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German Pages 132 Year 2010
Die Babylonisch-Assyrischen Vorstellungen vom Leben nach dem T o d e
Analecta Gorgiana
176 Series Editor George Anton Kiraz
Analecta Gorgiana is a collection of long essays and short monographs which are consistently cited by modern scholars but previously difficult to find because of their original appearance in obscure publications. Carefully selected by a team of scholars based on their relevance to modern scholarship, these essays can now be fully utilized by scholars and proudly owned by libraries.
Die Babylonisch-Assyrischen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode
Alfred Jeremias
1 gorgias press 2010
Gorgias Press LLC, 954 River Road, Piscataway, NJ, 08854, USA www.gorgiaspress.com Copyright © 2010 by Gorgias Press LLC Originally published in 1887 All rights reserved under International and Pan-American Copyright Conventions. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording, scanning or otherwise without the prior written permission of Gorgias Press LLC. 2010 ^ ^
1 ISBN 978-1-60724-247-5
ISSN 1935-6854
This is a facsimile reprint of the book by the same title published by J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig, 1887.
Printed in the United States of America
Inhalt. Seite
Vorbemerkungen Kapitel I :
I
Die Höllenfahrt der Istar
4
Einleitung
Kapitel I I :
4
T e x t und Uebersetzung
10
Zur Erklärung
24
Tod und Grab
46
Kapitel III: Die Unterwelt
59
D e r "VVeltberg
59
Namen der Unterwelt
61
Götter und Dämonen
66
Ort und Bewohner
75
Kapitel I V : Die Gefilde der Seligen
81
Einleitung
81
D i e R e i s e Nimrods nach den Gefilden der Seligen
82
Die Lebensquelle und die Lebenspflanze in den Gefilden
der Seligen
89
D i e B e w o h n e r der Seligengefilde Kapitel V :
Möglichkeit
einer
Befreiung
94 aus
der
Unter-
welt Anhang:
Ausblick
auf die
100 alttestamentliehen
Vorstellungen
vom Leben nach dem Tode
.
Einleitung Volksvorstellungen
106 106
in
ihrer
Ursprünglichkeit
.
.
log
Volksvorstellungen in bundesmässiger Beschränkung
lió
Prophetische Ausschau
120
Zusatz: Die Vorstellung vom Berge der Versammlung
121
Verbesserungen. Einige
der hier a n g e g e b e n e n V e r b e s s e r u n g e n
Herrn P r o f e s s o r PAUL HAUPT. Transkription,
die hie und
verdanke
ich
indirekt
E t w a i g e k l e i n e Unregelmässigkeiten in der
da durch
die Entfernung v o m
Druckorte
ver-
schuldet wurden, bitte ich freundlichst zu entschuldigen. S . 8, A n m . 2 lies ekimm.ii statt
ekimu.
S. IO, Z. 9 lies a$-[bü ( V g l . HAUPT, Sunt.
Dial.
S. 12, Z. 34.
S. 16, Z. 79 u. s. f. lies edle, ed-lu
S. 12, Z. 40.
S. 13, Z . 44.
S. 16, Z. 66 l i e s : pa-a-Sa S. 18, Z. 5 lies i-la-a
S. 16, Z . 76
statt
et-lu.
u. s. f. lies be-el-ti
statt
bi-el-ti.
e-la-a. statt abne.
S. 20, Z. 39 ff. lies ut-te-ir
statt
statt
S. 22, Z. 58 lies le-lu-nim-ma
u-te-ir
et-ti-iu. statt
le-lu-nem-ma.
S. 23, Z. 56 soll die U e b e r s e t z u n g spiele mir
al-ba.
statt etle,
i-pii-ui-ma.
S . 20, Z . 32 u. ö. lies abnu S. 22, Z. 56 lies et-ti-iu
5 1 8 ) statt
lauten: „in
die krystallene
das
Flöte,
den T a g e n zu
des
dieser Zeit
Tammuz
spiele
mir
Instrument von E d e l s t e i n " u. s. w .
S. 25, zu Z. 9 lies immarü
statt
imaru.
S. 31, zu Z. 54 lies kableia
statt
käblüa.
S- 33, Z . I v. u. lies sahäpu S. 34, zu Z. 78 lies su&
statt
statt
S. 36
zu Z. 1 2 lies
S . 42
zu Z. 5 6 — 5 8 lies imbabu
Sahäpu.
iühi.
