehr ist das Unbefangenheitsprinzip vor dem Hintergrund der Funktionen und Grundprinzipien des Verwaltungsverfahrens sowie des Gerichtsverfahrens zu sehen. Nur wenn insoweit auch eine strukturelle Vergleichbarkeit besteht, ist eine Übertragung der zu den gerichtlichen Vorschriften bestehenden Kasuistik möglich. Richtet man den Blick auf Art. 19 I V GG, so dient das (verwaltungs)gerichtliche Verfahren primär dem subjektiven Rechtsschutz des Bürgers gegenüber der öffentlichen Verwaltung 3 9 . Hinzu tritt eine Kontrollfunktion, die zumindest dann, wenn es aufgrund subjektiver Rechtsbetroffenheit zur Einleitung gerichtlicher Verfahren kommt, die objektiv-rechtliche Bindung der Verwaltung nach Art. 20 I I I G G an Gesetz und Recht konkretisiert. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren ist bei diesen Funktionen auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt, prüft also insbesondere Ermessensentscheidungen nur innerhalb des durch § 114 V w G O vorgegebenen Rahmens nach 4 0 . Das Verwaltungs verfahren verfolgt demgegenüber die weitgehende Realisierung der Verwaltungseffizienz. Diese kann i m Sinne einer Zweck-Mittel-Relation verstanden werden, bei denen die verfassungsrecht38 Siehe Kapitel F I . l . a . cc. 39 γ. Mutius, Festschrift für Menger, 1985, 575 ff., 584. 40 v. Mutius, Festschrift für Menger, 1985, 575 ff., 586.
III. Einzelne Erscheinungsformen der Befangenheit
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lieh und einfach-gesetzlich verankerten materiellen Verwaltungsziele entweder mit minimalen Mitteleinsatz zu einem bestimmten Grad oder bei konstanten Mitteleinsatz maximal verwirklicht werden sollen 4 1 . Ohne auf die sich hier i m Einzelfall stellenden Zielkonflikte einzugehen, kann damit festgehalten werden, daß unter funktionalen Gesichtspunkten der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Verfahrensarten in dem Entscheidungsmaßstab begründet liegt. I m Verwaltungsverfahren ist dieser typischerweise nicht nur an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns ausgerichtet, sondern er erfaßt zusätzlich den Aspekt der Zweckmäßigkeit 4 2 . Diese unterschiedlichen Funktionen haben zwar Auswirkungen auf die Struktur, den A b l a u f und die rechtliche Ausgestaltung des Entscheidungsprozesses. Unter dem Gesichtspunkt des Unbefangenheitsgebotes kann dies allerdings i m Grundsatz keine unterschiedliche Betrachtung rechtfertigen. Denn auch Effizienzgesichtspunkte müssen auf den Aspekt der Sachgerechtigkeit, auf dessen Absicherung Befangenheitsvorschriften abzielen, bezogen sein 4 3 . Aus der i m gleichem Maße bedingten Erforderlichkeit eines Handlungsverbotes wegen einer Besorgnis der Befangenheit folgt zunächst die grundsätzliche Möglichkeit einer Orientierung an den i m Rahmen der §§ 24 I I StPO und 42 I I ZPO bestehenden Falltypen der Befangenheit. Keineswegs bedeutet dies aber, daß die Tätigkeiten von Behörden und Gerichten auf diesem Feld auch gleich zu gewichten sind. Eine schematische Übertragung der prozeßrechtlichen Erscheinungsformen der Befangenheit kommt daher nicht in Betracht. Vielmehr muß stets geprüft werden, ob nicht die funktionalen Besonderheiten des Verwaltungsverfahrens ein abweichendes Ergebnis rechtfertigen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere zwei Faktoren hervorzuheben. Ein grundlegender Unterschied zwischen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren resultiert daraus, daß dem Richter die Rolle eines unabhängigen und unbeteiligten Dritten zukommt, während die Verwaltung stets eine Parteirolle in dem materiellen Verwaltungsrechtsverhältnis einnimmt und somit selbst auch als Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten, die i m Rahmen des materiellen Verwaltungsrechtsverhältnisses gerade auch gegenüber den Beteiligten bestehen, in Betracht kommt. Die i m Rahmen der Entscheidung mitwirkenden Amtsträger sind dabei anders als der Richter in eine Hierarchie eingebunden und weisungsabhängig. Ein anderer wesentlicher Gesichtspunkt ist die grundsätzliche Formfreiheit des Verwaltungs Verfahrens. Gemäß § § 1 0 V w V f G e , 9 S G B - X ist das Verwaltungsverfahren an bestimmte Formen nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen. Diesen Grundsatz der Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungs Verfahrens, S. 55ff., besonders S. 56 f.; v. Mutius, Festschrift für Menger, 1985, 575 ff., 587 f.; Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151 ff., 163. 42 v. Mutius, Festschrift für Menger, 1985,575 ff., 582; Bettermann, Gedächtnisschrift für Jellinek, 1955, 361 ff., 365 ff. 43 v. Mutius, Festschrift für Menger, 1985, 575 ff., 582; Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungs Verfahrens, S. 40. 17*
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Formfreiheit, der auch ohne entsprechende Vorschrift in der A O '77 Geltung besitzt 4 4 , stellt das V w V f G und das S G B - X bewußt an die Spitze der Verfahrensgrundsätze. Er ist als Auslegungsrichtlinie für alle Verfahrensvorschriften bedeutsam und kommt der Forderung nach einer einfachen und wirksamen Verwaltung entgegen 4 5 . Diese Wertung gründet sich auf die Abneigung gegen die als zu formal empfundenen Regeln des Prozeßrechts, die einer elastischen Bewältigung der Aufgaben der Verwaltung i m Wege stünden 4 6 . Inwieweit die Folgerungen aus diesen Eigenheiten des Verwaltungsverfahrens Einfluß auf eine abweichende Entscheidung bei dem Vorliegen einer Besorgnis der Befangenheit haben, soll bei der Betrachtung einzelner Falltypen der Befangenheit behandelt werden.
2. Orientierung an der Kasuistik der gerichtlichen Befangenheitsvorschriften I m folgenden soll nun auf einzelne Erscheinungsformen der Befangenheit, die i m Rahmen des gerichtlichen Verfahrensrechts häufig anzutreffen sind, eingegangen werden. Entsprechend der Vielgestaltigkeit der möglichen Konstellationen kann sich mit der Darstellung kein Anspruch auf Vollständigkeit verbinden, wie überhaupt beachtet werden muß, daß es sich bei den Falltypen lediglich um Richtlinien handelt, die unter dem Vorbehalt der Besonderheiten des Einzelfalls stehen. a. Verfahrensbezogene
Befangenheitsgründe
aa. Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen Verletzt der Amtsträger in einem Verwaltungs verfahren das Recht, sei es, daß der Rechtsfehler das materielle Recht oder das Verfahrensrecht betrifft, so stellt sich die Frage, ob dies als Grundlage für ein Mitwirkungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit dienen kann. Für ein Mitwirkungsverbot könnte sprechen, daß von diesem eine präventive Wirkung ausgeht. M i t diesem M i t t e l lassen sich bereits in einem frühen Verfahrensstadium mögliche Fehlerquellen einer unrichtigen Entscheidung ausräum e n 4 7 . Ein solcher Ansatz würde zwar der Zielsetzung des Unbefangenheitsgebots, nämlich der Gewährleistung einer sachgemäßen Entscheidung, entspre44
Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 45 FN 127. Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/910, S. 42. 46 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 46. 47 Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 200. 45
III. Einzelne Erscheinungsformen der Befangenheit
261
chen, ließe aber dessen spezifischen Bezugspunkt außer acht. Denn die beschriebene Gefahrenlage genügt für sich genommen noch nicht zur Umschreibung des Unbefangenheitsprinzips. Dieses ist vielmehr dadurch charakterisiert, daß diese Gefahrenlage einer inneren Einstellung, einer unsachlichen Motivation eines i m Rahmen der Entscheidungsfindung Mitwirkenden entspringt. Diesen Aspekt ignoriert Arzt völlig, wenn er i m Rahmen des § 24 I I StPO auf die innere Einstellung des Richters verzichten w i l l 4 8 . Begründet w i r d diese Ansicht mit der Schwierigkeit, bestimmte Rechtsverletzungen revisionsrechtlich zu rügen. Nach h. M . greife die Ablehnung eines Richters dann Platz, wenn es sich um schwere Rechtsfehler handele, bei denen trotz der Schwere nicht sicher sei, daß sie zur Aufhebung des Urteils führen würden. Hier zeige sich, daß die Beschränkung der Ablehnung auf die Parteilichkeit des Richters nicht aufrechtzuerhalten sei und andere schwere Störungen des Vertrauensverhältnisses zwischen Angeklagtem und Richter unter die Befangenheit subsumiert würden 4 9 . Daraus werde die Tendenz sichtbar, die Ablehnung nicht nur zuzulassen, wenn die Unparteilichkeit des Richters als innere Tatsache in Frage gestellt sei, sondern auch, wenn Umstände vorlägen, die die Richtigkeit trotz integrer innerer Einstellung des Richters gefährdeten. Daher könne das Ablehnungsrecht auch als Ergänzung des unzulänglichen Schutzes vor einem objektiv ungeeigneten, unfähigen Richter dienen 5 0 . Abgesehen davon, daß die von Arzt vertretene Erweiterung der Revisionsgründe über die Ablehnung des Richters i m Verwaltungsrecht keine Parallele findet und sich das Problem des ungeeigneten Amtsträgers durch die beamtenrechtlichen Möglichkeiten einer Umsetzung oder Versetzung unter praktischen Gesichtspunkten entschärft, ist bei dieser Ansicht eine Funktionsverschiebung zwischen Rechtsmittelrecht und dem Ablehnungsrecht zu konstatieren. Denn an den Erfolg eines Ablehnungsgesuchs stellt das Gesetz weit geringe Anforderungen als an den eines Rechtsmittels. Ist für die Ablehnung schon die Glaubhaftmachung eines Mißtrauens gegen die Unparteilichkeit ausreichend, so muß bei einem Rechtsmittel dargelegt werden, daß sich die Gefahr verwirklicht hat, das Urteil also unrichtig i s t 5 1 . Bereits die damit verbundenen Auswirkungen machen es erforderlich, die Nachprüfung der sachlichen Richtigkeit von Entscheidungen grundsätzlich dem Rechtsmittelweg vorzubehalten. Zudem verwechselt die gegebene Begründung Ursache und Wirkung. Denn bei dem Vorliegen einer schweren Rechtsverletzung verzichtet die h. M . — wie noch gezeigt werden w i r d — nicht auf die unsachliche innere Einstellung des Richters. Die grobe Rechtsverletzung stellt i m Gegenteil die Grundlage für den Schluß auf die innere Einstellung dar, sie ist als deren Ausfluß zu denken. 48 49 so 5i
Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 102. Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 97, vgl. auch S. 13 ff. Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 102. Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 201.
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Da die Gefährdung der Sachrichtigkeit der zu treffenden Entscheidung auf einer unsachlichen Motivation beruhen muß, können mangelnde Kenntnisse der Rechtslage, ungenügende Sachaufklärung und dergleichen unter dem Gesichtspunkt des Mitwirkungsverbots als solche nicht beachtlich sein. Nur wenn die Verfahrensverstöße und die fehlerhaften Entscheidungen das Resultat einer w i l l kürlichen, unsachlichen inneren Einstellung sind, kann eine Besorgnis der Befangenheit angenommen werden 5 2 . Z u beachten ist in diesem Zusammenhang aber, daß die Beteiligten in aller Regel übermäßig belastet würden, forderte man von ihnen neben dem Nachweis einer Rechtsverletzung auch noch die Glaubhaftmachung 5 3 , daß diese auf eine unsachliche Motivation zurückgeht. In Übereinstimmung mit einem T e i l der Rechtsprechung und Literatur w i r d man daher bestimmte
schwerwiegende
Rechtsverletzungen bereits als ausreichende Indizien für eine unsachliche innere Einstellung des Amtsträgers anerkennen müssen 5 4 . Dies rechtfertigt sich aus dem Gedanken, daß die unsachliche Einstellung eines Amtsträgers als solche j a kein tauglicher Anknüpfungspunkt für ein Mitwirkungsverbot ist, sich diese vielmehr in einem bestimmten Handeln ausdrücken muß. Wenn dem aber so ist, dann erlaubt die Handlung selbst durchaus Rückschlüsse auf eine mögliche Befangenheit des Amtsträgers. aaa. Schwerwiegende
Rechtsverletzungen
Einzugehen ist hier zunächst auf die in der Literatur und Rechtsprechung behandelte Problematik grober oder besonders schwerwiegender Rechtsverletzungen. So hat etwa der Angeklagte der Rechtsprechung zu § 24 StPO folgend Anlaß zu der Befürchtung, er könne kein gerechtes Urteil mehr erwarten, wenn der Richter den grundsätzlich aussageverweigerungsberechtigten Angeklagten mit ungewöhnlich scharfen Worten zu einer Aussage zu drängen versucht 5 5 , oder wenn der Richter auf einen zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen dahingehend einwirkt, er solle eine Aussage machen 5 6 . Hervorzuheben ist insoweit, daß nur in dem Fall, in welchem der Richter auf nicht aussagepflichtige Personen in einer Weise einwirkt, die den Eindruck erweckt, er wolle den Sachverhalt nicht gleichmäßig, sondern in der einen oder anderen Richtung einseitig erforschen, eine Besorgnis der Befangenheit angenommen wird. Damit fragt es sich, ob diese Rechtsprechung auch auf das Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts übertragen werden kann. Zweifel ergeben sich 52 Riedel, Das Postulat der Unparteilichkeit des Richters, S. 58 ff.; Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 201; Krekeler, NJW 1981, 1635 ff., 1637. 53 Zur Glaubhaftmachung auch im Verwaltungsverfahrensrecht siehe Kapitel F. 54 Knemeyer, NJW 1984, 2241 ff., 2247; Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 202. 55 BGH NJW 1959, 55 f. mit zustimmender Anmerkung von Eberhard Schmidt. 56 BGHSt 1, 34 ff., 37.
III. Einzelne Erscheinungsformen der Befangenheit
263
daraus, daß den Verfahrensbeteiligten i m Gegensatz zum Angeklagten weitgehende Auskunftspflichten treffen 5 7 . Bei näherer Betrachtung der insoweit bestehenden Regelungen werden zwei Grundgedanken sichtbar. I m Hinblick auf die leistende Verwaltung geht der Gesetzgeber von der Vorstellung aus, der Antragsteller habe die erforderlichen Angaben zu machen und diese in der Folge zu belegen. Aber auch i m Rahmen der Eingriffsverwaltung ermöglicht es insbesondere die Konstruktion des Verbots mit Erlaubnis vorbehält, die erforderlichen Auskünfte von dem betroffenen Bürger zu erzwingen 5 8 . Der Grundsatz, daß sich der Angeklagte nicht selbst zu belasten braucht, findet also i m Verwaltungsrecht keine Entsprechung. Soweit ein Verfahrensbeteiligter auskunftspflichtig ist, kann daher auch das scharfe Drängen eines Amtsträgers auf eine Auskunft oder auch eine Richtigstellung einer fragwürdigen Darlegung keine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Eine andere Beurteilung ist jedoch angebracht, wenn keine Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des betroffenen Bürgers gegeben sind, sich also das Verhalten des Amtsträgers nur in der Weise erklären läßt, er halte den Bürger a priori für unglaubwürdig. Eine Parallele ist jedoch i m Hinblick auf ein ungewöhnlich scharfes Drängen des Amtsträgers auf Auskunftserteilung durch einen nichtbeteiligten Dritten oder auf die Aussage eines nicht zur Aussage verpflichteten Zeugen festzustellen. So besteht für nichtbeteiligte Bürger, sofern keine gesetzliche Verpflichtung zur Aussage, zur Vornahme oder Duldung bestimmter Handlungen existiert, keine Pflicht zur Mithilfe bei der Sachaufklärung in einem für sie fremden Verwaltungsverfahren. Weiter besteht nach § 26 I I I 1 V w V f G für den Zeugen eine Pflicht zur Aussage nur, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. § 21 I I I 2 S G B - X enthält dabei einen besonderen Verpflichtungstatbestand für den Fall, daß die Aussage zur Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Eine allgemeine Auskunftspflicht statuiert hingegen die A O '77. Nach § 93 I 3 A O '77 haben neben den Beteiligten andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Während die A O '77 in §§ 101-103 eine eigene Regelung der Auskunftsverweigerungsrechte enthält, verweisen § 21 I I I 3 S G B - X und § 65 I 2 V w V f G insoweit auf die Vorschriften der ZPO. V o r diesem Hintergrund ist daher eine Parallele zu der von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppe möglich. Eine Besorgnis der Befangenheit ist daher dann gegeben, wenn der Amtsträger auf eine nicht aussagepflichtige Person in ungewöhnlich deutlicher Weise einwirkt, sie solle entgegen ihrer geäußerten Absicht eine Aussage machen. 57 So etwa §§ 221 GaststG; 35 Illa GewO; 17 I HandwO; 32 EichG; 201 UnterhaltssicherungsG; 21 I I 2 AuslG; 116 I BSHG; ferner setzen etwa §§ 10 I BImschG; 150 I I Nr. 2 BBauG; 93 I II. WoBauG; 25 Ia WohngeldG, 12 I I ZivildienstG wie sich aus der Beibringung von Unterlagen ergibt eine Auskunftspflicht voraus; vgl. Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 134. 58 Martens, Die Praxis des Verwaltungs Verfahrens, Rn. 134.
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. Die
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der Befangenheit
bbb. Evidente Verstöße gegen Vorschriften, die dem Schutz der Beteiligten dienen Über den soeben behandelten Falltyp „schwerwiegende Rechtsverletzungen" hinaus, können jedoch noch weitere fehlerhafte Vorgehensweisen ein ausreichendes Indiz dafür abgeben, daß hinter den Pflichtverletzungen des Amtsträgers ein unsachliches M o t i v steht. Dies ist grundsätzlich auch bei einem evidenten Verstoß gegen Verfahrenspflichten, die gerade den Verfahrensbeteiligten schützen sollen, anzunehmen. Verdeutlicht werden soll dies einmal an der Verletzung von Erörterungspflichten. Die in §§ 25 V w V f G , 89 A O '77 und 14-16 S G B - A T beschriebenen Aufgaben der Behörden sind von dem Gedanken getragen, den Bürger in seinen Beziehungen zur Verwaltung so weitgehend zu informieren, daß er die ihm zustehenden Rechte nicht aus Unkenntnis verliert 5 9 . V o n diesen Vorschriften w i r d eine gezielte Information über die für die Rechtsposition der Beteiligten relevanten Rechtssätze in der Gestalt gefordert, die sie durch Rechtsprechung und Verwaltungsübung gewonnen haben. Der Umfang der Erörterungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, i m besonderem dem erkennbaren Wissensstand des Bürgers oder seines Bevollmächtigen und den Besonderheiten des Sachgebiets. In diesem Rahmen kann den Bürger durchaus die Pflicht treffen, sich in gewissen Umfang selbst zu unterrichten und sachkundigen Rat einzuholen 6 0 . Verletzt der Amtsträger die ihm insoweit obliegende Erörterungspflicht derart, daß er sie außer acht läßt, unzureichend aufklärt oder falsche Informationen gibt und sich dies nachteilig auf die Stellung des Beteiligten auswirken kann, so liegt hier die Annahme nahe, daß mit dieser Verhaltenweise gezielte Verkürzung der Rechtsposition des Beteiligten beabsichtigt ist. Dabei dürfte der richtige Lösungsansatz bei der Evidenz der Pflichtverletzung liegen. Eine Besorgnis der Befangenheit kann danach stets dann angenommen werden, wenn einen vernünftig denkenden Amtsträger in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der Funktion, die der pflichtwidrig handelnde Amtsträger in dem Verfahren eingenommen hat, ein derartiger Fehler nicht unterlaufen wäre. Eine derartige Abgrenzung erlaubt es in sachgerechter Weise, Verletzungen der Erörterungspflicht, die jedem Amtsträger unterlaufen können, von gravierenden zu unterscheiden, die den Rückschluß auf eine unzulässige Motivation zulassen. Ein weiterer Bereich, in dem sich diese Fallgruppe aktualisiert, ist der Verstoß gegen die Geheimhaltungspflichten der § § 3 0 V w V f G e , 30 A O '77 und 67ff. S G B - X 6 1 . Bereits eingangs dieses Kapitels wurde gezeigt, daß insoweit die Ergänzungsfunktion in bezug auf das Vertretungsverbot das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit fordert.
59 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 191. 60 Martens, Die Praxis des Verwaltungs Verfahrens, Rn. 197. 61 Knemeyer, NJW 1984, 2241 ff., 2247.
III. Einzelne Erscheinungsformen der Befangenheit ccc. Verletzung des
265
Gleichbehandlungsgrundsatzes
E i n spezifischer Ablehnungsgrund i m Parteiprozeß ist der Verstoß gegen das prozessuale Gleichbehandlungsgebot. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I G G fordert die „Gleichheit der Parteien vor dem Richter" und verbietet jede richterliche Willkür. Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sind daher geeignet eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen 6 2 . Zwar ist das Verwaltungsverfahren, da die Verwaltung stets selbst beteiligt ist, nicht mit dem Parteiprozeß der ZPO vergleichbar. Gleichwohl sind auch i m Verwaltungsverfahren Konstellationen denkbar, bei denen eine Verletzung des hier ebenso geltenden Gleichbehandlungsgrundsatzes zu einem Mitwirkungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit führt. Derartige Konstellationen werden dadurch gekennzeichnet sein, daß an dem Verwaltungsverfahren außer der Behörde noch mindestens zwei Personen m i t i m Hinblick auf die zu erwartende Entscheidung zumindest partiell gegenläufigen Interessen beteiligt sind. Denn nur in diesem Fall kommt die Struktur des Verwaltungsverfahrens der des Parteiprozesses nahe. Regelmäßig w i r d dies bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung der Fall sein. Hier stehen die Interessen desjenigen, welcher eine Genehmigung erhalten hat, denjenigen gegenüber, der sich durch die Erteilung der Genehmigung in seinen Rechten verletzt glaubt. I n diesen Fällen führen — ebenso wie i m Zivilprozeß — einseitige Bevorzugungen oder Benachteiligungen eines Beteiligten, ζ. B. die Durchführung einer Ortsbesichtigung in Anwesenheit nur eines Beteiligten oder der Zeugen eines Beteiligten, übertriebene einseitige Rücksichtnahme, etwa auf Anwaltsinteressen in einem Verfahren, in dem nur ein Beteiligter anwaltlich vertreten ist, zu einer Besorgnis der Befangenheit. Ebenso, wenn der Amtsträger in einem Verfahren unvermutet und einmalig seine sonstige Großzügigkeit bei Fristverlängerungen oder ähnlichen Handlungen ohne triftigen Grund aufgibt 6 3 .
ddd. Verfahrensverzögerung
und evident mangelnde Sorgfalt
Verschiedentlich w i r d auch eine ungebührliche Verfahrensverzögerung und eine evident mangelnde Sorgfalt als Grundlage einer Besorgnis der Befangenheit angesehen. Verwiesen w i r d insofern einmal auf verfahrensrechtliche Vorschriften, die eine Prozeßverschleppung verhindern wollen. Z u m anderen auf den Gedanken des Art. 5 I I I e M R K , wo von einem Anspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist die Rede ist, und auf § 1032 I I ZPO, wonach ein Schiedsrichter, der die Erfüllung seiner Pflichten ungebührlich verzögert, abgelehnt werden k a n n 6 4 . Indessen überzeugt insbesondere der Verweis auf 62 Zöller-Vollkommer, ZPO, § 42 Rn. 42; Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 204 f. 63 Teplitzky, JuS 1969, 318 ff., 322 f.; Wassermann, JR 1961, 401 ff., 402 f.
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§ 1032 I I ZPO nicht. Bereits aus dem Wortlaut („außerdem") folgt, daß die ungebührliche Verfahrensverzögerung gerade nicht nach den allgemeinen Regelungen, auf die § 1032 I ZPO verweist, ein Handlungsverbot nach sich zieht. Die Regelung w i l l vielmehr den Besonderheiten des schiedsrichterlichen Verfahrens und hier insbesondere der Beschleunigung des Rechtsfindungsprozesses 65 Rechnung tragen. Deutlich w i r d dies dadurch, daß unter den Absatz 2 auch eine Krankheit oder ein langer Aufenthalt des Schiedsrichters i m Ausland, also gerade keine mit dem Unbefangenheitsgebot faßbare Tatbestände, fallen 6 6 . A l l e i n eine ungebührliche Verfahrensverzögerung und eine evident mangelnde Sorgfalt erlauben mithin keinen Rückschluß auf eine unsachliche Einstellung des Amtsträgers. Deren Grundlage können auch eine Arbeitsüberlastung oder mangelnde Fähigkeiten des Amtsträgers bilden 6 7 .
bb. Allgemeine Verfahrensführung V o n allgemeiner Bedeutung ist hier zunächst die Ausdrucksweise des Amtsträgers. Eine Besorgnis der Befangenheit ist hier solange zu verneinen, wie sich dessen Ausdrucksweise innerhalb eines ihm zukommenden Verhaltensspielraums bewegt. Nur sofern das Verhalten des Amtsträgers unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr als sachbezogen bewertet werden kann oder soweit sein sachlich vielleicht vertretbares Verhalten eine Form annimmt, die unzumutbar ist, ist eine Besorgnis der Befangenheit gegeben 6 8 . Eine solche ist etwa dann anzunehmen, wenn sich der Amtsträger gegenüber einen Beteiligten oder dessen Bevollmächtigten unsachlich verhält, er jenem beispielsweise schon deshalb das Wort entzieht, w e i l der Beteiligte oder sein Bevollmächtigter Bedenken gegen eine Formulierung geäußert hat, die der Amtsträger beim Diktat einer vorher angehörten Zeugenaussage in die vorläufige Niederschrift gewählt hat. Ebenso überschritten ist der Verhaltensspielraum bei unangemessener, über typbezogene Persönlichkeitsmerkmale hinausgehender Gestik und M i m i k , etwa bei heftigen Unmutsäußerungen, unsachlichen Randbemerkungen zu Schriftsätzen oder A n trägen eines Beteiligten. I m übrigen bleibt bei dieser Fallgruppe stets zu prüfen, ob und in welchem Grad der Amtsträger zu seiner Ausdrucksweise von den Beteiligten veranlaßt, provoziert wurde. Wenngleich der Amtsträger zu Besonnenheit und Unparteilichkeit verpflichtet ist, so muß doch gleichwohl gesehen werden, daß er auch 64 Zöller-Vollkommer, ZPO, § 42 Rn. 24 m. w. Nw.; Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 97 f. 65 Zeiss, Zivilprozeßrecht, § 94 I; Jauernig, Zivilprozeßrecht, § 94 I. 66 Albers, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 1032 Anm. 2 C. 67 Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 203. 68 Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, §42 Anm. 2 B; vgl. dort auch die Nachweise zu den folgenden Beispielen.
III. Einzelne Erscheinungsformen der Befangenheit
267
menschlich reagiert. Daher ist der in § 193 StGB zum Ausdruck gekommene Grundgedanke der Berechtigung tadelnder Äußerungen auch i m Bereich des Verwaltungsverfahrens zu Gunsten des Amtsträgers zu berücksichtigen 6 9 .
cc. Festlegungen i m tatsächlichen Bereich Problematisch sind unter der Geltung der Maximen der Mündlichkeit und der Unmittelbarkeit auf dem Gebiet des Prozeßrechts Äußerungen eines Richters zu Tatfragen. Da sich danach der Richter sein Urteil erst aufgrund der Hauptverhandlung bilden soll, geraten derartige Äußerungen leicht in die Nähe einer die Besorgnis der Befangenheit begründenden Festlegung in der tatsächlichen Würdigung. I m Rahmen dieser Fallgruppe soll zwischen Äußerungen des Amtsträgers innerhalb und außerhalb des Verfahrens differenziert werden.
aaa. Äußerungen
innerhalb
des Verfahrens
gegenüber
Beteiligten
Äußerungen eines Richters hinsichtlich einer Tatfrage innerhalb des Verfahrens gegenüber Beteiligten sind insbesondere deshalb problematisch, weil sie zugleich in einem Spannungsverhältnis zu bestimmten richterlichen Aufklärungspflichten stehen. So zu der Aufklärungspflicht des Zivilrichters nach §§ 139, 278 I I I ZPO oder der des Strafrichters nach § 136 I I StPO. Eine diesen Vorschriften vergleichbare Erörterungspflicht findet sich für Verwaltungsverfahren in §§ 25 V w V f G , 14-16 S G B - A T und 89 A O '77. E i n i m Rahmen dieser Erörterungspflicht gebotenes Verhalten begründet niemals eine Besorgnis der Befangenheit, selbst wenn sich dadurch die Aussichten des Beteiligten auf einen für ihn positiven Ausgang verschlechtern 70 . Bei der damit erforderlich werdenden Abgrenzung der gebotenen Erörterungspflicht und des Unbefangenheitsgebotes muß berücksichtigt werden, daß die verwaltungsrechtlichen Verfahrensgesetze den handelnden Amtsträger zu einer zwar durch den Einzelfall abgesteckten, aber doch umfassenden Erörterung der für die Rechtsposition des Bürgers relevanten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse verpflichten 7 1 . Dies und der Umstand, daß das Verwaltungsverfahren — von dem förmlichen Verfahren einmal abgesehen — keine dem Gerichtsverfahren vergleichbare förmliche Konzentration des Rechtsfindungsprozesses kennt, könnte nun zu der Ansicht verleiten, daß Meinungsäußerungen zur Sachverhaltsermittlung dem Amtsträger in einem weiteren Umfang als dem Richter gestattet seien. Indessen würde dabei der Aspekt des Verfahrens als Willensbildungs- und Rechtsfindungsprozeß zu
69 Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 42 Anm. 2 Β unter „Ausdrucksweise". 70 Zöller-Vollkommer, ZPO, § 42 Rn. 26. 71 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 200 ff.
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der Befangenheit
kurz kommen. Denn unabhängig von den Prinzipien der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit kann ein Verfahren nur dann seinen Abschluß finden, wenn dessen Gegenstand entscheidungsreif ist. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn der erhebliche Sachverhalt ermittelt worden ist und unter die einschlägigen Rechtsnormen subsumiert werden kann. Ein Sachverhalt ist in diesem Sinne — ebenso wie i m gerichtlichen Verfahren — aber nur dann ermittelt, wenn alle zur Verfügung stehenden M i t t e l ausgeschöpft wurden. Folglich begründen daher alle endgültigen, noch während des laufenden Verfahrens gemachten Stellungnahmen zum zugrundeliegenden Sachverhalt eine Besorgnis der Befangenheit. Sie erwekken den Eindruck einer vorzeitigen Festlegung mit der Konsequenz einer unzureichenden Würdigung noch einzuholender oder noch ausstehender Auskünfte von Beteiligten, Dritten oder Behörden. Keinen Befangenheitsgrund bildet dagegen die Mitteilung der vorläufigen Überzeugung, die sich der Amtsträger aufgrund der derzeitigen Sachlage gebildet hat, da er sich hier noch nicht abschließend festgelegt h a t 7 2 . Damit w i r d aber zugleich auch die Unzulänglichkeit dieses Befangenheitsgrundes deutlich. Der Amtsträger w i r d sich nur selten in einer derart eindeutigen Weise erklären. Häufig w i r d eine nur vorläufige Beurteilung des Sachstandes mit der Erwartung verbunden sein, daß sich dieses Vorurteil in der Zukunft bestätigen werde 7 3 . Daher ist in solchen Fällen stets auch zu prüfen, ob nicht ein Anlaß für die Annahme der Gefahr eines Vorurteils besteht.
bbb. Außerdienstliche
Äußerungen
Noch größeren Bedenken begegnen grundsätzlich außerdienstlich gemachte Äußerungen zu entscheidungserheblichen Fragen, da diese keine Grundlage in Aufklärungs- oder Erörterungspflichten finden. Während bei richterlichen Äußerungen zur tatsächlichen Würdigung außerhalb des Verfahrens grundsätzlich eine restriktive Tendenz festzustellen i s t 7 4 , stellt sich die Literatur zur verwaltungsrechtlichen Spielart der Besorgnis der Befangenheit überwiegend auf den Standpunkt, derartige Äußerungen könnten i m allgemeinen nicht als Befangenheit gewertet werden. Zur Begründung stützt man sich auf die förmliche Konzentration des Gerichtsverfahrens i m Gegensatz zur Formfreiheit des Verwaltungsverfahrens. Der Richter dürfe sich sein Urteil erst aufgrund der Hauptverhandlung bilden. Eine ähnliche Konzentration des Rechtsfindungsprozesses gebe es i m Verwaltungsverfahren aber nur beim förmlichen Verfahren, so daß nur dort eine ähnlich strenge Befangenheitsregelung zu gelten habe 7 5 .
72 Vgl. RGSt, JW 1926, 1209 ff., 1210 f. 73 Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 94. 74 Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 228 ff. 75 Kirchhof, VerwArch 66 (1975), 370 ff., 380 f.; Knack-Clausen, VwVfG, § 21 Rn. 3.2; Meyer /Borgs, VwVfG, § 21 Rn. 2.
III. Einzelne Erscheinungsformen der Befangenheit
269
Bereits zuvor wurde jedoch dargelegt, daß der Grund für die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit bei außerdienstlichen Äußerungen nicht in dem Verstoß gegen bestimmte Verfahrensmaximen — mögen diese auch als Anknüpfungspunkt dienen — begründet liegt, sondern die Funktion des Verfahrens als Entscheidungsfindungsprozeß als wesentlicher Aspekt hervortritt. Die Regelung eines Verfahrensablaufs wäre letztlich sinnentleert, würde man eine vorzeitige Festlegung des mitwirkenden Amtsträgers tolerieren. Neben diesen Gesichtspunkt kommt gerade bei außerdienstlichen Äußerungen noch ein anderer Gedanke zum Tragen. M i t seiner Stellungnahme tritt der Amtsträger aus der vertraulichen Beziehung des Verfahrens heraus und wendet sich an eine i. d. R. breite Öffentlichkeit. Damit intensiviert sich aber zugleich die Gefahr einer vorzeitigen Festlegung. Denn die Erwartungshaltung der informierten Öffentlichkeit und das damit verbundene Zurückschrecken vor einem „Gesichtsverlust" lassen eine wegen nachträglich eintretender Fakten notwendig werdende Korrektur der Aussage, die eine weitgehende Festlegung bei der tatsächlichen Würdigung beinhaltete, i m Rahmen der das Verfahren abschließenden Entscheidung wenig wahrscheinlich werden. Aufgrund dieser Auswirkungen wird man eine außerdienstliche Äußerung nur dann als unbedenklich ansehen können, wenn der Amtsträger deutlich und nicht nur beiläufig auf den vorläufigen Charakter seiner Aussage hinweist. Außerdienstlich abgegebene Äußerungen eines Amtsträgers zur Sachlage in einem anhängigen Verwaltungsverfahren sind unter den zuvor genannten Umständen ohne Rücksicht darauf, ob es sich bei diesem um ein förmliches oder um ein nichtförmliches Verfahren handelt, Gründe, die ein Mißtrauen gegen die unparteiische Amtsausübung des betreffenden Amtsträgers rechtfertigen 7 6 . dd. Äußern einer Rechtsansicht Neben den Festlegungen bei der Sachverhaltsermittlung erwecken auch Stellungnahmen zu Rechtsfragen, die in einem anhängigen Verwaltungsverfahren eine Rolle spielen, Bedenken. Dabei unterscheidet sich die Situation bei der hier zu behandelnden Frage grundlegend von der des Gerichtsverfahrens. Während der Richter bei der rechtlichen Beurteilung eines Lebenssachverhalts nur an das Gesetz gebunden ist, ist der i m Einzelfall zuständige Amtsträger hier durch norminterpretierende oder gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften innerbehördlich gebunden. Die angesprochenen Organwalter haben kraft ihrer dienstrechtlichen Gehorsamspflicht die Verwaltungsvorschriften
zu beachten und
anzuwenden 7 7 . Die solchermaßen bewirkte Festlegung auf eine Rechtsansicht kann daher keinesfalls eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Die i m folgenden zu erörternden, i m Zusammenhang mit der Rechtsprechungstätigkeit 76 Obermayer, VwVfG, § 21 Rn. 12. 77 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, §24 Rn. 16; Ossenbühl, in: Erichsen/ Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 IV 4.
270
. Die
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der Befangenheit
entwickelten Leitlinien sind daher nur in Fällen des Fehlens entsprechender Verwaltungsvorschriften heranzuziehen.
aaa. Mitteilungen
zu Rechtsfragen
innerhalb
des Verfahrens
Auch die frühzeitige endgültige Festlegung auf eine Rechtsansicht würde der Funktion des Verwaltungsverfahrens widersprechen. Insbesondere die auch hier aufgrund der schon angeführten Erörterungspflicht bestehende Pflicht zu einem umfassenden Rechtsgespräch würde zu einem blossen Formalakt, stünde der Amtsträger in seiner rechtlichen Beurteilung neuen Argumenten nicht offen gegenüber 78 . Gibt der Amtsträger i m Rahmen der ihm obliegenden rechtlichen Erörterung des Streitstandes eine vorläufige Äußerung zu den Erfolgsaussichten von sich, so kann eine Besorgnis der Befangenheit nicht angenommen werden. Sinngemäß gilt dies auch bei rechtlichen Erörterungen aus Anlaß des Versuchs einer gütlichen Beilegung. Nach dem Sinn und Zweck des Unbefangenheitsgebots ist ein Befangenheitsgrund auch zu verneinen, sofern der Amtsträger dabei eine zwar eigenwillige, aber immerhin objektiv noch vertretbare Ansicht äußert. U n d dies selbst dann, wenn er objektiv eine verfahrensrechtliche Norm verletzt, solange er nicht in dem schon dargelegten Sinne unsachlich vorgeht 7 9 . Demgegenüber ist das Festhalten an einer Ansicht dann als Befangenheitsgrund anzusehen, wenn sich der Amtsträger stur zeigt 8 0 . So etwa, wenn er sich in einer Kette von Ungeschicklichkeiten verrannt hat 8 1 oder an einer Rechtsansicht festhält, die i m Gegensatz zu ihn bindenden Verwaltungsvorschriften steht oder die von einem Gericht etwa i m Fall eines Bescheidungsurteils oder von der Widerspruchsbehörde in einer zurückverweisenden Entscheidung verworfen wurde. Stets ist aber dann noch die Prüfung erforderlich, ob sich dieses Festhalten auf die Art und Weise der neuen Verfahrensführung auswirkt. Aber selbst in diesem Fall ist eine Befangenheit nur dann anzunehmen, wenn der Amtsträger w i r k l i c h keinen sachlichen Grund mehr für das Festhalten an seiner Rechtsansicht hat. Ein sachlicher Grund kann etwa darin erblickt werden, daß dem Gericht oder der Widerspruchsbehörde ein weiterer Fehler unterlaufen ist und sich das Verhalten des Amtsträgers auf diesen offensichtlichen Fehler gründet. Er mag eine Rechtsansicht des Gerichts oder der Widerspruchsbehörde aus sachlich diskutablen Gründen für nicht bindend halten, w e i l z. B. eine höchstrichterliche Rechtsprechung übersehen w u r d e 8 2 . W i e bei der zuvor behandelten Fallgruppe ist i m
78
Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 233. 9 Vgl. Waldner, NJW 1980, 217 f., 218. 80 Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, §42 Anm. 2 Β unter „Sturheit". ei OLG Köln, NJW 1972, 953. 7
III. Einzelne Erscheinungsformen der Befangenheit
271
übrigen stets entscheidend, ob der Amtsträger seine Bereitschaft zu erkennen gibt, seine bisherige Meinung selbstkritisch zu überprüfen.
bbb. Wissenschaftliche
Äußerungen
Wissenschaftliche Äußerungen stellen grundsätzlich keinen Befangenheitsgrund dar. Dies folgt bei abstraktefi, von den Personen und dem Sachverhalt losgelösten Veröffentlichungen daraus, daß der Amtsträger damit primär seine Ansichten zur Diskussion stellen w i l l 8 3 . Wollte man derartige, von dem konkreten Verfahren losgelösten Stellungnahmen mit dem Unbefangenheitsprinzip als unvereinbar ansehen, so hätte die damit verbundene Beschneidung der publizistischen Tätigkeit von Praktikern zudem eine äußerst unerfreuliche Konsequenz auf den für die Rechtsentwicklung notwendigen Diskussionsprozeß 84 . Problematisch werden solche abstrakte Meinungsäußerungen dann, wenn sich der Amtsträger bei politisch brisanten Rechtsfragen zum Verfechter einer bestimmten politischen Richtung macht oder derartige Äußerungen während eines anhängigen Verfahrens durch einen mitwirkenden Amtsträger erfolgen. Vereinzelt w i r d hier die Ansicht vertreten, daß in solchen Fällen eine Besorgnis der Befangenheit anzunehmen sei 8 5 Hier ist jedoch einmal zu berücksichtigen, daß der in eine Verwaltungshierarchie eingebundene Amtsträger i m Gegensatz zu dem unabhängigen Richter weitaus stärker in das politische Geschehen involviert ist. Damit ist aber auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts ebenso wie im Rahmen des gerichtlichen Verfahrensrechts bei einem inneren Zusammenhang zwischen politischer Überzeugung und rechtlicher Auffassung grundsätzlich keine Besorgnis der Befangenheit anzunehmen. Allerdings w i r d hier auch die A r t und Weise der Äußerung eine Rolle spielen. Insbesondere literarisch-polemische Äußerungen mit einseitig überzogenen Stellungnahmen oder gar Ausfällen werden eine gegenteilige Ansicht rechtfertigen. Fragwürdig ist auch die Annahme eines Befangenheitsgrundes bei abstrakten wissenschaftlichen Meinungskundgaben, die in einem engen inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem anhängigen Verwaltungsverfahren stehen. Grundsätzlich muß auch hier der oben aufgezeigte Grundsatz der Vereinbarkeit mit dem Unbefangenheitsprinzip gelten. Denn die bloße Äußerung einer Rechtsansicht läßt für sich allein nicht, nur weil sie in zeitlicher Nähe zu einem anhängigen Verfahren erfolgte, den Schluß auf personen- oder sachverhaltsbezo82
Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, §42 Anm. 2 Β unter „Festhalten an einer Ansicht". 83 Sarstedt, JZ 1966, 314 f., 315; a. A. Schuler, NJW 1956, 857 f. 84 Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 233. S5 Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 95; Schorn, GA 63, 162 ff., 162.
272
. Die
esogn
der Befangenheit
gene unsachliche Überlegungen zu. Nur in Fällen, in denen durch andere Faktoren ersichtlich ist, daß die geäußerte Rechtsansicht auf unsachlichen Motiven, insbesondere mit Bezug auf Personen und den Sachverhalt des Verfahrens gebildet und geäußert wurde, läßt sich ein Befangenheitsgrund allein auf den inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem anhängigen Verfahren stützen 8 6 . Neben diesen abstrakten Äußerungen sind i m Zusammenhang gerade mit dem konkreten Verfahren geäußerte Rechtsansichten ein weiterer Problemkomplex. Grundsätzlich stellt ein wissenschaftlicher Aufsatz eines Amtsträgers, der sich mit dem anhängigen Verfahren ablehnend auseinandersetzt, keinen Befangenheitsgrund dar. Allerdings sind auch in solchen Fällen Grenzen gezogen, jenseits derer eine Befangenheit gegeben sein kann.
ee. Erteilen von Ratschlägen Hinsichtlich der Erteilung von Ratschlägen wird i m Zusammenhang mit dem gerichtlichen Verfahrensrecht eine Besorgnis der Befangenheit dann bejaht, wenn der Richter damit seine Unparteilichkeit aufgibt 8 7 . Dies muß jedoch vor dem Hintergrund der Struktur des Parteiprozesses gesehen werden. I m Gegensatz dazu stehen sich i m Verwaltungsverfahren der beteiligte Bürger und die Behörde gegenüber. Die Erteilung von Ratschlägen kann, soweit sie ihre Grundlage in den schon mehrfach erwähnten Vorschriften der § § 2 5 V w V f G , 89 A O '77 oder 14-16 S G B - A T finden, keine Besorgnis der Befangenheit auslösen. Problematisch sind aber solche Ratschläge, die außerhalb des Verfahrens von einem Amtsträger den Beteiligten erteilt werden. Hier ist besonders zu prüfen, ob nicht eine Wahrnehmung der Interessen des Beteiligten durch den Amtsträger vorliegt. Zwar werden allgemeine Hinweise und Werteinschätzungen noch nicht die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Sobald sich jedoch der Amtsträger darüberhinausgehend mit dem Einzelfall auseinandersetzt und den Beteiligten genaue Ratschläge erteilt oder gar noch Anträge oder Schriftsätze ausarbeitet, ist ein Befangenheitsgrund gegeben. Denn bei Ratschlägen von einer derartigen Tragweite ist eine objektive Entscheidung nicht mehr zu erwarten. Einen Anhaltspunkt in dieser Richtung gibt schließlich auch das Gesetz selbst, indem es den Vertreter eines Beteiligten sogar einem abstrakten Ausschlußgrund unterwirft. Die hier angesprochene Interessenwahrnehmung ist der eines Vertreters aber durchaus vergleichbar.
86
Stemmler, Befangenheit im Richteramt, S. 235 f. Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, §42 Anm. 2 Β unter „Ratschläge". 87
III. Einzelne Erscheinungsformen der Befangenheit b. Einzelne außerhalb
des Verfahrens
liegende
273
Befangenheitsgründe
aa. Freundschaft — Feindschaft I n der Literatur, insbesondere zum kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbot, ist die Frage umstritten, ob bzw. inwieweit eine Freundschaft oder Feindschaft einen Befangenheitsgrund darstellt 8 8 . Während der Einwand, das Kommunalrecht enthalte insoweit eine abschließende Regelung, bereits i m Zusammenhang m i t der Möglichkeit der Anwendung des § 21 V w V f G widerlegt w u r d e 8 9 , ist auch der denkbare Einwand, die §§ 20 V w V f G e , 16 S G B - X , 82 A O '77 und 25 H G O enthielten i m Hinblick auf die einzelnen Ausschlußtatbestände eine abschließende Regelung, nicht durchschlagend. Denn in diesen Vorschriften sind lediglich verwandt- bzw. schwägerschaftliche Verhältnisse angesprochen, keineswegs wollen aber diese Regelungen Aussagen über sonstige persönliche Beziehungen treffen. Dies belegt auch die amtliche Begründung zu § 21 V w V f G . Dort werden ausdrücklich als Beispiele für Gründe, die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, eine bestehende Freundschaft oder Feindschaft zwischen dem Amtsträger und einem der Beteiligten, die Berührung wirtschaftlicher oder sonstiger persönlicher Belange des Amtsträgers genannt 9 0 . Dies findet seine Berechtigung in der Erwägung, daß eine Freundschaft wie eine Feindschaft das menschliche Zusammenleben u. U. stärker prägen kann als jede Angehörigeneigenschaft. Beide emotionalen Triebkräfte können den Amts- und Mandatsträger leicht in seiner Entscheidung beeinflussen und die Sachgemäßheit seines Handelns gefährden. Fraglich kann daher nur sein, welche Anforderungen insoweit gestellt werden müssen. Während überwiegend lediglich von einer Freundschaft bzw. Feindschaft die Rede i s t 9 1 , ist eine weitere Konkretisierung erforderlich. Nur die Freundschaft bzw. Feindschaft, die sich verfestigt hat und m i t einer gewissen Intensität auf die zwischenmenschlichen Beziehungen einwirkt, kann einen Rückschluß auf die potentielle unsachliche Motivation des betreffenden Amts- und Mandatsträgers rechtfertigen. Berücksichtigt werden müssen zudem Gründe der Praktikabilität, insbesondere auch aus dem Gesichtspunkt der Nachprüfbarkeit durch die zuständige Stelle und das insoweit bestehende Spannungsverhältnis zu dem Intimbereich des betroffenen Amtsträgers. Schon deshalb muß bei der Annahme eines Befangenheitsgrundes i m Zusammenhang mit einer Freundschaft s» Vgl. Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 156 ff. einerseits; Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 79 andererseits. 89 Siehe dazu Kapitel Β II. 2. c. 90 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/910, S. 47. 9 1 Meyer/Borgs, VwVfG, §21 Rn. 2; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, §21 Rn. 5; Kopp, VwVfG, § 21 Rn. 4; Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 83 Rn. 5; Schwarz-Dumke, AO, § 83 Rn. 3. 18 Kazele
274
. Die
esogn
der Befangenheit
bzw. Feindschaft Zurückhaltung geübt werden. Bei der Bestimmung der erforderlichen Intensität der persönlichen Beziehungen sind der Anlaß, die Dauer sowie die Art und Weise der gegenseitigen Auseinandersetzungen bzw. der gegenseitigen Unterstützung zu berücksichtigen. A u c h soweit danach nur eine schwächere Intensität festzustellen ist, kann doch, wenn das konkrete Streitverhältnis Gegenstand des Verfahrens, der Beratung und Entscheidung ist, ein Befangenheitsgrund gegeben sein 9 2 . Grundsätzlich w i r d zudem nur eine noch zum Zeitpunkt des zur Diskussion stehenden Mitwirkungsverbots bestehende Feindschaft oder Freundschaft beachtlich sein, da nur dann diese emotionale Triebfeder als geeigneter Auslöser für die Gefahr unsachgemäßen Handelns angesehen werden k a n n 9 3 .
bb. Wirtschaftliche Interessen Wirtschaftliche Interessen sind nur dann als Grundlage für eine Besorgnis der Befangenheit geeignet, wenn konkrete wirtschaftliche Belange des Amtsträgers auf dem Spiel stehen. Allgemeine geschäftliche Beziehungen sind daher nicht ausreichend, vielmehr muß eine ständige Geschäftsbeziehung bestehen 94 . Bei der erforderlichen Einzelfallentscheidung sind der Umfang dieser Geschäftsbeziehung, die wirtschaftliche Abhängigkeit, mögliche Sonderkonditionen und ähnliche Umstände zu berücksichtigen. Nur aus der Gesamtschau dieser Umstände kann entschieden werden, ob ein Befangenheitsgrund vorliegt, wobei auch hier aus den schon erwähnten Gründen eine restriktive Handhabung Platz zu greifen hat. Wirtschaftliche Konkurrenzverhältnisse werden danach allein für sich nicht für ein Mitwirkungsverbot genügend aber in der Regel dann zu bejahen sein, wenn das Konkurrenzverhältnis den Gegenstand des Verfahrens bildet oder es zumindest berührt 9 5 . I m übrigen werden stets die Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend sein, insbesondere die Intensität des Konkurrenzverhältnisses, etwa das Vorliegen eines VerdrängungsWettbewerbs.
cc. Beeinflußungen des Amtsträgers durch Zuwendungen oder Benachteiligungen Unproblematisch ist zunächst der Fall, daß Beteiligte oder Dritte den Amtsträger durch Zuwendungen geldlicher oder unentgeltlicher A r t oder durch Drohungen mit Nachteilen zu einer bestimmten Entscheidung veranlassen wollen. Hier 92 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 79. 93 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/910, S. 47. 94 Hartmann in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, §42 Anm. 2 Β unter „wirtschaftliche Interessen". 95 Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 80.
IV. Reduktion der Anforderungen aufgrund einer Indiz Wirkung
275
ist evident, daß die Aussicht auf mögliche Vor- oder Nachteile eine unsachliche Motivation hervorrufen kann und ein Mitwirkungsverbot angebracht ist. Doch sind auch hier Zweifelsfälle denkbar, wobei das zentrale Problem in der Beantwortung der Frage der Erheblichkeit der Zuwendungen oder der zu erwartenden Nachteile liegt. N i m m t man das Beispiel der Bewirtung, so ist ein Befangenheitsgrund nur dann zu bejahen, wenn ein Verfahrensbeteiligter dem Amtsträger, etwa aus Anlaß eines Lokaltermins, mit einem nicht ganz unerheblichen Aufwand bewirtet hat. Abzulehnen ist dagegen ein Befangenheitsgrund, wenn die Bewirtung nur in einer kleinen Aufmerksamkeit, etwa einer Tasse Kaffee, bestand. Ein Befangenheitsgrund ist desweiteren zu verneinen, wenn ein Amtsträger in dem P K W eines Beteiligten aus Anlaß eines Ortstermins mitgefahren ist 9 6 .
I V . Reduktion der Anforderungen aufgrund einer Indizwirkung 1. Allgemeines Denkbar sind Fallkonstellationen, in denen bestimmte Anhaltspunkte für eine unsachliche Motivation des handelnden Amtsträgers vorliegen, sie aber für sich genommen nach den vorangegangenen Darlegungen nicht die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. V o n Interesse ist insofern der Fall, daß eine Kumulation von in diesem Sinne nicht zureichenden Anhaltspunkten vorliegt. Hier kann jedoch die Gesamtschau aller Umstände zu einem Handlungsverbot führen. Die isoliert gesehen nicht ausreichenden Anknüpfungspunkte können aufgrund ihrer Häufung einen Rückschluß auf die unsachliche Einstellung des Amtsträgers erlauben und sich zu einem Befangenheitsgrund verdichten. Verdeutlicht werden soll dies an einem Beispiel. Genügt nach den zuvor Gesagten das bloße Bestehen eines Konkurrenzverhältnisses nicht, so kann in der Folge bei dem Hinzutreten einer inkorrekten Verfahrensführung, die für sich gesehen ebenfalls nicht Grundlage einer Besorgnis der Befangenheit ist, ein Amtsträger gleichwohl als befangen angesehen werden. Denn zu dem bloßen Konkurrenzverhältnis tritt ein in unmittelbaren Zusammenhang mit dem konkreten Verfahren stehender Umstand hinzu, der insoweit eine Konkretisierung und Intensivierung des schon vorliegenden Anhaltspunktes bewirkt. Allerdings ist dies nicht undiff e r e n z i e r t zu generalisieren. Die vorgenannte Aussage stellt lediglich eine Richtlinie dar, die von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist. Z u berücksichtigen ist stets die A r t der schon vorliegenden Anhaltspunkte und ihre Auswirkung auf die für die Befangenheit typische Gefahrenlage.
96 Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, Anm. 2 Β unter .Bewirtung".
18*
276
. Die
esogn
der Befangenheit
2. Korrektur legislativer Defizite Dieses Ergebnis bietet zugleich einen Ansatzpunkt zur Füllung der v o m Gesetzgeber i m Rahmen der Ausschlußgründe bewußt hingenommenen, aber von der Gefahrenlage her nicht plausiblen Lücken. Neben der M i t w i r k u n g in der Vorinstanz oder bei einer früheren Entscheidung 9 7 waren sie hinsichtlich der öffentlichen Gutachtertätigkeit und der zeugenschaftlichen Vernehmung des Amtsträgers in der betreffenden Angelegenheit 9 8 zu konstatieren. Diese Fälle, die sich auf die Vorbefassung m i t der zur Diskussion stehenden Angelegenheit als gemeinsamen Nenner zurückführen lassen, erhalten ihr besonderes Gefährdungspotential — wie die Erkenntnisse der Sozial- und Lernpsychologie zeigen — durch eine Voreingenommenheit des Amtsträgers infolge der von i h m präferierten Erstinformation 9 9 . Eine Lösung des insofern bestehenden Problems kann nach den Darlegungen zu der Konzeption des Auffangtatbestandes der Besorgnis der Befangenheit nicht dadurch bewirkt werden, daß diese Fälle eo ipso ein Handlungsverbot begründen. Ein gangbarer W e g ist es jedoch, diese Vorbefassung als starkes Indiz für eine Befangenheit des betreffenden Amtsträgers anzusehen und in der Folge die Anforderungen an die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden Gründe zu reduzieren. Denn durch die Vorbefassung mit der Angelegenheit besteht bereits ein ganz erheblicher Anhaltspunkt für das Bestehen eines „Vor-Urteils", einer Voreingenommenheit des Amtsträgers. Daher ist es zur Vermeidung der insoweit bestehenden Gefahrenlage sachgerecht, daß bereits das Hinzutreten geringster weiterer Anzeichen, etwa eine laxe Verfahrensführung, die ansonsten in diesem Zusammenhang nicht relevant wäre, zu einer Anordnung eines M i t w i r kungsverbotes wegen der Besorgnis der Befangenheit führt
10
°.
Dieser Ansatz setzt sich zudem nicht dem Einwand aus, es liege eine Rechtsfortbildung contra legem vor. Denn die Vorbefassung als solche ist gerade nicht geeignet, ein Handlungsverbot auf der Grundlage der Besorgnis der Befangenheit zu tragen. Es müssen vielmehr zusätzliche Momente hinzutreten. A u c h w i r d von einer derartigen Auffassung ein positiver Einfluß auf die Motivationslage und Handlungsweise des betroffenen Amtsträgers ausgehen. Führen schon geringste weitere Anhaltspunkte zu einem Handlungsverbot, so w i r d der Amtsträger in besonderen Maße auf eine korrekte Verfahrensführung achten müssen, was vor dem Hintergrund seiner potentiell vorgefaßten Einstellung zu einer erwünschten selbstkritischen Haltung führen kann.
97 Kapitel C Zweiter Abschnitt I. 2. b. 98 Kapitel C Erster Abschnitt VIII. 1. 99 Vgl. die Verweise in FN 97 und 98; sowie Maisch, NJW 1975, 566 ff. 'oo Ähnlich, wenngleich in einem anderen Zusammenhang Krekeler, NJW 1981, 1633 ff., 1637 f.
V. Die Problematik des Informalen Verwaltungshandelns
277
V . Die Problematik des Informalen Verwaltungshandelns I . Begriff Zunehmend gerät das sog. informale Verwaltungs- und Regierungshandeln in den Blickpunkt des juristischen Interesses. Der Begriff des Informalen umfaßt dabei alle rechtlich nicht geregelten Tathandlungen, die der Staat anstelle von rechtlich geregelten Verfahrenshandlungen
oder
Rechtsfolgeentscheidungen
wählt, die jedoch zur Herbeiführung des beabsichtigten Erfolges auch in den von der Rechtsordnung bereitgestellten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Handlungsformen hätten erfolgen k ö n n e n 1 0 1 . Bohne hat in seiner grundlegenden Untersuchung zwischen drei Typen des informalen Verwaltungs- und Regierungshandelns unterschieden. Neben den beiden Grundtypen der normvertretenden Absprachen, die zur Vermeidung von Rechtssetzungsakten getroffen werden, und den normvollziehenden Verfahrenshandlungen und Absprachen, die i m Normvollzug rechtlich geregelte Verfahren und Rechtsfolgeentscheidungen ersetzen, steht danach eine Mischform. In diese Kategorie fallen Absprachen mit normvollziehenden und normvertretenden Elementen, die an die Stelle von Rechtsetzungsakten und Vollzugsakten treten 1 0 2 . V o n besonderem Interesse unter dem Gesichtspunkt des Tatbestandes der Besorgnis der Befangenheit ist der Typus der normvollziehenden Verfahrenshandlungen. Neben den Sanierungsabsprachen, die rechtlich unverbindliche Übereinkommen zwischen Umweltschutzbehörden und Verursachern von Umweltbelastungen mit dem Z i e l der Vermeidung weiterer Umweltverschlechterungen oder der Verbesserung des bestehenden Umweltzustandes betreffen 1 0 3 , sind ihm die sog. Vorverhandlungen zuzurechnen. Diese insbesondere bei Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren feststellbaren Vorverhandlungen drücken sich in verschiedenen Formen aus. Häufig schlagen sie sich in intensiven Erörterungen zwischen der Genehmigungsbzw. Planfeststellungs- / Anhörungsbehörde und dem Vorhabenträger über alle Verfahrens- und materiellrechtlichen Voraussetzungen der Vorhabenverwirklichung nieder. In der Praxis ist weiter zu beobachten, daß die entscheidende Behörde vor Erlaß des Genehmigungsbescheides oder des Planfeststellungsbeschlusses einen unterschriftsreifen Entwurf der Entscheidung oder eine Liste m i t den ausformulierten Nebenbestimmungen des Bescheides dem Antragsteller zur Stellungnahme und mit der Bitte auf Rechtsmittel verzieht zuleitet 1 0 4 .
101 Bohne, VerwArch. 75 (1984), 343 ff., 344; Becker, DÖV 1985, 1003 ff., 1005. 102 Bohne, VerwArch. 75 (1984), 343 ff., 345; ders., Der informale Rechtsstaat, 1981. 103 Bohne, VerwArch. 75 (1984), 343 ff., 354. 104 Bohne, VerwArch. 75 (1984), 343 ff., 347; weitere Beispiele bei Bauer, VerwArch. 78 (1987), 241 ff., 246 ff.
278
E. Die Besorgnis der Befangenheit 2. Funktionen
Die folgenden Ausführungen sollen sich auf informale Absprachen i m Rahmen von Vorverhandlungen beschränken, da sich an ihnen das Problem der mit der Interessenverflechtung zusammenhängenden Gefahren am anschaulichsten verdeutlichen läßt. U m informale Absprachen unter dem Gesichtspunkt der Besorgnis der Befangenheit rechtlich würdigen zu können, müssen zunächst ihre Funktionen betrachtet werden. Vorverhandlungen zwischen Vorhabenträger und Verwaltungsbehörden resultieren aus der Komplexität sowohl der Rechts- wie auch der Sachlage. Die Entscheidungssituationen sind häufig durch unbestimmt gefaßte Rechtsnormen und dadurch bedingte schwierige Auslegungsfragen auf der einen Seite und die Beurteilung komplexer technischer und wirtschaftlicher Zusammenhänge auf der anderen Seite gekennzeichnet 1 0 5 . Folgerichtig besteht insoweit ein Kooperations-, Entlastungs- und Bindungsbedarf, dem diese Vorverhandlungen nachkommen w o l l e n 1 0 6 . Die Erwartens- und Verhaltenssicherheit der daran beteiligten Subjekte w i r d durch einen Prozeß der Kommunikation und Kooperation, in dessen Gefolge mögliche, durch die Realisierung des Vorhabens hervorgerufene Konflikte vermieden oder doch zumindest abgebaut werden können, befriedigt. I m Grundsatz genügen zur Vertrauensstabilisierung rein faktische Absprachen und Selbstbindungen. Das Defizit an rechtlicher Durchsetzbarkeit w i r d insoweit durch den Vorteil der verbleibenden Handlungsflexibilität kompensiert 1 0 7 . Den Vorhabenträgern erlauben derartige informale Absprachen eine Kalkulation der zur Durchführung des Vorhabens erforderlichen Maßnahmen und Investitionen und tragen auf diese Weise zur Minderung ihres Kostenrisikos bei. Andererseits erschließt sich die Behörde den Informations- und Kenntnisstand des Vorhabenträgers, auf den sie häufig angewiesen ist. Die Verständigung mit dem Vorhabenträger führt insoweit in einem frühen Stadium zu regelmäßig wechselseitigen Zugeständnissen und vermeidet die Nachteile eines langwierigen Rechtsstreits 1 0 8 .
