Irdische Unsterblichkeit: Die Suche nach dem ewigen Leben in der Antike 9783110753691, 9783110753561

Immortality has been understood conventionally and predominantly as the immortality of the soul. Due to the religious do

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German Pages 260 Year 2021

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Zur Einführung
Erstes Kapitel: Die Generische Unsterblichkeit in der Natur
Zweites Kapitel: Die individuelle Unsterblichkeit in der Kultur
Drittes Kapitel: Die Furcht vor dem Ende im Nichts und die Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit
Exkurs: Die Dialektik von Leben und Tod im Kreislauf der Natur
Viertes Kapitel: Das Fortleben der dualistischen antiken Ontologie
Epilog: Lebenswille und Unsterblichkeitsglaube – Der Wille zum Glauben als Vermächtnis der Antike an die Zukunft der Menschheit
Abkürzungsverzeichnis
Bibliographie
Index locorum
Index nominum
Index rerum
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Irdische Unsterblichkeit: Die Suche nach dem ewigen Leben in der Antike
 9783110753691, 9783110753561

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Maria Liatsi Irdische Unsterblichkeit

Maria Liatsi

Irdische Unsterblichkeit Die Suche nach dem ewigen Leben in der Antike

ISBN 978-3-11-075356-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-075369-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-075371-4 Library of Congress Control Number: 2021940729 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: Giulio Romano (ca. 1540), Allegoria dell’immortalità, Detroit Institute of Arts © akg-images / Erich Lessing Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Die vorliegende Untersuchung erfolgte im Rahmen meines Alexander-von-Humboldt-Stipendiums „Forschungsstipendium für erfahrene Wissenschaftler“ am Lehrstuhl für Antike Philosophie der Universität Bonn. Für Unterstützung, Anregung und Kritik danke ich sehr Christoph Horn. Auch die Forschungsansätze von Theo Kobusch waren mir wichtig. Mein besonderer Dank gilt Wolfgang Kullmann, meinem Lehrer der Klassischen Philologie, für die nachhaltigen Anregungen in meiner Freiburger Zeit, vor allem durch seine Arbeiten zur Antiken Philosophie und speziell zu Aristoteles. Desgleichen waren für meine Studien wichtig die Arbeiten von Klaus Oehler zur Philosophie des griechischen Mittelalters (Byzanz), weil sie mir halfen, die besondere Beziehung von griechischer Ontologie und frühchristlicher Theologie in der Spätantike begriffsgeschichtlich besser zu verstehen. Auch meine Lehrtätigkeit in den vergangenen Jahren an der Universität Ioannina, Griechenland, vor meinem Ruf zur Aristoteles-UniversitätThessaloniki, hat mir geholfen, das Buch fertigzustellen. Anläßlich meiner Vorträge über das Thema dieses Buches an den Universitäten Bonn, Mainz, Trier, Braunschweig, Bordeaux, Luzern, Louvain, Berkeley, São Paulo, Bologna, Mexico City, Oxford, Hvar (Kroatien), habe ich zahlreiche Hinweise erhalten, die mir nützlich waren. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich auch bei meinen Kollegen Jochen Althoff, Georg Wöhrle, Nicole Karafyllis, Claus-Artur Scheier, Rafael Ferber, Pierre Destrée, Bracht Branham, Marco Zingano, Eduardo Charpenel, Richard Sorabji, Wolfgang de Melo, Jure und Lise Jovko, die aus ihrer je eigenen Forschungsperspektive wertvolle Beiträge geliefert haben. An dieser Stelle möchte ich auch Paul Kalligas sehr danken, weil sein wissenschaftliches und menschliches Ethos für mich seit vielen Jahren ein hoch anregendes Vorbild ist. Meinen langjährigen Freunden Georg Kuhlmann und Barbara Wehner-Gutmann danke ich herzlich für die sorgfältige Korrekturarbeit und vor allem dafür, daß sie eine konstante Größe in meinem Leben sind. Ein ganz besonderer Dank gilt Antonios Rengakos für seine vertrauensvolle Unterstützung und auch dafür, daß er mit seiner charismatischen Tätigkeit die griechische wissenschaftliche Landschaft im Bereich der Klassischen Philologie und ihren Platz auf der Weltkarte seit vielen Jahren entscheidend verändert. Nicht zuletzt erwähne ich dankbar das Entgegenkommen des Verlags De Gruyter bei der Aufnahme und Drucklegung des Buches und die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit Benedikt Krüger, Katharina Legutke und Florian Ruppenstein. Thessaloniki, im Juni 2021 https://doi.org/10.1515/9783110753691-001

Maria Liatsi

Inhalt Zur Einführung

1

Erstes Kapitel: Die Generische Unsterblichkeit in der Natur  Platon 13  Aristoteles 31

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Zweites Kapitel: Die individuelle Unsterblichkeit in der Kultur 51  Der Ruhm der großen Tat als die Form des ewigen Lebens in der 51 Nachwelt  Der Unsterblichkeitsgedanke und die ‚Religion‘ des Nous bei Platon und Aristoteles 78 . Irdische Unsterblichkeit und der Übergang zur überirdischen 80 Idee bei Platon . Irdische Unsterblichkeit und Ethik bei Aristoteles 83  Der religiöse Unsterblichkeitsgedanke im griechisch-römischen 90 Paganismus  Die Umprägung des Ruhmesgedankens durch das Christentum 102 Drittes Kapitel: Die Furcht vor dem Ende im Nichts und die Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit 112  Die Dialektik von Sterblichkeit und Unsterblichkeit im Judentum und 112 Christentum 121  Auferstehung von den Toten und ewiges Leben  Die christliche Auferstehungslehre in Konfrontation mit der antiken Umwelt 136 Exkurs: Die Dialektik von Leben und Tod im Kreislauf der Natur

162

179 Viertes Kapitel: Das Fortleben der dualistischen antiken Ontologie  Der Irdische Sohn aus Nazareth und der himmlische Sohn Gottes: Die Christologie als ontologisches Erbe der griechischen Philosophie 179  Die zwei Körper des Königs: Zur politischen Theologie des Mittelalters als geschichtliche Manifestation griechischer Ontologie 186  Die Unterscheidung der Prädikatoren ‚Sterblich‘/‚Unsterblich‘ als Uralternative des philosophischen Denkens 192

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Inhalt

Epilog: Lebenswille und Unsterblichkeitsglaube – Der Wille zum Glauben als Vermächtnis der Antike an die Zukunft der Menschheit 199 Abkürzungsverzeichnis

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Bibliographie 216 Texte, Kommentare, Übersetzungen Lexika/Enzyklopädien 221 222 Sekundärliteratur Index locorum Index nominum Index rerum

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Zur Einführung Kein anderes Lehrstück der Metaphysik macht das Ungenügen des Menschen an seiner Endlichkeit so offenbar wie das über die Unsterblichkeit. Das Streben bzw. die Sehnsucht nach Unsterblichkeit¹ ist das gemeinsame, fundamentale Element jeder großen Religion. Der Glaube des Menschen an seine persönliche Fortdauer hat seinen tragenden Grund in dem Verlangen, ja dem physisch und psychisch empfundenen Bedürfnis, sein Dasein nicht begrenzt zu sehen durch den Tod und die damit einhergehende Veränderung, sondern so, wie er in dem Bewußtsein seiner selbst, in seinem Selbstbewußtsein, sein Dasein als das Bleibende, in allem Wechsel seiner Wahrnehmungen Sichdurchhaltende erlebt. In gleichem Maße erscheint dem Menschen das abrupte und absolute Ende seiner selbst in der Vernichtung durch den Tod als widersinnig und unnatürlich. Und weil das nicht sein darf, kann es nicht sein. Wir stehen mit dieser Betrachtung an der Ursprungsstelle aller Formen des Jenseitsglaubens: mit dem Tod kann das menschliche Leben nicht zu Ende sein; in der einen oder der anderen Form muß das menschliche Leben weitergehen. Als die beiden Grundformen des Weiterlebens nach dem Tod haben sich im Laufe der Geschichte im Bewußtsein der Menschen zum einen der religiöse Jenseitsglaube² und zum anderen der Wille zur irdischen Unsterblichkeit in der Nachwelt durch den Ruhm der großen Tat, durch die Dauerhaftigkeit des Ruhmes, herausgebildet. Die beiden Grundformen haben gemeinsam, daß ihnen die Erkenntnis der Vergänglichkeit des Leibes und alles Animalischen vorausgeht und

 Allgemein siehe U. Berner/M. Heesch/G. Scherer, „Unsterblichkeit“: I. Religionsgeschichtlich II. Dogmatisch III. Philosophisch, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 34, 2002; vgl. s.v. „Unsterblichkeit“ in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 8, 2005, und in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 11, 2001. Vgl. W. A. de Pater, Immortality: its history in the West, Leuven 1984. Zu den verschiedenen Formen der Unsterblichkeit siehe z. B. auch T. Brennan, Immortality in ancient Philosophy, in: E. Craig (Hrsg.), Routledge Encyclopedia of Philosophy, London 2002.  Hierzu siehe z. B. P. C. Almond, Jenseits. Eine Geschichte des Lebens nach dem Tode (aus dem Englischen von M. Weltecke), Darmstadt 2017; B. Jakoby, Wir sterben nie – Was wir heute über das Jenseits wissen können, Hamburg ³2009. – Über Jenseitsvorstellungen in der Antike siehe R. G. Edmonds, Imagining the Afterlife, in: E. Eidinow/J. Kindt (Hrsgg.), The Oxford Handbook of Ancient Greek Religion, Oxford 2015, 551– 563; glänzend J. N. Bremmer, The Rise and Fall of the Afterlife, London 2002. Vgl. C. Sourvinou-Inwood, ‘Reading’ Greek Death, Oxford 1995; G. Binder/ B. Effe (Hrsgg.), Tod und Jenseits im Altertum, Trier 1991; R. Garland, The Greek Way of Death, Ithaca, NY 1985; A. Dihle, Totenglaube und Seelenvorstellung im 7. Jahrhundert vor Christus, in: T. Klauser/E. Dassmann/K. Thraede (Hrsgg.), Jenseitsvorstellungen in Antike und Christentum. Gedenkschrift für Alfred Stuiber, Münster 1982, 9 – 20. https://doi.org/10.1515/9783110753691-002

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Zur Einführung

sie haben auch gemeinsam die feste Überzeugung, daß es etwas Wertvolleres als diese der Zeitlichkeit unterworfenen Zuständlichkeiten gibt, etwas anderes, das dem Menschen in seiner Wesentlichkeit, die eine geistige ist, eine überzeitliche Identität verleiht. Die traditionelle bzw. religiöse Auffassung der Unsterblichkeit ist aufs engste assoziiert mit dem Begriff der Seele, so daß konventionell und bis in den allgemeinen Sprachgebrauch hinein unter Unsterblichkeit vorrangig die Unsterblichkeit der Seele verstanden wurde. Die geschichtliche Dominanz von Platonismus und Christentum im Abendland hat diese Begrifflichkeit geprägt und rückwirkend auf die Deutung des Unsterblichkeitsgedankens in der Antike eingewirkt. Es gibt ja aber auch ein anderes Verständnis von Unsterblichkeit, das fast ganz überlagert wurde und nahezu in Vergessenheit geriet. Es ist die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit, dieses Faktum wieder bewußt zu machen und die systematischen Gestalten dieses anderen, säkularen Typus des Unsterblichkeitsgedankens anhand der uns überlieferten Testimonien zu rekonstruieren und stärker als bisher in die Erinnerung zurückzurufen. Dabei geht es um Formen irdischer Unsterblichkeit, das heißt um solche Arten von Unsterblichkeit, verkürzt ausgedrückt die biologische und die biographische, die von der religiösen Unsterblichkeitsvorstellung einer körperlosen Seele jenseits von Raum und Zeit essentiell unterschiedlich sind. Diese Arten irdischer Unsterblichkeit haben in der antiken Gedankenwelt ihre deutliche Ausprägung gefunden, zweifellos auch vor Platon und Aristoteles, wurden aber in der Folgezeit von dem Begriff der Unsterblichkeit der Seele wirkungsgeschichtlich verdrängt.³ Es handelt sich dabei um die Arten von Unsterblichkeit, die uns einerseits in der Dialektik von Leben und Tod im Kreislauf der Natur anschaulich vor Augen liegen und die uns andererseits in der menschlichen Lebenswelt im Modus der Erinnerung der großen Tat als eine bestimmte Form des Fortlebens in der Nachwelt begegnen: als Ewigkeit in der Zeit. *

 Von maßgeblichem Einfluß auf die moderne Forschung ist dabei das mit Recht berühmte Werk von Erwin Rohde, Psyche. Seelenkult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, Tübingen 1893, gewesen, ein Meisterwerk philologischer Forschung, das zahlreiche Generationen von Gelehrten in aller Welt geprägt hat in ihrer Grundeinstellung zu diesem Themenbereich. Trotz entscheidender Revisionen und Vertiefungen, besonders durch religionsgeschichtliche Untersuchungen (man denke nur allein an die Arbeiten von Walter Burkert), hat sich an der großen tradierten Einstellung zugunsten des Begriffes der Unsterblichkeit der Seele auf Kosten des Begriffes der irdischen Unsterblichkeit in der Forschung wenig und im allgemeinen Bewußtsein so gut wie nichts geändert. Dieses Desiderat, so meine Hoffnung, soll durch meine Arbeit abgebaut werden.

Zur Einführung

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Seit alters her gab es Vorstellungen eines Weiterlebens nach dem Tod in einem Totenreich. Ein Gottesgericht entscheidet je nach dem irdischen Leben, je nach dem sittlichen oder nicht sittlichen Verhalten, ob das Reich im Jenseits ein solches des Lichtes oder, als Strafe, ein solches der Finsternis ist. Unter den Kulturen des Altertums gab es solche Vorstellungen, am ausgeprägtesten in Ägypten und in Persien, und Griechenland entwickelte in den Mysterien und im Platonismus weiterführende Ansätze zu Vorstellungen der Unsterblichkeit mit Bezug auf den Menschen, wahrscheinlich nicht ohne den ägyptischen Einfluß. Die orphischen, dionysischen, eleusinischen und andere Mysterien der Griechen basieren auf Vorstellungen der Erlösung, die mit dem Gedanken der Erlösung vom Tod aufs engste verbunden sind.⁴ Der Körper wurde sowohl bei den Orphikern wie auch bei den Pythagoreern als das ‚Grabmal‘ (σῆμα) für die unsterbliche Seele betrachtet (Orpheus 1 B 3 D.-K.) im Zusammenhang mit einer Seelenwanderungslehre (Pythagoras 14 A 8 D.-K.; vermittels Empedokles 31 B 29 D.-K.) und es dauerte nicht lange, als daß die Unsterblichkeit sich mit einer Unsterblichkeit der Seele identifizierte.⁵ Die Unsterblichkeit war, ob bejahend oder verneinend, immer wiederkehrendes Thema, bei Homer und Hesiod als Epitheton der Götter, der per definitionem „Unsterblichen“ (ἀθάνατοι). Das ist auch bei den Vorsokratikern so (Parmenides 28 B 1 D.-K.; Empedokles 31 B 147 D.-K.), allerdings mit der Weiterung, daß sie das Attribut der Unsterblichkeit auch auf die Entstehung des Kosmos anwenden. Bei Anaximander ist das Apeiron unsterblich und unvergänglich (12 B 3 D.-K.: ἀθάνατον … καὶ ἀνώλεθρον). Bei Empedokles sind es die vier Elemente sowie der Gegensatz von Liebe (φιλότης) und Streit (νεῖκος) (31 B 35 D.-K., 31 B 16 und 31 B 7 D.-K.). Bei Diogenes von Apollonia ist es die Luft (64 B 7 f. D.-K.). Aber dabei blieb es nicht. Der Gedanke der Unsterblichkeit spielte auch zu den Menschen hinüber.⁶ In der homerischen Welt, obwohl der Dualismus vom Körper und

 Vgl. R. Edmonds, Redifining Ancient Orphism: A Study in Greek Religion, Cambridge 2013.  Vgl. z. B. W. Stettner, Die Seelenwanderung bei Griechen und Römern, Stuttgart 1930. Siehe auch H. S. Long, A Study of the Doctrine of Metempsychosis in Greece from Pythagoras to Plato, Princeton 1948.Vgl. R. S. Bluck, „The Phaedrus and Reincarnation“, American Journal of Philology 79, 1958, 156 – 164; E. Pender, „The Rivers of Tartarus: Plato’s Geography of Dying and ComingBack-to-Life“, in: C. Collobert/P. Destrée/F. J. Gonzalez (Hrsgg.), Plato and Myth. Studies on the Use and Status of Platonic Myths, Leiden 2012, 199 – 233; R. Stalley, „Myth and Eschatology in the Laws“, in: C. Partenie (Hrsg.), Plato’s Myths, Cambridge 2009, 187– 205. Siehe ferner H. Zander, Geschichte der Seelenwanderung in Europa. Alternative religiöse Traditionen von der Antike bis heute, Darmstadt 1999.  Zum Problem der Unsterblichkeit und Eschatologie in der griechischen Philosophie von den Vorsokratikern bis zur frühen hellenistischen Zeit bzw. zur Bedeutung der Seelenkunde für die griechischen Philosophen siehe A. Long, Death and Immortality in Greek Philosophy, Cambridge 2019; A. Drozdek, Athanasia. Afterlife in Greek Philosophy, Hildesheim/Zürich/New York 2011.

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Zur Einführung

Seele vorhanden ist, hat die Seele keine herrschende Rolle.⁷ Das wahre Leben findet nur im Diesseits statt und die wahre Unsterblichkeit wird durch Ruhm und Nachruhm im diesseitigen Leben gewonnen. Das ideale, strebenswerte Leben war das ehrenvolle Leben des Heroen.⁸ Aber auch später in der lyrischen Dichtung sehen wir, daß wer aufgrund einer großen Leistung, also eines Sieges oder aber auch eines tapferen Sterbens im Krieg⁹ oder eines Sieges in den athletischen Spielen¹⁰, den ewigen Ruhm im Gedächtnis der Nachwelt erreichte, der hatte bereits Züge der Unsterblichkeit für sich gewonnen. Auch die Epitaphien Reden in

Vgl. gründlich I. Kalogerakos, Seele und Unsterblichkeit. Untersuchungen zur Vorsokratik bis Empedokles, Stuttgart/Leipzig 1996.  Vgl. M. Clarke, Flesh and Spirit in the Songs of Homer. A Study of Words and Myths, Oxford 1999; D. Claus, Toward the Soul. An Inquiry into the Meaning of Psychê before Plato, New Haven 1981.  Siehe z. B. Ilias Ι 410 – 416, bes. 412– 413: εἰ μὲν κ’ αὖθι μένων Τρώων πόλιν ἀμφιμάχωμαι, ὤλετο μέν μοι νόστος, ἀτὰρ κλέος ἄφθιτον ἔσται; Ilias Σ 115 – 125, bes. 121: νῦν δὲ κλέος ἐσθλὸν ἀροίμην. Vgl. Ilias Η 203; Ilias Π 84. Zur Bedeutung der ‚unsterblichen‘ Ehre siehe auch Ilias Ι 302– 303: οἵ σε θεὸν ὣς τίσουσ’· ἦ γάρ κέ σφι μάλα μέγα κῦδος ἄροιο.Vgl. Ilias Ι 155, 297, 603. Zu der Beziehung zwischen dem Heroenkult und Homer siehe R. K. Hack, „Homer and the Cult of Heroes“, Transactions of the American Philological Association 60, 1929, 57– 74; T. H. Price, „Hero-cult and Homer“, Historia 23, 1973, 129 – 144; J. N. Coldstream, „Hero cults in the age of Homer“, Journal of Hellenic Studies 96, 1976, 8 – 17.  Siehe z. B. Tyrtaios 12 West, 31– 34: οὐδέ ποτε κλέος ἐσθλὸν ἀπόλλυται οὐδ’ ὄνομ’ αὐτοῦ, ἀλλ’ ὑπὸ γῆς περ ἐὼν γίνεται ἀθάνατος, ὅντιν’ ἀριστεύοντα μένοντά τε μαρνάμενόν τε γῆς πέρι καὶ παίδων θοῦρος Ἄρης ὀλέσηι. Vgl. W. Jaeger, „Tyrtaios über die wahre arete“, SPAW 23, 1932, 537– 568 (= Scripta Minora, Rome 1960, II 75 – 113); E. R. Schwinge, „Tyrtaios über seine Dichtung (Fr. 9 G.-P. = 12 W)“, Hermes 125, 1997, 391– 395; H. J. Shey, „Tyrtaeus and the Art of Propaganda“, Arethusa 9, 1976, 5 – 28; C. Fuqua, „Tyrtaios and the Cult of Heroes“, GRBS 22, 1981, 215 – 226. Vgl. auch Kallinos 1 West, 18 – 19: λαῷ γὰρ σύμπαντι πόθος κρατερόφρονος ἀνδρὸς θνήσκοντος, ζώων δ’ ἄξιος ἡμιθέων. Siehe T. Krischer, „Die Elegie des Kallinos“, Hermes 107, 1979, 385 – 389; J. Latacz, Kampfparänese, Kampfdarstellung und Kampfwirklichkeit in der Ilias, bei Kallinos und Tyrtaios, München 1977; I. N. Perysinakis, „Callinus Fr. 1; Warrior’s Alternatives“, Dodone 25, 1996, 63 – 67.  Vgl. Pindar Pythia III, 61 f.; III 114– 115, Isthmia VII, 27 ff., Nemea VII, 10 – 16; IV, 83 – 85; Siehe hierzu E. L. Bundy, Studia Pindarica, Berkeley/Los Angeles 1986; B. Currie, Pindar and the Cult of Heroes, Oxford 2005; R. Thomas, „Fame, Memorial, and Choral Poetry: the Origins of Epinician Poetry – an Historical Study“, in: S. Hornblower/C. Morgan (Hrsgg.), Pindar’s Poetry, Patrons and Festivals, Oxford 2007, 141– 166. Zur Analyse der Aussicht auf ewigen Nachruhm in der Adelswelt Pindars im Anschluß an die Homerische Ethik siehe W. Janke, „Unsterblicher Ruhm der Sterblichen. Philosophische Anmerkungen zum Menschenbild Homers und Pindars“, in: V. Bachmann/R. Heimann (Hrsgg.), Grenzen des Menschseins. Sterblichkeit und Unsterblichkeit im frühgriechischen Denken, Wiesbaden 2019, 41– 59.

Zur Einführung

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Athen im 5. Jahrhundert berichten von der festen, tief verankerten Überzeugung, daß die verstorbenen Heroen im Gedächtnis der Nachwelt unsterblich werden.¹¹ * Das 1. Kapitel der Arbeit behandelt die generische Unsterblichkeit in der Natur, und zwar die Biologie und die Metaphysik von Art und Gattung bei Platon und Aristoteles. Im Mittelpunkt steht Platons Deutung der Zeugung als Teilhabe an der Ewigkeit im Dialog Symposion und Aristoteles’ Lehre von der Konstanz der Arten in der Tier- und Pflanzenwelt. Das 2. Kapitel hat im Gegenzug zum 1. Kapitel die individuelle Unsterblichkeit in der Kultur zum Gegenstand. Gemeint ist damit der Ruhm der großen Tat als die Form des ewigen Lebens in der Nachwelt. Thematisiert wird auch die dominante Rolle des Nous bei Platon und Aristoteles und seine Verbindung mit einer weiteren Form der irdischen individuellen Unsterblichkeit. Das 3. Kapitel zeigt auf, wie seit dem Zeitalter des Hellenismus durch einen epochalen Umbruch im Lebensgefühl der Menschen eine existentielle Furcht vor dem Lebensende immer intensiver die Hoffnung auf eine überirdische Erlösung hervortreibt, um schließlich konsequent und radikal im Glauben an eine Auferstehung von den Toten und an ein ewiges Leben sich in der frühen Kirche der christlichen Gemeinden als ein in der Geschichte einmaliges Massenphänomen zu institutionalisieren, wenn auch anfänglich noch in streitbarer Konfrontation und Auseinandersetzung mit der antiken paganen Umwelt. Der historische Sieg des christlichen Unsterblichkeitsgedankens in Verbindung mit dem Glauben an die Existenz der Individualseele offenbart in der Spätantike in der politisch festgefügten Form des Staatschristentums seit dem durch Kaiser Konstantin begründeten und eingeleiteten neuen Zeitalter das wahre Wesen des Glaubens an die Unsterblichkeit im himmlischen Jerusalem. Das wahre Wesen des Glaubens erscheint nunmehr immer deutlicher und symbolisch weithin sichtbar als eine Projektion der irdischen Unsterblichkeit in Natur und Kultur und vermischte sich schon seit dem Beginn des hellenistischen Zeitalters aus durchaus unterschiedlichen Gründen in den breiten Volksmassen mit einer Jenseitssehnsucht, die schließlich und endlich in der Naherwartung der Erscheinung eines Messias und in dem Hinweis auch auf die „Auferstehung des Fleisches“ seine durchaus nicht mehr nur spirituelle Erfüllung fand. Damit war das antike  Siehe z. B. Thukydides, Hist. II 43, 2: κοινῇ γὰρ τὰ σώματα διδόντες ἰδίᾳ τὸν ἀγήρων ἔπαινον ἐλάμβανον καὶ τὸν τάφον ἐπισημότατον, οὐ ἐν ᾧ κεῖνται μᾶλλον, ἀλλ’ ἐν ᾧ ἡ δόξα αὐτῶν παρὰ τῷ ἐντυχόντι αἰεὶ καὶ λόγου καὶ ἔργου καιρῷ ἀείμνηστος καταλείπεται. Hierzu J. S. Rusten, Thucydides, Book II, Cambridge 1989. Vgl. R. L. Lattimore, Themes in Greek and Latin Epitaph, Urbana 1962, 241 ff.

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Endstadium der Entwicklung des Unsterblichkeitsgedankens erreicht, der einmal mit der Sehnsucht nach einem dauernden, nie endenden Leben begonnen hatte und dann im Laufe der Entwicklung in sein genaues Gegenteil umschlug: in die Lehre vom plötzlichen Ende des diesseitigen Lebens durch den physischen Tod und die Fortsetzung eines andersartigen, wenn auch nicht in jeder Beziehung andersartigen, unsterblichen Lebens im himmlischen Jenseits. Im Bewußtsein dieser Dialektik zweier Unsterblichkeitsbegriffe wird das wahre Wesen des Gedankens der irdischen Unsterblichkeit in seinem inhaltlichen Reichtum, seiner geschichtlichen Potenz und in seinen zukünftigen institutionellen Wirklichkeitsformen vollends sichtbar. Diese Zusammenhänge werden in dem 3. Kapitel meiner Arbeit zur Darstellung gebracht. Im Mittelpunkt des 4. Kapitels steht die Christologie, die begriffslogisch als ontologisches Erbe der antiken vorchristlichen Philosophie interpretiert wird. Es wird gezeigt, wie in den Anfängen der Philosophie der Patristik in den ersten drei Jahrhunderten die neue Religion des Christentums und die alte griechische Philosophie eine Verbindung eingehen, die die bleibende Grundlage der abendländischen Kultur bildete und in dem ersten Konzil von Nicäa im Jahre 325 dogmengeschichtlich identitätsstiftend fixiert und definiert wurde, abgrenzend auch gegen die nichtkirchlichen Gnostiker. Dieses 4. Kapitel macht ferner die lange Wirkungsgeschichte der Problematik der irdischen Unsterblichkeit noch einmal am Beispiel der mittelalterlichen politischen Theologie deutlich, speziell an dem Rechtssatz, der dem weltlichen Herrscher, dem König, zwei Körper zuschrieb: den natürlichen, sterblichen und einen übernatürlichen, der niemals stirbt. Die sinnfällige Darstellung dieser Doppelnatur des Königs war das im Spätmittelalter aufkommende sogenannte Doppeldeckergrabmal für den König. In einem abschließenden Kapitel (Epilog) der ganzen Arbeit wird der Unsterblichkeitsglaube als ein Ausdruck des menschlichen Willens zum Leben, des Lebenswillens, interpretiert und der Wille zum Glauben als letzte Gewißheit und als Vermächtnis der Antike an die Zukunft der Menschheit. * Was ist nun, so müssen wir noch fragen, das Resultat unserer Untersuchung über das Spektrum des Unsterblichkeitsgedankens in seiner irdischen Perspektive, unterschieden von Jenseitsmythen und Seelenglaube. Denn daß der Unsterblichkeitsglaube auch in dieser Perspektive ein historisches Faktum ist, also nicht nur gekoppelt an den Seelenbegriff vorkommt, davon konnten wir uns anhand der Testimonien überzeugen. Ihre Zeugniskraft ist unbezweifelbar und eindeutig und äußert sich in verschiedenen Formen. Der Glaube an die persönliche Unsterblichkeit im Bewußtsein der Nachwelt ist nur eine jener Formen, die durch Grä-

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berkult und monumentale Bauwerke zum Zweck der Erinnerung seit den ältesten Zeiten überliefert sind.¹² Gestützt wurde dieser Glaube durch die Erlebnisse im Traum, und gestützt wird dieser Glaube immerfort durch die Furcht vor dem Tod und durch das Hängen am Leben mit seinen Freuden, seinen Hoffnungen und Erwartungen. All das drängt nach Ewigkeit, nach immerwährender Dauer ohne Ende. Aus dieser anthropologischen Wurzel heraus erwuchs die Vorstellung einer konstanten Größe, der Seele, die die alten Religionen, wie bei den Indern und Orphikern, von Körper zu Körper wandern ließ, oder die Vorstellung eines Lebens im Paradies, oder im Scheol, wie bei den Hebräern. Philosophisch wurde der Begriff der Unsterblichkeit zuerst entwickelt von Platon, mit entsprechenden Beweisen für die Unsterblichkeit der Seele. Was dann in der Geschichte des Christentums zur Erscheinung kommt, ist wesentlich die Idee des Christentums, und das ist die Idee der Einheit Gottes und des Menschen. Diese Idee ist zugleich das bewegende Prinzip der Reihe der Erscheinungen, in denen die Geschichte der Kirche ihren Verlauf nimmt. Diese Erscheinungen sind nur die verschiedenen Seiten des Verhältnisses, das zwischen jener absoluten Idee des Christentums und ihrer Erscheinung seinen Ort hat. Die substantielle Grundlage dieses Verhältnisses ist die Einheit des Traditionsprinzips der durch alle Zeiten mit sich identisch bleibenden Kirche. Was sich in der frühen Phase der Kirchengeschichte in den ersten Jahrhunderten ereignete, stellt sich uns heute in der historischen Rückschau dar als der Eingang der Idee des Christentums in die geschichtliche Realität der Erscheinungswelt, wo sie sich mit ihr zu der nicht mehr negierbaren Synthese der Weltgeschichte zusammenschließt und insonderheit zusammenschließt zu jener geschichtlichen Einheit, die wir heute die Zeit der Kirchenväter nennen. In dieser Zeit setzt die Idee der christlichen Kirche den Inhalt aus sich heraus und realisiert ihn in der schon in dieser frühen Zeit deutlich erkennbaren sichtbaren Kirche, wie sie sich in den zahlreichen christlichen Gemeinden, geleitet durch die Einheit des heiligen Geistes, abbildet. In dieser in statu nascendi sich entwickelnden sichtbaren Kirche kann sich nichts anderes realisieren als nur die Kirche selbst, was sie selbst wesentlich ist. In diesem Sinne ist die Kirche die reale Form, in der das Christentum zu seiner Erscheinung kommt. Und das ist die in der Person Christi angeschaute Einheit Gottes und des Menschen, das heißt mit anderen Worten: das Wesen des Christentums, der Inhalt des christlichen Bewußtseins. Das ist zugleich der substantielle Inhalt der geschichtlichen Entwicklung der christlichen Kirche, und  Zur Glaubenswelt der griechischen Grabinschriften bzw. zu den Jenseitsvorstellungen und Gedanken über die nach dem Tode verrichteten Tätigkeiten und auch zu dem Konzept der Seele als Träger der Unsterblichkeit siehe M. Obryk, Unsterblichkeitsglaube in den griechischen Versinschriften, Berlin/Boston 2012.

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etwas anderes kann dieser wesensgemäß auch gar nicht sein. Die zwei Hauptformen, in denen die Idee der Kirche sich realisiert, sind das Dogma und die Verfassung. In ihnen mußte die Idee der Einheit sich realisieren, damit das christliche Bewußtsein seinen angemessenen Ausdruck darin fand. Im Bereich des Dogmas geschah das in Gestalt der Lehre von der Person Christi und den entsprechenden Lehren vom Logos, von der Trinität, von den beiden Naturen Christi und der Auferstehung, so daß sich das christliche religiöse Bewußtsein in den christlichen Dogmen, also in den christologischen Dogmen, adäquat darstellen konnte. Dieses dogmatische System der christlichen Kirche entstand in seinen wesentlichen Bestimmungen schon in den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte, angetrieben von der Tendenz, den absoluten Inhalt ihres Bewußtseins in den Dogmen des christlichen Glaubens begrifflich zu fixieren. Das Unwahrscheinliche geschah, daß nämlich in diesen ersten Jahrhunderten ohne eine zentrale Stelle, wie später Rom, in dem weiten Rund der christlichen Gemeinden im Mittelmeerraum eine bestimmte, einheitliche Gestalt des Dogmas durch die Wirkung des heiligen Geistes in dem consensus omnium der Bischöfe als den rechtmäßigen Interpreten des Dogmas ihren Ausdruck fand. Splitterstimmen galten gegenüber dem vom heiligen Geist gewirkten Gesamtbewußtsein als häretisch. Der Bischof als Haupt der Gemeinde repräsentiert Christus, und was Christus als das Oberhaupt der Kirche überhaupt ist, das ist in der späteren kirchengeschichtlichen Entwicklung der Bischof von Rom, der Papst, als der Stellvertreter Gottes und Christi, der Inbegriff der dogmatischen Spitze der Kirche, in welcher die realisierte Idee der Kirche angeschaut wird, die Idee der Kirche, in der sich die beiden Hauptformen im Dogma und in der Hierarchie objektivieren. Diese Entwicklung geschah mit erstaunlicher Konsequenz und suchte sich von Anfang an institutionell zu realisieren, wie die Kirchen- und Dogmengeschichte der ersten Jahrhunderte zeugt, bis schließlich das Christentum als siegende Macht mit Konstantin über das ganze Römische Reich sich erhob. Diese Periode der alten Kirche war jedenfalls der erste Schritt zu ihrer weitgeschichtlichen Größe aus kleinsten Anfängen bis hin zu dem, was ihr in ihrer weiteren Entwicklung noch bevorstand: die Vollendung der geistlichen Weltmonarchie im Hochmittelalter. Dabei bleiben die Hauptformen, in welchen die Idee des Christentums ihren Inhalt expliziert, immer dieselben: das Dogma und die Hierarchie, wobei das Dogma die Substanz der Kirche ist, denn jede religiöse Gemeinschaft muß eine bestimmte, dogmatisch fixierte Form ihres religiösen Bewußtseins in Gestalt eines definitorischen Bekenntnisses haben. Sonst fehlt ihr die Identität des institutionellen Selbstbewußtseins. Daran schließt sich das Moment des Kultus an. Der Kultus ist ein Handeln, durch das die Religion dem Leben des Menschen eine Richtung gibt, die den sittlichen Charakter vorgibt. Alle diese

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Momente stehen in einem inneren Zusammenhang und machen den Begriff der Kirche aus. Es ist klar, daß keine historische Darstellung des Systems der christlichen Kirche, auch nicht ihres status nascendi, wie hier im Rahmen unseres Themas des antiken Unsterblichkeitsgedankens, alles geben kann. Die unendliche Mannigfaltigkeit des Einzelnen zwingt zur Beschränkung, so daß der Darstellung, jeder Darstellung, notwendig und unvermeidlich etwas Relatives anhängt, das leider nicht zu verhindern ist. Aus diesem Grund kann man das Wesen und damit das Allgemeine des Christentums, das sich in den ersten Jahrhunderten seiner Existenz seine Bahn bricht und geschichtliche Wirklichkeit wird, überhaupt nicht quantitativ, seinem vollständigen Umfang nach bestimmen, sondern nur qualitativ, indem man einzelne Exempla aus der geschichtlichen Entwicklung der Idee des Christentums selbst in den ersten Jahrhunderten analysiert, die das Prinzip der lebendigen, von der Idee ausgehenden Entwicklung in sich tragen, in der Weise, daß sie in dem Besonderen ihrer geschichtlichen Erscheinung das Allgemeine der Idee als das Bestimmende durchblicken lassen, so daß das Allgemeine im Besonderen erkennbar ist, also das Besondere aus dem Allgemeinen zu begreifen ist, um in ihm selbst nur die Besonderung des Allgemeinen zu sehen und diese beiden Seiten als die Seiten desselben Prozesses zu erkennen. In genau diesem Sinne vollziehen wir in unserer Untersuchung die unvermeidliche, notwendige Auswahl der historischen Exempla der Entwicklung der Idee des Christentums in den ersten Jahrhunderten, immer mit dem Ziel vor Augen, den geschichtlichen Wandel des Unsterblichkeitsgedankens in der Antike deutlich werden zu lassen. Der Unsterblichkeitsgedanke in der Antike nahm dann in jener Zeit eine neue Qualität an, als der Bruch zwischen Geist und Natur eintrat, symptomatisch erkennbar in der Zeit nach Alexander dem Großen. Die historische Erforschung der griechischen Städte in dieser Zeit hat ergeben, daß in vielen Bereichen ein Zerfall des griechischen Lebens in seiner älteren Form eintrat, die unmittelbare Verbindung von Subjekt und Objekt zerbrach und die Objektivität der objektiven Welt sich zurückzog in Richtung des Bewußtseins seiner selbst. Bevor diese Bewegung vollständig an ihr Ziel kommen konnte, nämlich an das philosophische Selbstbewußtsein, erschien das Wahre und das eigentliche Sein mehr und mehr als ein Jenseitiges, so daß das ältere Gefühl des Aufgehobenseins des Subjekts im Objekt, das die früheren Zeiten des griechischen Staatslebens und der Kunst ausgemacht hatte, einem Gefühl der Zerrissenheit und der Sehnsucht nach der verlorenen Einheit wich. Es begannen tastende Versuche, diese verlorene Welt durch metaphysische Spekulationen und Entwertung der sinnlichen Welt in der Askese wiederzugewinnen. So entstand ein Dualismus, dessen Überwindung bzw. Auflösung der alten Philosophie nicht gelang und die letzten Endes an diesem Pro-