TJddülu-nämir
statt statt
Uddulu-nämir.
imbubü.
Z u S . 74 Zusatz I I v g l . auch die S. 99, A n m . 1 citierte
Stelle.
S. 77, Z. 8 v. u. l i e s : Z . 2 8 — 3 5 . S. 7 7 , z . 9 v. u. lies K a p . I V (S. 96 ff-) statt K a p .
V.
S . 95, Z. 14 v. o. l i e s : „ f ü h r t e mich h e r a u f " (heraus, seil, aus dem S c h i f f ) . "
Vorbemerkungen. Durch die Auffindung und Erforschung der babylonisch-assyrischen Religionslitteratur ist dem Studium der Religionsgeschichte ein ungeahnter Reichtum neuen Forschungsmaterials zugeführt worden, das mitten hineinführt in die religiöse Gedankenwelt der Völker, in deren Heimat die Wiege der Menschheit gestanden, und mit deren Geschicken die Kindheitserinnerungen der Menschheit und die Hoffnungen der alten Völker, die in der Fülle der Zeiten zur Verwirklichung kamen, auf das engste verknüpft sind. Auf dem Gebiete der vergleichenden Religionswissenschaft nehmen die Anschauungen der Völker über das Leben jenseits des Grabes besonderes Interesse in Anspruph. Von den babylonisch-assyrischen Vorstellungen über das Leben nach dem Tode war bisher wenig bekannt. Nur einige kleinere Arbeiten englischer und französischer Assyriologen beschäftigen sich mit einzelnen hierhergehörigen Stücken der Keilschriftlitteratur *). Die vorlie*) Abgesehen von der S. 4 aufgeführten Litteratur zur „Höllenfahrt der I s t a r " , gehören hierher: LENORMANT, die Magie und Wahrsagekunst der Chaldäer, Jena 1878, K a p . V (Autorisierte und verbesserte deutsche Ausgabe der sciences occuites en Asie, Paris 1874). — BOSCAWEN, Notes on the Religion and Mythologie of the Ässyrians (Transactions of the Society of Biblical Archaeology I V , p. 267 ff. 1875). — HALÉVY, La croyance à l'immortalité de l'âme chez les peuples sémitiques (Mélanges de critique et d'histoire p. 368 ff.), P a r . 1883; L'immortalité de l'âme chez les Chaldéens (Revue Archéologique B. 44, p. 44 ff. 1883; La légende arabe sur Bourhoût (Journal Asiatique V I I I , t. 2, p . 4 5 1 Î Ï . ) . — PERROT-CHIPIER, Histoire
de l'art
dans l'antiquité
P- 357 ffA. J e r e m i a s ,
L e b e n n a c h dem T o d e .
I
II,
2
Die bab.-assyr. Vorstellungen vom L e b e n nach, dem T o d e .
genden Blätter wollen die babylonisch-assyrischen Vorstellungen vom L e b e n nach dem Tode, soweit die bisher veröffentlichte Keilschriftlitteratur d a r ü b e r Aufschluss bietet, im Zusammenhang zur D a r s t e l l u n g bringen. D u r c h die Religion der Völker im T h a l e des E u p h r a t geht ein praktischer Zug. Ihre Götter sind Götter der L e b e n d i g e n , stehen mit diesen in regem V e r k e h r , als Helfer in allem Thun, als R e t t e r aus aller Not D a s Auseinandersetzen mit den Erfordernissen der diesseitigen W e l t nimmt alles religiöse Interesse in Anspruch. D a bleibt kein R a u m für ängstliches N a c h d e n k e n und Philosophieren über das W o h e r ? und W o h i n ? der Seele, wie es dem Volke der E g y p t e r so charakteristisch ist, — mit dem T o d e ist's vorbei mit K r a f t und Leben, mit H o f f n u n g und Trost. D a r u m h a t die Religion als solche mit den Vorstellungen vom Jenseits wenig zu t h u n , höchstens, dass sie in dem Orte der Toten einen willkommenen Schauplatz findet f ü r die dämonischen Mächte und verheerenden K r ä f t e der Götter, die in die V e r s a m m l u n g der grossen Götter nicht passen, während doch ihre Existenz durch die E r f a h r u n g des Lebens unabweisbar g e f o r d e r t ist. D e r Volksvorstellung w a r es ü b e r l a s s e n , dem t r ü b e n Bilde von. dem T o t e n o r t e , der alle Menschen einfordert und Keinen zur ü c k g i e b t , sein G e p r ä g e zu g e b e n . Und w o f ü r die R e ligion mit ihrer allein auf das Irdische zielenden L e h r e von der V e r g e l t u n g keinerlei A n h a l t bot, das ward vom Volksbewusstsein ohne weiteres g e f o r d e r t : ein Unterschied jenseits des Grabes. D a s p r ä g t sich aus einerseits in der A n s c h a u u n g von Orten besonderer Qual in dem an sich schon trostlosen Hades, andrerseits in der Vorstellung von einem bevorzugten Zustand nach dem T o d e für die Helden des Volkes u n d für die Lieblinge der Götter. Deshalb spaltet sich die Volksvorstellung vom Leben nach dem T o d e zu einer Vorstellung vom „ V e r s a m m l u n g s o r t aller L e b e n d i g e n " und zur Vorstellung -vom Gefilde der Seligen, dem Versammlungsort der auserwählten Gerechten.