3. Die spezifische Gefahr selektiver Interessenberücksichtigung V o n den vielfältigen Problemkreisen dieser Vorverhandlungen und informalen Absprachen ist in dem hier zu behandelnden Zusammenhang lediglich die Gefahr der selektiven Interessenberücksichtigung zu betrachten. Diese Gefahr wird sich regelmäßig in mehrpoligen Interessenbeziehungen aktualisieren. Das Spezifikum 105 Eberle, Die Verwaltung 1984, 439 ff., 441. 106 Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 201 ff.; Bauer, VerwArch. 78 (1987), 241 ff., 250 ff. 107 Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 203; Bauer, VerwArch. 78 (1987), 241 ff., 253. io« Bauer, VerwArch. 78 (1987), 241 ff., 252 f.
V. Die Problematik des Informalen Verwaltungshandelns
279
dieser Gefahr ist dabei keineswegs in einer Machtdominanz des Staates in dem Verhältnis zu den Wirtschaftssubjekten zu sehen. Vielmehr ist dieses gerade umgekehrt durch das wirtschaftliche Machtpotential von Privatunternehmen determiniert, welches i m Zusammenspiel mit einer hoheitlich-autoritativen Entscheidungskompetenz zur Verdrängung kollidierender Interessen führen k a n n 1 0 9 . Vorschub leisten insoweit die gegenwärtig herrschenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. I n Zeiten, in denen eine Finanzknappheit der öffentlichen Hand besteht, die ferner durch eine hohe Arbeitslosigkeit gekennzeichnet sind, ist der Verwaltung als Teil der Exekutive an der Pflege und Aufrechterhaltung von auf Dauer angelegten Beziehungen zu investierenden Unternehmen gelegen, die durch das Bereitstellen von Arbeitsplätzen und ihr Steueraufkommen die wirtschaftliche Entwicklung fördern 1 1 0 . In weiten Bereichen scheidet daher die Verwaltung als Vertreter von Interessen Dritter oder der Allgemeinheit gegen diejenigen des Vorhabenträgers aus. Sie w i r d derart für das für die Region wirtschaftliche Vorteile versprechende Vorhaben engagiert sein, daß die Gefahr, zusammen mit dem Unternehmer werde sie gegenläufige Interessen in unzureichendem Maße berücksichtigen, nicht vernachlässigt werden darf. Dies insbesondere, wenn berücksichtigt wird, daß bei einer staatlichen Finanzknappheit das austauschähnliche Aushandeln bei der Entscheidungsvorbereitung mit Zugeständnissen der Behörde bei der Aufklärung und Bewertung der Sach- und Rechtslage i m Rahmen ausfüllungsbedürftiger Normprogramme der billigere Weg gegenüber Subventionen oder anderen Vermögenswerten Geldleistungen darstellt 1 1 1 . Hinzu tritt bei derartigen ausfüllungsbedürftigen Handlungsspielräumen der Verwaltung die Macht des Vorhabenbetreibers, seine M i t w i r k u n g zu verweigern und mit dieser Möglichkeit Einfluß auf den Normvollzug zu erlangen. Eine effektive M i t w i r k u n g w i r d regelmäßig nur zu erwarten sein, wenn die von der Verwaltung formulierten Interessen denen des Vorhabenträgers nicht grundlegend widersprechen und sie sich zumindest teilweise decken 1 1 2 . Die damit gegebene Gefahr der Interessenselektivität durch Vorverhandlungen der geschilderten A r t w i r d weiter intensiviert, wenn die daraus resultierenden Ergebnisse nicht in förmliche, bindende Rechtsakte umgesetzt werden, sondern auf einer faktischen Bindung auf der Grundlage eines Gleichklangs der Interessen beruhen und damit in die Umsetzungsphase hinein transponiert werden 1 1 3 . Diese Wirkungsfaktoren zeigen plastisch die erheblichen Gefahren für den sachgerechten Ausgleich aller tangierter Interessen durch die Aufgabe einer angemessenen hoheitlichen Distanz gegenüber den Vorhabenträgern auf, während diese gegenüber den Drittbetroffenen und der interessierten Öffentlichkeit aufrechterhalten w i r d 1 1 4 . Interessenver109 Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 210 f. no Eberle, Die Verwaltung 1984, 439 ff., 442. m Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 206; vgl. auch Eberle, Die Verwaltung 1984, 439 ff., 442 f. us Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 206 f. 113 Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 207.
. Die
280
esogn
der Befangenheit
flechtungen zwischen Großunternehmen und Verwaltung werden insbesondere dann zu einem manifesten Problem, wenn die präferierten Interessenträger personelle und organisatorische Kontaktzonen nutzen können. So etwa, wenn staatliche Funktionsträger Aufsichtsratsposten innehaben, sonstige personelle Verzahnungen bestehen oder ein Resonanzboden politischen oder ökonomischen Drucks innerhalb der Verwaltung vorhanden i s t 1 1 5 .
4. Abmilderung der Gefahrenlage durch den Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung und das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit Angesichts dieses Befundes stellt sich die Frage nach der Bewältigung der insoweit als reale Größe zu betrachtenden Gefahr der selektiven Interessenberücksichtigung. Unter rechtspolitischen Gesichtspunkten sind hier — wie auch schon i m Zusammenhang mit der Parallelproblematik i m Rahmen der Amtskonflikte angeklungen i s t 1 1 6 — organisatorische Vorkehrungen zu fordern. Innerhalb der Verwaltungsorganisation müssen Gegensteuerungselemente vorhanden sein, die geeignet sind, bestehende Interessenverflechtungen zu neutralisieren. Z u denken ist hier an eine organisatorische Trennung von entscheidungsvorbereitender und entscheidender Behörde, an verstärkte Einwirkungsmöglichkeiten (Zustimmungserfordernisse etc.) anderer Behörden, die spezielle Interessen zu verfolgen haben oder an Verlagerungen von Zuständigkeiten auf andere Behörden in dem Fall erkannter rechtswidriger informaler Absprachen 1 1 7 . Demgegenüber sind Handlungsverbote auf der Grundlage einer Besorgnis der Befangenheit erkennbar nur beschränkt wirksame Mechanismen. Einmal können informale Kontakte aufgrund ihrer vielfältigen Funktionen nicht als solche m i t einem Handlungsverbot der betreffenden Amtsträger sanktioniert werden. Vielmehr müssen insoweit bestimmte Inkorrektheiten hinzutreten. Ferner kann auch dann aufgrund ihrer Verengung des Blickwinkels auf einzelne Personen eine Gegenmachtkontrolle in dem erforderlichen Umfang nicht oder nur unzureichend gewährleistet werden. Die Gefahr subtilerer Formen einer selektiven Interessenberücksichtigung
unterhalb
der
Anwendungsschwelle
der
Befangenheitsvor-
schriften besteht gleichwohl fort. Nicht zuletzt diese Erkenntnis dürfte für das B V e r w G jüngst Anlaß gewesen sein — obwohl dies nicht ausdrücklich angesprochen w i r d — , i m Zusammenhang mit dem luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren auf die Bedeutung des Grundsatzes eines fairen Verwaltungsverfahrens bei informalen VerfahrensΠ4 Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 209. us Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 209 f. 116 Kapitel C Zweiter Abschnitt I. 2. a. aa. ccc.; vgl. im übrigen auch Kapitel B. IV. 3 117 H o f f m a n n - R i e m , V V D S t R L 4 0 (1982), 187 ff., 232 f.
V. Die Problematik des Informalen Verwaltungshandelns
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weisen aufmerksam zu machen 1 1 8 . Ausgangspunkt der Erörterungen des B V e r w G ist die der Planfeststellungsbehörde eingeräumte planerische Gestaltungsfreiheit. Die daraus resultierende Aufgabe der gerechten Abwägung der widerstreitenden Belange stelle Anforderungen an das dabei einzuhaltende Verfahren. Die gesetzlich verankerten, verfahrensbezogenen Anforderungen verfolgten das Ziel, die Planfeststellungsbehörde in die Lage zu versetzen, zu einer problemabgewogenen Entscheidung gelangen zu können, wobei Bürger und Träger öffentlicher Belange auf deren fachbezogene Integrität setzten. Dieses Z i e l könne jedoch nicht erreicht werden, wenn sich die Planfeststellungsbehörde in ihrer Verfahrensgestaltung einer Einflußnahme aussetze, die ihr die Freiheit zur eigenen planerischen Gestaltung jedenfalls faktisch nehme oder doch weitgehend einschränke. Demgemäß müsse die Planfeststellungsbehörde gegenüber jedermann jenes Maß an innerer Distanz und Neutralität wahren, das ihr in einer späteren Phase ein abgewogenes Urteil ermögliche. Entsprechend habe sie daher auch ihr eigenes Verfahren einzurichten. Der in §§ 20, 21 V w V f G e für die einzelnen Amtsträger getroffenen Regelung liege ein verallgemeinerungsfähiger Gedanke zugrunde. Die Behörde habe die ihr übertragene Aufgabe in unparteiischer Weise wahrzunehmen. Dies ergebe sich auch aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung, der in seinem Anwendungsbereich nicht auf das gerichtliche Verfahren beschränkt s e i 1 1 9 . Aus diesem Grundsatz leitet das B V e r w G in der Folge eine Reihe von Anforderungen ab, die informalen Verfahrensweisen Grenzen setzen 1 2 0 . Rechtlich relevant sollen Verletzungen dieses Grundsatzes fairer Verfahrensgestaltung jedoch nur dann sein, wenn sich diese ursächlich auf das Ergebnis der behördlichen Entscheidung ausgewirkt haben 1 2 1 . Diese Aussagen des B V e r w G werfen in verschiedener Hinsicht Fragen auf. Zunächst könnte die Entscheidung zu der Annahme verleiten, mit der Nennung der §§ 20, 21 V w V f G e und der Planfeststellungsbehörde als Adressat der einzelnen Ausprägungen des Grundsatzes fairer Verfahrensgestaltung werde das Unbefangenheitsgebot auf institutioneller Ebene aktiviert 1 2 2 . Indessen wäre ein solcher Schluß lediglich oberflächlicher Natur. Abgesehen von den oben bereits angeführten Bedenken gegen die Anwendung des Unbefangenheitsgebotes auf Verwaltungsträger und ihre Subeinheiten wäre nicht erklärlich, warum das B V e r w G auf die insoweit bestehenden Bedenken mit keinem Wort eingeht. Dem Gericht schwebt insoweit ganz offensichtlich ein anderer Ansatzpunkt vor. M i t dem Grundsatz der fairen Verfahrensgestaltung soll den Gefahren informalen Verwaltungshandelns, das vor, aber auch während laufender Verwaltungsverfahren zu beobachten ist, entgegengewirkt werden. Der angeführte Grundsatz fungiert somit als ein Instrument zur rechtlichen Erfassung und Durchdringung sog. infor118 119 120 121 122
BVerwG, DVB1. 1987, 573 ff., 579 f. BVerwG, DVB1. 1987, 573 ff., 580. Einzelheiten dazu bei den nachfolgenden Fallgruppen. BVerwG, DVB1. 1987, 573 ff., 580. Vgl. Kapitel Β IV. 2. c.
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melier Verhaltensweisen. In dieser Hinsicht ist dieser Ansatzpunkt gegenüber dem Unbefangenheitsgebot breiter gewählt. Während das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit stets nur als Reaktion auf das konkrete Verhalten von Amtsträgern i m Hinblick darauf, ob bei ihnen eine unsachliche Motivation potentiell vorliegt, zu denken ist, ermöglicht es dieser Ansatz bestimmte Pflichten zu statuieren, deren Verletzung für sich genommen eine Auswirkung auf die Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit der Verwaltungsentscheidung haben kann. Ob der in diesem Zusammenhang angesprochene Kausalitätsgedanke allerdings Bestand haben kann, erscheint angesichts der positiv-rechtlichen Regelung der § § 4 6 V w V f G e mehr als fraglich 1 2 3 . U m dieses Verhältnis des Grundsatzes fairer Verfahrensgestaltung zu den gesetzlichen Ausprägungen des Unbefangenheitsgebotes, insbesondere der Regelung der § § 2 1 V w V f G e , zu verdeutlichen, soll die zentrale Aussage der Entscheidung als Beispiel herangezogen werden. Das B V e r w G erachtet es als grundsätzlich nicht mit dem Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung vereinbar, wenn andere Behörden oder Amtsträger außerhalb ihrer Zuständigkeit und außerhalb zulässiger Beteiligungen auf ein Verwaltungsverfahren Einfluß zu nehmen suchen. Dies schließe Kontaktaufnahmen, Informationen und Kenntnisnahmen nicht aus, sofern sich daraus nicht i m Einzelfall entscheidungsbezogene Aktivitäten betreffend den Verlauf und den Inhalt des Planfeststellungsverfahrens hervorgingen. Demgemäß sei es den Vertretern der Planfeststellungsbehörde nicht von vornherein verwehrt, an Besprechungen auf politischer Ebene teilzunehmen, zumal dies zum Zwecke sachkundiger Beratung und mit dem Ziel politischer Effektivität sogar naheliegend sei. Rechtlich zu beanstanden sei eine derartige Verfahrensweise jedoch dann, wenn die verfahrensrechtlich geordneten Entscheidungsebenen nicht mehr getrennt, einseitige Absprachen über die weitere Verfahrensgestaltung getroffen und der Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde von vornherein durch aktive Einflußnahmen „auf politischer Ebene" sachwidrig eingeengt werde. Die Behörde verliere dann die erforderliche innere Distanz und Unparteilichkeit gegenüber dem Vorhaben, über das zu entscheiden allein ihr gesetzlich aufgetragen sei. Zudem verfehle dann die Beteiligung Dritter i m Rahmen des weiteren Verfahrensablaufes regelmäßig ihren gesetzlichen Z w e c k 1 2 4 . Diese Konkretisierung des Grundsatzes fairer Verfahrensgestaltung zielt also darauf ab, derartige entscheidungsbezogene Einflußnahmen nicht zuständiger Behörden und Amtsträger von vornherein zu unterbinden, um die Unparteilichkeit der Planfeststellungsbehörde zu erhalten. Demgegenüber können derartige Aktivitäten mit § § 2 1 V w V f G e nur teilweise erfaßt werden. Einmal können von außen auf das Verfahren einwirkende Personen nicht mit diesem Handlungsverbot von ihren Aktivitäten abgehalten werden 1 2 5 . Z u m anderen ist es auch nur 123 Siehe dazu Kapitel G II. 1. b. aa. 124 BVerwG, DVB1. 1987, 573 ff., 580; ähnlich BVerwGE 69, 256 ff., 267. 125 Kapitel F III. 2.
V. Die Problematik des Informalen Verwaltungshandelns
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möglich i m Rahmen des Planfeststellungsverfahrens handelnde Amtsträger mit einem Handlungsverbot wegen einer Besorgnis der Befangenheit zu belegen, wenn unter Zugrundelegung eines objektiven Bewertungsmaßstabes zu erwarten ist, daß sich der Amtsträger den Einflußnahmen nicht verschlossen hat. Unter Berücksichtigung dieser Umstände w i r d die Funktion des Grundsatzes fairer Verfahrensgestaltung sichtbar. Er stellt die geeignete Grundlage dar, Rahmenbedingungen aufzustellen, die bei informalen Kontakten zu beachten sind, und in der Folge ein Pflichtengefüge für die in informalen Kontakten involvierten Behörden zu statuieren sowie Rechte von betroffenen Bürger auch in diesen Umfeld zu stärken 1 2 6 . Dem Unbefangenheitsgebot kommt in dieser Hinsicht die Funktion einer weiteren Absicherung des Grundsatzes eines fairen Verwaltungsverfahrens zu. Die für eine Behörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens handelnden Amtsträger, die bei informalen Kontakten mit dem Vorhabenträger oder politisch interessierten Kreisen ihre Objektivität und Unparteilichkeit gegenüber dem Verfahrensgegenstand aufgegeben haben oder dies jedenfalls zu erwarten steht, dürfen in dem anschließenden oder schon laufenden Verwaltungsverfahren nicht mehr tätig werden. Der Grundsatz des fairen Verwaltungs Verfahrens findet so seine Fortsetzung auf personeller Ebene. Die Gefahr, daß sich fehlerhafte und auf die Unparteilichkeit der Amtsträger auswirkende informale Kontakte auf das Verfahrensergebnis auswirken können, soll insoweit ausgeschaltet werden. V o n diesem Hintergrund aus sollen Voraussetzungen für die Anordnung von Handlungsverboten in bezug auf Amtsträger gefunden werden, denen fehlerhafte informale Kontakte zuzurechnen sind.
a. Gefährdung
der
Verfahrenschancengleichheit
In Anknüpfung an die vorangestellten Fallgruppen, ist ein Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit dann gegeben, wenn der Amtsträger i m Rahmen solcher informeller Absprachen die Chancengleichheit aller Verfahrensbeteiligter untergräbt 1 2 7 . Dies ist immer dann der Fall, wenn die verfahrensmäßige Sonderbehandlung nicht auf einem anerkannten Differenzierungsgrund beruht, sie also ihre Rechtfertigung als zweckmäßige Handlungsform nicht in den Besonderheiten des jeweiligen Verwaltungsrechtsverhältnisses f i n d e t 1 2 8 . Eine Besorgnis der Befangenheit liegt danach etwa stets vor, wenn der Versuch unternommen wird, alle störenden Interessen Dritter zu neutralisieren 1 2 9 . Welche Formen dies 126 Zu vergleichbaren Ansätzen in der Literatur: Bauer, VerwArch. 78 (1987), 241 ff., 256 ff.; Bohne, VerwArch. 75 (1984), 343 ff., 352 f.; Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 224. 127 Siehe oben Kapitel E III. 2. a. aa. ccc. i2« Eberle, Die Verwaltung 1984, 439 ff., 463. i 2 9 Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 211; Bohne, VerwArch. 75 (1984), 343 ff., 351.
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in der Praxis annehmen kann, zeigt in drastischer Weise ein Urteil des V G Sigmaringen. Dort plante ein Energieversorgungsunternehmen den Bau einer 110-kv-Stromleitung, wodurch privates Grundstückseigentum enteignet werden sollte. Nach öffentlicher Bekanntmachung und Auslegung der Pläne gingen zahlreiche Einwendungen ein, die sich sowohl gegen den Bau der Leitung überhaupt als auch gegen ihre Führung als Freileitung und gegen die Trassierung i m einzelnen richteten. In einem Schreiben an das Energieversorgungsunternehmen, das jedenfalls nach Angaben der zuständigen Beamten nicht abgesandt worden sei, aber als verwaltungsinterne Arbeitsgrundlage diente, nahm der Regierungspräsident zu den Einwendungen der Grundstückseigentümer und dem v o m Energieunternehmen beantragten Sofortvollzug
Stellung. Wörtlich heißt es
dabei 1 3 0 : „ Bei dieser Sachlage erscheint es auch prozeßtaktisch angezeigt, von dieser Maßnahme abzusehen. Erfahrungsgemäß neigen Verwaltungsgerichte in jüngster Zeit vermehrt dazu, nach der Aufhebung des Sofortvollzugs sich auch in der Hauptsache von den gleichen Erwägungen leiten zu lassen, die zur Entscheidung im Aussetzungsverfahren führten. Ein zu Ungunsten des Landes ergehender Beschluß im Verfahren nach § 80 V VwGO könnte mithin eine negative Präjudizwirkung für die Erfolgsaussichten der Verwaltung entfalten. Im übrigen bedeutet jede gerichtliche Entscheidung, die zu Ungunsten der öffentlichen Hand ausgeht — sei es auch nur im Beschluß-Verfahren — einen Prestigeverlust für die Verwaltung, verstärkt das Mißtrauen der Bürger gegen die Verwaltung und führt letztlich dazu, daß durchweg jede den Bürger belastende Verwaltungsentscheidung gerichtlich angefochten wird." Später 1 3 1 : „ Andererseits glauben wir aber, den Neckarwerken eher dadurch zu helfen, daß wir jetzt — intern — die Probleme offen ansprechen, die bei einer schnellen Durchführung des Enteignungsverfahrens nur auf die Gerichtsebene verlagert würden." Nachdem dem Energieversorgungsunternehmen seitens der Verwaltung nahegelegt wurden, den Einwendern hinsichtlich der Trassenführung und der Höhe der Entschädigung noch entgegenzukommen, wurde weiter ausgeführt 1 3 2 : „ Bei der geschilderten Sach- und Rechtslage sollte nach unserer Auffassung der weitere Verfahrensablauf wie folgt aussehen: Zunächst wäre eine interne Besprechung zwischen den Neckarwerken und dem Unterzeichneten angezeigt, um die taktische Marschroute für die bevorstehenden Verhandlungen mit den Eigentümern festzulegen und die hier noch nicht angeschnittenen Problemkreise zu erörtern . . . Die hier vorgetragenen Bedenken haben wir bewußt den Einsprechern noch nicht zur Kenntnis gebracht und bitten auch in ihrem Interesse, das Schreiben vertraulich zu behandeln."
130 VG Sigmaringen, VB1BW 1984, 420 ff., 421 1. Sp. 131 VG Sigmaringen, VB1BW 1984, 420 ff., 421 r. Sp. 132 VG Sigmaringen, VB1BW 1984, 420 ff., 421 1. Sp.
V. Die Problematik des Informalen Verwaltungshandelns
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Diese Ausführungen mit dem Abstellen auf ein prozeßtaktisches Verhalten bzw. der Festlegung einer taktischen Marschroute zeigen deutlich, wie sehr sich der Verfasser des Schreibens mit dem Vorhaben identifiziert. Deutlichen Ausdruck findet hier die Einstellung, alles zu vermeiden, was einen dem Energieversorgungsunternehmen günstigen Planfeststellungsbeschluß beeinträchtigen kann. Statt der Aufgabe nachzukommen, sachgerecht über dessen Antrag zu entscheiden, w i r d bereits davon ausgegangen, daß die beantragte Planfeststellung zustande k o m m t 1 3 3 . Hinzu kommt, daß die Behörde eine einem Rechtsberater des Energieversorgungsunternehmens vergleichbare Stellung einnimmt. Dieses Verhalten ist nicht mehr von der Beratungs- und Betreuungspflicht der Behörde nach § 25 V w V f G gedeckt, sondern geht inhaltlich mit der materiellen Einzelprüfung des konkreten Vorhabens weit über diesen Rahmen hinaus 1 3 4 . Es widerspricht in dieser Hinsicht dem Grundsatz der Waffengleichheit der Beteiligten, das antragstellende Energieversorgungsunternehmen zu betreuen und zu beraten, obwohl es als A G rechtskundige Mitarbeiter hat, die ähnliche Verfahren häufig betreiben, während die oft anwaltlich nicht vertretenen, weitgehend rechtsunkundigen Einwender sich selbst überlassen bleiben und von den ihre Rechtsstellung betreffenden Verwaltungsinterna zudem noch bewußt ausgeschlossen werden 1 3 5 .
b. Gefährdung
der Verfahrensteilhabe
Einen besonderen Problempunkt stellt ferner die Beteiligung betroffener Dritter an den Vorverhandlungen dar. Die überwiegende Ansicht nimmt insofern den Standpunkt ein, der gänzliche Ausschluß drittbetroffener Bürger von den Vorverhandlungen lasse ihre Beteiligungs- und Anhörungsrechte i m sich anschließenden Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren faktisch nahezu leerlaufen. I n der Folge statuiert sie daher bestimmte Mindestpflichten zum Schutz Drittbetroffener 1 3 6 . Eberle hält demgegenüber die Ausweitung der Betroffenenbeteiligung auf derartige Vorverhandlungen für problematisch. Abgesehen davon, daß der Kreis der Betroffenen keineswegs von vornherein klar abgrenzbar sei, bewirkten informale Absprachen aufgrund ihrer Flexibilität keine systematische, schrittweise Einschränkung der Entscheidungsalternativen. Die Genehmigungsbehörde müsse Einwendungen ungeachtet entgegenstehender Absprachen, die ohnehin unter dem Vorbehalt gleichbleibender Sach- und Rechtslage stünden, 133 VG Sigmaringen, VB1BW 1984, 420 ff., 422; vgl. allgemein dazu auch BVerwG, DVB1. 1987, 573 ff., 580. 134 Bohne, VerwArch. 75 (1984), 343 ff., 349; offen insofern aber Eberle, Die Verwaltung 1984, 439 ff., 446 f. 135 VG Sigmaringen, VB1BW 1984, 420ff., 421; vgl. zu ähnlichen Erwägungen, allerdings im Zusammenhang mit dem Grundsatz eines fairen Verwaltungs Verfahrens: BVerwG, DVB1. 1987, 573 ff., 580. 136 Bohne, VerwArch. 75 (1984), 343 ff., 352 f.; weitergehend Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 224.
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i m Laufe des späteren Verfahrens berücksichtigen, wenn sie entscheidungserheblich seien. Hier sei es insbesondere die drohende Gerichtskontrolle, die die Behörde wie auch den an einem gerichtsfesten Bescheid interessierten Vorhabenträger dazu zwinge, die Drittinteressen zu berücksichtigen. So sei denn auch empirisch belegt, daß informale Absprachen nachträgliche Einwendungen Dritter in der Regel nicht zu überspielen vermögen, diese sich vielmehr unter der Prämisse ihrer Entscheidungserheblichkeit in der Praxis durchsetzten. Auch die Auffassung, wonach die i m Vorgriff auf die Genehmigung getätigten Investitionen das Gericht von der Aufhebung der Genehmigung abhalten könnten, sei durch zahlreiche Beispiele aus der Praxis als widerlegt anzusehen 1 3 7 . Diese Ansicht läßt allerdings die Erkenntnisse der behavioristisch-rationalen Entscheidungstheorie 1 3 8 außer acht. Die Betroffenenbeteiligung gewinnt danach aufgrund des prozeßhaften Ablaufs der Entscheidungsfindung gerade bei offenen Normprogrammen einen wichtigen Stellenwert. Die Frage, ob eine Einwendung entscheidungserheblich ist oder nicht, hängt damit auch von dem Zeitpunkt ab, in dem sie erhoben wird. Die Beteiligung Dritter, die umso wichtiger ist, je größer die Reichweite des Regelungsinhalts und je intensiver die rechtliche oder faktische Bindung der zu treffenden Entscheidung i s t 1 3 9 , w i l l insoweit einen möglichst umfassenden Informationsverarbeitungsprozeß gewährleisten. Dieser w i r d aber nicht unerheblich beeinträchtigt, wenn sich die Behörde und der Vorhabenträger auf informalen Weg verständigt haben. Die Drittbetroffenen werden insoweit mehr oder weniger deutlich mit vollendeten Tatsachen konfrontiert und können mit ihren Einwendungen letztlich nur Korrekturen in Detailfragen erreichen, nicht aber die Grundzüge des Vorhabens beeinflussen 1 4 0 . Der V o r w u r f mangelnder empirischer Belege ist angesichts anderer Untersuchungen 1 4 1 zweifelhaft und i m übrigen auch nicht stichhaltig. Entscheidend ist nicht die Quantität nicht pathologischer Fälle, sondern die reale Möglichkeit eines verkürzten, einseitigen Interessenausgleichs infolge informaler Absprachen. Gerade sie kann aber vor dem aufgezeigten Hintergrund nicht ernstlich in Abrede gestellt werden. Daher ist mit der Ansicht konform zu gehen, wonach das Verwaltungsrechtsverhältnis bereits vor der Antragstellung für die Behörde auch gegenüber den drittbetroffenen Bürgern bestimmte Benachrichtigungs- und Bekanntmachungspflichten begründet. Nicht weiter verfolgt werden soll hier deren Umfang. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang vielmehr die Beantwortung der Frage, ob die Verletzung dieser Mindestpflichten zu einem Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit führt. Dies wird regelmäßig anzunehmen
137 Eberle, Die Verwaltung 1984, 439 ff., 457 ff., 459 f. 138 Siehe Kapitel A II. 139 Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 212. 140 Steinberg, DÖV 1982, 619 ff., 626; Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 150 ff., 155 ff.; Ule / Laubinger, Gutachten Β zum 52. DJT, München 1978, S. 29. 141 Bohne, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 7, 1980, S. 20 ff.
V. Die Problematik des Informalen Verwaltungshandelns
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sein, sofern nicht die Besonderheit des Einzelfalls unter Anlegung eines strengen Maßstabes ausnahmsweise eine andere Sichtweise rechtfertigt. W i e bei der Fallgruppe des evidenten Verstosses gegen Verfahrensvorschriften, die dem Schutz der Beteiligten dienen, muß in derartigen Fällen der Schluß auf eine unsachliche Motivation der handelnden Amtsträger gezogen werden.
c. Vereitelung
von Kontrolle
Ein weiterer Aspekt, der unter dem Gesichtspunkt der Besorgnis der Befangenheit i m Rahmen informaler Absprachen Bedeutung gewinnen kann, ist die Vereitelung wirksamer gerichtlicher Kontrolltätigkeit. Dabei lassen sich zwei Varianten unterscheiden. Einmal die Gefährdung des effektiven Rechtsschutzes von Drittbeteiligten durch den gänzlichen oder bloß punktuellen Verzicht auf Schriftlichkeit und Aktenmäßigkeit der Vorgänge. Nahezu unausweichliche Folge hiervon ist, daß die tatsächlichen Hintergründe und Motive des entsprechenden Verwaltungshandelns für Kontrollorgane und Außenstehende kaum zu durchschauen und zu rekonstruieren sind. Dies hat den negativen Effekt, daß insbesondere die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung i m Rahmen von Rechtsschutzverfahren zumindest erheblich erschwert w i r d 1 4 2 . Läßt sich daher feststellen, daß informale Kontakte zwischen Amtsträgern der Behörde und den Vorhabenträger stattgefunden haben, und sind diese nicht in den Verfahrensakten mit Anlaß, Umfang und Inhalt dokumentiert, so ist der Schluß auf eine potentiell beabsichtigte Rechtsverkürzung des Dritten gerechtfertigt. Ebenso ist der Fall zu behandeln, in welchem sich nachweisen lassen sollte, daß entsprechende Aktenvermerke unvollständig oder gar inhaltlich unrichtig sind. Eine Besorgnis der Befangenheit kann aber auch dann vorliegen, wenn nicht die Rechtsposition eines Dritten betroffen ist, sondern in dem Bargaining-Prozeß zwischen Behörde und Vorhabenträger Zugeständnisse zu Lasten von Gemeinwohlinteressen, die lediglich objektiv-rechtlich geschützt sind, gemacht werden 1 4 3 . Dies ergibt sich daraus, daß die Besorgnis der Befangenheit nicht lediglich den Schutz Dritter i m Auge hat, sondern die unparteiische Amtsausübung als solche schützen w i l l . Der Amtsträger hat sämtliche Gemeinwohlinteressen in die von ihm vorzunehmende Abwägung einzustellen und entsprechend zu berücksichtigen. Ein Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit wird in diesem Zusammenhang allerdings nur dann anzunehmen sein, wenn hinsichtlich des objektiv-rechtlich geschützten Gemeinwohlinteresses eine klare Sach- und Rechtslage besteht. I m anderen Falle ist zu berücksichtigen, daß 142 Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 213; Bauer, VerwArch. 78 (1987), 241 ff., 255. 143 Vgl. Hoffmann-Riem, VVDStRL 40 (1982), 187 ff., 213; ähnlich, wenngleich allgemeiner gehalten BVerwG, DVB1. 1987, 573 ff., 580.
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insoweit auch ein Vergleichsvertrag i m Sinne des § 55 V w V f G geschlossen werden könnte. d. Sonstige Gründe Ferner können auch die sonstigen Umstände, insbesondere die A r t und Weise der Vorverhandlungsführung eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. So ist etwa ein Handlungsverbot dann angebracht, wenn die Vorverhandlungen zu einem erheblichen Teil in einem privaten Rahmen stattfinden. Führen also über flüchtige Erörterungen hinaus leitende Behörden Vertreter oder für Fachfragen zuständige Mitarbeiter in der Privatwohnung des Vorhabenträgers Verhandlungen, so ist in diesen Fällen die Möglichkeit, daß persönliche Beziehungen oder Freundschaften das Ergebnis der informalen Kontakte beeinflußen nicht mehr auszuschließen 144 .
V I . Exkurs: Prüfungswesen Prüfungsentscheidungen, die den erstrebten Ausbildungs- oder Berufsweg eröffnen, besitzen für den Betroffenen eine entscheidende Tragweite. Daher verwundert es nicht, daß auf diesem Gebiet die Objektivität und Integrität des Prüfers eine erhebliche Rolle spielen. I m folgenden soll deshalb eine Typologie von Fallkonstellationen entworfen werden, die unter dem Gesichtspunkt der Besorgnis der Befangenheit Bedeutung gewinnen können.
1. Kontakt aus dem Lehrverhältnis In den Fällen, in denen Ausbilder auch Prüfungen abnehmen, bestehen schon vor der Prüfung institutionell Beziehungen zwischen den späteren Prüfungsbeteiligten. Sie können bei einer stark auf den Einzelnen eingehenden Ausbildung besonders intensiv sein 1 4 5 . In diesen Fällen ist es die dadurch bewirkte mangelnde Distanz, die unter dem Aspekt der Besorgnis der Befangenheit zu diskutieren ist. Insofern sind hier zwei gegenläufige Tendenzen zu berücksichtigen. Erkennbar ist häufig das Unbeteiligtsein des Prüfers beeinträchtigt. Betrachtet man das Prüfungsergebnis aus seinem Blickwinkel, so w i r d er darin leicht eine Bestätigung seines Lehrerfolges oder dessen Mißerfolg wiederfinden und insoweit selbst am Ausgang des Prüfungsverfahrens interessiert sein. Ein noch wichtigeres Moment ist der Faktor, daß der Prüfer unter Umständen bewußt oder unbewußt seine bisherigen Beurteilungen während der Ausbildungszeit in dem 144 Bohne, VerwArch. 75 (1984), 343 ff., 352. 145 Pietzcker, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung staatlicher Prüfungen, S. 133.
VI. Exkurs: Prüfungswesen
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Prüfungsergebnis bestätigt sehen w i l l . Z u berücksichtigen ist ferner, daß das Ausbildungsverhältnis unter Umständen durch persönliche Zu- oder Abneigung derart geprägt worden ist, daß darunter die sachliche Beurteilung leidet 1 4 6 . Doch ist dies nur eine Seite der insoweit bestehenden Problemlage. Die mangelnde Distanz kann anderseits durchaus auch einen positiven Effekt besitzen. Die auf längere Beobachtung basierende Beurteilung des Prüflings kann zuverlässiger über dessen Fähigkeiten Auskunft geben, als die Bewertung einer punktuellen Prüfungsleistung ohne nähere Kenntnis der sonstigen Fähigkeiten des Prüflings 1 4 7 . Unter Hinweis auf diesen Aspekt weigert sich die überwiegende Meinung einen Kontakt aus dem persönlichen Ausbildungsverhältnis per se als ein die Besorgnis der Befangenheit begründenden Umstand anzusehen. Nur wenn weitere Umstände hinzuträten sei ein Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit gegeben 1 4 8 . Vorstellbar ist etwa der Fall einer besonderen Abneigung gegen den Prüfling, die sich bereits in eine seine Leistungen betreffende vor der Prüfung liegenden Beurteilung, die von diesem erfolgreich angegriffen wurde, manifestiert hat. Indessen ist fraglich, ob der Gesichtspunkt der Förderung einer sachverständigeren, weniger zufälligen Prüfungsentscheidung in diesem generellen Sinne geeignet ist, einen Befangenheitsgrund zu verneinen. Z u berücksichtigen ist insofern auch der Grundsatz der Chancengleichheit der Prüflinge, dem gerade i m Prüfungsverfahren eine besondere Bedeutung zukommt. Dieser Grundsatz gebietet, möglichst gleichmäßige Vorausssetzungen für alle Prüflinge zu schaffen und damit allen Bewerbern möglichst gleiche Erfolgschancen einzuräumen — oder negativ formuliert — die Prüflinge nicht vor ungleiche Prüfungsbedingungen zu stellen 1 4 9 . Demgemäß müssen also alle Prüflinge hinsichtlich der äußeren Prüfungsbedingungen eine gleiche Ausgangsposition haben 15 °. Bewertet nun ein Prüfer die Prüfungsergebnisse eines Kandidaten vor dem Hintergrund der Leistungen, die dieser während eines Ausbildungsabschnittes bei ihm gezeigt hat, so w i r d der Grundsatz der Chancengleichheit der Prüflinge verletzt. Während der Prüfer insoweit etwa geneigt sein kann, schlechtere Leistungen als (vermeintlichen?) „Ausrutscher" bzw. gute Leistungen als das (vermeintliche?) Wirken günstiger Umstände abzutun, kann in einem anderen Fall, in welchem dem Prüfer das Hintergrundwissen fehlt, eine strengere bzw. günstigere Beurteilung des Prüflings die Folge sein. V o r diesem Hintergrund kann der Aspekt der Förderung der Bewertung des Prüflings in den hier in Rede stehenden Fällen eines besonders 146
Pietzcker, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung staatlicher Prüfungen, S. 133. 147 Krause, WissR 1970,118 ff., 128; Pietzcker, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung staatlicher Prüfungen, S. 134. • 4 8 BVerwGE 16, 150 ff., 151; Pietzcker, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung staatlicher Prüfungen, S. 134. 1 49 Stüer, DÖV 1974, 257 ff., 262. 150 Seebass, NVwZ 1985, 521 ff., 524. 19 Kazele
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intensiven Kontaktes aus dem Lehrverhältnis nur dann nicht als Befangenheitsgrund betrachtet werden, wenn die entsprechende Prüfungsordnung gerade auf diesen Gesichtspunkt abstellt und daher die insofern bestehende Ausgangslage für jeden Prüfling gleich ist.
2. Wissenschaftliche Mitarbeit außerhalb des eigentlichen Ausbildungsverhältnisses Eine Besorgnis der Befangenheit wird aber regelmäßig dann gegeben sein, wenn die Beziehung zwischen Prüfer und Prüfung nicht nur auf dem mit der wissenschaftlichen Ausbildung an einer Hochschule naturgemäß verbundenen Lehrer-Schüler-Verhältnis beruht, sondern darüber hinausgeht. So etwa, wenn der Prüfling bei einer privaten Gutachtertätigkeit des Prüfers mitgewirkt hat. Hier ist die Gefahr, der Bevorzugung des betreffenden Prüflings wegen des engen Kontakts zu dem Prüfer aufgrund der Mitarbeit bei einer privaten Gutachtertätigkeit nicht von der Hand zu weisen. Sie kann aber etwa dann entfallen, wenn es sich lediglich um eine geringfügige, in der Vergangenheit liegende und bereits abgeschlossene Tätigkeit handelt 1 5 1 .
3. Zwistigkeiten unter den Prüfern Eine Gefahrenquelle für den Einfluß sachfremder Erwägungen auf eine Prüfungsentscheidung sind weiterhin Zwistigkeiten zwischen einzelnen Prüfern. Fraglich ist aber, ob zwischen den Prüfern bestehende Spannungen und Meinungsverschiedenheiten als solche schon den Schluß auf eine Beeinflussung der Prüfungsentscheidung durch sachfremde Erwägungen zulassen. Ein solcher Rückschluß kann entgegen vereinzelt gebliebener Stellungnahmen 1 5 2 nicht gezogen werden. Dies ergibt sich aus dem Umstand, daß das Prüfungsverfahren entscheidend durch den Bezug auf die Person des Prüflings und dessen Fähigkeiten gekennzeichnet ist. Er ist in die Zwistigkeiten nur mittelbar und regelmäßig auch nur partiell involviert, indem er sich die Ansichten eines Prüfers zu eigen macht. Daher müssen auch die Auswirkungen der Auseinandersetzungen auf die Beurteilung der Leistungen des Dritten in den Mittelpunkt der Problemlösung treten. Nur wenn dem Prüfling von einem Prüfer eine Note erteilt wird, um einen anderen Prüfer in der Person des Prüflings zu treffen, w i r d eine Besorgnis der Befangenheit anzunehmen sein 1 5 3 . Konkret werden insoweit die Maßstäbe objektiver und sachbezogener Prüfungsbeurteilung dann als verletzt angesehen werden müssen, wenn die gegenseitigen Angriffe der Prüfer während des Prü151 BVerwGE 16, 150 ff., 152. 152 So die — unveröffentlichte — Entscheidung des VG zitiert in: BVerwG, Urt. v. 20. 6. 1978, Buchholz 421.0, Nr. 94, S. 109. 153 BVerwG, Urt. v. 20. 6. 1978, Buchholz 421.0, Nr. 94, S. 109.
VI. Exkurs: Prüfungswesen
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fungsverfahrens die Gepflogenheiten des wissenschaftlichen Diskussionsprozesses verlassen, sie also insbesondere in eine persönliche Herabsetzung des Andersdenkenden gipfeln, vertretbare Ansichten unzureichend berücksichtigt und in polemischer Weise kommentiert werden 1 5 4 .
4. Die Wiederholungsprüfung Ein zentrales Problem ist die Frage, ob ein Prüfer denselben Kandidaten auch bei einer Wiederholungsprüfung beurteilen darf. Die überwiegende Meinung bejaht dies mit dem Hinweis darauf, es bestehe insoweit kein Erfahrungssatz, daß der Erstprüfer bei einer Wiederholungsprüfung dem Kandidaten eo ipso voreingenommen gegenübertrete 155 . Z u berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang insbesondere der Umstand, daß sich die Wiederholungsprüfung durch eine v ö l l i g neue Ausgangslage auszeichne. Die Prüfungsaufgaben seien andere, so daß die Leistungen des Prüflings aufgrund deren Bearbeitung bewertet werden müßten. Daher könne auch nichts aus den Normen der Prozeßordnungen, konkret den § § 2 3 StPO, § 41 Nr. 6 ZPO, für die Annahme einer Befangenheit des betreffenden Prüfers hergeleitet werden. Denn diese Normen beträfen stets nur die zweimalige Entscheidung in derselben Sache. Der Prüfer habe i m zweiten Prüfungsversuch eines Kandidaten aber über einen anderen Sachverhalt, nämlich die nunmehr gezeigten Leistungen zu befinden 1 5 6 . I m übrigen werde es der Prüfer u. U. als Bestätigung und Erfolg seiner ersten Entscheidung ansehen, wenn der Kandidat nun nach erneuter Vorbereitung bessere Leistungen gezeigt habe 1 5 7 . Indessen ist diese Sichtweise nicht überzeugend. Zwar kann in der Tat nicht davon ausgegangen werden, daß jeder einen Kandidaten zum zweiten M a l gegenüberstehende Prüfer diesem gegenüber Sympathien oder Antipathien hegt. Entscheidend unter dem Gesichtspunkt der Besorgnis der Befangenheit ist jedoch die reale Möglichkeit einer solchen Verhaltensweise. Hier ist zu berücksichtigen, daß sich infolge des ersten Prüfungskontaktes bei dem Prüfer eine bestimmte Meinung über den Kandidaten verfestigt haben kann, die dann auch bei der zweiten Prüfung eine Rolle spielt und umso gefährlicher ist, wenn sich der Prüfer ihrer nicht bewußt wird. Denn unbewußte Sympathien oder Antipathien lassen die Verantwortung des Prüfers erst gar nicht wach werden, die möglicherweise zu einer selbstkritischen Gerechtigkeit gemahnt hätten. Hinzu kommt in diesem Fall, daß der Kandidat vor unüberwindlichen Beweisschwierigkeiten steht 1 5 8 . 154 BVerwG, Urt. v. 20. 6. 1978, Buchholz 421.0, Nr. 94, S. 110. 155 Β FH, Bundessteuerblatt 1979, Teil II, S. 593 f., 594; OVG Münster, DÖV 1981, 587 f., 587. 156 Pietzcker, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung staatlicher Prüfungen, S. 135; OVG Münster, DÖV 1981, 587 f., 587. 157 Β FH, Bundessteuerblatt 1979, Teil II, S. 593 f., 594. 158 Becker, DÖV 1970, 730 ff., 733. 19*
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der Befangenheit
V o r diesem Hintergrund erscheint es daher durchaus sachgerecht auf den Rechtsgedanken der angeführten prozeßrechtlichen Regelungen Bezug zu nehmen. Abgesehen davon, daß man die Position des Prüfers dem Prüfling gegenüber aufgrund des bestehenden Beurteilungsspielraums als richterähnlich ansehen k a n n 1 5 9 , ist der von der überwiegenden Ansicht erhobene Einwand, es handele sich bei der Wiederholungsprüfung nicht um dieselbe Sache keineswegs zwingend. Wenn eine Prüfung dazu dient, bestimmte Eignungen und Fähigkeiten des Kandidaten nachzuweisen, das Prüfungsziel also in diesem Nachweis zu sehen ist, so handelt es sich gerade um dieselbe Sache. Die gestellten Prüfungsaufgaben dienen nur als M i t t e l zur Erreichung dieses Zwecks, der stets derselbe ist. Prüfungsaufgaben entsprechen insofern unter funktionalen Aspekten den Beweismitteln des Prozeßrechts. Gleichwohl ist die Heranziehung des in den einschlägigen Normen des Prozeßrechts zum Ausdruck gekommenen Gedankens nicht unproblematisch. Z u berücksichtigen ist nämlich, daß die Ausschlußgründe bewußt eine amtliche Vorbefassung in derselben Sache nicht in ihrem AnwenWendungsbereich einbeziehen und dieser gesetzgeberische W i l l e nicht durch die Heranziehung des Handlungsverbotes wegen einer Besorgnis der Befangenheit unterlaufen werden darf. Z u untersuchen ist daher, ob nicht gegenüber den anderen Fällen der amtlichen Vorbefassung, etwa den Fällen der Selbstkontrolle der Verwaltung, ein besonderer Rechtsgrundsatz das Handlungsverbot rechtfertigt. Z u berücksichtigen ist nämlich auch insoweit der Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge 1 6 0 . Vollzieht sich die Wiederholungsprüfung derart, daß der Prüfling mit Kandidaten, die ihren ersten Prüfungsversuch unternehmen, bei der Bearbeitung der gestellten Aufgaben teilnimmt und sich mit ihnen einer Prüfungskommission stellen muß, so stellt es einen Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit dar, wenn er einem Prüfer erneut gegenübersteht. Insoweit besteht die Gefahr, daß dieser Prüfer nicht ausschließlich das Ergebnis der erneuten Prüfungsleistung seiner Bewertung zugrundelegt, sondern auch Aspekte wirksam werden, die bereits bei dem ersten Prüfungskontakt gegen die Eignung und Befähigung des Kandidaten sprachen. Einer solchen Gefahr sind jedoch die anderen Prüfungskandidaten nicht ausgesetzt. Sieht die Prüfungsordnung demgegenüber vor, daß besondere Wiederholungsprüfungen stattfinden, an denen lediglich durchgefallene Kandidaten teilnehmen, so stellt es keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit dar, wenn die Prüfungen von denselben Prüfern durchgeführt werden. I n diesen Fällen müssen, wie bei anderen Fallgestaltungen weitere manifeste Gründe vorliegen, um eine Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. So etwa, wenn sich der Prüfer abfällig über den Kandidaten geäußert h a t 1 6 1 . 159 Becker, DÖV 1970, 730 ff., 734; Bartholomé, SKV 1972, 98 ff., 99. 160 Becker, DÖV 1970, 730 ff., 733. 161 Β FH, Bundessteuerblatt 1979, Teil II, S. 593 f., 594.
VI. Exkurs: Prüfungswesen
293
5. Nachholung einer Prüfung Auch für den Fall der Nachholung einer Prüfung wird die Ansicht vertreten, der Erstprüfer sei einem Handlungsverbot unterworfen. Der Argumentationsansatz ist auch hier i m Kern identisch mit der soeben behandelten Fallgruppe. Bei der Nachholung einer Prüfung handele es sich um dieselbe Sache, in der der Prüfer schon seine Meinung geäußert und zudem noch einen Fehler attestiert bekommen habe. Da die Prüfer regelmäßig auch weniger stark rechtlich gebunden seien als Richter, ihnen also ein großer Entscheidungsspielraum überlassen sei, erscheine es sachgerecht, die strenge Regelung des § 354 I I StPO auf das Prüfungswesen zu übertragen 1 6 2 . Die Heranziehung des § 354 I I StPO ist jedoch zur Lösung ungeeignet. Sie regelt die Zurückverweisung einer Sache an einen anderen Spruchkörper als den mit der Sache vorbefaßten. Sie schließt aber — folgt man der ganz herrschenden Auffassung — die M i t w i r k u n g des früheren Richters gerade nicht aus 1 6 3 . Insofern muß also nach einem anderen Ansatzpunkt gesucht werden. Zutreffend ist zunächst die These, wonach die Person des Prüfers ein Faktor ist, der sich nicht unwesentlich auf die Beurteilung der Prüfungsleistung auswirken kann. Denn diese ist nicht in vollem Umfang objektivierbar und kein ausschließlich nach exakten Grundsätzen ablaufender Vorgang, sondern notwendigerweise auch von den subjektiven Voraussetzungen in der Person des Prüfers beeinflußter A k t wertender Erkenntnis I 6 4 . Damit ist aber zugleich das Spannungsverhältnis des Unbefangenheitsprinzips zu einem weiteren das Prüfungsverfahren beherrschenden Grundsatz, nämlich dem der Chancengleichheit der Prüflinge angesprochen. Nach diesem Grundsatz muß das Prüfungs verfahren so gestaltet werden, daß alle Prüfungsteilnehmer in möglichst ungehinderten Wettbewerb die gleiche Chance haben, die ihren Fähigkeiten entsprechenden Leistungen zu erbringen. Damit muß aber zugleich eine unterschiedliche Beeinflussung der Prüfungsleistung und des Prüfungsergebnisses durch außerhalb ihrer Person liegende Umstände möglichst verhindert werden 1 6 5 . Infolgedessen müssen die Bearbeitungen aller Prüfungsteilnehmer zu einer bestimmten Aufgabe soweit irgend möglich von denselben Prüfern benotet werden. Für den Fall der Nachkorrektur bedeutet dies, daß auch insoweit i m Grundsatz die ursprünglichen Prüfer, welche die Arbeiten der anderen Teilnehmer am Wettbewerb zu derselben Aufgabe korrigiert haben, wieder einzusetzen sind. Der Umstand, daß die ursprüngliche Bewertung fehlerhaft war, kann vor diesem Hintergrund grundsätzlich nicht zu einem Handlungsverbot f ü h r e n I 6 6 . Eine Ausnahme ist lediglich dann zu machen, 162 Pietzcker, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung staatlicher Prüfungen, S. 135; Neufelder, BayVBl. 1973,151 ff., 153; Stüer, DÖV 1974,257 ff., 263. •63 Kleinknecht / Meyer, StPO, § 354 Rn. 39 mit zahlreichen Nachweisen. 164 VGH München, BayVBl. 1978, 214 f., 214; BayVBl. 1982, 85 f., 86. 165 VGH München, BayVBl. 1978, 214 f., 214; BayVBl. 1982, 85 f., 86.
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wenn der Mangel der Erstkorrektur selbst in einer Besorgnis der Befangenheit bestand oder das nunmehr an den Tag gelegte Verhalten des Prüfers einen entsprechenden Rückschluß zuläßt.
V I I . Besonderheiten des Kommunalrechts Nach der hier vertretenen Ansicht findet § 21 ( H ) V w V f G auch i m Kommunalrecht Anwendung. Dieses Handlungsverbot muß, wie aus den obigen Darlegungen, insbesondere zum Bewertungsmaßstab, hervorgeht, in den jeweiligen Kontext gestellt und entsprechend interpretiert werden.
1. Allgemeines Hinsichtlich der Heranziehung des § 21 ( H ) V w V f G i m Kommunalrecht sind also die Besonderheiten des kommunalen Willensbildungsprozesses zu berücksichtigen. Gemeint ist damit speziell der Willensbildungsprozeß in der Gemeindevertretung und ihren Organen, die durch einen zunehmenden parteipolitischen Einschlag gekennzeichnet ist. Die in der Gemeindevertretung vertretenen Parteimitglieder legen ihre Positionen in den zur Beratung und Entscheidung anstehenden Angelegenheiten in ihrer Fraktion, bestimmten Parteigremien oder parteipolitischen Arbeitskreisen fest 1 6 7 . Die Sitzung der Gemeindevertretung dient in der Folge lediglich der öffentlichen Darstellung der zuvor eingenommenen Positionen. Sie dient gewissermaßen als Forum der Fraktionen, ihre Argumente der Öffentlichkeit vorstellen. Ersichtlich kann hier die oben wiedergegebene Typologie nicht ohne Modifikationen übernommen werden. Deutlich w i r d dies etwa an der Fallgruppe der Festlegung des Amtsträgers auf eine vorzeitige Meinung zu einer bestimmten Angelegenheit. Bei der Anwendung des Handlungsverbotes wegen der Besorgnis der Befangenheit muß also stets der besondere politische Willensbildungsprozeß Beachtung finden. Die politischen Gruppierungen können und sollen in der Gemeindevertretung ihre politischen Überzeugungen und Interessen verfolgen.
2. Sonderproblem: Lobbygeldzahlungen Fraglich ist, wie Interessentenzahlungen an kommunale Amts- und Mandatsträger zu bewerten sind. Denkbar ist in Entsprechung zur Problematik des Parlamentsrechts einmal die Form, daß Funktionäre von Unternehmen, Wirtschaftsver166 BVerwG, DVB1. 1985, 1069 f., 1069; VGH München, BayVBl. 1978, 214 f., 214; BayVBl. 1982, 85 f., 86. 167 Wallerath, DÖV 1986, 533 ff., 537 f.
VII. Besonderheiten des Kommunalrechts
295
bänden oder Gewerkschaften, die in die Gemeindevertretung gewählt werden, ihre bisherigen Bezüge weiter erhalten, obwohl sie infolge der Übernahme des Mandats nur noch teilweise oder überhaupt nicht mehr in der Lage sind, ihre bisherigen Funktionen wahrzunehmen und die nach dem privatrechtlichen Vertrag geschuldeten Dienste zu leisten. Eine andere Form sind sog. Beraterverträge, mit denen Interessenten den Versuch unternehmen, Amts- und Mandatsträger finanziell an sich zu binden, wobei dessen eigentliche Gegenleistung i m Einsatz seines Einflusses für die Interessen des Financiers l i e g t 1 6 8 . Der dadurch begründeten Gefahr, daß Abgeordnete von einflußreichen Gruppen der Gesellschaft finanziell beeinflußt und somit in ihrer Unabhängigkeit beeinträchtigt werden, ist das B V e r f G in seinem Diätenurteil entgegengetreten. Danach sind Bezüge, welche Abgeordnete aus einem Angestelltenverhältnis, aus einem sog. Beratervertrag oder einem ähnlichen Rechtsgrund nur erhalten, w e i l von ihnen i m Hinblick auf ihr Mandat erwartet wird, sie würden i m Parlament die Interessen des zahlenden Arbeitgebers, Unternehmers oder der zahlenden Großorganisation vertreten und nach Möglichkeit durchzusetzen versuchen, mit dem unabhängigen Status des Abgeordneten und ihrem Anspruch auf gleichmäßige finanzielle Ausstattung in ihrem Mandat unvereinbar. Art. 48 I I I 1 i. V . m. Art. 3 8 1 2 G G und der formalisierte Gleichheitssatz verlangten gesetzliche Vorkehrungen gegen derartige Bezüge 1 6 9 . Zwar ist in der Professionalisierung des Abgeordnetenmandats und der ehrenamtlichen Ausgestaltung des Status des Gemeindevertreters insoweit ein Strukturunterschied i n den Volksvertretungen erkennbar. Doch rechtfertigt dieser keine abweichende Auffassung. Auch i m Kommunalrecht müssen Vorkehrungen gegen die von Lobbygeldzahlungen ausgehenden Gefahren getroffen werden, da hier ebenfalls der Grundsatz des freien Mandats g i l t 1 7 0 und zudem die Gefahr von Interessenkollisionen in erheblich weiterem Umfang besteht. Bevor der Blick auf die zur Verfügung stehenden Mechanismen gelenkt werden, müssen zunächst die Folgerungen, die aus dem vom B V e r f G aufgestellten Grundsatz zu ziehen sind, betrachtet werden. Der Ansicht von Henkel zufolge verlangt das Diätenurteil nur Vorkehrungen gegen Bezüge, die zwar ohne berufliche Gegenleistung, aber zudem mit der Absicht unzulässiger Einflußnahme auf die Mandatsausübung geleistet werden 1 7 1 . Diese nicht näher begründete Auffassung begegnet jedoch erheblichen Bedenken. Einmal in praktischer Hinsicht. Eine solche Absicht w i r d nämlich, auch wenn sie bestehen sollte, kaum jemals nachweisbar sein. Folge wäre also, daß das Postulat des B V e r f G weitgehend leerliefe 1 7 2 . Z u m anderen ist ein Vergleich mit den kommunalen Mitwirkungsverbot anzustellen. Hier begründet etwa schon die exponierte Stellung eines Arbeit•68 BK-v. Arnim, GG, Art. 48 Rn. 146. 169 BVerfGE 40,296 ff., 319; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG; Art. 48 Rn. 23. 170 γ. Arnim, JA 1986, 1 ff., 7. πι Henkel, DÖV 1977, 350 ff., 355. 172 BK-v. Arnim, GG, Art. 48 Rn. 150.
296
. Die
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der Befangenheit
nehmers nach § 2 5 1 Nr. 4 H G O dessen Ausschluß von der Beratung und Entscheidung einer seinen Arbeitgeber betreffenden Angelegenheit in der Gemeindevertretung. A l l e i n das wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnis und nicht ein subjektives Element bewirkt den Ausschluß. Nichts anderes kann daher in bezug auf Interessentenzahlungen gelten. Diese begründen grundsätzlich die Vermutung und die Gefahr, daß mit ihnen unangemessener Einfluß auf die Mandatsausübung genommen w i r d 1 7 3 . V o r diesem Hintergrund ist nun die Frage zu untersuchen, auf welcher Weise dieser Gefahrenlage begegnet werden kann. Festzuhalten ist insofern zunächst, daß die H G O keine spezielle N o r m enthält, die den Gemeindevertretern den Bezug von Vergütungen verbietet, welche i m Zusammenhang mit dem Mandat stehen und nicht dem Wert der von dem Amtsträger tatsächlich verrichteten Tätigkeit entsprechen. Dies nötigt i m Gegensatz zu v. A r n i m nicht zum unmittelbaren Rückgriff auf den v o m B V e r f G aufgestellten Verfassungsgrundsatz l 7 4 . Vielmehr ist zu fragen, ob nicht andere Mechanismen den Gefahren von Lobbygeldzahlungen begegnen können. Dies umso mehr als der Aspekt der gleichen finanziellen Ausstattung nicht auf die Gemeindevertretung übertragen werden kann. Maßgeblich auf dem Gebiet des Kommunalrechts ist allein die Verhinderung einer unsachlichen Einflußnahme auf den Willensbildungsprozeß der Gemeindevertretung. Damit gewinnt die Möglichkeit Bedeutung, der Gefahrenlage über die Statuierung von Mitwirkungsverboten zu begegnen. Soweit echte „ arbeitslose" Zahlungen vorliegen, fehlt es an dem nach § 25 I Nr. 4 H G O erforderlichen Beschäftigungsverhältnis. Da überdies § 25 I Nr. 6 H G O nur als begrenzter Auffangtatbestand hinsichtlich der Nrn. 1 bis 5 angesehen werden k a n n 1 7 5 , fehlt es insoweit an dem Einbezug von Interessentenzahlungen in den Anwendungsbereich des § 25 HGO. Der Gefahrenlage kann jedoch durch die Analogie zu § 2 1 H V w V f G entgegengetreten werden. Dabei bietet diese N o r m gegenüber den Ausschlußgründen zwei Vorteile. Einmal ist ihre Flexibilität hervorzuheben. So ist sie ausreichend flexibel, um auch „ arbeitslose' 4 Zahlungen, die generell von dritter Seite gewährt und auf eine normative Grundlage (Kirchengesetz, Tarifvertrag etc.) zurückgeführt werden können, von dem Handlungsverbot auszunehmen. Denn in diesem Falle w i r d die Vermutung der Einflußnahme ausnahmsweise entkräftet 1 7 6 . Z u m anderen ermöglicht es das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit aufgrund seines gegenüber den Ausschlußgründen breiteren funktionalen Ansatzpunktes — wenn auch in einem beschränkten Umfang — auch den Gefahren, die der Sachgebundenheit der Verwaltungstätigkeit drohen, zu begegnen. Damit verbleibt allein die Frage nach der Effektivität, mit welcher Handlungsverbote der Einflußnahme durch Interessentenzahlungen begegnen. Die Antwort 173 174 175 176
BK-v. Arnim, GG, Art. 48 Rn. 151. y. Arnim, JA 1986, 1 ff., 7. Siehe Kapitel C Erster Abschnitt VIII. 4. b. BK-v. Arnim, GG, Art. 48 Rn. 151.