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blem scheiterte. In dieser geistesgeschichtlichen und zugleich weltgeschichtlichen Situation trat das Christentum in die Geschichte ein. Es identifizierte sich sogar mit diesem Problem, indem es die Aufhebung der Jenseitigkeit Gottes und die wesentliche Einheit des Göttlichen und Menschlichen verkündete in seiner Lehre, daß Gott Mensch geworden sei. Diesseits und Jenseits versöhnten sich in der Forderung der Wiedergeburt, das heißt der Durchdringung des Sinnlichen mit dem Transzendenten, im Gegensatz gegen die bloß negative Einstellung in der Askese. Die antike Philosophie blieb bei der Zurückziehung des Denkens auf sich selbst stehen, beim Denken seiner selbst, des Denkens des Denkens. Das war der Standpunkt auf dem Aristoteles letztendlich stehenblieb, wie seine Lehre vom Unbewegten Beweger zeigt, dessen Sein Aristoteles als ein Denken des Denkens bestimmt; und auf diesem Standpunkt ist die nacharistotelische Philosophie verblieben, und aus diesem Standpunkt entwickelte Descartes den Ausgangspunkt der neueren Philosophie, der schließlich auf ihre Weise die Vermittlung jenes Gegensatzes gelingt, der die absolute Grenze der antiken Philosophie gewesen ist. Aber mit dem Eintritt des Christentums in die Geschichte beginnt die Vorgeschichte dieses Neuanfangs der Philosophie, der bei Augustinus unübersehbar hell aufleuchtet in seiner Lehre von der Selbstgewißheit des Denkens. Schon in den Jahrhunderten vor Augustinus hatte sich das Christentum mit der Philosophie in Verbindung gesetzt. Die ersten Versuche einer Philosophie des Christentums haben die sogenannten Gnostiker unternommen in der Absicht, vom Glauben (πίστις) zum Wissen (γνῶσις) fortzuschreiten. Dabei haben sich im Laufe des zweiten und dritten Jahrhunderts gnostische Systeme herausgebildet, so bei Valentinus (gestorben 160) in Alexandria und Rom und seit 240 durch den Parsen Manes der Manichäismus. Im Zuge der Bekämpfung des Gnostizismus als hätetische Lehre durch Clemens von Alexandrien (~150 – 215) entwickelten sich die Grundgedanken einer kirchlichen Gnosis, die von Origenes (185 – 254) zu einem System christlicher Theologie entwickelt wurde. Clemens von Alexandrien und Origenes, beide Lehrer an der Katechetenschule zu Alexandrien, waren Vertreter einer Gnosis, die eine Übereinstimmung mit dem allgemeinen, d. h. katholischen Kirchenglauben zu bewahren suchten. Im Rahmen unserer Thematik des Unsterblichkeitsgedankens in der Antike ist vor allem Origenes wichtig, weil er die früheste christliche systematische und vergleichende, zugleich verteidigende Theologie in Form einer Streitschrift gegen Kelsos vollendete, wobei er die Gnosis und den Neuplatonismus, besonders die Lehre vom Logos, zur Deutung der Bibel benutzte. Origenes ist Schüler des Philosophen Ammonios Sakkas, dessen Schüler auch Plotin war. Philosophisch bedeutsam sind die beiden Arbeiten De principiis und Contra Celsum. De principiis ist die erste systematische Darstellung der

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christlichen Lehre, eine theologische „Summe“. Contra Celsum ist geschrieben als eine Widerlegung der „Wahren Lehre“ des Mittelplatonikers Kelsos und ist zugleich eine der großen Apologien des Christentums. Da Origenes aufgrund von Zitaten aus Kelsos’ Werk diesen ausführlich zu Gehör bringt, ist der Text ein erstrangiges Dokument der frühchristlichen Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen philosophischen Denken. Beide Seiten argumentieren außerdem platonisch, was die Sache umso spannender macht. Es geht um das Problem der Freiheit Gottes und der Menschen. Origenes’ Theologie ist von großer spekulativer Kraft. Von der Kirche werden nur in korrigierter Fassung einige seiner Positionen übernommen, obwohl Origenes in seinen Schriften das philosophisch kohärenteste System der antiken christlichen Theologie entwickelt und er die Synthese von Platonismus und Christentum zu ihrem Höhepunkt führt. Mit Origenes kommt zum ersten Male der Versuch einer Darstellung des Christentums als System zustande und zu einem vorläufigen Abschluß, nicht ohne wirkungsgeschichtliche Folgen. Obgleich von sogenannten Orthodoxen als Ketzer angegriffen, ist er für die nachfolgende Geschichte des Christentums und insbesondere für die dogmengeschichtliche Systematik von innovativer Bedeutung. Er hat zum Teil erst das begriffliche Vokabular geschaffen für die systematische christliche Theologie. Das gilt insonderheit in seiner Auseinandersetzung mit Kelsos für die uns leitende Thematik des Unsterblichkeitsgedankens im christlichen Kontext in dieser frühen Phase. Auch Augustinus formuliert nicht ab ovo und ist nicht unabhängig von der voraufgegangenen Systematisierung der christlichen Lehre, wenn auch seine Formulierung der Lehre vor allem für die Rezeption und Weiterentwicklung im Mittelalter von Bedeutung ist, nachdem die entscheidenden, maßgeblichen Elemente der Idee des Christentums in den voraufgegangenen ersten Jahrhunderten ihre Bewußtwerdung erfahren hatten, wie zum Beispiel auch Augustinus’ Beitrag zum Thema der Unsterblichkeit im zweiten Buch der Soliloquien und in dem kleinen Traktat De immortalitate animae bezeugt. Insoweit ist unsere Analyse der dogmengeschichtlichen Fixierung in den ersten christlichen Jahrhunderten, wie sie in unserer Untersuchung zur Sprache kommt, für die Charakterisierung des christlichen Unsterblichkeitsgedankens hinreichend, denn es geht dabei um eine synoptische Darstellung des Prototyps des christlichen Unsterblichkeitsbegriffes im Spektrum der antiken Geistesgeschichte. Diese Aufgabe verlangt nicht die Nacherzählung und Aufzählung der unendlichen Mannigfaltigkeit des Einzelnen der christlichen Kirchen- und Dogmengeschichte, auch nicht die Erwähnung ihres gesamten geschichtlichen Personals, sondern allein die Kenntlichmachung des sich in allen ihren Erscheinungen durchhaltenden Urbildes und Musterbildes, das in der Entwicklung der Idee als das Identische zur Erscheinung kommt. Zur Erfüllung dieser Aufgabe gehört ganz wesentlich auch der Rückgang und die Bezugnahme auf den Text der

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Schriften des Neuen Testamentes, die bei aller historischen Uneinheitlichkeit gleichwohl die Einheit der Idee des Christentums erkennbar wiedergeben, wie die Geschichte des Christentums überzeugend beweist; und wem das Zeugnis der Schriften des Neuen Testamentes als Wahrheitsbeweis nicht genügt, der möge die Gegner des Christentums in der zweitausendjährigen Geschichte seines Bestehens befragen; die wissen zuverlässig genau, worauf es im Christentum ankommt und irren sich kraft Ablehnung und Aversion nur selten. Außerdem gibt es die moderne Wissenschaft des Neuen Testamentes, deren idealtypischer Konsens nicht von daran interessierter Seite kleingeredet werden sollte. Zum Schluß noch eine kurze Bemerkung zu dem Ausdruck ‚irdische Unsterblichkeit‘. Gelegentlich wird dieser Ausdruck als eine Metapher bezeichnet. Tatsächlich ist damit gar nichts gesagt, vor allem aber kein Erkenntnisgewinn erzielt. Denn abgesehen davon, daß die meisten sprachlichen Ausdrücke als abgesunkene Metaphern sich zu erkennen geben, sagt hier mal wieder Nietzsche das Richtige in seinem Aufsatz „Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne“, wenn er anmerkt, daß alle sprachlichen Ausdrücke auf bildhafte oder metaphorische Wurzeln zurückführbar sind, was darauf schließen läßt, daß in letzter Konsequenz der Sprache und dem Sprechen vorgängig das Zeigen eines Sachverhaltes, also eine deiktische Funktion, vorhergeht.

Erstes Kapitel: Die Generische Unsterblichkeit in der Natur 1 Platon Die Reden über den Eros, die Platon im Symposion halten läßt,¹³ haben ihren Höhepunkt in der Rede des Sokrates, der allerdings keine eigene Rede hält, sondern er gibt einen Mythos und dessen Erläuterung wieder, die ihm vor langer Zeit von einer Priesterin Diotima aus Mantineia kundgetan worden seien.¹⁴ Diese erzählt zuerst den Mythos von der Zeugung des Eros am Tag der Geburt der Aphrodite, als die Götter ein großes Fest machten, an dem auch der Sohn der Metis, Poros (die Fülle, der Reichtum), teilnahm, der, trunken von Nektar, nach dem Mahl im Garten des Zeus auf Penia (Mangel, Armut) traf und sie schwängerte. So erscheint Eros, zugleich als Kind des Reichtums und der Armut, in Platons Symposion als Personifikation des menschlichen Strebens nach dem Schönen, aber als seiner Mutter, der Armut, Kind weicht der Mangel nie von seiner Seite. Immer ist er arm, und auch nicht schön anzusehen, struppig und ungepflegt, wie

 Zum Dialog siehe R. E. Allen, The Dialogues of Plato, vol. II: The Symposium. Transl. with Comment., New Haven/London 1991; D. E. Anderson, The Masks of Dionysos. A Commentary on Plato’s Symposium, Albany 1993; R. G. Bury (Hrsg.), The Symposium of Plato. With Introduction, Critical Notes and Commentary, Cambridge 1909, ²1932; K. J. Dover (Hrsg.), Plato, Symposium, Cambridge 1980; M. C. Howatson/F. Sheffield, Plato, The Symposium. Edit. and Transl., Cambridge 2008; R. Hunter, Plato’s Symposium, Oxford 2004; A. Nehamas/P. Woodruff (Hrsg. u. Übers.), Plato, Symposium, Indianapolis 1989; T. Paulsen/R. Rehn (Hrsg. u. Übers.), Symposion, Stuttgart 2006; G. Reale, Platone, Simposio, Milano 2001; S. Rosen, Plato’s Symposium, New Haven/London 1968; C. J. Rowe, Plato, Symposium. Edit. with an Introd., Transl. and Comment.,Warminster 1998; U. Schmidt-Berger (Übers.), Das Trinkgelage oder über den Eros, Frankfurt a. M. 1985. Allgemein zum Symposion siehe z. B. M. Erler, Platon, in: Ueberweg. Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Bd. 2/2, hrsg. v. H. Flashar, Basel 2007, 192– 201, 615 – 619; G. Ferrari, „Platonic Love“, in: R. Kraut (Hrsg.), The Cambridge Companion to Plato, Cambridge/New York 1992, 248 – 277; J. H. Lesher/D. Nails/F. Sheffield (Hrsgg.), Plato’s Symposium. Issues in Interpretation and Reception, Cambridge 2007; A. W. Price, Love and Friendship in Plato and Aristotle, Oxford 1989; L. Robin, Théorie Platonicienne de l’amour, Paris 1908; F. Sheffield, Plato’s Symposium. The Ethics of Desire, Oxford 2006.  Zu einer sehr detaillierten Analyse der Diotima-Rede siehe K. Sier, Die Rede der Diotima. Untersuchungen zum Platonischen Symposion, Stuttgart/Leipzig 1997. Vgl. J. Follon, „Amour, Sexualité et beauté chez Platon. La lecon de Diotime (Banquet 201d-212c)“, Methexis 14, 2001, 45 – 71; V. Melchiorre, „La scala di Diotima. Per una lettura del Simposio di Platone“, Rivista di filosofia neoscolastica 93, 2001, 343 – 371; R. Patterson, „The Ascent Passage in Plato’s Symposium“, Proceedings of the Boston Area Colloquium in Ancient Philosophy 7, 1991, 193 – 214. https://doi.org/10.1515/9783110753691-003

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Erstes Kapitel: Die Generische Unsterblichkeit in der Natur

er ist; umso mehr erfüllt ihn die Liebe zum Schönen. Er ist weder sterblich noch unsterblich, sondern lebt in einem Hin und Her zwischen Aufblühen und Verblühen, je nachdem wie ihm die Fülle des Lebens zuströmt oder ihn wieder verläßt. So verdichtet sich die mythische Erzählung von Zeugung und Geburt des Eros ganz von selbst zur allgemein begreiflichen Allegorie seines Wesens, zum Gleichnis des ruhelosen Auf und Ab in der Sehnsucht der Menschen nach Erfüllung und Befriedigung im Schönen und letzten Endes zum Gleichnis des menschlichen Strebens nach Erkenntnis der Idee des Schönen, des Guten und des Wahren in eins. Darum muß wohl Eros auch Philosoph sein (203 B ff.). Zu Beginn ihrer Ausführungen schließt Diotima an den in der Rede des Aristophanes vorgetragenen Mythos von den Kugelmenschen an, durch den das sonderbare Verhalten der Menschen, wenn sie verliebt sind, seine Erklärung finden soll. Aber sie geht einen Schritt weiter und fügt hinzu, daß die Menschen nicht nur die Ganzheit der Natur in ihrer erotischen Leidenschaft suchen, sondern noch mehr sind sie auf der Suche nach dem Guten, weil Lieben in Wirklichkeit nichts anderes sei als das Verlangen nach dem dauernden Besitz des Guten.¹⁵ Das läßt die Frage aufkommen, wie denn überhaupt für die sterblichen Menschen der dauernde Besitz des Guten möglich sei. Die Endlichkeit der menschlichen Existenz und der ständige Verfall des Bestehenden scheinen dem doch augenscheinlich entgegenzustehen. Zielsicher erweist Diotima, dagegenhaltend, auf das Phänomen der Zeugung, das in der Natur die Konstanz des Lebendigen seiner Art nach gewährleistet. Was dem Individuum in seiner Begierde unbewußt und verborgen bleibt, ist in ihm dennoch umso mächtiger wirksam: nämlich daß seine Begierde nichts anderes ist als der Wille zur Zeugung und zur Geburt. Genau das aber, Schwangerschaft und Fortpflanzung, ist im Sterblichen das Unsterbliche.¹⁶ Initiiert wird der Wille zur Zeugung durch die Erscheinung des Schönen. Das Häßliche erregt diesen Willen nicht. Und zwar ist es die Schönheit nicht nur des Leibes, sondern auch der Seele, wie Platon Diotima ausdrücklich hinzufügen läßt.¹⁷ Trächtig von Samen seien alle Menschen, an Leib und an Seele, und wenn sie in das Alter der Reife gekommen sind, dann begehre unsere Natur etwas

 206 A 11 f.: ἔστιν ἄρα συλλήβδην, ἔφη, ὁ ἔρως τοῦ τὸ ἀγαθὸν αὑτῷ εἶναι ἀεί.  206 C 5 – 8: ἡ γὰρ ἀνδρὸς καὶ γυναικὸς συνουσία τόκος ἐστίν. ἔστι δὲ τοῦτο θεῖον τὸ πρᾶγμα, καὶ τοῦτο ἐν θνητῷ ὄντι τῷ ζῴῳ ἀθάνατον ἔνεστιν, ἡ κύησις καὶ ἡ γέννησις. Vgl. 206 E 7– 8: ὅτι ἀειγενές ἐστι καὶ ἀθάνατον ὡς θνητῷ ἡ γέννησις. Siehe dazu auch Platon Nomoi VI. 773 E 6 – 8.  206 B 7– 8: ᾿Aλλὰ ἐγώ σοι, ἔφη, ἐρῶ. ἔστι γὰρ τοῦτο τόκος ἐν καλῷ καὶ κατὰ τὸ σῶμα καὶ κατὰ τὴν ψυχήν. Zur Erläuterung des platonischen Ausdrucks „Gebären im Schönen“ (τόκος ἐν καλῷ) auch unter Berücksichtigung der Politeia und des Phaidros siehe C. D. C. Reeve, „Plato on Begetting in Beauty (209e5 – 212c3)“, in: C. Horn (Hrsg.), Platon, Symposion, Berlin 2012, 159 – 189. Vgl. E. Pender, „Spiritual Pregnancy in Plato’s Symposium“, Classical Quarterly 42, 1992, 72– 86.

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hervorzubringen.¹⁸ Dieser Trieb geht durch alles Lebendige, durch Menschen, Tiere und Pflanzen. Blickt man auf die Menschen, so könnte man glauben, sie täten das, was sie gemäß diesem gesamtkosmischen Trieb tun, aus Überlegung (207 B 7: ἐκ λογισμοῦ).¹⁹ Aber bei den Tieren beobachten wir den gleichen Zustand der Erregung, in den sie kommen, wenn sie zu zeugen begehren, wie sie alle krank sind vor Liebe und von ihr beherrscht werden.²⁰ Der Eindruck, daß das Verhalten der Menschen bei der Zeugung „aus Überlegung“ geschehe, nicht etwa triebgesteuert sei, entsteht aus der Erkenntnis, daß dem scheinbar so zufälligen, vernunftlosen Paarungsgeschehen eine Zielgerichtetheit und Zweckmäßigkeit zugrunde liegt, die wir nur dem rationalen, vernunftgemäßen Verhalten zuzuschreiben gewohnt sind. Daher die Feststellung Diotimas: „Bei den Menschen könnte man glauben, sie täten dieses aus Überlegung; bei den Tieren aber, was mag da die Ursache sein, daß die Liebe sie in solchen Zustand versetzt? Kannst Du das sagen?“²¹ Diese an Sokrates gerichtete Frage, worauf dieser aber auch keine Antwort weiß, leitet über zu der metaphysischen Kernthese, die Diotima im Folgenden entwickelt und mit dem auf Sokrates bezogenen Tadel einleitet: „Denkst Du denn, jemals in den Dingen der Liebe tüchtig zu werden, wenn Du das nicht begreifst?“²² Der Eifer und die Anstrengung des Eros beziehen sich also darauf, das Gute immer zu besitzen, nicht nur zeitweilig. Das erstrebte Gute ist nicht irgendein Gut, sondern das Gute schlechthin. Dieses Gute an sich aber in ständiger Anwesenheit als ewig Seiendes bleibt dem Menschen in seiner irdischen Endlichkeit unerreichbar. Aber er gewinnt Anteil daran durch sein Streben nach ihm in der Zeit seiner irdischen Existenz.²³ Dieses Streben nach dem immer Seienden, nach dem  206 C 1– 4: κυοῦσιν γάρ, ἔφη, ὦ Σώκρατες, πάντες ἄνθρωποι καὶ κατὰ τὸ σῶμα καὶ κατὰ τὴν ψυχήν, καὶ ἐπειδὰν ἔν τινι ἡλικίᾳ γένωνται, τίκτειν ἐπιθυμεῖ ἡμῶν ἡ φύσις.  Vgl. J. Moravscik, „Reason and Eros in the ‘Ascent’-Passage of the Symposium“, in: J. P. Anton/ G. I. Kustas (Hrsgg.), Essays in Ancient Greek Philosophy, Albany 1971, 285 – 302.  Siehe 207 A 7 – B 6: ἢ οὐκ αἰσθάνῃ ὡς δεινῶς διατίθεται πάντα τὰ θηρία ἐπειδὰν γεννᾶν ἐπιθυμήσῃ, καὶ τὰ πεζὰ καὶ τὰ πτηνά, νοσοῦντά τε πάντα καὶ ἐρωτικῶς διατιθέμενα, πρῶτον μὲν περὶ τὸ συμμιγῆναι ἀλλήλοις, ἔπειτα περὶ τὴν τροφὴν τοῦ γενομένου, καὶ ἕτοιμά ἐστιν ὑπὲρ τούτων καὶ διαμάχεσθαι τὰ ἀσθενέστατα τοῖς ἰσχυροτάτοις καὶ ὑπεραποθνῄσκειν, καὶ αὐτὰ τῷ λιμῷ παρατεινόμενα ὥστ’ ἐκεῖνα ἐκτρέφειν, καὶ ἄλλο πᾶν ποιοῦντα.  207 B 6 – C 1: τοὺς μὲν γὰρ ἀνθρώπους, ἔφη, οἴοιτ’ ἄν τις ἐκ λογισμοῦ ταῦτα ποιεῖν· τὰ δὲ θηρία τίς αἰτία οὕτως ἐρωτικῶς διατίθεσθαι; ἔχεις λέγειν;  207 C 2– 4: Διανοῇ οὖν δεινός ποτε γενήσεσθαι τὰ ἐρωτικά, ἐὰν ταῦτα μὴ ἐννοῇς;  Zu der platonischen Konzeption des Eros als Begehren nach Unsterblichkeit und zu den verschiedenen Arten des menschlichen Strebens danach siehe D. Frede, „Die Rede des Sokrates: Eros als Verlangen nach Unsterblichkeit (204c7– 209e4)“, in: C. Horn (Hrsg.), Platon, Symposion, Berlin 2012, 141– 157. Anders interpretiert R. Heimann, „Wege zur Unsterblichkeit. Diotimas Eroslehre in Platons Symposion“, in V. Bachmann/R. Heimann (Hrsgg.), Grenzen des Mensch-

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Erstes Kapitel: Die Generische Unsterblichkeit in der Natur

ewig Bleibenden und nach dem Guten schlechthin verdichtet sich im Menschen in einmaliger Intensität im Akt der Zeugung und im Vorgang der Geburt, wodurch der individuelle Mensch Anteil gewinnt am Überindividuellen, indem er trotz seiner zeitlichen Begrenzung auf ein individuelles Dasein ein Wesen derselben Art hervorbringt, das seine eigene Lebenszeit überlebt und durch die Wiederholung dieses Prozesses in unendlicher Nachfolge die irdische Endlichkeit des individuellen Daseins überwindet, im wörtlichen Sinne besiegt in der Geburt und Auferstehung eines Jüngeren, eines Nachkommen. In solchem Geschehen erfüllt sich das dem einzelnen Menschen unbewußte Streben nach dem Bleibenden, „ein Junges statt eines Alten zurückzulassen“.²⁴ Die sterbliche und zugleich doch unsterbliche Natur vermag nur auf diese Weise, dem Tod und der Sterblichkeit zu entrinnen, indem sie in der Gemeinsamkeit und Pluralität der überindividuellen Art sich am Leben erhält, am Leben festhält, jederzeit bereit und fähig zur Rekreation eines neuen Individuums aus der Fülle des unsterblichen Allgemeinen der Art. „Durch diesen Kunstgriff, Sokrates, sagte sie, hat Sterblichkeit teil an Unsterblichkeit, der Körper ebenso wie alles andere. Auf andere Weise wäre es unmöglich. Wundere dich also nicht, wenn jedes Wesen von Natur aus für seine Sprößlinge Opfer bringt; denn der Unsterblichkeit wegen sind dieser Eifer und diese Liebe mit jedem verbunden“.²⁵ Was Platon hier zum Ausdruck bringt, ist zum einen der scheinbar unüberbrückbare Dualismus zwischen dem ewigen Sein des Göttlichen, dem Guten und Wahren des Bleibenden an sich, das keinerlei zeitlicher Bestimmung und Begrenzung, keinem Werden und keiner Veränderung unterworfen ist, vielmehr in ewiger und gleichförmiger Anwesenheit verharrt, und das Nichtgöttliche, Irdische mit seinem Entstehen und Vergehen. Zum anderen aber geht es hier um die Frage, ob, und wenn ja, auf welche Art und Weise das Sterbliche, Irdische am Unsterblichen, Göttlichen teilhaben kann. Die gleiche Frage, die Platon in bezug auf

seins,Wiesbaden 2019, 133 – 161.Vgl. M. J. O’Brien, „Becoming Immortal in Plato’s Symposium“, in: D. Gerber (Hrsg.), Greek Poetry and Philosophy: Studies in Honour of Leonard Woodbury, Chicago 1984, 185 – 205; C. J. Rowe, „Sokrates and Diotima: Eros, Creativity and Immortality“, Proceedings in the Boston Area Colloquium in Ancient Philosophy 14, 1998, 86 – 98; J. Wippern, „Eros und Unsterblichkeit in der Diotima-Rede des Symposions“, in: H. Flashar/K. Gaiser (Hrsgg.), Synusia, Pfullingen 1965, 123 – 159.  Siehe 207 D 2– 3: δύναται [scil. ἡ θνητὴ φύσις] δὲ ταύτῃ μόνον, τῇ γενέσει, ὅτι ἀεὶ καταλείπει ἕτερον νέον ἀντὶ τοῦ παλαιοῦ. Siehe auch Platon, Nomoi IV. 721 C 2– 6: γένος οὖν ἀνθρώπων […] τούτῳ τῷ τρόπῳ ἀθάνατον ὄν, τῷ παῖδας παίδων καταλειπόμενον, ταὐτὸν καὶ ἓν ὂν ἀεί, γενέσει τῆς ἀθανασίας μετειληφέναι.  208 B 2– 6: ταύτῃ τῇ μηχανῇ, ὦ Σώκρατες, ἔφη, θνητὸν ἀθανασίας μετέχει, καὶ σῶμα καὶ τἆλλα πάντα· ἀθάνατον δὲ ἄλλῃ. Μὴ οὖν θαύμαζε εἰ τὸ αὑτοῦ ἀποβλάστημα φύσει πᾶν τιμᾷ· ἀθανασίας γὰρ χάριν παντὶ αὕτη ἡ σπουδὴ καὶ ὁ ἔρως ἕπεται.

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diesen Dualismus an anderen Stellen in erkenntnistheoretischer Absicht stellt, wie zum Beispiel in der Politeia, im Sophistes und im Siebten Brief, wird hier im Symposion in dezidiert ontologischer Absicht gestellt und beantwortet. Und was für die Menschenwelt gilt, das gilt ebenso für die Tier- und Pflanzenwelt. Es ist das innerkosmische Walten der Macht des Eros, das die ontologische Teilhabe des Vergänglichen am Ewigen, Unvergänglichen ermöglicht. „Auf diese Weise nämlich erhält sich alles Sterbliche, nicht dadurch, daß es immer völlig dasselbe bleibt wie das Göttliche, sondern dadurch, daß das Vergehende und Alternde ein Anderes, Junges von der gleichen Art hinterläßt wie es selbst war“.²⁶ Während Platon bis jetzt aber nur den Zeugungsdrang im allgemeinen für das unbewußte Streben der sterblichen Menschen nach Unsterblichkeit als Ursache angeführt hat, zeigt er im Folgenden phänomenologisch präzis verschiedene Formen des Strebens auf, mit denen die Menschen der zeitlichen Begrenztheit ihres Daseins zu entkommen versuchen, um an der dauernden Anwesenheit des Guten an sich teilzuhaben. Diejenigen, die von leiblichem Zeugungsdrang erfüllt sind, so führt Diotima weiter aus, wenden sich mehr den Frauen zu und sind dieser Art von Eros ergeben und glauben, sich durch Kindererzeugung Unsterblichkeit und Andenken in der Nachwelt zu schaffen (208 E 1– 6). Andere verlassen sich da weniger auf ihre Nachkommen als vielmehr auf ihre eigenen Taten und werden dazu angetrieben von Ruhmsucht; sie sind von dem Eros ergriffen, namhaft zu werden durch unsterblichen Ruhm²⁷ und sind bereit, dafür Geld aufzuwenden und alle möglichen Gefahren auf sich zu nehmen, sogar noch mehr als für ihre Kinder, und jede Anstrengung zu ertragen und auch dafür zu sterben (208 C 2 – D 2). Sokrates, so meint Diotima, nehme doch wohl nicht an, daß Alkestis für Admet gestorben oder Achill dem Patroklos in den Tod gefolgt sei, wenn sie nicht an ein unsterbliches Gedächtnis ihrer Arete geglaubt hätten (208 D 2– 6); nur für unsterbliches Ansehen und für derartigen Nachruhm tun sie alle das Äußerste, und je trefflicher sie sind, desto mehr; denn sie streben nach Unsterblichkeit.²⁸ Das sind diejenigen Menschen, deren Seele noch zeugungslustiger ist als ihr Körper; sie zeugen in dem, was der Seele zukommt. Was aber kommt ihr zu? (209 A 1– 3).

 208 A 7– B 2: τούτῳ γὰρ τῷ τρόπῳ πᾶν τὸ θνητὸν σῴζεται, οὐ τῷ παντάπασιν τὸ αὐτὸ ἀεὶ εἶναι ὥσπερ τὸ θεῖον, ἀλλὰ τῷ τὸ ἀπιὸν καὶ παλαιούμενον ἕτερον νέον ἐγκαταλείπειν οἷον αὐτὸ ἦν.  Siehe 208 C 4– 6: δεινῶς διάκεινται ἔρωτι τοῦ ὀνομαστοὶ γενέσθαι καὶ κλέος ἐς τὸν ἀεὶ χρόνον ἀθάνατον καταθέσθαι.  208 D 7 – E 1: ἀλλ’ οἶμαι ὑπὲρ ἀρετῆς ἀθανάτου καὶ τοιαύτης δόξης εὐκλεοῦς πάντες πάντα ποιοῦσιν, ὅσῳ ἂν ἀμείνους ὦσι, τοσούτῳ μᾶλλον· τοῦ γὰρ ἀθανάτου ἐρῶσιν. Zur Stelle vgl. C. J. Rowe (wie Anm. 13), 189.

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Erstes Kapitel: Die Generische Unsterblichkeit in der Natur

Das ist die Frage, die Diotima nachfolgend beantwortet mit dem Hinweis auf die Einsicht und jede andere Tüchtigkeit.²⁹ Deren Hervorbringer gehören zu den hier gemeinten Personengruppen: Dichter und alle Künstler, welche man als die Schaffenden bezeichnet, zu denen Platon als philosophischer Schriftsteller sich wohl selber auch zählt, wie vermutet werden darf. An hervorragender Stelle der Weisheit nennt Diotima die Fähigkeit der Verwaltung der Staaten und des Hauswesens, deren Name der der Besonnenheit und Gerechtigkeit sei. Menschen mit diesen Fähigkeiten zeugen auch Kinder, nämlich ihre unsterblichen Werke, wie die Dichter Homer und Hesiod bezeugen mit dem unsterblichen Ruhm ihrer Werke und dem ewig dauernden Andenken an diese. Diotima nennt außerdem noch beispielhaft Lykurg und Solon „und andere Männer an vielen Orten unter Griechen und Nichtgriechen, die so Tugenden aller Art erzeugten; ja vielen von ihnen sind um solcher Kinder willen sogar schon Heiligtümer errichtet worden, wegen seiner leiblichen Kinder aber noch keinem“.³⁰ Platons Phänomenologie des Eros im Symposion und speziell in der Rede des Sokrates, die die Lehre der Diotima enthält, präsentiert gegen Ende dieser Rede eine Stufenordnung des Aufstiegs in der Reihenfolge der Wahrnehmungsmodi des Schönen.³¹ Was hier Platon durch Diotima verkünden läßt, ist der Weg des Überganges vom Verliebtsein in den einzelnen schönen Leib irdischer Konkretheit hin zur Allgemeinheit der übersinnlichen Idee geistiger Schönheit. Dieser Weg, so wie er von Diotima beschrieben wird (209 E 5 – 212 B 1), beginnt damit, daß der wahre Liebende bald erkennen wird, ja erkennen muß, daß die Schönheit nicht nur an einem einzigen Leib vorkommt, sondern in allen schönen Leibern dieselbe ist. Sodann wird er, der wahre Liebende, von den Leibern zu den Seelen sich wenden, weil er erkennt, daß auch ein häßlicher Leib eine schöne Seele beherbergen kann, mit der man durchaus schöne Gedanken erzeugen kann. Er wird des Weiteren von den Seelen zu den schönen Erkenntnissen gelangen und bei diesem Übergang hin zur Erkenntnis dessen, was nicht mehr in der Zeit, vielmehr über der Zeit, überzeitlich ist, seine Seele in Verbindung bringen mit dem Ewigen und in diesem Augenblick den Übergang vom Diesseitigen zum Jenseitigen vollziehen. In

 209 A 3 – 4: φρόνησίν τε καὶ τὴν ἄλλην ἀρετήν.  209 D 7 – E 4: καὶ ἄλλοι ἄλλοθι πολλαχοῦ ἄνδρες, καὶ ἐν Ἕλλησι καὶ ἐν βαρβάροις, πολλὰ καὶ καλὰ ἀποφηνάμενοι ἔργα, γεννήσαντες παντοίαν ἀρετήν· ὧν καὶ ἱερὰ πολλὰ ἤδη γέγονε διὰ τοὺς τοιούτους παῖδας, διὰ δὲ τοὺς ἀνθρωπίνους οὐδενός πω.  Zu der überzeugenden These, daß der Dialog keine allgemeine, umfassende Liebestheorie liefern will und daß die Sokrates-Diotima Passage keine generelle Theorie der Liebe entwickelt, sondern nur einen bestimmten Teilaspekt des Liebesphänomens, nämlich den philosophischen Eros, behandelt, siehe C. Horn, „Enthält das Symposion Platons Theorie der Liebe?“, in: C. Horn (Hrsg.), a.a.O., 1– 16.

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diesem Augenblick wird der wahre Liebende, nachdem er alle früheren, nunmehr zurückliegenden Stationen seines Weges passiert hat, in einem Erlebnis, dessen Zustandekommen Diotima mit dem Wort „plötzlich“ (ἐξαίφνης) charakterisiert, einsehend begreifen, daß jede irdische Schönheit, in welcher Form auch immer, verursacht ist und abhängig ist von einer letzten, höchsten Schönheit, nämlich der Schönheit der Idee des Schönen selbst. Die Bestimmungen und Beschreibungen des Irdischen treffen auf sie nicht zu, denn sie ist weder zeitlich (weder entsteht sie, noch vergeht sie; sie ist nicht in bezug auf anderes mehr oder weniger; sie ist nicht in oder an einem anderen). Sie ist „ein mit sich selbst für sich selbst ewig eingestaltiges Sein“³². Die Leidenschaft, in der sich, anfänglich unbewußt, die menschliche Intention verhüllt, die Leidenschaft, die in ihrem anfänglich unbewußten, übervernünftigen Streben nach dem nicht mehr Irdischen, sondern Unbegrenzten, Ewigen, schließlich am Ziel ihres Weges angekommen ist, wird eines wunderbaren Schönen ansichtig werden, das Schöne an sich, die Idee des Schönen, dessen Erkenntnis das allein wesenhaft Schöne erfaßt und begreift, hinter dem alles andere, was sich im irdischen Leben als schön darstellt, „wie ein Gesicht oder Hände oder was sonst zum Körper gehört“,³³ als wesenlos zurückbleibt. Genau das, dieses Streben nach der höchsten Form des Schönen, dem Idealtypus des Schönen, genau das ist der philosophische Eros. Der philosophische Eros ist – durch das sinnliche Sein der irdischen Welt hindurch – das Streben nach dem Jenseits dieser sinnlich wahrnehmbaren Welt: das heißt philosophisch nichts anderes als die Suche nach dem Absoluten als der Bedingung des irdischen Seins des Diesseits und damit die Suche nach der Bedingung der Ordnung und der Schönheit dieser Ordnung des diesseitigen Seins. Wer, wie der Philosoph, so auf der Suche nach der jenseitigen Ursache des diesseitigen Kosmos und des höchsten, letzten Lebenszweckes ist, um daran das Handeln in der Lebenswelt der Menschen anzuknüpfen und festzumachen, der ist nicht auf der Flucht vor dem Diesseits, vor den praktischen Erfordernissen der menschlichen Lebenswelt, sondern der ist auf dem einzig möglichen Weg zum approximativen Erreichen jenes höchsten Punktes, von dem her allein das Sein für Verstehen durchsichtig wird und von dem her allein dem Menschen der letzte, höchste Lebenszweck begreifbar und das Leben wahrhaft lebenswert gemacht wird. Am Ende der Ausführungen Diotimas zeigt sich Sokrates von der Wahrheit ihrer Lehre überzeugt und für das neue Leben, das ihm dadurch eröffnet sei, gewonnen, „und da dies der Fall ist, so suche ich wiederum andere zu überzeu-

 211 B 1 f.: αὐτὸ καθ’ αὑτὸ μεθ’ αὑτοῦ μονοειδὲς ἀεὶ ὄν.  211 A 6 – 7: τὸ καλὸν οἷον πρόσωπόν τι οὐδὲ χεῖρες οὐδὲ ἄλλο οὐδὲν ὧν σῶμα μετέχει.