Vorbemerkungen,
3
Indem wir nun zur D a r s t e l l u n g selbst übergehen, scheint es angemessen, die B e s p r e c h u n g eines T e x t e s voranzuschicken, auf den wegen seiner grundleglichen W i c h t i g keit für unsere F r a g e die späteren K a p i t e l oft zurückweisen müssen : ich meine die u n t e r dem Namen „die Höllenfahrt der I s t a r " b e k a n n t e altbabylonische B e s c h w ö rungslegende. Freilich bedarf Umschrift und Uebersetzung auch einer philologischen E r ö r t e r u n g , da von der richtigen E r k l ä r u n g vieler Stellen dieses T e x t e s das Verständnis einer ganzen R e i h e der später besprochenen F r a g e n abh ä n g t . Es folgen dann die K a p i t e l ü b e r T o d und Grab, Unterwelt, Gefilde der Seligen und ü b e r die Möglichkeit einer Befreiung aus der Unterwelt. V o n den alttestamentlichen P a r a l l e l e n , die sich zahlreich a u f d r ä n g e n werden, sind in den A n m e r k u n g e n zum laufenden T e x t nur die wichtigsten hervorgehoben, während ein beigefügter „ A n h a n g " die alttestamentlichen Hadesvorstellungen in Zus a m m e n h a n g darzustellen und durch die babylonisch-assyrischen Vorstellungen vom L e b e n nach dem T o d e zu beleuchten versucht.
4
KAPITEL I.
Die Höllenfahrt der Istar. Einleitung. i. Unter allen Bearbeitungen des unter dem Namen „Höllenfahrt der Istar" bekannten Keilschrifttextes I V R 31 *) ist diejenige EBERHARD SCHRADER'S weitaus die trefflichste, trotz O P P E R T , der in seinem Aufsatz IJ immortalité de l'âme „keine der vorgeschlagenen Uebersetzungen dieses grossen Gelehrten anzunehmen v e r m a g . " OPPERT'S eigene Uebersetzung entzieht sich der Beurteilung, da sie der philologischen Begründung entbehrt. A n allen Stellen, in denen OPPERT von seinen V o r g ä n g e r n abweicht, ist es schwierig, auch nur Vermutungen aufzustellen, an welche semitische W u r z e l er wohl gedacht haben mag. Dies gilt in besonders hohem Grad von seiner Uebersetzung der Schlusszeilen. A n dieser letzteren ist ausserdem noch zu verwundern, dass der Verfasser ihre „relative" UnzuverL) TALBOT : Transactions of the Royal Society of Littérature, VIII, p. 244 (1865) ; Transactions of the Society of Biblical Archaeology, II, p. 179 ff. (1874); Records of the Past, I, p. 141 ff. — G. SMITH: Daily Telegraph vom IQ. Aug. 1873. — ^B. SCHRÄDER: Die Höllenfahrt der Istar, Giessen 1874, — LENORMANT : Les premières civilisations, II, p. 8 4 — 9 3 ( 1 8 7 4 ) ; Autorisierte deutsche Ausgabe: Anfänge der Kultur, Jena 1875. — OPPERT: L'immortalité de Pâme chez les Chaldéens, 1875 (extrait du t. VIII. des Annales de philos, chrét. I874); mit unwesentlichen Aenderungen abgedruckt in den fragments mythologiques, p. 8 ff. — Zu den drei letztgenannten Arbeiten vgl. HADG: Die Unsterblichkeit der Seele bei den Chaldäern, Augsb. A l l g . Ztg. 1875, Nr. 70 f. — MENANT: Babylone et la Chaldée, Par. 1874, p. 135; Manuel de la langue assyrienne 1880, p. 284 ff. fobv. I — 93). — SMITHDELITZSCH : Chald. Genesis, p. 198 ff., 313 ff. — S AYCE : Bàbylonian Littérature, p. 37 ff. — Vgl. hierzu auch BEZOLD, Babylonisch-Assyrische Litteratur
§ 97.