VIII. Ausnahmen vom Handlungsverbot
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auf diese Frage setzt einen Vergleich mit dem Verbot und der Sanktionierung in Form der Abführung der Interessentenzahlungen voraus. A u c h ein solches Verbot kann allein nicht die Verfolgung von Drittinteressen in Volksvertretungen verhindern. Umgehungen, verdeckte Zuwendungen und damit nicht zuletzt der Verzicht auf Transparenz sind zu befürchten. Gegen sie schützen letztlich nur strafrechtliche Absicherungen, wie sie in einem bestimmten Umfang in den §§ 330 ff. StGB zu finden sind. Insoweit erscheint es in einem begrenzten System wie der Kommunalverwaltung wirksamer, Interessentenzahlungen mit Handlungsverboten zu belegen, die zudem der Öffentlichkeit zur Kenntnis kommen und auf die sie bei Wahlen entsprechend reagieren kann. Soweit diese Handlungsverbote sich nicht auf das Vorfeld der eigentlichen Entscheidungsfindung beziehen und insoweit nicht wirken können, manifestiert sich hier ein allgemeines Problem der Reichweite von Befangenheitsvorschriften. Z u bedenken ist jedoch, daß auch das Verbot von Interessentenzahlungen nicht als solches die M i t w i r k u n g und Einflußnahmen von Personen in Parteigremien und Arbeitskreisen, die eine Entscheidung vorbereiten helfen, verhindern kann. Das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit erscheint daher vor diesem Hintergrund als wirksames Instrument der Gefahr, die von Lobbygeldzahlungen ausgeht, zu begegnen.
V I I I . Ausnahmen vom Handlungsverbot I m Gegensatz zu den Ausschlußgründen enthalten die Vorschriften der § § 2 1 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 keine Ausnahmetatbestände. Offen ist damit, ob die Ausnahmen zu den Ausschlußgründen i m Wege der Analogie auf die Besorgnis der Befangenheit erstreckt werden können. Voraussetzung ist das Bestehen einer Analogiebasis. Diese wird man unter funktionalen Gesichtspunkten annehmen müssen. Hinsichtlich der Ausnahme bei Gefahr i m Verzug ergibt sie sich aus dem Gedanken der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Da beide Verbotsnormen das Handeln des potentiell befangenen Amtsträgers i m verwaltungsinternen Bereich unterbinden, ist dieser Aspekt in beiden Zusammenhängen i m gleichem Maße einschlägig. Auch der an sich wegen der Besorgnis der Befangenheit mit einem Handlungsverbot belegte Amtsträger darf analog §§ 20 I I I V w V f G e , 16 I I I SGB-X, 82 I I I A O Ί 1 unaufschiebbare Maßnahmen treffen 1 7 7 . Da die Ausnahme bei Vorliegen von Gruppeninteressen auch darauf beruht, daß der Amtsträger nicht frei von Umwelteinflüßen und milieubedingten Umständen ist, ist auch insoweit eine strukturelle Vergleichbarkeit gegeben. Analog §§ 20 I 3 V w V f G e , 16 I 3 S G B - X , 82 I 3 A O '77 und 25 I 2 H G O ist daher 177 Tipke/Kruse, AO, § 83 Anm. 1 a.
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. Die
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der Befangenheit
eine Befangenheit dann nicht zu besorgen, wenn der Amtsträger einer Berufsund Bevölkerungsgruppe angehört, deren gemeinsame Interessen durch die Angelegenheit berührt werden. Entsprechend den zu dieser Ausnahme Vorschrift gemachten Ausführungen kann insoweit ein Handlungsverbot nur dann angeordnet werden, wenn der Amtsträger über diesem Rahmen hinaus in einem besonderen Maße betroffen oder engagiert i s t 1 7 8 . Nichts anderes w i r d schließlich hinsichtlich der Ausnahmen bei Wahlen in den von den einzelnen Ausschlußgründen unterschiedlich bestimmten Umfang gelten. Insofern wäre nicht einzusehen, warum ein enger Freund des Kandidaten nicht an der Wahl teilnehmen könnte, dessen Angehöriger aber stimmberechtigt wäre.
178 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 45.
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit I . Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit 1. Die Verfahrenseinleitung Die Frage, ob eine Befangenheit — ein Ausschlußgrund oder eine Besorgnis der Befangenheit — mit der Konsequenz eines Mitwirkungsverbotes vorliegt, wird in einem besonderen Verfahren geprüft. Ausgelöst werden kann dieses Verfahren durch verschiedene Anlässe.
a. Auf Veranlassung
eines Verfahrensbeteiligten
aa. Formelles Ablehnungsrecht Praktisch am bedeutsamsten ist die Verfahrenseinleitung auf Veranlassung eines Beteiligten. Die V w V f G e des Bundes und der Länder räumen diesem lediglich i m förmlichen Verfahren vor Ausschüssen in § 71 I I I 1 das Recht ein, einen befangenen Amtsträger abzulehnen. Damit inhaltsgleich normiert die A O '77, der allerdings die Unterscheidung zwischen förmlichen und nicht-förmlichen Verfahren fremd ist, in § 84 S. 1, daß ein M i t g l i e d eines in einem Verwaltungsverfahren tätigen Ausschusses, das gemäß § 82 A O '77 einem Handlungsverbot in der Angelegenheit unterliegt oder bei dem eine Besorgnis der Befangenheit nach § 83 A O '77 besteht, abgelehnt werden kann. Eine dem entsprechende Regelung fehlt i m S G B - X ebenso wie i m Kommunalrecht. Dieses Ablehnungsrecht setzt nicht voraus, daß der Beteiligte eine Entscheidung zu seinem Nachteil befürchten muß. Vielmehr ist eine Beschwer hier eo ipso unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfolgen der Verletzung des Mitwirkungsverbotes gegeben. Hinzuweisen ist hier auf die möglicherweise nach §§ 44 I V w V f G e , 125 I A O '77 gegebene Nichtigkeit der Entscheidung 1 sowie auf die Befugnis der Behörde, die unter Verletzung des Unbefangenheitsprinzips ergangene Entscheidung nach § § 4 8 V w V f G e , 130 A O '77 zurückzunehmen 2 . W i e aus dem Wortlaut der angeführten Vorschriften folgt, kann lediglich ein Mitglied, nicht aber der Ausschuß als solcher abgelehnt werden. Ein derartiges
• Zu der möglichen Nichtigkeit vgl. Kapitel G II. 1. a. 2 Kopp, VwVfG, § 71 Rn. 18.
300
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
Ablehnungsgesuch w i r d jedoch i m Zweifel dahingehend auszulegen sein, daß die einzelnen Mitglieder des Ausschusses abgelehnt werden 3 . Hinsichtlich des Ablehnungsgesuchs ist weiter zu beachten, daß dieses gemäß §§ 71 I I I 2 V w V f G e , 84 S. 2 A O '77 vor der mündlichen Verhandlung schriftlich oder zur Niederschrift ( § § 6 4 V w V f G e ) zu erklären ist. Diese Förmlichkeit ist auch dann zu beachten, wenn eine mündliche Verhandlung nicht stattfindet (§§ 67 I I V w V f G e ) oder diese vor dem Zeitpunkt, in dem der Beteiligte Kenntnis von dem Ablehnungsgrund erlangt, bereits stattgefunden hat 4 . Aus der Formulierung des Satzes 2 ergibt sich ferner, daß der Ablehnungsantrag in der mündlichen Verhandlung auch mündlich erklärt werden kann. Ob die entsprechende Erklärung ausdrücklich zur Niederschrift abgegeben werden muß, kann insoweit dahinstehen, da der Antrag jedenfalls nach §§ 68 I I I 2 Nr. 3, 93 S. 2 Nr. 3 V w V f G e von Amts wegen in die Verhandlungsniederschrift aufzunehmen ist 5 . Zweifelhaft ist schließlich, ob der Ablehnungsantrag eine Begründung enthalten muß. Diese Frage w i r d mit dem Hinweis auf den Wortlaut des Gesetzes, das keine derartige Verpflichtung enthält, verneint. Der Ausschuß müsse daher ggfs. selbst nach §§ 24 V w V f G e , 88 A O '77 die Gründe feststellen. Gebe jedoch der Antragsteller auf entsprechende Fragen des Vorsitzenden oder einzelner Mitglieder keinerlei sachdienliche Begründung, so könne der Ausschuß nach allgemeinen Grundsätzen auf weitere eigene Ermittlungen verzichten und den Antrag nach § 71 I I I 4 i. V . m. §§ 20 I V 2 - 4 V w V f G e bzw. § 84 S. 4 i. V . m. § 82 I I I 2 - 4 A O '77 als unbegründet ablehnen oder diesen ohne ausdrückliche Entscheidung unberücksichtigt lassen 6 . Der Ansatz dieser Ansicht ist jedoch fragwürdig. Die fehlende Begründungspflicht ist nicht als Ausdruck einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers zu werten. Vielmehr ist die Regelung lükkenhaft. Erkennbar w i r d dies durch einen Vergleich mit den Regelungen der § § 2 1 I 1 V w V f G e , 83 I 1 A O '77. W i e i m einzelnen noch zu zeigen sein wird, wählt der Gesetzgeber in diesen Vorschriften mit der Statuierung einer Unterrichtungspflicht ein alternatives rechtstechnisches M i t t e l zum formellen Ablehnungsrecht. Diese w i r d aber bei der Verfahrenseinleitung durch Beteiligte nur dann ausgelöst, wenn Tatsachen behauptet werden, die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Insofern würde man nun einmal eine Begründungspflicht verlangen, sie jedoch i m anderen Fall für entbehrlich halten, obwohl in beiden Fällen lediglich ein Unterschied unter Rechtsschutzgesichtspunkten besteht 7 . Bestätigt w i r d dies zudem durch einen B l i c k auf die Vorschriften des gerichtlichen Verfahrensrechts. I m Gegensatz zu diesen enthalten die V w V f G e ebensowe3 Kopp, VwVfG, § 71 Rn. 20; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, vor § 41 Anm. 1. 4 Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, §71 Rn. 10; Kopp, VwVfG, §71 Rn. 21; Obermayer, VwVfG, § 71 Rn. 37. 5 Kopp, VwVfG, § 71 Rn. 22. 6 Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 71 Rn. 10; Kopp, VwVfG, § 71 Rn. 23. 7 Siehe unten II. 1. b.
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
301
nig wie die A O '77 Regelungen hinsichtlich des ÜberprüfungsVerfahrens. U n d dies sowohl i m Zusammenhang mit dem nicht-förmlichen wie dem förmlichen Verwaltungsverfahren, so daß dieser Unterschied zum gerichtlichen Verfahrensrecht nicht auf die unterschiedliche Ausgestaltung der Verfahrensarten zurückgeführt werden kann. Da in den Fällen eines formellen Ablehnungsrechts eine mit dem Prozeßrecht vergleichbare Verfahrenssituation festzustellen ist, ist die Lücke hinsichtlich der Begründungspflicht in Analogie zu §§ 26 I I 1 StPO, 44 I I 1 ZPO zu schließen 8 . bb. Formelles Ablehnungsrecht allgemein in „förmlichen" Verwaltungsverfahren Zur Diskussion zu stellen ist die Frage, ob die Einräumung eines formellen Ablehnungsrechts auf die Fälle beschränkt bleiben kann, in denen durch eine Rechtsvorschrift die Anwendung der § § 6 4 bis 71 V w V f G e angeordnet wird. Diese in § § 6 3 I V w V f G e normierte Voraussetzung hat zur Folge, daß das förmliche Verfahrensrecht nur bei Gesetzen Anwendung findet, die nach dem Inkrafttreten am 1. 1. 1977 9 die Durchführung eines förmlichen Verfahrens anordnen, ohne dessen Einzelheiten zu regeln. Die Anordnung der Anwendbarkeit kann sich dabei auch auf einzelne Vorschriften beschränken 10 . Folge dieses Erfordernisses ist, daß das förmliche Verfahren der V w V f G e nicht eo ipso an die Stelle entsprechender Regelungen in anderen, insbesondere älteren Gesetzen tritt oder gar die Normierung
künftiger
förmlicher
Verwaltungsverfahren
hindert. 1 1 Ein Problem entsteht nun dann, wenn ein Verwaltungsverfahren in diesen Fällen förmlich ausgestaltet ist, jedoch Lücken bestehen und kein Verweis auf das förmliche Verfahren der V w V f G e vorhanden ist. Bezogen auf den hier interessierenden Zusammenhang lautet die Frage wie folgt: Können für den Fall, daß ein Verfahren spezielle Förmlichkeiten vorschreibt, aber kein Ablehnungsrecht bei möglicher Befangenheit von Amtsträgern vorsieht, die § § 7 1
III
V w V f G e analog herangezogen werden? Die Rechtsprechung des B V e r w G läßt in Übereinstimmung mit der Literatur 1 2 eine Analogie zu einzelnen Regelungen der §§ 6 3 - 7 1 V w V f G e i m Fall auftreten8
Vgl. unten I. 5. a. zur generellen Möglichkeit einer Analogie zum Prozeßrecht. 9 Knack-Busch, VwVfG, §63 Rn. 3.1; Meyer/Borgs, VwVfG, §63 Rn. 6; Ule/ Laubinger, Verwaltungs verfahrensrecht, § 32 II; weitergehender auf den Zeitpunkt des Erlasses am 29. 5. 1976 abstellend: Kopp, VwVfG, § 63 Rn. 4; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG,§ 63 Rn. 5; Obermayer, VwVfG, § 63 Rn. 14. •o Obermayer, VwVfG, §63 Rn. 16; Kopp, VwVfG, §63 Rn. 4; Meyer/Borgs, VwVfG, § 63 Rn. 6; kritisch insoweit: Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 63 Rn. 7; Knack-Busch, VwVfG, § 63 Rn. 5. u Kopp, VwVfG, § 63 Rn. 3. 12 Kopp, VwVfG, § 63 Rn. 5; Knack-Busch, VwVfG, § 63 Rn. 3.1; Meyer/Borgs, VwVfG, § 63 Rn. 6.
302
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
der Lücken dann zu, wenn in den betreffenden Regelungen allgemeine Rechtsgedanken zum Ausdruck k o m m e n 1 3 . Gerade dies ist jedoch i m Hinblick auf ein Ablehnungsrecht wegen möglicher Befangenheit von Amtsträgern streitig. Das B V e r w G hat i m Zusammenhang mit dem Prüfungsrecht den Standpunkt bezogen, das Ablehnungsrecht beruhe nicht auf einem rechtsstaatlich gebotenen Gedanken von allgemeiner rechtlicher Bedeutung. Vielmehr sei es dem Prüfungsrecht seinem Wesen nach fremd. Eine Prüfung diene nicht der Herstellung des Rechts und damit des Rechtsfriedens, wie es für das gerichtliche Verfahren typisch sei, sondern dem Erwerb einer beruflichen Berechtigung. Deshalb sei das Prüfungswesen Teil der vollziehenden Gewalt, gegen deren Entscheidungen Rechtsschutz nach Art. 19 I V G G gewährt werde 1 4 . Indessen überzeugt dieser Verweis auf die Möglichkeit einer repressiven Kontrolle nicht. Sie übersieht einmal deren Nachteile gegenüber der präventiven Kontrolle i m Hinblick auf bestehende administrative Letztentscheidungsermächtigungen sowie i m Hinblick auf eine eventuelle faktische Präjudizwirkung einer einmal getroffenen Entscheidung. Z u m anderen — und dies ist gerade das Paradoxe an dieser Entscheidung — soll derjenige dessen Interessen am unmittelbarsten durch die potentielle Befangenheit eines Amtsträgers beeinträchtigt werden, keinen entscheidenden Einfluß auf dessen M i t w i r k u n g haben können 1 5 . I m Gegensatz zu der K r i t i k von Besehe 1 6 führt eine solche Auffassung zu einer nicht unerheblichen Relativierung des verfassungsrechtlich gebotenen Unbefangenheitsprinzips. Der allgemeinen Geltung dieses Grundsatzes auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts ist nicht bereits damit genüge getan, daß objektiv-rechtlich ein derartiges Verbot statuiert wird. Hinzutreten muß vielmehr auch die Möglichkeit einer effektiven Durchsetzung für den betroffenen Bürger 1 7 . Vorgegeben ist damit aber lediglich das Erfordernis einer Einflußnahmemöglichkeit bereits i m Stadium des Verwaltungsverfahrens, nicht jedoch — und darin ist Besehe zuzustimmen 1 8 — die Übertragung des formellen Ablehnungsrechts des Prozeßrechts auf das Verwaltungs verfahren. Der Gesetzgeber hat diesem Erfordernis nunmehr durch die Statuierung einer Unterrichtungspflicht der zur Entscheidung über die Rechtsfolgen einer Befangenheit zuständigen Stelle durch den bezichtigten Amtsträger bei Behauptung einer Besorgnis der Befangenheit ausdrücklich i m Rahmen der §§ 21 V w V f G e , 83 A O '77, 17 S G B - X Rechnung getragen. Angesichts dieser nunmehr erfolgten Regelung, die — wie unten noch auszuführen sein w i r d 1 9 — von allgemeiner Bedeutung ist, erscheint es fraglich, ob die 13 BVerwGE 55, 299 ff., 304. 14 BVerwGE 29, 70 ff., 71; BVerwG, Urt. v. 22. 10. 1975, Buchholz, 421.0 Nr. 66; im Anschluß daran auch Β FH, BStBl. 1979 Teil II, 593 f., 594; vgl. auch BVerwG, N V w Z 1988, 66 f., 66 im Zusammenhang mit einer dienstlichen Beurteilung. 15 Dagtoglou, Festgabe Forsthoff, 1967, 65 ff., 83. 16 Besehe, DÖV 1972, 636 ff., 637. 17 Dagtoglou, JZ 1971, 258 ff., 259; Kirchhof, VerwArch. 66 (1975), 370 ff., 382. is Besehe, DÖV 1972, 636 ff., 637.
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
303
in der Literatur i m Gegensatz zu der Rechtsprechung des B V e r w G eingenommene Position, wonach zumindest in den Fällen einer administrativen Letztentscheidungsermächtigung ein subjektives Ablehnungsrecht des betroffenen Bürgers bestehen müsse, noch vertreten werden kann. Begründet wurde dies weitgehend damit, daß die Tätigkeit des Amtsträgers in diesen Fällen der eines Richters vergleichbar sei 2 0 . Nach dem Erlaß der V w V f G e stellt sich die dieser Diskussion zugrunde liegende Frage anders. Nicht mehr die Frage einer Analogie zu den Ablehnungsrechten des Prozeßrechts ist von Interesse, sondern die, ob die Statuierung eines subjektiven Ablehnungsrechts in den §§ 71 I I I V w V f G e auf den durch §§ 63 I V w V f G e vorgegebenen Bereich beschränkt bleiben kann. Dabei ist eine Akzentverschiebung festzustellen. I n den Hintergrund tritt die Vergleichbarkeit der Verwaltungstätigkeit mit derjenigen eines Richters. Statt dessen gewinnt die Modellvorstellung der § § 6 3 - 7 1 V w V f G e für das förmliche Verfahren und der hinter ihr stehende Gedanke Bedeutung. Der Grundgedanke, der sich insoweit manifestiert, ist maßgeblich dadurch bestimmt, daß das förmliche Verwaltungsverfahren als Ausnahme nur in besonders wichtigen Angelegenheiten stattfinden soll. Entsprechend der amtlichen Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes sind darunter etwa Fälle zu verstehen, in denen die Verwaltung einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen vornehmen w i l l oder dieser erhebliche Auswirkungen auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse haben k a n n 2 1 . Sind dies die hinter dem gesetzlichen M o d e l l des förmlichen Verfahrens stehenden Vorstellungen des Gesetzgebers, so setzt eine Analogie zunächst eine strukturelle und wertungsmäßige Vergleichbarkeit anderer Regelungszusammenhänge mit dieser Modellvorstellung voraus. Ist dies die Analogiebasis, so kann es für die Zulässigkeit einer Analogie zu §§ 71 I I I V w V f G e nur darauf ankommen, ob diese Regelung vor dem Hintergrund der neuen Rechtslage als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens angesehen werden kann. M i t anderen Worten ist hier zu untersuchen, welche Gründe für und gegen die Lückenschließung durch das nicht-förmliche Verfahrensrecht sprechen. Die Beantwortung dieser Frage setzt zunächst einen Vergleich m i t der Möglichkeit der Einflußnahme des Beteiligten i m nicht-förmlichen Verfahren voraus. Dabei soll hier von der unten 2 2 noch zu belegenden These ausgegangen werden, daß sich die Einwirkungsmöglichkeit i m nicht-förmlichen Verfahren von einem subjektiven Ablehnungsrecht lediglich durch den Aspekt der isolierten Durchsetzbarkeit unterscheidet. Der Grund für diese Differenzierung ist in der Befürchtung des Gesetzgebers zu sehen, eine mißbräuchliche Ausnutzung des 19 Nachfolgend cc). 20 Besehe, DÖV 1972, 636 ff., 638; Kirchhof, VerwArch. 66 (1975), 370 ff., 382; weitergehend Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, 65 ff., 85 f. 21 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 63 Rn. 7; Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/910, S. 77. 22 Siehe unten II. 1. b.
304
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
Ablehnungsrechts führe zu einer Verfahrensverschleppung und zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung 2 3 . Diese Überlegungen sind jedoch nicht stichhaltig. Einmal treten mißbräuchliche Ablehnungsgesuche auch auf dem Gebiet des Prozeßrechts auf, denen dort durchaus wirksam begegnet w i r d 2 4 . Z u m anderen gewinnt inzwischen die Erkenntnis an Boden, daß eine gewisse Formalisierung des Verwaltungsverfahrens infolge einer stärkeren Betonung der Position des Bürgers nicht als Hindernis für eine flexible Verwaltungstätigkeit erscheint 2 5 . Entscheidend ist jedoch — abgesehen von der rechtspolitischen Fragwürdigkeit dieser Regelung — , daß die Situation in nichtförmlichen Verfahren und einem mit besonderen Förmlichkeiten ausgestalteten Verfahren nicht recht vergleichbar ist. Die Differenzierung zwischen nicht-förmlichen und förmlichen Verfahren beruht entscheidend m i t auf dem Gedanken, daß Verwaltungsverfahren i m Gegensatz zu Gerichtsverfahren nicht a priori auf Konfliktlösung ausgerichtet sind. In der Konsequenz dieser Aussage liegt es daher, daß Verwaltungsverfahren in der ganz überwiegenden Zahl ihrer Fälle mangels Austragung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörde und Bürger nach außen hin ohne sichtbare Relevanz von Verfahrens Vorschriften ablaufen 2 6 . Dieser Bereich des nicht-förmlichen Verwaltungsverfahrens unterscheidet sich dadurch aber gerade von demjenigen des förmlich ausgestalteten Verwaltungsverfahrens. Sichtbaren Ausdruck findet dies in den
Strukturelempn.
ten des förmlichen Verfahrens nach § § 6 3 ff. V w V f G e . Hinzuweisen ist dabei insbesondere auf die Vorschriften über die Form des Antrags (§§ 64 V w V f G e ) , die Mitwirkungspflicht von Zeugen und Sachverständigen (§§ 65 V w V f G e ) , die mündliche Verhandlung (§§ 67,68 V w V f G e ) , die Entscheidung und ihre Anfechtung (§ § 69,70 V w V f G e ) und das Verfahren vor Ausschüssen ( § § 7 1 V w V f G e ) 2 7 . M i t vergleichbaren Strukturelementen ausgestattete „förmliche" Verwaltungsverfahren finden sich in zahlreichen Spezialgesetzen. So etwa in §§ 104 ff. BauGB für das Enteignungsverfahren, in § 10 BImschG für das Anlagegenehmigungsverfahren, in §§ 16 ff. W P f l G für das Musterungsverfahren, i m K D V N G für das Verfahren zur Anerkennung von Kriegsdienstverweigerern. Ebenso sind regelmäßig Prüfungsverfahren, insbesondere, wenn sie zu einem Abschluß führen, förmlich ausgestaltet. Genannt sei als Beispiel das HessJAG in Verbindung mit der HessJAO. In diesen wie auch in vergleichbaren Fällen „förmlicher" Verwaltungsverfahren erscheint es nun sachgerechter, das Ablehnungsrecht der § § 7 1 I I I V w V f G e analog anzuwenden, statt die Regelungen des nicht-förmlichen Verwaltungsverfahrens subsidiär heranzuziehen. Dies folgt aus der Schwere der 23 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, B T / Drucksache 7/910, S. 47. 24 Dagtoglou, Festgabe für Forsthoff, 1967, 65 ff., 84. 25 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 45 m. w. Nw. 26 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 45 mit FN 131. 27 Martens, Die Praxis des Verwaltungs Verfahrens, Rn. 45 FN 132; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 4.
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
305
Rechtsbetroffenheit der an dem entsprechenden Verwaltungsrechtsverhältnis beteiligten Personen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, daß die förmliche Ausgestaltung des Verfahrens als Reaktion auf die Grundrechtsrelevanz der zu treffenden Entscheidung zu denken ist. Unmittelbar einsichtig ist dies — um bei den genannten Beispielen zu verbleiben — beim Enteignungsverfahren i m Hinblick auf Art. 14 GG, bei Prüfungsverfahren i m Hinblick auf Art. 12 I G G oder bei der Anerkennung von Kriegsdienstverweigerern i m Hinblick auf Art. 12a I I GG. Z u berücksichtigen sind aber auch die mit der Ableistung des Wehrdienstes verbundenen Grundrechtseingriffe sowie — i m Hinblick auf Art. 2 I I 1 G G — die von einer Anlage ausgehenden Gesundheitsgefahren. Die Eingriffsintensität in die geschützte Rechtsposition des Betroffenen erreicht bei den insoweit zu treffenden Entscheidungen einen derartigen Umfang, daß die Statuierung förmlicher Verfahrensregelungen Ausdruck der erhöhten Schutzbedürftigkeit des Betroffenen ist. V o r diesem Hintergrund erscheint es i m Hinblick auf die M i t w i r kung eines Befangenen nicht angängig, dem Betroffenen auf den Weg der Anfechtung der abschließenden Entscheidung zu verweisen, wenn er mit der Behauptung eines Befangenheitsgrundes nicht durchdringt. W i l l nämlich das Unbefangenheitsgebot einer falschen Entscheidung vorbeugen, so muß dies ab einer bestimmten Eingriffsintensität zu einer isolierten Durchsetzungsmöglichkeit des Handlungsverbotes führen, da es den Betroffenen angesichts der schon angeführten Nachteile einer repressiven Kontrolle nicht zugemutet werden kann, einer potentiell rechtswidrigen Entscheidung ins Auge zu sehen. Ganz auf dieser Linie liegt auch die Rechtsprechung des B F H zu der sinngemäßen Anwendung des subjektiven Ablehnungsrechts des § 84 S. 1 A O '77 auf die Steuerberaterprüfung. Unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen auf der Rechtsprechung des B V e r w G fußenden Ansicht hat der B F H diese Vorschrift nicht als Ausfluß spezifischer Gegebenheiten bei der Steuererhebung interpretiert, sondern ihr vielmehr eine allgemeine Bedeutung zugemessen. Bestätigt werde dies dadurch, daß der Gesetzgeber diese Vorschrift in die A O '77 aufgenommen habe, obwohl es gegenwärtig keine Steuerausschüsse mehr gebe. Zudem könne, was für die Ablehnung von Ausschußmitgliedern i m allgemeinen Verwaltungsverfahren gelte, auch für das Prüfungsverfahren Geltung beanspruchen 28 . Der B F H hat dabei zentral auf die erhebliche Bedeutung der Prüfungsentscheidungen für die Betroffenen, also dem Element, das mit entscheidend für die besondere Normierung eines förmlichen Verwaltungsverfahrens in den V w V f G e n war, abgehoben. Sie erfordere in erhöhtem Maße den Schutz der Prüfungskandidaten vor Mitgliedern des Prüfungsausschusses, bei denen die Besorgnis der Befangenheit bestehe 29 . Nichts anderes w i r d vor dem beschriebenen Hintergrund ganz allgemein i m Hinblick auf Prüfungs- und andere förmlich ausgestaltete Verwaltungs verfahren gelten können. 28 BFH, BStBl. 1983 Teil II, 344 ff., 346. 29 BFH, BStBl. 1983 Teil II, 344 ff., 346. 20 Kazele
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
306
cc. Die Behauptung einer Befangenheit als auslösendes Moment Einen rechtstechnisch anderen Ansatzpunkt wählen § § 2 1 I 1 V w V f G e , 17 I 1 S G B - X und 83 I 1 A O '77. Diese Vorschriften verschaffen ihrem Wortlaut zufolge kein förmliches Ablehnungsrecht, sondern stellen zunächst nur klar, daß der Verfahrensbeteiligte behaupten kann, es liege i m Hinblick auf den zuständigen Amtsträger ein Grund vor, der geeignet sei, Mißtrauen gegen seine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. W i e aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften und einem Umkehrschluß aus §§ 71 I I I V w V f G e , 84 S. 1 A O '77 folgt, wollte der Gesetzgeber mit dieser Formulierung bewußt von der Normierung eines subjektiven Ablehnungsrechts Abstand nehmen 3 0 . U m gleichwohl dem Verfahrensbeteiligten eine Einflußmöglichkeit einzuräumen, wurde die Verpflichtung des betroffenen Amtsträgers statuiert, die zur Anordnung eines M i t w i r kungsverbotes zuständige Stelle zu unterrichten, wenn von einem Beteiligten das Vorliegen eines die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden Grundes behauptet wird. Keine derartige Einwirkungsmöglichkeit der Beteiligten findet sich bei den Ausschlußgründen der §§ 2 0 1 V w V f G e , 161 S G B - X und 821 A O '77 hinsichtlich des monokratischen Amtsträgers. Dagegen läßt sich eine solche bei Ausschußmitgliedern über die Regelung der §§ 20 I V 1 2. Alternative V w V f G e , 16 I V 1 2. A l t . S G B - X und 82 I I I 1 2. A l t . A O '77 begründen. Danach lösen bei einem Ausschußmitglied Zweifel über das Vorliegen eines Ausschlußgrundes, also auch jene, durch die Behauptung eines Beteiligten erzeugten, die Unterrichtungspflicht aus. Diese Regelung gilt über die Verweisung der § § 2 1 I I V w V f G e , 17 I I SGBX und 83 I I A O '77 auch i m Rahmen einer Besorgnis der Befangenheit. Fraglich ist danach also lediglich die Fallkonstellation, in der Zweifel oder Uneinigkeiten über das Vorliegen eines Ausschlußgrundes bei einem monokratischen Amtsträger durch das Vorbringen eines Beteiligten entstehen. Unzweifelhaft besteht auch in diesen Fällen keine alleinige Prüfungskompetenz des betroffenen Amtsträgers. Andernfalls würde ein eklatanter Wertungswiderspruch auftreten. Der Amtsträger wäre dann verpflichtet, bei einer Behauptung einer Besorgnis der Befangenheit die Entscheidung des Behördenleiters einzuholen. Bei einem Vortrag hingegen, der zu Zweifeln hinsichtlich des Vorliegens eines Ausschlußgrundes führt, würde ihm die Entscheidung belassen, obwohl insoweit nach der gesetzlichen Vorstellung eine stärkere Form der Interessenkollision vorliegt. Fraglich kann somit nur die Bewältigung dieser Problemlage sein. Nicht weiter führt der Gedanke, daß der Gesetzgeber i m Rahmen der Ausschlußgründe deshalb auf eine ausdrückliche Regelung verzichten konnte, weil auch hier eine Befreiung nach den beamtenrechtlichen Regelungen (§§ 59 I B B G , 73 I H B G ) 30 Amtliche Begründung des Entwurfs eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/910, S. 47; BFHE 133, 340 ff., 342.
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
307
erforderlich i s t 3 1 und insoweit eine Prüfung seitens des Behördenleiters erfolgt. Denn es geht in diesem Zusammenhang nicht darum, ob überhaupt ein Überprüfungsverfahren stattfindet, sondern in dem Mittelpunkt der Überlegungen steht der Aspekt einer Unterrichtungspflicht des betroffenen Amtsträgers wegen einer entsprechenden Behauptung eines Beteiligten als Korrelat für ein Ablehnungsrecht. Für die Frage des Einflusses des Beteiligten auf eine Unterrichtungspflicht geben diese Normen nichts her. Eine solche Einwirkungsmöglichkeit kann nur durch eine Analogie zu den §§ 20 I V 1 2. Alt., 2 1 1 1 2 . A l t . V w V f G e sowie den diesen Regelungen entsprechenden Vorschriften des S G B - X und der A O '77 sichergestellt werden. Als Ergebnis ist daher insoweit festzuhalten, daß Verfahrensbeteiligte durch die Behauptung des Vorliegens einer Befangenheit — sei es eines Ausschlußgrundes, sei es einer Besorgnis der Befangenheit — sowohl bei monokratischen Amtsträgern als auch bei Ausschußmitgliedern eine Unterrichtungspflicht und in der Folge ein Überprüfungsverfahren durch die zuständige Stelle auslösen können. Vergleicht man diese Form der Einwirkungsmöglichkeit des Beteiligten i m nicht-förmlichen Verfahren mit dem formellen Ablehnungsrecht der § § 7 1 I I I V w V f G e , 84 S. 1 A O '77, so liegt in materieller Hinsicht ein Gleichlauf vor. Die Behauptung eines Verfahrensbeteiligten, ein Befangenheitsgrund liege vor, läßt die Verpflichtung des Amtsträgers entstehen, die zur Anordnung eines Mitwirkungsverbotes zuständige Stelle zu unterrichten, die ihrerseits zu einer Prüfung und Entscheidung 3 2 verpflichtet ist. Genau diese Pflichtenbindung des Verfahrensablaufs entspricht derjenigen, die auch ein formelles Ablehnungsrecht kennzeichnet. Die gegenteilige Ansicht, die diese Verfahrensgestaltung i m Gegensatz zu einem formellen Ablehungsrecht lediglich als eine Anregung zur Prüfung des Vorliegens eines Befangenheitsgrundes begreift 3 3 , steht mit dem Wortlaut und der Funktion nicht i m Einklang. Handelte es sich bei dieser Verfahrensgestaltung lediglich um eine Anregung, so wäre die Regelung unverständlich. Denn dem Beteiligten ist es auch ohne besondere Rechtsgrundlage stets möglich, Anregungen vorzubringen, die die Behörde aufgreifen kann oder nicht. M i t der Regelung sollte aber gerade eine Verpflichtung der zuständigen Stelle zur Prüfung der Behauptung des Beteiligten verbunden werden, um diesen auch ohne ein formelles Ablehnungsrecht eine Einwirkungsmöglichkeit zu geben. Deutlichen Ausdruck findet dies in der strengen Fassung der Unterrichtungspflicht, die nicht i m Ermessen des betroffenen Amtsträgers steht. Wenn gleichwohl ein qualitativer Unterschied zum formellen Ablehnungsrecht festzustellen ist, so folgt dieser
31 Siehe Kapitel Β II. 3. 32 Die Entscheidung muß nicht vor der Sachentscheidung, sondern kann mit dieser zusammen ergehen. Anders im Rahmen der §§71 I I I VwVfGe: so jedenfalls Obermayer, VwVfG, § 71 Rn. 42. 33 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 12 I I 4 c, I I I 2. 20*
308
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
lediglich — wie unten noch i m einzelnen zu zeigen sein w i r d 3 4 — aus dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzmöglichkeiten des Verfahrensbeteiligten. Die in dem nicht-förmlichen Verwaltungsverfahren bestehende rechtstechnische Ausgestaltung der Einwirkungsmöglichkeit des Beteiligten läßt sich vor diesem Hintergrund als zurückgeschnittenes, kupiertes Ablehnungsrecht charakterisieren.
b. Fälle der „Selbstablehnung
"
Ein Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit wird auch durch die sog. „Selbstablehnung" eines Amtsträgers eingeleitet. Ausdrücklich ist dies in §§ 21 I 1 1. A l t . V w V f G e , 17 I 1 1. A l t . S G B - X und 83 I 1 1. A l t . A O '77 verankert. Danach hat derjenige Amtsträger, der in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder dessen Beauftragten von einem vorliegenden Befangenheitsgrund zu unterrichten. Eine derartige Mitteilungspflicht sehen ebenfalls unabhängig von der Behauptung Dritter die § § 2 5 I V 1 H G O , 2 0 I V 1 V w V f G e , 16 I V 1 S G B - X und 82 I I I 1 A O '77 für Mitglieder von Kollegialorganen vor. A u c h sie trifft eine Pflicht zur Mitteilung aller Umstände, die den Tatbestand eines Ausschlußgrundes oder i m Bereich der Verweisung der Abs. 2 der §§ 21 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 den Tatbestand einer Besorgnis der Befangenheit erfüllen. Dies gilt nach den oben Gesagten auch aufgrund des Erfordernisses der Befreiung nach § 59 I B B G sowie den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften für den monokratischen Amtsträger, der zu der Erkenntnis gelangt ist, i m Hinblick auf seine Person liege ein Ausschlußgrund vor. Schließlich berührt auch das Ablehnungsrecht nach § § 7 1 I I I V w V f G e , 84 S. 1 A O '77 nicht das Recht und die Pflicht betroffener Amtsträger zu sog. „Selbstablehnung" 3 5 . Dies folgt einmal aus den Schutzzwecken des Unbefangenheitsprinzips. Nicht nur, daß dieses den Amtsträger vor Gewissenskonflikten bewahren w i l l , sondern auch der objektiv-rechtliche Aspekt der Absicherung der Sachrichtigkeit der Entscheidungsfindung ist insoweit einschlägig. So etwa, wenn daran gedacht wird, daß der Beteiligte in Erwartung einer Vorzugsbehandlung kein Interesse an der Feststellung eines Mitwirkungsverbotes hat. Z u m anderen geht dies aus der Verweisung der §§ 71 I I I 1 V w V f G e , 84 S. 1 A O '77 auf die §§ 20 f. V w V f G e , 82 f. A O '77 und der dort enthaltenen Möglichkeit der „Selbstablehnung" hervor.
34
Siehe unten II. 1. b. 35 Kopp, VwVfG, § 71 Rn. 13.
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit c. Verfahrenseinleitung
309
von Amts wegen
W i e aus der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes und dem Wortlaut der Befangenheitsvorschriften (1. Alternative des Satzes 1 der §§ 21 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77; 1. Alternative der §§ 20 I V 1, 21 I I V w V f G e , 16 I V 1, 17 I I S G B - X und 82 I I I 1, 83 I I A O '77; für §§ 20 I V w V f G e , 16 I S G B - X und 82 I A O '77 kann nach dem Gesagten nichts anderes gelten) folgt, kann ein Verfahren zur Feststellung des Mitwirkungsverbotes auch von Amts wegen eingeleitet werden 3 6 . So etwa, wenn Hinweise auf das Vorliegen eines Befangenheitsgrundes von einem Angehörigen der Behörde, einem M i t g l i e d des Kollegialorgans, einem am Verfahren nicht beteiligten Dritten gegeben werden oder diese auf sonstigen Umständen beruhen 3 7 . Fraglich ist in diesem Zusammenhang lediglich, ob andere Amts- und Mandatsträger auch verpflichtet sind, den ihnen bekannten Befangenheitsgrund bei einem Kollegen zu offenbaren. Dies w i r d man vor dem Hintergrund der beamtenrechtlichen Pflichten, insbesondere der Beratungspflichten der §§ 55 S. 1 B B G , 70 S. 1 H B G bejahen müssen 3 8 . Z u keinem anderen Ergebnis w i r d man bei Gemeindevertretern kommen können. Die gegenteilige Ansicht des O V G Koblenz, die auf den Wortlaut des kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbotes verweist, bei welchem ausdrücklich nur den Befangenen eine Unterrichtungspflicht t r i f f t 3 9 , verkennt, daß dem Gemeinde Vertreter eine besondere Treuepflicht trifft. Eine K o m mentaransicht w i l l diese allerdings restriktiv verstehen. Dem Gemeindevertreter sei damit nicht auferlegt, auf die Einhaltung der Verpflichtungen nach der Gemeindeordnung zu achten. Zudem könne das Arbeitsklima bei einer derartig weit verstandenen Verpflichtung belastet werden, da die Offenbarungspflicht j a schon bei der Möglichkeit der Interessenkollision bestehe 40 . Diese Ansicht erscheint jedoch wegen ihrer Konsequenzen untragbar. Aus der besonderen Treuepflicht folgt eine Schadensabwendungspflicht des einzelnen Gemeindevertreters 4 1 . Er ist i m Rahmen des ihm Möglichen verpflichtet, die Gemeinde vor Schaden zu bewahren. Hier bedarf es schon wegen der Fehlerhaftigkeit des Beschlusses der Gemeindevertretung oder ihres Ausschusses bei M i t w i r k u n g eines Befangenen und der sich daraus u. U. ergebenden Konsequenzen keines weiteren Nachweises, daß die Gefahr eines Schadenseintritts gegeben ist. Hinzu
36 Auch in diesem Zusammenhang berührt das formelle Ablehnungsrecht der §§71 I I I VwVfGe, 84 S. 1 AO '77 nicht die Verpflichtung das Mitwirkungsverbot unabhängig von seiner Geltendmachung durch einen Verfahrensbeteiligten von Amts wegen zu berücksichtigen, Kopp, VwVfG, § 71 Rn. 16; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht,§ 12 I I 4. 37 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 3 a) 1. 38 Grüner, SGB-X, § 17 Anm. III, S. 10; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 71. 39 OVG Koblenz, N V w Z 1985, 283 f., 284. 40 v. Loebell-Oerter, GO NrW, § 23 Erl. 9. 41 Galette / Laux-Borchert, GO SchlH, § 22 Abs. 3 Anm. 1.
310
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
kommt, daß der Gemeindevertreter, dem ein Befangenheitsgrund in der Person eines anderen Mitglieds bekannt ist, regelmäßig an der Beschlußfassung in der in Frage stehenden Angelegenheit mitwirken wird. Für den Fall, daß ein Befangener an diesem Beschluß m i t w i r k t , führt sein Schweigen mit dazu bei, daß dieser fehlerhaft ist. Dies steht aber bereits mit der allgemeinen Pflicht des Gemeindevertreters zur Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht in E i n k l a n g 4 2 . A u c h der Gemeindevertreter, dem Umstände bekannt sind, die zur Annahme einer Befangenheit bei einem anderen M i t g l i e d berechtigen, ist verpflichtet diese der zuständigen Stelle mitzuteilen.
d. Die
Unterrichtungspflicht
aa. Qualitative Voraussetzungen Die Unterrichtungspflicht des betroffenen Amts- und Mandatsträgers w i r d nur dann ausgelöst, wenn der potentiell gegebene Befangenheitsgrund einen substantiellen Hintergrund hat. Die Behauptung des Beteiligten muß also substantiiert sein, d. h. es müssen alle für den Befangenheitsgrund relevanten Tatsachen vorgetragen werden, so daß dessen Vorliegen schlüssig erscheint. Dies folgt aus dem diesen Vorschriften zugrundeliegenden Beschleunigungsgedanken. Die Behauptung soll die Grundlage für die Nachprüfung seitens der zuständigen Stelle abgeben. Ihr soll es zur schnellen A b w i c k l u n g des Verfahrens möglich sein, ohne umfangreiche Ermittlungen die behaupteten Tatsachen einer Beurteilung zu unterziehen. Allgemeine Gründe oder eine gegenüber der Behörde global geäußerte Besorgnis der Befangenheit reichen somit zur Begründung der Unterrichtungspflicht nicht aus 4 3 . bb. Die zeitliche Dimension Die Pflicht zur Unterrichtung entsteht, sobald der Amtsträger, der in einem Verwaltungsverfahren tätig werden soll, Kenntnis von dem Vorliegen des Befangenheitsgrundes oder der Behauptung seines Vorliegens durch einen Beteiligten erlangt. Die Formulierung „tätig werden soll" in §§ 21 V w V f G e , 17 S G B - X 4 4 stellt klar, daß die Unterrichtung, wenn die Besorgnis der Befangenheit vor Aufnahme der Tätigkeit gegeben oder behauptet wird, auch vor dem Tätigwerden zu erfolgen h a t 4 5 . U m die rechtzeitige Anordnung bzw. Feststellung des M i t w i r 42
Geyer, Das Mitwirkungs verbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 91. Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 3 a) 1.; Grüner, SGB X, § 17 Anm. III, S. 10. 44 Aus dem unterschiedlichen Wortlaut des § 83 AO '77 kann insoweit nichts anderes hergeleitet werden. 4 5 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, §21 Rn. 10; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 3 b). 43
311
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
kungsverbotes zu gewährleisten, entsteht die Unterrichtungspflicht somit spätestens mit dem Beginn des Verfahrens, erfaßt aber auch schon den davor liegenden Zeitraum dann, wenn das Tätigwerden des potentiell befangenen Amtsträgers konkret absehbar i s t 4 6 . W i r d hingegen erst während oder nach dem Tätig werden ein Befangenheitsgrund
erkennbar,
so ist die Unterrichtung
unverzüglich
nachzuholen 4 7 . Fraglich ist, ab welchem Zeitpunkt die Unterrichtungspflicht entfällt. Der Kommentarliteratur zufolge soll sie ihr endgültiges Ende spätestens mit dem Erlaß des Verwaltungsaktes oder den Abschluß des öffentlich-rechtlichen Vertrages finden, da nunmehr das mit der Unterrichtung verfolgte Ziel, den Amtsträger von der M i t w i r k u n g auszuschließen, nicht mehr erreichbar sei 4 8 . Indessen überzeugt diese Ansicht nicht. Wenn auch der Zweck der Unterrichtungspflicht primär darin zu sehen ist, einen befangenen Amtsträger an der M i t w i r k u n g in einem konkreten Verwaltungsverfahren zu hindern, so stellt dies letztlich doch nur ein M i t t e l dar, ein rechtmäßiges und sachgerechtes Verwaltungshandeln sicherzustellen. Hat ein Befangener an einer Verwaltungsentscheidung mitgewirkt, so ist diese rechtsfehlerhaft zustandegekommen. Eine Unterrichtungspflicht w i r d unter Einbeziehung dieser Fehlerhaftigkeit aber keineswegs sinnlos. Vielmehr bietet sie der zur Anordnung des Mitwirkungsverbotes zuständigen Stelle die Grundlage für die Prüfung der Frage, ob etwa eine Aufhebung eines ergangenen Verwaltungsaktes und eine Neuentscheidung erfolgen kann, bzw. erfolgen sollte, um der Anfechtung des Verwaltungsaktes zuvorzukommen. Unter Einbeziehung dieser Kontrollfunktion erscheint es nicht angängig bei Kenntnis eines Amtsträgers von der Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes erst die Reaktion des Betroffenen abzuwarten, zumal i m Rahmen des Abhilfeverfahrens bei einem Widerspruch
die
Unterrichtungspflicht
ohnehin
bestehen
würde,
da das
Ver-
waltungsverfahren insofern noch nicht als abgeschlossen anzusehen i s t 4 9 . Eine Unterrichtungspflicht entfällt daher erst mit der Bestandskraft des Verwaltungsaktes. Ausnahmsweise erübrigt sich die Unterrichtung der zuständigen Stelle dann, wenn diese schon auf andere Weise über den Befangenheitsgrund bzw. dessen Behauptung informiert ist und der betroffene Amtsträger davon Kenntnis h a t 5 0 .
46 Grüner, SGB-X, § 17 Anm. III, S. 9; Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 17 Rn. 4 47 Hauck / Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 17 Rn. 4; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, §21 Rn. 11. 48 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 3 c); Grüner, SGB-X, § 17 Anm. III, S. 10. 49 Grüner, SGB-X, § 17 Anm. III, S. 10. Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. ).
312
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit cc. Verstöße gegen die Unterrichtungspflicht
Die Nichterfüllung der Unterrichtungspflicht stellt einen Verfahrensfehler dar, der allerdings nicht selbständig, sondern nur zusammen mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden kann. Es ist den Verfahrensbeteiligten insofern lediglich möglich, die Behörde i m Wege der Dienstaufsicht zu unterrichten, um sie auf diese Weise zu einem Tätigwerden zu veranlassen. Denn die Behörde ist für den Fall des Vorliegens eines Befangenheitsgrundes verpflichtet, diesen von Amts wegen geltend zu machen 5 1 . Für ein Unterlassen der Unterrichtungspflicht sehen i m übrigen weder die verwaltungsrechtlichen Verfahrensgesetze noch die H G O eine besondere Sanktion vor. Regelmäßig w i r d der Amtsträger jedoch damit gegen die Verpflichtung zur uneigennützigen und verantwortungsbewußten Amtsausübung verstoßen, so daß gegen ihn disziplinarrechtlich vorgegangen werden k a n n 5 2 .
2. Präklusionswirkung Hat sich ein Beteiligter ohne Geltendmachung des ihm bekannten Ablehnungsgrundes in die mündliche Verhandlung eingelassen, so verliert er nach § § 7 1 I I I 3 V w V f G e , 84 S. 3 A O '77 das ihm in diesen Verfahren zustehende Ablehnungsrecht. Damit w i r d eine unwiderlegliche Vermutung dafür aufgestellt, daß der Verfahrensbeteiligte mit der Person desjenigen Kollegiumsmitgliedes einverstanden ist, vor dem er sich trotz eines ihm bekannten Ablehnungsgrundes in die mündliche Verhandlung einläßt 5 3 .
a. Voraussetzungen Erforderlich für den Eintritt der Präklusionswirkung ist zunächst die Kenntnis des Ablehnungsgrundes durch den Verfahrensbeteiligten. Satz 3 der § § 7 1 I I I V w V f G e , 84 A O '77 setzen dabei die positive Kenntnis des Ablehnungsgrundes voraus. Ein Kennenmüssen führt damit nicht zum Verlust des Ablehnungsrechts 5 4 . Andererseits setzt die Kenntnis keine exakte rechtliche Beurteilung voraus. Ausreichend ist es vielmehr, daß der Beteiligte nach einer Parallelwertung in der Laiensphäre die tatsächlichen Umstände kennt, die eine Ablehnung rechtfertigen können 5 5 . Ein gesetzlicher Vertreter oder ein Bevollmächtigter und deren Grüner, SGB-X, § 17 Anm. III, S. 10; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 3 f); Kunze / Bronner / Katz, GO BaWü, § 18 Rn. 21. 52 Kunze/Bronner/Katz, GO BaWü, § 18 Rn. 20. 53 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 71 Rn. 11; vgl. auch Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 43 Anm. 2 A. 54 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 71 Rn. 11; Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 43 Anm. 2 A.
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
313
Kenntnis von einem Ablehnungsgrund stehen dabei dem Beteiligten und dessen Kenntnis gleich 5 6 . Der Verlust des Ablehnungsrechts setzt über die Kenntnis hinaus eine Einlassung in die mündliche Verhandlung voraus. Eine solche liegt immer dann vor, wenn irgendeine sachliche Betätigung i m Termin erfolgt 5 7 . Darunter fällt regelmäßig jede Antragstellung sowie jede Erklärung zur Sache aber auch die Auslassung einer Gelegenheit, eine solche Erklärung abzugeben 58 . Hinsichtlich eines bloßen Schweigens w i r d man dies aufgrund des Wortlauts des angeführten Satzes 3 jedoch nur annehmen können, wenn der Zeitpunkt verstrichen ist, in dem in entsprechender Anwendung der §§ 26 I I 1 , 2 V w V f G e nach Treu und Glauben spätestens zu erwarten gewesen wäre, daß der Beteiligte den Ablehnungsgrund geltend macht 5 9 . In Anlehnung an die prozeßrechtlichen Problematik ist schließlich zu fragen, ob das Geltendmachen verfahrenshindernder Einreden oder ein Vertagungsantrag eine Einlassung darstellen. Dies w i r d verschiedentlich verneint, da darin keine Kundgabe des Vertrauens gegenüber dem potentiell Befangenen erblickt werden könne 6 0 . Dies überzeugt jedoch nicht. Denn die Geltendmachung verfahrenshindernder
Einreden soll eine Entscheidung durch oder
zumindest mit den Befangenen herbeiführen. Das heißt aber nichts anderes, als daß der Beteiligte von einem sachgemäßen Verhalten des Befangenen überzeugt ist. Hinzu tritt der Beschleunigungsgedanke, der sich in der Präklusionswirkung manifestiert und unnötige Verfahrenshandlungen verhindern soll. Dieser erfordert — wie i m Anschluß noch zu zeigen sein w i r d — eine i m Rahmen der Zumutbarkeit unverzügliche Geltendmachung der Befangenheit 6 1 . Es soll eben nicht erst über Zulässigkeitsfragen gestritten und für den Fall, daß die Zulässigkeit — möglicherweise infolge der Befangenheit zu unrecht — bejaht wird, nachträglich die Ablehnung geltend gemacht werden. V o r diesem Hintergrund ist es auch ein Gebot der Klarheit, den Begriff der Einlassung in die mündliche Verhandlung weit zu verstehen und stets eine sofortige Wahrnehmung des Ablehnungsrechts zu fordern 6 2 . Nach der Einlassung können daher nur Befangenheitsgründe geltend gemacht werden, die entweder später bekannt oder später entstanden sind.
55 Kopp, VwVfG, § 71 Rn. 27. 56 Vgl. OLG Hamburg, MDR 1976, 845. 57 Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, §43 Anm. 2 B; LG Tübingen, MDR 1982, 411 f., 412; OLG Köln, OLGZ 74, 421 ff., 424. 58 Obermayer, VwVfG, §71 Rn. 38; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, §71 Rn. 11. 59 Kopp, VwVfG, § 71 Rn. 26. 60 Eyermann / Fröhler, VwGO, § 91 Rn. 12; Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 43 Anm. 2 B; Zöller-Vollkommer, ZPO, § 43 Rn. 3; Thomas / Putzo, ZPO, § 43 Rn. 2d; BVerwG, NJW 1964, 1870 f., 1870. 61 Schwarz-Dumke, AO, § 84 Rn. 7. 62 Im Ergebnis ebenso: BPatG, GRUR 1982, 359f., 360; Stein / Jonas / Pohle, ZPO, § 43 Anm. III.
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
314
Offen ist, wann das Ablehnungsgesuch rechtzeitig gestellt ist, wenn sich der Befangenheitsgrund i m Verlauf einer mündlichen Verhandlung ergibt. Die neuere Auffassung des B F H stellt insoweit auf Zumutbarkeitskriterien in Abhängigkeit von der Verfahrensart ab. I m Rahmen eines Prüfungsverfahrens ist es in dem Fall, daß ein Prüfer erst während der Prüfung Anlaß zu Zweifeln an seiner Unbefangenheit gibt, noch ausreichend, wenn der Ablehnungsantrag unverzüglich nach Schluß der mündlichen Verhandlungen gestellt wird. Eine Ablehnung wegen Befangenheit noch während der Prüfung ist hier aufgrund der psychologischen Zwangslage, in der sich der Prüfling befindet, nicht zumutbar 6 3 .
b. Zur Reichweite
der Präklusionswirkung
Der Verlust des Ablehnungsrechts erstreckt sich nicht nur auf das konkrete Verwaltungsverfahren, sondern gilt auch für eine spätere Klage vor dem Verwaltungsgericht mit der Konsequenz, daß diese insoweit unbegründet w i r d 6 4 . Z u beachten ist jedoch, daß lediglich das Ablehnungsrecht des Verfahrensbeteiligten und der damit verbundene Rechtsschutz verloren geht. Hingegen w i r d nicht die durch die M i t w i r k u n g des Befangenen bedingte Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes beseitigt. Folglich w i r d durch die Präklusion die Verpflichtung des Ausschusses, Befangenheitsgründe von Amts wegen zu berücksichtigen, nicht berührt 6 5 . Dies rechtfertigt sich einmal daraus, daß die Präklusion lediglich der Verfahrensverschleppung durch subjektive Einwirkungsmöglichkeiten der Beteiligten begegnen soll. Z u m anderen ist zu berücksichtigen, daß der Beteiligte, wenn die Befangenheit zu seinen Gunsten besteht, unter Umständen gar kein Interesse hat, einen Ablehnungsantrag zu stellen. U m die Funktionen, denen das Unbefangenheitsprinzip dient, sicherzustellen, muß die Geltendmachung der Befangenheit von Behördenseite erhalten bleiben 6 6 . Problematisch ist die Reichweite der Präklusion auch in anderer Hinsicht. Der Verlust des Ablehnungsrechts erstreckt sich dem undifferenzierten Wortlaut des Satzes 3 ( „ D i e Erklärung ist unzulässig . . .") der §§ 71 I I I V w V f G e , 84 A O
Hl
zufolge sowohl auf die Ausschlußgründe nach § § 2 0 V w V f G e , 82 A O Hl
als
auch auf die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit nach § § 2 1 V w V f G e , 83 A O Hl.
Demgegenüber w i r d dieser pauschale Wortlaut in der
Literatur einschränkend dahingehend interpretiert, daß die Präklusionswirkung
63 BFH, BStBl. 1983, 344 ff., 347; in diesem Sinne auch, wenngleich auf einen generellen Ausschluß der Präklusionswirkung abzielend FG Saarland, EFG 1983, 92 ff., 93; Schwarz-Dumke, AO, § 84 Rn. 7; Tipke/Kruse, AO, § 84, S. 9. 64 Kopp, VwVfG, § 71 Rn. 28. 65 Kopp, VwVfG, §71 Rn. 29; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, §71 Rn. 11; a. A. allerdings ohne Begründung Obermayer, VwVfG, § 71 Rn. 40. 66 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/910, S. 86.
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
315
nur auf die Fälle der Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit zu erstrecken ist. Begründet w i r d dies einmal mit B l i c k auf die prozeßrechtlichen Regelungen der § § 2 5 StPO, 43 ZPO, denen die verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen nachgebildet seien. Dort sei die Präklusionswirkung ebenfalls auf die Fälle der Besorgnis der Befangenheit beschränkt. Z u m anderen w i r d die ansonsten eintretende Rechtsfolge als untragbar angesehen. Unter Umständen könne dann sogar die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes wegen der Entscheidung in eigener Sache i m Sinne der §§ 20 I 1 i. V . m. 44 I, I I I Nr. 2 V w V f G e später nicht mehr geltend gemacht werden 6 7 . Diese Ansicht w i r d durch die Entstehungsgeschichte des V w V f G belegt. Die amtliche Begründung enthält in diesem Zusammenhang eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Regelung des § 43 Z P O 6 8 . Sie bestätigt damit die überwiegend vertretene Meinung, wonach die § § 7 1 I I I V w V f G e , 84 A O '77 insoweit in Einklang mit den Vorschriften des Prozeßrechts auszulegen sind. Hinsichtlich der Reichweite der Präklusionswirkung ist weiter fraglich, ob sie auch auf die Einwirkungsmöglichkeit des Beteiligten i m nicht-förmlichen Verwaltungsverfahren nach der 1. A l t . der §§ 21 I 1 V w V f G e , 17 I 1 S G B - X und 83 I 1 A O '77 zu erstrecken ist. Der Wortlaut dieser Vorschriften sieht dies nicht ausdrücklich vor. Begreift man allerdings die Behauptung des Beteiligten mit der Folge einer Unterrichtungspflicht als kupiertes Ablehnungsrecht, so w i r d man die Präklusionsregelung der § § 7 1 I I I 3 V w V f G e , 84 S. 3 A O '77 analog auch i m nicht-förmlichen Verfahren heranziehen müssen. Denn andernfalls stünde der Beteiligte i m förmlichen Verfahren schlechter als i m nicht-förmlichen Verfahren und dies, obwohl i h m der gesetzgeberischen Absicht zufolge dort eine stärkere Stellung eingeräumt werden sollte.
3. Die Folgen der Verfahrenseinleitung a. Das vorläufige
Mitwirkungsverbot
Keine Regelung hat die Frage erfahren, wie sich der betroffene Amts- und Mandatsträger bis zur Entscheidung über das ihn betreffende Mitwirkungsverbot zu verhalten hat. Insoweit muß auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zurückgegriffen werden, der in § 47 ZPO seinen Ausdruck gefunden hat. Dessen sinnentsprechende Anwendung auf das Verwaltungsverfahren folgt aus dem rechtsstaatlichen Gebot der Sicherstellung eines unparteiisch und sachlich geführten Verwaltungs Verfahrens. Danach hat sich der Amts- und Mandatsträger bis zur Entscheidung über den ihn betreffenden Befangenheitsgrund grundsätzlich der
67 Obermayer, VwVfG, § 71 Rn. 40; Kopp, VwVfG, § 71 Rn. 30; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 12 I I 4. 68 Kopp, VwVfG, § 71 Rn. 30.
316
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
M i t w i r k u n g in der Hauptsache zu enthalten und nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub dulden 6 9 .
b. Das Mitwirkungsverbot
in dem eingeleiteten
Sub-Verfahr en
Die §§ 20 I V 3 V w V f G e , 16 I V 3 S G B - X , 82 I I I 3 A O Hl und 25 I V 2 H G O statuieren für den betroffenen Amts- und Mandatsträger ein spezielles M i t w i r kungsverbot für das Verfahren, in welchem über die Frage seiner Befangenheit entschieden wird. Dieses Mitwirkungsverbot erstreckt sich nicht nur auf die Abstimmung über das Vorliegen einer Befangenheit, sondern auch auf die vorangehende Beratung 7 0 . Die Anordnung eines speziellen Mitwirkungsverbotes für Mitglieder eines Kollegialorgans stellt dabei lediglich klar, daß die Mitwirkungsbefugnis des Betroffenen insoweit ruht. Auch ohne eine solche ausdrückliche Anordnung wäre der Betroffene in diesem Nebenverfahren wegen des Vorliegens eines Sonderinteresses ausgeschlossen.
4. Die zur Entscheidung zuständige Stelle a. Bezüglich des monokratischen
Amtsträgers
Z u unterrichten ist i m Rahmen der §§ 21 I V w V f G e , 17 I SGB-X und 83 I A O Hl (entsprechend gilt dies nach den obigen Darlegungen auch bei Zweifeln bzw. Meinungsverschiedenheiten über das Vorliegen von Ausschlußgründen) der Behördenleiter bzw. dessen Beauftragter. Über die Frage wer Behördenleiter ist, geben die Verfahrensgesetze keine Auskunft. Einschlägig ist insoweit die Organisationsstruktur der jeweiligen Behörde. Ist der Behördenleiter — aus welchen Gründen auch immer — an einer Entscheidung gehindert, so tritt an dessen Stelle sein ständiger oder allgemeiner Vertreter. Aus der i m Gegensatz zu §§ 27 I I 1 V w V f G e , 23 I I 1 S G B - X und 95 I I 2 A O Hl fehlenden Erwähnung des ständigen oder allgemeinen Vertreters kann nicht gefolgert werden, daß dieser als Adressat der Unterrichtungspflicht ausscheidet 71 . Neben der unterschiedlichen Funktion der Regelungen ergibt sich dies aus der allgemeinen Erwägung, daß dem Vertreter bei Verhinderung des Behördenleiters dessen Aufgaben und Funktionen automatisch zufallen 7 2 . 69 Insoweit entsprechend §§ 20 I I I VwVfGe, 16 I I I SGB-X, 82 I I AO '77; Grüner, SGB-X, § 17 Anm. I, S. 5; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm.