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gen, daß man zur Erreichung dieses Besitzes für das menschliche Geschlecht einen besseren Mitarbeiter als den Eros nicht leicht finden kann. Deshalb nun behaupte ich, daß jedermann den Eros zu ehren hat, und ich selber ehre seine Kunst und übe sie vor allen und empfehle sie allen anderen und preise jetzt und für immer, soweit ich es vermag, die Macht und den Mut des Eros“.³⁴ Die Grundwahrheit, die durch die Reden des Phaidros, des Pausanias, des Eryximachos, des Aristophanes und des Agathon hindurchscheint und schließlich als der Ansatzpunkt der in der Sokratesrede formulierten Weisheit der Diotima fungiert, ist die Auffassung, daß Liebe immer Liebe zu etwas (ἔρως τινός, 199 D – E) ist. Die Liebe ist das Verlangen nach diesem Etwas. Ihr Wesen ist intentional. Sie hat dieses Etwas noch nicht, aber sie ist seiner bedürftig (ἐνδεής). Am Ende der fünf Vor-Reden zu der Rede von Sokrates/Diotima wissen wir längst, von welcher Art das Etwas ist, wonach der Eros verlangt: es ist das Schöne (καλόν) und die Schönheit (κάλλος); der Eros ist der Schönheit bedürftig. Und weil er der Schönheit bedürftig ist, deshalb kann er selbst auch nicht schön sein. Von dem irdisch Schönen wissen wir, daß es nicht dauernd schön ist. Es vergeht mit dem Lebendigen, das am Ende seiner Dauer dem Tod anheim fällt. Im Symposion steht dieser Aspekt des Alterns und Vergehens im Vordergrund der Betrachtung der Zeit, im Unterschied davon wird in der mythischen Kosmologie des Timaios die Zeit in ihrer Dauer als das abzählbar wandelnde, ewige Abbild der in Einem bleibenden Ewigkeit bezeichnet, und dieses Eine ist die ewige Kreisbewegung des Fixsternhimmels (37 D 1– 38 C 3). Das antike Denken versteht die Zeit, im Unterschied zum modernen Denken, nicht abstrakt, sondern konkret, und zwar primär als die Zeit eines bestimmten Seienden, als die Lebenszeit eines Lebewesens, und in letzter Instanz als die Dauer des alles umfassenden Himmels, der alles welthaft Seiende in sich umfaßt. Das bedeutet aber zugleich, daß die Zeit als das alles Umfassende, alles Beherrschende sowohl Sterblichkeit und Unsterblichkeit, begrenzte Dauer und unbegrenzte Dauer, Endlichkeit und Unendlichkeit an das Seiende zuteilt und es so bestimmt. Im Symposion wird die Zeit, insoweit sie vergeht, von Eros gerettet, der als die Gegenmacht zur vergehenden Zeit auftritt und sein Werk verrichtet. Diese Gegenmacht des Eros gegen die vergehende Zeit des individuell Lebendigen erweist sich durch die Zeugung im Schönen, wodurch das alternd Vergehende durch sein Vergehen hindurch gleichwohl unsterblich wird, eben durch Fortpflanzung, daß es ein Junges an 212 B 2– 8: πεπεισμένος δὲ πειρῶμαι καὶ τοὺς ἄλλους πείθειν ὅτι τούτου τοῦ κτήματος τῇ ἀνθρωπείᾳ φύσει συνεργὸν ἀμείνω Ἔρωτος οὐκ ἄν τις ῥᾳδίως λάβοι. διὸ δὴ ἔγωγέ φημι χρῆναι πάντα ἄνδρα τὸν Ἔρωτα τιμᾶν, καὶ αὐτὸς τιμῶ τὰ ἐρωτικὰ καὶ διαφερόντως ἀσκῶ, καὶ τοῖς ἄλλοις παρακελεύομαι, καὶ νῦν τε καὶ ἀεὶ ἐγκωμιάζω τὴν δύναμιν καὶ ἀνδρείαν τοῦ Ἔρωτος καθ’ ὅσον οἷός τ’ εἰμί.

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stelle des Alten zurückläßt (207 D). Das Sterbliche rettet sich nicht vor dem Untergang dadurch, daß es schlechthin immer dasselbe ist, denn das ist dem Göttlichen vorbehalten, sondern dadurch, daß das sterbende und vergehende einzelne Lebewesen ein anderes Exemplar derselben Art zurückläßt (208 A-B). Das Göttliche kommt mit dem Nichtsein nicht in Berührung, es vermischt sich nicht mit dem Nichtsein, wohl aber das zum Sterben bestimmte einzelne Lebewesen, das im Prozeß des Alterns nach und nach zerfällt, sich auflöst und zum Nichtseienden wird. Nur durch die kontinuierliche Erneuerung in Gestalt eines neuen artgleichen Anderen erhält es sich im Allgemeinen, was ihm im Individuellen nicht möglich ist. Im Unterschied zu dieser sozusagen primitiven, an den Leib gebundenen, biologischen Unsterblichkeit lenkt Diotima in feiner Differenzierung die Aufmerksamkeit aber auch auf den unheimlichen, dämonischen Drang des Menschen nach Ehre und Ruhm, der den Menschen nicht mehr als bloß in der Vitalschicht seiner Existenz verwurzeltes Wesen zeigt, sondern als in seiner Selbständigkeit als soziales Wesen Handelnder, der durch eine außerordentliche Willensanstrengung sehr wohl in der Lage ist, der Möglichkeit und eben auch der Wirklichkeit nach dafür zu sorgen, daß er in der Nachwelt nicht vergessen wird, indem er Taten und Werke hervorbringt, die im Gedächtnis der Menschheit so bald nicht in Vergessenheit geraten. Auch das ist eine Form irdischer Unsterblichkeit, über die bloß biologische Fortpflanzung hinaus, auf die Diotima mit besonderem Nachdruck verweist, denn diese Form der Unsterblichkeit tangiert den Menschen als geistiges Wesen im Zentrum seiner Existenz und eröffnet außerdem die Perspektive auf die Wichtigkeit der Erziehung des Menschen zu einem verantwortlichen Dasein in der Polis, das heißt der Erziehung zur Arete. Daher das Beispiel Lykurgs und das Beispiel der großen Dichter (209 D). Der Ruhm Platons wäre allein schon dadurch unbesiegbar und für alle Zukunft gesichert, wenn von seinen Werken nur der Dialog Symposion der Nachwelt erhalten geblieben wäre. In diesem Dialog erwirbt Platons Schilderung vor allem Ruhm durch die Heftigkeit, mit der die Leidenschaft der Liebe der Geschlechter zueinander jede andere Leidenschaft übertrifft, alle Rücksichten fallen läßt, alle Hindernisse überwindet und, wenn nötig, für ihre Befriedigung sogar das eigene Leben riskiert und opfert (207 A 5 – C 1). Ohne dieses Naturschauspiel als Motiv gäbe es auch keine Weltliteratur, denn diese zehrt davon und lebt aus diesem und von diesem Wunder der Natur. Platon war der erste unter den Philosophen, der es der philosophischen Reflexion würdig erachtete und es sogleich und zugleich in ganz großem Stil thematisierte. Nur wenige Philosophen nach ihm, auffälig wenige, haben dieses Thema auf in etwa vergleichbar hohem Niveau behandelt. Keiner von ihnen ist meines Wissens in seiner Darstellung Platon gleichgekommen. Platons gleichnishafte Beschreibung der menschlichen Ursituation der den

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Menschen verewigenden Fortpflanzung blieb immer unerreicht, bestenfalls vergleichbar mit einigen Aussagen der Bibel. Platon als erstem gelang es auch und sofort, zielgenau die wahre Ursache, die zugleich der Endzweck des auffälligen Eifers des Liebestriebes ist, zu benennen: die Erneuerung und Erhaltung der biologischen Art durch den Akt der Fortpflanzung, in welchem die meisten Menschen gar nicht wissen, was sie eigentlich tun. In dem auf sein Liebesobjekt gerichteten Willen des Individuums tritt der Wille der Gattung auf den Plan. Camoufliert als objektive Bewunderung seines individuellen Liebesobjektes, steckt dahinter doch ursprünglich und der übergeordneten Bestimmung gemäß nichts anderes als das als subjektives Bedürfnis empfundene objektive Verlangen der Gattung nach Erzeugung eines Individuums derselben Art zum Zwecke der Selbsterhaltung und der Fortexistenz der Gattung. Nur scheinbar geht es dabei primär um die Lustbefriedigung des Individuums, in Wahrheit geht es um Leben oder Tod der Gattung, die nur eine Chance hat, weiterzuleben: in der Zeugung und Geburt eines neuen Exemplars derselben Art, um als neues an die Stelle des alten zu treten. Angesichts dieses objektiven biologischen Endzweckes aller Paarung der Geschlechter tritt das Epiphänomen der Gefühle von Liebe und Gegenliebe als ein sekundäres zurück, und die Paarung vollzieht sich ja auch oft genug – ohne darum ihr biologisches Ziel zu verfehlen – nur im Medium des physischen Genusses. Die Erreichung des Endzweckes der Natur bleibt diesem Unterschied gegenüber gleichgültig, das heißt konkret: die Natur interessiert sich nicht für die Gefühle, die den Akt der Paarung begleiten. Platons Phänomenbeschreibung der Erotik und der Sexualität im spezifisch altgriechischen Spannungsfeld heterosexueller und homosexueller Geschlechtigkeit partizipiert auf ihre Weise partiell an dieser Indifferenz. Deutlich kommt Platons Auffassung zum Ausdruck, daß den Liebenden und den sich im Liebesakt Vereinenden dabei der ausschließlich egoistische Zweck der auf Selbsterhaltung gerichteten Natur unbewußt bleibt: sie wissen nicht, was sie tun.³⁵ Platon zeigt im Symposion auch, daß er in der Geschlechtsliebe nicht nur den Selbstbehauptungstrieb der je besonderen Art von Lebewesen am Werk sieht, sondern darüber hinaus auch die Bestimmung und Gestaltung der Individualitäten der Individuen der nächsten Generation. Keinen höheren Zweck als diesen kann es bei der Erzeugung neuer Lebewesen geben, und folglich muß die Um-

 Menschheitsgeschichtlich dürfte es außerdem, nebenbei bemerkt, auch noch nicht allzu lange her sein, daß den Menschen der Kausalzusammenhang zwischen geschlechtlicher Vereinigung und einer neun Monate später erfolgenden Geburt noch unbekannt war. Das Wissen darum setzt immerhin gehobene Ansprüche ans Erinnerungsvermögen und eine beachtliche Abstraktionsleistung voraus, zwei Eigenschaften, für deren Entstehung die Evolutionsbiologie eine lange Entwicklungsgeschichte voraussetzt.

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triebigkeit, Aufgeregtheit, Überschwänglichkeit und Eigensinnigkeit bei der Suche und Begegnung, die Partner schließlich zur Befriedigung des Geschlechtstriebes zusammenführen, die Aufgabe haben, diesem höheren Zweck zur Erfüllung zu verhelfen. Sie werden geleitet von der Sehnsucht nach einer wirklichen und vollständigen Vereinigung, das heißt nach der Verschmelzung zu einem einzigen Wesen, in der Hoffnung, danach nur noch als dieses eine Wesen weiterzuleben, eine Hoffnung, die sich ja tatsächlich in gewisser Weise auch realiter erfüllt, und zwar in dem von ihnen gemeinsam erzeugten neuen Lebewesen, worin die vererbten Eigenschaften beider Partner zusammenkommen. Die Gewalt, mit der es die zwei Individuen verschiedenen Geschlechts zueinander zieht, ist nichts anderes als der in der natürlichen Gattung sich manifestierende Wille zum Leben, der in dem dritten Individuum, das die Vorgängerindividuen erzeugen, äußerlich sichtbar in die Erscheinung tritt, ursprünglich angetrieben von der Gier, Leidenschaft und dem heftigen Verlangen, die die geschlechtliche Vereinigung der Partner begleiten. Je besser nun in jeder Hinsicht zwei Partner zueinander passen, desto heftiger wird die wechselseitige Leidenschaft sein. Weil die Natur aber nicht zwei vollkommen gleiche Individuen bereithält, kann es nur so sein, daß jedem männlichen Wesen ein bestimmtes weibliches Wesen am meisten korrespondiert. Der Zufall ihres Zusammentreffens ist selten, und da, wo er sich einstellt, ereignet sich die eigentliche, die sogenannte ganz große Liebe, wie sie oft von den Dichtern und Romanautoren dargestellt wird. In der Dramaturgie des Dialoges Symposion läßt Platon daher aus gutem Grund durch Aristophanes den Mythos aus grauer Vorzeit erzählen, wonach der Mensch in der Urzeit von anderer Gestalt war als heute.³⁶ Er war rund und hatte vier Beine, vier Arme und einen Januskopf. Es gab drei Geschlechter. Das männliche stammte von der Sonne, das weibliche von der Erde und das mannweibliche vom Mond. Aufgrund ihres Vollkommenheitsgefühls wurden diese urzeitlichen Menschen gegen die Götter übermütig. Daraufhin halbierte sie Zeus, um sie zu schwächen, der Länge nach von oben nach unten. Nun fühlten sich die Menschen nur noch als Hälften, und entsprechend unvollkommen waren sie, denn jede Hälfte wurde erfüllt von Sehnsucht nach der anderen Hälfte. Aber Zeus wollte nicht, daß sie sich in ihrem Kummer verzehrten, sondern ließ ihnen durch den Heilgott Apollon die Scham nach vorne wenden. Sooft sie sich in dieser

 Zu der Aristophanes-Rede siehe zuletzt B. Manuwald, „Die Rede des Aristophanes (189a1– 193e2)“, in: C. Horn (Hrsg.), a.a.O., 89 – 104. Vgl. K. J. Dover, „Aristophanes’ Speech in Plato’s Symposium“, Journal of Hellenic Studies 86, 1966, 41– 50. Anders argumentiert M. J. Carvalho, Die Aristophanesrede in Platons Symposium. Die Verfassung des Selbst, Würzburg 2009.Vgl. ferner C. Iber, „Eros und Philosophie. Der Kugelmensch-Mythos in Platons Trinkgelage“, Prima Philosophia 10, 1997, 245 – 262.

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Verfassung in Zuneigung umarmen, finden sie im Liebesgenuß Befriedigung und erzeugen Kinder und trennen sich danach wieder, um ihre Aufgaben als Menschen in dieser Welt zu erfüllen (189 D 6 – 191 C 8). Dadurch wird außerdem zweierlei erreicht: einmal wird ihnen die (temporäre) Befriedigung als scheinbares Ziel der Liebesleidenschaft vorgegaukelt und die Permanenz der Erwartung auf kontinuierlich neue Erfüllung unterbrochen; zum anderen wird deutlich gemacht, daß es nicht die kurze Dauer des Genusses ist, sondern die Befreiung vom Schmerz der sexuellen Begierde, die die Heftigkeit der Geschlechtsliebe erklärt, weil wegen der Unlust der vorangehenden Mangelempfindung der sinnliche Genuß so leidenschaftlich heftig begehrt wird. So würde dann in Wahrheit wegen der Schmerzfreiheit, nicht wegen der Lustintensität recht eigentlich der Zustand des Genusses und der Trieberfüllung angestrebt; ein Gedanke, der von Platon schon in der Politeia in der Ausführung über Lust- und Schmerzgefühle (583 C 3 ff.) angesprochen und dann im Philebos ausführlicher thematisiert wird. Lust ist nur aufgrund der Begierde (ἐπιθυμία) möglich, diese ist der in der Seele empfundene Zustand des Schmerzes infolge der Auflösung einer Harmonie und im Vorblick auf die Möglichkeit der Befriedigung in der Zukunft, in der sich die Harmonie wieder einstellt. Ermöglicht wird dieser Vorgang zeitlich durch die Erinnerung an die beiden an verschiedenen Zeitstellen liegenden Zustände von Schmerz und Lust, um deren Verbindung es in einer neuen Gegenwart geht, in der präsenten Harmonie als Durchgangsstadium zu erneuter Auflösung der Harmonie in Erwartung wiederholter Herstellung der Harmonie. Ohne Erinnerung und Erwartung als der tragende Grund im Bewußtsein, im Denken, sind Begierde und Lust als psychische und physische Phänomene nicht existent. Je heftiger der Mangel empfunden wird, das heißt je intensiver die Erinnerung an den vergangenen Zustand der Harmonie ist, desto größer ist die nachfolgende Befriedigung. Die größte Lust ist deshalb nicht im Gesunden und Ausgeglichenen, sondern im Kranken und dem Laster Unterworfenen. Seit dem späten 19. Jahrhundert ist dieser Zusammenhang der Gegenstand einer eigenen Wissenschaft, der Psychopathologie des Geschlechtslebens.³⁷ Der in der Aristophanesrede erzählte Mythos von den Kugelmenschen erklärt die Liebe als Produkt einer anfänglichen Zerstörung der Harmonie und des Ausgleichs, mit dem Ergebnis einer dauerhaften, verzweifelten Sehnsucht nach dem ursprünglichen Zustand der Ganzheit und Einheit der Natur. Die Moral von der Geschichte, wie sie von Aristophanes erzählt wird, ist, daß so, wie der Zorn der Götter über das übermütige Verhalten der ersten Menschen zur Halbierung dieser

 Begründet durch Richard von Krafft-Ebing in seinem grundlegenden Werk Psychopathia sexualis, Stuttgart 1886.

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Menschen geführt hat, so auch nur die Rückwendung zur alten Verehrung der Götter die Menschen vor weiterer Bestrafung bewahren kann. Denn sonst „steht zu beführchten, daß wir dann von neuem gespalten werden und so herumlaufen müssen wie die Figuren auf den Grabsteinen, die im Profil dargestellt sind, mitten durch die Nasen gesägt wie gespaltene Würfel“ (193 A 3 – 7). Des Weiteren ist die Moral von der Geschichte, daß, wenn wir die Sehnsucht nach Liebe befriedigt und genossen haben, ein jeder, befreit von den Zwängen der Begierde, sein Werk verrichten und die Arbeit tun kann, die seine Aufgabe in der Polis ist (191 C 7– 8).³⁸ So ist der Eros dem Menschen eingepflanzt. „Er führt das Urwesen wieder zusammen und ist damit beschäftigt, eins aus zweien zu machen und die Natur des Menschen zu heilen“.³⁹ Wir haben uns als Spätgeborene einer Spätkultur daran gewöhnt, diesen in der Aristophanesrede erzählten Mythos von den vorzeitlichen, übermütig gewordenen Kugelmenschen, die dann zur Strafe von Zeus der Länge nach von oben nach unten gespalten werden wie Birnen auf dem Obstteller, amüsiert zu belächeln und Witze darüber zu machen, als ginge uns das heute doch herzlich wenig selber etwas an. Und doch liegt dieser Erzählung ein tragischer Ernst zugrunde, dem sich der nachdenkliche Leser kaum wird entziehen können: die von der unstillbaren Sehnsucht nach der anderen Hälfte ihrer selbst zwanghaft angetriebene Suche danach; voller Hoffnung und Erwartung am Anfang und voller Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit am Ende, schließlich sich in ihr unabwendbares Schicksal fügend, so erleben sich viele, vielleicht die meisten Menschen in dem Bewußtsein, die zu ihnen allein vollkommen passende andere Hälfte ihres Seins niemals und nirgendwo in ihrem Leben zu finden. So begnügen sie sich resignierend mit Ersatzlösungen und Ersatzbefriedigungen in Gestalt von Menschen, von denen sie genau und von vornherein wissen, daß diese nicht die richtige, die allein zu ihnen passende Ergänzung, sind. Das Gleichnis vom Kugelmenschen in der Erzählung des Aristophanes reflektiert diese Dimension menschlicher Existenz in einer Tiefe und Tragik, die immer viel zuwenig beachtet worden ist. Die Geschichte ist nur vordergründig lustig. Wer dabei stehen bleibt, hat überhaupt nichts begriffen von der existentiellen Bedeutung dieser Geschichte, die uns da erzählt wird. Ein Blick auf das Verhältnis der beiden Ge-

 Vgl. zum Thema P. Ludwig, Eros and Polis, Cambridge 2002.  191 D 1– 3: τῆς ἀρχαίας φύσεως συναγωγεὺς καὶ ἐπιχειρῶν ποιῆσαι ἓν ἐκ δυοῖν καὶ ἰάσασθαι τὴν φύσιν τὴν ἀνθρωπίνην. Wie B. Manuwald richtig bemerkt, a.a.O., 100, Anm. 35, „der Akzent liegt nicht darauf, sich mit Hilfe eines anderen ‚selbst‘ zu finden, sondern dass auf der Basis der physischen Vereinigung etwas Ganzes aus zwei Teilen gebildet wird“. Anders Cavalho, a.a.O., bes. 410 et passim, der die aristophanische Liebeskonzeption als ein „Selbsterstrebnis“ interpretiert.

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schlechter zueinander, der Männer und der Frauen, in der uns überlieferten Geschichte der Menschheit ist wenig dazu angetan, etwas anderes zu erblicken als eine Historia calamitatum, deren Komödien, so es welche sind, allzu oft nur die Kehrseite von Tragödien sind. Es ist hier nicht unsere Aufgabe, dieses Problem historisch, soziologisch und psychologisch zu vertiefen. Aber die Feststellung muß erlaubt sein, daß es wahrscheinlich kein Gleichnis gibt, daß dieses schicksalhafte Verhältnis besser, anschaulicher und tiefer zur Darstellung und auf den Punkt bringt, als der Mythos von dem Kugelmenschen in der Aristophanesrede von Platons Dialog Symposion. ⁴⁰

Generische Unsterblichkeit und Ideenlehre Das Gleichnis des Mythos vom Kugelmenschen umfaßt sinnbildlich oder auch direkt sachbezogen alle Elemente, die den Kern des Phänomens der Geschlechtsliebe ausmachen. Der unterschiedliche Grad der Intensität der Liebesleidenschaft, mit der Partner einander begegnen und ihre Begegnung erfahren, durchleben und durchleiden, läßt sich allegorisch wohl kaum besser darstellen und erklären und gleichzeitig symbolisieren, als dies der Mythos tut, von dem anfänglichen scheuen Blick bis hin zur Raserei totaler Verrücktheit, Entrücktheit und Außerachtlassung aller Eigeninteressen, worüber die Umwelt nur den Kopf schüttelt.⁴¹ Das wesentliche Motiv für dieses scheinbar unvernünftige und unkonventionelle Verhalten der Individuen wird im Platonischen Text mit aller wünschenswerten Klarheit deutlich. Es ist die essentia aeterna der Gattung, die ein unendliches Leben hat und das Individuum in den Dienst seines Willens zur Unsterblichkeit stellt oder, besser gesagt, zwingt, dem Individuum seinen souveränen Willen aufzwingend. Insoweit ist die Gattung von größerer Bedeutung als das Individuum, weil das Individuum von der Gattung beherrscht wird. Platon macht deutlich, wie die Gattung ihren Zweck erreicht und wie sie das Individuum dazu bringt, ihren Willen zu erfüllen. Durch eine List, wie unschwer den Worten Platons zu entnehmen ist. Mit Sicherheit würde das Individuum nicht immer freiwillig bei der Bestimmung seiner individuellen Ziele mit der Gattung konform gehen. Dafür ist sein Egoismus zu groß. Also ist der einzig mögliche Weg aus dem Konflikt zwischen Gattung und Individuum, daß die Natur das Individuum mit einer intentio aeterna ausstattet, mit einem Instinkt, der das Individuum dazu bringt, das Objekt des Instinktes als ein Gut für sich anzusehen, das in

 Zu der Ansicht, daß in der Aristophanes-Rede trotz ihrer komischen Einkleidung ein tieferer Sinngehalt steckt, siehe auch B. Manuwald, a.a.O., 101– 103.  Vgl. auch Dover (wie Anm. 13), 113.

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Wirklichkeit ein Gut für die Gattung ist und solchermaßen in dem Individuum die Überzeugung weckt, es verfolge mit diesem Gut nur seinen eigenen Zweck, wo dieses Gut in Wahrheit doch allein der Zweck der Gattung ist. So kommt es, daß der Instinkt, von dem das Individuum geleitet, oder, wie man auch sagen könnte, verleitet wird, wahnhafte Züge annimt, sich also bis zum Wahn steigern kann, wovon die Liebesleidenschaft genügend viele Beispiele liefert, von denen Platon einige besonders markante aufzählt. Alle diese Beispiele haben ihre Wurzel darin, daß ein Verhalten des Individuums, das im Sinne der auf Selbsterhaltung und Fortdauer gerichteten Gattung durchaus vernünftig ist, sonderbar und komisch erscheinen muß, weshalb denn auch tatsächlich die komische Wirkung verliebter Paare auf ihre Umwelt von alters her nachsichtig belächelt wird und zu jenen Verwicklungen führen kann, die überreichlich den Stoff von Bühnenstücken und Romanen der Weltliteratur hergeben. Dasjenige Phänomen, an dem sich das Individuum im Zustand des Verliebtseins und bei der Geschlechtsbefriedigung leitend orientiert, ist die Schönheit als diejenige Eigenschaft des Objektes seiner Befriedigung, die bei der Auswahl möglicher Partner den Ausschlag gibt. Als schön wird von dem Wählenden derjenige Partner empfunden, der ihm als schön erscheint, und das ist im allgemeinen derjenige Partner, in dem der Typus der Gattung annäherungsweise am reinsten zur Darstellung kommt, wobei die Natur selbst in die Wahl korrigierend eingreift, indem sie für den nötigen Ausgleich unter den Partnern sorgt, um auffällige und extreme Abweichungen von dem Gattungstypus zu kompensieren. Dabei leitet die auf Arterhaltung und Erhaltung des Typus programmierte Intention der Gattung die Auswahlentscheidung der Individuen bei der Partnerwahl, und sie tut das mittels des Schönheitssinnes der Individuen, der ganz im Dienst der Aufgabe steht, Unvollkommenheiten der Individuen immer wieder approximativ in Richtung auf die Vollkommenheit des jeweiligen Typus zu variieren. Das bedeutet jedoch nichts anderes, als daß die mit geradezu idiosynkratischer Sorgfalt und Eigensinnigkeit sich vollziehende Auswahl des anderen Individuums durch das auswählende Individuum zum Zweck seiner Geschlechtsbefriedigung und seines sinnlichen Genusses primär gar nichts mit der ansichseienden Schönheit (oder Nichtschönheit) zu tun hat, sondern daß diese nur in jeweiliger Variation, das heißt in abgewandelter Form, die abhängig ist von den Notwendigkeiten des Unvollkommenheitsausgleichs im Sinne der Logik des Gattungstypus, rein funktional und mediatisiert ihre Aufgabe beim Prozeß der Erzeugung eines neuen Lebewesens erfüllt. Von all dem weiß das handelnde Individuum in seiner brennenden Sehnsucht nach dem anderen, von ihm begehrten Individuum, als Partner seiner Geschlechtsbefriedigung gar nichts, insoweit es nur von dem, was ihm als dessen Schönheit erscheint, fasziniert ist. Diese Instrumentalisierung des Schönheitssinnes im Dienst der Zeugung erfolgt in Platons Theorie der Ge-

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schlechtsliebe im Kontext der ideentheoretischen Bestimmung des Begriffes der Schönheit, und zwar im Ganzen der auf Diotimas Lehre bezogenen Sokratesrede und nicht etwa außerhalb von Diotimas Erklärung des Eros. Erst der durch die Lehre Diotimas Aufgeklärte erkennt und durchschaut, was wirklich und in Wahrheit vor sich geht, wenn der Mensch in der Liebe von der Sehnsucht (ἵμερος) nach der Schönheit geleitet wird, daß dies nämlich die Ausrichtung seiner gesamtem Existenz auf das für die Menschengattung Beste ist: auf das Schöne, Wahre und Gute an sich; während die vielen Unaufgeklärten, die in der Unwissenheit verharrenden Menschen, im Angesicht des ihnen schön Erscheinenden, des schönen Leibes, nur die Steigerung des Selbstgenusses suchen und dabei stehenbleiben, ohne im geringsten zu ahnen, daß diese Begierde erst der Anfang eines langen Weges ist, des Aufstiegs zur Idee des Schönen an sich.⁴² Wir müssen an dieser Stelle noch einmal zurückkommen auf den Mythos des Kugelmenschen und dessen Teilung in zwei Hälften, die einander suchen. Dieser Mythos enthält viele Implikate, die im Symposion erst im Fortgang des Dialoggeschehens nach außen kommen, zum Vorschein kommen, und dann direkt oder indirekt angesprochen werden, weil sie integrale Bestandteile des Mythos sind. Dazu gehört auch, daß die Suche nach der jeweils vermißten anderen Hälfte nicht ohne eine Auswahl unter den sich darbietenden Möglichkeiten der Ergänzung vor sich gehen kann, denn sonst wäre es kein Suchen, sondern ein sofortiges, prädestiniertes Einanderfinden aufgrund einer alles beherrschenden magnetischen Kraft. Diese Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, aber nach dem Sinn des von Aristophanes erzählten Mythos bleibt diese Möglichkeit doch eher die Ausnahme, die den Regelfall der verzweifelten und trotz leidenschaftlichen Verlangens in den meisten Fällen vergeblichen Suche nach der ursprünglich zugehörigen, aber durch die Teilung und nach der Teilung verlorenen eigenen anderen Hälfte nur bestätigt. Aber etwas anderes wird durch dieses von leidenschaftlicher Liebe bestimmte Auswahlprinzip der Partnersuche bei der Befriedigung des Geschlechtstriebes auch bestätigt: daß dem Auswählenden die Beschaffenheit des gesuchten Partners keineswegs gleichgültig ist, und das deutet darauf hin, daß es bei dieser Suche objektiv, nicht subjektiv, um mehr geht als um den bloßen Genuß der Befriedigung des Geschlechtstriebes, sondern daß, den Beteiligten unbewußt, die

 Zum vielfältigen Thema der Schönheit (κάλλος) im platonischen Symposion vgl. F. C. White, „Love and Beauty in Plato’s Symposium“, Journal of Hellenic Studies 109, 1989, 149 – 157. Ders., „Beauty of Soul and Speech in Plato’s Symposium“, Classical Quarterly 58, 2008, 69 – 81. Siehe auch A. Nehamas, „Only in the Contemplation of Beauty is Life Worth Living (Plato, Symposium 211d)“, European Journal of Philosophy 15, 2007, 1– 18; G. Richardson Lear, „Permanent Beauty and Becoming Happy in Plato’s Symposium“, in: J. Lesher/D. Nails/F. Sheffield (Hrsgg.), a.a.O., 96 – 123.

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Auswahl gesteuert wird von dem höheren Interesse nicht des Individuums, sondern der Gattung, und dieses höhere Interesse der Gattung besteht in dem Fortbestand des Typus der Gattung in möglicher Reinheit, jedenfalls in dessen wesenhafter Identität, die in jedem kommenden Geschlecht, in jeder kommenden Generation fortleben soll und ja auch fortlebt, wie unsere Erfahrung bestätigt. Genau das macht die Unzerstörbarkeit und Unvergänglichkeit der Menschengattung aus und darauf beruht das Faktum, daß auf jede Generation nicht nur ein weiteres, verschiedenes Geschlecht folgt, das nur der Zeit nach als verschiedenes sich an das vorhergehende äußerlich anschließt. Wäre der Mensch in einem absoluten Sinne vergänglich, nämlich als solcher, das heißt als Gattung, dann bliebe die bis zum Extrem gesteigerte Leidenschaft seines Triebes, ein im Wesen mit sich selbst Identisches hervorzubringen, und die alles bezwingende Macht dieses Triebes über den Menschen ohne zureichenden Grund. Daran schließt sich die Schlußfolgerung an, daß alle Aktivitäten der Liebenden von Anfang an bis hin zur Vereinigung, Zeugung und Geburt des Neuen primär orientiert sind an der wesensgemäßen Beschaffenheit des Neuen im Sinne des Gattungstypus und keineswegs primär das subjektive Interesse der dabei beteiligten Erzeugerindividuen bedienen, auch wenn das wegen der privaten Lustgefühle der Erzeugerindividuen so aussieht. Das muß so sein, weil die Gattung der unsterbliche Teil, das Individuum aber der sterbliche Teil ist. Was sich in dem unwiderstehlichen Verlangen der Individuen zur Vereinigung meldet, ist das unzerstörbare Wesen und sein Fortbestehen in der Einheit der Gattung, deren Identitätserhaltung in der Masse der Individuen die Natur immer wieder zu Selbstkorrekturen hin zum reinen Typus der Gattung, zum Idealtypus, zu dem, was Platon die Idee nennt, zwingt. Hier ist deutlich erkennbar, daß die Idee bei Platon nicht ein willkürliches, aus der griechischen Sprache abgeleitetes Konstrukt ist, das der Sinnenwelt einfach kontradiktorisch entgegengesetzt wird, sondern daß die Idee als Idee die übergeordnete systematische Funktion hat, die Einheit des durch sie repräsentierten Klassentypus in Realpräsenz in der Natur in unendlicher Folge zu perpetuieren, um den ewigen Bestand des Kosmos und seiner Struktur zu sichern. Das wäre nicht möglich, wenn die Idee als Idee, im Verständnis Platons, nur ein gedankliches Konstrukt oder eine Setzung der Sprache wäre. Dazu vergleiche man das im Timaios Ausgeführte. Nur weil jede Gattung der Lebewesen mit jeder neuen Generation ihrer Individuen das Selbe und das Identische für jede neue Zukunft will und verwirklicht, nämlich Leben und Fortdauer, deshalb bleibt sie vom Tod verschont und ist unsterblich, obwohl die Lebensdauer der Menge ihrer Einzelexemplare nur kurz ist. So überwindet die Gattung Tod und Sterblichkeit und sichert ihrem Typus, ihrem Wesen, irdische Unsterblichkeit.

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Das Gleichnis vom Kugelmenschen und seiner Halbierung macht auch eines ganz klar. Die halbierten Menschen sind nicht selbstgenügsame, in sich selbst ruhende Individuen. Sie sind erfüllt von Leben und von dem Willen zum Leben, dem Leben, das nur eins will, das Leben und immer wieder neu das Leben, immer und ewig. Folgerichtig ist dieser in jenem Mythos zum Ausdruck kommende ungehemmte Wille zum Leben auf der elementaren, biologischen Ebene der Natur identisch mit dem Sexualtrieb, der sich in einer endlosen Folge von Nachkommen durch alle Zeiten hindurch ausleben und verwirklichen will. Denn das ist seine Bestimmung. Er sucht und findet seine Verwirklichung in dem dem Tod geweihten Individuum, in welchem er alsbald an sein Ende käme. Er geht darüber hinaus und verkörpert sich in immer wieder neuen Generationen von Individuen. Im Prozeß der Zeugung verschafft er sich jedesmal neu zu einem neuen Individuum, das wieder nur eins will: die eigene Wiederholung und Wiederauferstehung in einem Neuen desselben Typus, das heißt im Sinne der Ideenlehre: in einem neuen Einzelnen, das teilhat am Allgemeinen der zugehörigen Art. Aber dieser Wille zur Zeugung in einem schönen Leib, auf der elementaren Ebene der Natur, sublimiert Platon in einem Prozeß geistigen Aufstiegs zu einem Streben nach der schließlich finalen Idee des Schönen, Wahren und Guten. Diese höchste Idee im Reich der Ideen ist aber nicht mehr erreichbar durch sinnliche Wahrnehmung, sondern nur noch erfaßbar durch die geistige Anschauung im Akt der νόησις. Diese Sublimation, dieser Aufstieg zur höchsten Idee gelingt nicht jedem, sondern ist nur möglich unter bestimmten subjektiven und objektiven Voraussetzungen, die Platon im Siebten Brief benennt. Die Ideen sind das Allgemeine. Vor ihrem Hintergrund vollzieht sich die existentielle Teilhabe des Individuums am Allgemeinen der Art, und diese Teilhabe des Einzelwesens am Artallgemeinen perpetuiert sich bei den Lebewesen, und also auch beim Menschen, im Akt der Zeugung. In diesem Sinne ist dieser Akt als die auf Dauer gestellte Teilhabe des Individuums an der Ewigkeit des Allgemeinen der Übergang des sterblichen Individuums in die Unsterblichkeit. Das ist nun allerdings kein Gleichnis mehr, keine Metapher, wie oft irrtümlich angenommen wird, sondern realste Realität. Denn was ist realer als Zeugung und Geburt? Darin manifestiert sich nicht bloß der Fortbestand äußerlich bleibender Ähnlichkeiten zwischen Individuen, sondern in der Reihe der Generationen die Fortdauer, Unzerstörbarkeit und Unsterblichkeit von mit uns der Art nach identischen Wesen, die sind wie wir, wodurch der Typus der Gattung im Raum und in der Zeit als derselbe erhalten bleibt. Es ist also nicht so sehr die äußere, als vielmehr die innere Gestalt, das Eidos, das sich der sterblichen Individuen als jeweilig wechselnder Träger nur bedient und sich auf diese Weise in den irdischen Dimensionen des Raumes und der Zeit in unendlicher Folge durchhält – in irdischer Unsterblichkeit.

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2 Aristoteles Platons Deutung der Zeugung als integraler Faktor der Prozessualität der Natur und ihres Kreislaufes gehört zu den Teilen der Platonischen Naturphilosophie, die von Aristoteles übernommen und zur tragenden Basis seiner Lehre von der Konstanz der Arten gemacht wurde. Dabei wurden die Verbindungen mit der Ideenlehre, die diese Deutung bei Platon hat, ebenso getilgt wie die Bezugnahmen auf Elemente des Mythos. Der Akzent wird jetzt auf die weltimmanente, biologische Bedeutung des Zeugungsaktes gelegt. Das fiel Aristoteles umso leichter, als seine im Unterschied zu Platon mehr faktenbezogene, naturwissenschaftlichempirische Einstellung dem Horizont der Immanenz, des bewegt Seienden, verhaftet war und nur selten den Blick auf eine Transzendenz lenkte, so jedenfalls in den großen Pragmatien seiner auf uns gekommenen Lehrschriften. Konsequenterweise erhält denn auch Platons poetisch eingerahmte Deutung der Zeugung im Symposion bei Aristoteles ihre pragmatisch nüchterne Gestalt in seiner Erläuterungsformel „Ein Mensch zeugt einen Menschen“ (ἄνθρωπος ἄνθρωπον γεννᾷ).⁴³ In genauer, paralleler Korrespondenz zu Platons Ansatz im Symposion in Sachen Dauerhaftigkeit alles Lebendigen orientiert sich auch Aristoteles, nach der Vorgabe Platons, am Formenbestand der Natur. Denn, wie für jederman sichtbar, hält sich dieser Formenbestand in der Abfolge der Zeit unverändert durch; so jedenfalls der Augenschein und so die Sichtweise für die Menschen der Antike – und, wie wir wissen, noch lange danach bis in die späte Neuzeit, bis zum Aufkommen der Evolutionsbiologie. Insoweit die äußere Gestalt, die Form, das gemeinsame Merkmal aller Individuen der gleichen Art ist, ist diese gemeinsame Form das die artgleichen Lebewesen Bestimmende, sie Definierende. So gesehen ist die Form ein Allgemeines, die das gemeinsame Wesen aller Individuen derselben Art verkörpert. Die Unterschiede zwischen den Individuen derselben Art bestimmt Aristoteles nicht in der Weise, daß er den Individuen je eine individuelle Form zuspricht, wie aus unserer Sicht zu vermuten wäre, sondern indem er den Stoff, die Materie, als den zureichenden Grund der Individualisierung des Individuellen ansieht. Weil die je verschiedene Materie, in der sich die allgemeine Form der Art, die nur die eine ist, jeweils abbildet und dabei die Reinheit und Identität der allgemeinen Form zu sich hin, zu ihrer Materialität hin beeinflußt und damit verändert, tritt jene Abweichung von der Allgemeinheit des Artcharakters ein, die die Individualität des Individuellen konstituiert. Was zwei einzelne Menschen voneinander unter-

 Zum Thema siehe auch M. Liatsi, „Der Unsterblichkeitsgedanke im Kontext der Aristotelischen Naturwissenschaft“, Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption XXIV, 2014, 47– 57.