Einleitung.
5
lässigkeit zwar hintennach zugiebt, aber im T e x t e selbst durch kein einziges Fragezeichen hervorhebt. 1 ) Auf L E N O R M A N T ' S Uebersetzung brauche ich in meinen Anmerkungen nicht näher einzugehen, da dieser Gelehrte nach dem Erscheinen des OppERT'schen Aufsatzes seine eigene Uebersetzung zurückgezogen und die O P P E R T ' S als „la seule exacte11 bezeichnet hat (vgl. den bei O P F E R T 1. c. abgedruckten Brief L E N O R M A N T ' S ) . Seit S C H R A D E R ' S philologischer E r k l ä r u n g der „Höllenf a h r t " hat die Textentzifferung besonders durch das genaue Studium des II. und V. Inschriftenbandes grosse Fortschritte g e m a c h t , weshalb es an vielen Stellen ein leichtes w a r , S C H R A D E R ' S Uebersetzung oder E r k l ä r u n g einzelner W ö r t e r , die bei ihm oft nur auf sprachvergleichenden Vermutungen ruht, stillschweigend zu rektificieren. W a s freilich den Sinn einzelner Stellen anlangt, so musste ich oft von den Auffassungen Prof. S C H R A D E R ' S abweichen, und habe nicht verfehlt, an den betreffenden Stellen meine Abweichung zu begründen. Die lexikographischen A n g a b e n durften sich auf das Notwendigste beschränken, da das Erscheinen des assyrischen W ö r t e r buchs Prof. F R I E D R I C H D E L I T Z S C H ' S im W e r k e ist. 2. Die „Höllenfahrt der Istar" ist nach S M I T H ' S Vorg a n g von allen Bearbeitern als eine Rhapsodie bez. Episode des Nimrod-Epos angesehen worden. Die Lücke, die in den F r a g m e n t e n der siebenten Tafel sich findet, bot einen scheinbar passenden Platz zur Einreihung der Erzählung : Istar sei nach Misslingen ihrer R a c h e an Nimrod und Eabani in die Unterwelt hinabgestiegen, um die höllischen Mächte gegen die Frevler aufzubieten. Der Gang der Handlung selbst bietet allerdings an keinem P u n k t e Anhalt für eine solche Motivierung der Höllenfahrt. Eher hätte man das Ganze für eine Rhapsodie halten können, die zu i ) D i e OPFERT'sehe U e b e r s e t z u n g der Schlusszeilen ist S. 20 f. A n m . abgedruckt.
6
K a p . I.
D i e Höllenfahrt der Istar.