4f).
70
Vgl. zur Reichweite des Mitwirkungsverbotes allgemein nachfolgend unter II. 1 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, §21 Rn. 11. 72 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 3 d); Grüner, SGB-X, § 17 Anm. III, S. 10. 7
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
317
Die eingangs angeführten Regelungen lassen es zu, daß der Behördenleiter mit der Wahrnehmung der sich aus ihnen ergebenden Aufgaben einen anderen Angehörigen der Behörde beauftragen kann. Dies muß nicht dessen ständiger oder allgemeiner Vertreter, sondern kann auch ein anderer Angehöriger der Behörde sein. Seine Delegationsbefugnis, die insbesondere i m Hinblick auf größere Behörden geschaffen worden ist, unterliegt keinen Beschränkungen 7 3 . Die gegenteilige Ansicht, die die Zulässigkeit einer Delegation nach den Organisationsstrukturen der jeweiligen Behörde bestimmen w i l l 7 4 , überzeugt nicht. Sie übersieht, daß die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen insoweit dem Organisationsrecht als lex specialis vorgehen. Ist ein Beauftragter bestellt worden, so ist dieser statt des Behördenleiters zu informieren. Innerdienstlich ist dabei sicherzustellen, daß an den Behördenleiter gerichtete Informationen unverzüglich dem Beauftragten zugeleitet werden 7 5 .
b. Im Falle des Vorliegens eines Befangenheitsgrundes bei dem Behördenleiter Für den Fall, daß der Behördenleiter in dem Verwaltungs verfahren selbst tätig werden soll und sich die Besorgnis der Befangenheit gegen ihn richtet (sinngemäß gilt dies auch für die Ausschlußgründe) treffen die §§ 21 I 2 V w V f G e , 17 1 2 S G B - X und 83 I 2 A O '77 eine Sonderregelung. I m Gegensatz zu anderen Behördenbediensteten kann der Behördenleiter danach die Entscheidung, nach welcher er sich einer M i t w i r k u n g in dem konkreten Verwaltungsverfahren enthält, selber treffen. In Parallele zu der prozeßrechtlichen Regelung des § 45 I I ZPO ist dem Behördenleiter damit eine Form der Selbstablehnung möglich. Er kann sich also der M i t w i r k u n g enthalten, ohne daß es einer entsprechende Anordnung der Aufsichtsbehörde bedürfte 7 6 . Dagegen ist dem Behördenleiter die Befugnis zur entgegengesetzten Entscheidung nicht eingeräumt worden. Hält er den Befangenheitsgrund nicht für gegeben und w i l l er demgemäß in dem Verwaltungsverfahren mitwirken, so hat er den Vorgang der Aufsichtsbehörde vorzulegen und diese darüber entscheiden zu lassen. Insoweit gilt für ihn die Unterrichtungspflicht i m gleichem Umfang wie für andere Behördenbedienstete.
aa. Der Behördenleiter Unter diese Sonderregelung fallen Personen, die Funktionen und Aufgaben eines Behördenleiters wahrnehmen. Dies sind primär die planmäßigen Stellenin73 Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 21 Rn. 12. 74 Grüner, SGB-X, § 17 Anm. III, S. 10. 75 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 3 e). 76 Grüner, SGB-X, § 17 Anm. V, S. 11; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 5 a) 1.
318
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
haber. Es kann aber, wenn dieser abwesend oder aus einem sonstigen Grund verhindert ist, auch dessen allgemeiner oder ständiger Vertreter sein 7 7 . W i r d eine Behörde durch ein Kollegium geleitet, so fallen sämtliche Kollegiumsmitglieder unter den Begriff des Behördenleiters 7 8 . Nicht darunter fällt dagegen der Beauftragte i m Sinne der § § 2 1 1 1 V w V f G e , 17 I 1 S G B - X und 83 I 1 A O '77. Steht also hinsichtlich der Person des Beauftragten ein Befangenheitsgrund zur Debatte, so hat er den Behördenleiter zu unterrichten, der dann die Entscheidung trifft. bb. Die Aufsichtsbehörde Der Begriff der Aufsichtsbehörde wird durch § § 2 1 1 2 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 nicht näher spezifiziert. Dem Vorschlag des Bundesrates der Dienstaufsichtsbehörde die alleinige Zuständigkeit zuzuerkennen 7 9 , hat die Bundesregierung mit der Begründung widersprochen, diese Beschränkung sei zu eng und unsystematisch 80 . Welche Aufsichtsbehörde zuständig ist, hängt daher von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der A r t der Befangenheitsgründe ab. Je nachdem, ob diese den Bereich der Dienst- oder die Bereiche der Fachoder Rechtsaufsicht berühren, sind entweder die Behörden der Dienst-, der Rechts- oder der Fachaufsicht zuständig 8 1 . Diese Regelung erscheint unter rechtspolitischen Gesichtspunkten verfehlt und ist wenig zweckmäßig. Schwierigkeiten entstehen insbesondere daraus, daß sich Befangenheitsgründe nicht stets exakt einem der genannten Bereiche zuordnen lassen. So können Befangenheitsgründe aus mehreren Bereichen vorliegen bzw. behauptet werden, oder ein Befangenheitsgrund betrifft mehrere Bereiche. Probleme können sich ferner i m Bereich der Fachaufsicht daraus ergeben, daß Befangenheitsgründe unterschiedliche Fachgebiete betreffen, für die mehrere Fachaufsichtsbehörden zuständig sind 8 2 . Für die Bestimmung der Zuständigkeit in derartigen Fällen ist auf den Inhalt des jeweiligen Verwaltungsverfahrens abzustellen, soweit dieses mehrschichtig ist, auf den Schwerpunkt des jeweiligen Verwaltungs Verfahrens 83 . Kann weder eine zuständige Fach- noch eine Rechtsaufsichtsbehörde festgestellt werden, so kommt als Aufsichtsbehörde insoweit nur die Dienstaufsichtsbehörde in Betracht. Da aus dem Sinn und Zweck der Regelungen folgt, daß die Entscheidung rasch zu treffen ist, w i r d zudem in Zweifelsfällen die Zuständigkeit der Dienstaufsichtsbehörde anzunehmen sein 8 4 . 77
Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungs verfahren, § 17 Anm. 5 a) 2. « Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, §21 Rn. 14. 79 Vgl. Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, B T / Drucksache 7/910, S. 100. so Vgl. Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/910, S. 108. 81 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 5 b). 82 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungs verfahren, § 17 Anm. 5 b). 83 Grüner, SGB-X, § 17 Anm. V, S. 12. 7
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
319
c. Befangenheit bei dem Geschäftsführer eines Versicherungsträgers oder dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit § 1713 SGB-X enthält für den Bereich der Sozialleistungsträger eine Sonderregelung. Danach findet für den Fall, daß sich die Besorgnis der Befangenheit gegen den Geschäftsführer eines Versicherungsträgers oder gegen den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit richtet, zwar ebenfalls die Regelung des § 17 I 2 S G B - X Anwendung, jedoch mit der Besonderheit, daß die Entscheidung über die Begründetheit der Besorgnis der Befangenheit nicht die Aufsichtsbehörde, sondern der Vorstand trifft. Die Geschäftsführer der Versicherungsträger und der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit können sich infolgedessen ebenso wie andere Behördenleiter von sich aus der M i t w i r k u n g enthalten. Nur für den Fall, daß sie in dem betreffenden Verfahren weiter tätig werden wollen, wird die Regelung des § 17 I 2 S G B - X modifiziert 8 5 . Sie haben dann den Vorstand zu unterrichten, der die Entscheidung trifft. Hält dieser die Besorgnis der Befangenheit für begründet, ordnet er das Mitwirkungsverbot an, andernfalls lehnt er es ab. Die ratio dieser Sonderregelung ist in der Stärkung der Selbstverwaltung der Versicherungsträger wie auch der Bundesanstalt für Arbeit zu erblicken 8 6 . Dabei ist der Anwendungsbereich dieser Sonderregelung abschließend umrissen und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich, was angesichts der erwähnten Zielsetzung durchaus fragwürdig i s t 8 7 .
aa. Der Kreis der Versicherungsträger Unter den Versicherungsträgern sind die Träger der Sozialversicherung (§ 29 1 SGB I V ) zu verstehen, die in den einzelnen materiell-rechtlichen Gesetze bestimmt sind. I m einzelnen sind zu nennen 8 8 : Die gesetzlichen Krankenkassen (§ 225 R V O ) , die Bundesknappschaft (§ 20 R K G ) , die Ersatzkassen (Art. 1 u. 2 der 12. V O zum Aufbau der Sozialversicherung v o m 24. 12. 1935), die landwirtschaftlichen Krankenkassen (§ 44 I K V L G ) und die Seekasse (§§ 476, 1375 R V O ) als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, die Berufsgenossenschaften (§§ 646, 790, 850 R V O ) , die Gemeindeunfallversicherungsverbände, die Eigenunfallversicherungsträger Bund, Länder und Gemeinden (§§ 653 1,654, 84 Grüner, SGB-X, § 17 Anm. V, S. 12; Obermayer, VwVfG, § 21 Rn. 32; vgl. auch Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 5 b). 85 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 6 a) 1. 86 Grüner, SGB-X, § 17 Anm. VI, S. 12; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 6 a) 1. 87 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 6 a) 2.; Grüner, SGBX, Anm. VI, S. 13. Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. ) Grüner, SGBX, Anm. V , S. 1 .
320
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
655 I, II, 656, 657, 766, 767 ff., 790 II, 850 I I I , 892 ff. R V O ) als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Bundesbahnversicherungsanstalt (§ 1360 I Nr. 1 R V O ) , die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (§ 1 B f A E G ) , die Bundesknappschaft (§ 7 R K G ) , die Landesversicherungsanstalten (§ 1326 I R V O ) , die Seekasse (§ 13601 Nr. 2 R V O ) als Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen und die landwirtschaftlichen Alterskassen (§ 16 G A L ) als Träger der Altershilfe für Landwirte. Nicht erfaßt werden insbesondere die Arbeitsgemeinschaften und Zusammenschlüsse der Versicherungsträger, die Verbände auf Landes- oder Bundesebene, zu denen sich die Versicherungsträger zusammengeschlossen haben 8 9 .
bb. Die betroffenen Personen Soweit i m Falle der Verhinderung der Amtsinhaber die Aufgaben des Geschäftsführers der Versicherungsträger oder die des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit von deren Stellvertretern oder anderen kommissarisch damit beauftragten Personen wahrgenommen werden, gilt die Sonderregelung des § 17 I 3 S G B - X in Entsprechung zu den vorangegangenen Darlegungen auch für diese. Die Bestimmung dieser Personen erfolgt nach formalen Kriterien. Geschäftsführer oder Stellvertreter des Geschäftsführers ist, wer in der in §§ 36 I I - I V S G B - I V vorgesehenen Weise dazu bestellt worden ist. Präsident und Vizepräsident der Bundesanstalt für Arbeit ist, wer v o m Bundespräsidenten nach § 211 I Nr. 1 A F G dazu ernannt worden i s t 9 0 .
d. Bei
Kollegialorganen
Spezielle Zuständigkeitsregelungen hinsichtlich der Feststellung eines M i t w i r kungsverbotes enthalten schließlich die §§ 20 I V V w V f G e , 16 I V S G B - X und 82 I I I A O '77, die entsprechend i m Rahmen der Verweisung des Abs. 2 der § § 2 1 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 gelten. Eine ähnliche Regelung enthält schließlich § 25 I I I HGO. Diese Regelungen schreiben in Anlehnung an das Verfahren vor Kollegialgerichten eine Entscheidung des Ausschusses bzw. des kommunalen Organs oder Hilfsorgans, dem der Betroffene angehört oder für das er die Tätigkeit ausübt, über die Feststellung eines Mitwirkungsverbotes vor. Dadurch ist unter anderem dem Vorsitzenden die Befugnis zur alleinigen Entscheidung entzogen worden 9 1 . Die ratio dieser Regelung ist darin zu erblicken, daß angesichts der besonderen Bedeutung des Ausschußverfahrens i m Hinblick 89 Grüner, SGB-X, § 17 Anm. VI, S. 13; siehe im einzelnen Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 6 a) 2. 90 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 6 d). 9 1 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 48.
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
321
auf die zu entscheidende Angelegenheit eine größere Garantie für den V o l l z u g des Mitwirkungsverbotes geschaffen werden soll. Denn i m Gegensatz etwa zu der Entscheidung des Behördenleiters, ist es den Ausschußmitgliedern, speziell bei verfahrensbezogenen Befangenheitsgründen möglich, sachnäher zu entscheiden. Z u m anderen stellt auch der Gesichtspunkt der Notwendigkeit eines kollegialen Zusammenwirkens der einzelnen Ausschußmitglieder bei Feststellung eines Mitwirkungsverbotes einen nicht zu unterschätzenden Faktor für eine erhöhte Richtigkeitsgewähr dar 9 2 . Diese Erwägungen sind i m gleichem Maße i m K o m m u nalrecht einschlägig, wenngleich hier der Aspekt der Verhinderung der w i l l k ü r l i chen Veränderung der Mehrheitsverhältnisse mit zu beachten ist. Ein besonderes Problem entsteht i m Rahmen der Regelung des § 25 I I I H G O durch die alternative Zuweisung der Entscheidungszuständigkeit an das kommunale Organ oder das Hilfsorgan, dem der Betroffene angehört oder für das er die Tätigkeit ausübt. Dabei ist zunächst davon auszugehen, daß m i t der Übertragung der Beratungs- und Entscheidungszuständigkeit auf das Hilfsorgan auch die Befugnis übergegangen ist, über das Vorliegen einer Befangenheit
zu
entscheiden 93 . Z u beachten ist aber, daß die Entscheidung des Hilfsorgans nur für seinen Aufgabenbereich Geltung beanspruchen kann. Beschließt also etwa ein Ausschuß ein Mitwirkungsverbot für eines seiner Mitglieder, so gilt dieses nur für die Ausschußtätigkeit, nicht aber für die weitere Beratung und Beschlußfassung in der Gemeindevertretung. Für diese weitergehende Tätigkeit in der Gemeindevertretung muß diese erneut über das Mitwirkungsverbot entscheiden. Damit w i r d aber zugleich deutlich, daß die Möglichkeit insoweit widersprechender Entscheidungen gegeben ist. Dieser K o n f l i k t ist in der Weise zu lösen, daß die Entscheidung des Hilfsorgans zurücktritt. Denn das Hilfsorgan soll die Tätigkeit des Hauptorgans lediglich i m Rahmen der Delegation von Aufgaben unterstützen. Das Hauptorgan behält insofern alle Fäden in der Hand. So kann die Gemeindevertretung die Übertragung von Angelegenheiten an Ausschüsse zur endgültigen Beschlußfassung widerrufen (§ 63 I 3 H G O ) , sowie Ausschüsse jederzeit auflösen und neu bilden (§ 63 15 HGO). Wenn das Verhältnis zwischen diesen Organen derart von der Gemeindevertretung dominiert wird, erscheint es nur konsequent, dieser auch die maßgebliche Entscheidungskompetenz im Hinblick auf die Anordnung eines Mitwirkungsverbotes einzuräumen. Hilfsorgane sind infolgedessen an die Entscheidung des Hauptorgans gebunden.
92 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 68. 93 Galette / Laux-Borchert, GO SchlH, § 22 Absatz 3 Erl. 2. 21 Kazele
322
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit 5. Das Überprüfungsverfahren a. Die analoge Heranziehung
der prozeßrechtlichen
Regelungen
Keine Regelungen enthalten die „drei Säulen" des Verwaltungsverfahrensrechts i m Hinblick auf das Überprüfungsverfahren der zur Entscheidung zuständigen Stelle. Dies ist etwas überraschend, da die Vorschriften des gerichtlichen Verfahrensrechts insofern in §§ 26 II, I I I StPO und § § 4 4 II, I I I ZPO hinsichtlich des Nachweises des Befangenheitsgrundes und der dienstlichen Stellungnahme des als befangen Abgelehnten bestimmte Anordnungen treffen. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Normen analog auf das Verwaltungsverfahrensrecht anzuwenden sind. Dabei liegt der Einwand nahe, daß eine solche Analogie dem Leitbild der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens widersprechen würde, der Gesetzgeber daher bewußt von einer Regelung des Überprüfungsverfahren i m Interesse der Flexibilität des Verwaltungshandelns abgesehen habe. Indessen bietet die Entstehungsgeschichte der angeführten verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen dafür keinen Anhaltspunkt. Vielmehr ist schon die Regelung der §§ 21 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 nach dem Vorausgegangen Ausdruck einer gewissen Förmlichkeit 9 4 . Z u m anderen ist zu berücksichtigen, daß auch das nicht-förmliche Verwaltungsverfahren sofern Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bürger und der Behörde auftauchen, auf Konfliktbereinigung einzustellen ist. I n der Konsequenz dieser Aussage liegt es, daß in diesem Fall — der beispielhaft auch i m Falle des Vorliegens einer Befangenheit auftritt — von der Behörde gewisse Förmlichkeiten beachtet werden müssen, auch wenn sie nicht zwingend vorgeschrieben sind 9 5 . Dies gilt umso mehr, wenn mit einer neueren Ansicht § § 1 0 V w V f G e als Generalklausel des Verfahrensermessens mit rechtsnormativen Charakter begriffen werden, wonach die Durchführung und Gestaltung des Verwaltungsverfahrens i m Ermessen der Behörde steht, sofern nicht besondere Rechtsvorschriften bestehen und der Zweck des Verfahrens nicht entgegensteht 96 . Eine Analogie zu den genannten Regelungen des gerichtlichen Verfahrensrechts führt daher nicht denknotwenig zu einem Widerspruch mit der grundsätzlich nicht-förmlichen Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens mit der Konsequenz, daß die Analogie ausscheiden oder zumindest auf den Bereich des förmlichen Verfahrens beschränkt werden müßte. Z u einem solchem Ergebnis würde man nur dann gelangen, wenn eine den Gerichtsverfahren entsprechende Regelung nur i m Rahmen des förmlichen Verfahrens enthalten wäre. Genau dies ist jedoch nicht der Fall. A n dem Fehlen derartiger Bestimmun94 Jäde, BayVBl. 1986, 614 ff., 616. Kopp, VwVfG, § 10 Rn. 7; Martens, Die Praxis des Verwaltungs Verfahrens, Rn. 45 mit FN 131, 132. Insoweit können auch im nicht-förmlichen Verwaltungsverfahren die in §§63-71 VwVfGe vorgesehenen Handlungsformen geboten sein. So etwa eine mündliche Verhandlung, wenn dies im Interesse einer umfassenden Erörtertung unklarer Probleme zweckmäßig erscheint. 9 * Hill, N V w Z 1985, 449 ff., 450 f. 95
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
323
gen selbst i m förmlichen Verfahren w i r d umso mehr das Bestehen einer Regelungslücke deutlich. Diese Regelungslücke kann durch die § § 2 6 I I , I I I StPO, 44 I I , I I I ZPO geschlossen werden. I m Hinblick auf das Institut der Ablehnung bzw. der Behauptung der Befangenheit durch einen Beteiligten besteht zwischen den beiden Verfahrensarten ein identischer Normzweck und eine Vergleichbarkeit der Interessenlage, so daß eine Analogiebasis gegeben i s t 9 7 . Diese Analogie w i r d i m Hinblick auf die Parallelität des Rechtsinstituts der „Befangenheitsablehnung" auch i m Kommunalrecht zu ziehen sein, obgleich das Gerichtsverfahren und der kommunale Willensbildungsprozeß ansonsten verschiedenen Regeln folgen. Z u beachten ist, daß die Analogie zu §§ 26 II, I I I StPO, 44 II, I I I ZPO sich nur auf die Verfahrenseinleitung auf Veranlassung eines Beteiligten bezieht. Für die Fälle der „Selbstablehnung" und der Verfahrenseinleitung von Amts wegen sehen auch die Prozeßordnungen in §§ 30 StPO, 48 ZPO ein von Förmlichkeiten freies internes Verfahren vor. Diese Differenzierung ist vor dem Hintergrund der Gewährleistung der subjektiven Rechte der Beteiligten zu verstehen. Lehnen sie einen Richter wegen Befangenheit ab, so ist zum Schutz ihrer Rechte ein besonderes Verfahren statuiert worden. Dieser Aspekt der subjektiven Rechtsgewährleistung ist jedoch nicht einschlägig in den anderen beiden Fällen, so daß hier auf die Normierung eines speziellen Verfahrens verzichtet werden kann. Es ist nun nichts ersichtlich, weshalb diese Erwägungen nicht auch auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts gelten sollten.
b. Das Erfordernis
der
Glaubhaftmachung
Folge dieser Analogie ist zunächst, daß eine Tatsache, die zu einem M i t w i r kungsverbot eines Amtsträgers führen soll, entsprechend § § 2 6 I I StPO, 44 I I ZPO glaubhaft zu machen ist. Es ist also nicht erforderlich, die volle Überzeugung der zur Entscheidung berufenen Stelle von der Richtigkeit der glaubhaft zu machenden Tatsache herbeizuführen, sondern es genügt, daß die Behörde zu der Überzeugung gelangt, daß eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptung spricht 9 8 . Die Analogie führt somit zu einer Reduktion der Anforderungen an den Nachweis des Befangenheitsgrundes. Ohne sie würde nach der neuerdings freilich angegriffenen 9 9 Grundregel der h. M . aufgrund der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes i m Verwaltungsverfahrensrecht die volle Überzeugung des Rechtsanwenders in tatsächlicher Hinsicht erforderlich sein. Sachaufklärungsdefizite sollen insoweit durch die Regeln der materiellen Beweislast i n befriedigender Weise ausgeglichen werden 10 °. Diese gehen grundsätzlich
97 Siehe insofern auch schon oben Kapitel E III. 1. 98 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 30 I I I 3. 99 Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 157. 21*
324
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
zu Lasten desjenigen, der die ihm günstigen Voraussetzungen einer N o r m nicht nachweisen kann. Bezogen auf den vorliegenden Zusammenhang hätte dies zur Konsequenz, daß — sofern keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit hinsichtlich des Vorliegens des den Befangenheitsgrund tragenden Sachverhalts vorliegt — der Amtsträger weiter in dem Verwaltungsverfahren mitwirken dürfte. Nach der hier vertretenen Ansicht muß der Beteiligte — gewissermaßen als Korrelat dafür, daß die Befangenheit eine innere Tatsache kennzeichnet, die einem vollen Nachweis so gut wie nicht zugänglich ist — den Befangenheitsgrund lediglich soweit beweisen, daß die zuständige Stelle die behaupteten Tatsachen für wahrscheinlich hält und in die Lage versetzt wird, ohne verzögernde weitere Ermittlungen, die Entscheidung zu treffen 1 0 1 . Da die Wahrscheinlichkeit des tatsächlichen Vorbringens darzutun ist, genügt die Benennung von Beweismitteln grundsätzlich n i c h t 1 0 2 . Die Glaubhaftmachung kann durch alle Arten präsenter Beweismittel erfolgen, namentlich durch vorgelegte Urkunden, auch schriftliche gewöhnliche oder eidesstattliche Versicherungen von Zeugen, ebenso durch Vernehmung anwesender Zeugen. Auch der Anwalt des Beteiligten kann relevante eigene Handlungen und Beobachtungen „anwaltlich versichern" 1 0 3 .
c. Dienstliche
Äußerung
Analog § § 2 6 I I I StPO, 44 I I I ZPO hat sich der betroffene Amtsträger über den Befangenheitsgrund dienstlich zu äußern. Dies ist insofern von Relevanz, als der Amtsträger nach §§ 21 I V w V f G e , 17 I S G B - X und 83 I A O '77 nur verpflichtet ist, den Behördenleiter oder dessen Beauftragten von dem behaupteten Befangenheitsgrund zu unterrichten. Die Analogie zu den erwähnten Vorschriften geht weiter und verpflichtet den Amtsträger dazu, dem eine dienstliche Stellungnahme hinzuzufügen. A r t und Umfang der dienstlichen Äußerung liegen i m pflichtgemäßen Ermessen des betroffenen Amtsträgers. Er soll sich über die für das Ablehnungsgesuch entscheidungserheblichen Tatsachen äußern, soweit ihm das notwendig oder zweckmäßig erscheint. Z u Rechtsausführungen oder zu einer Beurteilung der Behauptung bzw. des Ablehnungsgesuchs ist er berechtigt, soweit ihm das zum Verständnis seines beanstandeten Verhaltens
sinnvoll
erscheint 1 0 4 . Z u derartigen Ausführungen ist er jedoch nur auf Verlangen der zuständigen Stelle verpflichtet. Die Vernehmung als Zeuge, die gleichwohl möglich ist, wird sich daher aufgrund der Weisungsabhängigkeit in der Regel erübri100 Kopp, VwVfG, §24 Rn. 20-22; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 27 I I I 3. a.; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 24 Rn. 5; Knack-Clausen, VwVfG, § 24 Rn. 5; Tipke/Kruse, AO, § 88 Rn. 9; Hübschmann / Hepp / Spitaler-Söhn, AO, § 88 Rn. 79. ιοί Vgl. Kleinknecht / Meyer, StPO, § 26 Rn. 5 zum gerichtlichen Verfahrensrecht. 102 Kleinknecht/Meyer, StPO, § 26 Rn. 6-8. 103 Teplitzky, JuS 1969, 318 ff., 324. 104 Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 44 Anm. 3.
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
325
gen. Eine allzu mangelhafte Stellungnahme kann sich i m übrigen auf die Beurteilung der Befangenheit auswirken 1 0 5 . Die dienstliche Äußerung ist ferner dem Beteiligten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zur Kenntnis zu bringen. Sie sollte daher durchweg schriftlich erfolgen; eine mündliche Äußerung ist aktenkundig zu machen 1 0 6 .
d. Vermutung
der
Unbefangenheit?
I m Zusammenhang mit der Überprüfung seitens der zuständigen Stelle erhebt sich weiter die Frage, ob i m Rahmen des Tatbestandes der Besorgnis der Befangenheit von einer Vermutung der Unbefangenheit des Amtsträgers auszugehen ist, die widerlegt werden muß. Diese Position entspricht der h. M . auf dem Gebiet des gerichtlichen Verfahrensrechts. Begründet w i r d dies mit dem Hinweis auf den vernünftigen und verständigen Angeklagten, der davon ausgehen könne und müsse, daß sich ein Richter von Befangenheit freihalte. Der vernünftige Angeklagte müsse daher die Unparteilichkeit des Richters vermuten 1 0 7 . Angegriffen wird diese Ansicht insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen bei der Glaubhaftmachung des Befangenheitsgrundes, genauer der Bewertung richtigstellender dienstlicher Äußerungen des Richters. Arzt weist in seiner K r i t i k insbesondere auf die in der Konsequenz des primär objektiven Beurteilungsmaßstabes liegende gedankliche Trennung zwischen dem Ablehnungsgrund und seinem Nachweis hin. Beides bilde für den Ablehnenden eine Einheit. So verlange das Gesetz auch nicht die Glaubhaftmachung der Befangenheit, sondern des Besorgnisgrundes. Der primär objektive Maßstab verschiebe insoweit die Relationen. Nicht ein Grund für das Mißtrauen, sondern ein Grund für die Parteilichheit des Richters müsse gegeben sein. Zwar müsse auch v o m subjektiven Ausgangspunkt der Besorgnisgrund auf die Parteilichkeit hindeuten. Es genüge aber ein Indiz oder ein Verdacht und es genüge die Glaubhaftmachung eben dieses Indizes oder eben dieses Verdachts , 0 8 . Dieser K r i t i k kann jedoch bereits in ihrem Ausgangspunkt, der Errichtung eines primär subjektiven Beurteilungsmaßstabes i m Rahmen der Besorgnis der Befangenheit, nicht gefolgt werden. Erforderlich ist insoweit vielmehr ein primär objektiver Maßstab 1 0 9 . Z u m anderen ist zu untersuchen, ob sich nicht auch von einem primär objektiven Beurteilungsmaßstab aus befriedigende Ergebnisse erreichen lassen.
105 Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, §44 Anm. 3. 106 Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 44 Anm. 3. ιόν RGSt 65, 40 ff., 43; BGH, MDR 1969, 321 ff., 322; Kleinknecht / Meyer, StPO, § 24 Rn. 3. los Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 25 ff., 26 f. 109 Siehe Kapitel Ε II. 1. b. cc.
326
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
Analysiert man die Rechtsprechung zu den prozeßrechtlichen Regelungen eingehender, so sind zwei Fallgruppen erkennbar. Sofern eine parteiliche Einstellung als innere Tatsache i n Rede steht, kann eine Besorgnis der Befangenheit nicht durch einfache Erklärung des Richters zerstreut werden 1 1 0 . Soweit jedoch äußere Umstände, die einen Rückschluß auf die Befangenheit zulassen, in Rede stehen, soll der dienstlichen Erklärung des betreffenden Richters ein überwiegender Beweiswert zukommen. Voraussetzung ist insofern aber, daß der Richter den äußeren Tatbestand des geltend gemachten Ablehnungsgrundes eindeutig bestreitet. Kann er sich hingegen nicht mehr erinnern oder räumt er den äußeren Vorgang zumindest zum T e i l ein, so gesteht die Rechtsprechung zu, daß auch dem vernünftigen Angeklagten bei einer solchen zweideutigen Richtigstellung Zweifel an der Unbefangenheit des Richters verbleiben m ü ß t e n i n . Dieser Rechtsprechung liegt eine i m Kern zutreffende Differenzierung zugrunde. Denn hinsichtlich der inneren Einstellung des Richters kann dessen dienstlichen Erklärung kein Beweiswert zugegemessen werden. I n diesem Fall entzieht sie sich nämlich jeglicher Nachprüfbarkeit. Sieht man dies aber als das entscheidende Kriterium an, so erscheint es durchaus sachgerecht, i m Hinblick auf äußere Indizien der dienstlichen Erklärung des Richters einen Beweiswert zuzumessen. Fraglich kann insoweit lediglich dessen Reichweite sein. Die Vorstellung, daß es das Ansehen des Richters verlange — und sinngemäß könnte dies auch auf das Ansehen der Verwaltung und des auf ihrer Seite handelnden Amtsträger übertragen werden — , daß seiner eindeutigen Erklärung geglaubt werde, insofern also eine Vermutung der Unbefangenheit bestehe, erscheint aus verschiedenen Gründen problematisch. Einmal ist angesichts der Erkenntnisse der modernen Informationstheorie fraglich, ob auch ein vernünftiger Beteiligter in diesem generellen Sinne von einer derartigen Vermutung ausgehen k a n n 1 1 2 . Hinzu tritt die Funktion der dienstlichen Äußerung. Sie soll dem nunmehr über das Ablehnungsgesuch entscheidenden Gericht die Meinungsbildung erleichtern 1 1 3 . Sie dient jedoch nicht dazu, diesem die Ermittlungstätigkeit abzunehmen 1 1 4 . Stehen sich also zwei eindeutige sich widersprechende Standpunkte gegenüber, so sind — sofern möglich — weitere Ermittlungen anzustellen und weitere Beweismittel heranzuziehen. Bleiben auch danach noch Zweifel, so unterliegt die Sachlage der freien Beweiswürdigung 1 1 5 . I m Rahmen dieser Beweiswürdigung ist entscheidend darauf abzustellen, daß das Gesetz schon die Möglichkeit der Befangenheit für ein Mitwirkungsverbot ausreichend ist. Verbleiben also bei den sich widersprechen110 Seit BGHSt. 1, 34 ff., 37; 18, 214 ff., 217 st. Rspr..; vgl. Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 32. in RGSt. 61, 67 ff., 70; BGHSt. 4, 264 ff., 270; 21, 334 ff., 351; vgl. Arzt, Der befangene Strafrichter, S. 31. 112 Krekeler, NJW 1981, 1633 ff., 1636. 113 BGH, DRiZ 1980, 391. ι· 4 Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, §44 Anm. 3. 115 Kleinknecht/Meyer, StPO, § 26 Rn. 11, § 261 Rn. 35; BGHSt. 21, 334 ff., 335.
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
327
den Standpunkten Zweifel oder sind, mit anderen Worten beide Standpunkte plausibel, so muß es auch einen normalen, vernünftigen, besonnen wertenden Menschen in der Rolle der Prozeßpartei zweifelhaft erscheinen, ob der Richter unbefangen ist. Bereits die nicht auszuschließende Möglichkeit begründet das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit 1 1 6 .
6. Die Entscheidung a. Bestehen eines
Entscheidungsspielraums?
Die Regelungen der §§ 21 I V w V f G , 17 I S G B - X und 83 I A O '77 statuieren lediglich eine Unterrichtungspflicht des potentiell einem Mitwirkungsverbot unterliegenden Amtsträgers. Sie lassen jedoch offen, ob auch die zur Entscheidung zuständige Stelle zur Anordnung des Mitwirkungsverbotes verpflichtet ist, wenn sie die Besorgnis der Befangenheit für begründet hält. I n diesem Zusammenhang könnte man daran denken, daß der zuständigen Stelle ein Ermessen, etwa in dem Sinne, daß sie die Interessen des Beteiligten mit dem öffentlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit der Verwaltung und der Zügigkeit des Verfahrens abwägen könnte, zusteht 1 1 7 . Die Einräumung eines solchen Ermessensspielraums stünde jedoch mit dem angestrebten Ziel eines objektiv und vorurteilsfrei geführten Verwaltungsverfahrens und des damit verbundenen Rechtsschutzes der Betroffenen in Widerspruch. Nur wenn Behördenangehörige, gegen die ein begründeter Anlaß zur Besorgnis der Befangenheit besteht, von jeder Einflußnahme auf das Verwaltungsverfahren auch tatsächlich ausgeschlossen werden, ist dieses Ziel zu v e r w i r k l i c h e n 1 1 8 . b. Die
Entscheidungsbildung
Die Entscheidungsbildung bietet lediglich i m Hinblick auf Kollegialorgane Anlaß zu Erörterungen. Denn in bezug auf den monokratischen Amtsträger kann das Verfahren mangels bestimmter Formvorschriften und — sofern keine organisationsrechtlichen Besonderheiten bestehen — entsprechend dem Grundsatz der Nichtförmlichkeit sachgerecht bestimmt werden 1 1 9 . Hingegen ist bei Kollegialorganen regelmäßig eine förmliche Beschlußfassung erforderlich. Der Vorsitzende eines Kollegialorgans ist als Folge der Unterrichtung durch den Amts- und Mandatsträger oder aufgrund eines anderen Anlasses 116 Vgl. Teplitzky, JuS 1969, 318 ff., 319. 117 Vgl. Meyer/Borgs, VwVfG, § 21 Rn. 5. u» Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 21 Rn. 13; Meyer/Borgs, VwVfG, § 21 Rn. 6; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 4 c). 119 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 4 d); Grüner, SGBX, § 17 Anm. IV, S. 11.
328
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
— ein M i t g l i e d des Kollegialorgans hält etwa ein anderes M i t g l i e d für befangen — zur Einberufung einer Sitzung des zur Entscheidung berufenen Gremiums verpflichtet. Dabei ist auch der potentiell Befangene zur Sitzung zu laden, obwohl er insoweit einen Mitwirkungsverbot unterliegt, da andernfalls die Sitzung nicht ordnungsgemäß einberufen i s t 1 2 0 . Das
Kollegialorgan
entscheidet
mit
Stimmenmehrheit,
vgl.
§§91
S. 1
V w V f G e , 54 I 1 H G O . Bei Stimmengleichheit gibt gemäß § § 9 1 S. 2 HS 1 V w V f G e die Stimme des Vorsitzenden, sofern dieser stimmberechtigt ist, den Ausschlag. Ansonsten gilt gemäß § § 9 1 S . 2 HS 2 V w V f G e ebenso wie nach § 54 I 2 H G O Stimmengleichheit als negative Entscheidung m i t der Folge, daß der betroffene Amts- und Mandatsträger nicht mit einem Tätigkeitsverbot in dieser Angelegenheit belegt wird. Grundsätzlich unzulässig sind sog. Globalbeschlüsse, bei denen eine Mehrzahl gleichartiger Fälle zum Zweck der Vereinfachung in einer einzigen Abstimmung erledigt werden. Denn die Individualität der Entscheidungsfindung bedingt eine getrennte Behandlung und Beschlußfassung 1 2 1 . Ausnahmen sind nur für die Fälle zu machen, in denen eine parallele Fallgestaltung vorliegt. So etwa, wenn zwei Kollegiumsmitglieder Aufsichtsräte des gleichen Unternehmens sind, das ein Sonderinteresse in der Angelegenheit besitzt. In derlei Fällen ergeben sich aufgrund der Gleichartigkeit der Sachlage keine Bedenken gegen einen Globalbeschluß 1 2 2 . Z u untersuchen bleibt der Gesichtspunkt, wann von einer solchen förmlichen Beschlußfassung abgesehen werden kann. I n Übereinstimmung mit der h. M . zur entsprechenden prozeßrechtlichen Problematik w i r d man dies zunächst dann annehmen können, wenn der geltend gemachte Befangenheitsgrund offensichtlich nicht vorliegt und nur rechtsmißbräuchlich behauptet worden i s t 1 2 3 . Fraglich ist aber darüberhinaus, ob eine förmliche Entscheidung auch dann erforderlich ist, wenn der betreffende Amts- und Mandatsträger von sich aus bereit ist, ein Handlungsverbot anzuerkennen. I m Rahmen einer solchen Fallkonstellation gehen die Ansichten auseinander. Eine Ansicht w i l l dies verneinen. Insofern müsse berücksichtigt werden, daß das Mitwirkungsverbot auch den Schutz des Amts- und Mandatsträgers vor Konflikten moralischer, wirtschaftlicher, persönlicher oder sonstiger Art verhindern wolle. Habe ein Amts- und Mandatsträger, um einen Verdacht der Befangenheit zu entgehen, freiwillig entschieden, sich der Beratung und Beschlußfassung in einer bestimmten Angelegenheit
zu enthalten,
so müsse
diese Gewissensentscheidung
respektiert
werden 1 2 4 . Diese Überlegung könnte weiter dadurch unterstützt werden, daß der 120 Obermayer, VwVfG, §20 Rn. 73; Lüersen / Neuffer-Lösekrug, GO Nds., §26 Erl. 8. 121 Masson / Samper, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 49 GO, Rn. 16, S. 252/1. 122 VGH München, BayVBl. 1959, 353 ff., 355. 2 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. d); , G, § n. 0.
I. Das Verfahren zur Feststellung einer Befangenheit
329
betroffene Amts- und Mandatsträger nicht nur ein Interesse, sondern grundsätzlich auch einen Anspruch auf den Schutz seiner Intimsphäre hat. Inzidenter liegt dies nach den obigen Ausführungen 1 2 5 auch den Befangenheitstatbeständen zugrunde. Daraus ließe sich nun schliessen, dem Amts- und Mandatsträger sei es zur Vermeidung eines öffentlichen Darbietens privater Angelegenheiten zuzubilligen, sich freiwillig der M i t w i r k u n g zu enthalten. Neben dieser funktionalen Komponente w i r d auch eine formale vorgetragen. Wenn es nämlich dem betroffenen Amts- und Mandatsträger freistehe, von sich aus zu entscheiden, so wäre es formalistisch und umständlich, jedesmal einen besonderen, förmlichen Beschluß seitens des Kollegiums zu verlangen 1 2 6 . Demgegenüber ist jedoch zweifelhaft, ob dieser Auffassung zu folgen ist. Die Respektierung der Persönlichkeitssphäre des Amts- und Mandatsträger wie dessen Schutz vor Gewissenskonflikten kann auch auf andere Weise sichergestellt werden. Z u beachten ist insoweit, daß das die Überprüfungsbefugnis der zuständigen Stelle gerade durch diese beiden funktionalen Gesichtspunkte begrenzt w i r d 1 2 7 . Weigert sich der Betroffene unter Bezug auf diese Erwägungen mit plausiblen Gründen weiteren Ausforschungen nachzukommen, so ist er bei Zweifeln i m Hinblick auf seine Unbefangenheit von der M i t w i r k u n g in der Angelegenheit auszuschließen. Damit ist zugleich auch ein weiterer Grund für eine förmliche Entscheidung angesprochen. Es muß nämlich die Möglichkeit eines Mißbrauchs der „Selbstablehnung" ausgeschlossen werden. Selbst die zuvor dargestellte A n sicht kommt nicht daran vorbei, eine Begründung von dem entsprechenden Amtsund Mandatsträger zu verlangen, weil eine grundsätzliche Verpflichtung zur Mitarbeit besteht und verhindert werden muß, daß sich der Betreffende lediglich der Verantwortung für eine unangenehme Entscheidung entzieht 1 2 8 . Dabei sind durchaus Bedenken gegen die Ansicht zu erheben, schon die bloße, ohne Widerspruch erfolgte Kenntnisnahme der Mitglieder des Kollegialorgans von der Begründung des Amts- und Mandatsträgers genüge als konkludente Billigung dem Erfordernis einer Entscheidung i m Sinne der §§ 20 I V 2 V w V f G e , 16 I V 2 SGBX , 82 I I I 2 A O '77 und 25 I I I H G O 1 2 9 . Die förmliche Beschlußfassung hat nämlich die Funktion, Klarheit über den entsprechenden W i l l e n des Kollegialorgans schaffen. Es soll der Unsicherheitsfaktor ausgeschlossen werden, ob die Umstände des Einzelfalls w i r k l i c h den Schluß darauf zulassen, ob das Schweigen des Kollegiums als Zustimmung zu deuten ist. Daneben ist zu bedenken, daß eine positive Willenskundgabe auch die Funktion hat, sich intensiver mit dem 124 Linden, Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 195; v. Loebell Oerter, GO NrW, § 23 Erl. 9, S. 211; OVG Münster, DVB1. 1978, 150 f., 151. •25 Siehe Kapitel E I. 126 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 195 f. 127 Vgl. Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, §48 Anm. 3. 128 Kunze / Bronner / Katz, GO BaWü, § 18 Rn. 23. 129 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 195.
330
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
Verhandlungsgegenstand zu befassen und seine Handlungsweise zu kontrollieren. Demgegenüber vermag eine bloß passive Haltung diesem Aspekt nicht gerecht zu werden. Dies und der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit sowie der Vergleich mit den prozeßrechtlichen Regelungen der § § 3 0 StPO, 48 ZPO sprechen gegen die Zulässigkeit einer konkludenten Billigung der „Selbstablehnung". Vielmehr ist auch in diesen Fällen eine förmliche Beschlußfassung erforderlich130. c. Der Verfahrensabschluß Die gesetzlichen Ausprägungen des Unbefangenheitsgebotes enthalten weder für die Anordnung (bzw. Ablehnung) des Mitwirkungs Verbotes noch für die Mitteilung dieser Entscheidung eine bestimmte Formvorschrift. Insoweit greifen allgemeine Erwägungen Platz. Das Mitwirkungsverbot wird bei Verwaltungsaktsqualität 1 3 1 der Entscheidung wirksam, sobald die Entscheidung dem betroffenen Amts- und Mandatsträger mitgeteilt worden ist, §§ 43 I 1 V w V f G e , 39 I 1 S G B - X , 124 I 1 A O '77. Ist die Befangenheit von einem Beteiligten oder von einem Amtsträger selbst geltend gemacht worden und wurde diesem Verlangen nicht entsprochen, so ist die Entscheidung schriftlich und mit Gründen versehen zu erlassen. Denn in diesem Fall besteht ein berechtigtes Interesse an dem schriftlichen Erlaß i m Sinne der §§ 37 I I 2 V w V f G e , 33 I I 2 S G B - X und 119 I I 1 A O '77. Das entsprechende Verlangen nach der Schriftform w i r d hier regelmäßig schon konkludent in der Geltendmachung der Befangenheit zu erblicken sein. Dies gilt unter Berücksichtigung der Rechtsschutzmöglichkeiten 1 3 2 i m Prinzip auch, wenn die Entscheidung über das Mitwirkungsverbot erkennbar der Ansicht des betroffenen Amtsträgers widerspricht, die er i m Rahmen seiner dienstlichen Stellungnahme geäußert hat. Die Entscheidung über die Anordnung des Mitwirkungsverbotes ist stets nur deklaratorischer und nicht konstitutiver Art. Entgegen einer verbreiteten A n s i c h t 1 3 3 gilt dies auch für den Fall einer Besorgnis der Befangenheit. A u c h eine Besorgnis der Befangenheit ist unabhängig von der Entscheidung gegeben. Sie stellt daher nur ein formelles Erfordernis dar, daß aufgrund der generalklauselartigen Fassung eine verwaltungsinterne Nachprüfung ermöglichen soll. Keineswegs ist die Entscheidung aber in dem Sinne konstitutiv, daß ohne ihr Vorliegen eine Befangenheit zu verneinen wäre.
130 Obermayer, VwVfG, §20 Rn. 73; Lüersen / Neuffer-Lösekrug, GO Nds., §26 Erl. 8; OVG Lüneburg, NST-N 1985, S. 75. 131 Zu der Rechtsqualität der Entscheidung siehe im einzelnen unten unter II. 132 Nachfolgend II. 133 Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 19; Pickel, Lehrbuch des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens, § 11 I. 3.; Galette / Laux-Borchert, GO SchlH., §22 Absatz I I I Anm. 2.
331
II. Rechtsschutzmöglichkeiten
Verneint hingegen die zuständige Stelle das Vorliegen einer Befangenheit, so ist der betroffene Amts- und Mandatsträger zur Ausübung seiner Tätigkeit verpflichtet und somit bei einer weiteren Weigerung allen Maßnahmen unterworfen, die eine derartige Pflichtverletzung ahnden 1 3 4 . Den Mitgliedern der kommunalen Vertretungskörperschaften
verbleibt
insofern
jedoch
die
Möglichkeit
einer
Stimmenthaltung 1 3 5 .
I I . Rechtsschutzmöglichkeiten 1. Beteiligte a. Nichtförmliche
Verwaltungsverfahren
Verwirrung herrscht hinsichtlich der Frage, ob die Verfahrensbeteiligten gegen die Entscheidung, die das Vorliegen der Befangenheit eines Amtsträgers verneint, eine isolierte Rechtsschutzmöglichkeit besitzen. Eine vereinzelte Ansicht w i l l dies i m Hinblick auf die Rechtsnatur der Entscheidung verneinen. Sie sei kein Verwaltungsakt und daher auch nicht von den Beteiligten anfechtbar I 3 6 . Diese Ansicht ist jedoch in zweierlei Hinsicht nicht korrekt. Einmal kann es hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeit nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Entscheidung als Verwaltungsakt anzusehen ist, denn aufgrund der Generalklausel des § 40 V w G O besteht ein umfassender Rechtsschutz, der bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten unabhängig von der Rechtsnatur der behördlichen Maßnahme gewährt wird. Z u m anderen ist die Einschätzung dieser Ansicht i m Hinblick auf die Verwaltungsaktsqualität durchaus fragwürdig. Nicht zweifelhaft kann insofern sein, daß die Ablehnung eine Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts darstellt. Fraglich kann allenfalls das Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Außenwirkung sein. Sie w i r d man jedoch, sofern man die Initiativmöglichkeit des Beteiligten wie hier als kupiertes Ablehnungsrecht begreift, nicht in Abrede stellen können. Denn insoweit läuft nicht lediglich ein internes Verfahren ab, das den Beteiligten nicht berührt. Vielmehr ist ihm diese Einwirkungsmöglichkeit gerade zu seinem Schutz eingeräumt worden. W i r d nun eine Befangenheit entgegen seiner Behauptung verneint, so stellt die Entscheidung fest, daß die Ansicht des Beteiligten unzutreffend ist und der betreffende Amtsträger aufgrund seiner inneren Einstellung die Rechtssphäre des Beteiligten nicht verletzen wird. Die ablehnende Entscheidung ist damit auch an den Beteiligten adressiert und hat unmittelbare Außenwirkung. 134 Kunze/Bronner/Katz, GO BaWü, § 18 Rn. 21; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision, S. 197. 135 Für den Bereich des Verwaltungsverfahrensrechts ist die Möglichkeit einer Stimmenthaltung streitig. Richtigerweise wird diese aber nach allgemeinen Grundsätzen zu verneinen sein: Kopp, VwVfG, § 91 Rn. 3 m. w. N. 136 Knack-Clausen, VwVfG, § 21 Rn. 3.5.
332
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
Dennoch ist fraglich, ob aus dieser Qualifizierung schon die Möglichkeit einer isolierten Anfechtbarkeit folgt. Einer nicht näher begründeten Ansicht zufolge soll die Entscheidung über das Vorliegen eines Befangenheitsgrundes trotz ihrer Rechtsnatur stets nur zusammen mit der in der Sache selbst ergehenden Entscheidung angreifbar sein, da sie immer nur mit jener zusammen rechtliche Bedeutung habe 1 3 7 . Diese These trifft indessen nicht zu. Die beiden Entscheidungen zugrundeliegenden Verfahrensgegenstände unterscheiden sich und stehen nicht in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang. Zudem können beide Entscheidungen verschiedene Rechtsnatur haben. So etwa, wenn das Verfahren mit dem Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder dem Erlaß einer Rechtsnorm, ζ. B. Rechts Verordnung, endet 1 3 8 . Ferner sind Fälle denkbar, in denen zwar eine Entscheidung über ein Mitwirkungsverbot getroffen wird, es aber in der Folge aus bestimmten Gründen nicht mehr zu einer Sachentscheidung k o m m t 1 3 9 . Ein weiterer entscheidender Aspekt ist schließlich, daß kein allgemeiner Rechtsgrundsatz besteht, wonach Verfahrenshandlungen nur mit der Sachentscheidung angegriffen werden k ö n n e n 1 4 0 . Ohne eine positivierte Regelung ist daher von der Selbständigkeit und damit isolierten Angreifbarkeit beider Entscheidungen auszugehen. Eine solche ausdrückliche Regelung enthält jedoch § 44a V w G O . Für seinen durch § 40 V w G O determinierten Anwendungsbereich folgt, daß negative Entscheidungen über das Mitwirkungsverbot v o m Beteiligten nicht isoliert anfechtbar sind. Aufgrund dieser Regelung können sie nur zusammen mit der Hauptsacheentscheidung angefochten werden 1 4 1 . Vereinzelt w i r d insoweit eine gesonderte Anfechtung beim Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zugelassen, da es hier an einer „Sachentscheidung' 4 i. S. d. § 44a V w G O mangele 1 4 2 . Bei diesem Fall ist es allerdings müßig, über die Frage der isolierten Angreifbarkeit zu meditieren, da der Beteiligte seine Zustimmung zum Vertragsschluß verweigern kann und er damit nicht des Schutzes eines gesonderten Rechtsbehelfs bedarf. b. Förmliche
Verwaltungsverfahren
Ganz überwiegend wird dieses Ergebnis auch auf die ablehnende Entscheidung in förmlichen Verfahren übertragen. Auch hier sollen die Beteiligten die Ablehnung ihres Befangenheitsantrages gemäß § 44a V w G O nicht mit gesonderten Rechtsbehelfen angreifen können. Diese Entscheidung sei lediglich mit Rechtsbe137 Widtmann, BayGO, Art. 49 Anm. 8. 138 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 206; Obermayer, BayVBl. 1967, 122. 139 Masson / Samper, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 49 GO, Rn. 15. 140 Stelkens, NJW 1982, 1137 ff., 1137; Schmidt, JuS 1982, 745 ff., 748. 141 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 76; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 51, § 21 Rn. 9. 142 Grüner, SGB X, § 16 Anm. VII, S. 26; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 16 Anm. 5 g).
II. Rechtsschutzmöglichkeiten
333
helfen gegen die in der Hauptsache ergehende Entscheidung anfechtbar. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Unterlassung einer Entscheidung über die Ablehnung
143
.
Diese Ansicht ist jedoch außerordentlich fragwürdig. Sie berücksichtigt nicht die unterschiedliche Ausgestaltung der Einwirkungsmöglichkeiten der Beteiligten i m Hinblick auf die M i t w i r k u n g eines befangenen Amtsträgers. Ersichtlich w i l l das Gesetz mit der Einräumung eines formellen Ablehnungsrechts die Stellung des Beteiligten i m förmlichen Verwaltungsverfahren stärken. Dieses formelle Ablehnungsrecht hebt also die Entscheidung über die Ablehnung aus dem Kreis der gewöhnlichen Verfahrenshandlungen heraus 1 4 4 . Ginge man mit der eingangs angeführten Ansicht konform, so würde bezüglich der Stellung des Beteiligten i m Zusammenhang mit der M i t w i r k u n g eines Befangenen jeder Unterschied zwischen den förmlichen und nicht-förmlichen Verfahren entfallen und damit die Regelung des § 71 I I I 1 V w V f G e insgesamt sinnlos. I m Vergleich zu der Initiativmöglichkeit i m nicht-förmlichen Verwaltungsverfahren gewinnt sie nur dann einen Sinn, wenn der Beteiligte gesondert eine Entscheidung über seinen Ablehnungsantrag erzwingen oder gegen die ablehnende Entscheidung vorgehen kann. E contrario folgt dies auch aus der Regelung des § 84 S. 5 A O '77, wo ausdrücklich bestimmt wird, daß die negative Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch nicht selbständig, sondern nur zusammen mit der das Verfahren abschließenden Entscheidung angefochten werden kann. Ein unbefangener Betrachter würde diese Regelung zwar als Bestätigung der h. M . empfinden, die ein isoliertes Anfechtungsrecht ablehnt. Indessen zeigt eine eingehende Betrachtung ein anderes Bild. Zunächst belegt diese Regelung, daß ein Ablehnungsrecht ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung isoliert durchsetzbar ist, da andernfalls der Satz 5 unnötig wäre. Die Frage, die nunmehr entscheidend ist, ist die, ob die Regelung des § 44a V w G O in funktionaler Hinsicht der Regelung des § 84 S. 5 entspricht. Gerade dies ist jedoch nur bedingt der Fall. Nur unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Verhinderung einer Verfahrensverzögerung bestehen Gemeinsamkeiten. Beide Regelungen entspringen allerdings einer unterschiedlichen M o tivation des Gesetzgebers. Das Steuerrecht ist i m Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten in einem besonderem Maße von dem Gedanken der Verhinderung einer Verfahrens Verzögerung durch Geltendmachung von Rechtsbehelfen durchzogen. Deutlichen Ausdruck findet dieser Gedanke auch in § 80 I I Nr. 1 V w G O , der die aufschiebende W i r k u n g eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage stets bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben entfallen läßt. Sinn dieser Regelung ist es die Finanzierung notwendiger öffentlicher Aufgaben sicherzustellen 1 4 5 . Dies wäre gefährdet, wenn der Bürger die Entrichtung von Steuern ι « Kopp, VwVfG, § 71 Rn. 25; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 71 Rn. 13. 144 Obermayer, VwVfG, § 71 Rn. 43. 145 Kopp, VwGO, § 80 Rn. 37.
334
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
und anderen Abgaben wegen der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs verweigern dürfte. Dieser Regelungszweck greift aber über den Bereich der aufschiebenden W i r k u n g von Rechtsbehelfen hinaus und erfordert auch eine Beschleunigung des Steuerverfahrens. Nichts anderes als dieser Gedanke manifestiert sich in der Regelung des § 84 S. 5 A O '77. Sie beruht daher auf den Besonderheiten des Steuerrechts und kann daher nicht zur Auslegung des allgemein formulierten § 44a V w G O herangezogen werden. Diese Vorschrift w i l l nicht die Finanzkraft des Staates gewährleisten, sondern hat in einem ganz pauschalen Sinne die Verfahrensökonomie i m Blick. Ohne einen weitergehenden spezifischen Schutzzweck soll verhindert werden, daß sich Verfahren durch Rechtsbehelfe verzögern und ihre Durchführung erschwert wird, sowie Gerichte mit Streitfällen konfrontiert werden, obwohl letztlich noch offen ist, ob die Betroffenen durch die das Verfahren abschließende Entscheidung überhaupt beschwert s i n d 1 4 6 . Diese N o r m trifft denn auch nicht zuletzt wegen dieser Pauschalität — denn nicht immer bedingt Verfahrensökonomie den Ausschluß von Rechtsbehelfen gegen behördliche Verfahrenshandlungen, vielfach insbesondere bei Großprojekten w i r d gerade der gegenteilige Effekt erzielt und ein effektiver Rechtsschutz der Betroffenen untergraben — auf allgemeine K r i t i k und w i r d als rechtspolitisch verfehlt angesehen 147 . Sie ist vor diesem Hintergrund restriktiv zu interpretieren und erfaßt —
unabhängig von den insoweit bestehenden
Meinungsverschiedenheiten 1 4 8 — insbesondere nicht solche behördliche Verfahrenshandlungen, bei denen die Auslegung der ihnen zugrundeliegenden Vorschriften gerade zu der Möglichkeit der Erhebung eines isolierten Rechtsbehelfs führt. Dies aber ist bei dem hier in Rede stehenden Ablehnungsrecht wegen der Befangenheit eines Amtsträgers der Fall. Hier folgt nach den obigen Ausführungen aus dem Regelungszusammenhang, daß ein isolierter Rechtsbehelf gegen die behördliche Entscheidung über das Vorliegen einer Befangenheit erhoben werden kann. Geht man damit konform, so rückt der bisher von Literatur und Rechtsprechung i m Zusammenhang mit § 44a V w G O vernachlässigte Aspekt der Gesetzgebungskompetenz in den Mittelpunkt des Interesses. Sehen nämlich bestimmte LandesV w V f G e subjektive Verfahrensrechte vor, so könnte dies in Ermangelung der Gesetzgebungskompetenz für das verwaltungsgerichtliche Verfahren verfassungsrechtlich bedenklich sein. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für ihre Verwaltungsverfahrensgesetze auch die Befugnis zur Ausgestaltung der Verfahrenspositionen der Beteiligten beinhaltet. Gesteht der Landesgesetzgeber, wie etwa i m Zusammenhang mit § § 7 1 I I I 1 L V w V f G e geschehen, den Beteiligten subjektive Rechte zu, so muß
146 147 148 NJW
Kopp, VwGO, § 44a Rn. 1. Vgl. nur Kopp, VwGO, § 44a Rn. 1 m. w. Nw. Vgl. nur Hill, Jura 1985, 61 ff., 62 ff.; Kopp, VwVfG, § 97 Rn. 7; Pagenkopf, 1979, 2382 f., 2383; Schmidt, JuS 1982, 745 ff., 747 f.
II. Rechtsschutzmöglichkeiten
335
dies v o m Bundesgesetzgeber respektiert werden und kann nicht durch prozeßrechtliche Regelungen unterlaufen werden 1 4 9 . Andernfalls liegt vielmehr umgekehrt ein Eingriff des Bundesgesetzgebers in die landesrechtliche Zuständigkeit vor. Gerade dies wäre aber mit der Regelung des § 44a V w V G O der Fall, wenn sie jedwede behördliche Verfahrenshandlungen ohne Rücksicht auf ihre konkrete Ausgestaltung erfassen würde. Die praktische Bedeutung des subjektiven Rechts besteht nun gerade in der Rechtsmacht des Inhabers zu dessen (gerichtlichen) Durchsetzung, was angesichts der Regelung des Art. 19 I V G G keines weiteren Nachweises bedarf 1 5 0 . N u n könnte man einwenden, die Durchsetzbarkeit werde durch § 44a V w G O nicht beseitigt, sondern lediglich mit der das Verfahren abschließenden Entscheidung untrennbar verkoppelt. Indessen liefert dieser Aspekt keinen tragfähigen Einwand, da er dem Zweck des Ablehnungsrechts wegen Befangenheit zuwiderläuft. Das Ablehnungsrecht ist dem Rechtsinhaber eingeräumt worden, um präventiv gegen drohende Nachteile, die aus der M i t w i r kung des Befangenen folgen können, vorzugehen. Diese funktionale Komponente ginge verloren, würde man dem Ablehnungsrecht seine isolierte Durchsetzbarkeit absprechen. Dies öffnet zugleich den B l i c k auf das Verhältnis der Gesetzgebungskompetenzen. Fehlt die Möglichkeit gesonderter Rechtsbehelfe gegen ablehnende Entscheidungen, was die Konsequenz des § 44a V w V G O bei einer weiten, undifferenzierten Auslegung wäre, so verliert das Ablehnungsrecht der Beteiligten seinen praktischen Wert und die verwaltungsverfahrensrechtliche Ausgestaltung w i r d zur Makulatur. Aus dieser Wirkungsweise des subjektiven Rechts folgt, daß der Bundesgesetzgeber dieses respektieren muß und nicht der Regelung des § 44a V w G O unterstellen kann. § 44a V w G O ist daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß er keine behördlichen Verfahrenshandlungen erfaßt, die aus der Geltendmachung subjektiver Verfahrensrechte resultieren. Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, daß der Beteiligte immer dann, wenn ihm ein subjektives Ablehnungsrecht zusteht, gegen die Unterlassung einer Entscheidung oder eine ablehnende Entscheidung gesondert mit Rechtsbehelfen (Widerspruch, Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage) vorgehen k a n n 1 5 1 . I m Einzelfall ist insofern auch vorbeugender Rechtsschutz m ö g l i c h 1 5 2 . Dieses Ergebnis ist zudem i m Hinblick auf das Ablehnungsrecht bei Befangenheit sachgerecht und entspricht insbesondere auch dem Grundanliegen des § 44a V w G O . Die mangelnde isolierte Durchsetzbarkeit der Geltendmachung einer Befangenheit i m nichtförmlichen Verfahren ist vor dem Hintergrund der grund149 Vgl. allgemein zur Kompetenzproblematik: Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 74 Rn. 83; Lerche, ebenda, Art. 84 Rn. 30 ff., 51 jeweils mit w. Nw. 150 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 5; Erichsen, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 I I 5. 151 Im Ergebnis ebenso Obermayer, VwVfG, § 71 Rn. 43, der dieses Ergebnis hilfsweise auch auf eine Analogie zu § 44a S. 2 VwGO stützt; vgl. ferner Pagenkopf, NJW 1979, 2382 f., 2383. 152 Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, §21 Rn. 13.