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scheidet, ist demnach nicht ihr Menschsein, die Form des Menschen, die bei allen Menschen gleich ist, sondern erst die Materialisierung dieser Form in den jeweils verschiedenen Körpern dieser zwei Menschen. In diesem Sinne sagt Aristoteles in Met. Ζ 8. 1034 a 5 – 8: „Das Ganze, die bestimmte Form in diesem bestimmten Fleisch und in diesen bestimmten Knochen, ist Kallias und Sokrates. Sie sind verschieden wegen der Materie, die verschieden ist, identisch aber sind sie nach ihrer Form. Denn die Form ist unteilbar.“⁴⁴ Diese Betrachtungsweise des Aristoteles, in der das Problem der Individualität aus unserer Sicht nicht erklärt, sondern nur noch problematischer wird und als solches auch an das Mittelalter weitergegeben wurde, hat die Aristotelesinterpretation in der Neuzeit zu immer neuen Lösungsversuchen provoziert. In den letzten Jahren glaubte man vorübergehend, die Lösung des Problems darin gefunden zu haben, daß man annahm, Aristoteles habe individuelle Formen als ontologisch primär angesehen.⁴⁵ Aber diese Annahme, die zu allen Grundannahmen des Aristotelischen Gedankensystems quer liegt, wird von den Texten des Aristoteles nicht gestützt und als unhistorisch zurückgewiesen.⁴⁶ Das Eidos, die Form, ist gemäß der durchgängigen Lehre des Aristoteles ein Allgemeines. „Denn die Form ist unteilbar“ (Met. Ζ 8. 1034 a 8), und die Unteilbarkeit der Form begründet die Allgemeinheit der Form, ein logischer Tatbestand, auf dem beruht, daß die Merkmale der Form mehreren Dingen zugleich kommen. Dieser Tatbestand läßt sich begriffslogisch sowohl an den Merkmalen der zugehörigen Gattung als auch an den Merkmalen der artbildenden Unterschiede festmachen, denn diese bestimmen die Form als einen Teil aus dem Umfang der Gattung in Hinsicht auf ihre Arteigenschaft. Innerhalb dieses Koordinatensystems von Gattung und spezifischer Differenz gliedert sich für Aristoteles die Form als das Wesen eines Dinges heraus. Diese Form als das Wesen eines Dinges, seine Substanz, ist dasjenige, was der Inhalt des Begriffes dieses Dinges ist. Insoweit ist der Begriff des Wesens eines Dinges identisch mit seinem Artbegriff. Entsprechend diesem logisch-ontologischen Ansatz hat der Wesensoder Artbegriff eines Dinges für Aristoteles seinen Sitz nicht nur auf der logischen Ebene des Denkens, sondern auch auf der ontischen Ebene des Seins. Das be-

 Τὸ δ’ ἅπαν ἤδη, τὸ τοιόνδε εἶδος ἐν ταῖσδε ταῖς σαρξὶ καὶ ὀστοῖς, Καλλίας καὶ Σωκράτης· καὶ ἕτερον μὲν διὰ τὴν ὕλην (ἑτέρα γάρ), ταὐτὸ δὲ τῷ εἴδει (ἄτομον γὰρ τὸ εἶδος).  Siehe M. Frede/G. Patzig, Aristoteles ‚Metaphysik Z‘. Text, Übersetzung und Kommentar. Bd. III, München 1988.  Dazu W. Kullmann, Aristoteles, Über die Teile der Lebewesen (= Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, begründet v. E. Grumach, hrsg. v. H. Flashar, Bd. 17, Teil 1), Berlin 2007, 171 Anm. 118. Siehe auch Chr. Rapp, „Kein Allgemeines ist Substanz (Ζ 13, 14– 16)“, in: Chr. Rapp (Hrsg.), Aristoteles, Metaphysik. Die Substanzbücher (Ζ, Η, Θ), Berlin 1996, 157– 191. Ders., in demselben Band, „Substanz als vorrangig Seiendes (Ζ 1)“, 27– 40.

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deutet zum Beispiel konkret im Kontext der Aristotelischen Biologie, daß im Bereich der Lebewesen die Unterscheidung nach Gattungen und Arten nicht das Ergebnis der Anwendung bloß subjektiver, katalogischer Einteilungsgesichtspunkte ist und sonst nichts, sondern die Spezies, der biologische Artbegriff, ist mehr als das: er spiegelt eine durch den Fortpflanzungsprozeß sich selbst erhaltende gegenständliche Realität, eben die lebendige Wirklichkeit dieser Art im Weiterleben und Überleben ihrer Individuen. In diesem Sinne und soweit ist der Begriff der lebendigen Art diese lebendige Art selbst, so jedoch, daß diese niemals in einem ihrer individuellen Exemplare vollständig und vollkommen präsent wäre, sondern nur in abgewandelter, reduzierter Form durch den Prozeß der Individuation in das Individuelle, das das Allgemeine der Art und des Artbegriffes notwendigerweise nicht zuläßt – verhindert und unmöglich gemacht durch die einschränkenden Bedingungen der Materie. Die einzige Ausnahme von dieser einschränkenden Bedingung ist der Zeugungsakt. In ihm und durch ihn vermittelt sich das Artallgemeine in realpotentieller Existenz. Realpotentiell ist die Existenz des Artallgemeinen im Zeugungsakt deshalb, weil nur hier die Allgemeinheit der Art und in eins damit des Artbegriffes präsent ist, die sich danach, das heißt nach dem schöpferischen Augenblick der Zeugung, in der Ausformung der gezeugten Individuen sofort wieder vereinzelt. Das ist der Tribut an die Verbindung mit der Materie, die wegen ihrer Tendenz zur Konkretheit Allgemeinheit nicht zuläßt. Aristoteles benutzt die Erläuterungsformel „Ein Mensch zeugt einen Menschen“ prototypisch für diesen Sachverhalt, das heißt dafür, daß sich in der Zeugung das allgemeine, wahre Wesen des Seins und des Begriffes im Kreislauf der Natur konstant durchhält. Daß Aristoteles mit dem formelhaften Ausdruck „Ein Mensch zeugt einen Menschen“ sinngemäß an die Stelle in der Diotima-Rede des Symposion anknüpft, wo Platon Zeugung und Geburt der sterblichen Kreatur als deren Modus der Teilhabe an der Unsterblichkeit bezeichnet, ist von jeher von den Lesern der Aristotelischen Schriften so gesehen worden, wenn auch mit durchaus unterschiedlicher Gewichtung.⁴⁷ Im zweiten Buch von De anima scheint Aristoteles sich direkt auf die Stelle der Diotima-Rede des Symposion (206 C 5 – 208 B 4) zu beziehen, wenn er ausführt (II 4. 415 a 26 – 415 b 7): „Am natürlichsten für die Lebewesen ist es, soweit sie vollkommen sind und nicht Verstümmelungen oder sie von selbst entstehen, daß sie ein anderes hervorbringen wie sie selbst, das Tier ein Tier, die Pflanze eine Pflanze, um nach Möglichkeit am Ewigen und Göttlichen teilzuhaben. Denn da-

 Nicht immer ist die volle systematische Bedeutung dieses Lehrsatzes im Ganzen der Platonisch-Aristotelischen Philosophie erkannt worden. Im vorigen Jahrhundert haben Erich Frank (1927) und Klaus Oehler (1962) erst die Forschung daran wieder erinnern müssen.

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nach strebt alles und um dessentwillen handelt alles, was gemäß der Natur handelt [….]. Da das Leben nicht imstande ist, am Ewigen und Göttlichen in stetiger Dauer teilzuhaben, weil kein Vergängliches als dasselbe und als der Zahl nach eines fortbestehen kann, so nimmt ein jedes auf diejenige Weise daran teil, wie es ihm möglich ist, das eine mehr, das andere weniger. Es selbst dauert nicht fort, sondern ein Wesen, wie es selbst ist, eins mit ihm zwar nicht der Zahl, aber der Art nach“.⁴⁸ So bilden sich die Arten der Lebewesen immer wieder neu, erhalten sich so am Leben, nach einem Prinzip, das man das Prinzip der Autopoiesis nennen könnte, insoweit die Autopoiesis hier die Fähigkeit der Arten ist, sich immer wieder neu zu erstellen durch Zeugung und Geburt der ihnen zugehörigen Individuen. Der Begriff der Art, des εἶδος, der in diesem Zusammenhang eine tragende Funktion erhält, entstammt ursprünglich dem Bereich der Definitionslogik und dient bei Platon, deutlich erkennbar in den frühen sogenannten Definitionsdialogen, zur Bezeichnung aller Elemente einer Menge von Gegenständen gleicher Gestalt, ausgehend vom Bereich der Natur, den Organismen. Die terminologische Unterscheidung von εἶδος und γένος geht auf Aristoteles zurück, ohne daß dieser Unterscheidung anfänglich eine strikte, starre Fixierung zugrunde lag, insoweit εἶδος für relativ untergeordnete, γένος für relativ übergeordnete Mengen zur Anwendung kam, wobei dieser flexible Gebrauch der beiden Termini εἶδος und γένος in der Hierarchie der Ordnungen durchaus noch ein wechselseitiger war, das heißt, daß Einheiten, die im Verhältnis zur nächst unteren Einheit γένος waren, im Verhältnis zur nächst höheren Einheit εἶδος genannt wurden. Erst im Laufe der Zeit verloren die beiden von Aristoteles als Termini eingeführten Begriffe ihren relativen Stellenwert und wurden zu Bezeichnungen von absoluten Einheiten oder Mengen, ein allmählicher Prozeß, der nach Vorläufern schon in der Spätantike und im Mittelalter erst seine endgültige Fixierung in der strikt binären Nomenklatur bei Carl von Linné im 18. Jahrhundert fand, die sich seitdem in der Biologie als die übliche eingebürgert hat.⁴⁹  Φυσικώτατον γὰρ τῶν ἔργων τοῖς ζῶσιν, ὅσα τέλεια καὶ μὴ πηρώματα ἢ τὴν γένεσιν αὐτομάτην ἔχει, τὸ ποιῆσαι ἕτερον οἷον αὐτό, ζῷον μὲν ζῷον, φυτὸν δὲ φυτόν, ἵνα τοῦ ἀεὶ καὶ τοῦ θείου μετέχωσιν ᾗ δύνανται· πάντα γὰρ ἐκείνου ὀρέγεται, καὶ ἐκείνου ἕνεκα πράττει ὅσα πράττει κατὰ φύσιν. τὸ δ’ οὗ ἕνεκα διττόν, τὸ μὲν οὗ, τὸ δὲ ᾧ. ἐπεὶ οὖν κοινωνεῖν ἀδυνατεῖ τοῦ ἀεὶ καὶ τοῦ θείου τῇ συνεχείᾳ, διὰ τὸ μηδὲν ἐνδέχεσθαι τῶν φθαρτῶν ταὐτὸ καὶ ἓν ἀριθμῷ διαμένειν, ᾗ δύναται μετέχειν ἕκαστον, κοινωνεῖ ταύτῃ, τὸ μὲν μᾶλλον τὸ δ’ ἧττον, καὶ διαμένει οὐκ αὐτὸ ἀλλ’ οἷον αὐτό, ἀριθμῷ μὲν οὐχ ἕν, εἴδει δ’ ἕν. Zur Stelle vgl. R. Polansky, Aristotle’s De anima, Cambridge 2007, 203 – 207.  Siehe speziell zum Verhältnis des biologischen Art- und Gattungsbegriffes bei Aristoteles G. Senn, Die Einführung des Art- und Gattungsbegriffes in die Biologie. Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft, Aarau 1925. Vgl. ders., Die Entwicklung der

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Der von Aristoteles in Hinsicht auf die immanente Zwecktätigkeit der Natur privilegierte ontische Tatbestand ist der der allgemeinen Form oder des Wesens eines Dinges, in Aristoteles’ Sprachgebrauch das εἶδος, das als die Form oder das Wesen und der Zweck eines Dinges zugleich auch die Ursache seiner zweckbestimmten Bewegung ist. Jedes von Natur aus Seiende wird von seiner ihm immanenten Wesensform angetrieben, seine Zweckbestimmung zu erfüllen, die in zweierlei besteht: 1. sich selbst bis zu seiner vollen Selbstrealisation zu entwickeln und 2. seine natürliche Funktion (De anima 415 a 26) zu erfüllen, ein weiteres Lebewesen hervorzubringen wie es selbst eines ist. Das gelingt nur, weil im Bereich der Natur bei der Zeugung die bewegende Ursache und der Zweck dieser Bewegung identisch sind, insoweit beide von derselben Art oder Form sind: am Anfang und am Ende des Prozesses der Zeugung und Geburt steht ein Individuum derselben Art. Beide sind der Art nach gleich, wenn auch numerisch verschieden. Die Art, das εἶδος, ist als das Allgemeine kein Individuum, kein Dieses-da (τόδε τι), keine Substanz, sondern eine allgemeine, arttypische Beschaffenheit (τοιόνδε). Das von Natur Seiende hat mit seinen immanenten Zwecken das Prinzip der Bewegung in sich selbst. Das bedeutet, daß bei dem, was von Natur ist, alle konstitutiven Bestimmungsstücke der Natur selbst angehören: 1. die Materie (ἡ ὕλη, τὸ ἐξ οὗ, 2. die bewegende Ursache (τὸ ὅθεν ἡ ἀρχὴ τῆς κινήσεως) und 3. der Zweck (τὸ οὗ ἕνεκα). Anders als hier, im Bereich der Natur, hat das, was nicht von Natur, sondern durch künstliche Tätigkeit entsteht, das Prinzip der Bewegung außerhalb seiner selbst, nämlich in dem von außen wirkenden Verstand, wie bei allen handwerklichen Tätigkeiten. Aristoteles versteht die τέχνη als Nachahmung der φύσις. Aber in einem für ihn zentralen Punkt weicht die künstliche Tätigkeit von der natürlichen nicht ab: auch bei der künstlichen Herstellung steht am Anfang das fertig ausgebildete Eidos, und zwar im Denken dessen, der das künstliche Produkt herstellt. Aber die vorgestellte Form im Kopf des Handwerkers entsteht spontan und kontingent, während die Formen des Lebendigen in der Natur die Konsequenz der inneren Zwecktätigkeit der Natur sind und selbst auch Prinzip der Bewegung im Kreislauf der Natur sind, in welchem sich der Bestand der Arten, das heißt der Formenvielfalt, durchhält. Aristoteles’ Lehre von der Ungewordenheit und Unvergänglichkeit des εἶδος hat in der Anschauung der lebendigen Natur ihren Ursprung und ihre stärkste Beglaubigung. Dem entspricht auch seine ontologische Grundüberzeugung, daß biologischen Forschungsmethode in der Antike und ihre grundsätzliche Förderung durch Theophrast von Eresos, Aarau 1933. Vgl. auch ders., Theophrasts Entwicklung vom Aristotelismus zur reinen Naturwissenschaft. Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft, Davos 1929.

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die Naturdinge im Verhältnis zu den künstlich hergestellten Dingen in höherem Grade Substanzen, weil in höherem Grade selbständige Dinge sind und deshalb im eigentlichen Sinne nur sie diese eine zwecktätige Natur in Gestalt des sich selbst fortzeugenden Wesens des Artallgemeinen aufweisen.⁵⁰ Alle diese Einzelbestimmungen bündeln sich bei Aristoteles in seiner Erläuterungsformel „Ein Mensch zeugt einen Menschen“, und zugleich drückt diese Formel in ihrer Apodiktizität jenen Ewigkeitsanspruch aus, der sich für Aristoteles mit dem Begriff der Natur automatisch verbindet. Mit jeder neuen Zeugung und Geburt eines Lebewesens realisiert sich die unendliche Ewigkeit des Naturprozesses aufs Neue und führt zu einer Intensivierung seiner Tiefendimension, die den Formenreichtum des Kosmos ausmacht. Mit der Fortpflanzung der Lebewesen verteilt sich deren Art auf immer mehr Individuen dieser Art und realisiert auf diese Weise in immer höherem Grade ihre Form, ihr Wesen, ihre Allgemeinheit, und genau in diesem universellen Sinne verwirklicht sich darin sowohl die Wahrheit des Begriffes der Art als auch die Wahrheit des Seins der Art. Hinter dieser Konstanz der gleichförmigen Kreativität der Natur bleibt die Zufälligkeit technischer Herstellung zurück. Das bringt Aristoteles immer wieder zum Ausdruck, sooft er auf den Unterschied von Natur und künstlicher Herstellung und auf die Differenz von Hervorbringungen der Natur und Hervorbringungen von Artefakten zu sprechen kommt. Schon Platon nahm in seinen Dialogen, man denke zum Beispiel an den Sophistes, die Einteilung von Artefakten nach Gattung und Art in Analogie zu der natürlichen Unterscheidung der Lebewesen vor. Aristoteles schließt sich diesem Vorgehen an und vertieft es auf seine eigene Weise nachhaltig und folgenreich für die gesamte zukünftige Naturbeschreibung bis in die Neuzeit. So wie keine andere Aussage des Aristoteles wirft seine Erläuterungsformel „Ein Mensch zeugt einen Menschen“ Licht auf die ontologische Bedeutung der εἶδος- Lehre des Stagiriten. Nicht selten beendet er eine Aufzählung der Kernthesen seiner Ontologie mit dem Zitat seiner Erläuterungsformel, wie beispielsweise in Met. Ζ 7. 1032 a 15 – 27, wo es heißt: „Dasjenige Werden ist natürlich, das aus der Natur wird. Woraus etwas wird, ist die Materie; wodurch es wird, ist ein von Natur Seiendes; wozu es wird, ist ein Mensch, eine Pflanze oder sonst etwas von solchem, das wir vorrangig Substanz nennen. Alles, was von Natur oder durch Kunst wird, hat Materie. Denn jedes solches kann sowohl sein als nicht sein; der Grund dafür ist Materie in jedem. Allgemein aber ist das, woraus etwas wird, als auch das, wozu etwas wird, Natur. Denn das Werdende hat Natur, wie Pflanze oder Tier, und das, wodurch etwas wird, ist die gemäß der Natur bestimmte, gleichartige Natur, die in einem anderen ist. Denn ein Mensch zeugt einen Menschen. So

 Siehe Met. Δ 8. 1017 b 10 ff.; Ζ 2. 1028 b 8 ff., 1034 a 4; Η 1. 1042 a 7 ff.

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nun wird das, was durch die Natur entsteht, die anderen Entstehungsweisen werden Tätigkeiten genannt.“⁵¹ Damit wird konstatiert, was die Beobachtung der Lebewesen in der Natur als allgemeine Erfahrung lehrt, daß das Erzeugende mit dem Erzeugten gleichartig ist. Und nicht nur bei den Lebewesen ist das so, sondern auch bei den Artefakten, denn auch hier steht am Anfang die fertige Vorstellung des Eidos eines Artefakts, die mit dem Eidos des hergestellten Artefakts von gleicher Art ist. Die Vorstellung eines Tisches im Kopf des Tischlers ist mit dem hergestellten Tisch gleichartig. Mit besonderer Vorliebe verweist Aristoteles in diesem Zusammenhang auf ein Vorkommnis in der Natur, das als Ausnahme von der Regel gelten könnte. Ein solches Vorkommnis liegt dann vor, wenn ein Pferd ein Maultier zeugt, weil in diesem Fall entgegen der Natur Erzeugendes und Erzeugtes nicht von derselben Art zu sein scheinen. Aristoteles läßt jedoch diesen Einwand nicht gelten und sieht auch hier keine Abweichung von der Regel.Vielmehr sei die Abweichung nur eine scheinbare, weil in diesem Fall – bei Esel und Pferd als Zeugungspartner – nur der gemeinsame Name, das ὄνομα κοινὸν, fehle, also die gemeinsame Klassenbezeichnung, die die Gleichartigkeit der Zeugenden auch in diesem Fall erkennbar machen könnte. Er argumentiert wie folgt: „Es ist nämlich bei einigem offenbar, daß das Erzeugende von der gleichen Beschaffenheit ist wie das Erzeugte, nicht jedoch als dasselbe zwar und nicht als der Zahl nach eines, aber der Art nach, wie bei den Naturdingen, – denn ein Mensch zeugt einen Menschen –, wenn nicht etwas gegen die Natur geschieht, zum Beispiel wenn ein Pferd einen Maulesel zeugt. Aber auch in diesem Fall geschieht solches auf die gleiche Weise, denn was bei Pferd und Esel das Gemeinsame ist, die nächsthöhere Gattung, hat nur keinen Namen, obwohl beide wohl zu einer solchen Gattung gehören dürften“.⁵² Dieses Problem einer im Sprachgebrauch fehlenden gemeinsamen Klassenbezeichnung für Seiendes begegnet schon bei Platon in den Dihairesen der

 Αἱ δὲ γενέσεις αἱ μὲν φυσικαὶ αὗταί εἰσιν ὧν ἡ γένεσις ἐκ φύσεώς ἐστιν, τὸ δ’ ἐξ οὗ γίγνεται ἣν λέγομεν ὕλην, τὸ δὲ ὑφ’ οὗ τῶν φύσει τι ὄντων, τὸ δὲ τὶ ἄνθρωπος ἢ φυτὸν ἢ ἄλλο τι τῶν τοιούτων, ἃ δὴ μάλιστα λέγομεν οὐσίας εἶναι –ἅπαντα δὲ τὰ γιγνόμενα ἢ φύσει ἢ τέχνῃ ἔχει ὕλην· δυνατὸν γὰρ καὶ εἶναι καὶ μὴ εἶναι ἕκαστον αὐτῶν, τοῦτο δ’ ἐστὶν ἡ ἐν ἑκάστῳ ὕλη – καθόλου δὲ καὶ ἐξ οὗ φύσις καὶ καθ’ ὃ φύσις (τὸ γὰρ γιγνόμενον ἔχει φύσιν, οἷον φυτὸν ἢ ζῷον) καὶ ὑφ’ οὗ ἡ κατὰ τὸ εἶδος λεγομένη φύσις ἡ ὁμοειδής (αὕτη δὲ ἐν ἄλλῳ· ἄνθρωπος γὰρ ἄνθρωπον γεννᾷ·) – οὕτω μὲν οὖν γίγνεται τὰ γιγνόμενα διὰ τὴν φύσιν, αἱ δ’ ἄλλαι γενέσεις λέγονται ποιήσεις.  Met. Ζ 8. 1033 b 29 – 1034 a 2: ἐπὶ μὲν δή τινων καὶ φανερὸν ὅτι τὸ γεννῶν τοιοῦτον μὲν οἷον τὸ γεννώμενον, οὐ μέντοι τὸ αὐτό γε, οὐδὲ ἓν τῷ ἀριθμῷ ἀλλὰ τῷ εἴδει, οἷον ἐν τοῖς φυσικοῖς– ἄνθρωπος γὰρ ἄνθρωπον γεννᾷ–ἂν μή τι παρὰ φύσιν γένηται, οἷον ἵππος ἡμίονον (καὶ ταῦτα δὲ ὁμοίως· ὃ γὰρ ἂν κοινὸν εἴη ἐφ’ ἵππου καὶ ὄνου οὐκ ὠνόμασται, τὸ ἐγγύτατα γένος, εἴη δ’ ἂν ἄμφω ἴσως, οἷον ἡμίονος. Vgl. dazu Hist. an. 577 b 5 – 8 und De gen. an. 738 b 27– 35.

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Spätdialoge als lästiges Hindernis der dialektischen Untersuchungen, zum Beispiel in Sophistes 267 D 4– 8. An dem Satz „Ein Mensch zeugt einen Menschen“ demonstriert Aristoteles alle wesentlichen Punkte seiner Substanzontologie. Dazu gehört auch die These, daß das Wirkliche der Zeit nach früher ist als das Mögliche. Am Anfang der Zeugung eines neuen, noch unfertigen Menschen steht immer schon ein erwachsener Mensch als Zeugender, das heißt: früher als der potentiell seiende Mensch ist der aktuell seiende Mensch. „Immer wird aus dem potentiell Seienden das aktuell Seiende durch ein aktuell Seiendes, wie ein Mensch aus einem Menschen, ein Gebildeter durch einen Gebildeten, indem immer zuerst ein Bewegendes existiert; das Bewegende aber ist schon der Wirklichkeit nach da“.⁵³ Im Hintergrund dieser Auffassung von der Prorität des Aktuellen vor dem Potentiellen steht die Zeugungs- und Vererbungslehre des Aristoteles, die in den wesentlichen Punkten die der Antike generell ist, nämlich daß die Materie, aus der als einer Urpotenz heraus der Mensch hervorgeht, der weibliche Zeugungsstoff ist, nämlich die Katamenien, während der männliche Same der Impetus ist, der die Entwicklung des Embryos in Bewegung setzt, ohne sich mit diesem in irgendeiner Weise zu vermischen.⁵⁴ Das Faktum, daß am relativen Anfang und am relativen Ende des unendlichen Zeugungsprozesses der Natur jeweils ein Gleichnamiges steht, hat Aristoteles dazu veranlaßt, dieses Phänomen eigens zu betonen: „Jedes Ding entsteht aus einem Synonymen. Dinge sind die Naturdinge und die anderen Dinge. Denn etwas entsteht entweder durch Kunst, Natur, Zufall oder von ungefähr. Die Kunst hat den Ursprung in einem anderen, die Natur aber in sich selbst: denn ein Mensch zeugt einen Menschen“.⁵⁵ Das Hervorbringende und das Hervorgebrachte

 Met. Θ 8. 1049 b 24– 27: ἀεὶ γὰρ ἐκ τοῦ δυνάμει ὄντος γίγνεται τὸ ἐνεργείᾳ ὂν ὑπὸ ἐνεργείᾳ ὄντος, οἷον ἄνθρωπος ἐξ ἀνθρώπου, μουσικὸς ὑπὸ μουσικοῦ, ἀεὶ κινοῦντός τινος πρώτου· τὸ δὲ κινοῦν ἐνεργείᾳ ἤδη ἔστιν.  Zu den Details dieser Lehre vgl. E. Lesky, Die Zeugungs- und Vererbungslehren der Antike und ihr Nachwirken, Wiesbaden 1950; W. Johannsen, Die Vererbungslehre bei Aristoteles und Hippokrates im Lichte heutiger Forschung, Die Naturwissenschaften 5, Heft 24, 1917, 51 ff.; H. Balss, Die Zeugungslehre und Embryologie in der Antike. Eine Übersicht, Quellen und Studien zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Medizin 5, 1936; E. Lesky/J. H. Waszink, „Embryologie“, in: Reallexikon für Antike und Christentum, Bd. IV, Stuttgart 1959; J. Needham, A History of Embryology, Cambridge ²1959. Ferner W. Kullmann, Die Teleologie in der aristotelischen Biologie. Aristoteles als Zoologe, Embryologe und Genetiker, Heidelberg 1979.Vgl. ders., Aristoteles und die moderne Wissenschaft, Stuttgart 1998, 284– 312.  Met. Λ 3. 1070 a 4– 8: μετὰ ταῦτα ὅτι ἑκάστη ἐκ συνωνύμου γίγνεται οὐσία (τὰ γὰρ φύσει οὐσίαι καὶ τὰ ἄλλα). ἢ γὰρ τέχνῃ ἢ φύσει γίγνεται ἢ τύχῃ ἢ τῷ αὐτομάτω. ἡ μὲν οὖν τέχνη ἀρχὴ ἐν ἄλλῳ, ἡ δὲ φύσις ἀρχὴ ἐν αὐτῷ (ἄνθρωπος γὰρ ἄνθρωπον γεννᾷ).

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in der Natur sind einander synonym, das heißt sie sind dem Namen und dem Begriff nach identisch, ihre Namen und ihr Wesen sind gleichartig. Man hat dies das Gesetz der Synonymie genannt.⁵⁶ Für das Gesetz der Synonymie steht der ἄνθρωπος ἄνθρωπον γεννᾷ – Satz prototypisch. Dieser Satz unterstreicht auch die naturphilosophische Tendenz der εἶδος – Ontologie des Aristoteles. Seine These, daß das εἶδος früher sei als das konkrete Einzelding und daß das εἶδος ungeworden und unvergänglich sei, versteht sich vor dem Hintergrund der unendlichen Formenfülle der Natura naturans ebenso wie der Natura naturata, das heißt sie versteht sich beim Anblick der organischen Natur, die sich als Träger einer immer vorhandenen Formenwelt präsentiert, die weder entsteht noch vergeht, sondern immer da ist und den ewigen Prozeß des Werdens und Vergehens in dauernder Stetigkeit umgreift. Hier genau verläuft auch die Grenzlinie zwischen Platon und seinem Schüler Aristoteles. Was Platon sich nur mit Hilfe seiner Lehre von den transzendenten Ideen erklären konnte und ihn anscheinend zeitweilig zu der Auffassung zwang, daß es so viele Ideen wie Naturdinge gebe, genau das will Aristoteles vermeiden: die Verdoppelung der Welt, die überhaupt nichts erklärt, sondern nur die Probleme verdoppelt, indem es scheinbar aus systematischen Gründen so sein muß, weil es anders nicht mehr geht. Diese ideentheoretische Verdoppelung der Welt, die Platon aus Verlegenheit vornahm, ist nach Meinung des Aristoteles völlig unnötig und widerspricht dem Gesetz der Sparsamkeit: „denn ein Mensch zeugt einen Menschen, der einzelne den einzelnen“ (Met. Λ 3. 1070 a 27– 28: ἄνθρωπος γὰρ ἄνθρωπον γεννᾷ, ὁ καθ’ ἕκαστον τὸν τινά). Um das zu verstehen, bedarf es keiner Ideenlehre. Man darf wohl davon ausgehen, daß Aristoteles seinen Erläuterungssatz ἄνθρωπος ἄνθρωπον γεννᾷ, zumal im Kreis anderer Platonschüler in und außerhalb der Akademie, wenn es darum ging, die Abundanz der Platonischen Ideenlehre zu demonstrieren, mit ironischer Süffisanz zitierte. Die Häufigkeit, mit der er an zentralen Stellen seiner Ontologie den Satz zitiert, spricht für diese Annahme und für das Erfolgserlebnis, das er dabei hatte. Ich breche hier die Vorführung der Stellen ab, an denen Aristoteles seine Erläuterungsformel vom Menschen, der einen Menschen erzeugt, zur Anwendung

 F. Brentano, Aristoteles und seine Weltanschauung, Leipzig 1911, 62 ff. Brentano verweist auch auf die Ausführungen des Alexander von Aphrodisias bezüglich der Ausnahmen von dem Gesetz der Synonymie. Siehe auch J. Freudenthal, Die durch Averroes erhaltenen Fragmente Alexanders zur Metaphysik des Aristoteles untersucht und übersetzt, mit Beiträgen zur Erläuterung des arabischen Textes von S. Fränkel. Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1885, Kap. 4.

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bringt.⁵⁷ Verfolgt man, wie wir es für unseren Zweck hier getan haben, die einschlägigen Stellen durch das Aristotelische Werk hindurch, mit dem Ziel, den Sinn der Erläuterungsformel und seine Funktion innerhalb der Aristotelischen Theorienbildung zu erforschen, so ergibt sich alsbald als Ergebnis die charakteristische Sonderform, welche das Verhältnis der vier αἴτια im Bereich des Lebendigen annimmt: das Zusammenfallen von Gegenstandsform, Prozeßziel und Prozeßquelle.⁵⁸ Denn wenn, beispielsweise, ein Mensch entsteht, so steht das sich bildende Gebilde unter der Form eines Menschen. Der Bildungsprozeß hat sein Ziel, das heißt seinen natürlichen Abschluß, im ausgewachsenen Menschenindividuum. Dieser Prozeß hat schließlich auch seine Quelle in einem Menschen, dem Erzeuger, also in einem Seienden gleicher Art. Dieses ist das Grundverhältnis innerhalb des vorausgesetzten Rahmens. Innerhalb dieses Grundverhältnisses ist die prozeßbestimmende Form, das εἶδος oder die μορφή, nicht wie bei Platon dem Prozeß und dem sich bildenden Lebewesen transzendent, vielmehr ist sie ihm immanent, weil die Prozeßquelle, das Erzeugerlebewesen, bereits von eben dieser Form ist, und zwar schon im Modus der Wirklichkeit eines Menschen, das heißt als Erwachsener; denn nur so, als schon voll entwickelte Form, kann eine Form ihre Wirksamkeit ausüben. Das bedeutet: für unser Verständnis – und das des historischen Aristoteles – ist das Prinzip der Form eine aktuelle, die Wirklichkeit der Dinge konstituierende Entität, das heißt ein metaphysisches Sachprinzip, die Idee in der Realität, im Prozeß der Natur, gegenwärtig und wirklich. Die Erläuterungsformel bezeichnet in diesem Sinne die lebendige Wirklichkeit und Wirksamkeit des Artbegriffes, das Prinzip der immanenten Zweckmäßigkeit der Natur, und das bedeutet zugleich: sie bildet das positive Pendant zum τρίτος ἄνθρωπος– Argument und das paradigmatische Analogat für die Erklärung der Entstehung der Artefakten, einer Erklärung, die davon ausgeht, daß in bezug auf die Analogie zwischen Kunst und Natur diese nicht als eine Übertragung des Bildes vom

 Die erstmalige und bisher einzige Gesamtdarstellung des Aristotelischen Erläuterungssatzes ist die Abhandlung von K. Oehler, Ein Mensch zeugt einen Menschen. Über den Mißbrauch der Sprachanalyse in der Aristotelesforschung, Frankfurt a. M. 1963. Oehlers primäres Anliegen in dieser Abhandlung ist der Nachweis, daß die Aristotelische Ontologie von dem historischen Aristoteles nicht als ein sprachtranszendentales Unternehmen verstanden worden ist, sondern als Realontologie. Im Unterschied dazu liegt der Akzent unserer gegenwärtigen Darstellung der Aristotelischen Erläuterungsformel hier auf der Bedeutung, die dieser formelhafte Ausdruck auch für den Topos der irdischen, im vorliegenden Fall der biologischen Unsterblichkeit hat. Dabei geht es um die Aristotelische Lehre von der Anwesenheit des Eidos in der Wirklichkeit der Dinge selbst und damit um die Gegenwart des Allgemeinen im Konkretesten: im lebendigen, sich selbst fortzeugenden Leben der Natura naturans und also um die Gegenwart des Begriffs im Sein der Dinge.  Hierzu siehe auch M. Liatsi, Aristoteles, De generatione animalium, Buch V, Trier 2000, 28 – 36.

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künstlichen Gestalten auf den organischen Werdeprozeß der Natur zu verstehen ist, sondern genau umgekehrt. Das erste Analogat ist hier nicht die Kunst, sondern die Natur. * Wir müssen uns nun mit der Frage befassen, wie sich die Aristotelische Vorstellung von der biologischen Unsterblichkeit des Menschen mit Aristoteles’ Psychologie im Ganzen zusammenfügt, das heißt mit seinem Begriff der Seele.⁵⁹ Gegenüber Platon bestehen hier erhebliche Unterschiede, die sich nicht zuletzt daraus herleiten, daß die naturphilosophische und naturwissenschaftliche Tendenz des Aristoteles gerade beim Begriff der Seele sich signifikant bemerkbar macht, insoweit die Seele für ihn ein biologisches Phänomen ist und bei ihm die Psychologie mit der Biologie eine enge Verbindung eingeht, ja eingehen muß, da Aristoteles, wie er einleitend in De anima bekundet, die Seele als Naturforscher (φυσικός) zum Gegenstand einer Betrachtung macht. Das aber bedeutet, daß er das Phänomen des Psychischen überall da zu erforschen beabsichtigt, wo es mit dem Körper verbunden ist,⁶⁰ dagegen dasjenige an der Seele, was vom Körper getrennt ist, Sache des Ersten Philosophen⁶¹ ist. Es gibt also auch für Aristoteles Aspekte der Seele, die nicht zum Forschungsbereich des Naturforschers gehören, sondern in die Zuständigkeit des Ersten Philosophen fallen. Tatsächlich sind die beiden Schriften, die sich mit der Seele befassen und als Aristotelisch überliefert sind, nämlich der Eudemos, von dem nur Fragmente auf uns gekommen sind,⁶² und die drei Bücher von De anima, nach diesem Kriterium unterschieden, inso-

 Zum Begriff der Seele bei Aristoteles siehe z. B. E. E. Spicer, Aristotle’s Conception of the Soul, London 1934; R. Bolton, „Aristotle’s Definitions of the Soul: De Anima II. 1– 3“, Phronesis 23, 1978, 258 – 278; R. Sorabji, „Body and Soul on Aristotle“, in: J. Barnes/M. Schofield/R. Sorabji (Hrsgg.), Articles on Aristotle, Bd. IV: Psychology and Aesthetics, New York 1979, 42– 64; K. Gloy, „Aristoteles’ Konzeption der Seele in De anima“, Zeitschrift für philosophische Forschung 38/a, 1984, 381– 411; D. O’Meara, „Remarks on Dualismus and the Definition of Soul in Aristotle’s De anima“, Museum Helveticum 44, 1987, 168 – 174; M. Frede, „On Aristotle’s Conception of the Soul“, in: M. C. Nussbaum/A. O.Rorty (Hrsgg.), Essays on Aristotle’s De anima, Oxford 1992; S. Menn, „Aristotle’s Definition of Soul and the programm of De anima“, Oxford Studies in Ancient Philosophy 22, 2002, 83 – 139; V. Caston, „Aristotle’s Psychology“, in: M. L. Gill/P. Pellegrin (Hrsgg.), A Companion to Ancient Philosophy, Oxford 2006, 316 – 346.  Vgl. De an. I 1. 403 b 17: ἐλέγομεν δὴ ὅτι τὰ πάθη τῆς ψυχῆς οὕτως ἀχώριστα τῆς φυσικῆς ὕλης τῶν ζῴων.  Siehe De an. I 1. 403 b 16: ᾗ δὲ κεχωρισμένα [scil. τὰ πάθη], ὁ πρῶτος φιλόσοφος.  Eudemos, Frg. 2 ff., Fragmenta selecta, hrsg. W. D. Ross, Oxford 1955, 17.