den Erzählungen der Liebesabenteuer Istars in indirektem Bezug s t ü n d e , da in der T h a t allem Anschein nach d a s mythologisch bedeutsame Verhältnis der Istar zu T a m m u z , ihrem L i e b l i n g s g e m a h l , den Hintergrund der E r z ä h l u n g bildet. 1 ) A b e r in W i r k l i c h k e i t s t e h t d i e „ H ö l l e n f a h r t d e r I s t a r " in g a r k e i n e m Z u s a m m e n h a n g e m i t d e m N i m r o d - E p o s . D e r U m s t a n d , d a s s Istar hier als Tochter des Mondgottes gilt, während sie im NimrodE p o s als Tochter des Himmelsgottes A n u erscheint, hätte allein schon jene Ansicht unmöglich machen müssen. Endgiltig entschieden wird die F r a g e durch den Sinn der Schlusszeilen, den i c h , soweit es der fragmentarische Charakter derselben zuliess, erschlossen zu haben glaube. Die L ö s u n g dieser rätselhaften Stelle hängt von der Entzifferung der 46. Zeile des R e v e r s a b , mit welcher der T e x t , nachdem die Erzählung von der „Höllenfahrt" beendet ist, plötzlich von neuem anhebt, einen V o r g a n g erzählend , der auf den ersten Blick in keinem Zusammenh a n g e mit dem Vorhergehenden steht. W ä h r e n d S C H R Ä D E R und L E N O K M A N T auf die Uebersetzung dieser Zeile, auf die alles a n k o m m t , verzichten, übersetzt O P F E R T : „Puis elle ne refusa pas sa libération, et retourna sur la terre supérieure." A u f welcher Transskription freilich O P P E R T ' S Uebersetzung beruht, ist mir ein R ä t s e l . D i e Zeile lautet in Umschrift und U e b e r s e t z u n g : sum-tna ma ter [ 2)
nap-ti-ri-sa d. h.
là ia-ad-di-nak-kam-ma
a-na
Sa-sa-
„ W e n n sie ihre F r e i l a s s u n g dir nicht g e w ä h r t , so wende zu ihr (seil, zu I s t a r , von der ich dir jetzt das alles erzählt habe) . . . . . . " Im Zeilenschluss muss etwas wie ràmânka (wozu die Spuren passen) oder pânika stecken („wende dich, wende dein A n t l i t z " ) ; leider ist die Stelle abgebrochen. Jedenfalls lässt diese Zeile allein die g a n z e 1 ) A e l i n l i c h LENORMANT, Anfänge 2)
Die
einzelnen
Erklärungen
der Kultur, s,
in
meinen
S. 58. Anmerkungen- z.
St,
Einleitung,
/
Situation klar erkennen: Z. 46—58 gehören nicht zur Dichtung, bilden jedoch den Kern des Ganzen, da sie den Anlass schildern, um dessentwillen die „Höllenfahrt der Istar" erzählt ward. Ein Mann klagt um den Tod seiner Schwester. Er ist zu einem Magier gegangen, bei ihm sich Rats zu erholen, wie er den Geist der Verstorbenen aus dem Kerker des Hades erlösen könne. Der Priester erzählt ihm die Geschichte der „Höllenfahrt" (daher meine Ergänzung Obv. Z. 1), um dem Bittenden durch ein Beispiel zu zeigen, dass die Pforten des Hades nicht unüberwindlich sind, und giebt ihm dann den R a t (Z. 44 ff.), er möge an Istar, die Hadesbesiegerin, und an Tammuz, ihren Gemahl, mit Gebet und Opfer sich wenden, um sich deren Beihilfe bei der Totenbeschwörung zu sichern. Dann soll er bestimmte Trauerceremonieen am Sarge der. Toten abhalten (Z. 48 f.) und mit Hilfe der Uhät, der Gefährtinnen Istars (vgl. Nimr. Ep. 49, 185 f.), die Trauerklage beginnen (Z. 50).*) Z. 52 ff. erzählen, wie der Geist der Verstorbenen die Klage des Bruders vernimmt und ihn bittet, in den Tag'en des Tammuz (zu der Zeit, „da die Leute sitzen und weinen" — vgl. Ez. 8, 14 —, unter der Gestalt des Tammuz ihre eigenen Toten betrauernd) durch Klagemusik und Weihopfer sie vom Verderben der Unterwelt zu befreien. 2 ) Diese Schlusszeilen bilden, wie gesagt, den Kern Ganzen, während die Legende von der „Höllenfahrt Istar" nur die epische Einleitung und Einkleidung für Totenbeschwörung darstellt.3) Aus anderen Stellen
des der die der
1 ) Zum Einzelnen vgl. auch hier die Uebersetzung und Erklärung. 2) Leider ist die Stelle so verstümmelt und sind die einzelnen Situationen so knapp erzählt, dass uns bei unserer geringen Kenntnis assyrischer Trauergebräuche manches,
besonders Z. 5 1 f., unverständlich bleibt.
Vgl.