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F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
sätzlich gewollten flexiblen Ausgestaltung des Verfahrens sachgemäß. Hier hat der Beschleunigungsgedanke des § 44a V w G O seinen guten Sinn. Anders aber i m förmlichen Verfahren, das regelmäßig dann stattfindet, wenn eine Entscheidung besondere Bedeutung hat oder in schwerwiegender Weise in Rechte der Beteiligten eingreift. Der Gesetzgeber hat daraus i m Hinblick auf das Unbefangenheitsprinzip die Konsequenz gezogen und dem Beteiligten in diesen Fällen ein formelles Ablehnungsrecht zugestanden. Daher ist es folgerichtig, wenn der von § 44a V w G O getragene Gedanke der Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens zurücktritt.
2. Der „befangene" Amts- und Mandatsträger a. Der monokratische
Amtsträger
Streitig ist die Frage, ob der von der Anordnung des Mitwirkungsverbotes oder dessen Ablehnung betroffene monokratische Amtsträger gegen die entsprechende Entscheidung Rechtsschutz begehren kann. Ein Teil der Lehre weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Entscheidung gegenüber dem Amtsträger eine interne Organisationsmaßnahme sei, die das Grundverhältnis nicht berühre. Bei der Anordnung des Mitwirkungsverbotes oder dessen Ablehnung handele es sich daher um eine nicht anfechtbare innerdienstliche Weisung, nicht aber um einen Verwaltungsakt 1 5 3 . Diese Ansicht verkennt jedoch die Auswirkungen, die von der Entscheidung auf den betreffenden Amtsträger ausgehen. Hinzuweisen ist insoweit zunächst darauf, daß das Unbefangenheitsprinzip den Amtsträger auch vor entsprechenden Gewissenskonflikten bewahren s o l l 1 5 4 . Umgekehrt folgt daraus, daß der Amtsträger bei Vorliegen eines Befangenheitsgrundes selbst schutzbedürftig ist und ihm insoweit ein Recht zusteht, von der M i t w i r k u n g in dieser Angelegenheit entbunden zu werden 1 5 5 . Dem Amtsträger muß daher vor diesem Hintergrund die Möglichkeit eingeräumt werden, gegen eine Entscheidung, die seine Befangenheit verneint, vorgehen zu können. Nichts anderes ergibt sich i m Fall einer vom Standpunkt des Amtsträgers aus unberechtigten Anordnung des Mitwirkungsverbotes. W i l l das Unbefangenheitsgebot einer falschen Entscheidung vorbeugen, so liegt in der Anordnung des Mitwirkungsverbotes der Vorwurf, es stehe zu erwarten, daß der Amtsträger seine Amtspflichten in der Angelegenheit nur mangelhaft erfülle. Insoweit liegt eine Integritätsbeeinträchtigung und damit eine Berührung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts v o r 1 5 6 . Unter Berücksichtigung 153
Grüner, SGB-X, § 17 Anm. IV, S. 11; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 17 Anm. 4 g); Knack-Clausen, VwVfG, § 21 Rn. 3.5. 154 Kopp, VwVfG, § 21 Rn. 10; Pickel, Lehrbuch des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens, § 11 I I 3; Obermayer, VwVfG, § 21 Rn. 25; Foerster, SKV 1975, 11 ff., 15. iss Kirchhof, VerwArch. 66 (1975), 370 ff., 382. 156 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 51.
II. Rechtsschutzmöglichkeiten
337
dieser Auswirkungen kann ein Rechtsschutz des betroffenen Amtsträgers nicht verneint werden. Fraglich ist insoweit lediglich die Form, in der dieser begehrt werden kann. Die frühere Rechtsprechung hat innerdienstliche Weisungen stets dann Verwaltungsaktsqualität zuerkannt, wenn sie mit der mangelhaften Erfüllung der dienstlichen Pflichten und Aufgaben begründet wurde. Die Weisung sei daher objektiv geeignet, die dem Grundverhältnis
zuzurechnende Berufsehre
zu
beeinträchtigen 1 5 7 . Fraglich ist allerdings, ob auf diese Rechtsprechung nach wie vor zurückgegriffen werden kann. I n Abkehr von seiner eigenen Rechtsprechung hat das B V e r w G jüngst i m Zusammenhang mit der Rechtsnatur der Umsetzung entschieden, daß solche Umstände nicht geeignet seien, die Umsetzung als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Soweit die Umsetzung selbst oder ihre Begleitumstände in die Persönlichkeitssphäre hineinwirke oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht berühre, könne der betroffene Amtsträger Rechtsschutz über die Feststellungs- oder allgemeine Leistungsklage erlangen 1 5 8 . Demgegenüber ist jedoch fraglich, ob diese neuere Rechtsprechung Auswirkungen auch auf den hier zur Diskussion stehenden Fall hat. Berücksichtigt werden muß, daß bis zur dieser Entscheidung eine vielfältige Facetten aufweisende Kausuistik zur Rechtsnatur der Umsetzung bestand. W i e der oben angeführte Punkt der Integritätsbeeinträchtigung belegt, sollte danach die Umsetzung jedenfalls dann als Verwaltungsakt bewertet werden, wenn sie „tatsächlich" Rechte des Beamten verletzte. Insoweit war es ein tragender Gesichtspunkt den Verwaltungsaktsbegriff von der Überladung mit Elementen der Begründetheit der Klage zu befreien und insoweit Rechtsklarheit zu schaffen, ohne das insoweit der Rechtsschutz beschnitten werden sollte 1 5 9 . Gerade dieser Gesichtspunkt ist in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht durchschlagend. Denn i m Gegensatz zur Umsetzung betrifft die Entscheidung über das Mitwirkungsverbot stets die individuelle Rechtssphäre des Amtsträgers. Daher spricht nichts dagegen, die Entscheidung über das Mitwirkungsverbot als Verwaltungsakt anzusehen, mit der Konsequenz, daß der betroffene Amtsträger Rechtsschutz über die Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage begehren k a n n 1 6 0 .
157 BVerwGE 14, 84 ff., 87; OVG Münster, DÖV 1976, 425 f., 426; DÖD 1978, 184 ff., 186; VG Frankfurt, DÖV 1978, 251 f., 252. 158 BVerwGE 60, 144 ff., 147; BVerwG, DVB1. 1980, 882 ff., 883; DVB1. 1981, 495 ff., 496. 159 BVerwGE 60, 144 ff., 148; Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 305. 160 Kopp, VwVfG, § 21 Rn. 10; Pickel, Lehrbuch des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens, § 11 I I 3; Obermayer, VwVfG, § 21 Rn. 25; Foerster, SKV 1975, 11 ff., 15. 22 Kazele
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
338
b. Mitglieder
von
Kollegialorganen
aa. Die Rechtslage auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts A u c h soweit in bezug auf Mitglieder von Kollegialorganen eine Entscheidung über das Mitwirkungs verbot getroffen wird, greifen die gleichen Erwägungen Platz. Auch hier stellt die Entscheidung über das Mitwirkungsverbot aufgrund ihres Bezuges zur Persönlichkeitssphäre einen Verwaltungsakt dar, so daß die betroffenen Kollegiumsmitglieder Widerspruch erheben und in der Folge mit der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage vorgehen können 1 6 1 . Z u beachten ist in diesem Zusammenhang weiter, daß auch der den betroffenen Amtsträger in ein Kollegialorgan entsendende Rechtsträger diesen W e g i m Fall der Anordnung eines Mitwirkungsverbotes beschreiten kann, da mit der Entscheidung auch in sein Entsendungsrecht eingegriffen w i r d 1 6 2 .
bb. Die Geltendmachung des Mitgliedschaftsrechts i m Kommunalrecht Auch die Entscheidung des Mitwirkungs Verbotes auf dem Gebiet des K o m m u nalverfassungsrechts ist allgemeiner Ansicht nach durch den betroffenen Amtsund Mandatsträger mit Rechtsmitteln angreifbar. Insoweit ist als weiterer Begründungsansatz zu berücksichtigen, daß den Mitgliedern kommunaler Vertretungskörperschaften als Ausfluß ihrer Rechtsstellung als gewählte kommunale Mandatsträger ein Recht auf M i t w i r k u n g i m Entscheidungsprozeß dieser Kommunalorgane zusteht 1 6 3 . Die neuere Literatur und Rechtsprechung mißt der Rechtsnatur der Entscheidung allerdings keine Verwaltungsaktsqualität bei. Zur Begründung w i r d angeführt, daß die Gemeindevertretung nicht als Verwaltungsbehörde tätig werde, sondern ihre innere Ordnung gestalte 1 6 4 . Der mit einem Mitwirkungsverbot Belegte und das dieses anordnende Organ stünden sich in einem Gleichordnungsver161 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 75; Pickel, Lehrbuch des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens, § 1113.; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 51; Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 16 Anm. 5 f), § 17 Anm. 7; Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 10. 162 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungs verfahren, § 16 Anm. 5 f); Kopp, VwVfG, §20 Rn. 51; VGH Kassel, NJW 1962, 832 f., 833; VGH München, VerwRspr. 13, 970 ff., 973; OVG Münster, OVGE 18, 104 ff., 105 '63 γ. Mutius, JuS 1979, 37 ff., 38; Schröder, NVwZ 1985, 246 f., 247; Borchmann/ Breithaupt / Viola, Kommunalrecht in Hessen, S. 82; Streinz, BayVBl. 1983, 744 ff., 744 jeweils mit weiteren Nachweisen 164 Kunze/Bronner/Katz, GO für BaWü, § 18 Rn. 22; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 197ff., 200; Krebs, VerwArch. 1977, 189; VGH München, BayVBl. 1976, 753 ff., 754; OVG Münster, OVGE 18, 104 ff., 105; VGH Kassel, N V w Z 1982, 44; VG Frankfurt, NVwZ 1982, 52.
339
II. Rechtsschutzmöglichkeiten
hältnis gegenüber 1 6 5 . Diese Ansicht überzeugt angesichts der gegenteiligen Beurteilung der Entscheidung auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts nicht v ö l l i g 1 6 6 . Dieser Frage soll jedoch angesichts der festgefügten neueren Ansicht nicht weiter nachgegangen werden, da sie überdies nur Bedeutung hinsichtlich der Klageart, nicht aber hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeit als solcher hat. Folge der Klassifizierung durch die h. M . ist, daß der betroffene Mandatsträger gegen die Entscheidung über das Mitwirkungsverbot Rechtsschutz i m Rahmen des Kommunalstreitverfahrens in Form der Feststellungsklage begehren kann167. 3. Das Geltendmachen von Mitgliedschaftsrechten durch ein überstimmtes Einzelmitglied oder durch eine überstimmte Minderheit im Kommunalverfassungsrecht Eine spezielle Problematik unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Entscheidung über das Mitwirkungsverbot ergibt sich für den Fall, daß nicht der beteiligte Bürger oder der betroffene Amts- und Mandatsträger Rechtsschutz begehrt, sondern Mitglieder des Kollegialorgans der Auffassung sind, die Entscheidung sei rechtswidrig. Ihnen wäre die Feststellungsklage nur dann eröffnet, wenn in diesen Fällen die bei Kommunalverfassungsstreitverfahren zusätzlich erforderliche Sachurteilsvoraussetzung der Verletzung von M i t gliedschaftsrechten gegeben ist. U m zu verhindern, daß das Kommunalverfassungsstreitverfahren
zu einem objektiven Beanstandungsverfahren
wird, ist
dieses nur zulässig, wenn die Kläger geltend machen können, durch ein anderes Organ oder Organteil eine eigene Rechtsverletzung erfahren zu haben 1 6 8 . V o n der älteren Literatur ist dies teilweise für den hier zu untersuchenden Fall bejaht worden. Die Mitgliedschaftsrechte der anderen Gemeindevertreter würden durch die M i t w i r k u n g eines Befangenen ebenso beeinträchtigt wie durch den unberechtigten Ausschluß eines Mitglieds. Die Beeinträchtigung liege dabei darin, daß in beiden Fällen der Stimme des Mitglieds wie i m übrigen auch der überstimmten Fraktion nicht der Wert beigelegt worden sei, der ihr bei einem rechtmäßigen Hergang bei der Beschlußfassung zugekommen w ä r e 1 6 9 . 165 H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. XVII. 166 a . A. insoweit auch VGH München, VerwRspr. 12, 125 ff., 126; 13, 970 ff., 972; Schilling, BayVBl. 1965, 113 ff., 118; Eyermann / Fröhler, VwGO, § 42 Rn. 51; Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 57; Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 269 FN 33; Zuber, Inkompatibilität und Interessenkollision, S. 136. 167 Schneider/Jordan, HGO, § 25 Erl. 8; Lüersen/Neuffer-Lösekrug, GO Nds., § 26 Erl. 8; Galette / Laux-Borchert, GO SchlH., § 22 Absatz I I I Anm. 2; v. Loebell-Oerter, GO NrW, §23 Erl. 9; Schuster / Diehl / Steenbock, Kommunales Verfassungsrecht Rheinland-Pfalz, § 22 GO, Anm. VI; H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. X V I I ; vgl. im übrigen auch den Überblick über die kontroversen Ansichten bei Schoch, N V w Z 1987, 783 ff., 787 ff. 168 OVG Koblenz, N V w Z 1985, 283 f., 283; Koch, JA 1985, 594 ff., 595; Schröder, N V w Z 1985, 246 f., 246; kritisch Schoch, NVwZ 1987, 783 ff., 789 f. 22*
340
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
Dieser bereits früher auf Widerspruch 1 7 0 gestoßene Auffassung ist inzwischen auch die Rechtsprechung entgegengetreten. Weder das Recht des Gemeindevertreters zur Teilnahme an Sitzungen, Beratungen oder Abstimmungen noch Antragsrechte werden durch eine fehlerhafte Entscheidung über das Mitwirkungsverbot verletzt, da diese Rechte an keiner Stelle mit einer nach Bruchteilen bestimmten Einflußnahme verbunden sind und auch nicht entsprechend ausgelegt werden k ö n n e n 1 7 1 . Auch die Regelungen über die Bildung und Zusammensetzung der Gemeindevertretung und ihrer Ausschüsse bieten keine Grundlage für die Annahme, der Erfolgswert der Stimme des Gemeindevertreters sei in einem bestimmten Bruchteil geschützt. Denn die Festlegung der Mitgliederzahl erfolgt nicht zur Sicherung des mitgliedschaftlichen Einflusses. Ziel ist es vielmehr, landeseinheitlich den Einwohnerzahlen entsprechende Bezugsgrößen für die Bildung dieser Gremien zu schaffen. Damit fehlt diesen Normen zugleich jede rechtserhebliche Bedeutung für die Rechtsstellung des einzelnen M i t g l i e d s 1 7 2 . Der Erfolgswert der Stimmen der überstimmten Gemeindevertreter ist schließlich auch nicht durch das Mitwirkungsverbot beeinträchtigt. Eine subjektive Bedeutung gewinnt dieses aufgrund seines Schutzzweckes nur für diejenigen Mitglieder, auf deren Status es wegen des potentiellen Vorliegens eines Sonderinteresses einwirkt. Die anderen unbefangenen Mitglieder stehen demgegenüber außerhalb seines Normzweckes, speziell gewährleistet es nicht eine Erfolgswertgarantie der Stimme. Sie sind daher von der Entscheidung über das Vorliegen eines Mitwirkungs Verbotes nur mittelbar, reflexartig betroffen 1 7 3 . Eine Klagebefugnis setzt demgegenüber eine individuelle und unmittelbare Rechtsbetroffenheit voraus, die damit in diesem Fällen nicht gegeben ist. Den überstimmten, nichtbefangenen Gemeindevertretern steht daher keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Entscheidung nach § 25 I I I H G O zu. Ihnen verbleibt nur die Möglichkeit mit formlosen Vorstellungen den Gemeindevorstand (§ 63 H G O ) bzw. den Bürgermeister (§ 74 I I H G O ) oder die Aufsichtsbehörde ( § 1 3 8 H G O ) zu einer Beanstandung des Beschlusses zu veranlassen.
169 Widtmann, BayGO, Art. 49 Anm. 8; Stahl, DVB1. 1972, 764 ff., 772; Geyer, Das Mitwirkungsverbot für persönlich beteiligte Gemeinde Vertreter, S. 103; Arndt, DÖV 1963, 571 ff., 574; OVG Lüneburg, OVGE 16, 349 ff., 351; noch weitergehender Henrichs, DVB1. 1959, 549 ff., 549 (generelles Vorgehen gegen ungesetzliche Entscheidungen möglich). 170 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 204 f. πι OVG Koblenz, N V w Z 1985, 283 f., 283; Schröder, N V w Z 1985, 246 f., 247. 172 OVG Koblenz, N V w Z 1985, 283 f., 283; Schröder, N V w Z 1985, 246 f., 247. 173 OVG Koblenz, NVwZ 1985, 283 f., 284; Schröder, N V w Z 1985, 246 f., 247; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW., S. 204.
341
II. Rechtsschutzmöglichkeiten 4. Beanstandung der Entscheidung über das Mitwirkungsverbot
W i r d die Entscheidung der Gemeindevertretung oder des Gemeindevorstandes über das Mitwirkungsverbot beanstandet, so kann das entsprechende Beschlußorgan gegen die Beanstandung aufgrund ihres Verwaltungsaktscharakters mit der Anfechtungsklage vorgehen 1 7 4 . Während dies für den Fall der Beanstandung durch die Aufsichtsbehörde unstreitig i s t 1 7 5 , besteht bei der durch den Gemeindevorstand bzw. dem Bürgermeister erfolgten Beanstandung Streit über deren Rechtsnatur und in der Folge über die Klageart. Eine Ansicht w i l l die Beanstandung in diesen Fällen als rein innerorganschaftlichen Rechtsakt klassifizieren und das Merkmal der Außenwirkung verneinen. Das Βeanstandungsverfahren sei ein ausschließlich gemeindeinternes Kontrollverfahren, in dem lediglich geklärt werde, ob der Gemeindevorstand trotz — angenommener — Rechtswidrigkeit eine Entscheidung der Gemeindevertretung ausführen müsse. Das Verwaltungsstreitverfahren
sei daher ein Organstreitverfahren,
in dem nach der
ausdrücklichen Regelung des § 63 I I 3 V w G O Gemeindevertretung und Gemeindevorstand die Stellung von Beteiligten i m Sinne des § 6 1 V w G O hätten 1 7 6 . Diese Ansicht überzeugt indes nicht. Die Einstufung der Beanstandung als Verwaltungsakt steht der Annahme eines Organstreitverfahrens, wie diese Ansicht m e i n t 1 7 7 , ebensowenig entgegen, wie die Charakterisierung des insofern ablaufenden Verfahrens als rein gemeindeinterne Kontrolle. Denn einmal ist der Terminus Organstreitverfahren nichts weiter als ein Oberbegriff für bestimmte Streitigkeiten und sagt insbesondere nichts über die Klageart aus. Z u m anderen ist gerade maßgebend, auf welche Weise das interne Kontrollverfahren abgeschlossen wird. Entscheidende Bedeutung für die Beantwortung dieser Frage k o m m t der Regelung des § 63 I 2 H G O zu, wo insbesondere darauf hingewiesen wird, daß ein Vorverfahren i m Sinne der V w G O nicht stattfindet. Diese Regelung bringt deutlich zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber selbst der Beanstandung Verwaltungsaktsqualität zuerkennt, denn ansonsten wäre diese Regelung v ö l l i g überflüssig. Unterstrichen w i r d dieses Ergebnis, wenn die bei Betrachtung der beamtenrechtlichen Zusammenhänge tragenden Gesichtspunkte herangezogen werden. Dort wird bei einer Einwirkung auf den Individualrechtskreis des Beamten ein Verwaltungsakt angenommen 1 7 8 . Die Rechtslage ist insofern vergleichbar, als hier in den organschaftlichen Rechtskreis der Gemeindevertretung eingegriffen wird. Ihr ist das Recht zugestanden, bestimmte Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln. Die Beanstandung des Gemeinde Vorstandes bzw. des Bürgermeisters stellt also eine auf den Rechtskreis der Gemeindevertretung bezogene Maßnahme 174 Geyer, Das Mitwirkungs verbot für persönlich beteiligte Gemeindevertreter, S. 97 ff., 98. 175 Vgl. nur Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 101 f. 1 76 Meyer, in: Meyer / Stolleis, HessStVwR, S. 138 ff., 165. 1 77 Meyer, in: Meyer / Stolleis, HessStVwR, S. 165 FN 98. 178 Kopp, in: Arndt / Kopp / u. a., Besonderes Verwaltungsrecht, I I I RN 147 ff., 149.
342
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
dar und unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von der Beanstandung seitens der Aufsichtsbehörde. Klageart gegen diese Beanstandung ist daher auch insoweit die Anfechtungsklage 1 7 9 . Die Einordnung der Beanstandung als Verwaltungsakt öffnet den Zugang zu der Lösung des — soweit ersichtlich — in der Literatur nicht näher erörterten Problems, ob auch der von der Entscheidung der Gemeindevertretung betroffene Amts- und Mandatsträger gegen die Beanstandung Rechtsschutz begehren kann. Die spezielle Problematik resultiert bei dieser Fallkonstellation daraus, daß sich die Beanstandung lediglich an das Beschlußorgan richtet. Sieht man die Beanstandung als Verwaltungsakt an, so liegt es nahe, auf die Figur des Verwaltungsakts mit Drittwirkung zurückzugreifen. Die Beanstandung der Entscheidung über die Anordnung oder Ablehnung eines Mitwirkungsverbotes zeigt rechtliche Auswirkungen auch auf die Stellung des von der Entscheidung über das Mitwirkungsverbot betroffenen Amts- und Mandatsträgers. Verneint das Beschlußorgan ein Mitwirkungsverbot und w i r d diese Entscheidung beanstandet, so liegt in der Beanstandung zugleich eine Einwirkung auf das Mitwirkungsrecht des „Befangenen". Nichts anderes ergibt sich auch in dem umgekehrten Fall, bei welchem die Anordnung eines Mitwirkungsverbotes beanstandet wird. Hier ergibt sich die Drittwirkung aus dem Schutzzweck des Unbefangenheitsprinzips. Der Befangene soll sich nicht den Konflikten, die aus einer M i t w i r k u n g resultieren, aussetzen müssen. M a n würde hier diesen spezifischen Schutzzweck des Unbefangenheitsprinzips zunichte machen, würde man den Betroffenen den Rechtsschutz abschneiden. Insbesondere, wenn bedacht wird, daß das Beschlußorgan u. U. gar kein Interesse an einer Anfechtung der Beanstandung haben kann. Aufgrund der Drittwirkung der Beanstandung ist in diesen Fällen auch den von der Entscheidung über das Mitwirkungsverbot betroffenen Amts- und Mandatsträgern die Möglichkeit des Rechtsschutzes über die Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage eröffnet 1 8 0 .
I I I . Z u r Reichweite des Mitwirkungsverbotes Folge des Vorliegens eines Ausschlußgrundes oder einer Besorgnis der Befangenheit ist ein Handlungsverbot. §§ 20 I 1 V w V f G e , 16 I 1 S G B - X und 82 I 1 A O '77 umschreiben dies dahingehend, daß der Amtsträger in einem Verwaltungsverfahren nicht tätig werden darf. Ebenso bestimmen insoweit die §§ 21 I 1 V w V f G e , 17 1 1 S G B - X und 83 I 1 A O '77, daß der Amtsträger, der in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden solle, sich nach einer entsprechenden Anordnung einer M i t w i r k u n g enthalten müsse. Die § § 2 0 I V 4 •79 Borchmann / Breithaupt / Viola, Kommunalrecht in Hessen, S. 111; VGH Kassel, VerwRspr. 1976, 1 ff., 3. 180 So ist wohl auch die Andeutung bei Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 207 zu verstehen.
III. Zur Reichweite des Mitwirkungs Verbotes
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V w V f G e , 16 I V 4 S G B - X und 82 I I I A O '77 schließlich erläutern das M i t w i r kungsverbot dahingehend, daß das betroffene M i t g l i e d bei der weiteren Beratung und Beschlußfassung nicht zugegen sein darf. Ä h n l i c h umschreibt § 25 I V 2 H G O die Rechtsfolge damit, daß derjenige, der an der Beratung und Entscheidung nicht mitwirken darf, den Beratungsraum verlassen muß.
1. Der Begriff des Tätigwerdens a. Zum Kausalitätserfordernis Angesichts dieser recht pauschalen Rechtsfolgebestimmung ist es nur natürlich, daß die Reichweite des Mitwirkungsverbotes Anlaß zu diversen Kontroversen gibt. Eine neuerdings erst aufgetretene Streitfrage betrifft die Frage des Kausalitätsnachweises zwischen dem Tätigwerden und der Verwaltungsentscheidung. Bisher wurde der Begriff des Tätigwerdens in Anbetracht des Schutzzwekkes in einem weitem Sinne verstanden und jede M i t w i r k u n g erfaßt, die in irgendeiner Weise geeignet ist, das Ergebnis des Verfahrens zu beeinflußen 1 8 1 . Der V G H München w i l l demgegenüber den Begriff des Tätigwerdens restriktiver interpretieren. Nur diejenigen Handlungen sollen erfaßt werden, deren Ursächlichkeit für das Verfahrensergebnis typischerweise möglich ist oder deren atypische tatsächliche Ursächlichkeit der anfechtende Bürger nachzuweisen verm a g 1 8 2 . Ausgangspunkt dieser Ansicht ist die These, daß es einerseits verfehlt sei, jede möglicherweise ursächliche Handlung als Mitwirkungshandlung anzusehen, daß es andererseits aber zu weit gehe, Anforderungen zu stellen, die nahezu dem Nachweis wirklicher Ursächlichkeit gleichkämen. Berücksichtigt werden müsse insofern nämlich auch, daß bei einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung eine ins einzelne gehende Durchleuchtung früherer Verwaltungsvorgänge oft auf große Schwierigkeiten stoßen werde. V o n dieser These w i r d der Bezugsrahmen der gerichtlichen Nachprüfung zum Maßstab für die Auslegung des Begriffs des Tätigwerdens erhoben. Das weite Kausalitätserfordernis, das der h. M . zugrunde liegt, w i r d modifiziert und eng an Beweislastregeln angelehnt. Folgerichtig schließt das Abstellen auf typische Verfahrensabläufe die Möglichkeit von Abweichungen nicht aus, verknüpft diese aber mit einer besonderen Beweislast. Der Nachweis wirklicher Ursächlichkeit i m Sinne einer materiellen Beweislast sei auch unter atypischen Umständen zulässig, denn was w i r k l i c h sei, müsse auch möglich i m Sinne des Kausalitätserfordernisses sein. Umgekehrt könne die Behörde geltend machen, einer typischerweise für das Ergebnis ursächlichen Handlung habe es i m Einzelfall an der Ursächlichkeit gefehlt oder diese Ursächlichkeit sei durch die spätere Entwicklung wieder beseitigt worden. A u c h »»ι Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 4; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 37 f.; Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 490. 182 VGH München, N V w Z 1982, 510 ff., 512.
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F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
sie habe in diesem Fall den Nachweis für ihre Behauptung zu erbringen 1 8 3 . In der Tendenz noch restriktiver ist die Stellungnahme des 8. Senats des V G H München, wobei sowohl die Begründung wie auch das Verhältnis zu der soeben dargestellten Rechtsprechung des 20. Senats unklar bleibt. Als maßgeblich für den Begriff des Tätigwerdens w i r d es dort angesehen, daß Weichenstellungen für das Verfahren von der Handlung des befangenen Amtsträgers ausgehen können. Die bloß körperliche Anwesenheit ohne näheres Eingreifen in der Sache selbst rechne ebensowenig hierzu, wie etwa ein Stirnrunzeln oder das Heben einer Augenbraue 1 8 4 . Für derartige restriktive Auffassungen bietet allerdings der Wortlaut der angeführten Bestimmungen keinen Anhaltspunkt. M i t Scheuing ist darauf hinzuweisen, daß der entscheidende gedankliche Fehler in der mangelnden Unterscheidung zwischen den verschiedenen Stadien des Verwaltungsverfahrens und damit der Rechtsfolgen der Befangenheit auf der einen und der Verletzung des daraus resultierenden Handlungsverbotes auf der anderen Seite l i e g t 1 8 5 . Die spezifische Frage, die sich in dieser Hinsicht für den befangenen Amtsträger ex ante stellt, beantwortet das Gesetz ganz bewußt eindeutig, indem es ohne ausdrückliche Einschränkungen ein umfassendes Handlungsverbot statuiert. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es nämlich, für den Befangenen, aber auch für die Verwaltung als solcher Rechtssicherheit herzustellen 1 8 6 . Der befangene Amtsträger soll nicht m i t der Prüfung der Frage belastet werden, ob denn nun eine Handlung, die er vorzunehmen gedenkt, sich i m Rahmen einer richterlichen Nachprüfung als eine i m Hinblick auf die Ursächlichkeit typische Verfahrenshandlung darstellt oder gar als solche bei der „Weichen" gestellt werden. Abgesehen davon, daß den Vorstellungen des V G H München scharfe Konturen fehlen und die von i h m angesprochenen Falltypen in der Praxis ohnehin nicht in Reinkultur vorkommen, w i r d das Verwaltungsverfahren in der Konsequenz dieser Ansicht keineswegs von einer eingehenden gerichtlichen Überprüfung entlastet, sondern mit unwägbaren Risiken belastet. Dies aber übt einen nachteiligen Effekt auf das anhängige Verwaltungs verfahren überhaupt aus. Neben dem Risiko der Fehlerhaftigkeit steht das mit Kausalitätserwägungen befrachtete M i t w i r k e n eines befangenen Amtsträgers mit dem gerade auch den Befangenheitsvorschriften zugrundeliegenden Beschleunigungsgedanken 1 8 7 in Widerspruch. Dem Amtsträger sind vor diesem Hintergrund nicht lediglich Handlungen, die zur späteren gerichtlichen 183 VGH München, NVwZ 1982, 510 ff., 512; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 30; ähnlich Meyer / Borgs, vor § 20 Rn. 8 (maßgeblicher Einfluß auf Ausgang des Verfahrens erforderlich). 184 VGH München, N V w Z 1982, 508 ff., 510; ähnlich restriktiv auch Eyermann, GewArch. 1981, 256 ff., 258; vgl. auch OVG Münster, NVwZ 1984, 667 ff., 668. 185 Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 490; dieser Fehler liegt auch der Ansicht von Röper, NVwZ 1982, 298 f., 299 hinsichtlich der Frage der Teilbarkeit des Mitwirkungsverbotes zugrunde. 186 Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 490. 187 Siehe oben I. 2. a.
III. Zur Reichweite des Mitwirkungs Verbotes
345
Aufhebung der Entscheidung führen können, untersagt. Er hat vielmehr in Übereinstimmung mit der h. M . jegliches Tätigwerden zu unterlassen, dessen mögliche Ursächlichkeit für das Verfahrensergebnis nicht von vornherein auszuschliessen i s t 1 8 8 . I m Rahmen des Handlungsverbotes wegen einer Besorgnis der Befangenheit ist dieses Ergebnis aufgrund des oben behandelten Schutzzweckes insoweit zu ergänzen, als sich in einem allgemeinen Sinne für den Amtsträger die Möglichkeit bieten muß, sein Tätigwerden unabhängig von der Beeinträchtigung der Entscheidungsfindung zu persönlichen Zwecken auszunutzen. b. Zum Begriff
im einzelnen
Das Handlungsverbot erstreckt sich daher auf jede Art der M i t w i r k u n g des Befangenen i m Entscheidungsprozeß. Einbezogen wird dabei nicht nur eine M i t w i r k u n g bei der das Verfahren abschließenden Entscheidung, sondern auch ein Tätigwerden i m Rahmen der vorbereitenden Sachbearbeitung 189 . Dies geht außer aus dem Schutzzweck auch aus der gesetzlichen Differenzierung in eine beratende und entscheidende M i t w i r k u n g hervor. Eine Präzisierung der Reichweite des Handlungsverbotes muß daher zunächst an diesen Begriffen ansetzen. Unter dem Begriff der entscheidenden M i t w i r k u n g ist die amtliche Teilnahme an der förmlichen Beschlußfassung, bzw. an der Ausarbeitung des Entwurfs der Verwaltungsentscheidung mit dem sich anschließenden förmlichen Abschluß des Verwaltungsverfahrens zu verstehen 1 9 0 . Die beratende M i t w i r k u n g zeichnet sich demgegenüber zunächst durch die Teilnahme an dem förmlichen, dem Beschlußverfahren regelmäßig vorausgehenden und in der Tagesordnung ausgewiesenen Beratungsverfahren aus 1 9 1 . Sie reicht jedoch über diesen förmlichen Bereich hinaus. Ist nämlich das Charakteristikum der Beratung darin zu sehen, daß sie durch Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung — regelmäßig durch Erörterung kontroverser Meinungen — eine demnächst zu treffende Entscheidung vorbereiten s o l l 1 9 2 , so müssen auch Vorbereitungshandlungen, die nicht zu den gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensabschnitten gehören, in das Mitwirkungsverbot einbezogen werden. Denn ersichtlich können auch derartige inoffizielle Verhaltensweisen während eines Verfahrens einen Einfluß auf die Entscheidung haben, so daß es der ratio des Mitwirkungsverbotes widersprechen würde, derartige Mitwirkungshandlungen nicht in seine Reichweite einzubeziehen 1 9 3 . Daher hat sich der Befangene iss Scheuing, NVwZ 1982, 487 ff., 490; Kirchhof, VerwArch. 66 (1975), 370 ff., 381; Schwarz-Dumke, AO, § 82 Rn. 3. 189 Hauck/Haines-Nehls, SGB X 1, 2, Κ § 16 Rn. 4. 190 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 38. 191 VG Köln, NVwZ 1982, 208. 192 VG Köln, N V w Z 1982, 208. 193 Galette/Laux-Borchert, GO SH, § 22 Absatz 1 Anm. 4; OVG Lüneburg, N V w Z 1982, 200; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 78.
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
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in seiner amtlichen Sphäre allen schriftlichen oder mündlichen Äußerungen, die zur Meinungsbildung der zuständigen Behörde über das Verfahren oder über die Sachentscheidung beitragen sollen, zu enthalten. Ebenso fallen etwa Ratschläge, Gutachten oder sonstige Stellungnahmen sowie Weisungen und weisungsähnliche Handlungen unter das Handlungsverbot 1 9 4 . Die Vielfalt der direkten und indirekten Einflußnahmen, insbesondere auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts, daß hinsichtlich seiner normativer Ausgestaltung i m Vergleich zum Kommunalverfassungsrecht graduell zurücksteht, führt dabei zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten i m Einzelfall.
aa. Informationsbezogene Kontaktaufnahmen Eine komplexe Problemlage offenbart sich, wenn der Amts- und Mandatsträger in der Angelegenheit, in der er von der M i t w i r k u n g ausgeschlossen ist, Informationen begehrt oder er der Behörde Informationen liefern soll. Auszugehen ist dabei von dem Grundsatz, daß bloße Kontaktaufnahmen, Informationen und Kenntnisnahmen zulässig sind, sofern daraus nicht i m Einzelfall entscheidungsbezogene Aktivitäten betreffend den Verlauf des Verwaltungsverfahrens hervorgehen können oder diese Verhaltensweisen nicht geeignet sind, die Sachgebundenheit der Verwaltungstätigkeit in einem allgemeinen Sinne zu beeinträchtigen 1 9 5 . Entgegen einer Ansicht folgt dies nicht aus dem Wortlaut der Befangenheitsvorschriften, die ein lediglich passives Verhalten zulassen 1 % . Denn die angeführten Berührungspunkte zwischen dem Verfahren und dem Befangenen sind schon begrifflich nicht als passives Verhalten aufzufassen. Vielmehr folgt dieser Grundsatz aus dem Sinn und Zweck der Normen. Denn fehlt dem Tätigwerden die Eignung, den als schädlich betrachteten Erfolg herbeizuführen, so braucht dies auch nicht verhindert zu werden. So klar diese Aussage theoretisch ist, so vielfältig und schwierig sind die in der Praxis auftauchenden Abgrenzungsfragen. aaa.
Informations gespräche
Grundsätzlich ist i m Rahmen solcher informationsbezogener Kontaktaufnahmen ein restriktiver Maßstab anzulegen. Das B V e r w G hebt insoweit auf das Kriterium des besonderen Informationsinteresses ab. Grundsätzlich geht es von einer weiten Bestimmung des Handlungsverbotes aus und hält auch die schweigende Teilnahme des Sachbearbeiters an einer Sitzung oder die Teilnahme als Verhandlungsführer in amtlicher Eigenschaft für unzulässig. Gleichwohl sei aber 194 BVerwG, BayVBl. 1984, 631 ff., 634; Körner, GO NrW, §23 Erl. 2; VGH Mannheim, BWVPr. 1986, 85 f., 85. 195 Vgl. Kapitel E I. 2. 196 BVerwG, BayVBl. 1984, 631 ff., 634; Körner, GO NrW, § 23 Erl. 2.
III. Zur Reichweite des Mitwirkungs Verbotes
347
etwa eine Teilnahme an einer Besprechung allein zur eigenen dienstlichen Information nicht zu beanstanden, wenn ein besonderes Informationsinteresse des betreffenden Amtsträgers besteht 1 9 7 . In der Revisionsentscheidung zu der Flughafen München Ii-Entscheidung des V G H München hat das B V e r w G ein solches besonderes Informationsinteresse des Staatsministers und des Ministerialdirigenten als gegeben angesehen. Es folge teils aus der persönlichen politischen Verantwortung des Ministers und teils aus der Informationspflicht des Staatsministeriums
als
Aufsichtsbehörde
und
seiner
Betroffenheit
als
luftrechtlicher
Genehmigungsbehörde. Die Befriedigung der daraus herzuleitenden Informationsbedürfnisse mit den erforderlichen Kontakten zwischen den mit der Sache befaßten Amtsträgern sei nicht schon als eine Einflußnahme anzusehen, die dem Betätigungsverbot unterliege. Z u beachten sei jedoch, daß weisungsähnliche Handlungen i m Rahmen dieser Informationsgespräche, unzulässig seien 1 9 8 . Diese Entscheidung ist sowohl i m Hinblick auf ihre Begründung wie in ihren Konsequenzen unbefriedigend. Die bestehenden Informationsbedürfnisse können in gleicher Weise von den zuständigen, unbefangenen Sachbearbeitern und Abteilungsleitern befriedigt werden. Das Einschalten gerade des Staatsministers und des Ministerialdirigenten, die Organmitglieder des Antragstellers, der Flughafen München G m b H , in dem betreffenden Planfeststellungsverfahren waren, war daher keineswegs zur Erfüllung der Verwaltungsaufgaben und der entstehenden Koordinationsbedürfnisse erforderlich. Auch der Blankettbegriff der politischen Verantwortlichkeit des Ministers führt nicht weiter. Sie umfaßt auch die Personalauswahl nach den Kriterien der Eignung und Befähigung sowie der Schaffung einer Behördenorganisation, die Befangenheitsprobleme ohne größere Schwierigkeiten bewältigen kann. Hinzu kommt, daß man aus ihr ebenso folgern könnte, sie äußere sich darin, daß sich die politischen Entscheidungsträger insbesondere bei politisch brisanten Projekten ausschließlich auf den von ihnen wahrzunehmenden verwaltungsinternen Bereich konzentrieren und auf eine Tätigkeit in privatrechtlich organisierten Gesellschaften verzichten. Untragbar werden aber die Konsequenzen dieser Entscheidung. Sie führt nämlich zu einer erheblichen Verwässerung der praktischen Wirksamkeit des M i t w i r kungsverbotes. Eine Gewähr, daß subtile, psychologische Einflußnahmen durch letztlich kaum nachweisbare Andeutungen und Reaktionen der befangenen Amtsträger i m Rahmen der vermeintlich zulässigen Informationsgespräche ausgeschlossen sind, kann letztlich nicht mehr gegeben werden. Die Funktion des Mitwirkungsverbotes ist nur gesichert, wenn sich der Befangene strikt jeder Form der M i t w i r k u n g enthält 1 9 9 . M i t Recht hat daher die überwiegende Ansicht bisher das Handlungsverbot weit ausgelegt. So stellt danach etwa auch die Teilnahme eines befangenen 197 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 38; BVerwG, BayVBl. 1984, 631 ff., 634. 198 BVerwG, BayVBl. 1984, 631 ff., 634. 199 Galette / Laux-Borchert, GO SchlH., § 22 Absatz 1 Anm. 4.
348
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
Gemeindevertreters an einem Gespräch über den Vorentwurf eines Bebauungsplanes zwischen den Vertretern der Gemeinde und den Trägern öffentlicher Belange eine unzulässige beratende M i t w i r k u n g dar. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Gemeindevertreter mit dieser Mitwirkungshandlung Einfluß auf die Gestaltung des Bebauungsplanes nehmen k a n n 2 0 0 .
bbb. Einsicht
in Akten und Niederschriften
Grundsätzlich folgt aus dem Handlungsverbot auch das Verbot der Einsichtnahme in Akten und Niederschriften in der betreffenden Angelegenheit. Das mit der Aufgabenwahrnehmung i m Grundsatz verbundene Recht auf Akteneinsicht w i r d mit dem insoweit eintretenden Ausschluß der Handlungsbefugnis ebenfalls derogiert. Dies folgt i m Hinblick auf eine vorliegende Besorgnis der Befangenheit aus dem weitergehenden funktionalen Ansatzpunkt dieses HandlungsVerbotes 201 . I m übrigen können auch Informationen, die aus den Akten gewonnen werden, die sachgemäße Entscheidungsfindung beeinträchtigen 2 0 2 . So etwa, wenn — was nachfolgend noch anzusprechen sein wird — über das Akteneinsichtsrecht gewissermaßen eine Kontrolle der nunmehr handelnden Amtsträger ausgeübt wird. Der damit erzeugte Effekt des „beobachtet seins" kann bei diesen Amtsträgern Anlaß sein, sachfremde Erwägungen in die Entscheidung einfließen zu lassen. In der Konsequenz des Mitwirkungsverbots steht dem befangenen Amts- und Mandatsträger ein Akteneinsichtsrecht nur noch bei Vorliegen eines berechtigten Interesses zu. Prinzipiell wird ein solches nur dann gegeben sein, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen auch ein außenstehender Bürger (insbesondere zur Wahrung seiner Rechtsposition) ein Recht auf Akteneinsicht hat. Denn der Befangene kann insoweit nicht schlechter gestellt werden als ein außenstehender Dritter. Fraglich ist auch in diesem Zusammenhang, ob dem Befangenen in seiner amtlichen Eigenschaft ein Akteneinsichtsrecht zusteht. Einer Ansicht zufolge soll es bei Vorliegen eines berechtigten, amtlich begründeten Informationsinteresses des Befangenen zulässig sein, wenn dieser Akteneinsicht nimmt und Vorgänge „als gesehen" abzeichnet, da insoweit eine Einflußnahme nicht vorliege 2 0 3 . Diese Stellungnahme überzeugt jedoch angesichts der vorangegangenen Darlegungen nicht. Richtigerweise ist danach zu fragen, wie die Einschaltung der Person verstanden werden k a n n 2 0 4 . W i l l der Befangene regelmäßig über die Angelegenheit unterrichtet werden, so besteht eine erhebliche Vermutung dafür, 200 OVG Lüneburg, NVwZ 1982, 200; Körner, GO NrW, § 23 Erl. 2. 201 Kapitel Β I. 2. a. 202 Hofmeister, Interessenkollisionen nach dt. Gemeindeverfassungsrecht, S. 64; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 219 ff. 203 Kopp,VwVfG, §20 Rn. 38; VGH München, Urt. v. 18. 12. 1981, zit. bei Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 490. 204 Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 491.
III. Zur Reichweite des Mitwirkungsverbotes
349
daß dies lediglich zu dem Zweck erfolgt, um ggfs. selbst intervenieren zu können. Die Nichtintervention kann dann unter Berücksichtigung der Stellung des Befangenen nur als grundsätzliche Billigung verstanden werden. Ein solche dienstliche Einflußnahme kann nicht mehr mit einem gar nur mechanischen Registriervorgang gleichgesetzt werden. In diesem Fall liegt vielmehr eine besondere Form der Wahrnehmung der Leitungsfunktion v o r 2 0 5 . Scheuing w i l l daher die Akteneinsicht bei regelmäßiger Unterrichtung allenfalls dann für zulässig erachten, wenn ausdrücklich durch generelle Weisung oder Aktenvermerk klar gestellt wird, daß sämtliche Verfahrenshandlungen in den Verantwortungsbereich des Vertreters des Befangenen fallen und die Aktenvorlage an den Befangenen nur dessen persönlicher Information dienen soll und jedenfalls keinerlei Einflußnahme auf das Verfahren beabsichtigt i s t 2 0 6 . Indessen erscheint das Erfordernis einer solchen Klarstellung als formales Kriterium, das letztlich wenig überzeugend ist. Denn auch in diesem Fall verbleibt der psychologische Effekt des „beobachtet seins" des Vertreters durch den Befangenen. W i e i m Zusammenhang mit der Erfordernis des Verlassens des Sitzungssaales noch zu zeigen sein wird, w i l l das Gesetz mit dem Handlungsverbot ganz bewußt auch derartige hemmende Effekte ausschließen. Auch ein Informationsbedürfnis kann dies nicht überspielen. Dieses regelmäßig nur bei politischen Entscheidungsträgern relevante Kriterium erfordert es nicht, daß gerade dieser selbst Akteneinsicht nimmt. Das Informationsbedürfnis, das insbesondere wegen der parlamentarischen Verantwortlichkeit des Funktionssträgers gegeben sein kann, kann grundsätzlich auch dadurch befriedigt werden, daß das Parlament, die Öffentlichkeit oder andere interessierte Stellen direkt von den zuständigen Behörden und Amtsträgern unterrichtet werden. Insoweit ist nichts dafür ersichtlich, daß berechtigte Informationsbedürfnisse gerade durch den befangenen M i n i ster befriedigt werden müßten. Fraglich ist, ob in dem Fall eine Ausnahme zu machen ist, in welchem das Informationsbedürfnis dadurch entsteht, daß der Befangene i m Rahmen anderer zu treffender Entscheidungen nicht ohne regelmäßige Unterrichtung des Sachstandes der ihn betreffenden Angelegenheit tätig werden kann. Indessen dürften derartige Situationen selten auftreten. Einmal werden die Verfahren regelmäßig derart ineinander verzahnt sein, daß der in einem Verfahren Befangene auch i m anderen Verfahren wegen der Gefahr einer Interessenkollision ausgeschlossen sein wird. Ist dem nicht so, so kann die Funktionsfähigkeit der Verwaltung dadurch sichergestellt werden, daß ein in beiden Angelegenheiten unbefangener Amtsträger mit der Bearbeitung der Sache betraut wird. Auch dieser Gesichtspunkt nötigt daher nicht zu einer Einschränkung der Reichweite des Mitwirkungsverbotes.
205 Scheuing, NVwZ 1982, 487 ff., 491. 206 Scheuing, NVwZ 1982, 487 ff., 491.
350
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
Nichts anderes w i r d man i m übrigen auch bei einer nur einmaligen Akteneinsicht annehmen müssen. A u c h sie kann, wenn sie in einer für das Verwaltungsverfahren entscheidenden Phase erfolgt, den Beobachtungseffekt auslösen und zu einer Beeinflußung des Vertreters führen. Schon um der Klarheit willen ist daher eine dienstliche Akteneinsicht in jedem Falle als mit dem Mitwirkungsverbot unvereinbar anzusehen.
ccc. Beantwortung
von Anfragen
Der Aspekt informationsbezogener Kontaktaufnahmen bereitet jedoch auch in anderer Richtung Probleme. So etwa, wenn die Frage der Zulässigkeit der Verlesung und Beantwortung von Anfragen in der betreffenden Angelegenheit in Rede steht, die vom Befangenen verfaßt, aber von einem unbefangenen Gemeindevertreter an die Gemeindevertretung gerichtet worden sind. Hier ist festzustellen, daß die Verlesung einer Anfrage und die Entgegennahme ihrer Beantwortung durch die Gemeindevertretung nicht unter dem Begriff der beratenden M i t w i r k u n g fällt. Denn insoweit findet weder eine Diskussion unter den Gemeindevertretern statt, noch ist das Ziel der Anfrage oder ihre Beantwortung die (unmittelbare) Vorbereitung einer demnächst zu fällenden Entscheidung 2 0 7 . Ebenso liegt keine unzulässige M i t w i r k u n g an der Beratung und Entscheidung vor, wenn der befangene Vorsitzende der Gemeindevertretung während der Beratung lediglich die Frage beantwortet, warum er eine bereits früher getroffene Entscheidung erneut auf die Tagesordnung gesetzt hat. Hier erscheint eine unzulässige Einflußnahme auf den Willensbildungsprozeß ausgeschlossen, wenn es um die Entscheidung, ob eine Angelegenheit auf die Tagesordnung der Gemeindevertretung gesetzt wird, und um die Begründung des damit zusammenhängenden Handlungsbedarfs der Gemeinde geht. Der Umstand, daß die Information erst während der Beratung gegeben wird, ist insofern unbeachtlich 2 0 8 . Denn die Information hätte der Befangene in rechtlich zulässiger Weise auch bei der Mitteilung der Verhandlungsgegenstände vor der Sitzung oder im Rahmen des Aufrufs des Tagesordnungspunktes erteilen dürfen, vgl. § 58 I, I V H G O .
bb. Verlassen des Sitzungssaales Es wurde bereits angeführt, daß die H G O in § 25 I V 2 das Mitwirkungsverbot dahingehend konkretisiert, daß der ihm unterliegende Amts- und Mandatsträger den Beratungsraum verlassen muß. Während diese Regelung bei nicht-öffentlichen Sitzungen unmißverständlich vorschreibt, daß der Befangene den Sitzungssaal zu verlassen hat, besteht bei öffentlichen Sitzungen Streit darüber, ob der 207 VG Köln, NVwZ 1982, 208; Körner, GO NrW, § 23 Erl. 2. 208 VGH Mannheim, BWVPr. 1986, 85 f.
III. Zur Reichweite des Mitwirkungserbotes
351
Befangene sich i m Zuhörerraum aufhalten darf. Der Wortlaut bietet dafür keinen sicheren Anhaltspunkt, denn als Beratungsraum ließe sich bei einer engen Auslegung auch derjenige Bereich innerhalb eines Raumes i m Sinne eines Saales verstehen, in welchem sich das beratende und entscheidende Gremium abgesetzt von der Öffentlichkeit aufhält. Entscheidend wird man daher auf den Sinn und Zweck dieser Regelungen abzustellen haben. Der V G H Mannheim sieht die ratio des Verlassens des Beratungsraumes bzw. der Sitzung in der Sicherstellung der ausreichend erkennbaren räumlichen Trennung. Der Außenstehende könne damit zum einen erkennen, daß das betreffende M i t g l i e d befangen sei und aus diesem Grunde an der Beratung nicht mitwirke. Z u m anderen sei auch eine Einflußnahme durch „physische Einflußnahme" weitgehend ausgeschlossen, wenn sich der Befangene von dem übrigen Gremium ausreichend abhebe 2 0 9 . I m übrigen argumentiert das Gericht aus dem Gesetzeszusammenhang und verweist auf den Grundsatz der Öffentlichkeit (vgl. auch § 52 HGO). Bei dem Überschneiden zweier Prinzipien der Gemeindeordnung bestehe keine Notwendigkeit, den Grundsatz der Öffentlichkeit zurücktreten zu lassen, da das Gebot der öffentlichen Verhandlungen nur dann zurückgestellt werden solle, wenn es das öffentliche W o h l erfordere. Gerade davon könne aber bei der Anwesenheit eines Befangenen i m Sitzungssaal jedenfalls nicht generell ausgegangen werden 2 1 0 . Gestützt w i r d die Ansicht des V G H Mannheim schließlich in der Literatur mit dem Bemerken, auch der persönlich Betroffene, der nicht M i t g l i e d des beratenden und entscheidenden Kollegialorgans sei, könne auf der Zuschauertribüne den Verhandlungen beiwohnen, sofern die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen sei. Das M i t g l i e d des Kollegialorgans könne hier nicht schlechter behandelt werden als jeder andere persönlich betroffene B ü r g e r 2 1 1 . Es ist jedoch fragwürdig, ob die gegebene Begründung dem Sinn und Zweck des Mitwirkungsverbotes w i r k l i c h gerecht wird. Berücksichtigung finden muß insoweit speziell der Umstand, daß ein befangener Gemeindevertreter bei der Vorberatung der Angelegenheit in seiner Fraktion oder besonderen Arbeitskreisen und Parteigremien ausreichend Gelegenheit hat, das Beratungsergebnis außerhalb der amtlichen Beratung und Entscheidung zu beeinflussen 2 1 2 . Freunde und Fraktionskollegen können sich daher u. U. scheuen in seiner Gegenwart seinen individuellen Interessen zuwider Ansichten zu äußern und entsprechend abzustimmen, und dies selbst, wenn sie nicht zuvor aktiv beeinflußt wurden. Sollen Befangenheitsvorschriften vor diesem Hintergrund ihre volle Wirksamkeit entfalten, so müssen sie auch den Zweck verfolgen, eine Atmosphäre zu schaffen, die frei ist von möglichen Rücksichtnahmen oder Hemmungen, und die somit einen ungehinderten Diskussionsprozeß in der betreffenden Angelegenheit zu-
209 210 211 212
VGH Mannheim, BauR 1973, 370 f., 371. VGH Mannheim, BauR 1973, 370 f., 371. v. Arnim, JA 1986, 1 ff., 5. Dolde, BauR 1973, 350 ff., 352.
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F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
läßt. In dieser Hinsicht ist bereits die bloße Präsenz des Befangenen geeignet, eine unbeeinflußte freimütige Aussprache und Entscheidung zu verhindern 2 1 3 . Die räumliche Distanz von einigen Metern, deren Herstellung nach dem Gesagten oft einem bloßem Formalakt gleichkommen kann, neutralisiert den i m Zuhörerraum anwesenden Befangenen nicht ausreichend 2 1 4 . Soll die psychologische Hemmschwelle, die durch den Beobachtungseffekt hervorgerufen wird, verhindert werden, so kann in dem Erfordernis des Verlassens auch des Zuhörerraums kein übertriebener Formalismus erblickt werden. Dem steht auch nicht der Grundsatz der Öffentlichkeit entgegen. Er soll den Bürgern eine Grundlage für eine Kontrolle und sachgerechte K r i t i k sowie für ihre Willensbildung bei künftigen Wahlen ermöglichen 2 1 5 . Dieser Zweck ist jedoch i m Hinblick auf einen befangenen Amts- und Mandatsträger nicht einschlägig, so daß der Grundsatz der Öffentlichkeit sein Verbleiben auch i m Zuhörerraum nicht zu rechtfertigen vermag 2 1 6 . Schließlich liegt insofern auch keine ungerechtfertigte Schlechterstellung des Befangenen i m Vergleich zu anderen Bürgern vor, die ein persönliches Interesse an der Angelegenheit haben. Einmal stehen diese nicht in einer besonderen Pflichtenbindung zu der Verwaltungskörperschaft, die ihnen im Interesse der Wahrung der Objektivität und Unparteilichkeit der Verwaltung ein solches Verhalten gebietet 2 1 7 . Z u m anderen ist zu berücksichtigen, daß die Verbindung zum Verhandlungsgegenstand bei ihnen nicht mit Beeinflussungsmöglichkeiten verknüpft sind, die aus der Mitgliedschaft in den beratenden und entscheidenden Kollegialorganen resultieren. Die Bindungen, die unter den Mitgliedern bestehen, sind typischerweise von einer anderen Qualität als diejenigen zu einem von der Angelegenheit betroffenen Nicht-Mitglied. Dies insbesondere, wenn berücksichtigt wird, daß der befangene Amts- und Mandatsträger, sobald seine Angelegenheit entschieden ist, wieder mit den anderen Organmitgliedern zusammenarbeiten m u ß 2 1 8 . Das Mitwirkungsverbot erfordert daher in der Konsequenz eine stringente Anwendung, was nicht zuletzt auch durch dessen Entstehungsgeschichte belegt w i r d 2 1 9 . Es umfaßt daher das Verlassen des gesamten Sitzungsraumes, also auch des Zuhörerraumes einschließlich der Räume, in welche die Sitzung mittels optischer oder akustischer Anlagen übertragen w i r d 2 2 0 . Die Sitzung muß mit 213 Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 218; Härchen/Hüttemann, SKV 1971, 291 ff., 295. 214 Dolde, BauR 1973, 350 ff., 352; v. Mutius, VerwArch. 65 (1974), 429 ff., 438. 215 Weis, BaWüVBl. 1972, 70 ff., 71; v. Mutius, VerwArch. 65 (1974), 429 ff., 438; Dolde, BauR 1973, 350 ff., 352. 216 Dolde, BauR 1973, 350 ff., 352; VGH Mannheim, BaWüVBl. 1967, 8 ff., 10. 21V v. Mutius, VerwArch. 65 (1974), 429 ff., 438; OVG Lüneburg, nds. Gem. 1973, 126 ff., 127. 218 Fechtrup, Der sachkundige Bürger im Gemeinderatsausschuß, S. 46; Linden, Der Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 218. 219 VGH Kassel, DÖV 1971, 820 ff., 821.
III. Zur Reichweite des Mitwirkungsverbotes
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dem Aufruf zur Sache oder, wenn diese nicht förmlich erfolgt, sofort mit Beginn der Erörterungen verlassen werden. Eine Stellungnahme zu der zur Beratung und Entscheidung stehenden Angelegenheit auch nur zur Information der Mitglieder des Beschlußorgans ist zu unterlassen und muß v o m Vorsitzenden verhindert werden 2 2 1 . Dies gilt i m gleichem Maße auf dem Gebiet des Verwaltungs Verfahrensrechts. Ein T e i l der Literatur w i l l allerdings für das spezielle Mitwirkungsverbot der §§ 20 I V 3 V w V f G e , 16 I V 3 S G B - X und 82 I I I 3 A O '77 während der Klärung der Frage des Vorliegens einer Befangenheit eine andere Position einnehmen. Gefolgert w i r d dies aus der unterschiedlichen Formulierung i m Vergleich zu Satz 4 dieser Regelungen, der für den Fall der Feststellung eines Mitwirkungs Verbotes vorschreibt, daß das befangene M i t g l i e d bei der weiteren Beratung und Beschlußfassung nicht zugegen sein dürfe. Satz 3 enthalte mit dem Verbot der M i t w i r k u n g demgegenüber eine Abschwächung, so daß gegen eine Anwesenheit i m Zuhörerraum nichts einzuwenden s e i 2 2 2 . Dieser Schluß kann jedoch nicht gezogen werden. Der insoweit unterschiedliche Wortlaut gibt zur Lösung des Problems nichts her. Es liegt nahe, daß dieser ausschließlich aus stilistischen Gründen gewählt wurde, um das spezielle Mitwirkungsverbot von dem endgültigen in der Hauptsache nach der Feststellung der Befangenheit abzugrenzen, zumal die in Satz 3 verwandte Formulierung für sich genommen insoweit indifferent ist. Entscheidend muß daher der Sinn und Zweck sein. Dieser entspricht dem des endgültigen Mitwirkungsverbotes. Es wäre geradezu paradox, dem Betroffenen die Anwesenheit i m Zuhörerraum bei der Beratung und Entscheidung der Frage, ob er befangen sei, was den V o r w u r f einer Integritätsbeeinträchtigung, einer gewissen Ehrenrührigkeit beinhaltet, zuzulassen, ihm dieses Recht jedoch nach der Feststellung seiner Befangenheit zu verwehren. Unter diesen funktionalen Gesichtspunkten, hat auch das spezielle Mitwirkungsverbot die gleiche Reichweite, wie das endgültige 2 2 3 .
cc. Tätigwerden aufgrund von Weisungen Einer Ansicht zufolge soll das Mitwirkungsverbot nicht solche Tätigkeiten erfassen, die ein Amts- und Mandatsträger auf eine Weisung seines Dienstherrn oder der Aufsichtsbehörde hin vornehmen soll. Begründet wird dies damit, daß in diesen Fällen lediglich etwas ausgeführt werden solle, was bereits entschieden sei. Eine M i t w i r k u n g bei der Beratung und Entscheidung der Angelegenheit sei 220 VGH Kassel, DÖV 1971, 820 ff., 821; H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. XVII; Schneider-Jordan, HGO, § 25 Erl. 8. 221 Kunze/Bronner/Katz, GO BaWü, § 18 Rn. 24. 222 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 10; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 79; Ule/ Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 21 I I 4 b. 223 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 49; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 20 Rn. 8. 23 Kazele
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F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
nicht mehr möglich, da die maßgebliche Willensbildung bereits durch eine andere Stelle vollzogen worden sei und von einer eigenständigen M i t w i r k u n g nicht mehr die Rede sein k ö n n e 2 2 4 . Dem sind jedoch zwei Einwände entgegenzuhalten. Einmal ist dies nur zutreffend, wenn die erteilte Weisung hinreichend konkret ist. Läßt sie hingegen dem Adressaten i m Hinblick auf ihre Umsetzung einen Spielraum, so kann der Befangene durchaus einen Einfluß auf die abschliessende Entscheidung ausüben. Infolgedessen wäre es erforderlich nach der inhaltlichen Bestimmtheit der Weisung zu differenzieren. Dies aber würde wiederum Unsicherheiten hinsichtlich der Reichweite des Unbefangenheitsgebots nach sich ziehen, die mit seiner stringenten Fassung doch gerade verhindert werden sollen. Hinzu tritt aber ein weiterer Gesichtspunkt. Z u beachten ist insoweit nämlich auch, daß § § 2 1 V w V f G e , 17 S G B - X und 83 A O '77 nicht nur die Sachgemäßheit der Entscheidungsfindung absichern wollen, sondern darüberhinaus greifen. Geschützt werden soll etwa die Persönlichkeitssphäre des betroffenen Bürgers, die allein schon durch die M i t w i r k u n g des Befangenen beeinträchtigt sein k a n n 2 2 5 . Aufgrund dieser Erwägungen unterliegen auch Handlungen, die der Befangene aufgrund einer Weisung vornehmen soll, dem Mitwirkungsverbot.
dd. Ausnahmen kraft ungeschriebenen Rechts bzw. kraft Natur der Sache Unter diese Kategorie fallen problemlose Routineentscheidungen, für die das Mitwirkungsverbot offensichtlich nicht gedacht i s t 2 2 6 . Hinzu treten Bagetellfälle, in denen nach den Grundsätzen der Güterabwägung und des Übermaßverbotes eine Ausnahme von dem Mitwirkungs verbot geboten erscheint 2 2 7 . Erforderlich ist in diesem letzterem Fall, daß die Anwendung der Befangenheitsvorschriften für die Verwaltung oder für die Beteiligten mit unverhältnismäßigen, nicht zumutbaren Schwierigkeiten verbunden wäre, die in keinem angemessenen Verhältnis zu dem erstrebten Erfolg stünden. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Nur wenn angesichts der konkreten tatsächlichen oder rechtlichen Umstände auch bei Würdigung der Bedeutung des Unbefangenheitsprinzips vertretbare und den Beteiligten zumutbare andere Möglichkeiten der Gestaltung des Verfahrens, etwa eine Vertretung zumindest hinsichtlich der abschließenden Entscheidung, nicht bestehen, w i r d man die Zulässigkeit des Handelns anerkennen können. Insbesondere müssen in diesem Zusammenhang bereits die entfernteren Voraus224
Linden, Ausschluß bei Interessenkollision nach § 23 GO NrW, S. 102; Hofmeister, Interessenkollisionen, S. 13. 225 Vgl. die in Kapitel E I. 2. a. genannten Beispiele. 22 6 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 31; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 39; Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 4. 227 Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 490 FN 44; Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 39.