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weit der Dialog Eudemos, in welchem nach der Unsterblichkeit der Seele gefragt wird, theologisch orientiert ist, im deutlichen Gegensatz aber dazu in De anima sozusagen die Biologie der Seele behandelt wird. Diese Demarkationslinie zwischen den Zuständigkeitsbereichen der beiden Werke ist von Aristoteles allem Anschein nach strikt beachtet worden, so daß man in der neueren Forschung davon abgekommen ist, den Unterschied der Betrachtungsweise in dem Dialog Eudemos und in den Pragmatien von De anima dem verschiedenen literarischen Genus zuzuschreiben, und man sieht heute „gerade in der Zuordnung der Psychologie zur Naturwissenschaft (De an. I 1. 403 a 27 ff.; De part. an. I 1. 641 a 22 ff.) die eigentliche Leistung der Psychologie des Aristoteles und deren Einbettung in seine Philosophie im Ganzen“.⁶³ In diesem neuen, naturwissenschaftlichen Hinblick auf das Phänomen des Seelischen liegt die Abgrenzung gegen Platon und zugleich der Fortschritt über Platons transzendent und mythologisch orientierte Seelenlehre hinaus. Diese veränderte Einstellung kommt nirgendwo deutlicher zum Vorschein als bei der Aristotelischen Definition der Seele mit ihrer charakteristischen Verbindung von Seele und Körper. Demgemäß wird die Seele definiert als „die erste Wirklichkeitsform eines natürlichen, mit Sinneswerkzeugen versehenen Körpers“.⁶⁴ In dem Verhältnis von Seele und Körper ist die Seele das dominante, weil wirkliche und wirksame Moment, der Körper das der Möglichkeit nach Seiende, also das, was der Körper durch die Verbindung mit der Seele wird. Als solche ist die Seele die Form, die Form der Wirklichkeit des zugehörigen Körpers. Diese Bestimmung des Seins der Seele ist fundamental, und so ist die Seele für den Körper zugleich der Zweck und damit das Prinzip der Bewegung, sein Lebensprinzip. Das gilt für alle Lebewesen, nicht nur für Mensch und Tier, sondern auch für Pflanzen. In diesem universellen Sinne umfaßt die Seele alle Funktionen des Lebendigen, die in einer Bewegung ihren somatischen Ausdruck finden. Diese psycho-somatische Relation ist für den bio-logischen Seelenbegriff des Aristoteles zentral und das eigentlich Neue im Bereich der antiken Psychologie. Sie läßt den älteren, primär der religiös-mythischen Auffassung der Seele verpflichteten Begriff der Seele hinter sich zurück und knüpft spurenweise an Vorstellungen des Empedokles und Demokrit und der frühen griechischen Naturphilosophie an. Daß sogar in der Ethik des Aristoteles, wie der Text der Nikomachischen Ethik

 H. Flashar, Aristoteles, in: Ueberweg, Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Bd. 3: Ältere Akademie, Aristoteles, Peripatos, Basel ²2004, 372. Vgl. ders., Aristoteles. Lehrer des Abendlandes, München 2013, 299.  De an. II 1. 412 b 5 f.: ἐντελέχεια ἡ πρώτη σώματος φυσικοῦ ὀργανικοῦ. Zur Bedeutung des Wortes ἐντελέχεια vgl. W. Kullmann, Aristoteles und die moderne Wissenschaft, Stuttgart 1998, 263 Anm. 26; W. Kullmann, Aristoteles, Über die Teile der Lebewesen, a.a.O., 314 f., 422.

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belegt, von dem Seelenbegriff der religiösen Tradition nur noch einige wenige Relikte vorhanden sind, die zudem noch alle Merkmale von Konzessionen an die Popularvorstellung der Seele an sich tragen, zeigt unübersehbar, daß hier im Denken des Stagiriten nicht der theologisch orientierte Seelenbegriff des Eudemos, sondern die primär naturwissenschaftlich ausgerichtete Psychologie von De anima dominierte. Es kann daher nicht verwundern, daß Aristoteles auch an anderen Stellen seines Werkes fast nie oder eher zögerlich die biologische Basis seiner Seelenlehre verläßt, so in seiner Denkpsychologie an jenen Stellen, wo der Geist nicht mehr an Physisches gebunden vorgestellt wird, sondern in freier Reflexion bis hin zur Selbstreflexion als tätig allein aus sich selbst konzipiert ist, oder wo es um die Frage geht, wie der νοῦς als reine, absolute Aktualität, der ohne jedes Moment von Potentialität als reiner Geist und Element der kosmischen und der göttlichen Dimension in den Menschen gelangt, (von außen, θύραθεν), auf nicht erklärte und kaum erklärbare Weise Teil des individuellen Menschen wird und als vom Körper gesonderter, unsterblicher Seelenteil existiert.⁶⁵ Es kann kein Zufall sein, daß an solchen Stellen, wo das philosophische Denken mangels einer tragenden Erfahrungsbasis mehr oder weniger sich in eine phantasievolle Spekulation auflöst oder aufzulösen droht, die Ausführungen des Aristoteles plötzlich abrupt pragmatisch werden, ins Stocken geraten, nicht zu einem Ende gebracht werden und rein spekulative Aussagen sich schließlich selbst überlassen werden, ohne jeden erklärenden Kontext. Das kann nicht in allen Fällen an dem Zustand einer verderbten Textüberlieferung seine Ursache haben – der man ja vieles auf den geduldigen Rücken laden kann, aber nicht alles –, sondern seine Ursache in der wachsenden Unlust des Philosophen hat, sich über Themata zu äußern, über die sich auch beim besten Willen nichts Verläßliches oder auch nur halbwegs Plausibles sagen läßt. Und das ist überall da der Fall, wo Aristoteles sich gezwungen sah, der Themen wegen und unter Erklärungszwang die naturwissenschaftliche Einstellung seiner Psychologie zu verlassen. Daß hier bei Aristoteles eine Tendenz wirksam ist, zeigt sich auch daran, daß in der Psychologie des Peripatos nach Theophrast die Lehre eines vom Körper abtrennbaren Geistes keine Fortsetzung mehr fand, so wie sich die nachtheophrastische peripatetische Ontologie auf Physik reduzierte, wie schon bei Straton von Lampsakos, der 288/87 v.Chr. dem Theophrast im Lehramt folgte und der wegen seiner Orientierung an der exakten Naturwissenschaft den Beinamen ὁ

 Vgl. De gen. an. II 3. 736 b 27– 29: λείπεται δὲ τὸν νοῦν μόνον θύραθεν ἐπεισιέναι καὶ θεῖον εἶναι μόνον· οὐθὲν γὰρ αὐτοῦ τῇ ἐνεργείᾳ κοινωνεῖ σωματικὴ ἐνέργεια. Siehe auch Met. Λ 7; EN X 6 – 9; De an. III 5.

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φυσικός erhielt. Zu den Schülern des Aristoteles in der unmittelbar nächsten Generation nach seinem Tod gehörten Dikaiarchos von Messene und Aristoxenos von Tarent. Für beide war die Seele die Harmonie der den Leib bildenden Elemente. Die Existenz einer eigenen Seelensubstanz verwarfen sie, und beide leugneten die Unsterblichkeit der Seele. Beide wandten sich von der metaphysischen Spekulation ab und der empirischen Einzelforschung zu. Schon Theophrast hatte auf die Aporien der Aristotelischen Gotteslehre im Zusammenhang seiner Ausführungen zum Ersten Unbewegten Beweger ausführlich hingewiesen.⁶⁶ Die Ausrichtung des Peripatos auf die Naturwissenschaften und die Einzelwissenschaften überhaupt sowie generell auf die erfahrbare Welt unter Aufgabe der Transzendenz als Forschungsgegenstand folgte einer Tendenz, und diese Tendenz ist bereits bei Aristoteles selbst schon erkennbar angelegt. Diese Tendenz war eine direkte Folge der veränderten Ausrichtung der Aristotelischen Psychologie, verändert gegenüber den Platonischen Spekulationen über die Seele. Denn mit der Aristotelischen Lehre, daß allen Lebewesen, auch den Pflanzen und Tieren, Seele zukomme, verlor die in ihren Konsequenzen mehr theologische Frage nach der Unsterblichkeit und dem Jenseitsschicksal der menschlichen Seele viel von ihrer Attraktivität, und statt dessen trat die naturwissenschaftliche Frage nach dem Prinzip des Lebens in den Vordergrund. Denn die Definition der Seele, die Aristoteles am Anfang des zweiten Buches von De anima formuliert, ist auf jedes Lebewesen anwendbar und soll dies auch sein. Mit dieser Definition machte Aristoteles seine Lehre von der Seele zu einer Naturwissenschaft, für die die alte theologische Frage nach der Unsterblichkeit der Seele als eines körperlosen Wesens, das beim Sterben des Menschen den Körper mit dem letzten Atemzug verläßt, an den Rand des Interesses gedrängt wurde, für das die von Aristoteles angestrebte Naturwissenschaft der Seele nicht zuständig war. Das zeigt sich im Rahmen der Behandlung der vegetativen Seele (De an. II 4. 415 a 14– 416 b 31) an der Stelle, wo begründet werden soll, warum in der vorliegenden Untersuchung der Teile der Seele von der vegetativen Seele bis hin zur Vernunft mit der Analyse der vegetativen Seele begonnen wird (415 a 22 – b 7), nämlich deswegen, weil Ernährung und Fortpflanzung die grundlegenden Funktionen der Seele sind. In diesem Zusammenhang steigert sich bei dem Thema

 Siehe Theophrastus Metaphysics, Commentary and Introduction. By W. D. Ross and F. H. Fobes, Oxford 1929, speziell zu der Stelle 9 a 23 – 9 b 24. Vgl. A. Lacs/G. W. Most (Hrsgg.), Théophraste, Métaphysique. Texte édité, traduit et annoté avec la collaboration de C. Larmore et E. Rudolph et pour la traduction arabe de M. Crubellier, Paris 1993. Vgl. auch Theophrast, Metaphysik. Übersetzt und mit Anmerkungen hrsg. von G. Damschen/D. Kaegi und E. Rodolph, Hamburg 2012, 84 f.

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der Fortpflanzung die Ausführung des Aristoteles zu jener Apotheose, die wir bereits oben (siehe Anm. 48) zitiert haben, wo es heißt, daß alle Wesen am Ewigen und Göttlichen teilhaben wollen und daß diese Teilhabe das naturgemäße Ziel ihres Handelns ist; weil aber das Vergängliche nicht in individueller Identität am Ewigen teilnehmen könne, so geschieht das so, daß es anderes zeugt, das ihm ähnlich ist. Auf diese Weise kommt es zwar nicht zu einer individuellen, aber zu einer eidetischen Unsterblichkeit, und das heißt zu einer irdischen Unsterblichkeit. Daß es Aristoteles hier in De anima (II 4) nicht um die individuelle Unsterblichkeit einer wie auch immer vorgestellten Seelensubstanz geht, ist offensichtlich. Die mythologischen, spekulativen Rahmenbestimmungen der älteren griechischen Seelenauffassung sind hier fortgefallen. Vorherrschend ist ein Seelenbegriff geworden, der Inbegriff des gemeinsamen Lebensprinzips von Pflanze, Tier und Mensch ist und eine Seele meint, insoweit sie der Welt des in Bewegung befindlichen Körpers angehört und damit der Welt des natürlichen Werdens und Vergehens, in der nur dasjenige fortdauernd überlebt, dessen individuelle Existenz Teil eines Allgemeinen ist, in dem seine Individualität aufgehoben ist. Nur in der Form dieser Aufgehobenheit in dem Allgemeinen kann es Gegenstand naturwissenschaftlicher Erkenntnis sein. Und deshalb ist die individuelle Unsterblichkeit nicht Thema der Aristotelischen Psychologie, die dabei ist, ihre Grundlagen nicht mehr in einer mythologischen, spekulativen Seelenlehre zu suchen, sondern in der Erfahrungsdimension der diesseitigen Welt, also in der Empirie der Naturwissenschaft. Deshalb gleicht die Aristotelische Psychologie in De anima auf weiten Strecken auch mehr einer, modern gesprochen, Physiologie der Sinneswahrnehmung als der noch metaphysisch-religiös begründeten Seelenlehre Platons. Aristoteles’ Ehrgeiz – dieses Wort ist hier angebracht – ist es, eine wissenschaftliche Beschreibung und Erklärung der Natur der Seele zu geben. Das wollte Platon nicht, das lag außerhalb seines philosophischen Ansatzes und seiner Zielsetzung. Gleichwohl verdanken wir Platon die eindrucksvollste Beschreibung der irdischen Form der Unsterblichkeit, die es vielleicht bis zum heutigen Tag in der Weltliteratur gibt. Eine Stelle wie De an. II 4. 415 a 22 – b 7 beweist uns, daß sie ihre nachhaltige Wirkung auch auf Aristoteles nicht verfehlt hat. Die verschiedenen Arten der Lebensfunktion sind nach Aristoteles, wie sich gezeigt hat, verschiedene Stufen des seelischen Lebens. Aristoteles spricht nicht von Stufen, sondern von Teilen der Seele, denen je eine bestimmte Art der Funktion zukommt. In diesem Sinne spricht er entweder von der ernährenden und fortpflanzenden oder von der empfindenden Seele etc., also in einer aufsteigenden Reihe der Lebensfunktionen, die sich entsprechend auf den Organismus der Pflanzen, Tiere und Menschen verteilen.

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Das Organ des Denkens ist der Geist (νοῦς). Er ist der dem Menschen eigentümliche Teil der Seele.⁶⁷ Insoweit er als Denken im Vollzug aktualisiert ist, ist er als Denkkraft „unaffiziert“ (ἀπαθής) von anderem und „unvermischt“ (ἀμιγής), er ist reine Denktätigkeit (τῇ οὐσίᾳ ὢν ἐνέργεια), und als solcher ist er, der aktive Geist, wiewohl er nach Aristoteles ein Teil der Seele ist, vom Organismus „getrennt“ (χωριστός) gedacht (De an. III 5. 430 a 17– 18).⁶⁸ Der νοῦς ἀπαθής ist also nach Aristoteles etwas, das zu den unteren Seelenkräften noch von oben hinzukommt: „von außen“ (νοῦς θύραθεν; siehe De gen. an. II 3. 736 b 27 f.). Er ist das „von außen“ in den Organismus Hinzukommende, solchermaßen im Organismus Enthaltene, aber gleichwohl nicht durch den Organismus Verursachte, sozusagen außerorganisch, unentstanden und unvergänglich, nur das auf Zeit sich mit dem Organismus Verbindende. Infolgedessen ist er, der νοῦς ἀπαθής, der einzige Teil der Seele, der die Auflösung und den Zerfall des Leibes durch den Tod überlebt (430 a 23: τοῦτο μόνον ἀθάνατον καὶ ἀΐδιον).⁶⁹ Denn seine seelische Funktion verdankt sich ja nicht dem Leib: sie kommt „von außen“. Festzuhalten ist also: Aristoteles spricht von einem Getrenntsein des aktiven Geistes, des νοῦς ἀπαθής, von dem Organismus des Menschen. Die späteren antiken Kommentatoren nannten ihn auch νοῦς ποιητικός, weil er die im Inhalt des Denkens mitgedachten latenten Begriffe, Strukturen und Relationen sichtbar macht, wie im Bereich des Sehens das Licht die Farben sichtbar macht.⁷⁰ Mit dieser Lehre zerbricht die kontinuierliche Einheit der philosophischen Gesamtkonzeption des Aristoteles. Das ist in der langen Tradition der Auslegung der Aristotelischen Texte immer so gesehen worden.⁷¹ Was bis zu diesem Lehrstück des „von außen“ in den menschlichen Organismus wie ein Deus ex machina  Zur Interpretation von Aristoteles’ Nous-Lehre siehe C. Jung, Die doppelte Natur des menschlichen Intellekts bei Aristoteles, Würzburg 2011. Vgl. V. Caston, „Aristotle’s Two Intellects: A modest Proposal“, Phronesis 47, 2002, 29 – 90.  Vgl. F. D. Jr. Miller, „Aristotle on the Separability of the Mind“, in: C. Shields (Hrsg.), The Oxford Handbook of Aristotle, Oxford 2012, 306 – 339.  Vgl. A. Mansion, „L’immortalité de l’âme et de l’intellect après Aristote“, Revue Philosophique de Louvain 51, 1953, 444– 472. Vgl. auch H. Robinson, „Mind and Body in Aristotle“, Classical Quarterly 28, 1978, 105 – 124.  Vgl. De an. III 5. 430 a 14– 17: καὶ ἔστιν ὁ μὲν τοιοῦτος νοῦς τῷ πάντα γίνεσθαι, ὁ δὲ τῷ πάντα ποιεῖν, ὡς ἕξις τις, οἷον τὸ φῶς· τρόπον γάρ τινα καὶ τὸ φῶς ποιεῖ τὰ δυνάμει ὄντα χρώματα ἐνεργείᾳ χρώματα.  Zu einer sehr guten Darstellung und Zusammenstellung (im Original und in deutscher Sprache) aller erhaltenen antiken Interpretationen zu der von Aristoteles in De anima III, insbes. Kap. 4– 5, skizzierten Geistlehre (νοῦς) siehe H. Busche/M. Perkams (Hrsgg.), Antike Interpretationen zur aristotelischen Lehre vom Geist. Texte von Theophrast, Alexander von Aphrodisias, Themistios, Johannes Philoponos, Priskian (bzw. ‚Simplikios‘) und Stephanos (‚Philoponos‘), Hamburg 2018.

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hinzukommenden aktiven, vom Organismus trotzdem „getrennten Geistes“ (νοῦς χωριστός) im Rahmen der Aristotelischen Anthropologie eine natürliche Genesis von Lebensstufe zu Lebensstufe ist, zerbricht jetzt genau an dieser Stelle zu einem unüberbrückbaren Dualismus im Weltbild des Aristoteles. Und das geschieht durch den übergangslosen, plötzlichen und nicht näher begründeten Einbruch der Transzendenz in Aristoteles’ Biologie der Seele. Es hat den Anschein, als ob Aristoteles unter dem Eindruck der Andersheit der Tätigkeit der Vernunft im Prozeß des aktiven Denkens, nämlich der Andersheit gegenüber den unteren organischen Funktionen des Seelenlebens, die Möglichkeit eines natürlichen Hervorgehens jener höheren Aktivität der Vernunft aus den unteren, organischen Funktionen des Seelenlebens als ein geheimnisvolles Rätsel angesehen hat, jedenfalls offensichtlich nicht als eine selbstverständliche, evidente Naturerscheinung, als etwas Natürliches. Entsprechend dunkel fällt auch seine „Erklärung“ in De gen. an. an jener Stelle aus (736 b 27 f.), wo er den Geist sogleich bei der Zeugung des Menschen mit in den embryonalen Organismus eintreten läßt. Bezeichnenderweise wird auch hier das Hinzukommen des Geistes als ein solches beschrieben, das vonseiten des Organischen, Naturhaften gänzlich unbegründet bleibt und auch hier den Charakter eines Deus ex machina hat, also einer μετάβασις εἰς ἄλλον γένος. Der Geist soll einerseits als rezeptiver Geist (νοῦς παθητικός), insoweit er nämlich an die Sinnlichkeit der Wahrnehmung und der Vorstellung (φαντασία) und an das die Elemente der Sinnlichkeit vermittelnde diskursive Denken (τὸ διανοεῖσθαι, De an. I 4. 408 b 2) gebunden und ihrer bedürftig ist, vergänglich und nicht ewig sein (430 a 24 f.: ὁ δὲ παθητικὸς νοῦς φθαρτός), andererseits, als von den Elementen der Sinnlichkeit unabhängiger, rein energetischer, spontaner Geist soll er vom Körper unabhängiger, reiner, unvermischter Geist sein, ἀπαθής und ἀμιγής, als solcher göttlich, das Göttlichste in uns.⁷² Nur dieser Teil des menschlichen Geistes, insoweit nur dieser reine Energie, reine Aktivität, reine Tätigkeit ist, ist derjenige Teil der menschlichen Seele, der allein unsterblich und ewig genannt werden darf. Diese nur fragmentarischen Aussagen des Aristoteles laden zu weit auseinandergehenden Spekulationen über das Gemeinte ein und haben das auch durch die ganze Geschichte der Aristotelesauslegung getan. Deshalb hat sich schon Christian August Brandis 1862 veranlaßt gesehen, die wild ins Kraut geschossenen Mutmaßungen zu zügeln, wenn er zu der Aristotelischen Konzeption des tätigen Geistes, des in der Tradition so genannten νοῦς ποιητικός, bemerkt: „Von außen

 Siehe EN X 7. 1177 a 15 f.: εἴτε θεῖον ὂν καὶ αὐτὸ εἴτε ἐν ἡμῖν τὸ θειότατον. Met. Λ 9. 1074 b 15 f.: δοκεῖ μὲν γὰρ εἶναι [ὁ νοῦς] τῶν φαινομένων θειότατον. Vgl. auch De an. III 4. 429 a 10 – 430 a 9.

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werde er uns zu Theil, sei er selber göttlich oder das Göttlichste in uns, heißt es, um seine Unabhängigkeit vom organischen Körper, nicht um ihn als eine zweitweise in uns übergehende Erweisung des allgemeinen Weltgeistes zu bezeichnen“.⁷³ Im ganzen ist aber dazu zu sagen, daß das Thema der Individualität des Geistes, des Ich und des Selbst sowie der Unsterblichkeit des individuellen Menschen eher am Rande der Aristotelischen Interessen stand oder, wie im Dialog Eudemos, in auffälliger Übereinstimmung mit den Vorstellungen des Volksglaubens von ihm behandelt wird. Naheliegende Fragen werden nicht aufgeworfen, beispielsweise die, wie denn der selbstständige, selbsttätige, vom Körper getrennte Geist überhaupt seiner Identität bewußt werden soll, wenn er solchermaßen auch ohne Kenntnis seiner Geschichte ist, denn wie soll ein Bewußtsein der Identität eines Individuums zustandekommen ohne ein Bewußtsein des zugehörigen Leibes, der sich in dieser seiner Geschichte entwickelt und erfährt? Eine Fülle anderer Fragen drängt sich auf, die von Aristoteles nicht gestellt werden und die deutlich machen, daß ihm die Affinität zu derlei Fragestellungen fehlte, und fehlen mußte, wie wir gleich hinzufügen können, – war er doch in seiner Psychologie gerade erst damit beschäftigt, dieser eine neue, eine naturwissenschaftliche Grundlage zu geben. Man kann auch heute noch Christian August Brandis nur zustimmen, wenn er zu dieser Verlegenheit des Aristoteles anmerkt: „Wie freilich die Lebenskraft im Samen sich fortpflanzen und wie der ihm nicht räumlich einwohnende Geist mit den vom organischen Körper abhängigen Funktionen zu einem persönlichen Wesen sich verbinden solle, hat Aristoteles nicht zu sagen gewußt; und wer hat nach ihm dies Räthsel gelöst?“⁷⁴ Die Grenzen rationaler Begründbarkeit, an die Aristoteles bei seinen wenigen Versuchen, eine spekulative Psychologie des individuellen Geistes und dessen Unsterblichkeit zu entwerfen, stieß und als Grenzen anerkannte, sind so evident, daß der Charakter des Fragmentarischen seiner Äußerungen in dieser Richtung nicht etwa einer lückenhaften Textüberlieferung anzulasten ist, wie immer wieder hypothetisch behauptet wurde, sondern sich seiner Einsicht in die Vergeblichkeit und Nutzlosigkeit weiterer spekulativer Annahmen verdankt. Wir begegnen solcher Respektierung von Grenzen der Forschung auch an anderen Stellen des Aristotelischen Systems. Das bekannteste Beispiel dieser Art ist sein Umgang mit

 Chr. A. Brandis, Geschichte der Entwicklungen der griechischen Philosophie und ihrer Nachwirkungen im römischen Reiche, Erste Hälfte, Berlin 1862, 519. Brandis nennt diese verfehlte Annahme eine solche, mit der „die ganze Aristotelische, eine fortgehende Kontinuität des vermittelnden Denkens mit dem unmittelbar zu ergreifenden Abschluß im reinen Denken voraussetzende Wissenschaftslehre im offenbaren Widerspruch steht“.  Chr. A. Brandis, a.a.O., 520.

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der Frage nach dem Inhalt des Denkens des Beweger-Gottes, des Unbewegten Bewegers, eine Frage, deren phantasievolle bis phantastische Beantwortung er den über das Jenseits besser informierten Interpreten seiner Texte und den spekulativen immer schon Bescheidwissern in den folgenden Jahrtausenden bis heute überließ. Seltsam, sie sterben nicht aus. Auch ein Unsterblichkeitsbeweis. In puncto Unsterblichkeit der Seele war die Antwort durch Aristoteles’ großangelegtes Unternehmen, der Fachdisziplin der Psychologie eine naturwissenschaftliche Ausrichtung zu geben, vorgezeichnet, indem er dieser Antwort die im Rahmen der Biologie einzig mögliche und sinnvolle Gestalt gab: die eidetische. Er geht von der Prämisse aus, daß nicht die Individuen ewig sind, sondern die Arten der Lebewesen, wie wir das bereits an Stellen wie De an. II 4. 415 a 26 ff. und De gen. an. II 1. 731 b 31 ff. gesehen haben. Die Struktur der Natur, gemäß der die Lebewesen sich reproduzieren, ist unveränderlich. Das klingt reichlich dezisionistisch in der Begründungslogik des Aristoteles. Aber damit haben wir uns abzufinden, auch wenn uns das heute vielleicht nicht paßt. Hier gilt, was Wolfgang Kullmann dazu in seinem Kommentar zu De partibus animalium notiert: „Das Resultat, daß es ca. 500 Tierarten gibt, deren Baupläne ständig reproduziert werden und die ihrerseits nicht weiter ableitbar sind, ist philosophisch und systematisch wenig befriedigend. Aber es ist ein Indiz, daß wissenschaftliche Fortschritte nur erzielt werden können, wenn man sich mit der Beantwortung von vorletzten Fragen begnügt. Wer mit der Spekulation über die Entstehung des Lebens auf Erden beginnt, verbaut sich den Weg zu einer wissenschaftlichen Zoologie“.⁷⁵ Die Lebewesen sind so, wie sie sind. Diesen seinen Ansatz hinterfragt Aristoteles nicht.⁷⁶ Entsprechend diesem Ansatz braucht er keinen Schöpfergott. In De gen. an. II 1. 731 b 33 ff. kann er in Übereinstimmung mit diesem Ansatz das Lebewesen als in einem Kreislauf befindlich beschreiben und dies damit be-

 Kullmann, Aristoteles, Über die Teile der Lebewesen, a.a.O, 168.  Unter dem Thema „Aristoteles und die Evolutionsbiologie“ bemerkt W. Kullmann in der Einleitung seines Kommentars: „Auf den ersten Blick könnte es scheinen, daß Aristoteles’ Auffassung von der Ewigkeit der Spezies der Lebewesen wenig Raum für den Darwinschen Gedanken einer Entwicklung der Arten bietet. Aristoteles kommt zu dieser Auffassung gegen die Spekulationen der Vorsokratiker, weil er empirisch die Erblichkeit aller körperlichen Merkmale der Lebewesen erkannte und damit die permanente Reproduktion der verschiedenen Baupläne der lebendigen Natur als feste Gegebenheit betrachten mußte. Er konnte nicht annehmen, daß, wie die moderne Evolutionsbiologie zu wissen meint, schon jedes gezeugte menschliche Embryo ca. 300 Mutationen aufweist, die Spezies also nicht besonders stabil ist. Um so mehr überrascht es, daß er außerordentlich häufig einen Entwicklungsprozeß der Arten imaginiert, wie ihn ‚die Natur‘ gesteuert habe“ (Kullmann, Über die Teile der Lebewesen, a.a.O., 181). Siehe dazu jetzt auch den Beitrag von W. Kullmann „Evolutionsbiologische Vorstellungen bei Aristoteles“, in: K.M. Hingst/M. Liatsi (Hrsgg.), Pragmata. Festschrift für Klaus Oehler, Tübingen 2008, 70 – 80.

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gründen, daß das Lebewesen, obwohl es dem Werden unterworfen ist (γιγνόμενον), dem Eidos nach (εἴδει) ewig sei, wenn auch nicht der Zahl nach (ἀριθμῷ). Der Mensch, der durch den Akt der Zeugung entsteht, endet mit dem Tod, aber doch nicht ganz, denn indem der Mensch einen Menschen erzeugt hat, kommt es zu einem Zyklus. Das geschieht zwar nicht in jedem Einzelfall, aber doch in typischer Häufigkeit, so daß die zyklische Genesis des Lebewesens und damit die Permanenz der Art gesichert ist, das heißt die Wiederkehr eines Lebewesens von gleicher Gestalt der Normalfall ist.⁷⁷ Der Zeugungszyklus garantiert die Kontinuität der Arten in ihrer Unveränderlichkeit. Mit diesem Entwurf einer erstmalig naturwissenschaftlichen Lebenslehre, eine Biologie der eidetischen Unsterblichkeit der Pflanzen, Tiere und Menschen, hat Aristoteles nach und neben Platon den zweiten großen philosophischen Beitrag der Antike zum Thema der Unsterblichkeit als irdisches Kontinuum geliefert, einer Vorstellung von Unsterblichkeit, die, unabhängig von Religion, sich rein im Diesseits verwirklicht.

 Vgl. dazu De part. an. I 1. 640 a 6 – 9; De an. II 4. 415 b 3 ff.; De gen. et corr. II 11.

Zweites Kapitel: Die individuelle Unsterblichkeit in der Kultur 1 Der Ruhm der großen Tat als die Form des ewigen Lebens in der Nachwelt Soweit die literarischen Dokumente in der von uns überschaubaren Geschichtszeit der Menschheit zurückreichen, ist der Unsterblichkeitsgedanke bezeugt, nicht nur in einer einzigen Form, sondern in mehreren Formen, sei es in Mythen oder in Religionen des Jenseitsglaubens und der Auferstehung von den Toten, der Seelenwanderung oder aber in der rein diesseitigen Naturbetrachtung in Gestalt der Lehre von der Konstanz der Arten in ihrer ewigen Wiederkehr im Rhythmus des Lebens und der Zeit, bis hin zu dem Glauben an die Unsterblichkeit von Völkern, Nationen und gar einzelner vornehmer Familien, deren Ursprung und Abstammung man bei den Göttern sah. Neben diesem teils spiritualistischen und transzendent-religiösen, teils überindividuellen, generischen Unsterblichkeitsgedanken ist, wie die Ethnologie bezeugt, aber immer auch der individuelle Unsterblichkeitsgedanke im säkularen Sinne lebendig gewesen, das heißt der Begriff eines durch außergewöhnliche Taten eines Individuums bewirkten Gedächtnisses in der Nachwelt als dauernder Nachhall seines Ruhmes. Dieser individuelle Unsterblichkeitsgedanke hat eine kulturell-geschichtlich geprägte Lebenswelt zur Voraussetzung; er ist keine naturwüchsige Hervorbringung wie die überindividuelle Unsterblichkeit der Gattungen und Arten. Sie tritt aber als Faktor der menschlichen Lebenswelt komplementär zu der überindividuellen Unsterblichkeit hinzu. Ohne sie wäre der Begriff der Unsterblichkeit, bezogen auf die Lebenswelt des Menschen, systematisch unvollständig. Die individuelle irdische Unsterblichkeit hat ihre Wurzel im Phänomen des Ruhmes. Der Ruhmesgedanke, der dem Ansehen und Andenken eines Menschen oder einer Menschengruppe durch eine außergewöhnliche große Tat Unsterblichkeit verleiht, ist so alt wie das Geschehen solcher Taten in der Geschichte der Menschheit oder, um mit Homer zu sprechen, seitdem Menschen von dem ehrgeizigen Bestreben erfüllt waren, „immer der Beste und der Erste zu sein“.⁷⁸ Das gilt für alle Völker und also auch in unserem Kulturkreis für das Altgriechische in der sogenannten klassischen Antike. Die diesbezüglichen Beispiele sind heute Bestandteil unseres historischen Bildungswissens.

 Ilias Ζ 208: αἰὲν ἀριστεύειν καὶ ὑπείροχον ἔμμεναι ἄλλων. Vgl. auch Ilias Λ 784. https://doi.org/10.1515/9783110753691-004

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Von geradezu typologischer Bedeutung wurde der Ruhmesgedanke aber im römischen Altertum Inbegriff der gloria, der die tragende Grundlage und das Wesen dessen ausmacht und beschreibt, was im Ablauf der Weltgeschichte das Imperium Romanum genannt wird, einschließlich der fortbildenden Tradition im Abendland bis heute. Deshalb und wegen dieser leitbildenden Bedeutung des römischen Ruhmesgedankens sei an dieser Stelle im Rahmen dieser Arbeit ein Blick auf das geschichtliche Phänomen und die überragende traditionsbildende Rolle des Begriffes der römischen gloria geworfen, dessen Ausstrahlung auf das politische Selbstverständnis bis in die moderne Welt hinein konstitutiv geworden ist und seinen literarischen Niederschlag schon in der altrömischen Literatur, exemplarisch bei Cicero, gefunden hat.⁷⁹ Das Phänomen des Ruhmes setzt lebensweltlich drei Konstituenten voraus: das Existential der Anerkennung und infolgedessen ein Anerkennendes und ein Anerkanntes. Nur in einer Sozietät ist Anerkennung möglich. Diese Grundbedingungen des Ruhmes für sein Zustandekommen nennt in definitorischer Klarheit Cicero, und er hat dabei speziell den Ruhm in der römischen Welt vor Augen: die römische gloria. Die auf den römischen Ruhmesgedanken bezogene Einlassungen Ciceros in seinen Schriften und Briefen sind bei aller Differenzierung und Nuancierung im einzelnen für die römische Welt insgesamt von prototypischer Bedeutung und lassen darüber hinaus auch erkennen, inwieweit der Einfluß der griechischen Gedankenwelt sowohl in Übernahme als auch Abweichung bei der Formation des römischen Ruhmesgedankens seine Rolle gespielt hat.⁸⁰ Ein wesentliches Element des römischen Ruhmesgedankens in der Darstellung Ciceros ist das häufige Genanntwerden von Vielen in anerkennendem, lobendem Zusammenhang (Inv. 2, 166), und im besonderen bezogen auf große Verdienste um den Staat, wenn es durch das Urteil der Besten sowohl als auch der Vielen gestützt und legitimiert wird (Phil. 1, 29). Das Kernelement ist die Vielzahl oder die Gesamtheit der Bürger einer Sozietät, die einem der Ihren die gloria verleihen. Diese, die gloria, ist also abhängig von dem Urteil einer die Anerken Zum römischen Ideal von gloria siehe z. B. J. R. Harrison, Paul and the Imperial Authorities at Thessalonica and Rome: A Study in the Conflict of Ideology, Tübingen 2011, insbes. Kap. 6.2: „The Roman Nobiles and the Quest for Ancestral Gloria“, 205 ff.  Für die textliche Bezeugung des römischen Ruhmesgedankens ist grundlegend der Artikel ‚gloria‘ im Thesaurus Linguae Latinae VI von Ulrich Knoche und sein sich daran anschließender Aufsatz „Der römische Ruhmesgedanke“, Philologus 89, 1934, 102– 124, außerdem die Monographie von U. Knoche, Magnitudo animi. Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung eines römischen Wertgedankens, Leipzig 1935. Diese Arbeiten U. Knoches ermöglichen überhaupt erst dem heutigen Interpreten den Überblick über das weit verzweigte Textmaterial.Vgl. F. A. Sullivan, „Cicero and Gloria“, Transactions and Proceedings of the American Philological Association 72, 1941, 382– 391.

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nung und positive Wertung artikulierenden Menge. Für diese Artikulation der Zustimmung gibt es mehrere Arten: die spontane Akklamation, das numerische Ergebnis einer förmlichen Wahl in einer Abstimmung oder die allgemeine öffentliche Meinung. Prämiert wird mithin jedesmal und immer die Meinung aller oder der meisten. Dahinter steht der Glaube an die Richtigkeit und Unfehlbarkeit der Meinung der Gesamtheit einer Sozietät, der allgemeinen Meinung oder doch mindestens der Meinung der Mehrheit. Der einzige Souverän, der oberste Richter ist das Volk, das sich seine Magistrate wählt, auch da, wo solche Wahl nur dem Schein nach eine wirkliche Wahl ist, in Wirklichkeit aber ein von langer Hand lanciertes Manöver. In jedem Fall aber ist die politische Voraussetzung die Annahme, daß die Gesamtheit des Volkes, die Gemeinschaft aller oder der Mehrheit die höchste, unfehlbare Instanz für das Urteil darüber darstellt, ob ein einzelner die Auszeichnung hervorragender Anerkennung, mit anderen Worten den Zuspruch des Überdurchschnittlichen, Außergewöhnlichen im positiven Sinne eines außerordentlichen Verdienstes um die Allgemeinheit, die ganz Sozietät, verdient. Überall da, wo diese allgemeine Anerkennung zur gloria wird, findet auch eine spezielle Konkretisierung, sei es durch die Zeichen der öffentlichen Ehrung (wie zum Beispiel des öffentlichen Begräbnisses) und der Ehrenzeichen, der insignia, durch den Triumphzug und schließlich und endlich durch die Pflege des Andenkens und der andauernden Erinnerung,⁸¹ worüber die Societas zu wachen hat, auch über den Tod des so Geehrten hinaus.⁸² Denn erst diese Ehrung über das Normale hinaus macht ja den Unterschied zwischen der probitas und der gloria sichtbar: während die probitas die der allgemeinen Norm entsprechende Tugendhaftigkeit und Rechtschaffenheit des Verhaltens der Bürger bezeichnet, seine bürgerliche Anständigkeit, ist die gloria nur dem vir magnus vorbehalten, der in seinem Handeln das Normale und durchschnittlich gute Verhalten seiner Mitbürger durch die außergewöhnliche Tat übersteigt. Der vir magnus empfängt also mit der Zuteilung der gloria von der societas nicht nur seine über das Normalmaß hinausreichende Auszeichnung für die Gegenwart, in der er lebt, sondern auch für die Zukunft über seinen leiblichen Tod hinaus, den er in Form des ehrenden Andenkens, des ruhmvollen Gedächtnisses überlebt. Wenn sein Körper längst zerfallen ist zu Staub, lebt doch sein Name fort und kündet künftigen Geschlechtern und Generationen von seinen Taten und ist so weiterhin lebendig durch die Wirksamkeit als Beispiel für die Nachwelt. Obwohl das Leben des einzelnen kurz ist, kann sein Nachruhm unermesslich sein:

 Cic. Catil. 3, 28.  Cic. Verr. II 4, 82.