übrigens zum ganzen den Abschnitt über die „Möglichkeit einer Befreiung aus der Unterwelt". 3) Aehnliche Legenden in epischer Form finden wir in dem „Gesang von den sieben bösen Geistern" ( I V R 1 5 ) ,
ferner bei der
Beschwörung
8
K a p . I.
D i e Höllenfahrt der Istar.
religiösen Litteratur der Babylonier sieht man, dass an Istar und Tammuz, die Helden der Erzählung (vgl. zu Obv. 64 f.), auch sonst der Gedanke einer Erlösung aus den Pforten der Unterwelt geknüpft ist.1) Deshalb mögen sich innerhalb der Priesterklasse, die mit dem Kult der Totenbeschwörung betraut war 2 ), Legenden, die sich auf die Hadesbesiegung jener Götterwesen beziehen, gebildet und fortgepflanzt haben und, in poetische Form gebracht, als feierliche Introduction der Beschwörungsceremonie benützt worden sein. In der That finden wir auf einer anderen Keilschrifttafel 3 ) die Erzählung einer Totenbeschwörung, welche mit genau der nämlichen Schilderung der Unterwelt beginnt, wie die Beschwörungslegende der „Höllenfahrt der Istar". 3. Die epische Erzählung von der Höllenfahrt selbst, die dem befragten Priester in den Mund gelegt wird, hat seit ihrer Auffindung besonders deshalb das grösste Interesse erregt, weil sie in dem Streite um die „Begabung der Semiten" die F r a g e , ob die Semiten einer epischen Dichtung fähig sind, endgiltig entschied. Dass die Hebräer in der uns überlieferten Litteratur keine epische Dichtung aufweisen, liegt, wie S C H R Ä D E R 1. c. S. 59 treffend bemerkt, daran, „dass sie unter dem reinigenden und läuternden Einflüsse der Offenbarungsreligion der Lebendigkeit der mythologischen Anschauungen verlustig gingen." Dass aber der Keim zu epischen Stoffen zu dem babylonischen Erbteil der Kinder Abrahams gehört, beweist die Erwähnung des Nimrod, des gewaltigen Jägers und Helden (li3a), Gen. 10, 10, eine Gestalt semitischer SagenIVR19,
die mit
einer an die Sintflutgeschichte erinnernden
Schilderung
eingeführt wird. 1) V g l . hierzu das K a p i t e l über „ d i e Möglichkeit einer B e f r e i u n g aus der U n t e r w e l t " . 2) D i e eiepü und muSelü Sa ekimu, s. das eben erwähnte K a p i t e l . 3) V o n HAUPT, Nimr. 1 6 — 1 9 veröffentlicht und fälschlich zum N i m r o d . E p o s gerechnet, welt",
s. hierüber das K a p i t e l :
„ O r t und Bewohner der Unter-
9
Einleitung.
geschichte, die nicht erst, wie W I N E R (.Realw. II, S . 157) meint, in der späteren orientalischen S a g e weiter ausgemalt worden ist, sondern direkt anknüpft an das grosse altbabylonische E p o s von Nimrod (Simson-Hercules). Zur A n l a g e des Epos vgl. die klare Disponierung S C H R A D E R ' S (1. c. S. 56 f.). W a s die D a r s t e l l u n g betrifft, so ist vor allem auffällig, dass die einen V o r g ä n g e , wie das Durchschreiten der 7 Thore, mit möglichster epischer Breite erzählt sind, während andere Stellen eine auffällige P r ä g n a n z der R e d e , ja zuweilen ein unvermitteltes Ueberspringen von einer Situation zur andern aufweisen (vgl. Obv. 24/25. 66/67. Obv. 80/Rev. 1 — 3. R e v . 19/20), ohne dass dadurch der planmässige A u f b a u des Ganzen gestört wird. Die F o r m d e r D a r s t e l l u n g ist Parallelismus der Glieder, eine Form der poetischen Sprache, die sicherlich ursprünglich keine bewusst kunstmässige ist, sondern das natürliche Ergebniss schwungvoll gehobener R e d e . Die rythmische Gliederung der Gedanken und Redewendungen ist übrigens derart ungekünstelt, dass es scheint, als ob die S t i c h e n t e i l u n g , die die Poesieform des parallelismus rtiembrorum zur K u n s t f o r m stempelt, im Original des Britischen Museums nicht ursprünglich ist, sondern vom Abschreiber stammt, der am Ende des Obvers für seine Teilung der Zeilen auf Hindernisse stiess und im 2. Theile des E p o s darauf gänzlich verzichtete. Behufs Richtigstellung des Textes (zuerst veröffentlicht von T A L B O T , Transactions of the Society of Biblical Archaeology I I , 1 7 9 ff.; dann von L E N O R M A N T , Choix de textes N o . 30,
p. 100
ff.,
159;
I V
R
31;
F R I E D R I C H D E L I T Z S C H , AL
3
S. 1 1 0 , No. 3 : obv. 1—24) gestattete mir Herr Professor F R I E D R I C H D E L I T Z S C H gütigst die Benützung seiner eigenen Kollation.