III. Zur Reichweite des Mitwirkungs Verbotes
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Setzungen, Ursachen und Bedingungen des Verwaltungsverhältnisses, das die Grundlage des Verfahrens bildet, mit in die Betrachtung einbezogen werden 2 2 8 . Regelmäßig werden unter diese ungeschriebenen Ausnahmen nur solche Fälle zu fassen sein, in denen die Bedeutung der Angelegenheit gering ist, die zu treffende Entscheidung keine Probleme aufwirft, weil kein nennenswerwerter Entscheidungsspielraum besteht oder eine hohe Transparenz des Verwaltungshandelns gegeben ist, die eine wirksame Kontrolle durch die öffentliche Meinung ermöglicht und so der Gefahr mißbräuchlicher Handlungen begegnet w i r d 2 2 9 . Beispiele für derartige Fälle sind etwa die Verkehrsregelung durch einen Polizeibeamten, die in der Ausstellung einer Eintrittskarte für ein Museum mit öffentlichrechtlicher Besuchsordnung zu sehende Zulassung oder die Entgegennahme einer i m Wege der Selbstveranlagung errechneten Gemeindesteuer 2 3 0 . Dagegen w i r d man dies i m Hinblick auf die für die entsprechende Tätigkeit eines Notars in den §§ 3, 6, 40 BeurkG getroffene Wertentscheidung nicht bei einer Beglaubigung einer Unterschrift annehmen k ö n n e n 2 3 1 . Der in der Kommentarliteratur ferner genannte Fall der Aufnahme eines Kindes in eine Volksschule oder die Entscheidung über die Versetzung eines Schülers in die nächst höhere Klasse in einer Volksschule, in der ein Elternteil des Schülers die einzige Lehrkraft ist, ist für den hessischen Rechtskreis durch die Regelung des § 1 I I I Nr. 3 S. 2 H V w V f G nunmehr zumindest teilweise auf eine gesetzliche Grundlage gestellt worden. Sinn dieser Regelung ist nach dem Vorangegangenen die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung.
2. Tätigwerden „für eine Behörde" Dem Mitwirkungsverbot unterliegen zunächst Amtsträger der Erlaßbehörde. Es geht jedoch, wie der Wortlaut belegt, über diesen Personenkreis hinaus. Vorausgesetzt wird lediglich ein Tätigwerden „für eine Behörde 4 ' und nicht „für die Behörde" 2 3 2 . Der Gesetzgeber hat damit bewußt die Konsequenz aus dem Umstand gezogen, daß an einem Verwaltungsverfahren mehrere Behörden in u. U. entscheidungserheblicher Weise mitwirken können. Es wäre in diesen Fällen mit dem Sinn und Zweck der Befangenheitsvorschriften nicht vereinbar gewesen, Amtsträger anderer am Verfahren mitwirkender Behörden von dem Mitwirkungsverbot auszuklammern 2 3 3 . Denn die sachgerechte Entscheidungsfindung wie allgemein die Sachgebundenheit der Verwaltungstätigkeit kann auch in diesen 228 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 39. 229 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 39. 230 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 39; Obermayer, § 20 Rn. 31; Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 4. 231 a. A. Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 39. 232 VGH München, N V w Z 1982, 510 ff., 512. 233 VGH München, N V w Z 1982, 510 ff., 512. 23'
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F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
Fällen beeinträchtigt sein. Erfaßt werden andererseits aber nicht jedwede Tätigkeiten für eine Behörde. Vielmehr sind darunter nur solche Tätigkeiten für eine Behörde zu verstehen, die aufgrund einschlägiger Verfahrensvorschriften dem Verwaltungsverfahren selbst zuzurechnen sind. Denn Sinn und Zweck des M i t wirkungsverbotes ist es nicht, die entscheidungsbefugte Behörde allgemein vor der Einflußnahme durch Personen oder durch andere Behörden zu schützen. Deutlich w i r d dies bei einem B l i c k auf die Rechtsfolgen. Ist nämlich eine Behörde in einem Verwaltungsverfahren nicht mitwirkungsbefugt, so bedarf es des M i t wirkungsverbotes nicht. Denn die Amtsträger dieser Behörde dürfen ohnehin in dem in Rede stehenden Verwaltungsverfahren nicht tätig werden. Hier ist es Sache der das Verfahren durchführenden Behörde gegen derartige sachfremde Einmischungen und Einflußnahmen mit den ihr zur Verfügung stehenden M i t t e l n vorzugehen 2 3 4 . Der danach erforderliche Zurechnungszusammenhang mit dem Verwaltungsverfahren ist bei einer M i t w i r k u n g von Amtsträgern der Aufsichtsbehörde oder einer i m Wege der Amtshilfe tätig werdenden Behörde sowie einer auf sonstige Weise bei der Entscheidung, auch ohne Außenwirkung, zu beteiligenden Behörde gegeben 2 3 5 . Streitig ist jedoch die Reichweite des Mitwirkungsverbotes in diesen Fällen. Wais w i l l ein unzulässiges Tätigwerden nur bei förmlichen Akten annehmen. Eine Amtshilfe, die sich lediglich auf die bloße Mitteilung von Tatsachen oder auch der eigenen Meinung beschränke, könne nicht als unzulässiges Tätigwerden angesehen werden. Es entspreche nicht dem Sinn der Bestimmung, wichtige Erkenntnisquellen in einem Verwaltungsverfahren, wie etwa Auskünfte beamteter Aufsichtsratsmitglieder verfahrensbeteiligter Unternehmen auszuschließen. Reine Tathandlungen und Wissensmitteilungen an die ersuchende Behörde, bei der ein Verfahren anhängig sei, könnten daher ebensowenig unzulässig sein, wie die zwischen verschiedenen Ressorts übliche Stellungnahme, da diese nichts anderes sei, als eine Auskunft über die eigene Meinung. Unzulässig sei jedoch die Mitzeichnung der Verwaltungsentscheidung sowie eine Amtshilfe, welche nicht nur in einer Auskunftserteilung bestehe, sondern ihrerseits ein Verwaltungsverfahren i m Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze darstelle 2 3 6 . Abgesehen davon, daß die Begründung für die Beschränkung auf förmliche Akte unklar bleibt und ausschließlich ergebnisorientiert ist, verhindert das M i t wirkungsverbot keineswegs, daß der Entscheidungsfindung i m Verwaltungsver234 BVerwG, DVB1. 1987, 573 ff., 579; soweit die Amtsträger der durchführenden Behörde den Einflußnahmen nachgeben, kann jedoch ein Handlungsverbot nach §§21 VwVfGe, 17 SGB-X, 83 AO '77 gegeben sein. Entstehen in Folge dieser informalen Kontaktaufnahmen wechselseitige Beziehungen zwischen den Behörden, so kann auch eine Amtshilfe vorliegen, mit der Konsequenz, daß auch die Amtsträger einer an sich nicht zuständigen Behörde einem Mitwirkungsverbot unterliegen können. 235 Peters, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren, § 16 Anm. 1 j); Grüner, SGB-X, § 16 Anm. II, S. 11. 236 Wais, NJW 1982, 1263 ff., 1265, 1266.
III. Zur Reichweite des Mitwirkungserbotes
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fahren wichtige Erkenntnisquellen verschlossen bleiben. Verhindert w i r d durch das Mitwirkungsverbot vielmehr nur, daß „Auskünfte" gerade auch von den befangenen Amtsträgern gegeben, von ihnen gefiltert und kanalisiert werden und sie auf diese Weise den Entscheidungsprozeß manipulieren. Insoweit kann nicht ernstlich bestritten werden, daß auch nichtförmliche, vorbereitende Akte die Verwaltungsentscheidung inhaltlich weitgehend determinieren können. Dies zu verhindern, ist der Sinn des Unbefangenheitsprinzips. Zudem ist die Ausgangsthese dieser Ansicht unzutreffend. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, die oben behandelten Amtskonflikte nicht auf der Tatbestandsseite von der Geltung des Unbefangenheitsgebotes auszugrenzen, sondern diese auf der Rechtsfolgenseite restriktiv zu behandeln. Z u Begründung w i r d dabei auf eine vermeintliche Normenkonkurrenz zwischen § 65 B H O und § 20 I 1 Nr. 1 V w V f G verwiesen, die eine restriktive Interpretation der Reichweite des M i t w i r kungsverbotes erfordere 2 3 7 . Die Berechtigung des Mitwirkungsverbotes
bei
Amtskonflikten und die insoweit i m Zusammenhang mit § 65 B H O bestehende Problemlage wurde bereits an anderer Stelle dargelegt und bedarf hier keiner weiteren Erörterung 2 3 8 . Die Verschiebung der Lösung einer Normenkonkurrenz auf die Rechtsfolgenseite begegnet darüberhinaus aber auch methodologischen Bedenken. Geht man von einer Normenkonkurrenz aus, so ist diese auf der Tatbestandsseite zu lösen. Hält man eine Interessenkollision für gegeben, so muß dies, schon um den Sinn und Zweck der N o r m nicht zu verfehlen, auch die volle Rechtsfolge auslösen. Die methodologisch bedenkliche Ansicht von Wais führt denn in der Folge zu weiteren Ungereimtheiten. Der Begriff des Tätigwerdens wird bei den einzelnen Befangenheitstatbeständen, j a sogar innerhalb eines einzigen Ausschlußgrundes in unterschiedlicher Weise ausgelegt. Denn ersichtlich beansprucht die restriktive Auslegung nur bei der vermeintlichen Normenkonkurrenz G e l t u n g 2 3 9 .
3. „In einem Verwaltungsverfahren" bzw. „in einer Angelegenheit" a. Beginn und Abschluß eines Verfahrens In zeitlicher Hinsicht erfaßt das Mitwirkungsverbot nach den Normtext der angeführten Vorschriften alle Tätigkeiten des Befangenen in dem entsprechenden Verwaltungs verfahren bzw. in der entsprechenden Angelegenheit, die von dem Kommunalorgan behandelt wird. Das Mitwirkungsverbot setzt somit mit dem Beginn des jeweiligen Verfahrens ein. Hinsichtlich des Beginns des Verfahrens enthalten § § 2 2 V w V f G e , 18 S G B - X und 86 A O '77 Regelungen, deren Grundge-
237 Wais, NJW 1982, 1263 ff., 1264 f. 238 Siehe Kapitel C Zweiter Abschnitt I. 2. a. 239 Siehe Wais, NJW 1982, 1263 ff., 1264 1. Sp.
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F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
danken auch i m Rahmen des Kommunalrechts heranzuziehen s i n d 2 4 0 . Das M i t wirkungsverbot endet mit dem Abschluß des Verfahrens, der regelmäßig mit der förmlichen Entscheidung, also dem Erlaß des Verwaltungsaktes, dem A b schluß des öffentlich-rechtlichen Vertrages oder dem Satzungsbeschluß eintritt. Allerdings können auch andere Umstände die Beendigung des Verfahrens herbeiführen. So findet ein Antragsverfahren seinen Abschluß, wenn der Antragsteller seinen Antrag zurücknimmt. Ein von Amts wegen eingeleitetes Verfahren endet, wenn die Behörde es einstellt, ein auf den Abschluß eines Vertrages gerichtetes Verfahren, wenn die Vertragsververhandlungen abgebrochen werden. Denkbar ist ferner ein Verfahrensende durch den T o d des Beteiligten oder den Untergang einer Sache, auf die sich das Verfahren bezieht 2 4 1 .
b. Erfassung auch des Vorfeldes eines Verfahrens Das Mitwirkungsverbot erfaßt somit seinem Wortlaut nach nicht solche Handlungen, die auf die Vorbereitung einer Entscheidung gerichtet sind, jedoch vor dem formellen Beginn des Verfahrens vorgenommen werden 2 4 2 . In diesen Bereich des informalen Verwaltungshandelns ist das Mitwirkungsverbot jedoch als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens analog heranzuziehen 2 4 3 . Wer in einem späteren Verfahren als befangen m i t einem Tätigkeitsverbot belegt werden müßte, darf das damit verbundene Ziel nicht durch ein Tätigwerden i m Vorfeld eines Verwaltungsverfahrens unterlaufen. Die analoge Anwendung des Mitwirkungsverbotes in diesem Bereich w i r d angesichts der Möglichkeit weitreichender Vorprogrammierung der späteren i m Verwaltungsverfahren ergehenden Entscheidungen nicht bezweifelt werden k ö n n e n 2 4 4 . Anders als etwa i m Rahmen der Fraktionsarbeit 2 4 5 bestehen hier zwischen den zuständigen administrativen Entscheidungsträgern und den Vertretern des Beteiligten Kontakte, aus denen Absprachen resultieren, die unmittelbar entscheidungsbezogen sind. Es wäre in diesen Fallkonstellationen nicht vertretbar, etwa den Beteiligten erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung ( § § 2 2 , V w V f G e , 18 S G B - X , 86 A O '77) mit einem Handlungsverbot zu belegen, den davor liegenden Zeitraum aber auszublenden. Sowohl die Regelungen, die Ausschlußgründe wie auch die, die eine Besorgnis der Befangenheit statuieren, finden daher schon auf ein Tätigwerden eines Amtsträgers vor dem Beginn des Verwaltungsverfahrens A n w e n d u n g 2 4 6 .
240 Hinsichtlich des konkreten Zeitpunktes des Verfahrensbeginns vgl. die auch insoweit einschlägigen Ausführungen in Kapitel C Erster Abschnitt I. 1. 241 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 20 II. 242 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 4. 243 Vgl. Kapitel Β III. 244 Kapitel E V. 245 Nachfolgend c. cc.
III. Zur Reichweite des Mitwirkungsverbotes c. Reichweite
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in mehrstufigen Verfahren
Fragen wirft die Reichweite des Mitwirkungsverbotes hinsichtlich dieses Tatbestandsmerkmals bei mehrstufigen Verfahren auf. Hier sind die verschiedenen Abschnitte des Verfahrens zu bestimmen, in welchen befangene Amts- und Mandatsträger nicht mitwirken dürfen. Probleme sind in diesem Zusammenhang speziell für das für die kommunalrechtliche Ausprägung des Unbefangenheitsprinzips bedeutsame Verfahren der Bauleitplanung aufgetreten. Daher sollen sich die folgenden Ausführungen auf dieses Beispiel beschränken. Sinngemäß gelten diese Ausführungen jedoch auch für andere mehrstufige Verfahren. Das Aufstellen eines Bebauungsplanes setzt mindestens vier Beschlüsse der Gemeindevertretung voraus. Neben den Aufstellungs- und Auslegungsbeschlüssen sind dies die Entscheidung über Bedenken und Anregungen sowie der Satzungsbeschluß. Der V G H Mannheim nimmt nun insoweit den Standpunkt ein, es sei unschädlich, wenn ein befangener Gemeindevertreter bei den Aufstellungsund Auslegungsbeschlüssen mitwirke. Z u berücksichtigen sei nämlich, daß die maßgebliche und endgültige Entscheidung über den Inhalt des Bebauungsplanes erst in dem Beschluß der Gemeindevertretung über den Bebauungsplan als Satzung gemäß § 10 BauGB gefällt werde 2 4 7 . Diese Entscheidung ignoriert allerdings die faktischen Abhängigkeiten, die zwischen den einzelnen Verfahrensstufen bei der Aufstellung von Bauleitplänen liegen. Die gegebene Begründung nimmt denn auch in der Konsequenz dem Mitwirkungsverbot auf dem Gebiet der kommunalen Bauleitplanung jede praktische Bedeutung. Denn danach könnte der befangene Gemeindevertreter während des gesamten Planaufstellungsverfahrens mitwirken und den Versuch unternehmen, seine Sonderinteressen durchzusetzen. Dies geht nach Ansicht des V G H Mannheim sogar so weit, daß er über eigene Bedenken und Anregungen mitentscheiden könnte, da diese Entscheidung nicht zum Satzungsbeschluß gemäß § 10 BauGB gehört und in einer besonderen Sitzung getroffen werden d a r f 2 4 8 . Die Ansicht des V G H Mannheim würde es daher dem Befangenen ermöglichen, maßgebliche Planentscheidungen zu beeinflussen. Denn i m Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nach § 10 BauGB sind bereits alle Entscheidungen über den Inhalt des Bebauungsplanes gefallen, so daß dieser Beschluß in der Praxis regelmäßig nur eine formelle Bestätigung früher ausgehandelter und beschlossener Kompromisse darstellt 2 4 9 . Daß diese Konsequenzen den Zielsetzungen des Unbefangenheitsprinzips widersprechen, bedarf keines weiteren Nachweises. Diese können nur dann realisiert werden, 246 Scheuing, NVwZ 1982, 487 ff., 488; Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 78; vgl. auch Grüner, SGB-X, § 17 Anm. III, S. 9 allerdings bezogen auf den Zeitpunkt der Unterrichtungspflicht; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 86 f. 247 VGH Mannheim, BauR 1973, 368. 248 V. Mutius, VerwArch. 65 (1974), 429 ff., 437. 249 Dolde, BauR 1973, 350 ff., 352; v. Mutius, VerwArch. 65 (1974), 429 ff., 436; Hegel, BauR 1974, 377 ff., 381.
360
F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit
wenn die Zweckgerichtetheit der einzelnen Verfahrensabschnitte i m Hinblick auf die zu treffende Entscheidung in die Betrachtung einbezogen wird. Das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes ist in dieser Hinsicht trotz seiner Mehrstufigkeit eine rechtlich geschlossene Einheit. Daher kann das Mitwirkungsverbot nur dann seine volle W i r k u n g entfalten, wenn es gerade auch auf diese rechtlich geschlossene Einheit bezogen w i r d und nicht lediglich auf die letzte Verfahrensstufe, die den formalen Abschluß des Verfahrens b i l d e t 2 5 0 .
aa. Teilbarkeit des Mitwirkungsverbotes? Zweifelhaft ist die i m diesem Zusammenhang vertretene Ansicht, ein befangener Gemeindevertreter dürfe ausnahmsweise dann an einer Beratung mitwirken, wenn sich diese ausschließlich auf einen das Grundstück des Befangenen nicht berührenden Teilbereich des Entwurfs eines Bebauungsplanes beziehe. Durch die Tagesordnung könne insoweit sichergestellt werden, daß es tatsächlich nur zu einer ausschließlichen Teilerörtertung k o m m e 2 5 1 . Diese Ansicht übersieht jedoch, daß sich gleichwohl, etwa i m Hinblick auf die grundsätzliche Konzeption des Bebauungsplanes, Interdependenzen zwischen den von ihm erfaßten Planbereichen nicht vermeiden lassen werden. U m insoweit Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, ist das Mitwirkungsverbot auf alle Beratungen und Beschlüsse der Gemeindevertretung zu erstrecken 2 5 2 .
bb. Erfassung auch der Ausschußtätigkeit Erfaßt damit das Mitwirkungsverbot alle Beratungen und Beschlüsse i m Rahmen des bundesgesetzlich geregelten Verfahrens zur Aufstellung eines Bebauungsplanes, so kann das Mitwirkungs verbot nicht das Tätig werden in den die Satzung vorbereitenden Ausschüssen der Gemeindevertretung ausklammern. Gemäß § 62 I H G O sind Ausschüsse Arbeitsorgane der Gemeindevertretung und haben deren Beschlüsse vorzubereiten. Diese Aufgabenstellung wie die praktische Relevanz ihrer Tätigkeit, bei welcher ein wesentlicher Teil der Beratung der in der Gemeindevertretung zur Entscheidung stehenden Angelegenheiten geleistet wird, belegen die Notwendigkeit des Einbezugs dieser Vorbereitungsphase in die Reichweite des Mitwirkungs Verbotes 253 .
250 Hegel, BauR 1974, 377 ff., 380; so auch Creutz, BauR 1979, 470 ff., 476; v. Mutius, JuS 1979, 37 ff., 40. 251 Biernat, Gemeinderat 1969,282 ff., 285; Röper, NVwZ 1982, 298 f., 299 für Haushaltssatzungen. 252 Hegel, BauR 1974, 377 ff., 380 f. 253 OVG Koblenz, N V w Z 1984, 817 f., 818; OVG Münster, NVwZ 1984, 667 ff., 668; Hirte, DÖV 1988, 108 ff., 112.
III. Zur Reichweite des Mitwirkungs Verbotes
361
cc. Ausklammerung der Fraktionsarbeit Dagegen umfaßt das Mitwirkungsverbot nicht das Tätigwerden des befangenen Gemeindevertreters während des der Beratung in der Gemeindevertretung und ihren Ausschüssen vorgeschalteten Willensbildungsprozesses zu der betreffenden Angelegenheit in seiner Fraktion. Zwar wirken die Fraktionen als ständige Gliederungseinheiten sachlich an der Wahrnehmung der Kompetenzen der Vertretungskörperschaft m i t 2 5 4 . Gleichwohl steht ihre M i t w i r k u n g außerhalb der amtlichen Entscheidungsfindung. Die Fraktionsarbeit ist einem genuin politischen Bereich zuzuordnen. Hier soll sich der politische W i l l e bewußt in einem Freiraum bilden. Es liegt in der Hand der jeweiligen Fraktion, wie sie diesen ausfüllt und ihre interne Tätigkeit organsiert 2 5 5 . Sie kann bestimmen, ob und auf welche Weise sie intern zu einer bestimmten Angelegenheit i m Vorfeld des formellen Entscheidungsverfahrens eine Position bezieht. Anders als im Bereich der eigentlichen hoheitlichen Entscheidungsfindung ist die M i t w i r k u n g eines Befangenen hier grundsätzlich tolerabel. Die Fraktion ist nur ein Teil des Beschlußorgans und kann, da sie keine Wahrnehmungszuständigkeiten in dem Sinne besitzt, daß ihre Willensäusserungen unmittelbar als eine außenwirksame Aufgabenerledigung gelten 2 5 6 , ohnehin für sich genommen keine Entscheidung in der Sache treffen. I m Hinblick auf die Entscheidung der Gemeindevertretung liegt hier nur eine mittelbare M i t w i r k u n g vor. Dazwischen geschaltet ist ein formales Entscheidungsverfahren, das weitgehend Publizität und eine weitere Vorbereitungsphase unter Ausschluß des Befangenen garantiert und damit Bedingungen für eine mögliche Positionsveränderung bereitstellt. Z u berücksichtigen ist ferner, daß die übrigen Fraktionsmitglieder wegen der Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen sein können, wenn der Befangene sie im Vorfeld der Beratung und Entscheidung der Angelegenheit in der Gemeindevertretung derart beeinflußt hat, daß eine Vermutung dafür besteht, daß sie in der Angelegenheit nur mit Rücksicht auf die Belange des Befangenen entscheiden werden. Dies w i r d allerdings bei der bloßen M i t w i r k u n g an Fraktionssitzungen nicht gegeben sein. Hier müssen besondere Umstände hinzutreten, etwa die Beeinflussung der Fraktionsvorsitzenden durch Zuwendungen von einem bestimmten U m f a n g 2 5 7 .
254 Schmidt-Jortzig, DVB1. 1980, 719 ff., 721; Achterberg, Parlamentsrecht, § 12 I I 1 a. 255 Zum Selbstorganisationsrecht der Fraktionen siehe Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, § 23 I 2 f. 256 Schmidt-Jortzig, DVB1. 1980, 719 ff., 721; Achterberg, Parlamentsrecht, § 12 I I 1 a. 257 Siehe die entsprechende Fallgruppe oben Kapitel E III. 2. b. cc.
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F. Die Rechtsfolgen der Befangenheit I V . Folgen der mangelnden Handlungsbefugnis eines Amts- und Mandatsträgers 1. Vertretung des monokratischen Amtsträgers
Die drei Verwaltungsverfahrensgesetze geben keine Auskunft darüber, wie der mit einem Mitwirkungsverbot belegte Amtsträger zu ersetzen ist. Maßgebend sind daher die allgemeinen für die Behörde geltenden Organisationsnormen, in concreto die behördeninternen Vertretungsregelungen. Fehlen diese oder ist der danach als Vertreter vorgesehene Amtsträger ebenfalls von dem Mitwirkungsverbot erfaßt oder auf andere Weise verhindert, so entscheidet der Dienstvorgesetzte oder der Behördenleiter auf der Grundlage seiner Weisungsbefugnis über die Vertretung. Sind auch diese rechtlich oder tatsächlich verhindert, so entscheidet die Aufsichtsbehörde. Z u beachten ist in diesem Gesamtzusammenhang weiter, daß — sofern Rechtsvorschriften nichts anderes vorsehen — i m Hinblick auf die Vertretung grundsätzlich auch von dem allgemeinen Geschäftsverteilungsplan abgewichen werden kann, da es ein Recht des Bürgers auf den „gesetzlichen Amtsträger" nicht g i b t 2 5 8 .
2. Die Auswirkungen bei Kollegialorganen Eine Vertretung des befangenen Mitglieds eines Kollegialorgans findet nur dann statt, wenn sie durch Rechtsvorschrift oder innerbehördliche Regelungen wie Geschäftsordnungen vorgesehen i s t 2 5 9 . Fehlt eine solche Regelung, so entscheiden die verbleibenden Mitglieder allein. Voraussetzung ist jedoch, daß eine gesetzlich angeordnete Mindestmitgliederzahl erreicht wird, sofern eine solche erforderlich i s t 2 6 0 . W i r d diese nicht erreicht und ist eine Abhilfe auch auf andere Weise aufgrund der für die Tätigkeit des betreffenden Kollegialorgans maßgeblichen Rechtsvorschriften nicht möglich, so kann dieses nicht tätig werden. Ist auch eine Verweisung der Angelegenheit an einen anderen Ausschuß nicht möglich, so muß der betroffene Dritte gemäß § 75 V w G O seine Rechte unmittelbar mit Hilfe des Verwaltungsgerichts durchsetzen 2 6 1 . Die H G O enthält für den angesprochenen Fall der Kumulation von M i t w i r kungsverboten, wie sie etwa bei der Aufstellung von Bebauungsplänen in kleineren Gemeinden häufig auftreten 2 6 2 , in § 53 I I I H G O eine Sonderregelung. Danach führt u. a. das Mitwirkungsverbot auch dann nicht zur Beschlußunfähigkeit, wenn dadurch die Zahl der verbleibenden Gemeindevertreter die Hälfte der 258 259 260 261 262
Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 53. Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 54. Vgl. §§ 90 I VwVfGe, aber auch dessen Abs. 2. Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 54. v. Arnim, JA 1986, 1 ff., 6.
IV. Folgen der mangelnden Handlungsbefugnis eines Amtsträgers
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gesetzlichen Zahl der Gemeindevertreter (§ 38 H G O ) nicht mehr erreicht w i r d 2 6 3 . Die Beschlüsse der Gemeindevertretung bedürfen dann allerdings aufgrund des besonderen Ausnahmecharakters gemäß § 53 I I I 2 H G O der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn Rechtsverstöße vorliegen. Zweckmäßigkeitserwägungen dürfen daher von der Aufsichtsbehörde in diesem Zusammenhang nicht angestellt werden 2 6 4 . Die Sonderregelung ist eine Reaktion auf die Bestimmung des § 53 I I H G O , die auf die tatsächliche Abwesenheit von Gemeindevertretern zugeschnitten ist. Folge wäre daher bei Fehlen des Absatzes 3 die Notwendigkeit der Bestellung eines Beauftragten nach § 141 H G O . Eine solche Vorgehensweise ist nunmehr nur noch in den Fällen erforderlich, in denen weniger als drei Gemeindevertreter anwesend sind. Da ein Kollegialorgan begrifflich mehr als zwei Mitglieder voraussetzt, weil nur in diesem Fall Beschlüsse mit Stimmenmehrheit gefaßt werden können, ist auch eine Beschlußfähigkeit (auch die i m Sinne des § 53 I I I H G O ) nur dann gegeben, wenn neben dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung oder einem seiner gewählten Vertreter (§ 57 I 1 H G O ) mindestens zwei weitere Gemeindevertreter i m Sitzungssaal anwesend sind. Ohne den gewählten Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter
ist die Gemeindevertretung
nicht hand-
lungsfähig 2 6 5 .
263 Eine dem entsprechende Regelung enthält § 68 I I I HGO im Hinblick auf die Beschlußfähigkeit des Gemeindevorstandes. 264 Schneider-Jordan, HGO, § 53 Erl. 4; H. und D. Schlempp, HGO, § 53 Anm. II. 265 Schneider-Jordan, HGO, § 53 Erl. 1.
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes W i r k t ein befangener Amts- und Mandatsträger in unzulässiger Weise an der Beratung und Entscheidung der Angelegenheit mit, so können zwei unterschiedliche Fragestellungen auftreten. Ist nämlich das Verfahren noch nicht abgeschlossen und wird dessen M i t w i r k e n bemerkt, so rückt die Frage in den Mittelpunkt der Betrachtung, wie dieser Verfahrensfehler behoben werden kann, um zu einer rechtmäßigen Entscheidung zu gelangen. Ist das Verfahren dagegen zum A b schluß gekommen, sind die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung und ihr weiteres Schicksal von Interesse.
I . Die Situation vor Abschluß des Verfahrens W i r d erst während eines laufenden Verfahrens die Befangenheit eines Amtsund Mandatsträgers festgestellt und ein Mitwirkungsverbot angeordnet, so ist eine Heilung des Verfahrensmangels durch Neuvornahme oder Überprüfung und Bestätigung der von dem Mitwirkungsverbot erfaßten Handlung des Befangenen möglich. Dabei handelt es sich um eine Heilung im untechnischen Sinne. Sie unterscheidet sich von der Heilung im Sinne der § § 4 5 V w V f G e , 41 S G B - X und 126 A O '77 durch den Zeitpunkt bis zu dem eine Korrektur des Verfahrensfehlers möglich ist. Die Heilung i m technischen Sinn bezieht sich nur auf die Nachholung von Verfahrenshandlungen nach Erlaß eines Verwaltungsaktes. Bis zu diesem Zeitpunkt aber kann grundsätzlich jeder Verfahrensfehler ohne weitere Beschränkungen durch eine fehlerfreie Handlung noch korrigiert werden 1 . Diese Möglichkeit folgt aus der Überlegung, daß der insoweit aufgetretene Verfahrensfehler nicht zu einer Blockade der Verwaltungstätigkeit für den betroffenen Bereich führen darf. Die einmal stattgefundene M i t w i r k u n g eines Befangenen kann nicht die Folge haben, daß ein Verfahrensergebnis unter keinen Umständen mehr in fehlerfreier Weise Zustandekommen kann und damit ein bestimmter Entscheidungsinhalt für immer ausgeschlossen wäre 2 . Bei der Bestimmung der insoweit bestehenden Korrekturmöglichkeit ist bei dem der Reichweite des Mitwirkungsverbotes zugrundeliegenden weiten Kausalitätserfordernis anzusetzen. Eine Heilung des Verfahrensmangels tritt nur dann ein, wenn sich die Handlung des Befangenen nicht mehr auf das Verfahrensergeb1 Kopp, VwVfG, § 45 Rn. 7; Meyer / Borgs, VwVfG, § 45 Rn. 6 ff., 8; VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 402. 2 OVG Lüneburg, N V w Z 1982, 200; VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 402.
I. Die Situation vor Abschluß des Verfahrens
365
nis auswirken kann, also die Kausalität entfällt oder gegenstandslos wird. Dies ist der Fall, wenn die in Rede stehende Handlung durch einen Unbefangenen wiederholt oder durch andere Umstände, etwa die Durchführung eines Planänderungsverfahrens, überholt w i r d 3 . Erforderlich ist dabei stets, daß sich die Behörde in verfahrensmäßig erkennbarer Weise in eine neue Entscheidungssituation bringt. Ein neuer zum gleichen Ergebnis führender Abwägungsvorgang darf nicht lediglich in einer bloßen Rechtfertigungshandlung bestehen 4 . Konkret bedeutet dies etwa, daß die Bestätigung der Handlung des Befangenen durch einen unbefangenen Amtsträger derselben Behörde nur dann eine Heilung darstellt, wenn die Bestätigung aufgrund einer vollen inhaltlichen Nachprüfung des fraglichen Tätigwerdens und ggfs. nach dessen Wiederholung, ζ. B. eine nochmalige mündliche Verhandlung erfolgt. Die bloße nachträgliche Zustimmung des Vertreters des Befangenen bietet keine Gewähr dafür, daß die Entscheidung i m selben Sinne ausgefallen wäre, wenn dieser von Anfang an tätig geworden wäre. Ebensowenig ausreichend ist allein die Unterschrift des Behördenleiters unter den schriftlich erlassenen Verwaltungsakt 5 . Können Auswirkungen der betreffenden Handlung auf weitere i m Verfahren erfolgte Handlungen nicht ausgeschlossen werden, so sind auch diese Handlungen zu wiederholen 6 . I m Rahmen eines mehrstufigen Verwaltungs Verfahrens ist es daher erforderlich, daß das Verfahren von dem Abschnitt an wiederholt wird, in dem der befangene Amts- und Mandatsträger mitgewirkt hat. Die Wiederholung der Verfahrenshandlung soll den Einfluß der unzulässigen M i t w i r k u n g des Befangenen so weit ausschalten, wie dies unter Berücksichtigung des gesetzlich festgelegten Verfahrensablaufs möglich ist. Z u Zweifeln Anlaß gibt allerdings der v o m O V G Lüneburg gezogene Schluß, daß die unzulässige 7 Teilnahme eines befangenen Gemeindevertreters an einem Gespräch zwischen der Gemeinde und Vertretern der öffentlichen Belange zwecks verwaltungsinterner Abstimmungen keine Wiederholung der auf diesen Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot folgenden Abschnitte des Bauleitplan Verfahrens zur Folge habe, da derartige verwaltungsinterne Abstimmungen keine Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen des Bebauungsplanes seien 8 . Folge wäre nämlich insoweit, daß solche inoffiziellen Mitwirkungshandlungen — obgleich unzulässig —
weitgehend
sanktionslos blieben, sofern das Mitwirkungsverbot nur in den gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensabschnitten befolgt würde. M a n wird daher eine differenzierte Lösung vornehmen müssen. Haben solche inoffizielle Kontaktaufnahmen Folge Wirkungen in dem Sinne, daß sie die nunmehr folgenden Verfahrensab3 Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, §45 Rn. 21; Kopp, VwVfG, §20 Rn. 38; OVG Lüneburg, NVwZ 1982, 200. 4 VGH München, BayVBl. 1985, 399 ff., 402 f. 5 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 56; ders., VerwArch. 61 (1970), 219 ff., 244. 6 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 56. 7 Kapitel F III. 1. b. 8 OVG Lüneburg, N V w Z 1982, 200.
366
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
schnitte beeinflussen, sie etwa als Arbeitsgrundlage dienen oder Ergebnisse von derartigen Kontakten in den Abwägungsvorgang eingestellt werden, so kann dieser Verfahrensfehler nicht durch die anschließende Untätigkeit des Befangenen i m gesetzlichen Verfahren überspielt werden. Erforderlich ist es auch in diesen Fällen, daß die folgenden gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensabschnitte zu einer inhaltlichen Überprüfung der Ergebnisse der informellen Kontaktaufnahmen benutzt werden und erkennbar eine neue Entscheidungssituation herbeigeführt wird. Die Wiederholung ordnungsgemäß durchgeführter Verfahrensabschnitte gewinnt daher in bestimmten Fällen i m Gegensatz zur Ansicht des O V G Lüneburg ihren guten Sinn. Zweifelhaft ist, ob auch die Bestätigung der Entscheidung des befangenen Amtsträgers durch die Widerspruchsbehörde zu einer Heilung in diesem Sinne führen kann. Stelkens w i l l dies i m Rahmen ihrer funktionellen Zuständigkeit, wobei er unter diesen Begriff die instanzielle Zuständigkeit versteht 9 , ohne nähere Begründung bejahen 1 0 . Für diese Ansicht spricht zwar der Umstand, daß das Verwaltungsverfahren, sofern sich an die Verwaltungsentscheidung ein Widerspruchsverfahren anschließt, erst mit Erlaß des Widerspruchsbescheides abgeschlossen i s t n . Demgemäß erscheint auch der Abschluß des Widerspruchsverfahrens als der maßgebliche Zeitpunkt, bis zu dem eine Heilung der in Rede stehenden Handlung des befangenen Amtsträgers durch eine Bestätigung möglich erscheint. Eine derartige Argumentation ginge jedoch an dem Kern der Sache vorbei. Denn die Widerspruchsbehörde ist i m Rahmen ihrer Prüfungskompetenz nach § 68 I 1 V w G O , in Sonderheit ihrer Rechtmäßigkeitsprüfung, in Bezug auf die Aufhebbarkeit eines Verwaltungsaktes an die § § 4 3 ff. V w V f G e gebunden. Dies folgt e contrario aus der Fassung der §§ 48 I 1, 49 I 1 V w V f G e . Aus der Formulierung „. . . auch nachdem er (der Verwaltungsakt) unanfechtbar geworden i s t , . .
folgt, daß diese Normen bereits vor ihrer Unanfechtbarkeit anwend-
bar sind. Dies und der systematische Zusammenhang der Regelungen des 2. Abschnitts des 3. Teils der V w V f G e zeigen, daß zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes für die Widerspruchsbehörde der Zeitpunkt des Erlasses durch die Ausgangsbehörde maßgebend ist und diese i m Hinblick auf die Aufhebbarkeit durch die § § 4 3 ff. V w V f G e gebunden ist. Damit aber geht aus den Regelungen der § § 4 5 , 46 V w V f G e hervor, daß nach Abschluß des Verfahrens vor der Ausgangsbehörde eine Heilung nicht mehr möglich ist. So wäre die Regelung des § 45 V w V f G , die entgegen einer teilweise bestrittenen A n s i c h t 1 2 einen abschließenden Katalog von heilbaren Verfahrens- und Formfehlern enthält 1 3 , insbesondere i m Hinblick auf die zeitliche Beschränkung des 9 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 44 Rn. 28. 10 Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, §45 Rn. 21. u Grüner, SGB X, § 17 Anm. III, S. 10 m. w. Nw. 12 Obermayer, VwVfG, § 45 Rn. 27. 13 Kopp, VwVfG, § 45 Rn. 12; Knack-Klappstein, VwVfG, § 45 Rn. 3; Meyer / Borgs, VwVfG, § 45 Rn. 6.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
367
Absatzes 2 mühelos zu unterlaufen, folgte man der Ansicht von Stelkens. Zudem zeigt auch die Regelung des § 46 V w V f G e , daß eine Heilung durch Bestätigung seitens der Widerspruchsbehörde nicht mehr möglich i s t 1 4 . Vielmehr liegt insoweit ein Verfahrensfehler vor, dessen Rechtsfolgen sich nach § 46 V w V f G bestimmen, wobei es in das Ermessen der Widerspruchsbehörde gestellt ist, ob sie den Verwaltungsakt allein deshalb aufheben w i l l 1 5 . Keinen Bedenken begegnet es danach aber, wenn die Widerspruchsbehörde als Aufsichtsbehörde i m Rahmen ihrer Zuständigkeit vor Erlaß des Verwaltungsaktes die Handlung des Befangenen einer Nachprüfung unterzieht und diese bestätigt. Hinzuweisen ist schließlich darauf, daß die Behörde i m Zweifel die Beweislast dafür trifft, daß eine Handlung keinen Einfluß hatte oder haben konnte, bzw. ihre Kausalität auf die Sachentscheidung durch eine spätere Heilung oder eine spätere überholende Kausalität entfallen i s t 1 6 .
I I . Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung Ist eine Entscheidung unter M i t w i r k u n g eines Befangenen ergangen, so kann die Auswirkung dieses Verfahrensfehlers nur getrennt nach der Rechtsnatur der Entscheidung bestimmt werden.
I . Zur Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes a. Nichtigkeit In bezug auf den Eintritt der Nichtigkeitsfolge enthalten die § § 4 4 I I I Nr. 2 V w V f G e , 40 I I I Nr. 2 S G B - X und 127 I I I Nr. 2 A O '77 eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Verletzung von Ausschlußgründen nach diesen Verwaltungsverfahrensgesetzen. Die Regelung gilt jedoch analog in den Fällen, in denen Ausschlußgründe in anderen, den Vorbehalten der §§ 1 V w V f G e zugunsten inhaltsgleicher oder entgegenstehender Vorschriften gemäß aufrechterhaltenen Bestimmungen verletzt worden sind 1 7 .
14 Im Ergebnis ebenso Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 57. 15 Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 13; enger Knack-Klappstein, VwVfG, § 46 Rn. 5.4; Kopp, VwVfG, § 46 Rn. 12. 16 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 38; VGH München, N V w Z 1982, 510 ff., 512 f. allerdings auf der Ebene der Reichweite des Mitwirkungsverbotes. 17 Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 53.
368
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes aa. M i t w i r k u n g eines befangenen monokratischen Amtsträgers
aaa. Das Tätigwerden eines Beteiligten oder eines diesem gleichgestellten Amtsträgers Hat ein Beteiligter oder ein Amtsträger, der in der Angelegenheit ein Sonderinteresse besitzt, in einem Verwaltungsverfahren unzulässigerweise mitgewirkt, das mit dem Erlaß eines Verwaltungsaktes abschloß, liegt die Frage nach der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nahe. Denn Absatz 3 Nr. 2 der § § 4 4 V w V f G e , 40 S G B - X und 125 A O '77 nehmen diesem Ausschlußgrund aus dem Negativkatalog der Nichtigkeitsgründe gerade aus. Insoweit läßt sich die Gesetzeslage in zweierlei Richtung auslegen. Einmal könnte die Position bezogen werden, einschlägig sei damit die Generalklausel des Absatzes 1 der genannten Normen. Z u m anderen könnte die Auslassung des Ausschlußgrundes als Hervorhebung der Schwere des Verfahrensfehlers begriffen werden und e contrario der Schluß gezogen werden, ein von einem Beteiligten oder diesem Gleichgestellten erlassener Verwaltungsakt sei immer n i c h t i g 1 8 . Letztere Ansicht hätte weitreichende Konsequenzen. Denn da der Begriff des Mitwirkens i m Sinne der Absätze 3 Nrn. 2 ebenso weit wie i m Rahmen des Handlungsverbotes zu verstehen i s t 1 9 , würde jedwedes Tätigwerden eines Beteiligten, sofern dieses nur einen Einfluß auf den Verwaltungsakt haben kann, die Nichtigkeitsfolgen auslösen. Der Wortlaut der § § 4 4 V w V f G e , 40 SGB X und 125 A O '77 gibt hinsichtlich der Frage der Haltbarkeit dieser extensiven Auslegung keinen Aufschluß. Zwar enthalten die Absätze 2 dieser Normen den ausdrücklichen Hinweis darauf, daß die Voraussetzungen der Generalklausel des Absatzes 1 nicht vorzuliegen brauchen, während der Absatz 3 hierzu schweigt. Doch kann aus dem Fehlen einer solchen Formulierung in Absatz 3 nicht der Schluß gezogen werden, daß alle dort bewußt nicht erfaßten Fälle ohne weiteres der Generalklausel unterfallen. Denn während in Absatz 2 absolute Nichtigkeitsgründe statuiert werden, enthält Absatz 3 einen Negativkatalog. A l l e dort aufgeführten Gründe sollen eben nicht als solche die Nichtigkeitsfolge auslösen. Damit bot sich dem Gesetzgeber mangels einer Rechtsfolgekonkurrenz zu Absatz 1 kein Anlaß, eine solche Klarstellung in Absatz 3 aufzunehmen. Die unterschiedliche Fassung läßt sich vor diesem Hintergrund nicht als bewußte Entscheidung des Gesetzgebers interpretieren. Einen Ansatzpunkt zur Stützung der extensiven Ansicht ließe sich aus dem Ausnahmecharakter des Absatzes 3 gewinnen. Sollen nämlich die Fälle des Absatzes 3 Ausnahmen zu Absatz 1 sein, so müssen diese entweder schon selbst dessen Voraussetzungen erfüllen, oder das Gesetz erkennt ihnen mit der A u f l i stung zumindest selbst die erforderliche Evidenz zu. Wenn dem so wäre, dann is Bender, DÖV 1965, 446 ff., 448. 19 Stelkens /Bonk /Leonhardt, VwVfG, §44 Rn. 30; Hauck /Haines-Recht, SGB-X 1, 2, Κ §40 Rn. 23.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
369
müßte der Verletzung des Mitwirkungsverbotes durch einen Beteiligten, also der stärksten Form der Interessenkollision, immer auch die nach Absatz 1 erforderliche Evidenz beigelegt werden. Indessen fehlt einem solchen Schluß die Grundlage. Es handelt sich bei dem Negativkatalog des Absatzes 3 nur bedingt um echte Ausnahmen, denn beabsichtigt ist mit dieser Regelung eine Klarstellung i m Hinblick auf eine bisher in Rechtsprechung 2 0 und Literatur 2 1 strittige Rechtslage. Absatz 3 Nr. 2 der genannten Bestimmungen enthält in dieser Hinsicht die Feststellung, daß den Ausschlußtatbeständen mit Ausnahme der Selbstbeteiligung gerade die erforderliche Evidenz fehlt. Die M i t w i r k u n g eines ausgeschlossenen Amtsträgers i m Rahmen der Nr. 2 soll, wie der allgemeine Vorbehalt des Absatzes 3 hervorhebt, für sich genommen ohne das Hinzutreten weiterer U m stände keine Nichtigkeit des Verwaltungsakts zur Folge haben. Das sagt aber im Hinblick auf die Selbstbeteiligung nichts anderes aus, als daß die M i t w i r k u n g als solche bei dieser durchaus geeignet sein kann, die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes zu begründen. Mehr als diese Aussage kann der Regelung des Absatzes 3 Nr. 2 nicht entnommen werden, insbesondere nicht unter welchen Voraussetzungen die Nichtigkeit eintritt. Dies ergibt sich vielmehr aus der allgemeinen Regel des Absatzes 1. Unterstrichen w i r d dieses Ergebnis auch durch einen B l i c k auf die Entstehungsgeschichte des § 44 I I I Nr. 2 V w V f G . In der Veröffentlichung des Musterentwurfs eines V w V f G 1963 war die entsprechende Vorschrift in der Weise gefaßt, daß ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig ist, weil eine ausgeschlossene Person mitgewirkt hat, außer wenn ein Beteiligter selbst entschieden hat 2 2 . Diese Fassung zeigt deutlich, daß nicht jegliche Form der M i t w i r k u n g eines Beteiligten zur Nichtigkeit führen sollte, diese vielmehr eine bestimmte Qualität besitzen mußte. Ganz auf dieser Linie liegend führt auch die amtliche Begründung zu § 40 I I I Nr. 2 E V w V f G , dem heutigen § 44 I I I Nr. 2 B V w V f G , als Beispiel für eine Nichtigkeit des Verwaltungsakts die Bewilligung einer Leistung durch den Beteiligten selbst a n 2 3 . M i t der v o m Musterentwurf abweichenden Fassung wollte der Gesetzgeber also nicht auf eine bestimmte Qualität der Mitwirkungshandlung für den Eintritt der Nichtigkeit verzichten 2 4 . Vielmehr ist diese in dem Sinne zu interpretieren, daß ein besonders schwerwiegender und bei verständiger Würdigung offenkundiger Verfahrensfehler i m Sinne der §§ 44 I V w V f G e , 40 I SGBX und 125 I A O '77 nicht nur dann vorliegt, wenn der Beteiligte oder der ihm Gleichgestellte die Entscheidung selbstverantwortlich trifft, sondern auch dann, wenn er in maßgeblicher Weise in der Vorbereitungsphase tätig geworden ist. 20 Vgl. die Nachweise bei Haueisen, DVB1. 1950, 774 ff., 775. 21 Bender, DÖV 1965, 446 ff., 447. 22 Musterentwurf eines VwVfG, 1963, S. 156 f. 23 Amtliche Begründung des Entwurfs eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/910, S. 64. 24 Knack-Clausen, VwVfG, §20 Rn. 6.1; Meyer/Borgs, VwVfG, §44 Rn. 12; Schwarz-Frotscher, AO, § 125 Rn. 3. 24 Kazele
370
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
Der Gesetzgeber hat durch diese geänderte Fassung dem Umstand Rechnung getragen, daß ein Beteiligter ohne formal die Entscheidung zu treffen, diese doch i m Vorfeld schon durch sein M i t w i r k e n weitgehend determinieren kann. Insoweit bleibt also lediglich die Frage zu beantworten, wann neben der entscheidenden Tätigkeit 2 5 eine maßgebliche M i t w i r k u n g in einem Verwaltungsverfahren gegeben ist. V o r dem Hintergrund des Evidenzkriteriums w i r d man insoweit
den Gedanken einer typisierenden
Betrachtungsweise
aktivieren
können 2 6 . Anders als i m Rahmen der Reichweite des Mitwirkungsverbotes ist die Lösung der Frage der Konsequenzen der M i t w i r k u n g eines Befangenen auf der Ebene der repressiven Kontrolle differenzierungsfähig und -bedürftig 2 7 . Stets, wenn die Einwirkung des Beteiligten auf das Verfahrensergebnis unter Berücksichtigung der in der Verwaltung üblichen Arbeitsabläufe typischerweise möglich ist, w i r d die Nichtigkeitsfolge einzutreten haben. I m einzelnen ist i m Hinblick auf die Einwirkungsmöglichkeit die Stellung des Beteiligten i m Behördenaufbau und seine Zuständigkeit i m Verfahren sowie die Art der Mitwirkungshandlung zu berücksichtigen. Regelmäßig werden unter diesem Gesichtspunkt nur förmliche Mitwirkungshandlungen relevant, wie Behördenbesprechungen, bei denen ein Mindestmaß an Förmlichkeit hinsichtlich Einladung, gezielter Auswahl des Teilnehmer- und des Themenkreises vorliegt 2 8 . Dagegen w i r d es bei bloß inoffiziellen, beiläufigen Kontaktaufnahmen zwischen Behördenbediensteten an dem Evidenzkriterium fehlen. Z u beachten bleibt schließlich, daß der Ausschlußgrund der Selbstbeteiligung nicht lediglich eine Selbstbegünstigung des betreffenden Amtsträgers verhindern, sondern die Sachgerechtigkeit der Entscheidungsfindung als solche gewährleisten soll. Z u eng ist es daher, bei dem Falltyp des Handelns in eigener Sache die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes dann nicht eintreten zu lassen, wenn nach dem Inhalt des tatsächlich erlassenen Verwaltungsaktes eine Selbstbegünstigung ausgeschlossen i s t 2 9 . Denn der Beteiligte kann durchaus überhaupt kein Interesse an einer positiven Entscheidung haben, w e i l ihm etwa eine negative Bescheidung Ansprüche gegen Dritte sichert.
bbb. Der Verstoß gegen die übrigen
Ausschlußgründe
Der Verstoß gegen die übrigen Ausschlußgründe führt nach dem jeweiligen Absatz 3 Nr. 2 der § § 4 4 V w V f G e , 40 S G B - X und 125 A O '77 nicht zur Nichtigkeit des betreffenden Verwaltungsaktes. Allerdings gilt dies nach dem 25 Knack-Clausen, VwVfG, § 20 Rn. 6.1; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 44 Rn. 29; Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 54. 26 Vgl. VGH München, N V w Z 1982, 510 ff., 512. 27 Scheuing, N V w Z J982, 487 ff., 490. 28 VGH München, N V w Z 1982, 510 ff., 513. 29 So Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 54; Hauck / Haines-Recht, SGB X 1, 2, Κ § 40 Rn. 23.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
371
oben Gesagten aufgrund des allgemeinen Vorbehaltes des Absatzes 3 dieser Normen ( „ . . . nicht schon deshalb. . .") nur, wenn dieser Verfahrensfehler isoliert vorliegt 3 0 . Treten zu der bloßen M i t w i r k u n g des Ausgeschlossen weitere Gesichtspunkte hinzu, so kann dies eine andere Bewertung rechtfertigen 3 1 . Der Gesetzgeber differenziert also erkennbar zwischen der bloßen Verletzung des Mitwirkungsverbotes und der Realsierung der damit verbundenen Gefahrenlage. Ausdrücklich w i r d in den vorgenannten Normen nur auf die M i t w i r k u n g der unter die Nrn. 2 bis 6 der Ausschlußtatbestände fallenden Personen und nicht auf das dadurch beeinflußte Verfahrensergebnis abgestellt. Der Grund ist darin zu erblicken, daß auch in solchen Fällen die Entscheidung materiell fehlerfrei sein k a n n 3 2 . Unter diesem Gesichtspunkt stehen die vorgenannten Regelungen der Nichtigkeitsfolge dann nicht entgegen, wenn die Befangenheit auf das materielle Ergebnis der Entscheidung durchschlägt und dies offensichtlich i s t 3 3 . Ist sie tatsächlich ursächlich für materielle Fehler der Entscheidung geworden, so liegt ein weiterer über die bloße M i t w i r k u n g hinausgehender Umstand vor, der einen besonders schwerwiegenden Verfahrensfehler
i m Sinne der § § 4 4
I
V w V f G e , 4 0 1 S G B - X und 125 I A O '77 begründet. Die nach diesen Vorschriften weiter erforderliche Evidenz der tatsächlichen Ursächlichkeit der M i t w i r k u n g des Befangenen für die materielle Fehlerhaftigkeit der Entscheidung wird etwa dann gegeben sein, wenn er der ihm nahestehenden Person eine Genehmigung erteilt und die Entscheidung an Abwägungsdefiziten leidet, da erkennbar der Genehmigung entgegenstehende Aspekte vernachlässigt oder gar unberücksichtigt blieben. Damit läßt sich eine Stufenfolge bei der Verletzung der Ausschlußgründe i m Hinblick auf die Nichtigkeitsfolge des Verwaltungsakts aufstellen. Liegt eine Selbstbeteiligung i m materiellen Sinne vor, so ist insoweit bereits eine M i t w i r kung ausreichend, die typischerweise eine Einwirkung auf den Inhalt des Verwaltungsakts ermöglicht. In den anderen Fällen genügt eine M i t w i r k u n g als solche nicht, hinzutreten muß vielmehr deren offenkundige tatsächliche Ursächlichkeit für eine materiell fehlerhafte Entscheidung. Sinngemäß gilt letzteres auch für die Fälle der Selbstbeteiligung, in denen der Befangene tätig geworden ist und keine typische Einwirkungsmöglichkeit in dem dargelegtem Sinne gegeben ist. Sollte hier die M i t w i r k u n g dennoch einmal tatsächlich ursächlich geworden sein, so muß dies bei Evidenz ebenfalls zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führen.
30 Meyer/Borgs, VwVfG, § 44 Rn. 4. 31 Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 53. 32 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, BT / Drucksache 7/910, S. 64. 33 Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 54. 2*
372
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
ccc. Verstoß gegen das Handlungsverbot der Besorgnis der Befangenheit
wegen
Offen ist damit noch die Frage, wie der nicht ausdrücklich in dem Negativkatalog der Absätze 3 Nrn. 2 der § § 4 4 V w V f G e , 40 S G B - X und 125 A O '77 aufgenommene Verstoß gegen das Handlungsverbot wegen der Besorgnis der Befangenheit einzuordnen ist. M i t dem Hinweis darauf, daß jene Mängel mindestens ebenso schwer wögen wie der Verstoß gegen das Handlungsverbot wegen einer Besorgnis der Befangenheit, wird insoweit die Ansicht vertreten, daß auch dieser Verfahrensfehler, selbst wenn die Befangenheit des Amtsträgers offensichtlich sei, nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führen könne 3 4 . Dem ist mit der Maßgabe zuzustimmen, daß dies nur i m Hinblick auf die M i t w i r k u n g als solche zutrifft. Ist der wegen der Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossene Amtsträger tatsächlich befangen und hat sich dies in evidenter Weise in dem Verwaltungsakt niedergeschlagen, so ist dieser nach soeben entwickelten Grundsatz nach §§ 44 I V w V f G e , 40 I S G B - X und 125 I A O '77 n i c h t i g 3 5 .
bb. Besonderheiten bei Kollegialorganen Hat ein Amts- und Mandatsträger entgegen den Anordnungen der gesetzlichen Ausprägungen des Unbefangenheitsprinzips bei der Beratung und Beschlußfassung eines Kollegialorgans mitgewirkt, so ergibt sich i m Hinblick auf die wegen dieses Verfahrensfehlers eintretende Rechtsfolge der Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung eine besondere Problematik. Dies ist durch den Umstand bedingt, daß auf der Grundlage der Beschlüsse von Kollegialorganen häufig ein Außenvertretungsakt getroffen wird, der die Entscheidung des Kollegialorgans außenstehenden Dritten gegenüber vermittelt. Verdeutlicht werden soll dies am Beispiel des Kommunalrechts. So bestimmt § 6 6 1 2 Nr. 2 H G O , daß der Gemeindevorstand die Beschlüsse der Gemeindevertretung auszuführen hat. Entsprechend hat gemäß § 70 I 1 H G O der Bürgermeister die Beschlüsse des Gemeindevorstandes auszuführen. Entfalten die Beschlüsse dieser Kollegialorgane keine unmittelbare Außenwirkung, wie etwa der Beschluß, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen, oder einen bestimmten öffentlich-rechtlichen Vertrag zu schließen, so bedürfen sie der Vermittlung auf der Grundlage der Kompetenz zur Außenvertretung der Gemeinde, § 71 HGO. Sofern die Entscheidungen transformationsbedürftig sind, sind dementprechend hinsichtlich der Fehlerfolgen einer unzulässigen M i t w i r k u n g eines Befangenen zwei Ebenen zu unterscheiden. A u f der ersten ist die Bedeutung der Verletzung des Mitwirkungsverbotes für den Beschluß des Kollegialorgans zu klären. Die zweite Ebene ist demgegenüber von der Beantwortung der Frage beherrscht, welche Folge die Verletzung des 34 Ule / Laubinger, Verwaltungs verfahrensrecht, § 12 I I I 5. 35 Kopp, VwVfG, §44 Rn. 54; ähnlich auch Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 44 Rn. 29.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
373
Mitwirkungsverbotes auf die Wirksamkeit des gleichwohl erlassenen Außenvertretungsaktes hat 3 6 .
aaa. Die Speziair egelung des § 25 VI HGO Das sich auf der ersten Ebene stellende Problem löst § 25 V I 1 H G O dahingehend auf, daß Verstöße gegen die Absätze 1 - 4 dieser Vorschrift — sinngemäß muß dies auch für die Anwendung des § 21 H V w V f G gelten — die Unwirksamkeit der Beschlüsse zur Folge haben. Unerheblich ist dabei, ob die Stimme des Befangenen für den Beschluß ausschlaggebend war. Ausreichend ist insofern schon dessen bloße Teilnahme an der Beratung 3 7 . Folge der Unwirksamkeit des transformationsbedürftigen Beschlusses ist zunächst, daß eine Verpflichtung zu seiner Ausführung entfällt. Daneben entfällt jedoch auch die Berechtigung des Gemeindevorstandes zum Erlaß des Außenvertretungsaktes, sofern er ihn nach der Kompetenzverteilung nicht auch in unabhängiger und freier Entscheidung erlassen könnte. Diese interorganschaftlichen Auswirkungen stehen allerdings unter dem Vorbehalt der Heilungsregelung des § 25 V I 2, 3 H G O , auf die später noch einzugehen sein wird. Neben diesen lediglich gemeindeinternen Wirkungen ergibt sich eine weitere spezifische Auswirkung bei mehrstufigen Verwaltungs verfahren. Ist ein Beschluß eines Kollegialorgans, etwa des Gemeindevorstandes nach § 36 I BauGB i m Rahmen der Erteilung einer Baugenehmigung, verwaltungsintern zum Erlaß eines Verwaltungsaktes erforderlich, so ist die Folge der durch die M i t w i r k u n g eines Befangenen hervorgerufenen Unwirksamkeit des Beschlusses auf den Erlaß des Verwaltungsaktes von Interesse. Die Verletzung des Mitwirkungsverbotes ruft in dieser Hinsicht wegen der Nichtigkeit des Beschlusses einen weiteren Verfahrensfehler hervor, wobei diese zu unterscheidenden Verfahrensfehler durchaus unterschiedliche Folgen für den erlassenen Verwaltungsakt haben können. W i e aus §§ 44 I I I Nrn. 3, 4 V w V f G e , 40 I I I Nrn. 3, 4 und 125 I I I Nrn. 3, 4 A O '77 hervorgeht, stellt die fehlerhafte M i t w i r k u n g eines Ausschusses oder einer anderen Behörde für sich genommen keinen Nichtigkeitsgrund dar. Schlägt sich demgegenüber etwa die M i t w i r k u n g eines tatsächlich Befangenen in dem Inhalt des Verwaltungsaktes nieder, so kann dies nach den obigen Ausführungen zu dessen Nichtigkeit führen. Denkbar ist jedoch auch der umgekehrte Fall, der an dem folgenden Beispiel der Erteilung einer Baugenehmigung illustriert werden soll: Eine G m b H beantragt eine Baugenehmigung für ein in der betreffenden Gemeinde umstrittenes und auf erheblichen Widerstand in der Bevölkerung stoßendes Projekt. Die Bauaufsichtsbehörde leitet den Vorgang vor der abschließenden Entscheidung zum Zweck der Erklärung des Einvernehmens an die 36 Fechtrup, Der sachkundige Bürger im Gemeinderatsausschuß, S. 54. 37 H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. X I X 1.