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exiguum nobis vitae curriculum natura circumscripsit, immensum gloriae.⁸³ Mag auch der Körper tapferer Männer sterblich sein, so ist doch der Ruhm ihrer Tugend ewig.⁸⁴ Wer würde, fragt Cicero, wenn das Andenken nicht weiter reichte als das Leben, so verrückt sein, sich der größten Anstrengungen und Gefahren auszusetzen?⁸⁵ Nur scheinbar wird der vir magnus durch seinen Ruhm der irdischen Welt entrückt und in eine himmlische Sphäre versetzt. In Wirklichkeit bleibt er Mensch und Bürger der Societas, die jedoch über seinen unsterblichen Ruhm wacht und ihn vor Verunglimpfung und Vergessen schützt, wie Cicero in metaphorischer Wendung zum Ausdruck bringt: gloriae gradibus etiam in caelum homines videntur ascendere;⁸⁶ Italiae decreta … quibus tamquam gradibus mihi videor in caelum ascendere.⁸⁷ Der Aufstieg in den Himmel durch den Nachruhm ist für Cicero nur ein Schein, für uns aber läßt dieser Schein gleichwohl noch deutlich erkennen, daß sich im Bewußtsein der römischen Welt die gloriose Transzendierung des tatenreichen Individuums hin zur individuellen Unsterblichkeit in der Form des Nachruhms in einer quasireligiösen Dimension vollzieht, weil sie die irdische Parallele zu der überirdischen Unsterblichkeit der Seele ist, von der die Religion spricht, wenn sie von dem Verstorbenen als dem Verewigten redet, der durch einen Akt der Verwandlung nun nicht mehr unter uns weilt, nun nicht mehr Teil der diesseitigen, sondern einer jenseitigen Welt geworden ist. Nach allem, was wir aus den von U. Knoche in dem Artikel gloria gesammelten Stellen lernen können, war gemäß der römischen Vorstellung die besondere Anerkennung eines vir magnus durch die mit der exzeptionellen Ehrung de facto verbundene individuelle Unsterblichkeit die öffentliche Bestätigung der überdurchschnittlichen Qualität einer erbrachten Leistung. Die Verwurzelung dieser Legitimation einer so gearteten Leistung in der allgemeinen Meinung der Bürger einer Gesellschaft war jedoch keine römische Erfindung. Dieser Gedanke findet sich schon in der griechischen Welt, und zwar seit alter Zeit, schon bei Homer, und auch bei Hesiod ist er bezeugt. Es überrascht daher nicht, daß die Philosophie dieses Phänomen, daß die übereinstimmende Ansicht der Mehrzahl der Menschen oder aller Menschen für die richtige Meinung gehalten wird, thematisiert hat und ihm eingehende Untersuchungen hat zukommen lassen. So bei

 Cic. Rabir. Perduell. 30.  Cic. Sest. 143.  Cic. Phil. 14, 32: brevis a natura vita vobis data est, at memoria bene redditae vitae sempiterna. Quae si non esset longior quam haec vita, quis esset tam amens, qui maximis laboribus et perculis ad summam laudem gloriamque contenderet? Vgl. Sallust Jug. 1, 5: pro mortalibus Gloria aeterni fiunt; Seneca Suas. 2, 2: gloriae nullis finis est; vgl. auch Ausonius 315, 2: gloria non moritur.  Cic. Mil. 97.  Cic. Dom. 75.

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Aristoteles als erstem. Für ihn hat die Meinungsbildung der Menschen da, wo sie übereinstimmend erfolgt, intuitiv und spontan, eine überzeugende und legitimierende Kraft. Eine der zentralen Stellen für diesen Sachverhalt findet sich im 10. Buch der Nikomachischen Ethik, wo es heißt: „Was allen Menschen wahr erscheint, davon gilt die Aussage, daß es so ist. Wer aber diese Überzeugung für ungültig erklärt, der wird kaum etwas Überzeugenderes nennen können“.⁸⁸ Die übereinstimmende Meinung der πολλοί ist für Aristoteles ein ernst zu nehmender Hinweis auf die Wahrheit oder auf die Wahrscheinlichkeit von Sachverhalten. Er, Aristoteles, ist auch der Erste, der dafür einen Grund angibt, nämlich weil sich, gemäß seiner Auffassung, in den übereinstimmenden Ansichten der Menschen die ihnen gemeinsame Natur, ihre φύσις, zeigt. Die φύσις des Menschen aber erreicht ihre höchste Stufe in der Vernunft, im λόγος. Die Vernunft, das kognitive Vermögen, ist aber seiner Struktur nach bei allen Menschen gleich. So will es die Natur im Interesse der Menschen, die sich sonst nicht miteinander und untereinander verständigen könnten. Die Menschengattung ist bezüglich ihrer Existenz auf die Gleichartigkeit ihrer Mitglieder angewiesen. Insoweit ist ihre Homogenität eine für das Überleben der Gattung notwendige. Der so metaphysisch fundierte Konsensgedanke hat in der Philosophie des Aristoteles die Funktion eines Axioms und findet seine Applikation in allen Teilgebieten, auch in seiner Politischen Wissenschaft. Im 3. Buch der Politik erläutert er beispielsweise, warum es besser sei, wenn die breite Masse entscheide als die wenigen Vornehmen.⁸⁹ Auch bei geistiger, einsichtsvoller Überlegenheit eines Einzelnen über die anderen Mitglieder einer Gesellschaft als Individuen bedeute das nicht, daß er, der Einzelne, der Gesamtheit der Mitglieder der Gesellschaft überlegen sei. Die einzelnen Teile in toto würden sich zu etwas noch Besserem ergänzen. Ähnlich urteilt später Machiavelli in den Discorsi von 1509: „Was die Klugheit und Beständigkeit betrifft, so behaupte ich, daß das Volk klüger und beständiger ist und ein richtigeres Urteil hat als ein Alleinherrscher. Nicht ohne Grund vergleicht man die Stimme des Volkes mit der Stimme Gottes. Denn die öffentliche Meinung prophezeit in wunderbarer Weise richtig die Zukunft, so daß es den Anschein hat, als sähe sie vermöge geheimer Kräfte Wohl und Wehe voraus“.⁹⁰ Inzwischen war es längst, und zwar vornehmlich durch die Stoiker und Epikureer, zu einer Psychologie des

 EN X 2. 1172 b 36 ff.: ἃ γὰρ πᾶσι δοκεῖ, ταῦτ’ εἶναί φαμεν· ὁ δ’ ἀναιρῶν ταύτην τὴν πίστην οὐ πάνυ πιστότερα ἐρεῖ. Vgl. EE II 1. 1219 a 40.  Politik III 10. 1281 a 40 ff.  Der Ruhmesgedanke spielt natürlich auch bei Machiavelli eine große Rolle. Siehe z. B. H. Zmora, „A World without a Saving Grace: Glory and Immortality in Machiavelli“, History of Political Thought 28/3, 2007, 449 – 468.

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Konsensgedankens gekommen, das heißt zu einer Verankerung des consensus omnium im Bewußtsein des Individuums durch die Annahme von sogenannten Vorbegriffen, προλήψεις oder ἔννοιαι aufgrund von Erfahrung, vermittels welcher die Natur sie dem Erkenntnisvermögen des Menschen einprägt.⁹¹ Die Vermittlung dieser ursprünglich griechischen Gedanken und Vorstellungen an die römische Welt geschah in der Hauptsache durch Cicero, nicht nur in seinen philosophischen Schriften, sondern auch in seinen Briefen und seinen übrigen Werken. Erst aufgrund dieser theoretischen Grundlegung und Aufarbeitung des Konsensgedankens, einerseits durch die griechische Philosophie und andererseits durch die Vermittlungstätigkeit Ciceros⁹², konnte die Konsenstheorie ihre höchst folgenreiche praktische Wirkungsgeschichte in der Spätantike, in Mittelalter und in der Neuzeit bis zu unserer eigenen Gegenwart entfalten. Und ein Bestandteil dieser Wirkungsgeschichte ist auch die offizielle Legitimierung des römischen Ruhmesgedankens der gloria im consensus omnium einer Sozietät, das heißt die Verankerung der gloria des Einzelnen in der Allgemeinheit der öffentlichen Meinung. Nach der Vorgeschichte in der römischen Republik erlangt im römischen Kaisertum das Konsensmotiv zum ersten Mal welthistorische Geltung. Den Übergang dazu bildet der erste Kaiser noch selbst: Octavianus Augustus, der in seinem Tatenbericht, Res gestae, im Monumentum Ancyranum Kap. 34 die Tradition der nachfolgenden Kaiser bis zum Ende des weströmischen Reiches begründet und seine Machtergreifung mit dem Hinweis auf den allgemeinen Konsens bei der Wahl zum Herrscher, zum princeps, zu legitimieren trachtet: per consensum universorum potitus rerum omnium. Mit dieser formelhaften Wendung will er die freiwillige Unterordnung aller unter seine absolute Herrschergewalt zum Ausdruck bringen, er, der erst nach einem blutigen Bürgerkrieg, nach grausamen Proskriptionen und massenhafter Vernichtung seiner politischen Gegner über einen Berg von Toten den Thron besteigt, von dem aus er sein Friedensreich verkündet, nachdem er nun keine Feinde im Inneren des Reiches mehr hatte, weil sich endlich jene Friedhofsruhe ausbreiten konnte, die nur noch dynastische Familienstreitigkeiten und Nachfolgeprobleme notgedrungen zuließ, jedenfalls zunächst einmal, solange das julisch-claudische Herrscherhaus noch existierte, das heißt bis zum Ende Neros im Jahre 68. Danach beginnt eine neue Epoche der römischen Kaiser, die aber noch umso mehr die Berufung auf den  Vgl. M. Liatsi, „Der Begriff des Konsenses. Herkunft und Bedeutung eines Argumentationsmittels“, in: K.-M. Hingst/M. Liatsi (Hrsgg.), Pragmata. Festschrift für Klaus Oehler, Tübingen 2008, 306 – 316.  Vgl. z. B. Tusc. I 35 und I 30.Vgl. auch Tusc. I 36, III 2; De fin. I 31; De nat. deor. I 44; De div. I 1, I 11.

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consensus omnium und insonderheit die Berufung auf die Zustimmung der politisch relevanten Kräfte wie Senat, Ritterstand, Volk, Heer und Provinzen nötig hatten, da ihnen die Legitimation durch die familiäre Zugehörigkeit zur julischclaudischen Dynastie fehlte. Äußerlich sichtbaren Ausdruck fand dieser Umstand in einer Münzpropaganda, die das Consensus-Motiv verstärkt unter die Münzlegenden aufnahm und so den Bewohnern des römischen Reiches bis in den letzten Winkel eindrücklich und nachhaltig mitteilte, wer das Sagen hatte, das heißt auf welche Kräfte sich die Herrschaft des jeweiligen Kaisers stützte. Daß dieser Hinweis auf die tragenden Kräfte der Herrschaft des jeweiligen Kaisers, auf die dieser jederzeit zum Schutz seiner Herrschaft zurückgreifen konnte, zugleich auch eine massive Drohung und Entmutigung potentieller Widersacher sein sollte, versteht sich von selbst.⁹³ In der römischen Kaiserzeit bürgerte sich die Berufung auf den consensus omnium nicht nur als Legitimierungsformel der politischen Herrschaft ein, sondern auch in der politischen Theologie des sich immer weiter verbreitenden Christentums fand der Konsensgedanke Eingang. So wird etwa die allgemeine Übereinstimmung bei Gemeindebeschlüssen und bei Presbyter- und Bischofswahlen und Konzilsbeschlüssen als die Wirkung des Heiligen Geistes interpretiert. Diese kirchen- und dogmengeschichtliche Bedeutung des als vom Heiligen Geist gewirkt verstandenen Konsenses war für die Aufrechterhaltung der Einheit der über den ganzen Mittelmeerraum verstreuten christlichen Gemeinden in den ersten drei Jahrhunderten nach dem Eintritt des Christentums in die Geschichte umso wichtiger, als es in der vorkonstantinischen Zeit keine zentrale Organisation des Christentums im römischen Reich gab, wie später durch die Vorrangstellung des Bischofs von Rom. Einzig die Ideologie des vom Heiligen Geist gewirkten consensus omnium der wahrhaft Gläubigen war die überregionale Klammer, die die dogmatische Einheit aller Christengemeinden garantierte. Von der Mehrheit des jeweiligen Wahlkörpers abweichende Stimmen wurden nicht gewertet, denn sie galten als von dem Willen des Heiligen Geistes abweichend und also als häretisch. Diese Konzeption fand schon im ältesten Kirchenrecht seinen Niederschlag, wie der 1. Klemensbrief des römischen Bischofs Klemens, um das Jahr 96 an die Gemeinde von Korinth in praktischer ermahnender Absicht geschickt, zeigt, und gegen Ende des 2. Jahrhunderts bei Irenäus in dessen Schrift Adversus haereses theoretisch begründet wird im Zusammenhang mit dem Traditionsprinzip, wie auch wenig später, um 200, in Tertullians Schrift De praescriptione haereticorum in prägnanten Formulierungen, die an Klarheit nichts zu wünschen

 Vgl. M. Liatsi, a.a.O., 309 f. mit Anm.

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übrig lassen.⁹⁴ Die Sittenlehre ist davon gleichermaßen mitbetroffen, denn was gegen eine bestehende Sitte und die in dieser Sitte zum Ausdruck kommende allgemeine Übereinstimmung und Autorität durch abweichende Handlungen getan wird, das ist Sünde, Absonderung von Gott und von seinen Geboten, über deren Reinhaltung die Kirche wacht. Die Häretiker sind für die Wahrheit blind. Auch über die drei ersten christlichen Jahrhunderte hinaus hat das Konsensprinzip seine große Wirkungsgeschichte in Spätantike, Mittelalter und Neuzeit bis heute entfaltet, auch in der islamischen Welt.⁹⁵ Im fünften Jahrhundert hat der Mönch Vincentius von Lerinum in seinem einflussreichen Commonitorium pro catholicae fidei antiquitate (um 434) den sogenannten Lehrkonsens der Kirchenväter formuliert, das heißt die unter diesen evidentermaßen bestehende Übereinstimmung in der Lehre als künftige Grundlage dessen, was als kirchliche Tradition zu gelten hat und was nicht und wie in Zukunft auf allgemeinen Konzilien zu verfahren sei. Die berühmte Formulierung des Traditionalismus daraus lautet: Curandum est, ut id teneamus, quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est.⁹⁶ Die voranstehende Übersicht über die Geschichte des Konsensprinzips in der Antike soll deutlich machen, daß der römische gloria-Begriff, so wie er insonderheit ausführlich von Cicero analysiert worden ist, zum einen eine griechische Vorgeschichte hat, zum anderen tief verwurzelt ist in dem spezifisch römischen Begriff des consensus omnium, der, zumal durch Cicero, die klassische naturrechtliche Fundierung in Definitionen erfährt wie omnium consensus naturae vox est⁹⁷ und omni autem in re consensio omnium gentium lex naturae putanda est,⁹⁸ also daß bei jeder Sache die Übereinstimmung der Völker wie ein Gesetz der Natur zu betrachten sei. Cicero war es, der dasjenige, worin alle Menschen übereinstimmen, nicht nur als ein Kriterium des Wahren bestimmte, sondern diese universale Übereinstimmung als die Stimme der Natur ansprach. Insoweit galt Cicero das sittliche Bewußtsein, in welchem alle Menschen übereinstimmen, als angeboren und entsprechend die sittlichen Grundbegriffe auch. Die davor weithin ungeklärte Frage, wie denn überhaupt ein consensus omnium ohne vorherige Verabredung zustande kommen kann, beantwortet Cicero mit seinem Hinweis auf

 Vgl. z. B. die Stelle V 20, 1.  Siehe dazu K. Oehler, Antike Philosophie und Byzantinisches Mittelalter, München 1969, 262 Anm. 18.  Über die weitere Entwicklung und Geschichte des Konsensgedankens, insonderheit in der Neuzeit, siehe M. Liatsi, a.a.O., 311 ff.  Cic. Tusc. I 35: „die Übereinstimmung Aller die Stimme der Natur ist“.  Cic. Tusc. I 30: „es muß hier wie in jedem Falle die Einstimmigkeit aller Völker als ein Naturgesetz betrachtet werden“.

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die allgemeine, jedem Menschen von Natur mitgegebenen, bei allen Menschen gleichen Vernunftbegriffe. Diese im Prinzip neue Antwort ist der wesentliche Beitrag Ciceros zu der Theorie des consensus omnium, ein Beitrag, der diese Theorie, auch im Umfeld der späteren Demokratiebegründungen, zu einem der wertvollsten Erbstücke der Antike hat werden lassen. Während der Ruhmesgedanke in der griechischen Welt in vielen Wörtern seinen sprachlichen Ausdruck findet, so zum Beispiel in δόξα, εὐδοξία, ἔπαινος, εὐφημία, κλέος, κῦδος, τιμή, wie schon U. Knoche konstatiert,⁹⁹ so bündelt sich hingegen in dem einen Wort gloria der römische Ruhmesgedanke wie in dem Fokus einer Linse. Das ist kein Zufall, sondern die Folge davon, daß die gloria dem römischen Denken immer schon, auch schon vor Cicero, der daraus allerdings als Erster eine Theorie machte, als der sinnlich wahrnehmbare Ausdruck der dahinter stehenden Metaphysik des consensus erscheint, ohne die die zeitlich entgrenzte gloria nicht die unsterbliche Ewigkeitswirkung hätte, die sie nach römischem Verständnis über alle Gräber hinweg im Bewußtsein der Menschen hatte, gemäß der Losung: das Leben ist kurz, der Ruhm aber unendlich. Aber auf besonderen, dramatischen Höhepunkten der Geschichte findet auch in der griechischen Welt der Ruhmesgedanke einen Ausdruck der Erhabenheit, der dem der römischen gloria gleichkommt, wie beispielhaft die Leichenrede des Perikles bei Thukydides für die im Krieg gefallenen Mitbürger glanzvoll dokumentiert, wo sich zeigt, daß der Staat denen, die ihr Leben für die Sache des eigenen Volkes hingegeben haben, als Dank Ruhm und Unsterblichkeit zuspricht. Das bleiben in Athen in dieser Form indes punktuelle, disparate Vorkommnisse, während die römische gloria im Ganzen ihres Spektrums auf den Grenzwert der Unsterblichkeit fokussiert ist, über den, institutionell gesichert, in jedem einzelnen Fall von historischer Größe die römische Societas in andauernder Bewußtheit, das heißt in ewigem Gedenken wacht. Das ist Teil des nationalen Programms Roms, das in dieser zur vaterländischen Ideologie gesteigerten Form in Athen so nicht präsent war. In beiden Welten, der griechischen wie auch der römischen, ist die Unsterblichkeit der höchste Grad des Ruhmes. Aber in Rom ist der Wille dazu in das Streben nach imperialer Macht integriert und darum ständig gegenwärtig. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, daß, worauf U. Knoche aufmerksam macht, „die Vorstellung, gloria könne ein Geschenk der Götter sein, in den Äußerungen des alten Rom nirgends begegnet“.¹⁰⁰ Die Erlangung von Unsterblichkeit durch persönlich erworbenen Ruhm überließ man nicht der Gnade der Götter. Dies

 U. Knoche, a.a.O., 106.  U. Knoche, a.a.O., 108, Anm. 23.

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schrieb man sich selbst zu, genauso wie den Ruhm, der seinen zureichenden Grund in den eigenen Taten haben sollte. An dem Ruhm partizipieren aber notwendigerweise immer mindestens zwei: der Einzelne als Träger des Ruhmes und die Familie, der der Einzelne entstammt. Denn der Ruhm des Einzelnen strahlt ab auf seine Gens.¹⁰¹ Aber auch umgekehrt hat der Einzelne teil an dem Ruhm seiner Gens, der er entstammt. Und nicht nur das: als Angehöriger einer berühmten Familie gerät er unter einen Erwartungsdruck, dem er nicht entkommt. Er steht sozusagen, wie es Sallust metaphorisch darstellt, im Licht des Ruhmes seiner Vorfahren.¹⁰² Einmal durch Ruhm der Familie ins Licht der Öffentlichkeit gestellt, bleiben weder Vorzüge noch Schwächen der Nachfahren verborgen. So wie von ererbtem Gut, wird auch von dem Ruhm der Familie erwartet, daß dieser nicht nur erhalten bleibt, sondern von den Nachkommen vermehrt wird. Verlust oder Beschädigung desselben wieder auszugleichen, gilt für die Nachkommen als eine Sache der Ehre.¹⁰³ Der Ruhm der Vorfahren gilt für die Nachfahren als Anlaß, mit diesen in Konkurrenz zu treten und sie nach Möglichkeit noch zu übertreffen.¹⁰⁴ Aus dem bei U. Knoche am Leitfaden seines gloria-Artikels im Thesaurus Linguae Latinae ausgebreiteten Stellenmaterials geht das Wesentliche des römischen Ruhmesgedankens hervor: die gloria fällt dem Einzelnen nicht zufällig in den Schoß, vielmehr verlangt sie labor, industria und disciplina, auch innerhalb der Familie, die sie schon ererbt hat, und keineswegs genügt eine im besten Fall nur durchschnittliche bürgerliche Wohlanständigkeit. Die gloria erwächst nur vor dem Hintergrund von außergewöhnlichen Taten, in letzter Instanz von Leistungen besonderer Tragweite für den Staat und die Allgemeinheit, und zumeist nicht bloß als eine einmalige Handlung, sondern in einem Kontinuum von Handlungen, das mit charakterlicher Trägheit und mit einem müßiggängerischen Lebenswandel nicht vereinbar ist. Bezeichnenderweise wird gloria von Cicero in Off. 1, 90 den res gestae zugerechnet und damit dem Leistungsspektrum einer ganzen Biographie. So zieht U. Knoche das für unsere Thematik wichtige Fazit: „Wie aber der Einzelne

 Vgl. dazu Livius II 20.  Sall. Jug. 85, 23: maiorum gloria posteris quasi lumen est; neque bona neque mala in occulto patitur; entsprechend formuliert Livius: Papirius Cursor … insignis qua paterna gloria qua sua (Liv. X 38, 1).  Vgl. Cic. Verr. II 4, 79 f., bezüglich des von Verres mutwillig entfernten Denkmals des Scipio, eine Schande, deren Beseitigung erst den alten Ruhm des Scipionengeschlechts wieder herstellen kann.  Vgl. Liv. I 22, 2; Sall. Jug. 4, 6; Sen. Contr. 10, 2, 16. U. Knoche weist in diesem Zusammenhang auch auf Apuleius, Metam. 7, 8 hin, wo dieses Phänomen zum Anlaß einer Parodie gemacht wird und damit seine allgemeine sittengeschichtliche Bedeutung noch umso deutlicher wird.

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dem Staat und der Gens angehört, so tritt er durch den Ruhm als Individuum auch aus beiden Verbänden hervor: das ist sein Lohn, daß er in dieser Weise eine individuelle Unsterblichkeit erlangt, durch die seine Größe auch vor der Nachwelt besonders überzeugend dokumentiert wird“.¹⁰⁵ Der Ruhm als Garant der individuellen Unsterblichkeit rangiert unter den höchsten Werten, höher noch als Hab und Gut und höher selbst als das Leben: praesentis fructus neglegamus, posteritatis gloriae serviamus.¹⁰⁶ Das Verlangen nach Ruhm hat nur da seine Grenze, wo es die Gesetze oder die Interessen des Staates verletzt. Ansonsten ist die cupido gloriae das Qualitätsmerkmal des civis Romanus und in eins damit die eigentliche Ursache für die Weite und Größe des Imperium Romanum. Diese Einschätzung würde auch übereinstimmen mit der Feststellung des Aristoteles in der Nikomachischen Ethik I 5. 1095 b 23, wonach die Ehre (τιμή) das Endziel (τέλος) der politischen Lebensform (βίος πολιτικός) ist. Aus dem Verlangen nach Ruhm und damit nach Macht wird in vielen und vielleicht sogar in den meisten Fällen auch die Ruhmbegier oder Ruhmsucht geboren, und so extrem ausgeprägt wie bei den Römern führt sie dann unvermeidlich und geradezu notwendig zu den Exzessen des Krieges, sogar untereinander, des Bürgerkrieges, wie im letzten Jahrhundert der römischen Republik, als mit dem blutigen Instrument der Proskriptionen gegen eigene Landsleute und Standesgenossen die Namen der Geächteten öffentlich angeschlagen, promulgiert wurden, und die so Bezeichneten für vogelfrei erklärt wurden: auf ihren Kopf war eine Belohnung ausgesetzt, ihr Besitztum verfiel dem Staat, das heißt den Machthabenden, und der Pöbel konnte sich austoben. So geschah es unter Sulla aufgrund der lex Cornelia de proscriptione, und später unter Lepidus, Antonius und Octavian, immer mit dem Hauptzweck der Beschaffung von Kapital für den Krieg, den man gegen seine Gegner führte. So schlug das altrömische, werthaltige Verlangen nach gloria unter den veränderten zeitgeschichtlichen Verhältnissen um in eine Selbstzerfleischung des römischen Volkes, das erst endete, als nach Octavians Treiben schließlich keine politischen Gegner mehr am Leben waren, die noch Widerstand hätten leisten können. So stellte sich dann am Ende der Republik mehr oder weniger automatisch jener Zustand ein, der fortan die Pax Augusta genannt wurde. Ihr Kult begann mit der Weihung der Ara Pacis Augustae auf dem Marsfeld am 30. Januar des Jahres 9 v.Chr. nachdem der Senat dessen Einrichtung am 4. Juli des Jahres 13 v.Chr. beschlossen hatte, als Augustus aus Gallien und Spanien zurückkehrte, wo er drei

 U. Knoche, a.a.O., 112.  Cic. Sest. 143. Vgl. Cic. Top. 22, 84; Off. 2, 88; Sall. Jug. 85, 40; Catil. 7, 6; Cic. Arch. 23; Livius II 13, 13; Cic. Arch. 28; Phil. 5, 49; 5, 50: nihil vera gloria dulcius. Vgl. Rhet. ad Herenn. IV 44, 57.

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Jahre benötigt hatte, um die sogenannte Ruhe ein für alle Mal herzustellen. Danach herrschte dann wirklich Ruhe, so tiefe Ruhe, daß die Methoden, mit denen Augustus diese Ruhe herbeigeführt hatte, fast vollständig selbst dem Gedächtnis der Historiker entschwanden und er seitdem in der Nachwelt als Friedensfürst gefeiert wurde. So wird, wie Hegel sagen würde, Geschichte gemacht, jedenfalls die große Geschichte. Und vielleicht hat er Recht. Wer wollte das Gegenteil beweisen? Wie konnte es zu dem Verlust des alten Ruhmesgedanken im ersten vorchristlichen Jahrhundert kommen? Wodurch wurde seine Veränderung herbeigeführt? Galt doch von alters her der sprichwörtliche Grundsatz, der Ruhm sei der Lohn der Tugend.¹⁰⁷ U. Knoche gibt seiner Vermutung Ausdruck, die mir richtig zu sein scheint, daß der Grund in einer Veränderung des Ruhmesgedankens selbst lag.War früher das Zentrum des Ruhmesgedankens die für den Staat nützliche Tat und hatte das Streben nach Ruhm da seine von der allgemeinen Meinung sanktionierte Grenze, wo es in seiner Realisierung die Interessen des Staates verletzte oder verletzt hatte, so fällt diese Grenze jetzt im ersten Jahrhundert v.Chr. endgültig mit der Skrupellosigkeit und Rücksichtslosigkeit Sullas; und immer mehr ist es die einzelne große, weithin erkennbare Tat als solche, losgelöst von dem überindividuellen Interesse des Staates, die in das Zentrum des Bewußtseins des Handelnden rückt. In diesem Sinne äußert sich Sallust,¹⁰⁸ wenn nach seinem Eindruck erst ein Mann wirklich lebt und seinem Leben einen Sinn gibt, dessen Handlungsmaxime der Ruhm schlechthin ist, und er sagt dies auf eine Weise, die nahelegt, daß die Relation von Ruhm und Nutzen für den Staat keine Selbstverständlichkeit mehr ist: für die eigene Ruhmsucht ist das Wohl des Staates kein Tabu mehr.¹⁰⁹ Mit dieser Wendung rückt automatisch die große, außergewöhnliche, unwahrscheinliche, überdurchschnittliche Tat um ihrer selbst willen in den Mittelpunkt der Betrachtung und zieht den Ruhm auf sich. Der Ehrgeiz und die RuhmGier werden jetzt hemmungslos und bar jeder Rücksichtnahme auf das Gemeinwohl. Der Narzissmus des Ruhms, den man mit keinem mehr teilen will, auch

 Vgl. Cic. Mil. 97: sed tamen ex omnibus praemiis virtutis, si esset habenda ratio praemiorum, amplissimum esse praemium gloriam. Siehe auch Aristoteles EN IV 3. 1123 b 35 f.: τῆς ἀρετῆς γὰρ ἆθλον ἡ τιμή, καὶ ἀπονέμεται τοῖς ἀγαθοῖς.  Catil. 2, 8 f.  Man vergleicht in diesem Zusammenhang das Beispiel des Sertorius, dessen Siege im Bund mit den Feinden Roms seinen Ruhm begründen. Siehe Plutarch, Sertorius 23. Dazu U. Knoche, a.a.O., 116: „Die Wendung der sullanischen Zeit möchte ich darin sehen, daß diese Grenzen fortfielen: der Einzelne sucht den Ruhm eines Gegners um jeden Preis zu übertrumpfen, mag auch das Ganze dabei zugrunde gehen“.

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nicht mit dem Staat, beginnt zu triumphieren. Der Ruhmesgedanke wird nun diffus, er strebt in verschiedene Richtungen der Egoismen der jeweils agierenden Kräfte. Es gibt jetzt auch keine einheitliche Instanz mehr, die darüber wacht, ob eine außergewöhnliche Tat dem Staat nützt oder schadet. Diese Tendenz zur Auflösung der einheitlichen, übereinstimmenden Volksmeinung beginnt, wie U. Knoche¹¹⁰ konstatiert, nicht erst in sullanischer Zeit, sondern schon früher, nämlich mit dem Parteienhader im Ständekampf im Anschluß an den letzten Punischen Krieg. Dieser Diversifikation und Verunheitlichung des älteren Ruhmesgedankens folgt die Überzeugung von der Unzulänglichkeit und Unangemessenheit des früheren Ruhmesgedankens überhaupt. Es kommt zu einer Zweiteilung des Begriffes gloria. ¹¹¹ Es kommt zu der Aufspaltung zwischen dem Ruhm bei den Vielen, der gloria multorum, und dem Ruhm der Wenigen, der gloria bonorum. Ersterer ist der sogenannte breite Ruhm, gloria lata,¹¹² der andere ist der wahre Ruhm, gloria vera. ¹¹³„Und diese Zweiheit läßt sich von nun an bis zum Untergang der römischen Welt lückenlos nachweisen“,¹¹⁴ wobei bei der gloria bonorum im Laufe der Jahrhunderte die Identität der boni verständlicherweise wechselt. Zugleich kommt es zu einer elitären Verengung der Legitimationsbasis der gloria, denn nicht mehr die Bürger in ihrer Gesamtheit legitimieren den Zuspruch des Ruhmes an den einzelnen Bürger, sondern nur die boni, die den Staat an führender Stelle gerade repräsentieren. Ihr Urteil wird zum allein maßgebenden, denn ihnen allein wird die Kompetenz der richtig Urteilenden zuerkannt.¹¹⁵ Mit dieser innenpolitisch zweifellos elitär in Erscheinung tretenden Verhärtung, die auch schon in der vorciceronischen Zeit nachweisbar ist, geht gleichwohl Hand in Hand die Expansion des römischen Weltreiches und die Inanspruchnahme eines Ruhmes, der bar jeder lokalen, provinziellen Begrenzung ist und das ganze Menschengeschlecht zum Träger für sich reklamiert, wobei im allgemeinen das römische Imperium als Inbegriff nota bene der Menschheit fungiert. Was außerhalb der Grenzen dieses Imperiums ist, existiert praktisch für die boni in Rom nicht, es sei denn bei grenzverletzenden Unbotmäßigkeiten, die es zu bekämpfen galt, wie zum Beispiel bei den Germanen am Rhein. Daß sich Rom dabei durchaus auch unerwarteterweise eine blutige Nase holen konnte,

 A.a.O., 117, unter Hinweis auch auf Sallust Jug. 41, 2.  Vgl. dazu Cic. Sest. 129; Phil. 1, 29 et passim.  Siehe z. B. Plin. Epist. 4, 12, 7.  Siehe Thesaurus Linguae Latinae VI, Sp. 2065, 65 ff.: zuerst bei Cic. Pis. 2.  U. Knoche, a.a.O., 117.  Vgl. Cic. Sest. 139: bona fama bonorum, quae sola vere gloria nominari potest; Cic. Tusc. 3, 3: incorrupta vox bene iudicantium.

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lehrt auf krasse Weise die Varus-Schlacht 9. n.Chr. im Teutoburger Wald. Aber man sollte dieses Ereignis auch nicht überbewerten. In Anbetracht der langen Geschichte des römischen Reiches ist dieser Betriebsunfall im Teutoburger Wald doch nicht mehr als eine Fußnote der Geschichte, deren Bekanntheitsgrad von der Einmaligkeit und Skurrilität des Vorfalles lebt – und von der Schadenfreude: ein Haufen unzivilisierter Germanen vernichtet in den finsteren Wäldern im Norden, irgendwo an unbekanntem Ort jenseits des Rheins, zwischen Weser und Elbe, drei hochgerüstete römische Legionen, zusammen circa 20.000 Mann. So etwas erregt die menschliche Phantasie bis heute. Vor allem gilt nun aber als das Hauptergebnis der langen Entwicklungsgeschichte des Ruhmesgedankens in der Antike festzuhalten, daß, während sich früher die längste Zeit der Ruhmesgedanke fast ausschließlich auf militärische und politische Taten beschränkte, der Ruhmesgedanke sich nun auch in dieser Hinsicht entgrenzt und sich vielfältig spezifiziert: auf den Ruhm und Nachruhm der Dichter, Maler und Bildhauer, der Philosophen und Wissenschaftler, der Baumeister und Architekten, der Geschichtsschreiber und der Heiligen und Wundertäter, der Magier und Religionsstifter, der Märtyrer und anderer auffälliger Gestalten, die sich in die dauernde Erinnerung der Menschen eingruben und in ihr weiterleben.¹¹⁶ Die Multiplizierung der mittlerweile nun schon nach Gruppen unterschiedenen Adressaten der Glorifizierung ließ natürlich sehr bald auch allgemeine Fragen in bezug auf die gloria aufkommen, zum Beispiel die nach ihren theoretischen Grundlagen, vor allem aber die nach den Kriterien, gemäß welchen die jeweiligen boni über wahren und falschen Ruhm entscheiden und inwieweit die Differenzierung nach Wahrheit und Falschheit des Ruhmes überhaupt ein fundamentum in re hat, beziehungsweise worin dieses eigentlich bestehen soll. Wie meist bei solchen axiologischen Grundsatzfragen ist man mit den Antworten da, wo man bereits am Anfang war, als sich solche Fragen zuerst stellten, nämlich bei der dezisionistischen Feststellung, daß die boni, die über wahren und falschen Ruhm entscheiden wollen und sollen, kraft ihrer natürlichen und sozialen Eigenschaften, also ihrer Tugenden, dazu als vorzüglich befähigt gelten und dem Anschein nach diejenigen sind, die am ehesten ein richtiges Urteil über die virtus anderer haben, insbesondere da, wo es um die virtus als Vorbedingung der gloria geht.¹¹⁷ Daß dies im politischen Tagesgeschäft immer die Leute der eigenen Couleur sind, versteht sich von selbst, so auch bei Cicero, bei dem es die Sach-

 Zu den Anfängen dieser Entwicklung siehe Pomponius frg. 191; Cic. Arch. 23; Cic. Arch. 26; Sall. Catil. 3, 2.  Vgl. Cic. Tusc. 3, 3: vere iudicantes de excellenti virtute.