xo
K a p . I.
Die Höllenfahrt der Istar.
Text.
Obvers. Ana irsit lä tärat kak-ka-ri
i-di-[kaPJ
Uu Istar märat uü Sin u-zu-un-sa [,iskun] is-kun-ma märat üu Sin u-zu-un-[sa] ek-li-ti mu-iab a-na bit e-ti-e su-bat üu Ir-kal-la 5 a-na biti sa e-ri-bu-su lä a-su-u iu a-na fyar-ra-ni sa a-lak-ta-sa lä ta-ai-rat a-ti a-na Mit sa e-ri-bu-su zu-um-mu-u nu-u-ra ep-ru si-na-ma H-na ti a-Sar epru bu-bu-us-sn-nu a-kal-su-nu ti-it-tu ra la ra(ma) nu-u-ru ul im-ma-ru ina e-tu-ti as-ba la issüri 10 lab-su-nia kima is-su-ri su-bat kap-pe eli dalti ic siküri sa-pu-nk ep-ru üu Istar ana bäb irsit lä tärat ina ka-sa-di-sa ana amUu kep ba-a-bi a-ma-tum iz-zak-kar amilu kep me-e pi-ta-a ba-ab-ka 15 pi-ta-a ba-ab-ka-ma lu-ru-ba a-na-ku $um-ma lä ta-pat-ta-a ba-a-bu lä ir-ru-ba a-na-ku a-mafy-fya-as dal-tum sik-ku-ru a-sab-bir a-malj.-Jj.a-as si-ip-pu-ma u-sa-bal-kat daläte
Text und Uebersetzung.
Uebersetzung. Obvers. Nach dem L a n d e ohne H e i m k e h r ,
dem L a n d e , [das du kennst (?)], [richtete] I s t a r , die Tochter des M o n d g o t t e s , ihren Sinn. D e s M o n d g o t t e s T o c h t e r richtete ihren Sinn nach dem H a u s e der Finsternis, dem Sitze Irkalla's, nach dem Hause, dessen Betreter nicht mehr h e r a u s k o m m t , nach dem Pfade, dessen H i n g a n g nicht zurückführt, n a c h dem H a u s e , dessen Betreter (Bewohner) dem Lichte e n t r ü c k t ist, dem Orte, da S t a u b ihre Nahruiig, ihre Speise K o t , da Licht sie nicht schauen, in Finsternis wohnen, da sie gekleidet sind wie V ö g e l in ein F l ü g e l g e w a n d , auf T h ü r und Riegel S t a u b sich breitet. Als Istar zum T h o r e des L a n d e s ohne H e i m k e h r gelangt war, sprach sie zum W ä c h t e r des T h o r e s : „ W ä c h t e r des W a s s e r s , öffne dein Thor, öffne dein T h o r — eintreten will ich! W e n n du nicht öffnest, ich nicht eintreten k a n n , werde ich zertrümmern die T h ü r , den Riegel zerbrechen, w e r d e zertrümmern die S c h w e l l e n , aufreissen die Thürflügel,
12
K a p . I.
u-se-el-la-a
mi-tu-ti_ äkile
20 eli bal-tu-ti i-ma-i-du amelu
Die Höllenfahrt der Istar.
kepu pa-a-su
iz-zak-ka-ra
bal-tu-ti
mi-tu-ti
e-pu-us-ma
i-zi-zi be-el-ti lä ta-na-sa
T
)-as-si
lu-ul-lik "sum-ki lu-sa-an-ni 25
e-ru-um-ma an6)-ni-tu *-jf~ statt >~