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G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
Gemeinde weiter. A n der diesbezüglichen Beratung und Abstimmung nimmt der einem Mitwirkungsverbot unterliegende Geschäftsführer der G m b H teil. Die Abstimmung endet damit, daß die Gemeinde ihr Einvernehmen erklärt. Obgleich der Baugenehmigungsbehörde die Unwirksamkeit des Beschlusses bekannt ist, unterläßt sie es bewußt auf eine Nachholung hinzuwirken, da ihr das Ergebnis genehm ist und aufgrund der anhaltenden Auseinandersetzungen über das Projekt in der Gemeinde bei einer Nachholung ein anderes Ergebnis befürchtet. Die Baugenehmigung w i r d schließlich der G m b H erteilt. Da das erklärte Einvernehmen der Gemeinde die Baugenehmigungsbehörde nicht bindet 3 8 , fehlt es hinsichtlich der unzulässigen M i t w i r k u n g des Geschäftsführers zumindest an der zur Nichtigkeit erforderlichen Offensichtlichkeit der tatsächlichen Kausalität. Die Baugenehmigung ist bezogen auf diesen Verfahrensfehler lediglich rechtswidrig. Z u berücksichtigen ist jedoch ferner, daß die Verletzung des Mitwirkungsverbotes auch die Unwirksamkeit des erteilten Einvernehmens zu Folge hatte, die Baugenehmigungsbehörde also die Baugenehmigung nicht erteilen durfte 3 9 . Folgt man der Ansicht, daß bei besonderer Schwere und Offenkundigkeit der fehlerhaften Beschlußfassung, etwa bei der den Beteiligten bekannten oder u. U. sogar von ihnen mit herbeigeführter Umgehung der erforderlich wirksamen Beschlußfassung 4 0 , aufgrund des Hinzutretens weiterer Umstände Nichtigkeit nach § 44 I H V w V f G anzunehmen ist, so führt der verursachte weitere Verfahrensfehler hier zur Nichtigkeit der Baugenehmigung. Erhebliche Probleme bereitet in diesem Zusammenhang die Heilungsmöglichkeit des § 25 V I H G O 4 1 . Nach deren Satz 2 gelten Beschlüsse sechs Monate nach deren Beschlußfassung oder deren öffentlicher Bekanntmachung als von Anfang an wirksam zustandegekommen, wenn nicht vorher der Gemeindevorstand oder der Bürgermeister widersprochen oder die Aufsichtsbehörde sie beanstandet hat. Nach Satz 3 tritt die Wirksamkeit des Beschlusses ferner nicht gegenüber demjenigen ein, der vor Ablauf der Sechsmonatsfrist ein Rechtsmittel eingelegt oder ein gerichtliches Verfahren anhängig gemacht hat, wenn in dem Verfahren der Mangel festgestellt wird. Die Frage, die in diesem Zusammenhang von Interesse ist, ist die, ob diese Fehlerfolgenregelung auch dann eingreift, wenn ein Beschluß eines Kommunalorgans innerhalb eines mehrstufigen Verfahrens zum Erlaß eines Verwaltungsaktes erforderlich ist oder ein Beschluß gefaßt wird, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen. Gerade diese Fälle zeigen, daß die Konsequenzen des Satzes 3 hier nur schwer tragbar sind, wenn zwischen der Beschlußfassung und dem erforderlichen Außenvertretungsakt mehr als 6 Monate liegen. Denn in diesem Fall wäre der betroffene Bürger aufgrund der inzwischen eingetretenen Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers jedes Rechts-
38 39 40 41
BVerwG, Β RS 22 Nr. 156, S. 226. Grabis / Kauther / Krebsbach, Bau- und Planungsrecht, Abschnitt C 4.8. Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 57. Vgl. dazu ausführlich unten II. 4.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
375
schutzes beraubt, da erst der Außenvertretungsakt auf seine Rechtsstellung einwirkt und er grundsätzlich nur gegen ihn Rechtsmittel ergreifen kann. Als Ausweg bliebe den Betroffenen insoweit nur die umstrittene Klageart der vorbeugenden Unterlassungsklage gegen den Erlaß eines Verwaltungsaktes 4 2 . Ob die Fehlerfolgenregelung des § 25 V I 3 H G O tatsächlich zur Anerkennung einer solchen Klageart zumindest in diesem Fall zwingt, erscheint jedoch bei genauen Zusehen zweifelhaft. Analysiert man nämlich den Satz 2 eingehend, so gewinnt die dort genannte Alternative der öffentlichen Bekanntmachung nur Bedeutung für Satz 3. Da die Beanstandungsfrist der §§ 63, 74 H G O ausdrücklich unberührt bleiben soll, hat der Gemeindevorstand bzw. der Bürgermeister in diesem Fällen ohnehin dem Beschluß innerhalb eines Monats nach Beschlußfassung zu widersprechen. Ist daher lediglich der Zeitpunkt der Beschlußfassung maßgebend 4 3 , so ist insoweit weder die Sechsmonatsfrist noch die öffentliche Bekanntmachung von Bedeutung. Gleiches gilt auch für die aufsichtsrechtliche Beanstandung. A u c h sie muß nach § 138 H G O innerhalb von 6 Monaten nach Beschlußfassung erfolgen. Angesichts des systematischen Zusammenhangs kann eine Modifizierung des Fristbeginns durch § 25 V I 2 H G O in der Weise, daß die Frist bei dem Erfordernis der öffentlichen Bekanntmachung erst ab diesen Zeitraum laufen soll, nur schwerlich angenommen werden. Vielmehr zielt das nach § 5 I I I H G O für Satzungen erforderliche Wirksamkeitserfordernis der öffentlichen Bekanntmachung ausschließlich auf die Möglichkeit des Bürgers, den Eintritt der Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers zu verhindern. Nur sofern der Beschluß ihm gegenüber überhaupt geeignet ist, Rechts Wirkungen zu entfalten 4 4 , sollen ihn gewisse Obliegenheiten treffen. Ist dies die Quintessenz der Alternative der öffentlichen Bekanntmachung des Beschlusses, so muß dies ganz allgemein gelten. Der Bürger soll den Verfahrensfehler nur unter der Prämisse innerhalb der Sechsmonatsfrist geltend machen müssen, daß der Beschluß ihm gegenüber überhaupt unmittelbar Rechtswirkungen entfalten kann. In den oben angesprochenen Fällen, in denen der fehlerhafte Beschluß zunächst bloß verwaltungsinterne W i r k u n g hat und dem Bürger gegenüber noch transformationsbedürftig ist, kann daher die Fehlerfolgenregelung des § 25 V I 3 H G O allenfalls mit Erlaß des Außenvertretungsaktes eingreifen. Aufgrund der Monatsfristen für die Erhebung des Widerspruchs (§ 70 I 1 V w G O ) bzw. der Klage (§ 74 I 1 V w G O ) w i r d die Heilungsregelung des Satzes 3 daher nur in dem Fall relevant, in welchem bereits der Beschluß selbst Außenwirkung besitzt. A u f diesen Fall w i r d unten i m Rahmen der Ausführungen zu den Fehlerfolgen bei Rechtsnormen einzugehen sein.
« Vgl. zu dieser Problematik Kopp, VwGO, vor § 40 Rn. 33, § 42 Rn. 8 m. w. Nw. 43 H. und D. Schlempp, HGO, § 63 Anm. IV, § 138 Anm. V. 44 Sieht man gerade von dem Verfahrensfehler ab.
376
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
bbb. Die Folgen für den Beschluß eines Kollegialorgans auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrensrechts Keine Regelung enthalten die Verwaltungsverfahrensgesetze vor dem Hintergrund der durchgeführten Trennung zwischen dem Beschluß und der sich daran anschließenden außenwirksamen Entscheidung hinsichtlich des Schicksals des fehlerhaften Beschlusses eines zur M i t w i r k u n g oder eines zur Entscheidung berufenen Ausschusses 45 . Zur Lösung des skizzierten Problems muß daher auf allgemeine Rechtsgrundsätze zurückgegriffen werden. Dabei herrscht Streit über die Frage, ob der in den in Art. 49 I I I BayGO und nunmehr auch in § 26 V I 1 G O Nds. enthaltene Kausalitätsgedanke als Ausprägung allgemeiner Grundsätze angesehen werden kann. Dies wird von einer Mindermeinung bejaht und die Ungültigkeit eines Beschlusses entsprechend diesen Vorschriften nur dann angenommen, wenn durch die unzulässige M i t w i r k u n g eines befangenen Mitglieds das Abstimmungsergebnis entscheidend beeinflußt worden ist. Danach ist der Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot unbeachtlich, wenn der Beschluß auch bei Abzug der Stimme des Befangenen ebenso zustande gekommen wäre 4 6 . Zur Begründung w i r d insofern auf Praktikabilitätserwägungen verwiesen. Abgestellt w i r d dabei einmal auf sonst entstehende Nachweisschwierigkeiten. Ob und inwieweit die bloße Teilnahme an der Beratung andere Teilnehmer beeinflußt habe, laße sich als interner Vorgang nicht oder doch nur ausnahmsweise mit besonderen Schwierigkeiten feststellen. Den von dem Beschluß Betroffenen würde daher — wollte man ihn den Nachweis aufbürden — in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Unmögliches abverlangt. Dagegen lasse sich das Abstimmungsergebnis aus den Niederschriften unschwer ermitteln, was den Aspekt der Rechtssicherheit Rechnung trage. Demgegenüber sei die Ansicht, die insofern auch eine Beeinflussung während der Beratung i m Rahmen der repressiven Kontrolle für beachtlich halte, mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren beladen 4 7 . Diese Auffassung stößt jedoch zu Recht überwiegend auf K r i t i k . Den positivierten Regelungen, die eine Kausalität i m Hinblick auf das Abstimmungsergebnis fordern, kann kein allgemeiner Rechtsgedanke entnommen werden, vielmehr handelt es sich insoweit um landesrechtliche Sonderregelungen 48 . Es besteht kein Gewohnheitsrechtssatz dahingehend, daß Entscheidungen wegen einer Interessenkollision nur dann für rechtswidrig oder nichtig erklärt werden könnten, wenn die Stimmabgabe der Befangenen für das Ergebnis ausschlaggebend waren, 45 Sofern den Beschlüssen selbst Verwaltungsaktsqualität zukommt, folgen sie im Hinblick auf ihre Fehlerhaftigkeit den in den Verwaltungsverfahrensgesetzen statuierten Regeln. 46 Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 19. 47 BGH, BayVBl. 1967, 278. 48 v. Arnim, JA 1986, 1 ff., 6; v. Mutius, VerwArch. 65 (1974), 429 ff., 440; Säcker, NJW 1966, 719 ff., 720; Härchen / Hüttemann, SKV 1971, 291 ff., 294.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
377
da es bislang an einem dahingehenden manifestierten Rechtsgeltungswillen der Rechtsgenossen wie auch an einer gleichmäßigen allgemeinen Übung, die über einen langen Zeitraum anhielte, fehlt. Dies ergibt sich nicht zuletzt schon daraus, daß diese Frage nach wie vor umstritten i s t 4 9 . Daneben bestehen auch materielle Bedenken hinsichtlich der Konsequenzen dieser Ansicht. Sie führt nämlich zu einer weitgehenden Sanktionslosigkeit des Verfahrensfehlers, wenn man sich vergegenwärtigt, daß durch die M i t w i r k u n g eines an sich ausgeschlossenen M i t gliedes die übrigen Mitglieder in ihrer Beschlußfassung maßgeblich beeinflußt worden sein können. Der Befangene kann gerade bei der Beratung seinen Einfluß ausüben, selbst wenn seine Stimme bei der Abstimmung nicht ins Gewicht f ä l l t 5 0 . Schließlich bestehen auch methodische Bedenken. Die angeführten Praktikabilitätserwägungen, konkret die Bewältigung von Beweisschwierigkeiten, sind kein anerkannter Auslegungsmaßstab. Beweisschwierigkeiten kann mindestens ebenso effektiv auf der prozessualen Ebene durch die Verteilung der Beweislast sowie Erleichterungen der Beweisführung begegnet werden, ohne daß damit der Rechtsschutz verkürzt wird. Denn genommen w i r d dem Bürger jedenfalls die Möglichkeit des Nachweises, daß das Tätigwerden des Befangenen für den Inhalt der Entscheidung kausal geworden i s t 5 1 . In Übereinstimmung mit der überwiegenden Ansicht, ist der Beschluß eines zur M i t w i r k u n g oder zur Entscheidung berufenen Ausschusses bei der M i t w i r k u n g eines Befangenen stets als unwirksam anzusehen 52 .
ccc. Der das Verfahren
abschließende
Verwaltungsakt
Wendet man sich der Frage nach den Folgen der M i t w i r k u n g eines befangenen Mitglieds eines mitwirkenden oder auch entscheidenden Kollegialorgans für den als Abschluß des Verfahrens ergangenen Verwaltungsakt zu, so stellt sich zunächst die Frage nach der Anwendbarkeit der § § 4 4 I I I Nr. 2 V w V f G e , 40 I I I Nr. 2 S G B - X und 125 I I I Nr. 2 A O '77. Stelkens lehnt deren Anwendbarkeit ab. Trotz ihrer weiten Fassung seien diese Vorschriften nur auf den Fall der M i t w i r k u n g eines Bediensteten i m Bereich der die Entscheidung erlassenden Behörde anwendbar, nicht aber auf die M i t w i r k u n g eines Ausschußmitglieds. Die Lösung müsse auch hier nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen erfolgen 5 3 . Indessen gibt weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck dieser Vorschriften einen Anhaltspunkt für eine solche Beschränkung des Normbereichs. Gerade 49 Stahl, DVB1. 1972, 764 ff., 765. 50 Hofmeister, Interessenkollisionen nach dt. Gemeindeverfassungsrecht, S. 72; v. Arnim, JA 1986, 1 ff., 6. 51 Masson, BayVBl. 1967, 278 f., 279; Masson / Samper, BayGO, Art. 49 Rn. 17, S. 253. 52 Α. A. generell nur rechtswidrig und aufhebbar: Härchen / Hüttemann, SKV 1971, 291 ff., 294 53 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 44 Rn. 33.
378
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
der Gesichtspunkt, daß mit diesen Regelungen eine möglichst eindeutige gesetzliche Festlegung der Voraussetzungen, unter denen ein fehlerhafter Verwaltungsakt nichtig und damit unwirksam ist, beabsichtigt w u r d e 5 4 , spricht gegen eine unterschiedliche Behandlung beider Fallkonstellationen. Finden also die § § 4 4 I I I Nr. 2 V w V f G e , 40 I I I Nr. 2 S G B - X und 125 I I I Nr. 2 A O '77 auch auf die unzulässige M i t w i r k u n g befangener Amtsträger A n w e n d u n g 5 5 , so sind die oben aus diesen Regelungen i m Hinblick auf die M i t w i r k u n g eines befangenen monokratischen Amtsträgers gezogenen Schlüsse auch in diesem Zusammenhang heranzuziehen. Sofern das Kollegiumsmitglied selbst beteiligt ist oder durch die Entscheidung selbst einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil erlangen kann, genügt für den Eintritt der Nichtigkeitsfolge nach den zuvor Gesagten eine typischerweise mögliche Ursächlichkeit der M i t w i r k u n g des Befangenen für den Entscheidungsinhalt. Unter Anlegung einer solchen typisierenden Betrachtungsweise wird i m Rahmen dieser Ausschlußtatbestände stets die unzulässige M i t w i r k u n g an der förmlichen Beratung und Beschlußfassung in der Angelegenheit als solche zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen. Denn in diesem Fall ist die unzulässige M i t w i r k u n g grundsätzlich dazu geeignet, Wirkungen auf das Verfahrensergebnis zu entfalten. Während dies bei einem zur Entscheidung berufenen Kollegialorgan keines weiteren Nachweises bedarf, ist in Bezug auf ein zur M i t w i r k u n g berufenes Kollegialorgan zu beachten, daß sich die entscheidende Behörde zumindest mit dessen Stellungnahme auseinanderzusetzen hat und somit einen nicht zu unterschätzenden Faktor in der Entscheidungsbildung darstellt. Unterliegt das betroffene M i t g l i e d den anderen Ausschlußgründen oder besteht i m Hinblick auf seine Person eine Besorgnis der Befangenheit, so führt die bloße M i t w i r k u n g nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes. Eine Nichtigkeit ist i m Hinblick auf § § 4 4 I I I Nr. 3 V w V f G e , 40 I I I Nr. 3 S G B - X und 125 I I I Nr. 3 A O '77 auch dann nicht gegeben, wenn der Ausschuß ohne die M i t w i r k u n g des Befangenen nicht beschlußfähig gewesen wäre 5 6 . Sofern jedoch die Befangenheit des Kollegiumsmitglieds in diesen Fällen tatsächlich ursächlich für den Inhalt des ergangenen Verwaltungsaktes geworden und dies offensichtlich ist, w i r d nach den obigen Ausführungen die Nichtigkeitsfolge nach den Absätzen der genannten Vorschriften eintreten. Das Evidenzkriterium w i r d dabei regelmäßig nur bei der M i t w i r k u n g eines Befangenen in einem zur Entscheidung berufenen Ausschuß gegeben sein. Ausnahmsweise ist dies auch bei einem zur M i t w i r k u n g berufenen Ausschuß denkbar, wenn der Verwaltungsakt unmittelbar auf den Beschluß beruht und er dessen Vollzug darstellt. I n allen anderen Fällen fehlt es an der positiven ΒindungsWirkung der Erlaßbehörde an den Beschluß des mitwirkenden Ausschusses und damit zugleich an der 54 Obermayer, VwVfG, § 44 Rn. 3. 55 So auch Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 52. 56 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 83.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
379
Offensichtlichkeit der tatsächlichen Ursächlichkeit der Befangenheit für den Inhalt des Verwaltungsaktes. Interessant ist in diesem Zusammenhang weiter, daß die Evidenz in den genannten Fällen nur dann vorliegen wird, wenn ohne die Stimme des Befangenen die für das Abstimmungsergebnis erforderliche Stimmenzahl nicht erreicht worden wäre. Dieses Kausalitätserfordernis, das in den Art. 49 I I I BayGO und § 26 V I 1 G O Nds. normiert ist, taucht auf der Ebene der Fehlerfolgenbestimmung der außenwirksamen Entscheidung als Strukturprinzip der §§ 44 V w V f G e , 40 S G B - X und 125 A O '77 auf. I m Gegensatz zu einer Ansicht bedarf es insoweit nicht des Rückgriffs auf einen zudem noch zweifelhaften allgemeinen Rechtsgrundsatz 57 . Zugleich vermag auch die gegen dieses Ergebnis geäußerte K r i t i k nicht durchzuschlagen 5 8 , da sich dieses nach der hier vertretenen Ansicht unmittelbar aus den gesetzlichen Regelungen ergibt.
b. Rechtswidrigkeit Ist der Verwaltungsakt wegen der unzulässigen M i t w i r k u n g eines Amtsträgers nach dem Vorangegangenem nicht nichtig, so fragt es sich, welches Schicksal der mit einem derartigen Verfahrensfehler behaftete Verwaltungsakt erleidet.
aa. Rechtliche Notwendigkeit des Verwaltungsakts trotz des verbotenen Tätigwerdens Eine Antwort darauf gibt die Regelung der §§ 46 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustandegekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Diese Formulierung wirft in der praktischen Anwendung wie in der theoretischen Diskussion erhebliche Probleme auf 5 9 .
aaa. Zur dogmatischen Struktur der §§ 46 VwVfGe, 42 SGB-X und 127 AO' 77 Unklar ist zunächst die dogmatische Struktur dieser Normen. Indem § § 4 6 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 den Aufhebungsanspruch bei formellen Gesetzesverstößen verneinen, müssen sie i m Zusammenhang mit den §§ 113 I 1 V w V G O , 54 I I SGG und 100 I FGO gesehen werden, wonach der Einzelne 57 Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 81; Meyer/Borgs, VwVfG, § 20 Rn. 19, die allerdings nicht zwischen den Fehlerfolgen für den Beschluß und den Verwaltungsakt differenzieren. 58 Kopp, VwVfG, § 20 Rn. 52. 59 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 410.
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
380
dann einen Anspruch auf Aufhebung eines Verwaltungsaktes hat, wenn dieser rechtswidrig ist und der Betroffene dadurch in seinen Rechten verletzt w i r d 6 0 . V o n der gesetzlichen Terminologie dieser Vorschriften ausgehend, w i l l die h. M . den Regelungsgehalt der vorgenannten verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen auf der Rechtsfolgenseite der prozeßrechtlichen Regelungen ansiedeln. Die §§ 46 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 nähmen nur den Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsaktes. Mangels dieses Anspruchs könne ein Gericht einen Verwaltungsakt trotz Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung des Klägers durch den Verfahrens- bzw. Formfehler nicht aufheben. Insofern würden die § § 1 1 3 1 1 V w G O , 54 I I SGG und 100 I FGO relativiert 6 1 . Dies sei jedoch aus Gründen der Prozeßökonomie gerechtfertigt 6 2 . Für die Aufhebung eines gesetzlich gebotenen Verwaltungsaktes fehle dem Anfechtungskläger das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Verwaltungsakt auch nach und trotz seiner Aufhebung wiederholt werden müsse, so daß die Aufhebung dem Anfechtungskläger i m Endeffekt nichts nütze 6 3 . Diese Auslegung ist allerdings i m Hinblick auf Art. 19 I V G G wie unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes durch Verfahren fragwürdig. Denn mit Art. 19 I V G G sind nur Beschränkungen eines Rechts, nicht aber solche seiner gerichtlichen Geltendmachung vereinbar 6 4 . Diesen Aspekt verkennt auch Schenke, wenn er einen Verstoß gegen Art. 19 I V GG mit
dem
regelmäßig
fehlenden
Rechtsschutzbedürfnis
des
Anfechtenden
verneint 6 5 . Wenig überzeugend und in sich widersprüchlich ist insoweit auch die gegen diese These von Meyer vorgebrachte K r i t i k . Er verweist darauf, daß Art. 19 I V G G nur Rechtsschutz bei Rechtsverletzungen, nicht aber schon bei Rechtswidrigkeit staatlichen Handelns verlange 6 6 . Dieser Aussage ist beizupflichten, doch führt sie gerade zur Unhaltbarkeit der h. M . , die von einer Einschränkung der §§ 113 I 1 V w G O , 54 I I SGG, 100 I FGO ausgeht. Denn diese Normen setzen gerade neben der Rechtswidrigkeit auch eine Rechtsverletzung des Klägers voraus. Gewichtiger ist demgegenüber der Einwand, Art. 19 I V G G denke vom materiellen Recht her und verlange regelmäßig nicht, daß ein Verfahrensfehler zur Aufhebung einer materiell rechtmäßigen Entscheidung führe 6 7 . Dieser gedankliche Ansatz ist indessen fragwürdig. Denn sie findet i m Wortlaut des Art. 19 I V G G keine Stütze. Dieser nimmt vielmehr Bezug auf die Rechtsordnung und die dort statuierten subjektiven Rechte 6 8 . Immer wenn diese verletzt werden, soll nach dem Sinn und Zweck der Regelung der Rechtsweg 60 Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungs Verfahrens, S. 193. 61 Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 5,10; Schenke, DÖV 1986, 305 ff., 307 ff., 310 f. 62 Kopp, VwVfG, § 46 Rn. 7. 63 Bettermann, Festschrift für Ipsen, 1977, S. 271 ff., 291. 64 Schenke, DÖV 1986, 305 ff., 312. 65 Schenke, DÖV 1986, 305 ff., 312. 66 Meyer /Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 4. 67 Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193 ff., 224 f. 68 So im übrigen auch Schenke, DÖV 1986, 305 ff., 312 mit einer insoweit widersprüchlichen Schlußfolgerung.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
381
offen stehen. Hinzu kommt, daß das Verfahrensrecht nicht lediglich dienenden Charakter hat, sondern ihm, wie die neuere Entwicklung des Grundrechtsschutzes deutlich macht, auch ein Eigenwert zukommen kann. So kann denn auch diese Ansicht nicht daran vorbei, die Verletzung grundrechtsrelevanter Verfahrensvorschriften als eine unter dem Gesichtspunkt des Art. 19 I V G G relevante Rechtsverletzung anzusehen 69 . Die Auffassung, die ihren Erklärungsansatz auf die Rechtsfolgenseite der § § 1 1 3 1 1 V w G O , 54 I I SGG und 100 I FGO bezieht, scheitert mithin an Art. 19 I V GG. Die §§ 46 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 können angesichts des verfassungsrechtlichen Gebotes des Rechtsschutzes nur dahingehend verstanden werden, daß ein Verfahrensfehler i m Fall materiell-rechtlicher Alternativlosigkeit nicht zu einer subjektiven Rechtsverletzung führt 7 0 . Dies steht durchaus auch i m Einklang mit dem Wortlaut dieser Normen. Die Formulierung „ . . . kann nicht die Aufhebung beanspruchen . .
läßt offen, warum sie nicht verlangt
werden kann. Insofern steht der Interpretation dieser Vorschriften als inhaltliche Konkretisierung der subjektiven Rechtsverletzung in der Weise nichts entgegen, daß die Rechtsstellung des Betroffenen, die die jeweiligen Verfahrensgesetze umschreiben, für einen bestimmten Bereich zurückgenommen wird. Verändert wird also nicht die Aufhebungsmöglichkeit, sondern die Rechtsstellung des Betroffenen. Sie w i r d für den Fall der materiell-rechtlichen Alternativlosigkeit zurückgeschnitten, die Verfahrensvorschrift zu einer die Verwaltung gleichwohl verpflichtenden bloßen Ordnungsvorschrift reduziert. In der Konsequenz dieser Auslegung lösen sich auch die aus dem Gesichtspunkt der Gesetzgebungskompetenz gegen die § § 4 6 L V w V f G e entspringenden verfassungsrechtlichen Bedenken, die aus der Auslegung der h. M . resultieren. Denn nach der Interpretation der h. M . bewirken auch die § § 4 6 L V w V f G e eine Änderung des § 113 I 1 V w G O . Die h. M . ist denn auch zu einer gekünstelten Konstruktion gezwungen 7 1 . Folgt man der hier vertretenen Ansicht, so stellen die § § 4 6 V w V f G e , 42 SGBX und 127 A O '77 keine das gerichtliche Verfahren regelnde Vorschriften dar, sondern sind originär verwaltungsverfahrensrechtliche
Regelungen, die die
Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten konkretisieren 7 2 . Ein Kompetenzproblem taucht bei dieser Interpretation nur dann auf, soweit sich die § § 4 6 L V w V f G e als Modifizierung von Bundesrecht auswirken. Enthalten Bundesgesetze selbst Befangenheitsregelungen, so können auf ihre Verletzung die § § 4 6 69 V g l . Hufen, Fehler i m Verwaltungsverfahren, S. 411; ders., N J W 1982, 2160 ff., 2164 f.; Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 491; M e y e r / B o r g s , V w V f G , § 46 Rn. 4. 70 Kopp, VwVfG, § 46 Rn. 7; Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 195. 71 Vgl. Meyer, NVwZ 1986, 513 ff., 520 f.; Meyer/Borgs, VwVfG, §46 Rn. 6; Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 20; das Kompetenzargument trifft insbesondere auch auf die Ansicht von Götz, NJW 1976, 1425 ff., 1429 und Degenhardt, DVB1. 1981, 206 ff., 206 zu, die § 46 VwVfG als eine an die Rechtsprechung gerichtete Ermessensnorm verstehen wollen. 72 Hufen, DVB1. 1988, 69 ff., 75.
382
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
L V w V f G e keine Anwendung finden 7 3 . Werden hingegen landesgesetzliche Ausprägungen des Unbefangenheitsgebotes verletzt, so finden diese volle Anwendung. Insoweit bleibt noch die Beantwortung der Frage offen, ob diese Reduzierung des Unbefangenheitsgebotes auf eine bloße Ordnungsvorschrift unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere dem Gedanken des Grundrechtsschutzes durch Verfahren, der auch i m Hinblick auf das Unbefangenheitsprinzip Relevanz besitzt 7 4 , zulässig ist. Ist nämlich insoweit ein grundrechtlich gefordertes und daher vom Gesetzgeber nicht unterschreitbares M i n i m u m an prozeduralen Grundrechtsschutz geboten, so könnte die durch § § 4 6 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 bewirkte Relativierung des Verfahrensrechts Bedenken aufwerfen. Einer Ansicht zufolge soll denn auch der Verstoß gegen grundrechtsgebotene Verfahrensvorschriften stets eine Grundrechtsverletzung darstellen, die zwingend einen Aufhebungsanspruch zur Folge haben müsse 7 5 . Dem ist entgegenzuhalten, daß die Regelung der §§ 46 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 selbst eine i m Rahmen des Gesetzes Vorbehaltes liegende Inhaltsbestimmung des Grundrechtsschutzes für den Bereich des Verfahrensrechtes enthält 7 6 . Diese Normen stellen keine übermäßige Gefährdung materieller Grundrechtspositionen i m Verwaltungsverfahren generell oder bezüglich bestimmter Verfahrenstypen dar. Denn sie sind lediglich auf eine spezielle Fallsituation zugeschnitten. Nur, wenn die Behörde die gleiche Entscheidung aus materiell-rechtlichen Gründen sogleich wieder treffen müßte, soll es an einer Rechtsverletzung fehlen, da es auch bei Einhaltung aller Verfahrensbestimmungen zu keinem anderen Ergebnis hätte kommen können 7 7 . Dieser allein erfaßte Fall der rechtlichen Alternativlosigkeit unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die grundrechtliche Verfahrenssicherung w i l l den geänderten Realisierungsbedingungen der Freiheit Rechnung tragen. Sie stellt daher keinen Selbstzweck dar, sondern sie verhält sich zum materiellen Freiheitsrecht akzessorisch. Eine Verfahrensentscheidung, die gegen grundrechtliche Anforderungen verstößt, braucht infolgedessen nicht unbedingt zur Aufhebung der Sachentscheidung zu führen, sofern nur diese selbst den Grundrechten standhält. Dem grundrechtlichen Schutzzweck erscheint vielmehr Genüge getan, wenn solche Verfahrensfehler zur Aufhebung der Sachentscheidung führen, die das Ergebnis grundrechtswidrig beeinträchtigt haben können 7 8 . Bei feststehenden Ergebnis, also der antezipierten gesetzgeberischen Lösung eines Interessenkonflikts, ist die Sanktionsverkürzung nicht grundrechtsbeschränkend, sondern zulässige Inhaltsbestimmung des Grundrechtsschutzes, 73 Ähnlich Kopp, VwVfG, § 46 Rn. 7. 74 Siehe Kapitel Β II. 2. c. cc. 75 VG Arnsberg, DVB1. 1981, 648 f., 649; Sellner, BauR 1980, 391 ff., 395; Blümel, Frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Planungen, S. 23 ff., 66 ff. 76 Hufen, NJW 1982, 2160 ff., 2169; v. Mutius, NJW 1982, 2150 ff., 2159. 77 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 412. 78 Grimm, N V w Z 1986, 865 ff., 871.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
383
weil — in diesem Fall und nur in diesem Fall — die Bedeutung des Verfahrens gegenüber der materiellen Rechtslage bis zur Irrelevanz zurücktritt 7 9 . Die Regelung des Gesetzgebers, die neben der materiellen Rechtmäßigkeit auch die rechtliche Alternativlosigkeit der Entscheidung voraussetzt, ist daher nicht zu beanstanden.
bbb. Extensive
Ansichten
Bevor auf das entscheidende Tatbestandsmerkmal der rechtlichen Alternativlosigkeit eingegangen werden soll, ist auf extensive Auslegungen der angeführten Unbeachtlichkeitsregelungen hinzuweisen. Die insofern in Literatur und Rechtsprechung gewählten Ansätze der Kausalität, wonach ein Verfahrensfehler unbeachtlich sein soll, wenn die Entscheidung bei einem korrektem Verfahren nicht anders ausgefallen wäre 8 0 , und der Schwere des Verfahrensfehlers — nicht schwere oder unwesentliche Fehler sollen generell den § § 4 6 V w V f G e , 42 SGBX und 127 A O '77 unterfallen 8 1 — sind weder v o m Wortlaut noch von der in diesem Punkt eindeutigen Entstehungsgeschichte der Normen gedeckt. Das Gesetz stellt nur darauf ab, ob eine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können 8 2 , nicht aber darauf, daß eine andere Entscheidung bei Vermeidung des Fehlers getroffen worden wäre. W i e Meyer zutreffend anhand der Entstehungsgeschichte des § 46 ( B ) V w V f G belegt hat, wollte der Gesetzgeber gerade vermeiden, daß die Verwaltungsgerichte in eine meist schwierige Prüfung der Kausalität eintreten müssen. Daher wurde bewußt eine Differenzierung zwischen den Fällen eindeutiger Kausalität bzw. zweifelhafter oder eindeutig fehlender Kausalität nicht in das Gesetz aufgenommen und zur Vermeidung des sonst auftretenden Streits hinsichtlich der Frage der Eindeutigkeit überhaupt auf ein Kausalitätserfordernis verzichtet 8 3 . Dieser klar zu Tage getretene W i l l e des Gesetzgebers, aus Gründen der Rechtssicherheit eine klare Regelung zu schaffen, steht auch den Vertretern der Schweretheorie als unüberwindliches Hindernis i m Wege. Auch sie befrachten die angeführten Normen entgegen dem gesetzgeberischen Absichten mit Unsicherheitsmomenten.
79 Hufen, NJW 1982, 2160 ff., 2167. so BVerwG, N V w Z 1984, 718 ff., 721; Bettermann, Festschrift für Menger, 1985, 709 ff., 713. 81 Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 46 Rn. 4, 8a. 82 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 412; Meyer /Borgs, VwVfG, §46 Rn. 21. 83 Meyer, NVwZ 1986, 513 ff., 520; Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 21.
384 ccc. Rechtliche
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes Alternativlosigkeit
A l l e i n entscheidend für die Unbeachtlichkeit des Verstoßes gegen die Befangenheitsvorschriften ist danach, ob eine rechtliche Alternativlosigkeit der Entscheidung vorliegt. M i t anderen Worten ist es erforderlich, daß nur diese eine Entscheidung rechtmäßig getroffen werden konnte. α ) Ausklammerung administrativer Letztentscheidungsermächtigungen Bei der Bestimmung des Begriffs der rechtlichen Alternativlosigkeit entsteht ein Dilemma. Denn die Vorstellung, es gebe nur eine einzige richtige Entscheidung, ist nichts anderes als eine Fiktion, da jeder Rechtsbegriff Interpretationsmöglichkeiten zuläßt und eine in vollem Umfang gebundene Verwaltungstätigkeit in dieser Hinsicht nicht existent i s t 8 4 . Insoweit muß also erkennbar eine Einschränkung gemacht und ein Abgrenzungskriterium gefunden werden, sollen nicht die Regelungen der §§ 46 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 praktisch bedeutungslos werden. Die Bedeutung dieser Normen für die repressive Kontrolle seitens der Verwaltungsgerichte legt es dabei nahe, in funktionaler Hinsicht einen Zusammenhang der rechtlichen Alternativlosigkeit mit dem Umfang der gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit herzustellen. Die Relativierung von Verfahrensvorschriften läßt sich nämlich insoweit auch damit erklären, daß den Verwaltungsgerichten grundsätzlich die Kompetenz zur selbständigen Ermittlung der Sach- und Rechtslage zukommt. Sie haben die Befugnis und die Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung und zum selbständigen „Durchentscheiden" in der Sache zur Herbeiführung der Spruchreife 8 5 . Die Relativierung der Bedeutung der Stellung des Betroffenen i m Verwaltungsverfahren kann hingenommen werden, weil i m Rahmen der repressiven Kontrolle nunmehr das Gericht in seinem Verfahren alles Notwendige klären und den Rechtsstreit in der Sache endgültig entscheiden m u ß 8 6 . Insofern findet zwar auch das Gericht nicht die einzig richtige Entscheidung, aber es handelt in Ausübung der Kompetenz zur Feststellung der einzig verbindlichen Entscheidung 8 7 . Gegenüber diesen Normalfall zeichnen sich die eng eingegrenzten Fälle der administrativen Letztentscheidungsermächtigungen, wie Ermessensspielräume, Beurteilungs- und Prognoseermächtigungen, Einschätzungsprärogativen oder Rezeptionsbegriffe 8 8 , gerade dadurch aus, daß die Kompetenz des Gerichts zur selbständigen Entscheidung der materiellen Rechtslage begrenzt ist. Hier trifft es keine eigene Sachentschei84 Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193 ff., 224; Krebs, DVB1. 1984, 109 ff., 111. 85 Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151 ff., 176. 86 Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151 ff., 177; Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 243. 8v Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151 ff., 176. 88 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 191 ff.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
385
dung, sondern prüft die Behördenentscheidung daraufhin nach, ob die Grenzen der der Behörde eingeräumten Entscheidungsspielräume nicht überschritten worden sind. In diesem Bereich eigenverantwortlicher
Entscheidungsspielräume
kann daher die Relativierung von Verfahrenspositionen nicht aufgrund des sich anschließenden Gerichtsverfahrens hingenommen werden. Vielmehr muß ihnen hier ersichtlich ein höherer Stellenwert beigemessen werden. Folge i m Hinblick auf die Anwendbarkeit der § § 4 6 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 ist es daher, daß diese die Fälle administrativer
Letztentscheidungsermächtigungen
mangels rechtlicher Alternativlosigkeit nicht erfassen 89 . ß) Abstrakte oder konkrete Betrachtungsweise? Das Beispiel der Ermessensreduzierung auf N u l l Keine Rolle spielt es, ob der bestehende Entscheidungsspielraum intern durch Regelungen ausgefüllt ist. So ändert etwa die Bindung der Ermessensausübung durch Richtlinien nichts an der rechtlichen Alternativlosigkeit. W i r d nämlich von ihnen abgewichen, so ist dies i m Außenverhältnis grundsätzlich ohne Folgen. Die §§ 46 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 stellen aber gerade auf diese Alternativlosigkeit i m Außenverhältnis, die durch die Norm selbst begründet wird, ab. A l l e i n dies ist maßgebend 9 0 . Eine rechtliche Alternativlosigkeit ist weiterhin nicht schon dann gegeben, wenn aufgrund von Art. 3 I G G eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten ist. Selbst in gleichgelagerten Fällen kann insoweit die Möglichkeit eines zulässigen Konzeptionswechsels nicht ausgeschlossen werden. Streit besteht jedoch hinsichtlich der Frage, ob eine abstrakte oder konkrete Betrachtungsweise entscheidend ist. Einen konkreten Bezug gewinnt diese Streitfrage i m Hinblick auf die Fallvariante der Ermessensreduzierung auf Null. Ossenbühl w i l l für diesen Fall eine rechtliche Alternativlosigkeit bejahen. Das Gesetz stelle mit der Formulierung „Entscheidung in der Sache" auf den konkreten Einzelfall ab. Infolgedessen müsse entscheidend sein, ob die Verwaltung i m jeweiligen Einzelfall neben der getroffenen Entscheidung noch eine weitere Entscheidungsalternative hatte 9 1 . Dieser Schluß aus dem Wortlaut der Vorschriften ist jedoch keineswegs so zwingend, wie es zunächst scheint. Die rechtliche Alternativlosigkeit w i r d zwar durch die Sache, die Verfahrensgegenstand ist, bestimmt. Doch kommt hier das Prozeßhafte der Entscheidungsfindung zum Tragen 9 2 . Die Reduzierung des Ermessens ist schon begrifflich nicht der bloße dogmatische Nachvollzug des Gesetzestextes, sondern ein Prozeß der schrittwei-
se Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 245; Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151 ff., 177. 90 OVG Münster, NJW 1981, 936. 91 Ossenbühl, NJW 1981, 375 ff., 376. 92 Vgl. dazu schon Kapitel A II. 25 Kazele
386
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
sen Verengung rechtlich zulässiger Alternativen aufgrund von Normanwendung und Tatsachenkenntnis. Die Veränderung auch nur eines Aspekts bedingt durch den Verfahrensfehler, umsomehr als es sich dabei um die unzulässige M i t w i r k u n g eines Befangenen handelt, kann den gesamten Vorgang der Entscheidungsbildung in andere Bahnen lenken, bevor sich die Erkenntnis, daß eine Ermessensreduzierung auf N u l l vorliegt, ergibt. Die erforderliche Einzelfallgerechtigkeit ist auch in diesen Fällen nur aufgrund eines korrekten Verfahrens, das eine korrekte Anwendung der Ermessensnorm gewährleistet, sicherzustellen 93 . Die ratio der Unbeachtlichkeitsregelung, nämlich die Relativierung von Verfahrensrechten zu bloßen Ordnungsvorschriften, ist nur einschlägig, wenn ihnen für die von der Behörde in der Sache zu treffenden Entscheidung keine Bedeutung zukommen kann. Das ist aber nach den Vorangegangenen nur dann der Fall, wenn die rechtliche Alternativlosigkeit sich nicht erst i m Verfahren herausstellt, sondern von Anfang an feststand 94 . Insofern ist der abstrakten Betrachtungsweise beizupflichten. Sie erlaubt zudem eine klare und einfache Abgrenzung und begegnet überdies der Gefahr, daß Gerichte bei der insoweit ohnehin schwierigen Beurteilung des Einzelfalls eine Ermessenreduzierung insbesondere deshalb annehmen, weil sie sonst allein nur wegen des Verfahrensfehlers die Wiederholung des gesamten Verfahrens verfügen müßten. Speziell bei Großprojekten droht mit der Annahme einer rechtlichen Alternativlosigkeit eine Minimierung der Verfahrensrechte von Drittbeteiligten 9 5 . γ) Der Einfluß der Fehlerart Folgt man der Ansicht von Meyer, so kann es an einer rechtlichen Alternativlosigkeit auch in den Fällen fehlen, in denen Normen zwar Tatbestände mit teilweise sehr unbestimmten Rechtsbegriffen enthalten, diese jedoch einer vollen richterlichen Kontrolle unterliegen. In diesem Bereich könne sich aus der Analyse der Fehlerart ergeben, daß eine andere Entscheidung die einzig zulässige gewesen wäre. Meyer w i l l dies etwa für das Fehlen eines erforderlichen Antrags, der fehlenden M i t w i r k u n g eines Ausschusses oder einer Drittbehörde oder schwerwiegenden Verstößen gegen das Gebot der Sachverhaltsermittlung bejahen 9 6 . V o n diesem Ausgangspunkt könnte nun die Position eingenommen werden, gleiches müsse auch für die Verletzung des Unbefangenheitsprinzips gelten. Denn den Ausschlußgründen wie der Besorgnis der Befangenheit liege gerade die Vermutung zugrunde, daß die Tätigkeit eines befangenen Amtsträgers nicht unbeachtlich für das Verfahrensergebnis sei 9 7 . Demgegenüber unterscheidet sich
93 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 413 f. 94 Hufen, NJW 1982, 2160 ff., 2167. 95 Meyer / Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 27; so in der Tendenz neuerdings auch Bettermann, Festschrift für Menger, 1985, 709 ff., 726. 96 Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 30 f.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
387
die Verletzung des Unbefangenheitsprinzips grundlegend von den oben angeführten Verfahrensfehlern. Würden diese der Unbeachtlichkeitsregelung der § § 4 6 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 unterstellt, so wäre die Möglichkeit, essentielle Antrags- und Mitwirkungsrechte zu unterlaufen, gegeben, wobei deren Sinn gerade darin besteht, gestaltenden Einfluß auf das Verwaltungsverfahren zu nehmen. Charakteristisch für die Befangenheitstatbestände ist es hingegen, daß schon der potentiellen Befangenheit begegnet werden soll. Bereits die M ö g lichkeit, daß der Verfahrensausgang durch unsachliche M o t i v e beeinflußt wird, soll ausgeschaltet werden. Hat nun ein „Befangener" entgegen den gesetzlichen Anordnungen in dem Verfahren mitgewirkt, so ist es nunmehr i m Rahmen der repressiven Kontrolle möglich, nachzuprüfen, ob sich diese Möglichkeit realisiert hat oder das Verfahrensergebnis letztlich davon unbeeinträchtigt geblieben ist. Gerade die den Befangenheitstatbeständen zugrundeliegende Vermutung w i r d durch die Rechtmäßigkeit der gerichtlich v o l l nachprüfbaren Entscheidung widerlegt. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, daß eine rechtliche Alternativlosigkeit bei der Verletzung des Unbefangenheitsprinzips stets außerhalb anerkannter administrativer Letztentscheidungsermächtigungen vorliegt. In diesen Fällen ist die M i t w i r k u n g eines Befangenen bei materieller Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nach §§ 46 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 unbeachtlich. In dem Bereich, in welchem der Verwaltungsakt nur einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt, ist er hingegen allein wegen dieses Verfahrensfehlers aufhebbar. bb. Tatsächliche NichtUrsächlichkeit als weitere Ausnahme der Aufhebbarkeit? §§ 46 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 verlangen nach den Vorangegangenen keine Kausalität, weder eine solche zwischen dem Fehler und der Entscheidungsalternative, noch eine solche zwischen dem Fehler und der getroffenen Entscheidung. Unter Anerkennung dieses Umstandes soll sich einer Literaturansicht zufolge jedoch aus allgemeinen Erwägungen eine weitere Einschränkung der gerichtlichen Aufhebbarkeit von Verwaltungsakten bei M i t w i r k u n g eines befangenen Amtsträgers ergeben. Bleibe nach diesen Vorschriften die Verletzung der Befangenheitsregeln wegen rechtlicher NichtUrsächlichkeit ausnahmsweise sanktionslos, so müsse auch für die Fälle tatsächlicher NichtUrsächlichkeit solcher Verfahrensverstöße für den Inhalt des Verwaltungsaktes eine Ausnahme gemacht werden. Dies fordere, insbesondere bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung, auch das Übermaßverbot. Dem stehe zudem auch die ratio der Befangenheitsvorschriften nicht entgegen. Sei nämlich der Entscheidungsinhalt in keiner Weise beein97 Vgl. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 89 (sowie 414 ff. mit einer weitgehenden Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 46 VwVfG). 25*
388
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
flußt worden, so bestehe auch kein „böser Schein" mehr, der noch zu bekämpfen wäre 9 8 . Diese Auffassung w i r d aufgrund des Anwendungsbereichs der genannten Unbeachtlichkeitsregelungen lediglich für den Bereich fehlender rechtlicher Alternativlosigkeit Bedeutung erlangen. Damit würden aber diese Regelungen überspielt und die dort getroffene, klar zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Entscheidung mißachtet. Abgesehen davon, daß schwierige Kausalitätserwägungen danach gerade vermieden werden sollten 9 9 , ist auf den rechtfertigenden Grund für die Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers hinzuweisen. Die angeführten Vorschriften stellen nicht darauf ab, ob die Behörde auch bei fehlerfreiem Verfahren dieselbe Entscheidung getroffen hätte oder wiedertreffen würde, sondern allein darauf, daß selbst bei einem fehlerfreien Verfahren eine andere Sachentscheidung nicht getroffen werden könnte. Der rechtfertigende Grund ist somit darin zu sehen, daß er auf die Sachentscheidung keinerlei Einfluß haben k o n n t e 1 0 0 . M i t anderen Worten stellt das Gesetz die Vermutung auf, daß bei Bestehen von Entscheidungsalternativen der Verfahrensfehler kausal für die getroffene Entscheidung geworden ist, weil dem Entscheidungsprozeß i m Hinblick auf die ζ. T. hochgradige Offenheit des Ergebnisses eine besondere Bedeutung zukommt. Denn der gegenüber einzelnen Beteiligten begangene Verfahrensfehler kann in seiner möglichen Auswirkung auf das Verfahrensergebnis verschwindend gering sein. Besonders deutlichen Ausdruck findet dies etwa in Verfahren mit stark planerischem Einschlag, die üblicherweise Massenverfahren sind. Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen Fehler und Ergebnis liegt häufig so fern, daß eine Aufhebung der Sachentscheidung als unverhältnismäßige Sanktion angesehen w i r d 1 0 1 . Würde nun eine Widerlegung der Vermutung einer Kausalität zugelassen, so hätte dies zur Folge, daß gerade in Verfahren, die aufgrund der hochgradigen Offenheit des Ergebnisses verfahrensrechtliche Sicherungen besonders erfordern, die Verwaltung diese besonders risikolos vernachlässigen dürfte 1 0 2 . Die durch §§ 46 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 aufgestellte Vermutung einer Kausalität des Verfahrensfehlers für die Sachentscheidung in den Fällen fehlender rechtlicher Aternativlosigkeit ist in dieser Hinsicht als Reaktion auf diese Gefahrenlage zu verstehen. V o r diesem Hintergrund erscheint auch die von Scheuing vorgenommene Verteilung der materiellen Beweislast i m Verwaltungsprozeß nicht ausreichend, um der Gefahr der weitgehenden Funktionsunfähigkeit der Befangenheitsvorschriften zu begegnen. Danach soll die Behörde die materielle Beweislast für die tatsächliche NichtUrsächlichkeit der unzulässigen M i t w i r k u n g für den Ver98 Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 491; vgl. auch Dolde, BauR 1973, 350 ff. 354. 99 Meyer/Borgs, VwVfG, § 46 Rn. 21. 100 Grimm, NVwZ 1985, 865 ff., 871. ιοί Grimm, N V w Z 1985, 865 ff., 872. 102 Grimm, N V w Z 1985, 865 ff., 872.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
389
waltungsakt tragen. Nicht zu behebende Kausalitätszweifel, wie sie bei offenen Entscheidungen die Regel seien, gingen zu Lasten der Behörde 1 0 3 . So sehr diese Beweislastverteilung in die richtige Richtung weist, so problematisch ist sie zugleich. Insbesondere, wenn die richterliche Überzeugungsbildung an der v o m V G H München herangezogenen typisierenden Betrachtungsweise
orientiert
w i r d 1 0 4 . Kann die Behörde ihrer Beweislast bereits dadurch nachkommen, daß sie den Nachweis führt, der Befangene habe in untergeordneter Stellung bei einem bloß beiläufigen Gespräch mitgewirkt, so führt dies angesichts des geschilderten Befundes zu einer erheblichen Relativierung der Wirksamkeit der vorgenommenen materiellen Beweislastverteilung i m Hinblick auf die Sanktionierung des Verstoßes gegen Mitwirkungsverbote. Der grundrechtlichen Relevanz dieser Verfahrensvorschriften kann unter diesen Umständen nur Rechnung getragen werden, wenn überall, wo der Nachweis der Kausalität zwischen Verfahrensfehler und -résultat nicht zu erbringen ist, diese Möglichkeit von Grundrechts wegen unterstellt w i r d 1 0 5 . Dieser Aspekt bestätigt die v o m Gesetzgeber i n den §§ 46 V w V f G e , 42 S G B - X und 127 A O '77 getroffene Entscheidung. Sie muß daher respektiert und als abschließend angesehen werden. Diese Ansicht steht ferner in Einklang mit der h. M . zum kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbot. A u c h bei offensichtlich fehlender Kausalität, etwa wenn die Gemeindevertretung gegen den Widerstand des Befangenen einen Bebauungsplan beschlossen hat, sollen die Fehlerfolgen aus Gründen der Rechtssicherheit eintreten 1 0 6 .
2. Fehlerfolgen bei Zusagen Die Zusage läßt sich definieren als das verbindliche Versprechen der zuständigen Behörde, eine bestimmte Verwaltungsmaßnahme vorzunehmen oder zu unterlassen 107 . Ein Unterfall der Zusage ist nach der Legaldefinition der §§ 38 I V w V f G e , 3 4 1 S G B - X die auf den Erlaß oder Nichterlaß eines Verwaltungsaktes bezogene Zusicherung 1 0 8 . Bezüglich dieses Unterfalles nehmen §§ 38 I I V w V f G e , 34 I I S G B - X hinsichtlich der Fehlerfolgen Bezug auf die Vorschriften über die Rechtsfolgen rechtswidriger Verwaltungsakte. Insofern gelten hinsichtlich der unzulässigen M i t w i r k u n g eines Befangenen die zuvor dargelegten Grundsätze entsprechend. Dies gilt auch für die über den positivierten Fall hinausgreifende Zusage, sofern man den Standpunkt einnimmt, sie stelle einen Verwaltungsakt dar. Folgt 103 Scheuing, N V w Z 1982, 487 ff., 491. 104 VGH München, N V w Z 1982, 510 ff., 512; siehe dazu auch Kapitel F III. 1. a. 105 Grimm, NVwZ 1985, 865 ff., 872. 106 VGH Mannheim, BauR 1973, 368 ff., 370; v. Mutius, VerwArch. 65 (1974), 429 ff., 440. ιόν Vgl. im übrigen die Sonderregelungen in §§ 204 ff. AO '77. los Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 59.
390
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
man der gegenteiligen Auffassung, so erfolgt die Lösung nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Bei der Verletzung des Unbefangenheitsprinzips
wurden
insbesondere vor Erlaß der V w V f G e zwei Ansichten vertreten. Einmal wurde das Kausalitätsmodell bemüht. Danach begründet die unzulässige M i t w i r k u n g eines Befangenen die Rechtswidrigkeit nur dann, wenn sie sich auf die Entscheidung auswirken k o n n t e 1 0 9 . Folge der mangelnden fehlerunabhängigen Bindungswirkung der Zusage wäre in diesem Fall ihre Unwirksamkeit. Eine andere Ansicht greift i m Hinblick auf die Auswirkungen eines Verfahrensmangels auf die Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Verfahrensvorschriften zurück. Verstöße gegen wesentliche Verfahrens Vorschriften sollen grundsätzlich zur Unwirksamkeit führen. Unwesentliche Verfahrensvorschriften hingegen sollen sich auf die Rechtsbeständigkeit nur dann auswirken, wenn sie offenkundig sind und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluß waren. Die danach entscheidene Frage der Wesentlichkeit soll sich insoweit aus einer Analyse des Schutzzweckes der Norm, insbesondere nach ihrer abstrakten Eignung, die materielle Richtigkeit der Entscheidung zu fördern, ergeben 1 1 0 . Legt man diesen abstrakten Maßstab an, so kann nach den vorangegangenen Darlegungen nicht zweifelhaft sein, daß die Verletzung des Mitwirkungsverbotes bei Befangenheit einen solchen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt. Für diese Lösung spricht insbesondere die bereits erwähnte Regelung des § 25 V I 1 HGO. Gegen das Kausalitätsmodell spricht, daß — von den Spezialregelungen des Art. 49 I I I Bay G O und des § 26 V I G O Nds. abgesehen — keine positi vierte Regelung die Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers von Kausalitätserwägungen abhängig macht. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung kann nicht ignoriert werden und muß auch Rückwirkungen auf allgemeine Rechtsgrundsätze haben. M i t den Vertretern des Wesentlichkeitsmodells ist daher bei Verletzung des Mitwirkungsverbotes grundsätzlich die Unwirksamkeit der Entscheidung anzunehmen. Eine Zusage ist daher — sofern man sie nicht als Verwaltungsakt ansieht — wegen der unzulässigen M i t w i r k u n g eines Befangenen rechtswidrig und unwirksam.
3. Die Fehlerfolgen beim Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages sowie bei der Abgabe von auf ihn einwirkenden Willenserklärungen Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung der Rechtsfolgen, wenn ein befangener Amtsträger unzulässigerweise bei dem Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder bei der Vornahme einer einseitigen auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag einwirkenden Willenserklärung mitgewirkt hat. •09 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, § 12 2. b); Kirchhof, VerwArch. 66 (1975), 370 ff., 383. no Schmidt-Aßmann, Die kommunale Rechtsetzung im Gefüge der administrativen Handlungsformen, S. 19; Brügelmann-Meyer, BBauG, § 155a Rn. 52.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
391
Die §§ 59 V w V f G e , 58 S G B - X sehen nur eine Fehlerfolge vor, nämlich die Nichtigkeit des rechtswidrigen öffentlich-rechtlichen Vertrages, die wiederum nicht bei jedem Rechtsverstoß, sondern nur dann eintritt, wenn einer der aufgeführten Nichtigkeitsgründe gegeben ist. Trotz ihrer Rechtswidrigkeit bleiben daher in bestimmten Fällen öffentlich-rechtliche Verträge unangreifbar rechtsw i r k s a m 1 1 1 . Einer verbreiteten Ansicht zufolge bestehen gegen diese Entscheidung des Gesetzgebers unter den Gesichtspunkten des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und des Art. 19 I V G G verfassungsrechtliche Bedenk e n 1 1 2 . Gleichwohl ist diese Regelung in Einklang mit der vorherrschenden Ansicht noch für verfassungskonform zu halten. Einmal ist insofern zu berücksichtigen, daß die Betroffenen am Zustandekommen des öffentlich-rechtlichen Vertrages maßgeblich beteiligt sind und dieser ohne ihre Zustimmung nicht Zustandekommen kann. Bedenken hinsichtlich des Art. 19 I V G G sind daher nicht durchschlagend 1 1 3 . Auch das aus Art. 20 I I I GG folgende Prinzip der Gesetzmäßigkeit kann sich insoweit nicht durchsetzen. Denn vergleichbar mit der Bestandskraft eines rechtwidrigen Verwaltungsaktes sind auch beim öffentlich-rechtlichen Vertrag zumindest in bestimmten Konstellationen die Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zu berücksichtigen 1 1 4 . Zudem lassen sich — wie i m folgenden gezeigt werden w i r d — durch den Verweis der §§ 5 9 1 V w V f G e , 58 I S G B - X auf die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften rechtsstaatlich befriedigende Ergebnisse erzielen 1 1 5 .
a. Die Fehlerregelungen
der §§ 59 II VwVfGe,
58 II SGB-X
aa. Die Regelung der Nr. 1 Nach der Nr. 1 der speziellen Nichtigkeitsgründe dieser Normen ist ein subordinationsrechtlicher Vertrag i. S. der §§ 54 S. 2 V w V f G e , 53 I 2 S G B - X immer dann nichtig, wenn ein Verwaltungsakt mit entsprechenden Inhalt nichtig wäre. Diese Formulierung w i l l dabei nicht nur auf materielle Fehler abheben. Aus dem Zusammenhang ergibt sich vielmehr, daß sämtliche Gründe, die bei einem alternativ möglichen Verwaltungsakt zur Nichtigkeit führen, auch bei einem subordinationsrechtlichen Vertrag diese Fehlerfolge hervorrufen sollen. Insoweit kann auf das zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts Gesagte Bezug genommen werden. Das Evidenzkriterium w i r d dabei regelmäßig nur in den Fällen vorliegen, in denen der befangene Amtsträger bei Vertragsschluß selbst m i t w i r k t 1 1 6 oder dieser Iii Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 37. u 2 Erichsen, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 IV; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht § 14 Rn. 49; Obermayer, VwVfG, § 59 Rn. 27 ff.; Götz, DÖV 1973, 298 ff., 302; ders., NJW 1976, 1425 ff., 1430. 113 Kopp, VwVfG, § 59 Rn. 3. 114 Knack, VwVfG, § 62 Rn. 3. us Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 70 I.