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walter der republikanischen Fraktion und Tradition sind. Da nun diese, die Republikaner, dann im Zuge der politischen Entwicklung im Rom unter dem Prinzipat ziemlich bald verschwinden, aber der Appell an die Tugend gleichwohl aufrecht erhalten bleibt, ja aus propagandistischen Gründen aufrecht erhalten bleiben muß, werden aus den boni mehr und mehr die Philosophen, also Theoretiker, die nicht mehr in gleichem Maße wie ihre republikanischen Vorgänger im praktischen Leben standen, sei es als Rechtsanwälte oder Richter. Mit anderen Worten: die Bewertung des Ruhmes erfolgte nicht mehr primär nach dem praktischen Ideal des vir magnus, sondern nach der Aristotelischen Wertsetzung der theoretischen (sogenannten ‚kontemplativen‘) Lebensform (βίος θεωρητικός). Der Einfluß der griechischen Philosophie macht sich zunehmend deutlicher bemerkbar, am greifbarsten bei Cicero in seinen philosophischen Schriften, wo Reflexionen über τιμή und δόξα im griechischen Sinne in die römische Theorie der gloria Eingang finden und wesentlich mit dazu beitrugen, daß die weitere Entwicklung des gloria-Begriffes dahin ging, daß die boni, also die eigentlich Sachverständigen in der Urteilsfindung über die Zuerkennung der gloria an den jeweiligen vir magnus, mit den Philosophen gleichgesetzt wurden. Auf die Frage, welcher Wert höher zu achten sei, der Ruhm oder die Tugend des sittlichen Verhaltens, spricht sich der späte Cicero für die Tugend aus.¹¹⁸ Seneca setzt diese Einstellung mit philosophischer Bestimmtheit fort, thematisch einschlägig im 113. Brief an Lucilius.¹¹⁹ Mit lakonischer Kürze und mit definitorischer Strenge kann Valerius Maximus in seinem Werk über denkwürdige Taten und Aussprüche (Facta et dicta memorabilia) sagen, daß zum klarsten Licht des Ruhmes sich Sokrates erhob.¹²⁰ Das Leitbild des vir magnus ist nun nicht mehr Perikles oder Caesar oder Augustus, sondern ein Mann des philosophischen Räsonnements, Sokrates, eine kuriose Figur, ein Eckensteher aus Athen, der Lehrer Platons. Vom ersten nachchristlichen Jahrhundert an wirkte sich der Einfluß der griechischen Philosophie, von keinem geistigen Widerstand Roms mehr gehindert, voll auf die römische Geisteshaltung aus, allem anderen voran das Lehrstück des Aristoteles aus dessen Ethik, die Lehre vom βίος θεωρητικός und von dem ausschlaggebenden, vorbildhaften moralischen Charakter des Individuums als der notwendigen Voraussetzung zur Erlangung der höchsten Lebensform, des Lebens in der reinen θεωρία, im Vergleich zu dem alle anderen Formen menschlicher Existenz nachrangig sind. Nicht mehr die soziale Gemeinschaft der Gesellschaft, der Berufswelt, der Freunde, der Familie und anderer Verbände hat  Vgl. z. B. Cic. Tusc. 3, 3.  Epist. 113, 31– 32. Siehe zu der ganzen Thematik R. L. Newman, „In Umbra Virtutis: Gloria in the Thought of Seneca the Philosopher“, Eranos 86, 1988, 145 – 159.  Vgl. Max. 3, 4, ext. 1: ad clarissimum gloriae lumen excessit.

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die existentielle Priorität, sondern der auf seine geistigen Aktivitäten konzentrierte gute Mann, der aufgrund seiner sittlichen Qualitäten aus der Menge der Vielen hervorragende Mensch, der infolge seiner moralischen Bestheit, seiner ἀρετή, auch von den anderen als Vorbild anerkannte große Mann, der die Maßstäbe auch des öffentlichen, politischen Handelns für alle weithin sichtbar setzt.¹²¹ Aber die weitere Entwicklung nach der Zeitenwende, ab dem ersten christlichen Jahrhundert, löst auch noch die letzte moralisch-praktische Verwurzelung des vir magnus in der Gesellschaft, der er entstammt, und trennt seine vergöttlichte Lichtgestalt ab von seiner normalmenschlichen Herkunft und erhebt ihn schon zu Lebzeiten in den überirdischen Himmel des Ruhmes, in den Olymp der Unsterblichen, um dort alleine mit sich und nur mit Wesen seinesgleichen zu sein. So endet also auch die Geschichte des Kultes der irdischen Unsterblichkeit schließlich da, wo auch immer schon die überirdische Unsterblichkeit der Seelen im Mythos und in der Religion ihre Heimat hatte, nämlich an einem jenseits dieser sichtbaren Welt gelegenen Ort, von dem zwar alle sprechen, aber niemand etwas Genaues weiß. Mag sein, daß diese späte Einsicht in den sich solchermaßen verflüchtigenden Ruhm in der schemenhaften Ortlosigkeit eines Jenseits mit dazu beigetragen hat, daß am Ende der Geschichte des lebendigen gloria- Gedankens in der griechisch-römischen Welt auf die ernüchternde Einsicht in dessen Endlichkeit die Phase seiner Historisierung folgte. Denn es häufen sich nun die Mahnungen gegen die Überschätzung des Ruhmes. Auch in dieser Hinsicht lieferten die immer schon skeptischen Griechen die Leitbilder, und die Römer folgten ihnen, nachdenklich geworden.¹²² Als historische Tatsache muß auch gelten, daß eine der Folgewirkungen des Prinzipates die war, daß der Ruhm als persönliches Motiv aus dem politischen Bewußtsein der Angehörigen der Nobilität weithin entschwand. Der Wille zu politischer und geschichtlicher Größe als Stimulans, als Antriebsmechanismus des in der Öffentlichkeit agierenden Einzelnen wurde zur Ausnahmeerscheinung. U. Knoche notiert zutreffend, kurz und bündig: „Der

 Aristoteles nennt im 4. Buch der Nikomachischen Ethik als Beispiel Perikles (IV 5. 1140 b 8 – 10: διὰ τοῦτο Περικλέα καὶ τοὺς τοιούτους φρονίμους οἰόμεθα εἶναι, ὅτι τὰ αὑτοῖς ἀγαθὰ καὶ τὰ τοῖς ἀνθρώποις δύνανται θεωρεῖν).  Seneca liefert dafür eines der schönsten Beispiele in seinem 44. Brief an Lucilius; vgl. insbes. 44, 5: Non facit nobilem atrium plenum fumosis imaginibus; nemo in nostram gloriam vixit nec quod ante nos fuit, nostrum est: animus facit nobilem, cui ex cuacumque condicione supra fortunam licet surgere („Nicht macht adlig ein Atrium, angefüllt von rauchgeschwärzten Ahnenbildern; niemand hat zu unserem Ruhme gelebt, noch ist, was vor uns war, unser Eigentum: die Seele macht adlig, die sich aus jeder beliebigen Situation über das Schicksal zu erheben vermag“, übers. M. Rosenbach).

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Ruhmesgedanke hat seine lebensbestimmende Kraft und Potenz verloren. Man kann es bezeichnend finden, daß nunmehr eine üppige Literatur über die großen Männer der vergangenen Zeit emporsproßt: man beschreibt exempla, weil man es sich nicht mehr zutraut, selbst exemplum zu werden“.¹²³ Damit war die welthistorische Bühne frei für die Psychopathen, Narren und Monster, deren bedrückendes und gruseliges Schauspiel im Namen des römischen Kaisertums zur Aufführung kam. Die dieses schaurige Spiel nicht mitspielten und stattdessen ihrer stoischen Ethik die Treue hielten, wie Seneca oder der Kaiser Marc Aurel und andere ihrer Pflicht gegenüber dem Gemeinwohl bewußte Männer und Frauen, blieben aus der Sicht der Nachwelt die Ausnahmen, verehrt wegen ihrer Weisheit und philosophischen Gelassenheit in diesen stürmischen Zeiten des römischen Prinzipates, das seinem Untergang entgegentaumelte. Der Gloriagedanke lebte auch in dieser Epoche fort, von Ferne immer noch beeinflußt von dem Aristotelischen Bild des μεγαλόψυχος, das, maßgeblich durch Ciceros philosophische Vermittlung, die Nobilität in der Spätphase der Republik mitgeformt hatte, wenn auch schon in römisch vereinfachter Prägung: als die großzügige Gesinnung, die magnitudo animi,¹²⁴ die wesentlich nur noch in der clementia ihren Ausdruck fand. In der weiteren Entwicklung ihrer allmählichen Entpolitisierung und Privatisierung wurde sie zu einer Tugend der philosophischen Lebensform, die, weit abgehoben von der durchschnittlichen Alltagspraxis der Menschen, das Erkennungszeichen des bedeutenden, sittlich vorbildlichen Individuums war, sowohl in der Gestalt des großen Herrschers als auch in der Erscheinung des gebildeten, geistig reflektierten Bürgers, dessen Leitbild der vir magnus, wenn auch in romantischer Verklärung war; für beide gilt, daß sich nach ihrem Selbstverständnis die erbrachte Lebensleistung im Glanz ihres Nachruhms spiegeln soll. Von dem frühgriechischen und altrömischen Ruhm beziehungsweise Nachruhm militärisch-politischer Großtaten ist in der hellenistischen Spätantike allein noch das Eine übriggeblieben: die biographische Bilanz des Einzelnen im Sinne einer Gesamtbilanz der Lebensleistung, insoweit diese die Grenzmarke zum Ruhm in der Nachwelt hin überschreitet. Nach Lage der Dinge und gemäß der Natur der Sache, um die es geht, nämlich des Ruhmes, kann diese hier relevante Lebensleistung durchaus auch nur in einer einzigen Tat bestehen,

 U. Knoche, a.a.O., 122.  Siehe Cicero, De officiis I 61– 92; I 45; I 153. Vgl. Ch. Gill, „Stoic Magnanimity“, in: S. Vasalou (ed.), The Measure of Greatness. Philosophers on Magnanimity, Oxford 2019, 49 – 71. Siehe auch J. Fetter, The Great Man in Politics. Magnanimity in the History of Western Political Thought, PhD Diss., University of Notre Dame, Indiana 2012, bes. 130 – 173. Zu einem Vergleich zwischen Aristoteles’ und Ciceros Konzepten von Magnanimitas siehe J. Fetter, a.a.O., 122 – 129. Vgl. ferner R. C. Roberts, „Greatness of Soul Across the Ages“, in: S. Vasalou (Hrsg.), a.a.O., 292– 318.

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vorausgesetzt sie erreicht das Niveau des Außergewöhnlichen und dadurch das Interesse der Nachwelt. So läßt sich also feststellen, daß der Ruhm als eine lebensbestimmende Kraft auch schon unabhängig von aller Theorie, dann aber auch durch die philosophische Reflexion noch bestätigt und stabilisiert, zu dem breiten Spektrum der Vitalmächte gehört, die dem menschlichen Handeln die Motivation zu moralisch werthaftem Verhalten, das heißt zu den Tugenden, liefert oder liefern kann. An der Spitze der Tugenden steht schon bei Aristoteles die μεγαλοψυχία, die er den Inbegriff der Tugenden nennt: sie ist nicht nur eine ἀρετή, sondern sie ist ἀρετὴ παντελής (EN IV 3. 1124 a 8, a 28 f.) und eben deshalb erhebt er sie in den Rang des κόσμος τῶν ἀρετῶν (1124 a 1 f.), die Zierde der Tugenden, denn sie ist bezogen auf die τιμή, den höchsten Wert des praktischen Lebens.¹²⁵ An diesem Punkt, sozusagen der Psychologie der Ethik, kommt bei den antiken Autoren oft ziemlich ungeschminkt die andere Seite der Wahrheit zutage, und auch Aristoteles spricht von den großen Taten, den μεγάλα, als μεγάλα καὶ ὀνομαστά, also als denjenigen, die Ruhm einbringen (EN IV 3. 1124 b 25 f.). Man sucht den Ruhm, und große Taten sind hervorragend dazu geeignet, ihn durch sie zu erlangen. So sagt Sallust ganz selbstverständlich über Cäsar, daß er große Dinge nicht um ihrer selbst willen erstrebe, sondern um sein Licht leuchten zu lassen, das heißt aber seine Tugenden, die virtus. Es geht aber auch anders, wie Sallust gerade an der Gegenüberstellung mit Cato zeigen will, von dem er sagt, daß dieser den Ruhm nicht gesucht habe, Cäsar aber sehr wohl (54, 6). Sein, Cäsars, Ziel sei die ganz große τιμή, die exorbitante öffentliche Anerkennung. Die Abhängigkeit von anderen und die Unfreiheit des eigenen Selbst, die mit solcher Haltung einhergehen, wurde dem moralischen Bewußtsein in der Spätantike in zunehmendem Maße zum Gegenstand der Reflexion. Mit anderen Worten: der Ruhm als der Weg zur Unsterblichkeit wurde der Gegenstand eines Zweifels, der, wie wir im nächsten Kapitel noch sehen werden, vor allem religiös motiviert war. Davon waren die politischen Kraftnaturen der spätrepublikanischen Zeit, ein Catilina, Cäsar, Crassus und Pompeius, Antonius und Octavian, um nur diese zu nennen, noch nicht angekränkelt. Für sie galt noch ungebrochen die Gleichung: je grösser der Ruhm, desto grösser die Ehre, desto gesicherter das Fortleben in der Nachwelt als die einzige ernstzunehmende Form der individuellen Unsterblich-

 Siehe EN IV 3. 1123 b 20 ff.: μέγιστον γὰρ δὴ τοῦτο [sc. ἡ τιμή] τῶν ἐκτὸς ἀγαθῶν· περὶ τιμὰς δὴ καὶ ἀτιμίας ὁ μεγαλόψυχός ἐστιν ὡς δεῖ. καὶ ἄνευ δὲ λόγου φαίνονται οἱ μεγαλόψυχοι περὶ τιμὴν εἶναι· τιμῆς γὰρ μάλιστα [οἱ μεγάλοι] ἀξιοῦσιν ἑαυτούς, κατ’ ἀξίαν δέ. Vgl. EE V 1232 b 15 ff. Vgl. auch MM I 1192 a 22; II 1197 b 22. Hierzu siehe M. Liatsi, „Aspekte der Megalopsychia bei Aristoteles (EN IV 3)“, Rheinisches Museum 154, 2011, 43 – 60.

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keit.¹²⁶ Obwohl die jahrzehntelangen Selbstbelobigungen mit Attributen des Aristotelischen μεγαλοψυχία-Gedankens durch die Grausamkeiten im Zuge der Proskriptionen des Jahres 43, die die Erinnerung an das Wüten Sullas wachriefen,¹²⁷ demaskiert wurden, so haben diese Erfahrungen es gleichwohl nicht vermocht, die Zeitgenossen davon abzuhalten, nur wenige Jahre später die clementia des Siegers Octavian zu preisen, so wie sie es auch mit Cäsar gehalten hatten, dessen Eroberungspolitik in Gallien man sich bekanntlich auch nicht wie einen sonntäglichen Spaziergang vorstellen darf. Vae victis. Die Natur und die Geschichte gleichermaßen belohnen nur den Sieger mit dem Überleben und Fortleben. „Die Dichter begrüßen den Herrscher (scil. Octavian-Augustus) jetzt als den magnus Caesar, und magnus besagt hier viel mehr als die Fülle der vorhandenen Macht, die Größe dessen nämlich, der schon in diesem Leben über menschliches Maß hinausragend ein Vorbild wird. So wird Augustus der eigentliche Begründer des Idealbildes, vom großmütigen Herrscher“.¹²⁸ Was so in der Sprache des Herrscherkultes seit dem Prinzipat des Augustus Standard wurde, eignete sich freilich nicht für die Charakterbeschreibung des hervorragenden Bürgers, der durch die souveräne Anerkennung und Annahme seines eigenen Schicksals, wie bedrückend auch immer es sein mochte, zum magnus vir wird, wie das beispielsweise Seneca in den Briefen an Lucilius zum Ausdruck bringt.¹²⁹ Hier argumentiert Seneca mit dem Bewußtsein von der Würde des Menschen und mit einem Katalog von Pflichten, die mit dem Menschen als geistbegabten Wesen verbunden sind. Als solches Wesen sei er, der Mensch, von Natur adlig geboren und zu dem Größten befähigt.¹³⁰ Wenn er diesen Adel in seinem Handeln zum Ausdruck bringt und unter Beweis stellt, so Seneca, zeigt sich darin trotzdem nur, daß der Mensch gemäß seiner Natur lebt, wie es die stoische Ethik lehrt und fordert. Durch diese Handlungsweise, die ihn durch Selbstübereinstimmung zur Harmonie mit sich selbst führt, wird der Mensch als Mensch zum magnus vir, dessen Leben sich auch bei äußerster Widrigkeit der Umstände bis in den Märtyrertod hinein als eine vita beata erfüllt.¹³¹ Von der Art ist nach Senecas Zeugnis insbesondere der Philosoph – der seiner Bestimmung gemäß immer einsame Mensch, gleichgültig wie seine persönlichen Lebensum-

 Zu Catilina: Plutarch, Cic. 10; Sallust, Catil. Zu Crassus und Pompeius: Plutarch, Crassus 3, 6, 7, 10, 13, 15.  Vgl. Velleius Paterculus, Hist. II 66, 1.  U. Knoche, a.a.O., 73; dazu die Anm. 320, 322.  Vgl. Epist. 18, 11; 93, 1; 93, 10; 96, 2; 96, 4; et passim.  Vgl. z. B. Ben. III 18, 4.  Siehe Epist. 92, 3: Quid est beata vita? Securitas et perpetua transquillitas. Hanc dabit animi magnitudo, dabit constantia bene iudicati tenax.

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stände sein mögen.¹³² Der Mensch Seneca hat die Wahrhaftigkeit seiner Gesinnung durch seine Selbsttötung bewiesen. Denn indem er sich selbst tötete, negierte er damit die Wertewelt Neros. Das war außerdem die einzige Sprache, die Nero noch verstand, wie seine Reaktionen zeigen. „Dies ist die letzte Gestalt, die der alte Adelsgedanke der magnitudo animi in der römischen heidnischen Welt annimmt; erst die christlichen Väter setzen ihn fort. Aber gerade die senecanische Formulierung scheint viel dazu beigetragen zu haben, daß die magnanimitas auch unter die christlichen Tugenden eingehen konnte“.¹³³ Tatsächlich haben sich seit der Forschungsarbeit U. Knoches Mitte der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Schriften und Briefe Senecas immer klarer und immer deutlicher als das theoretische Bindeglied zu erkennen gegeben, das den christlichen Schriftstellern der ersten drei Jahrhunderte in ethicis die am meisten geeignete Anschlussmöglichkeit bot. Kein anderer Schriftsteller seiner Zeit hat so beredt, so klar, so überzeugend die handlungsrelevanten Elemente des stoischen Weltbildes zur Darstellung gebracht wie Seneca. In dieser Zeit des Überganges zum Eintritt des Christentums in die Geschichte boten sich viele der stoischen Begriffe förmlich an, mit christlichem Inhalt gefüllt, in christlicher Interpretation aufbereitet und beim Aufbau des neuen, geschichtsbestimmenden Weltbildes einer konstruktiven Verwendung zugeführt zu werden. So kam es dann auch. Es war die Bestimmung dieser weltgeschichtlichen Stunde. Gegen solche Entwicklung sind, wenn die Stunde geschlagen hat, alle anderen Kräfte machtlos. Daß das so ist, weiß unsere Generation heute, die den Zusammenbruch eines der großen Weltanschauungssysteme in eigener Anschauung erlebt hat, aus Erfahrung. Diese Erfahrung lehrt, daß solche Umbrüche meist sehr überraschend kommen, und niemand weiß eigentlich, warum gerade jetzt. Manches daran deutet darauf hin, daß Natur und Geschichte sich näher sind, als wir ahnen. Ein Wissen darüber gibt es nicht. * Das wegen seiner sinnlich wahrnehmbaren Konkretheit eindrucksvollste Beispiel des Unsterblichkeitskultes in der Antike war die Apotheose (lat. consecratio) der römischen Kaiser, die sich als ein Staatszeremoniell vollzog, mit dem Höhepunkt der Himmelfahrt des Kaisers auf dem Marsfeld in Rom. Der Archäologe Paul Zanker hat in einer die neuen Forschungsergebnisse zusammenfassenden Darstellung den Ablauf dieses Zeremoniells anschaulich beschrieben und rekon-

 Seneca, Epist. 90 sowie 6, 6; 13, 14; 18, 5; 20, 13; 24; 21; 29, 3; 45, 4.  U. Knoche, a.a.O, 85 f.

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struiert.¹³⁴ Zanker verweist zu Eingang seiner Studie sogleich auf den zentralen Punkt dieses Rituals hin, nämlich auf den für die Monarchie als Institution entscheidend wichtigen Übergang von einem Souverän zum nächsten, der nur dann in der Substanz problemlos verlaufen konnte, wenn von vornherein das Bild von der Unsterblichkeit der Monarchie feststand. Sterblich war in diesem Bild nur der einzelne Souverän als sterblicher Mensch mit seinem physischen Körper, während der charismatische Körper des Monarchen nicht sterben kann, er lebt in dem gesalbten Nachfolger wie in allen anderen Nachfolgern weiter. Es ist die Dichotomie der Vorstellung von den zwei Körpern, die im Mittelalter und in der frühen Neuzeit fortlebt und in dem Ruf „Le Roi est mort – Vive le Roi“ ihren symbolträchtigen Ausdruck fand. In vielen Grabmälern nahm dieses Dogma von den zwei Körpern Stein gewordene Gestalt an, sogar noch in Kirchen der frühen Neuzeit, indem man den Dualismus von der Ewigkeit und Vergänglichkeit an ein und demselben Grabmal durch entsprechende Figuren zur Darstellung brachte.¹³⁵ Auch die über das ganze Reich verteilten Statuen der Kaiser propagierten den Gedanken der Unsterblichkeit lebender sowie toter Herrscher, die in beiderlei Gestalt zur Darstellung kommen konnten: als Bürger wie auch als Götter. Die Götterkörper der Kaiser sollten deren übermenschliche Kraft und Wirkmächtigkeit symbolisieren. Vor allem im griechischen Osten des Imperiums wurden ihnen schon zu Lebzeiten Altäre und Tempel errichtet. Die unaufgelöste Spannung, die so zu Lebzeiten der Kaiser zwischen ihrer noch irdischen Erscheinung und doch schon potentiellen Unsterblichkeit bestand, verlangte nach Auflösung und Überwindung. Eben das geschah im Ritual der Apotheose, deren tiefere Bedeutung nicht in dem gleichwohl unverzichtbaren äußeren Zeremoniell der Himmelfahrt des Kaisers auf dem Marsfeld bestand, sondern in der Verankerung des Gedankens der Unsterblichkeit des Kaisers und seines Fortlebens im Bewußtsein und in der Erinnerung aller, und zwar zum Zweck der Aufrechterhaltung der institutionellen Stabilität des Prinzipates, der Monarchie. Die göttergleiche, über-

 Siehe P. Zanker, Die Apotheose der römischen Kaiser. Ritual und städtische Bühne, Carl Friedrich von Siemens Stiftung, München 2004 (Reihe ‚Themen‘, Bd. 80). Vgl. S. Price, „From noble funerals to divine cult. The consecration of Roman Emperors“, in: D. Cannadine (Hrsg.), Rituals of Royalty. Power and Ceremonial in Traditional Societies, Cambridge 1987, 56 – 105. Siehe ferner H. W. Pleket, „An Aspect of the Emperor Cult: Imperial Mysteries“, Harvard Theological Review 58, 1965, 331– 347.  Zum Dogma der Lehre von den zwei Körpern der Kaiser siehe das dazu klassische Werk von E. H. Kantorowicz, The King’s Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology, Princeton 1957; mit einem neuen Vorwort von W. C. Jordan, Princeton 1997. Dazu E. Panofsky, Grabplastik, Köln 1964, mit Abbildungen spätmittelalterlicher Grabdenkmäler, auf denen der vergängliche Körper neben dem des magistralen Körpers zur Darstellung kommt.

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Zweites Kapitel: Die individuelle Unsterblichkeit in der Kultur

irdische Unsterblichkeit des Kaisers hatte seine dialektische Entsprechung in der irdischen Unsterblichkeit im Bewußtsein des Volkes, das seine Erinnerung an den konsekrierten Kaiser von einer Generation zur anderen weitergab. Diese Tradition des Bewußtseins und des Gedächtnisses war der eigentlich tragende Grund, das Fundament des römischen Kaisertums, das auch nach dem Ende der augusteischen Herrscherfamilie, das heißt der iulisch-claudischen Dynastie, die mit dem Tod Neros im Jahre 68 n.Chr. endete, den vorerst weiteren Bestand des Prinzipates als Herrschaftsform sicherte und garantierte. Als zum Typus des Verehrungszeremoniells gehörig, hatte das Apotheoseritual Vorgänger, deutlich erkennbar an bestimmten Elementen der öffentlichen Leichenfeier von Mitgliedern der berühmten Familien¹³⁶ und bei Staatsbegräbnissen, wie etwa beim funus publicum von Sulla (138 – 78 v.Chr.).¹³⁷ Das Neue bei der Apotheose der Kaiser war die von einer kultischen Interpretation begleitete Verwandlung des Aktes der Verbrennung des Körpers in den Akt der Himmelfahrt. An drei Stellen der antiken Überlieferung, die für unsere Kenntnis der Leichenfeier, in diesem speziellen Fall der des Augustus, besonders wichtig sind, ist diese Veränderung ablesbar: Cassius Dio LVI 34– 36; Sueton, Divus Augustus 100; außerdem die Apotheosezeremonie für Pertinax (126 – 193 n.Chr.) bei Cassius Dio LXXV 4 f. und für Septimius Severus (193 – 211 n.Chr.) bei Herodian IV 2. Auf der Grundlage dieser Quellen, die nicht in allen Einzelheiten übereinstimmen, läßt sich immerhin ein synoptisches Bild vom Ablauf des Zeremoniells gewinnen, das den tatsächlichen Verlauf in den wesentlichen Stationen mit ausreichender Deutlichkeit erkennen läßt.¹³⁸ Das vollständige Ritual bestand aus drei Akten an drei verschiedenen Plätzen, nämlich im Kaiserpalast auf dem Palatin, auf dem Forum Romanum und auf dem Marsfeld, dem Verbrennungsplatz, dem Hauptziel der aus einer riesigen Menschenmenge bestehenden Prozession, die dem toten Kaiser das Geleit gab. Ab einer bestimmten Zeit, man vermutet seit Hadrian (117– 138), war es nicht mehr der tote Kaiser selbst, sein Leichnam, sondern ein Scheinleib mit einem in Wachs nachgebildeten Gesicht des Kaisers. Der Leichnam des Verstorbenen war zu diesem Zeitpunkt schon verbrannt und im Mausoleum beigesetzt. „Daraufhin wurde“, so wird in bezug auf Antoninus Pius (138 – 161 n.Chr.) berichtet, „Staatstrauer angeordnet und ein öffentliches funus abgehalten“.¹³⁹ Unter dem funus wurde die Zeremonie der Apotheose verstanden. Die Benutzung eines Scheinleibes ging möglicherweise auf eine ältere Tradition zurück, wie archäologische Zeugnisse    

Vgl. Polybios VI 53. Siehe Appian, Bella Civilia I 105 f. Vgl. dazu die Rekonstruktion bei P. Zanker, a.a.O., 13 ff. Siehe Historia Augusta: Marcus Aurelius 7, 10.

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von Grabreliefs vermuten lassen, die darauf hindeuten, daß auch schon bei Begräbnissen von Mitgliedern vornehmer Familien, die komplizierte Vorbereitungen erforderten, die Verwendung eines Scheinleibes in älterer Zeit vorkam. Jedenfalls verlief nach dem Tod der Kaiser das Ritual so, daß die sterblichen Überreste des Kaisers im Mausoleum beigesetzt wurden, der Scheinkörper aber in der Prozession mitgeführt wurde und anschließend von Adlern zu den Göttern emporgetragen wurde. So jedenfalls die offizielle Deutung der Inszenierung. Diese verlief im ganzen in drei Akten. Der erste Akt war die Aufbahrung des Scheinleibes des verstorbenen Kaisers vor dem Palast. Der zweite Akt hatte seinen Ort auf dem Forum Romanum. Die öffentliche Aufbahrung wiederholte sich hier, aber so, daß nun alle Teilnehmer des Zuges, nach ihrem gesellschaftlichen Rang geordnet, vor dem Toten, das heißt seinem Scheinleib, in feierlichem Defilee langsam vorbeizogen, begleitet von Chören, Hymnen, Klageliedern und dem Klang von Musikinstrumenten. Schließlich hielt der Nachfolger von der Rostra herab seine laudatio. Zanker bemerkt dazu: „Auch dieser Teil der Apotheosefeier entsprach im Kern dem Toten-Zeremoniell der großen Adelshäuser, war jedoch schon von Augustus zu einer einzigartigen Selbstdarstellung des Kaiserstaates ausgebaut worden, bei der die laudatio durch den neuen Prinzeps zusammen mit der Apotheose des Verstorbenen gleichzeitig die Übertragung der Macht im Ritual veranschaulichte“.¹⁴⁰ Das hatte Augustus in seinen mandata de funere so festgelegt.¹⁴¹ Im übrigen wurde in der Prozession, die einem ins Gigantische gesteigerten Triumphzug glich, alles aufgeboten, was das Reich an Glanz und Herrlichkeit zwecks Demonstration seiner weltbeherrschenden Macht vorzeigen konnte: das Heer samt Reiterei und Fußtruppen, Feldzeichen und Fahnen, Siegeszeichen, die Barbarenkönige und ihre Familien, Bildnis-Statuen der großen Römer aus alter Zeit und, ebenso in Form von Bildern, alle unterworfenen abhängigen und verbündeten Völker und die Provinzen. Die Laudatio durch den Nachfolger übersetzte nur den optischen Eindruck dieser Bilderfolge der Leistungsschau noch einmal in Worte. Von der Großartigkeit der Prozessionen anläßlich der Apotheosefeiern können wir uns kaum eine adäquate Vorstellung machen, da öffentliche Zurschaustellungen des gesamten Gemeinwesens in dieser Form sich in der Neuzeit nicht wiederholt haben. Etwaige Vergleiche mit Großdemonstrationen und Massenveranstaltungen aus unserer Erlebniswelt, selbst der politischen Propaganda der totalitären Regime des 20. Jahrhunderts, verblassen vor dem, was uns die antiken Zeugnisse von den imperialen Trauerzeremonien der römischen Kaiserzeit berichten. Bei der Trauerprozession an-

 P. Zanker, a.a.O., 20.  Vgl. Sueton, Divus Augustus 99; Cassius Dio LVI 34.

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läßlich des verstorbenen Kaisers trat der neue Kaiser erstmals in die Erscheinung und wurde in dem Defilee begleitet von mitgeführten Statuen seiner vergöttlichten Vorgänger, die als Zeichen der Weltherrschaft einen Globus in der Hand hielten. Unmißverständlicher ließ sich der doppelte Status des Herrschers als sterbliches und zugleich unsterbliches Wesen nicht zur Schau stellen. So bewegte sich der Zug mit der Bahre des toten Kaisers (seines Scheinleibes) allmählich auf das Marsfeld zu und näherte sich damit dem Höhepunkt des Rituals, der Verbrennung des Scheinleibes. Zu diesem Zweck war ein Scheiterhaufen (rogus, griech. πυρά) errichtet, der die Form eines mehrstöckigen, fassadenverzierten Hauses hatte, wo hinein die bei der Prozession mitgeführten Grabbeigaben und Totenopfer (ἐντάφια) samt zahlreichem Räucherwerk und Spezereien deponiert wurden. Nach Vollzug der übrigen Bestattungsriten, die seit alters üblich waren, wurde der Scheiterhaufen entzündet, womit die Verwandlung des sterblichen Kaisers, dessen Scheinleib in das Gewand des Triumphators zuvor gehüllt worden war, in einen Gott begann. Diese Verwandlung vollzog sich im Akt der Erhebung in den Himmel, sinnlich wahrnehmbar und symbolisch veranschaulicht durch einen davonfliegenden Adler. „Aus dem obersten und kleinsten Aufbau des Scheiterhaufens fliegt ein Adler wie aus einem Turm heraus und steigt mit dem Feuer in den Himmel empor. Dieser Adler trägt gemäß dem Glauben der Römer die Seele des Kaisers von der Erde in den Himmel.Von diesem Zeitpunkt an wird er zusammen mit den anderen Göttern verehrt“.¹⁴² Das bedeutet konkret, wie wir von Cassius Dio (LXXV 4.1) wissen, daß nun für den vergöttlichten Kaiser Tempel und Altäre errichtet wurden, sein Name in alle Gebete und Eide aufgenommen wurde, vergoldete Thronsessel in den Theatern aufgestellt und andere kultische Ehren mehr erwiesen wurden, die dem neuen Divus zuerkannt und durch Münzprägungen mit entsprechenden Legenden¹⁴³ im ganzen Reich promulgiert wurden. Die Kaiser-Apotheose war, daran gab es nie einen Zweifel in der Forschung, der Höhepunkt des Kaiserkultes. Sie war das sakrale Zentrum der politischen Propaganda und stand trotz ihrer religiösen Weihe als heilige Handlung im Dienste des zutiefst irdischen, profanen Zweckes der Legitimierung des Prinzeps und damit in eins des Beweises nicht nur der Göttlichkeit des vergöttlichten Kaisers, sondern auch des Beweises der irdischen Unsterblichkeit des Herrschaftssystems des Prinzipates – und das keineswegs nur in den Augen des Volkes, sondern in den Augen aller. Wir heute würden die römische Kaiser-Apotheose mißverstehen, wenn wir den Menschen der römischen Kaiserzeit unter-

 Herodian IV 2.10 f.  Siehe Beispiele dafür bei P. Zanker, a.a.O., 25 und 48.

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stellten, auch sie hätten, wie der moderne historische Betrachter, den Akt der Apotheose mit einer Neigung zu Zynismus und Ironie begleitet. Das Gegenteil war der Fall. Zanker hat dazu das meines Erachtens historisch Richtige bemerkt: „Die aufgeklärte Forschung hat sich diese ironische Haltung gerne zu eigen gemacht und die Apotheose lange Zeit nicht als ein politisches und religiöses Phänomen von zentraler Bedeutung ernst genommen. Aber aufgeklärtes Denken und religiöse Erlebnisfähigkeit können, wie wir aus tagtäglicher Erfahrung wissen, sehr wohl nebeneinander und in derselben Brust wohnen. Die Tatsache, daß man wußte, daß der Tote eine Wachspuppe war und daß man den Adler im Käfig hielt, bis der Scheiterhaufen brannte, stand dem religiösen Erlebnis der Apotheose keineswegs entgegen“.¹⁴⁴ Für die Griechen war die Aufnahme eines Sterblichen unter die Götter durch die Heldensage des Herakles schon seit alters keine Unbekannte, und gleiches gilt für die Römer, denn auch Romulus war gemäß der Sage wegen seiner Verdienste in einen unsterblichen Gott verwandelt worden.Von den hellenistischen Königen galt, daß sie nach ihrem Tod als Gottheiten weiterlebten.¹⁴⁵ Die Forschung geht seit langem von der Annahme aus, daß der hellenistische Herrscherkult im Osten für das kaiserzeitliche Rom eine Vorbildfunktion hatte. Der symbolische Gehalt und die suggestive Wirkung der Kaiserverbrennung für diejenigen, die dabei anwesend waren und als Zuschauer das Spektakel unmittelbar miterlebten, müssen groß und gewaltig gewesen sein. „Im Fall der Apotheose hatten bereits die langwierigen Vorbereitungen, etwa der Bau der Gerüste und des Scheiterhaufens, auf den Tag oder die Tage des Festes eingestimmt. Das normale Geschäftsleben und der Prozeß- und Verwaltungsbetrieb waren aufgrund des iudicium zum Erliegen gekommen. Endlich war der Scheinleib des toten Kaisers erschienen, um die letzten Ehren in Gestalt der aufwendigen Zeremonien, an denen die meisten Einwohner in irgendeiner Form, und sei es nur als Zuschauer, beteiligt waren, entgegenzunehmen. Überall sah man Trauerkleider, der ganze Staatsapparat mit allen seinen Beamten und Würdenträgern war versammelt, stundenlang tönte die Klagemusik, dann brannte der ungeheure

 P. Zanker, a.a.O., 70 f.Wir sollten bei dieser Gelegenheit doch nicht vergessen, daß Papst Pius XII. während seines Pontifikates im Jahr 1950, also vor noch gar nicht so langer Zeit, das Dogma von der Assumptio, der Himmelfahrt Marias verkündete, und zwar der leibhaftigen Himmelfahrt Marias, wonach Maria nicht nur der Seele, sondern auch dem Leibe nach in den Himmel aufgenommen wurde. Die leibhaftige Himmelfahrt Marias ist durch dieses Dogma den gläubigen katholischen Christen als Glaubensinhalt vorgegeben worden, ebenso wie das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Marias, das im Jahr 1854 in der päpstlichen Bulle Ineffabilis Deus unter dem Stichwort Immaculata conceptio verkündet wurde.  Vgl. dazu C. Habicht, Gottmenschentum und griechische Städte, München ²1970 (1957).