392
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
eine einseitige auf den Vertrag einwirkende Willenserklärung (etwa eine Kündigungserklärung) a b g i b t 1 1 7 . bb. Die Nr. 2 dieser Normen Gemäß §§ 59 I I Nr. 2 V w V f G e , 58 I I Nr. 2 S G B - X ist ein subordinationsrechtlicher Vertrag i. S. der §§ 54 S. 2 V w V f G e , 53 I 2 S G B - X dann nichtig, wenn ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrensund Formfehlers i. S. der § § 4 6 V w V f G e , 42 S G B - X rechtswidrig wäre und dies den Vertragspartnern bekannt war. Aus dieser Regelung w i r d i m Hinblick auf die Mißachtung des Unbefangenheitsprinzips der Schluß gezogen, dieser Verfahrensfehler berühre selbst bei Vorliegen einer Kollusion nicht die Wirksamkeit des Vertrages 1 1 8 . Es ist jedoch mehr als fraglich, ob diese Aussage in ihrer Pauschalität haltbar ist. Zunächst ist festzuhalten, daß der Verweis der Nr. 2 auf § § 4 6 V w V f G e , 42 S G B - X nicht lediglich dazu dient, den Begriff des Verfahrensfehlers zu bestimmen und diesen damit i m Hinblick auf die Wirksamkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages generell für unbeachtlich zu erklären. Denn § § 4 6 V w V f G e , 42 S G B - X enthalten weder eine Definition noch eine Konkretisierung von Verfahrens- und Formfehlern. Eigenständiges Gewicht gewinnt dieser Verweis erst, wenn die durch § § 4 6 V w V f G e , 42 S G B - X bewirkte Differenzierung zwischen rechtswidrigen und rechtswidrig-aufhebbaren Verwaltungsakten Berücksichtigung findet. Der Verweis auf die genannten Normen kann nur den Sinn haben, die nach ihnen i m Hinblick auf die Aufhebbarkeit unbeachtlichen Verfahrensfehler auch i m Rahmen der Nichtigkeitsfolge des öffentlichrechtlichen Vertrages auszublenden. Hingegen sollen die zur Aufhebbarkeit eines Verwaltungsaktes führenden Verfahrensfehler unter der weiteren Voraussetzung der Kenntnis der Vertragspartner die Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages i. S. der §§ 54 S. 2 V w V f G e , 53 I 2 S G B - X auslösen 1 1 9 . Belegt w i r d dies durch den Wortlaut der Nr. 2 der §§ 59 I I V w V f G e , 58 I I SGB-X. Hätte der Gesetzgeber Verfahrensfehler in toto i m H i n b l i c k auf die Fehlerfolgen für unbeachtlich erklären wollen, so hätte er statt „rechtswidrig" den Ausdruck „aufhebbar" verwendet. Ein subordinationsrechtlicher Vertrag ist daher unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen ein Verwaltungsakt auffhebbar ist, nichtig, sofern nur den Vertragsschließenden die Fehlerhaftigkeit bekannt w a r 1 2 0 . Führen daher die Vertragspartner einen rechtswidrigen Erfolg in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken herbei, so ist dieser öffentlich-rechtliche Vertrag nichtig. Allerdings ist die Nichtigkeitsfolge nicht auf diese Fälle beschränkt. Führt die Mißachtung 116
Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 12 I I 5 c. 117 Obermayer, VwVfG, § 62 Rn. 23. 118 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 12 I I 5 c mit FN 18, I I I 5. 119 Kopp, VwVfG, § 59 Rn. 19; Knack, VwVfG, § 59 Rn. 4.2. 120 Knack, VwVfG, § 59 Rn. 4.2; Kopp, VwVfG, § 59 Rn. 16, 20; v. d. Groeben/ Knack, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig Holstein, § 126 Rn. 2.2.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
393
des Handlungsverbotes unter Heranziehung der oben entwickelten Grundsätze allein nach § § 4 6 V w V f G e , 42 S G B - X zur Aufhebbarkeit eines entsprechenden Verwaltungsaktes, so ist auch ein subordinationsrechtlicher Vertrag bei Kenntnis dieses Verfahrensfehlers durch die Vertragsschließenden nichtig. Erforderlich ist insofern eine positive Kenntnisnahme der Vertragsparteien, wobei allerdings eine „Parallelwertung in der Laiensphäre" ausreichend ist. Ein Kennenmüssen genügt also nicht. Für die Kenntnis der Behörde ist auf das Wissen desjenigen abzustellen, der nach innerdienstlichen Recht berechtigt
ist, den Vertrag
abzuschließen 1 2 1 .
b. Die Heranziehung
der bürgerlich-rechtlichen
Vorschriften
§§ 59 I V w V f G e , 58 I S G B - X enthalten einen generellen Verweis auf die entsprechend anzuwendenden Vorschriften des B G B , die zur Nichtigkeit eines Vertrages führen. Sinn und Zweck dieser Verweisung ist es, öffentlich-rechtliche Verträge hinsichtlich ihres rechtlichen Bestandes den gleichen Wirksamkeitsvoraussetzungen zu unterwerfen wie zivilrechtliche Verträge. Öffentlich-rechtliche Verträge sollen keinen höheren „Bestandsschutz" genießen als privatrechtliche. Demgemäß ist die Verweisung nicht in dem Sinne zu verstehen, daß lediglich ein Verweis auf die i m B G B statuierten Nichtigkeitsgründe intendiert ist. Vielmehr w i r d auf sämtliche Arten der Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts nach dem B G B verwiesen. Die dem B G B eigene Differenzierung zwischen Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsgründen 1 2 2 ist insofern deshalb nicht von den Verwaltungsverfahrensgesetzen übernommen worden, w e i l ihnen diese begriffliche Unterscheidung bei den Fehlerfolgen fremd ist. Hat daher ein Beteiligter als Vertreter der Behörde mit sich selbst einen Vertrag abgeschlossen, ohne daß ihm dies gestattet wurde, so ist dieser öffentlich-rechtliche Vertrag gemäß §§ 59 I V w V f G e , 58 I S G B - X in Verbindung mit § 181 B G B schwebend unwirksam. Der Vertrag kann allerdings noch seitens der Behörde genehmigt und auf diese Weise wirksam werden. W i r d die Genehmigung verweigert, so ist der Vertrag endgültig unwirksam g e w o r d e n , 2 3 .
aa. Die entsprechende Anwendung des § 134 B G B Über diesen extremen Fall hinaus stellt sich die Frage, inwieweit eine entsprechende Anwendung des § 134 B G B bei der Verletzung von Mitwirkungsverboten 121 Kopp, VwVfG, § 59 Rn. 20; Knack, VwVfG, 59 Rn. 4.2; Meyer/Borgs, VwVfG, §59 Rn. 18. 122 Vgl. dazu Larenz, Allgemeiner Teil, § 27 vor I. 123 Kopp, VwVfG, § 59 Rn. 16 hält dieses Ergebnis auch bei einer Verletzung des § 21 VwVfG für möglich. Unklar bleibt allerdings, wie ein Nichtbeteiligter zum Vertragsschluß kommen soll.
394
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
die Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages bewirken kann. Die Problematik ist dabei insofern grundsätzlich Art, als nach Auffassung des Gesetzgebers § 134 B G B offenbar überhaupt nicht zur Anwendung kommen sollte 1 2 4 . Eine derartige Sichtweise, die i m Gesetzestext allerdings keinen Niederschlag gefunden hat, hätte jedoch untragbare Konsequenzen. Öffentlich-rechtliche Verträge wären selbst bei einem offensichtlichen und schwerwiegenden Verstoß gegen materiell-rechtliche Vorschriften rechtswirksam und verbindlich 1 2 5 . Ebenso wie die Ausklammerung des § 134 B G B aus dem Normbereich der Verweisungsregelung ist eine in der Literatur vertretene Ansicht abzulehnen, die § 134 B G B als Instrument begreift, den schlicht rechtswidrigen öffentlichrechtlichen Vertrag seiner Wirksamkeit zu berauben. Ausgangspunkt dieser Ansicht ist die These, daß der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot für öffentlichrechtliche Verträge eine andere Bedeutung habe als für privatrechtliche Verträge. Während i m Privatrecht ein gesetzliches Verbot die grundsätzlich gewährleistete Freiheit zur Gestaltung des Vertragsinhalts als eine Komponente der Vertragsfreiheit begrenze, lasse der i m Öffentlichen Recht geltende Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung eine inhaltliche Gestaltungsfreiheit nur i m Rahmen der gesetzlichen Regelungen zu. Daher verstießen alle öffentlich-rechtlichen Verträge, die mit dem Gesetzmäßigkeitsprinzip unvereinbar seien, gegen ein gesetzliches V e r b o t 1 2 6 . Neben diesen allgemeinen Gesetzmäßigkeitsprinzip gebe es spezielle öffentlich-rechtliche Gebots- und Verbotsnormen, wie etwa die Handlungsverbote nach §§ 20 f. V w V f G , deren Verletzung ebenfalls als ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i. S. des § 59 I V w V f G i. V . m. § 134 B G B zu qualifizieren s e i 1 2 7 . Dieser Ansicht stehen indessen zwei Einwände entgegen. Zunächst läuft diese extensive Heranziehung erkennbar der gesetzgeberischen Intention zuwider. Speziell die differenzierte Fehlerregelung der §§ 59 I I V w V f G e , 58 I I S G B - X verlöre bei der entsprechenden Anwendung des § 134 B G B auf jeden Gesetzesverstoß ihren Sinn. Ein weiterer entscheidender Gesichtspunkt ist der Umstand, daß auch auf dem Gebiet des Zivilrechts nicht jeder Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot eo ipso zur Nichtigkeit eines Vertrages führt. W i e schon der Wortlaut des § 134 B G B mit dem Vorbehalt, „wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt", klarstellt, fordert nicht jedes Verbotsgesetz die Nichtigkeit des verbotswidrig abgeschlossenen Vertrages. Fehlt insoweit eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, so ist der Sinn und Zweck der Verbotsnorm entscheidend. Eine Nichtigkeit soll sich danach nur dann ergeben, wenn die Rechtsordnung bestimmt geartete Rechtsgeschäfte ihres besonderen Inhalts wegen untersagt, d. h. deren Vornahme 124 Amtliche Begründung zum Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, Verhandlungen des Dt. Bundestages, 7. Wahlperiode, B T / Drucksache 7/910, S. 81 f. 125 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 41. 126 Obermayer, VwVfG, § 59 Rn. 54; ähnlich Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 41. '27 Obermayer, VwVfG, § 59 Rn. 55.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
395
zu verhindern sucht, weil sie sie für schädlich hält oder aus einem anderen Grund mißbilligt128. Ein differenzierter Lösungsansatz muß also bei der Analyse der Verbotsnorm, hier der Befangenheitsvorschriften, ansetzen. Entscheidend ist insoweit, ob diese gerade den m i t dem Vertrag bezweckten Erfolg zu verhindern suchen. Nur unter dieser Prämisse ist die von Obermayer speziell i m Hinblick auf die §§ 20 f. V w V f G behauptete Anwendbarkeit des § 134 B G B möglich. Gerade dies ist aber Zweifeln ausgesetzt. Einhelliger Ansicht zufolge w i r d nämlich gerade die schon erwähnte Interessenkollisionsnorm des § 181 B G B nicht als Verbotsgesetz angesehen, da es sich insoweit lediglich um eine Beschränkung des rechtsgeschäftlichen Könnens handele 1 2 9 . Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß § 1 8 1 B G B selbst schon zu einer (schwebenden) Unwirksamkeit des entgegen seiner Anordnung vorgenommenen Rechtsgeschäfts führt und insoweit nicht noch zusätzlich einer Sanktion bedarf.
bb. Der Rückgriff auf die gesellschaftsrechtlichen Interessenkollisionsnormen Mustert man die einschlägigen Verbotsnormen i. S. des § 134 B G B durch, so geraten andere zivilrechtliche Interessenkollisionsnormen in den Blick, die einen Lösungsansatz bieten. So ist das Gesellschaftsrecht von dem allgemeinen Grundsatz durchzogen, daß eine Befangenheit eine Ausschließung v o m Stimmrecht rechtfertigen k a n n 1 3 0 . Ein Verstoß gegen diesen in §§ 34 B G B , 136 I A k t G , 47 I V G m b H G und 43 I I I GenG zum Ausdruck gekommenen Rechtsgrundsatz w i r d nun als Verstoß gegen ein Verbotsgesetz i. S. des § 134 B G B angesehen 131 . Für den Fall, daß eine funktionale und strukturelle Vergleichbarkeit dieser Interessenkollisionsnormen mit jenen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts besteht, könnte man mit Obermayer zu dem Ergebnis gelangen, daß ein Verstoß gegen die verwaltungsrechtlichen Handlungsverbote wegen Befangenheit nach §§ 59 I V w V f G e , 58 I S G B - X i. V . m. § 134 B G B zu einer Nichtigkeit eines öffentlichen Vertrages führt. Untersucht man die gesellschaftsrechtlichen Stimmverbote näher, so stellen diese eine Reaktion auf einen Widerstreit zwischen den Eigeninteressen des Mitglieds und dem Verbandsinteresse dar. Die Stimmverbote sind also — ähnlich wie die verwaltungsrechtlichen Befangenheitsvorschriften — als Gewährleistungen eines ausschließlich am Verbandsinteresse ausgerichteten internen Willens128 Larenz, Allgemeiner Teil, § 22 II; Hübner, Allgemeiner Teil, Rn. 488; in diesem Sinne auch Erichsen, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 IV. 129 Larenz, Allgemeiner Teil, § 22 II; Palandt-Heinrichs, BGB, § 134 Anm. 1. a. aa. 130 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 I I 2 a; BGHZ 65, 93 ff., 98. 131 Palandt-Heinrichs, BGB, § 134 Anm. 3 a. ff.; RGZ 136, 236 ff., 245; vgl. im übrigen auch Hirte, DÖV 1988, 108 ff., 110.
396
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
bildungsprozesses zu verstehen. Dabei werden zwei Grundgedanken sichtbar. Neben dem Verbot, als Richter in eigener Sache mitzustimmen ist, dies der Gedanke des Insichgeschäfts 1 3 2 . Wegen dieses letzteren Gesichtspunktes fallen unter das Stimmverbot unter anderem auch Individualrechtsgeschäfte, wie der Abschluß eines Vertrages 1 3 3 . Z u beachten ist insoweit auch, daß das Stimmverbot unter bestimmten Voraussetzungen auch bei einem dem befangenen M i t g l i e d nahestehenden Dritten eingreifen k a n n 1 3 4 . Diese nur schemenhafte Skizzierung der Stimmverbote zeigt, daß auch das Zivilrecht den verwaltungsrechtlichen Befangenheitsvorschriften vergleichbare Interessenkollisionsnormen enthält, die als gesetzliches Verbot i m Sinne des § 134 B G B zur Nichtigkeit der entgegen ihrer Anordnung vorgenommenen Rechtsgeschäfte führen. Aufgrund der funktionalen und strukturellen Vergleichbarkeit beider Rechtsinstitute bestehen daher keine Bedenken, die auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts bestehenden Ausprägungen des Unbefangenheitsprinzips ebenfalls als ein gesetzliches Verbot i. S. des § 134 B G B zu betrachten. Unzulässige Verfahrenshandlungen eines befangenen Amtsträgers, insbesondere die M i t w i r k u n g beim Vertragsschluß, bei der u. U. nach §§ 58 I I V w V f G e , 57 I I S G B - X erforderlichen Einverständniserklärung sowie einer aufsichtsrechtlichen Genehmigung ( § § 6 1 I 3 V w V f G e , 60 I 3 S G B - X ) führen daher zur Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Ebenso nichtig sind bei der Verletzung des Unbefangenheitsprinzips einseitige auf den Vertrag einwirkende Willenserklärungen, wie etwa eine Kündigungserklärung oder die Geltendmachung eines Anpassungsanspruchs nach §§ 60 I V w V f G e , 59 I S G B - X 1 3 5 . Eine Einschränkung soll sich dabei lediglich für den Fall der Besorgnis der Befangenheit ergeben. Da nicht die Besorgnis der Befangenheit, sondern nur die tatsächliche Befangenheit den entscheidenden Rechtsmangel darstelle, sei nur die Handlung eines tatsächlich befangenen Amtsträgers einem gesetzlichen Verbot i. S. des § 134 B G B zu unterwerfen. Die Besorgnis der Befangenheit genüge für die Anordnung eines Mitwirkungsverbotes allein aus dem Grunde, um sicherzustellen, daß kein tatsächlich befangener Amtsträger handele. Eine Verletzung führe daher nur insoweit zur Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages als ein tatsächlich befangener Amtsträger tätig geworden s e i 1 3 6 . Diese Ansicht ist jedoch nicht haltbar. Die Besorgnis der Befangenheit unterscheidet sich von den Ausschlußgründen hinsichtlich ihrer dogmatischen Struktur lediglich in der Schärfe der Konturierung der Tatbestände. Die Ausschlußgründe statuieren ein Mitwirkungsverbot in Fällen, in denen eine hohe Wahrscheinlich132 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 I I 2 a. 133 Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 I I 2 a aa.; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 224 ff. 134 Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 136 Rn. 32 ff.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 IV 4 b dd mit Rechtsprechungsnachweisen. 135 Obermayer, VwVfG, § 59 Rn. 22 f. 136 Obermayer, VwVfG, § 59 Rn. 24.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
397
keit für unsachgemäßes Handeln des Betreffenden besteht. Demgegenüber macht die Besorgnis der Befangenheit das Mitwirkungsverbot von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Beide begegnen jedoch schon der potentiellen Befangenheit eines Amtsträgers. Insoweit ist es nicht die Qualität der Gefahr für die Richtigkeit der Entscheidung, die beide Tatbestände voneinander unterscheidet, sondern die Typizierbarkeit der Befangenheit. Eine Differenzierung hinsichtlich der Verletzung der aus beiden Tatbeständen folgenden Mitwirkungsverbote findet daher unter den vorgetragenen funktionalen Gesichtspunkten keine Stütze. Die Verletzung der gesetzlichen Befangenheitsvorschriften löst vielmehr stets die Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages aus. Diese gegenüber der Fehlerhaftigkeit eines entsprechenden Verwaltungsaktes weitergehende Sanktion ist zudem aufgrund der eingeschränkten Fehlerfolgen beim öffentlichen Vertrag, insbesondere der Berücksichtigung des schwer nachweisbaren Merkmals der Kenntnis beider Vertragsparteien von dem Fehler, sachgerecht, zumal die Befangenheitsvorschriften gerade von der Vermutung ausgehen, daß sich die Befangenheit in dem Inhalt der Entscheidung niederschlagen w i r d 1 3 7 . Die ohnehin unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten gebotene extensive Auslegung der Fehlerfolgen des öffentlich-rechtlichen Vertrages w i r d durch diesen Aspekt noch bestärkt.
4. Die Verletzung des Mitwirkungsverbotes im Rahmen der Rechtsetzungstätigkeit
a. Der allgemeine
Grundsatz
Ist die Verwaltung zur Rechtsetzungstätigkeit ermächtigt, etwa zum Erlaß von Satzungen oder Verordnungen, so hat ein wesentlicher Verfahrensfehler, wie etwa die Verletzung des Unbefangenheitsprinzips, nach herkömmlicher deutscher Verwaltungsrechtsdogmatik
die Nichtigkeit der erlassenen Rechtssätze zur
F o l g e 1 3 8 . Bringt also die vom Bürgermeister als Ortspolizeibehörde auf der Grundlage von § 34 HSOG erlassene Polizeiverordnung diesem einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil, so ist sie nichtig. Der damit bestehende Unterschied zwischen der strikten Fehlerfolge der Nichtigkeit bei Normen und der differenzierten Regelungen der Wirksamkeit von Verwaltungsakten erklärt sich aus dem historisch-dogmatischen Hintergrund 1 3 9 . Die Lehre von der Bindungswirkung rechtswidriger Verwaltungsakte hat ihre Wurzel in Praktikabilitätserwägungen. Bestanden Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, so erschien es unangebracht, dem Bürger die Möglichkeit zu belassen, den Verwal-
!37 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 89. 138 Hill, DVB1. 1983, 1 ff. 4 FN 38; Maurer, DÖV 1963, 683 ff., 683; Rupp, JuS 1963, 469 ff., 469. 139 Maurer, Festschrift für Bachof, 1984, 215 ff., 219.
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
398
tungsakt j e nach seiner subjektiven Einschätzung als rechtmäßig zu befolgen oder ihn als rechtswidrig zu ignorieren. U m das insoweit bestehende Klarstellungs- und Stabilisierungsbedürfnis zu befriedigen, entwickelte sich in der Folge das Dogma der Bindungswirkung des Verwaltungsakts 1 4 0 . Unter der Prämisse des Bestehens einer Kontrollinstanz hielt man es für zumutbar, daß der Bürger den (vermeintlich) rechtswidrigen Verwaltungsakt zunächst beachtete und gegen diesen mit Rechtsmitteln angehen mußte. Konsequenterweise bedurfte es dieser Klarstellungs- und Stabilisierungsfunktion dann nicht, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich und schwerwiegend fehlerhaft war, da insoweit keine Zweifel über die Rechtswidrigkeit bestehen konnten. Die in diesem Fall eintretende Nichtigkeitsfolge stellt somit eine konsequente Ausnahme von dem Lehrsatz dar, daß ein Verwaltungsakt trotz Rechtswidrigkeit wirksam wird, er jedoch innerhalb einer gewissen Frist angefochten und im Fall erkannter Rechtswidrigkeit aufgehoben werden k a n n 1 4 1 . Die klassische Rechtsnorm zeichnet sich demgegenüber durch ihren generellabstrakten Charakter und ihre Dauerwirkung aus, die immer wieder neue Fälle und neue Personen erfaßt. I m Falle ihrer Vollzugsbedürftigkeit w i r d der Bürger erst durch den sie vollziehenden Verwaltungsakt unmittelbar und aktuell in seinen Rechten getroffen 1 4 2 . Bei dieser Konstellation rückte das richterliche Prüfungsrecht in den Blickpunkt. Der Bürger konnte gegen die Norm i m Rahmen eines Inzidentverfahrens nur dann erfolgreich angehen, wenn diese nichtig war. Denn nur in diesem Fall war sie auch für den Richter nicht bindend. Zudem war die Nichtigkeitsfolge auch mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar, da sie erst i m Gerichtsverfahren relevant wurde und die Verwerfung der Rechtsnormen dem Gericht vorbehalten blieb. Ferner stellte die Nichtigkeit sicher, daß jeder Verwaltungsakt, der aufgrund einer rechtswidrigen N o r m erging und daher selbst rechtswidrig war, aufgehoben werden k o n n t e 1 4 3 .
b. Sog. Heilungsvorschriften im Kommunalverfassungsrecht: Die Regelung des §25 VI 2,3 HGO V o n diesem festgefügten dogmatischen Grundverständnis machen nun nach dem Vorbild des heutigen § 215 I BauGB die Regelungen in den Gemeindeordnungen Ausnahmen, die den Verstoß gegen Verfahrensfehler nach rügelosen Ablauf einer gewissen Frist für unbeachtlich erklären. Für den hessischen Rechtskreis rückt hinsichtlich des Verstoßes gegen das kommunale Mitwirkungsverbot die bereits erwähnte Spezialregelung des § 25 V I H G O in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die Unklarheiten, die hinsichtlich ihrer Tatbestandsstruktur beste140 141 142 143
Maurer, Maurer, Maurer, Maurer,
Festschrift Festschrift Festschrift Festschrift
für für für für
Bachof, Bachof, Bachof, Bachof,
1984, 1984, 1984, 1984,
215 215 215 215
ff., ff., ff., ff.,
219. 220. 221. 221.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
399
hen, wurden schon angesprochen 144 , so daß hier lediglich ergänzende Hinweise gegeben werden sollen. Z u fragen ist zunächst, welcher Regelungsgehalt dem Satz 2 des § 25 V I H G O zukommt. Satz 2 macht von der in Satz 1 als Grundsatz ausgesprochenen Unwirksamkeit von Beschlüssen, die unter Verletzung des Mitwirkungsverbotes gefaßt worden sind, eine Ausnahme und ordnet an, daß diese als von Anfang an wirksam zustandegekommen gelten, wenn nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Beschlußfassung bzw. nach deren öffentlicher Bekanntmachung der Gemeindevorstand oder der Bürgermeister widersprochen haben oder die Aufsichtsbehörde sie beanstandet hat. Damit stellt die Regelung zunächst klar, daß die Beanstandungsplicht der §§ 63, 74 und 138 H G O auch gegenüber dem nach § 25 V I 1 H G O nichtigen Beschluß besteht 1 4 5 . Neu ist aber, daß die nicht erfolgte Beanstandung als ein Anknüpfungspunkt der Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers gewählt wird. Dabei scheint die Regelung ihrem Wortlaut zufolge nur auf die einmal erfolgte Beanstandung abzustellen. Die Unwirksamkeitsfolge bliebe danach also bestehen, wenn der Widerspruch des Gemeindevorstandes bzw. des Bürgermeisters scheitert, weil dieser nach dem erneuten Beschluß der Satzung durch die Gemeindevertretung auf eine weitere Beanstandung verzichtet oder die Aufsichtsbehörde die Beanstandung nach § 138 H G O aufgehoben h a t 1 4 6 und diese Entscheidung hingenommen wird. In der Konsequenz könnte in diesen Fällen die Verletzung des Mitwirkungsverbotes unbefristet geltend gemacht werden 1 4 7 . Eine solche Interpretation ist allerdings Zweifeln ausgesetzt. Zwar gewinnt der Satz 2 dann einen weiteren eigenständigen Regelungsgehalt, doch spricht der systematische Zusammenhang zu Satz 3 gegen ein derartiges Verständnis. I m Rahmen des Satzes 3 muß der betroffene Bürger eine Entscheidung erwirken, in welcher der Verfahrensmangel festgestellt wird. Das bloße Geltendmachen kann diese W i r k u n g nicht auslösen. Wenn nun schon für den Eintritt der relativen Unwirsamkeitsfolge ein erfolgreiches Geltendmachen des Verfahrensfehlers erforderlich ist, muß dies erst recht zu fordern sein, wenn die Unwirksamkeit absolut wirken soll. Eine erfolglose Beanstandung ist daher nicht geeignet, diese Wirkung herbeizuführen. Ausreichend für den Eintritt der relativen Unwirksamkeitsfolge des Satzes 3 ist es, wenn der Bürger irgendein Rechtsmittel eingelegt hat, sofern nur in diesem Verfahren der Verfahrensfehler festgestellt wird. W i e aus der weiteren ausdrücklichen Erwähnung eines gerichtlichen Verfahrens hervorgeht, genügt insoweit also auch ein Widerspruch gegen einen Verwaltungakt. Dagegen fehlt es an einem Rechtsmittel bei Gegenvorstellungen, Dienstaufsichtsbeschwerden und anderen nicht-förmlichen Rechtsbehelfen. I m Rahmen dieser Regelung ist es
144 Kapitel G II. 1. a. bb. aaa. 145 Auf die ohne eine ausdrückliche Regelung bestehende Streitfrage soll daher nicht eingegangen werden. Vgl. dazu Giesen, VR 1981, 89 ff. 146 Vgl. Schneider/Jordan, HGO, §§ 138-140 Erl. 1. 147 Maurer, Festschrift für Bachof, 1984, 215 ff., 228.
400
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
insbesondere die Statuierung einer relativen Unwirksamkeit, die Fragen aufwirft. Soweit sie sich auf Inzidentverfahren bezieht, entspricht sie ohnehin der herkömmlichen Ansicht. Soweit sie sich auch auf die Einleitung eines abstrakten Normenkontrollverfahrens beziehen soll, entstehen erhebliche Probleme mit der sich aus § 47 V I 2 V w G O ergebenden allgemeinen Geltung einer Negativentscheidung des Oberverwaltungsgerichts 1 4 8 . aa. Die dogmatische Struktur Diese Unklarheiten der Regelung setzen sich hinsichtlich ihrer dogmatischen Einordnung fort.
aaa. Herabstufung
von Verfahrensregelungen?
Z u der vergleichbar strukturierten Vorschrift des nunmehrigen § 215 I BauGB wird teilweise unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte der Standpunkt eingenommen, der Gesetzgeber habe mit der Einführung kontrollhindernder Vorschriften Normen geringeren Wertes geschaffen 1 4 9 . Dieser Gedanke der Herabstufung von Verfahrensregelungen zu sanktionslosen Ordnungsvorschriften, die auf die Regelung des § 25 V I H G O übertragen werden könnte, ist zwar in tatsächlicher Hinsicht und unter rechtspolitschen Gesichtspunkten tragbar. Sofern allerdings damit die These verbunden wird, daß Verfahrensregelungen, wie das Mitwirkungsverbot bei Befangenheit, ihren rechtlich zwingenden Charakter verlieren und die gegen sie verstoßenden Satzungen deshalb nicht mehr rechtswidrig sind, stößt dieser Ansatz auf erhebliche Bedenken. Z u m einen bleibt offen, welchen Charakter die solchermaßen herabgestuften Vorschriften innerhalb der Rangordnung der Rechtsquellen haben sollen. Andererseits w i r d keine Erklärung dafür gegeben, warum eine Einschränkung der Justiziabilität, die an Art. 19 I V G G zu messen ist, den Normcharakter verändern k a n n 1 5 0 . Denn i m Gegensatz zu §§ 46 V w V f G e , 42 S G B - X , 127 A O '77 w i r d die Verletzung des Verfahrensfehlers nicht für einen bestimmten Fall a priori für unbeachtlich erklärt, sie kann vielmehr in vollem Umfang innerhalb der Sechsmonatsfrist geltend gemacht werden. Damit w i r d aber deutlich, daß die Absicht des Gesetzgebers nicht darin bestand, die Rechtsbindungen der Absätze 1 bis 4 des § 25 H G O zu lockern. Sinn und Zweck des § 25 V I H G O ist vielmehr, das Geltendmachen eines Fehlers nach einer gewissen Zeit auszuschließen, mithin also die Nichtigkeitsfolgen zu mildern bzw. zu beseitigen 1 5 1 . 148 Hill, DVB1. 1983, 1 ff., 7; siehe dazu auch unten aa. eee. 149 Bröll, BayVBl. 1979, 550 ff., 551. 150 Brügelmann-Meyer, BBauG, § 155a Rn. 29. •si Vgl. Maurer, Festschrift für Bachof, 1984, 215 ff., 230; Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 212; Brügelmann-Meyer, BBauG, § 155a Rn. 30.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung bbb. Heilung?
401
Fiktion?
Nicht zu überzeugen vermag auch der Ansatz, wonach bei einer derartigen Fehlerregelung eine Heilung durch Verfristung v o r l i e g t 1 5 2 . Die Vorstellung, wonach die Unwirksamkeit durch § 25 V I 2, 3 H G O geheilt oder behoben wird, berücksichtigt nicht, daß unter Heilung die nachträgliche Behebung der Fehlerhaftigkeit durch Nachholung der fehlerhaften Handlung zu verstehen ist. Eine solche Nachholung der fehlerhaften Handlung findet hier gerade nicht statt 1 5 3 . Nicht weiter führt auch der Gedanke, es liege eine Fiktion des verfahrensfehlerfreien Zustandekommens der Satzung v o r 1 5 4 . Er kann zwar eine Erklärung für den Ausschluß des Geltendmachens eines Fehlers nach einem gewissen Zeitpunkt liefern. Er versagt jedoch, wenn es darum geht, den Rechtscharakter dieser Satzung bis zu diesem Zeitpunkt zu bestimmen. Gerade die Erklärung dieser Zusammenhänge ist aber der Sinn einer dogmatischen Einordnung.
ccc. Konstitutive
rechtscharakterverändernde
Elemente?
Verschiedentlich w i r d der entscheidende Umstand für die Veränderung des Rechtscharakters der Satzung in dem Einfluß gesehen, den die administrative Beanstandung oder die Rechtsmitteleinlegung des Bürgers ausübt. Die Satzung sei zunächst als unwirksam anzusehen, würde aber durch die Nichtgeltendmachung des Fehlers innerhalb der Frist rechtswirksam 1 5 5 . Diese Sichtweise scheitert indessen daran, daß nach deutschem Verfassungs- und Verwaltungsrechtsverständnis die Entscheidung über die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit einer Rechtsnorm nur durch den Gesetzgeber oder durch ein Gericht getroffen werden kann. Ein Privater kann ebenso wie die Exekutive diese Entscheidung nur über eine dieser Institutionen herbeiführen. Ein u. U. sogar bewußter „Rügeverzieht 44 kann nach diesem festgefügten Verständnis keine normschaffende W i r k u n g haben 1 5 6 . Diese Bedenken verstärken sich noch, wenn man in diesem Zusammenhang weiter die in anderen Bereichen entwickelte Figur der schwebenden Unwirksamkeit einführen würde. Ein Schwebezustand hinsichtlich des Rechtscharakters einer N o r m erscheint unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit untragbar 1 5 7 .
152
Ernst/Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Rn. 331a; Tittel, in: Schlichter / Stich /Tittel, BBauG, § 155a Rn. 1. 153 Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 217. 154 H. und D. Schlempp, HGO, § 25 Anm. X I X 1.; Schneider / Jordan, HGO, § 25 Erl. 9; Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 216. 155 Molodovsky, BayVBl. 1977, 539 ff., 544; Geizer, Bauplanungsrecht, S. 170. 156 Maurer, Festschrift für Bachof, 1984, 215 ff., 231; Brügelmann-Meyer, BBauG, § 155a Rn. 35; Hill, DVB1. 1983, 1 ff., 4. 157 Hill, DVB1. 1983, 1 ff., 4; Maurer, Festschrift für Bachof, 1984, 215 ff., 231. 26 Kazele
402 ddd. Die Parallele
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes zur Bindungswirkung
von Verwaltungsakten
H i l l w i l l in Anschluß an M e y e r 1 5 8 die Fehlerfolge der kommunalrechtlichen Heilungsvorschriften in Anlehnung an die Lehre der Bindungswirkung von Verwaltungsakten als generellen Ausschluß der Nichtigkeitsfolge bei Satzungen verstehen. Würden Verfahrensvorschriften verletzt, so schlössen diese Regelungen insoweit die Nichtigkeitsfolge aus. Sie seien daher in der Weise zu verstehen, das sie auch bei Satzungen die Rechtsfigur einer Rechtswidrigkeit, aber Wirksamkeit einführten, wobei die Beanstandung bzw. Rechtsmitteleinlegung als Voraussetzung der gerichtlichen Aufhebbarkeit zu werten sei. Damit verbunden sei eine von Anfang an klare und eindeutige Zuordnung des Rechtscharakters der Satzung, der sich auch durch die Beanstandung oder eine Rechtsmitteleinlegung nicht mehr ändere 1 5 9 . Diese Konstruktion ist jedoch lediglich i m Rahmen der allgemeinen Fehlerregelung des § 5 I V H G O diskussionswürdig. Eine Übertragung auf die Spezialvorschrift des § 25 V I H G O scheidet aufgrund des insoweit klaren Wortlauts aus. Denn nach § 25 V I 1 H G O ist der unter Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot zustandegekommene Beschluß unwirksam. Nach Satz 2 gilt dieser als von Anfang an wirksam, sofern keine Beanstandung erfolgt oder kein Rechtsmittel eingelegt wird. Dies belegt eindeutig, daß mit der Fehlerregelung gerade kein genereller Ausschluß der Nichtigkeit beabsichtigt ist.
eee. Die Interpretation
als materielle
Ausschlußfrist
Eine weitere Ansicht w i l l schließlich die kommunalrechtlichen Fehlerfolgenregelungen von der verfahrensrechtlichen Seite her erfaßen. Der Gesetzgeber gehe zwar von dem allgemeinen' Grundsatz der Nichtigkeit rechtswidriger Normen aus, wolle aber die Konsequenzen für die Verfahrens- und formfehlerhaften Satzungen beschränken. Indem der Gesetzgeber bestimmte Rechtsverletzungen für unbeachtlich erkläre, stelle er auf den Rechtsanwender ab. Dieser dürfe die Fehler nicht zur Kenntnis nehmen, mit der Folge, daß er die an sich aus diesen Rechtsverletzungen ergebenden Konzequenzen nicht ziehen könne. Der Richter könne und müsse die Frage, ob ein solchermaßen unbeachtlicher Rechtsfehler vorliege, von vornherein dahingestellt sein lassen, da es so oder so nicht darauf ankomme. Der Kläger könne sich nicht erfolgreich auf solche Rechtsfehler berufen. Die Satzung sei — trotz möglicher, aber eben unbeachtlicher Verfahrensfehler — als fehlerfrei und damit als rechtswirksam hinzunehmen 1 6 0 . Geht man mit dieser Auslegung konform, so kommt der Rechtsmitteleinlegung ebenso wie der administrativen Beanstandung eine rein prozessuale Bedeutung zu. Sie sind 158 Brügelmann-Meyer, BBauG, § 155a Rn. 26 ff. 159 Hill, DVB1. 1983, 1 ff., 5. 160 Maurer, Festschrift für Bachof, 1984, 215 ff., 233.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
403
objektive Voraussetzungen für die gerichtliche Überprüfung der Verletzung des Mitwirkungsverbotes. V o r Fristablauf sei die verfahrensfehlerhafte Satzung auch ohne diese rechtserheblichen Handlungen als nichtig zu behandeln 1 6 1 . Diese Auffassung steht in Einklang mit dem Wortlaut des § 25 V I HGO. Die Anordnung des Satzes 2, wonach der Beschluß als von Anfang an wirksam zustandegekommen gilt, beschreibt in dieser Hinsicht lediglich die zeitliche Dimension der an die Fristversäumung anknüpfenden Wirkung. Offen bleibt dabei allerdings die genaue dogmatische Einordnung. Zunächst handelt es sich nicht um eine Präklusionsfrist, die Einwendungen für unbeachtlich erklärt, wenn sie nicht schon i m Verwaltungsverfahren vor Erlaß der hoheitlichen Entscheidung erhoben werden 1 6 2 . Kennzeichen dieser Regelung ist vielmehr, daß sie eine Ausschlußfrist schafft, die die Fehlerfolgen der Satzung nach ihrem Erlaß begrenzen w i l l . Insoweit könnte sie, da § 25 V I 3 H G O den Eintritt ihrer W i r k u n g von der fehlenden Einlegung eines Rechtsmittels innerhalb der Sechsmonatsfrist abhängig macht, als prozessuale Ausschlußfrist angesehen werden. I n der Konsequenz stellt sich dann die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz. Da der Bund in Ausübung seiner Kompetenz nach Art. 74 Nr. 1 G G das verwaltungsgerichtliche Verfahren durch die V w G O erschöpfend geregelt hat, ist es den Ländern gemäß Art. 72 I G G verwehrt, ohne entsprechende bundesgesetzliche Ermächtigung i m Bereich des gerichtlichen Verfahrens Ausschlußfristen zu normieren. § 25 V I 2, 3 H G O wäre daher verfassungswidrig 1 6 3 . Es ist jedoch die Frage, ob die diesem Ergebnis zugrundeliegende Einschätzung zutrifft. Bei der Betrachtung des Gesamtzusammenhangs des § 25 V I H G O zeigt sich, daß dessen Satz 2 hinsichtlich der Rechtsfolge dem Satz 3 vorgeht: Bei einer administrativen Beanstandung ist die absolute Unwirksamkeit die Folge. Da der Bestand des materiellen Abwehrwehranspruchs des Einzelnen gegen Eingriffe in seine Rechtssphäre durch nicht rechtmäßig zustandegekommene Normen nicht von dem administrativen Untätigsein, zudem noch einer Pflichtverletzung, abhängen kann, statuiert Satz 3 eine relative Unwirksamkeitsfolge. U m seinen materiellen Abwehranspruch nicht zu verlieren, muß der Bürger ihn allerdings auf den ihm durch die Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Wegen geltendmachen. Dieser Hintergrund zeigt, daß die insofern bestimmte Frist nicht einer Verfahrensregelung mit Ordnungsfunktion gleichkommt, wie sie die Bestimmung von Klage- oder Rechtsmittelfristen darstellt. Sie bezieht sich vielmehr auf das dem Bürger zustehende Abwehrrecht und führt zu dessen inhaltlicher Beschränkung 1 6 4 . Er kann diesen Anspruch nur durchsetzen, wenn er ihn auch innerhalb einer bestimmten Frist geltend macht. Insoweit ist die Rechtslage vergleichbar mit der Kündigungsschutzklage auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. 161 162 163 164 26*
Maurer, Festschrift für Bachof, 1984, 215 ff., 234. Kirchhof, NJW 1981, 2382 ff., 2384 FN 29. So in der Konsequenz auch: v. Mutius, JuS 1979, 37 ff., 41. Vgl. Redeker, NJW 1980, 1593 ff., 1597.
404
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
Die h. M . interpretiert die Dreiwochenfrist des § 4 KSchG nicht als Prozeßvoraussetzung sondern als eine materielle Ausschlußfrist. Eine verspätete, auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung gestützte Klage w i r d nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen 1 6 5 . Entsprechend handelt es sich bei der Frist des § 25 V I 2, 3 H G O um eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist, die den Abwehranspruch des Bürgers gegen rechtswidrige Beeinträchtigungen seiner Rechtsposition h e m m t 1 6 6 . Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Gesetzgebungskompetenz bestehen daher nicht. M i t der Interpretation des § 25 V I H G O als materieller Ausschlußfrist öffnet sich zugleich der Zugang zur Einordnung der gesetzlich eintretenden relativen Unwirksamkeitsfolge. Die materielle Ausschlußfrist ist als Reaktion auf das Verfehlen einer individuellen Rechtswahrnehmungslast zu denken. Den Bürger trifft die Obliegenheit, seinen subjektiven Abwehranspruch auch tatsächlich innerhalb einer Frist geltend zu machen. Verletzt er diese Obliegenheit, so geht er seines Aufhebungsanspruchs verlustig. K o m m t er dieser Obliegenheit hingegen nach, so ist es letztlich nur konsequent, daß die insoweit eintretenden Wirkungen auch nur ihm zugute kommen. Dabei w i r d bereits deutlich, daß dieser Gedanke immer nur dann sachgerecht ist, wenn es in dem Rechtsmittelverfahren ausschließlich um den subjektiven Rechtsschutz des Einzelnen geht. Seine Heranziehung scheitert jedoch in den Verfahren, die zugleich auch ein objektives Beanstandungsverfahren darstellen, da dem Bürger insoweit die Dispostitionsbefugnis fehlt. Strengt er also ein Normenkontrollverfahren nach § 47 V w G O an, so kann das Urteil niemals nur die relative Unwirksamkeit aussprechen. Dies findet seinen deutlichen Beleg in § 47 V I 2 HS 2 V w G O , der ausdrücklich die Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidung normiert. Belegt w i r d dieses Ergebnis schließlich durch das Normprogramm des § 25 V I H G O selbst. Gerade in dessen Satz 2 führen die objektiven verwaltungsinternen Beanstandungsverfahren zur absoluten Unwirksamkeit der Satzung. Insofern würde es einen Systembruch innerhalb des § 25 V I H G O darstellen, wenn ein vom Bürger initiiertes objektives gerichtliches Beanstandungsverfahren nicht ebenfalls zu einer absoluten U n w i r k samkeit der Satzung führen w ü r d e 1 6 7 . Der in § 25 V I H G O statuierten Sechsmonatsfrist kommt danach nur in zwei Fällen Bedeutung zu. Einmal in dem Fall, daß ein Normenkontrollverfahren nach § 47 V w G O erst nach Verstreichen der Frist erhoben wird. Hier sind nämlich sämtliche Betroffene ihrer Rechtswahrnehmungslast nicht nachgekommen. Infolgedessen bestehen unter dem Gesichtspunkt des Normzwecks keine Bedenken die materielle Ausschlußfrist eingreifen zu lassen und die Satzung wie i m Fall der Versäumung der Beanstandungsfristen 165
Zöllner, Arbeitsrecht, § 23 V I I 2 m. w. Nw. zum Streitstand. In diesem Sinne auch Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 260; vgl. auch Kirchhof, NJW 1981, 2382 ff., 2384; Redeker, NJW 1980, 1593 ff., 1598. 167 Vgl. zu den Bedenken gegen eine nur relative Unwirksamkeit der Satzung im Fall eines Normenkontrollverfahrens auch Hill, DVB1. 1983, 1 ff., 7. 166
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
405
der §§ 63, 74 und 138 H G O i m Hinblick auf die Verletzung des Mitwirkungsverbotes unangreifbar werden zu lassen. Die andere Fallkonstellation ist jene, daß die Satzung vollzugsbedürftig ist und der Vollzugsakt den Bürger mit einer zeitlichen Divergenz zur öffentlichen Bekanntmachung der Satzung trifft. Damit soll sichergestellt werden, daß die Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers auch i m Rahmen einer Inzidentkontrolle eingreift.
bb. Die verfassungsrechtliche Beurteilung Zu untersuchen bleibt mithin die Frage, ob die Fehlerfolgenregelung i m Hinblick auf die beiden vorgenannten, allein Bedeutung gewinnenden Fallkonstellationen unter verfassungsrechtlichen Gesichtpunkten zulässig ist.
aaa. Abwägungsdefizite Die Bedenken resultieren zunächst aus dem Gedanken, daß Grundrechte nur durch rechtmäßige Hoheitsakte einschränkbar sind. Die Frage, ob der sich daraus ergebende Anspruch auf Aufhebung der rechtswidrigen Grundrechtsbeeinträchtigung nicht nach A b l a u f einer bestimmten Frist ausgeschlossen werden kann, beantwortet die Abwägung der Aspekte der Gesetzesbindung und des Rechtsschutzes mit denen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes 168 . Geht man mit dieser Blickrichtung an die Unbeachtlichkeitsregelung des § 25 V I H G O heran, so fällt es schwer, das Vorliegen von Abwägungsdefiziten zu verneinen. Denn die Unbeachtlichkeitsregelung bezieht sich pauschal und undifferenziert auf Beschlüsse aller Art und damit auf sämtliche Satzungen. Insoweit scheint jedoch gerade eine differenzierte Fehlerregelung angezeigt zu sein. Sind etwa bei einem Bebauungsplan unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit die Belange der planbegünstigten, bauwilligen Eigentümer ebenso zu berücksichtigen wie schon ein teilweiser Vollzug einer planerischen Konzeption, welche nicht mehr sinnvoll korrigiert werden kann, so treffen diese Aspekte doch nicht bei allen Rechtsnormen zu. Bei Abgabensatzungen, Anstaltsordnungen oder etwa organisationsbezogenen Regelungen, wie Geschäftsordnungen, sind die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit nicht in gleichem Maße einschlägig 1 6 9 . Die in § 25 V I H G O getroffene Fehlerfolgenregelung läßt sich insoweit allenfalls damit halten, daß bei einer Abwägung zwischen der Rechtssicherheit und der Gesetzmäßigkeit mit fortschreitender Zeit die Rechtssicherheit an Gewicht g e w i n n t 1 7 0 . Doch auch insoweit ist die Sechs-Monats-Frist zu kurz bemessen, um diesen Gesichtspunkt eine tragende Bedeutung zuzuerkennen.
168 Schmidt-Aßmann, DVB1.1984,582 ff., 587; Kirchhof, NJW 1981,2382 ff., 2383 f. 169 Maurer, Festschrift für Bachof, 1984, 215 ff., 242. 170 Maurer, Festschrift für Bachof, 1984, 215 ff., 243.
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G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
Fraglich ist, ob angesichts dieses Befundes die Regelung des § 25 V I H G O deshalb noch als verfassungsmäßig angesehen werden kann, weil sie sich lediglich auf einen Verfahrensfehler erstreckt, der durch eine spezifische Problematik gekennzeichnet ist. Denn Fehlerfolgen löst nicht nur die unzulässige M i t w i r k u n g eines Befangenen aus, sondern auch die unberechtigte Anordnung eines M i t w i r kungsverbotes, sofern dabei auf Mitwirkungsrechte eingewirkt w i r d 1 7 ^ Die bestehenden Rechtsanwendungsschwierigkeiten auf der Tatbestandsseite schlagen daher regelmäßig auf die Wirksamkeit der Satzung durch. Doch auch dieses Spezifikum vermag eine andere Beurteilung nicht zu tragen. Die Regelung des § 25 V I H G O bezieht den unberechtigten Ausschluß von Amts- und Mandatsträgern ihren ausdrücklichen Wortlaut nach gerade nicht in ihren Anwendungsbereich e i n 1 7 2 . Indem sie lediglich den Verstoß gegen das Mitwirkungs verbot erfaßt, w i r d die insoweit bestehende Konfliktsituation durch die Relativierung einer Fehlerursache in — wie noch zu zeigen sein w i r d — höchst anfechtbarer Weise gelöst, während das Vorliegen der anderen nach wie vor in vollem Umfang beachtlich ist. Damit aber liegt ein Verstoß gegen das Gebot praktischer Konkordanz vor. Kollisionen zwischen verschiedenen Gütern können nicht derart gelöst werden, daß eines auf Kosten der anderen realisiert w i r d 1 7 3 .
bbb. Gewährleistung
effektiven
Rechtsschutzes?
Fraglich ist weiter, ob die Regelung des § 25 V I H G O dem Bürger eine faire Rechtsschutzchance beläßt und mit Art. 19 I V G G vereinbar ist. In den Mittelpunkt der Betrachtung muß dabei der der Unbeachtlichkeitsregelung zugrundeliegende Gedanke der Individualzurechnung der unterlassenen Rechtsmitteleinlegung treten. Er setzt die Zumutbarkeit der fristgebundenen Rechtsverteidigung voraus. Grundsätzlich erscheint eine rechtsmindernde Zurechnung einer unterlassenen Rechtsmitteleinlegung nur dann als zumutbar, wenn der Bürger auch Anlaß hat, gegen eine gesetzte Rechtsnorm vorzugehen, von dieser also eine „Warnfunktion" ausgeht 1 7 4 . Je stärker sich die Unbeachtlichkeitsregelung von diesem Zurechnungsgedanken löst, desto schwächer w i r d der Ausgleichseffekt der befristeten Möglichkeit einer Rechtsmitteleinlegung. Eine reine Fristenlösung zöge insoweit die Rechtssicherheit in einseitiger Weise v o r 1 7 5 . Eine solche Warnfunktion läßt sich noch aufgrund des schon andernorts 1 9 3 hervorgehobenen ambivalenten Charakters von Bebauungsplänen und vergleich171 Siehe dazu nachfolgend III. 172 Unten III. 173 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 2 I I I 2 c bb. 174 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 241; ders., DVB1. 1984, 582 ff., 586. 175 Schmidt-Aßmann, DVB1. 1984, 582 ff., 587. 176 Vgl. Kapitel C Erster Abschnitt II. 2. d. aa.
II. Die Fehlerhaftigkeit der Verwaltungsentscheidung
407
baren sachbezogenen Normen mit gleitender Umsetzungstechnik feststellen 1 7 7 . Insofern ist zu berücksichtigen, daß auch angesichts der nicht unerheblichen Einschränkung der Überschaubarkeit von qualifizierten Bebauungsplänen die Bürgerbeteiligung nach § 3 BauGB die für die Kenntnisnahme der Verletzung des Mitwirkungs Verbotes erforderliche Publizität liefert 1 7 8 . Die Bekanntmachung der Bausatzung, mit der die Frist zu laufen beginnt, markiert dabei einen Zeitpunkt, zu dem der Bürger spätestens Kenntnis von seiner Betroffenheit erhält und die konkreten Auswirkungen auf sein Grundstück beurteilen kann. Eine dem vergleichbare Warnfunktion ist bei anderen Satzungen hingegen nicht auszumachen. Für die übrigen Satzungsgebungsverfahren fehlt es an einer Bürgerbeteiligung, wobei hinzukommt, daß diese meist erst allmählich angewendet werden. Zudem ist zu berücksichtigen, daß die meisten Satzungen auch nicht der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen. Es fehlt damit — anders als beim Bebauungsplan und den städtebaulichen Satzungen nach dem BauGB — an der Sicherung der verwaltungsinternen Präventivkontrolle
durch eine übergeordnete
Instanz 1 7 9 . Diese mangelnde Erkennbarkeit und Möglichkeit der Folgenabschätzung kann die öffentliche Bekanntgabe nach § 5 I I I 1 H G O nicht kompensieren. Eine Parallele zur Rechtsprechung des B V e r w G zur öffentlichen Zustellung von Planfeststellungsbeschlüssen in sog. Massenverfahren kann nicht gezogen werden. Danach ist das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen auch in grundrechtsrelevanten Bereichen nicht dermaßen vorrangig, daß zu seiner optimalen Erfüllung die i m Interesse der Allgemeinheit wahrzunehmenden Aufgaben der Verwaltung übermäßig behindert oder gar nahezu blockiert werden dürften 18 °. Diese ohnehin nicht unumstrittene Entscheidung 1 8 1 ist in dieser Hinsicht nicht verallgemeinerungsfähig. Das B V e r w G hebt in seiner Begründung ausdrücklich darauf ab, daß das rechtsstaatlich bedenkliche Minus des Aufmerksamkeitsgehaltes der öffentlichen Bekanntgabe durch den Umstand kompensiert wird, daß der Planfeststellungsbeschluß am Ende eines aufwendigen Verwaltungsverfahrens steht und folglich auf ein vorinformiertes, aufmerksames Publikum t r i f f t 1 8 2 . Gerade an einem solchem vorinformierten und aufmerksamen Publikum fehlt es aber in einem Satzungsgebungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung. Die öffentliche Bekanntmachung ist daher als Anknüpfungspunkt von Zurechnungsgesichtspunkten ungeeignet. Dies umso mehr, als es sich um vollzugsbedürftige Satzungen handelt. Hier w i r d die Fehlerfolgenregelung des § 25 V I 3 H G O gänzlich untragbar. Liegt zwischen dem Erlaß der Satzung und dem ihm folgenden Vollzugsakt eine Frist von mehr als 6 Monaten, so scheidet eine Inzidentkon177 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 241. 178 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 241; Kirchhof, NJW 1981, 2382 ff., 2384. 179 Maurer, Festschrift für Bachof, 1984, 215 ff., 242. •so BVerwG, NJW 1984, 188 ff., 189. 181 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG, Art. 19 IV Rn. 251. 182 BVerwG, NJW 1984, 188.
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G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
trolle der Satzung i m Hinblick auf die Verletzung des Mitwirkungsverbotes aus. Der Bürger ist in diesem Fall auf die Stellung eines Normenkontrollantrags nach § 47 V w V G O i. V . m. § 11 I H e s s A G V w G O innerhalb der Sechsmonatsfrist angewiesen, w i l l er der materiellen Ausschlußfrist entgehen. Doch gerade wegen des noch bevorstehenden Vollzugsaktes, den der Bürger erst als Beeinträchtigung seiner Rechtsposition betrachten wird, geht von der vollzugsbedürftigen Satzung nur ein schwacher Impuls zur Wahrnehmung dieser Möglichkeit aus. Hinzu kommt, daß mit dem Erfordernis der Rechtsmitteleinlegung auch eine Sperre des Verfahrens- und Gerichtskostenrisikos aufgerichtet wird. Aufgrund der K o stenfolgen einer erfolglosen Klage w i r d regelmäßig nur derjenige ein Rechtsmittel, wie etwa das Normenkontrollverfahren, ergreifen, der sich seiner Sache sehr sicher ist. Die Möglichkeit, auch in nicht ganz sicheren Fällen auf Unklarheiten sanktionswahrend aufmerksam zu machen, wie sie sich etwa in Form der Rüge nach §§ 5 I V H G O , 2151 BauGB wiederfindet, wird damit praktisch aufgehoben, zumal Verwaltungsvorgänge für den Bürger nur schwer überschaubar sind, so daß es ihm in Verfahrensfragen, wie der der Verletzung des Mitwirkungsverbotes bei Befangenheit, schwer fällt, die erforderliche Sicherheit zu gewinnen 1 8 3 . Verstärkt w i r d dieser Gesichtspunkt noch durch den Umstand, daß dem Bürger kein gesetzlicher Anspruch auf Einsicht in die Protokolle der Gemeindevertretung zusteht, sondern die Akteneinsicht nach allgemeinen Grundsätzen prinzipiell i m Ermessen der Verwaltung liegt. Ein Auskunftsanspruch und Einsichtsrecht soll nur in dem gleichwohl noch mit Unwägbarkeiten befrachteten Fall bestehen, daß der Bürger zur Verfolgung seiner Rechte auf Informationen angewiesen i s t 1 8 4 . Die Zusammenschau aller dieser Momente zeigt, daß die Fehlerfolgenregelung des § 25 V I H G O dem Bürger die effektive Möglichkeit der Wahrnehmung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten nimmt und daher mit Art. 19 I V G G unvereinbar ist. Damit soll dem Gesetzgeber nicht die Möglichkeit bestritten werden, neue Wege bei der Fehlerfolgenregelung von Rechtsnormen zu gehen. Der in § 25 V I H G O gewählte Weg stellt jedoch eine „ z u billige", einseitig zu Lasten des betroffenen Bürgers gehende Lösung dar. Eine Neuorientierung der Fehlerfolgenregelung bei Rechtsnormen w i r d nur dann als gelungen betrachtet werden können, wenn sie mit einer grundsätzlichen Neukonzeption des Satzungsgebungsverfahrens einhergeht. Als Stichpunkte seien insoweit eine verstärkte Bürgerbeteiligung und eine größere Transparenz der internen Verwaltungsabläufe zu nennen. Derartige Kautelen mögen von weiten Teilen des politisch-adminstrativen Systems als unbequem empfunden werden. Doch eine bequeme Lösung, die allein die Rechtsschutzmöglichkeiten des betroffenen Bürgers beschränkt, kann und darf es in diesem Zusammenhang nicht geben. Die Verwaltung kann nicht die Vorteile zunächst unbemerkt gebliebener Rechtsverstöße für sich in Anspruch nehmen iss Schmidt-Aßmann, VR 1978, 85 ff., 87. 184 Maurer, Festschrift für Bachof, 1984, 215 ff., 225.
III. Die unberechtigte Anordnung eines Mitwirkungsverbotes
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ohne selbst dafür einen Preis in Form verstärkter Partipazition des Bürgers zu zahlen.
I I I . Exkurs: Die unberechtigte Anordnung eines Mitwirkungsverbotes Bisher wurde die Fallgestaltung betrachtet, bei welcher ein befangener Amtsund Mandatsträger entgegen den gesetzlich statuierten Mitwirkungsverboten an einer Verwaltungsentscheidung mitgewirkt hat. W i e ist aber nun der umgekehrte Fall zu beurteilen, in welchem ein vermeintlich Befangener ausgeschlossen wurde, obwohl die Voraussetzungen für ein Mitwirkungsverbot nicht vorlagen? Führt hier etwa der unberechtigte Ausschluß zur Fehlerhaftigkeit der Entscheidung? Keine Probleme wirft die Beantwortung dieser Fragen i m Hinblick auf den monokratischen Amtsträger auf. Da es ein Recht auf den gesetzlichen Verwaltungsbeamten nicht gibt und der Amtsträger sich auf eine Weisung seines Vorgesetzten hin auch ohne das Vorliegen einer Befangenheit enthalten müßte (vgl. §§ 55 S. 2 B B G , 70 S. 2 H B G ) , ist die ergangene Verwaltungsentscheidung insoweit ohne Verfahrensfehler zustandegekommen und daher unter diesem Gesichtspunkt rechtmäßig. Anders sieht die Rechtslage jedoch bei einem unberechtigten Ausschluß eines Mitgliedes eines Kollegialorgans aus. Das M i t g l i e d eines sog. weisungsfreien Ausschusses (ζ. B. eines Musterungs- oder eines Prüfungsausschusses für Kriegsdienstverweigerer nach §§ 19 II, 26 I V WPflG) ist ebensowenig weisungsgebunden wie das Mitglied eines kommunalen Willensbildungsorgans. Es handelt sich hier um unabhängige, pluralistisch zusammengesetzte Kollegialorgane, in denen das Recht des Mitgliedes, durch seine M i t w i r k u n g an der Beratung und Beschlußfassung Einfluß auf die Willensbildung zu nehmen, infolge des unberechtigten Ausschlusses tangiert ist. Weder die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen noch § 25 H G O enthalten für diesen Fall Regelungen hinsichtlich der Fehlerfolgen des Beschlusses. Die Lösung hat daher allgemeinen Erwägungen zu folgen 1 8 5 . Eine Ansicht hält den ohne das unberechtigterweise als befangen ausgeschlossene M i t g l i e d zustandegekommenen Beschluß nur dann für rechtswidrig, wenn die Nichtbeteiligung einen Einfluß auf das Ergebnis hätte haben k ö n n e n 1 8 6 . iss Für eine Anwendung der kommunalverfassungsrechtlichen Heilungsregelung treten ein: Galette / Laux-Borchert, GO SchlH, § 22 Absatz 4 Anm. 2; Schuster / Diehl / Steenbock, Kommunales Verfassungsrecht Rheinland-Pfalz, § 22 Anm. VII. Es besteht jedoch nach den obigen Ausführungen kein Anlaß die fragwürdige Vorschrift des § 25 V I HGO auch noch über seinen ausdrücklichen Anwendungsbereich hinaus zu erweitern. 186 Meyer, in: Meyer / Stolleis, Hessisches Staats- und Verwaltungsrecht, S. 139 ff., 170.
410
G. Die Verletzung des Unbefangenheitsgebotes
Lediglich bei einer konkreten Kausalität habe der unberechtigte Ausschluß Konsequenzen 1 8 7 . Für diese Ansicht spricht der Aspekt der Rechtssicherheit. Führte nämlich der fälschlicherweise erfolgte Ausschluß eines Amts- und Mandatsträgers ebenso zur Unwirksamkeit des Beschlusses, wie die Verletzung des Mitwirkungsverbotes, so wäre die Tätigkeit des Kollegialorgans mit nicht unbeträchtlichen Unsicherheiten belastet 1 8 8 . Dieser Argumentation ist jedoch mit B l i c k auf die hessische Rechtslage die Vorschrift des § 35a I 1 H G O entgegenzuhalten. Danach darf niemand daran gehindert werden, sein Mandat als Gemeindevertreter auch auszuüben. Gerade dieser Vorschrift aber läuft die unberechtigte Anordnung des Mitwirkungsverbotes zuwider. Hinzu tritt der Umstand, daß in diesem Fall eine Verletzung des demokratisch-egalitären Wahlrechtsgrundsatzes vorliegt, da der Erfolgswert der Stimme beeinträchtigt wird. Z u kurz kommt bei dieser Betrachtung ferner der Aspekt, daß die Besetzung des Kollegialorgans zugleich auch eine Gewähr für die Sachrichtigkeit der Entscheidung darstellen soll. Schließlich aber würde man insoweit das M i t w i r k e n eines Befangenen bei der Beratung einen anderen Beurteilungsmaßstab unterwerfen als das hypothetische M i t w i r k e n eines Unbefangenen, wollte man lediglich auf das Abstimmungsergebnis abstellen. Denn ein Nachweis, daß das M i t w i r k e n des Unbefangenen einen Einfluß auf die Beratung gehabt hätte, kann in aller Regel nicht erbracht werden 1 8 9 . Z u berücksichtigen ist schließlich, daß Mißliebige auf diese Weise von der Mehrheit ohne Sanktion leicht von der Angelegenheit ferngehalten werden könnten 19 °. Dies umso mehr als § 21 H V w V f G die Sachgebundenheit der Verwaltungstätigkeit in einem allgemeinen Sinne absichert. Hier ist die Gefahr gegeben, daß das Unbefangenheitsprinzip in unzulässigerweise dazu benutzt wird, speziell Minderheiten in der Gemeindevertretung von politisch brisanten Angelegenheiten fernzuhalten. Sollen Mitwirkungsrechte nicht ins Leere laufen, muß der unberechtigte Ausschluß von der M i t w i r k u n g die Sanktion der Unwirksamkeit des Beschlusses zur Folge haben 1 9 1 . Nur wenn der Beschluß eines zur Entscheidung berufenen Kollegialorgans selbst als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, ist dieser rechtswidrig und — sofern nicht die Voraussetzungen der § § 4 6 V w V f G e , 42 SGBX und 127 A O '77 eingreifen — aufhebbar. Die Fehlerfolgen eines sonstigen Beschlusses in einem mehrstufigen Verwaltungsverfahren ergeben sich aus den dargestellten Grundsätzen 1 9 2 . 187
Schmidt-Aßmann, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 97 ff., 142. ' 8 8 Foerster, SKV 1973, 46 f., 46. 189 Davon scheint jedoch Meyer, Hessisches Staats- und Verwaltungsrecht, S. 139 ff., 170 auszugehen. 190 γ. Arnim, JA 1986, 1 ff., 6. 191 So im übrigen auch die ausdrückliche Regelung in § 18 V I 1 2. Alt. GO BaWü und die h. M.: Masson / Samper, BayGO, Art. 49 Rn. 17; VGH München, BayVBl. 1976, 753 ff., 755. 192 Kapitel G II. 1. a. bb.
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