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Scheiterhaufen, und die Weihrauchwolken verbreiteten sich über die ganze Stadt hin (und hielten sich vermutlich über Tage in den Straßen und Gassen). Endlich stieg sogar ein lebendiger Adler aus dem Feuer auf – wenn die Inszenierung gelang, und wenn sie einmal nicht gelang, sahen die Zuschauer den Adler vermutlich trotzdem zwischen Flammen und Rauchwolken. So groß muß die suggestive Wirkung des Ganzen gewesen sein. Im Ritual wurde der Mythos für einen Augenblick Wirklichkeit, und diese Wirklichkeit verband sich mit den Bildern, die nach dem Apotheosefest ihrerseits die Erinnerung an das Ereignis wachhielten“.¹⁴⁶ Die Eindrücke, die von dem Ereignis der Apotheose ausgingen, verbanden sich mit der lebendigen Anschauung der Apotheose-Landschaft ringsum, des nördlichen Teiles des Marsfeldes, wo die Altäre, Tempel und Verbrennungsplätze sich in kultischer Anordnung aneinanderreihten und als ein Heiligtum einmaliger Art sich zu der sakralsten Stätte des Kaiserkultes zusammenschlossen. In den beiden Kaiser-Mausoleen, dem des Augustus und dem des Hadrian, ruhten die sterblichen Überreste der meisten Kaiser sowie ihrer Angehörigen. Sie bildeten als Monumente der Erinnerung an die Sterblichkeit des Menschlichen den dialektischen Gegensatz zu den Monumenten der Vergegenwärtigung der irdischen Unsterblichkeit, die denjenigen Menschen verheißen ist, die durch außergewöhnliche Taten ihre Mitmenschen so weit überragen, daß sie als Vergöttlichte in den Kreis der Götter aufgenommen werden, aber die Erinnerung an sie auf ewig auf der Erde zurücklassen. Zusammenfassend läßt sich über die Apotheose der römischen Kaiser unter unserem leitenden Aspekt der Idee irdischer Unsterblichkeit das Folgende feststellen. Auch an diesem Phänomen, der Kaiserapotheose, zeigt sich wieder, ja hier besonders plastisch, die dialektische Beziehung zwischen der Endlichkeit der irdischen Existenz des Menschen sowie der Endlichkeit alles mit diesem seinem begrenzten Dasein Verbundenen einerseits und der gerade aus dieser seiner Endlichkeit heraus geborenen Sehnsucht, seinem Verlangen nach Unbegrenztheit, Unendlichkeit und eben deswegen nach Unsterblichkeit andererseits. Der Jenseitsglaube und der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele, wie ihn Religionen von jeher verkünden, haben in dieser Sehnsucht des Menschen nach dem ewigen Leben als Leben ihre tiefste Wurzel. Der Mensch als denkendes Wesen, seitdem er ein denkendes Wesen ist, war zu keiner Zeit bereit, sich mit seiner naturgegeben begrenzten, endlichen, ephemeren Lebenszeit einfach abzufinden. Sowohl für sich als für seine Hervorbringungen, seine Werke, will er mehr als nur eine kurze, vorübergehende Dauer. Insoweit ist der Gedanke der individuellen Unsterblichkeit nur eine Projektion seiner irdischen Sterblichkeit; und umgekehrt

 P. Zanker, a.a.O., 65.

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spiegelt der Gedanke der Unsterblichkeit die Erfahrung der Sterblichkeit, die der Mensch als die größte Provokation seiner Seinsweise erlebt. Deshalb waren es zu allen Zeiten die hervorragendsten und stärksten Individuen der Gattung Mensch, die es sich für ihr eigenes Leben zum obersten Ziel setzten, ihre irdische Vergänglichkeit und Sterblichkeit zu überwinden (nicht selten auf Kosten ihrer Mitmenschen). Dabei begnügt sich der Mensch nicht mit der Vorstellung einer überirdischen Unsterblichkeit: er will nach Möglichkeit seine Unsterblichkeit auch in der irdischen Dimension seiner Existenz. Überall da, wo sich in der menschlichen Lebenswelt ein Ansatzpunkt für diese Form der Unsterblichkeit, die irdische Unsterblichkeit, zu zeigen scheint, macht das Denken des Menschen davon Gebrauch. So auch bei der überindividuellen Lebensform der Institution, dies sich generationenübergreifend am Leben erhält, der Institution, der als solcher die dauerhafte Organisation der Menschen als Gattungswesen wichtiger ist als der einzelne Mensch, das Individuum. Im Herrschaftssystem der Monarchie überschneidet sich beides, die Institution und das Individuum, so jedoch, daß das Individuum in der von der Institution garantierten Existenz der Kette seiner Vorgänger und Nachfolger gleichermaßen der Form nach identisch ist: der Kaiser als Kaiser, insoweit er Kaiser ist, ist mit seinen Vorgängern und Nachfolgern identisch, ein und derselbe. Deshalb hat der Kaiser in seiner Eigenschaft als Kaiser eine Eigenschaft mit den Göttern gemeinsam: seine Immutabilität, und das bedeutet aus der Sicht des Volkes seine Ewigkeit, seine Unsterblichkeit. Deshalb die Vergöttlichung im Akt der Verbrennung alles dessen, was ihn einst in seinem früheren Leben sterblich sein ließ. Der Akt der Verbrennung holt, so gesehen, nur noch etwas sinnlich wahrnehmbar nach, was der Kaiser in der Erlebniswelt der römischen Bürger im Grunde schon immer während seiner ganzen Lebenszeit war: ein Gott im Modus des Werdens. Seine Unsterblichkeit wiederholt sich bei seinem Nachfolger, auch wenn dieser vorläufig, solange er noch lebt, noch kein Gott ist, noch nicht vergöttlicht ist. Trotzdem lebt er schon in der Dimension der Unsterblichkeit, nämlich potentiell. Er ist sozusagen ein Gott im Wartestand und hat dementsprechend auch schon die Aura eines Gottes, bevor er zum Gott geworden ist. Wer wollte, bei so viel irdischen Bedingungen seiner Unsterblichkeit, verneinen, daß es sich bei seiner Form der Unsterblichkeit der Substanz nach um eine politisch-religiös überhöhte irdische Unsterblichkeit handelt? Soviel irdische Sterblichkeit, wie bei einem römischen Kaiser schon allein quantitativ durch seine Machtfülle und Erhabenheit zusammenkam, verlangte schon aus diesem Grund den dialektischen Umschlag in die Qualität der irdischen Unsterblichkeit. Diese scheint durch das Herrschaftssystem des Prinzipates sichergestellt zu sein, sowohl für den Vorgänger wie für den Nachfolger. Deshalb ist auch aeternitas eine immer wieder begegnende Legende auf den Apotheose-Münzen. Es geht um den dauernden Bestand des Prinzipates, aber in eins damit und noch mehr um die

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Ewigkeit des Staates und in letzter Instanz um die Ordnung der Welt. Der sterbliche Kaiser, solange er noch sterblicher Mensch ist, befindet sich als im Auftrag der Götter Handelnder im Übergang vom Diesseits seines Imperatorenamtes zum Jenseits seines Gottseins; er ist immer schon unterwegs, und am Ende ist er nach seiner Himmelfahrt bei den Göttern angekommen. Seine Unsterblichkeit ist jetzt an ihrem Ziel: aus seiner potentiellen Unsterblichkeit ist die aktuelle geworden. Der Akt der Divinisierung ist der Akt des Überganges von dem einem zu dem anderen Zustand. Der Kaiser ist endlich zu sich selbst gekommen, zu seinem eigentlichen Wesen. Das unnötig schnelle Ende Neros beruhte, aus dieser Sicht gesehen, allein darauf, daß Nero diesen Augenblick nicht in Ruhe abwarten konnte. Sein Temperament als Künstler verhinderte das. Der Beweis für die irdische Unsterblichkeit der römischen Kaiser ist heute längst auf eine Weise erbracht, deren Erkenntnis dem antiken Denken noch fernlag und seine Grenzen transzendierte: durch die Geschichte. Für das moderne Denken gibt es im Hinblick auf den Menschen in seiner existentiellen Situation keine höhere Form der Wahrheit als die geschichtliche. So gesehen ist die irdische Unsterblichkeit der römischen Kaiser durch die Geschichte selbst bestätigt worden: im Modus ihrer Geschichtlichkeit.

2 Der Unsterblichkeitsgedanke und die ‚Religion‘ des Nous bei Platon und Aristoteles Seit den ältesten, durch historische Dokumente bezeugten Epochen der Menschheitsgeschichte ist die Vorstellung einer Fortdauer des Menschen jenseits des Todes, in welcher Form auch immer, eine feste Konstante, dialektisch hervorgerufen als Gegenvorstellung zu der Faktizität des sinnlich wahrnehmbaren Endes alles individuellen Lebens auf dieser Erde im Akt des Sterbens. Da der Mensch im Unterschied zum Tier über die Fähigkeit rationalen Denkens verfügt, setzt angesichts des Phänomens der individuellen biologischen Endlichkeit des menschlichen Lebens die Phantasie, die Spekulation oder der Glaube in bezug auf die Möglichkeit eines individuellen Weiterlebens nach dem Tod ein und verfestigt sich zu massiven Überzeugungssystemen, einschließlich auch der Negation dieser Art von Unsterblichkeit. Die Kulturen der Alten Welt haben verschiedene Typen dieser Überzeugungssysteme hervorgebracht, ob es sich nun um Mesopotamien, das alte Israel, Griechenland oder Ägypten handelt, wie die Geschichte der Religionen zeigt. Schauen wir zurück auf die griechische und römische Antike, so können wir zunächst feststellen, daß die Unsterblichkeit ein Attribut der Götter ist, der „Unsterblichen“ (ἀθάνατοι). Die Unsterblichen – das sind per definitionem die Götter.

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Das ist auch bei den Vorsokratikern so,¹⁴⁷ allerdings mit der Weiterung, daß sie das Attribut der Unsterblichkeit auch auf die Entstehung des Kosmos anwenden.¹⁴⁸ Vieles von dem, was sich in der frühen griechischen Dichtung und bei den Vorsokratikern findet, begegnet uns in der Form der Reminiszenz bei Platon. Wir sahen bereits oben (im 1. Kapitel), daß die Sokratesrede des Symposion mit auffälliger Ausführlichkeit auf den Tatbestand eingeht, daß und wie der sterbliche Mensch im Unterschied zu den unsterblichen Göttern und verschieden von diesen an der Unsterblichkeit partizipiert (208 B 2 f.). Der tragende Grund dafür ist der Eros, dessen Sein zwischen dem Sterblichen und dem Unsterblichen¹⁴⁹ anzunehmen ist: ein großer Dämon, dem Bereich des Dämonischen zugeordnet, in der Mitte zwischen Gott und Sterblichem.¹⁵⁰ Die Lebewesen streben, ohne ein Bewußtsein davon zu haben, auf dem Weg der Zeugung zur Unsterblichkeit. Diese Bewußtlosigkeit gilt auch für die meisten Menschen, denn nur wenige von ihnen sind Philosophen, die wie Platon auf das Wesen der Zeugung reflektieren. Die meisten zeugen nur, weil sie die damit einhergehende Lust genießen wollen. Sie durchschauen nicht die Lust als die List der Natur. Aber es gibt auch Menschen, die nicht zu den Vielen (πολλοί) gehören und die mehr wollen im Leben als Lust, die zum Beispiel nach einem unsterblichen Namen streben als zu einem zu erwerbenden Gut, kraft dessen sie beziehungsweise ihr Name im Diesseits, nämlich im Gedächtnis der Nachwelt weiterleben.¹⁵¹ Solche Hoffnung auf Fortdauer im kollektiven Gedächtnis einer Gruppe: der Familie, der Gesellschaft oder der Menschheit, treibt Menschen zu außergewöhnlichen Taten an und damit letzten Endes zu einer außergewöhnlichen Form des Totseins. Auch das Totsein ist eine Kunst. Den meisten fehlt davon das Bewußtsein. Die wenigen, die dieses Bewußtsein haben und praktizieren, werden von denjenigen, die es nicht haben, als ehrgeizig bezeichnet, ohne auch in bezug darauf zu wissen, was sie eigentlich damit meinen, wenn sie solches sagen: nämlich jene Art von Tüchtigkeit, die den erfolgreich Ehrgeizigen im sozialen Gedächtnis Unvergeßlichkeit verschafft, das heißt irdische Unsterblichkeit.

 Parmenides, 28 B 1 D.-K.; Empedokles, 31 B 147 D.-K.  Siehe die Einführung dieser Arbeit.  Symp. 202 D 11: μεταξὺ θνητοῦ καὶ ἀθανάτου.  Symp. 202 D 13 ff.: Δαίμων μέγας, ὦ Σώκρατες· καὶ γὰρ πᾶν τὸ δαιμόνιον μεταξύ ἐστι θεοῦ τε καὶ θνητοῦ.  Siehe Symp. 208 D 6 – E 1: πολλοῦ γε δεῖ, ἔφη, ἀλλ’ οἶμαι ὑπὲρ ἀρετῆς ἀθανάτου καὶ τοιαύτης δόξης εὐκλεοῦς πάντες πάντα ποιοῦσιν, ὅσῳ ἂν ἀμείνους ὦσι, τοσούτῳ μᾶλλον· τοῦ γὰρ ἀθανάτου ἐρῶσιν.

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2.1 Irdische Unsterblichkeit und der Übergang zur überirdischen Idee bei Platon Die säkulare oder irdische Unsterblichkeit manifestiert sich in Platons Symposion zunächst in der biologischen und biographischen Art der Unsterblichkeit, wie wir bereits gesehen haben. Die Priesterin Diotima führt in ihrer Rede in Symposion die verschiedenen Ebenen der Unsterblichkeit aus, wonach Eros strebt. Denn Eros sei ja in all seinen Formen ein Begehren der Unsterblichkeit.¹⁵² Die erste Stufe der Unsterblichkeit wird erreicht durch die Zeugung von Nachkommen, also von leiblichen Kindern.¹⁵³ Die zweite Stufe demonstriert sich durch ἀρετή (Exzellenz) in der Erschaffung herausragender Werke oder der Verrichtung großer Taten, die deswegen im Gedächtnis der Nachwelt erhalten bleiben und ewigen Nachruhm verleihen. Diese Stufe der Unsterblichkeit zeigt sich also in der Zeugung einer geistigen Nachkommenschaft.¹⁵⁴ Diotima verweist mit besonderem Nachdruck darauf, denn diese Form der Unsterblichkeit tangiert den Menschen als geistiges Wesen im Zentrum seiner Existenz und eröffnet außerdem die Perspektive auf die Wichtigkeit der Erziehung des Menschen zu einem verantwortlichen Dasein in der Polis, das heißt der Erziehung zur Arete. Daher das Beispiel Lykurgs und Solons und das Beispiel der großen Dichter Homers und Hesiods, die mit der Erzeugung ihrer unsterblichen Kinder, also ihrer Werke-Produkte ihrer Arete, einen unsterblichen Ruhm und ein ewig dauerndes Andenken geschafft haben. Eine dritte Stufe der Unsterblichkeit wird erreicht, wenn auch nur von wenigen Menschen und nach einer langen und anstrengenden Qualifizierung, im Erschauen der Idee des Schönen. Das geschieht plötzlich (ἐξαίφνης) und nur in einem kurzen Augenblick.¹⁵⁵ Dieser Augenblick enthält in einem einzigen Jetztpunkt die ganze Essenz des Göttlichen, des Immerwährenden und Unsterblichen in sich. Durch diese Schau als Folge des Seins in der „wahren Tugend“ (212 A 5 f.: ἀρετὴν ἀληθῆ) wird der sterbliche Mensch durch Partizipation innerhalb des Jetztpunktes für einen Augenblick unsterblich, göttlich. In dem ausgezeichneten Augenblick, von  Vgl. Symp. 207 A 3 f.: τῆς ἀθανασίας τὸν ἔρωτα εἶναι.  Symp. 206 C 6 – 8: ἔστι δὲ τοῦτο θεῖον τὸ πρᾶγμα, καὶ τοῦτο ἐν θνητῷ ὄντι τῷ ζῴῳ ἀθάνατον ἔνεστιν, ἡ κύησις καὶ ἡ γέννησις. Vgl. 206 E 8: ἀειγενές ἐστι καὶ ἀθάνατον ὡς θνητῷ ἡ γέννησις. Siehe zum Thema das 1. Kapitel dieses Buches.  Vgl. Symp. 209 C – E; siehe auch oben Anm. 30.  Siehe Symp. 210 E 2– 211 A 5: ὃς γὰρ ἂν μέχρι ἐνταῦθα πρὸς τὰ ἐρωτικὰ παιδαγωγηθῇ, θεώμενος ἐφεξῆς τε καὶ ὀρθῶς τὰ καλά, πρὸς τέλος ἤδη ἰὼν τῶν ἐρωτικῶν ἐξαίφνης κατόψεταί τι θαυμαστὸν τὴν φύσιν καλόν, τοῦτο ἐκεῖνο, ὦ Σώκρατες, οὗ δὴ ἕνεκεν καὶ οἱ ἔμπροσθεν πάντες πόνοι ἦσαν, πρῶτον μὲν ἀεὶ ὂν καὶ οὔτε γιγνόμενον οὔτε ἀπολλύμενον, οὔτε αὐξανόμενον οὔτε φθίνον, ἔπειτα οὐ τῇ μὲν καλόν, τῇ δ’ αἰσχρόν, οὐδὲ τοτὲ μέν, τοτὲ δὲ οὔ, οὐδὲ πρὸς μὲν τὸ καλόν, πρὸς δὲ τὸ αἰσχρόν, οὐδ’ ἔνθα μὲν καλόν, ἔνθα δὲ αἰσχρόν, ὡς τισὶ μὲν ὂν καλόν, τισὶ δὲ αἰσχρόν.

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dem Diotima spricht, treffen sich das Diesseitige und das Jenseitige, das Irdische und das Überirdische, das Sterbliche und das Unsterbliche, und der Übergang von dem einem zu dem anderen ist das eigentliche Problem, der kritische Punkt.¹⁵⁶ An dieser Stelle erinnert Diotima wieder an den Eros, die gewaltige kosmische Macht, deren Wegbereiter zu dem Übergang der διαπορθμευτής ist. Die dritte Stufe der Unsterblichkeit ist auch die einzige Art, die nicht den Tod des Menschen zur Voraussetzung hat, sondern sie wird von dem lebenden Menschen „erlebt“. Diese höchste Art irdischer Unsterblichkeit geschieht im νῦν, wartet nicht auf eine spätere Zeit und breitet sich auch nicht im Raum aus.¹⁵⁷ Ist auch diese dritte Stufe von Unsterblichkeit von irdischer Natur und somit nur eine Steigerung der beiden ersten Unsterblichkeitsstufen, oder führt sie über diese hinaus, da sie religiöse Züge aufweist? Daran schließt sich die weitere Frage an: wo endet bei dieser dritten Unsterblichkeitsstufe das Irdische-Säkulare und wo und in welchem Sinne enthüllt sich das Religiöse mit seinem Bezug auf das Überirdische, Jenseitige? Daß Platon jedenfalls dabei eine Mysterienterminologie verwendet, ist nicht zu leugnen. Die Erfassung des Eidos, also auch in diesem Zusammenhang die Erfassung des wahren Seins der Idee des Schönen, ist gemäß der Erkenntnislehre Platons ein immer punktuelles Ereignis, vorbereitet zwar durch das diskursive Prozedere des διανοεῖσθαι, für sich betrachtet aber wird es immer nur im ἐξαίφνης Ereignis. Das ist Platons ständig wiederholte Auffassung über diesen höchsten Akt noetischer Erkenntnis. In ihm offenbart sich die höchste Form der Wahrheit. Sie ist nichts anderes als die Wahrheit des Eidos, die noch nicht mit der Falschheit in einem antithetischen Verhältnis steht. Das geschieht erst durch die Prädikation, in der von dem Eidos mögliche Bestimmungen ausgesagt werden, die möglicherweise nicht zutreffen und also falsch sind. Der Ort dieser Verfälschung des Eidos, das zunächst in der noetischen Erfassung nur als ein eines (ἕν) gegeben ist, ist der Logos, das Urteil, die Aussage, die Prädikation, die zu dem ursprünglich nur als Einheit gegebenen Eidos mögliche Bestimmungen, die falsch sein können, hinzufügt. So entsteht die Falschheit des diskursiven Denkens. Noesis ist für Platon die höchste Stufe der Erkenntnis, zugleich ist sie das Medium philosophischer Einsicht in die Wahrheit des Seins. Sie ist immer vorbereitet durch die Dianoia, also durch das rationale, diskursive Denken, das in einem langen Prozess diairetischer Begriffsbestimmungen prädizierend fortschreitet, bis es, so vorbereitet,  Zum ekstatischen Übergangsmoment des ἐξαίφνης bei Platon siehe gründlich S. I. Rangos, „Ἡ ἐκστατική στιγμή τοῦ ἐξαίφνης“, Φιλοσοφία 36, 2006, 93 – 116.  Vgl. Platon, Parmenides 156 D 6 – E 3: ἀλλὰ ἡ ἐξαίφνης αὕτη φύσις ἄτοπός τις ἐγκάθηται μεταξὺ τῆς κινήσεώς τε καὶ στάσεως, ἐν χρόνῳ οὐδενὶ οὖσα, καὶ εἰς ταύτην δὴ καὶ ἐκ ταύτης τό τε κινούμενον μεταβάλλει ἐπὶ τὸ ἑστάναι καὶ τὸ ἑστὸς ἐπὶ τὸ κινεῖσθαι.

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plötzlich (ἐξαίφνης) zu der intuitiven Erfassung einer Idee im Akt der Noesis geführt wird.¹⁵⁸ Das dianoetische Denken wiederum analysiert den empfangenen eidetischen Inhalt im Akt des diskursiven Nachdenkens und vollzieht sich in der Form der Prädikation, in der Bildung von Urteilen, sprachlich in der Herstellung von Aussagen. Das Erfassen der unsterblichen Ideen wäre also nicht möglich ohne die Noesis, die synoptisch-intuitive Kognition, aber auch nicht ohne die Dianoia. Die Sprache kann das Sein der Ideen weder artikulieren noch verbal mitteilen, sie ist schwach. Die Schwäche der Logoi, wovon Platon gelegentlich redet,¹⁵⁹ bezieht sich also auf die Wahrheitserkenntnis und die Wahrheitswiedergabe, da der zentrale Fixpunkt aller Wahrheitserkenntnis für Platon seit seiner Konstituierung der Ideenlehre die Idee ist. Was wir über sie sagen können, ist nicht identisch mit dem, was sie ist. Das punktuelle noetische Sich-Treffen mit dem reinen, wahren Sein des unsterblichen Eidos/der Idee bzw. das approximative Erkennen des Seins der Idee, insoweit dieses Erkennen menschenmöglich ist, enthüllt demjenigen, dem dies gelingt, wenn auch nur kurz, einen Geschmack von Unsterblichkeit.¹⁶⁰ Aristoteles lehnt sich später dieser dritten Stufe von Unsterb-

 Für Platon und auch für Aristoteles war das Eidos der Gegenstand des noetischen Denkens par excellence, insoweit das Eidos als eingestaltiges (μονοειδές), nichtzusammengesetztes (ἀσύνθετον) und ungeteiltes (ἀμέριστον) Seiendes betrachtet wurde, das wegen seiner Struktur der Nichtkomplexität als nicht artikulierbar und nicht analysierbar und infolgedessen in diesem Sinne als nicht sagbar (ἄρρητον) erklärt wurde. Insoweit gehören die εἴδη nicht zu dem was in Form von Logoi mitteilbar ist, die aufgrund ihrer prädikativen Struktur auf Vielheit hin angelegt sind. Eine Diskussion dieser Art lässt sich durch die Dialoge hin verfolgen, zum Beispiel im Theaetet 202 B 2, im Symposion 211 E 1– 4, im Phaidon 83 E 1– 2, im Philebos 59 C 1– 7 und im Sophistes passim. Gerade im Philebos und Sophistes, aber auch in der Politeia 476 A 4– 7, ist von der Gemeinschaft der Ideen miteinander die Rede, das heißt davon, daß die Ideen, obwohl sie als Ideen und damit als Bedeutungsgehalt nur eine Gestalt haben, gleichwohl, trotz ihrer Einfachheit, aufgrund ihrer „Verflechtung“ (συμπλοκή) untereinander der Gegenstand komplexer, pluraler Aussagen sind. Darauf beruht für Platon, wie er im Sophistes thematisch ausführt, überhaupt die logische Möglichkeit der Aussage. Platon sieht zwischen der atomaren Einfachheit der Ideen als solcher und ihrer komplexen Relationalität miteinander keinen Widerspruch (und Aristoteles ist ihm darin gefolgt). Mit der Lehre von der Schwäche der Logoi ist dies insoweit vereinbar, als die Logoi zwar komplexe Strukturen darstellen können, aber nicht auch einfache, atomare, eingestaltige. Die Mächtigkeit des Logos als Aussage ist begrenzt auf die prädikative Struktur der Inbeziehungsetzung, die auch falsch sein kann. Darin besteht seine Schwäche. Zu dem oben Ausgeführten vgl. M. Liatsi, Die semiotische Erkenntnistheorie Platons im Siebten Brief, München 2008, passim.  Vgl. z. B. VII. Brief 343 A 1: διὰ τὸ τῶν λόγων ἀσθενές. Siehe hierzu M. Liatsi, a.a.O., 68 – 82. Zum VII. Brief siehe auch J. M. Rhodes, Eros, Wisdom and Silence: Plato’s Erotic Dialogues, Columbia/London 2003, 113 – 181.  Vgl. Symp. 212 A 5 – 7: τεκόντι δὲ ἀρετὴν ἀληθῆ καὶ θρεψαμένῳ ὑπάρχει θεοφιλεῖ γενέσθαι, καὶ εἴπέρ τῳ ἄλλῳ ἀνθρώπων ἀθανάτῳ καὶ ἐκείνῳ.

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lichkeit an, um eine neue, rationalere, aber nicht weniger ‚religiöse‘ Akzentuierung zu setzen. Was damit gemeint ist, werden wir weiter unten sehen. Der Zugang zu der transzendenten Welt der unsterblichen Ideen steht nicht jedem Menschen offen, wie Platon dezidiert lehrt. Dafür bedarf es, wie z. B. ausführlich im VII. Brief dargelegt, einer speziellen kognitiven, psychischen und moralischen Zurüstung als Vorbedingung. Der Zugang zu dieser ekstatischen Erfahrung eröffnet sich durch häufiges Beisammensein, das um die Sache selbst zentriert ist, in einer wirklichen Lebensgemeinschaft, und zeigt sich plötzlich, wenn der Funke des Verstehens überspringt, im Licht des so erzeugten Verstehens.¹⁶¹ Der Augenblick dieses Verstehens ist die finale Phase eines langen Prozesses, in der die Einsicht aufleuchtet¹⁶² wie der Blitz in der Nacht, analog, wie Platon lehrt, zu dem welterschließenden Einfall des Dichters (siehe z. B. Ion und Phaidros) oder der maßgeblichen, richtungweisenden Entscheidung des Politikers.¹⁶³ In bezug auf solche punktuellen Augenblicke des Aufleuchtens von etwas, das die anderen nicht sehen können und erst im Nachhinein stückweise begreifen – oder niemals –, ist es sinnlos, diskursiv eine Begründung einzufordern oder zu versuchen, eine solche zu geben. Das kann auch Platon nicht und auch nicht der Platonische Sokrates. Deshalb Platons Verweis auf den philosophischen Enthusiasmus, der sich in diesem Zusammenhang im Moment des noetischen Erfassens der Idee ausdrückt, bzw. der Verweis auf die göttliche Eingebung oder Fügung.¹⁶⁴

2.2 Irdische Unsterblichkeit und Ethik bei Aristoteles Über die biologische, an den Leib gebundene Unsterblichkeit hinaus, gibt es auch, wie wir gesehen haben, den unheimlichen, dämonischen Drang des Men-

 VII. Brief 341 C 5 – D 2: ῥητὸν γὰρ οὐδαμῶς ἐστιν ὡς ἄλλα μαθήματα, ἀλλ’ ἐκ πολλῆς συνουσίας γιγνομένης περὶ τὸ πρᾶγμα αὐτὸ καὶ τοῦ συζῆν ἐξαίφνης, οἷον ἀπὸ πυρὸς πηδήσαντος ἐξαφθὲν φῶς, ἐν τῇ ψυχῇ γενόμενον αὐτὸ ἑαυτὸ ἤδη τρέφει.  VII. Brief 344 B 7– 8: ἐξέλαμψε φρόνησις περὶ ἕκαστον καὶ νοῦς, συντείνων ὅτι μάλιστ’ εἰς δύναμιν ἀνθρωπίνην.  Siehe z. B. Menon 99 B 11 – C 5: οὐκοῦν εἰ μὴ ἐπιστήμῃ, εὐδοξίᾳ δὴ τὸ λοιπὸν γίγνεται· ᾗ οἱ πολιτικοὶ ἄνδρες χρώμενοι τὰς πόλεις ὀρθοῦσιν, οὐδὲν διαφερόντως ἔχοντες πρὸς τὸ φρονεῖν ἢ οἱ χρησμωδοί τε καὶ οἱ θεομάντεις· καὶ γὰρ οὗτοι ἐνθουσιῶντες λέγουσιν μὲν ἀληθῆ καὶ πολλά, ἴσασι δὲ οὐδὲν ὧν λέγουσιν.  Vgl. z. B. Phaidros 249 C 8 – D 2: ἐξιστάμενος δὲ τῶν ἀνθρωπίνων σπουδασμάτων καὶ πρὸς τῷ θείῳ γιγνόμενος, νουθετεῖται μὲν ὑπὸ τῶν πολλῶν ὡς παρακινῶν, ἐνθουσιάζων δὲ λέληθεν τοὺς πολλούς. Zur göttlichen Inspiration der in philosophischer Diskussion Vereinten siehe z. B. Nomoi 811 C-E, 893 B; Philebos 25 B; Parmenides 135 D. Siehe hierzu M. Liatsi, Die semiotische Erkenntnistheorie Platons, a.a.O., 101– 111.

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schen nach Ehre und Ruhm. Dieser zeigt den Menschen nicht mehr als bloß in der Vitalschicht seiner Existenz verwurzeltes Wesen, sondern als in seiner Selbstständigkeit als soziales Wesen Handelnder, der durch eine außerordentliche Willensanstrengung sehr wohl in der Lage ist, der Möglichkeit und eben auch der Wirklichkeit nach dafür zu sorgen, daß er in der Nachwelt nicht vergessen wird, indem er Taten und Werke hervorbringt, die im Gedächtnis der Menschheit so bald nicht in Vergessenheit geraten. Auch im Rahmen der Aristotelischen Ethik sehen wir, daß der Ruhm als eine lebensbestimmende Kraft zu dem breiten Spektrum der Vitalmächte gehört, die dem menschlichen Handeln die Motivation zu moralisch werthaftem Verhalten, das heißt zu den Tugenden, liefert oder liefern kann. Mit anderen Worten: Auch Aristoteles läßt in seiner Ethik die außerordentliche Bedeutung der Ehre und des Ruhmes im ganzen antiken griechischen Bewußtsein widerspiegeln – von Homer bis zu seiner Zeit. Unter Ehre (τιμή) ist im wesentlichen das Ansehen, der Ruhm, die Anerkennung zu verstehen. Die Ehre sei das Gut, das die Menschen den Göttern zusprechen, das Gut, das am meisten die Mächtigen begehren, und das Gut, das die Belohnung und den Preis der besten Taten darstellt.¹⁶⁵ Denn das Größte unter den äußeren Gütern sei die Ehre. Sie ist ein unentbehrlicher Bestandteil der Eudaimonia, ohne mit ihr identifiziert werden zu dürfen, und zugleich auch um ihrer selbst willen begehrenswert.¹⁶⁶ So wird Megalopsychia, die für Aristoteles den Inbegriff aller Tugenden darstellt, die παντελὴς ἀρετή, mit der Ehre belohnt.¹⁶⁷ Da die Menschen die größten Ehrungen den Göttern darbieten, rückt ein Mensch in die Nähe der Götter und lebt sozusagen ein götterähnliches Leben, wenn er sehr große Ehre empfängt. Die Voraussetzung dafür ist, daß man wirklich (κατ’ ἀλήθειαν) ἀγαθός ist (1124 a 25). Das Verlangen nach verdienter großer Ehre, nach exorbitanter öffentlicher Anerkennung, also das Suchen nach Ruhm,¹⁶⁸ den man durch große Taten erlangt, ist eine Form des Strebens nach Unsterblichkeit. Denn der Ruhm selbst wird für die gesamte antike griechische Denkweise als der beste Weg zur Unsterblichkeit betrachtet. Aristoteles bleibt in seiner Ethik diesem traditionellen Ge-

 EN IV 3. 1123 b 17– 21: ἡ δ’ ἀξία λέγεται πρὸς τὰ ἐκτὸς ἀγαθά· μέγιστον δὲ τοῦτ’ ἂν θείημεν ὃ τοῖς θεοῖς ἀπονέμομεν, καὶ οὗ μάλιστ’ ἐφίενται οἱ ἐν ἀξιώματι, καὶ τὸ ἐπὶ τοῖς καλλίστοις ἆθλον· τοιοῦτον δ’ ἡ τιμή· μέγιστον γὰρ δὴ τοῦτο τῶν ἐκτὸς ἀγαθῶν. Vgl. EE 1232 b 15; MM 1192 a 22.  EN I 7. 1097 b 2– 5: τιμὴν δὲ καὶ ἡδονὴν καὶ νοῦν καὶ πᾶσαν ἀρετὴν αἱρούμεθα μὲν καὶ δι’ αὐτά […], αἱρούμεθα δὲ καὶ τῆς εὐδαιμονίας χάριν, διὰ τούτων ὑπολαμβάνοντες εὐδαιμονήσειν.  Vgl. EN IV 3. 1124 a 8; 1124 a 25 ff. Zur Analyse der Tugend der Megalopsychia siehe M. Liatsi, „Aspekte der Megalopsychia bei Aristoteles (EN IV 3)“, Rheinisches Museum 154, 2011, 43 – 60.  Dieser Ruhmesgedanke findet in der griechischen Literatur, wie bereits erwähnt, in vielen Wörtern seinen sprachlichen Ausdruck, z. B. δόξα, εὐδοξία, εὐφημία, κλέος, κῦδος, τιμή.

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meingut zwar verpflichtet, aber er geht noch einen großen Schritt weiter.Welchen, werden wir sogleich sehen. Die Ansicht, daß die Götter mehr Tugend und mehr Ehre als die Menschen haben, war in der Zeit des Aristoteles keineswegs unbekannt, sondern sie entsprach eben einem traditionellen Gemeingut. Menschen und Götter wurden analog behandelt. Sie verfügten beide über dieselben Eigenschaften und Merkmale. Die Unterschiede zwischen ihnen waren nur graduelle und nicht kategoriale Unterschiede. Das Leben der Götter war also eine ins Ideale übersetzte Vorstellung vom Leben der Menschen. Insofern verwundert es nicht, wenn Aristoteles bei seinen Ausführungen über die Eudaimonia Vergleiche zwischen Mensch und Gott beziehungsweise zwischen der menschlichen und der göttlichen Eudaimonia zieht, die natürlich größer als die menschliche ist,¹⁶⁹ aber nicht eine völlig andere. Das bedeutet, daß der Mensch, wenn er nach Eudaimonia strebt, in Wirklichkeit danach strebt, ein Leben zu führen, das bis zu einem gewissen Grad dem göttlichen Leben, das ein völlig seliges Leben ist, nahe kommt.¹⁷⁰ Das göttliche Leben vertritt das Ganze, das Absolute, eben das Ideale. Für den Menschen liegt das beste Leben darin, daß er einen Anteil – nach Möglichkeit einen großen – an dem göttlichen Lebensmodus hat. ¹⁷¹ Worin besteht aber der Inhalt des göttlichen Lebens, das zugleich das größte, vollkommenste Glück (τελεία εὐδαιμονία) für den Menschen repräsentiert? Das göttliche Leben besteht in der „theoretischen Aktivität“.¹⁷² Gott ist Nous, der „sich selbst denkt“, da der Nous, von allem, was es gibt, das Göttlichste sei.¹⁷³ Der Zustand seines Seins wird beschrieben als der beste, ein Zustand, den wir Menschen nur für eine jeweils kurze Zeit kennen, nämlich dann, wenn wir denkend tätig sind. In diesem Zustand, in dem der Mensch sich, wenn überhaupt, in besonders ausgezeichneten Augenblicken seines Lebensvollzuges befindet, befindet sich das Sein Gottes immer, weil es ohne die einschränkenden Bedingungen der

 Vgl. z. B. EN X 8. 1178 b 8 f.: τοὺς θεοὺς γὰρ μάλιστα ὑπειλήφαμεν μακαρίους και εὐδαίμονας εἶναι.  Vgl. EN X 8. 1178 b 25 – 27: τοῖς μὲν γὰρ θεοῖς ἅπας ὁ βίος μακάριος, τοῖς δ’ ἀνθρώποις, ἐφ’ ὅσον ὁμοίωμά τι τῆς τοιαύτης ἐνεργείας ὑπάρχει.  Zu einer sehr guten Darstellung und Erläuterung der Beziehung zwischen der menschlichen Eudaimonia und der göttlichen Seinsweise siehe A. A. Long, „Aristotle on eudaimonia, nous and divinity“, in: J. Miller (Hrsg.), Aristotle’s Nicomachean Ethics. A Critical Guide, Cambridge 2011, 92– 113.  EN X 8. 1178 b 21– 23: ὥστε ἡ τοῦ θεοῦ ἐνέργεια, μακαριότητι διαφέρουσα, θεωρητικὴ ἂν εἴη· καὶ τῶν ἀνθρωπίνων δὴ ἡ ταύτῃ συγγενεστάτη εὐδαιμονικωτάτη.  Siehe Met. Λ 9. 1074 b 16: δοκεῖ μὲν γὰρ [scil. ὁ νοῦς] εἶναι τῶν φαινομένων θειότατον. 1074 b 33 – 34: αὑτὸν ἄρα νοεῖ, εἴπερ ἐστὶ τὸ κράτιστον, καὶ ἔστιν ἡ νόησις νοήσεως νόησις.

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physischen, materiellen Existenz ist.¹⁷⁴ In dem Denken seiner selbst auf der höchsten ontologischen Ebene, die für Aristoteles existiert, ist dieses göttliche Selbstdenken nichts anderes als die Intensität und Konzentration, in welcher sich dieses Denken befindet – eine noetisch konzentrierte Dichte intensivster Denkerfahrung. Darin gerade besteht die Gewißheit des Denkens, wenn es im Gedachten bei sich selbst ist. An der strukturellen Ähnlichkeit zwischen göttlichem und menschlichem Nous hält Aristoteles sowohl in seiner Metaphysik, Buch Lambda, wie auch in seiner Nikomachischen Ethik, besonders im Buch X, fest.¹⁷⁵ Es ist dabei nicht an ein mystisches Erlebnis gedacht, sondern an das Phänomen der Gewißheit und Erleuchtung im Bereich menschlicher Erfahrung, das sehr stark an die Darstellung im VII. Brief Platons erinnert.¹⁷⁶ Es ist das für den Menschen besondere Ereignis einer Konzentration, einer Intensität des Denkens, die dem Menschen für kurze Zeit diesen Zustand vergleichbar macht mit dem Zustand, von dem Aristoteles annehmen kann, daß das Denken Gottes (des „Ersten Unbewegten Bewegers“) in diesem sich immer befindet.¹⁷⁷ Kein Wunder, daß diese ‚göttliche‘ Erfahrung bei den Menschen von tiefen Glücksgefühlen der Erfüllung begleitet wird. Aristoteles definiert bekanntlich Eudaimonia als die Tätigkeit der Seele gemäß der vollkommenen Tugend.¹⁷⁸ Diese Definition hängt mit dem spezifischen ἔργον des Menschen, also mit der Funktion zusammen, die der Mensch von Natur aus zu erfüllen hat, so wie z. B. das ἔργον des Auges das Sehen ist. Die eigentümliche Funktion des Menschen, sein ihm wesensgemäßes ἔργον ist nach Aristoteles die Tätigkeit der Seele in Übereinstimmung mit der Vernunft. Diese Tätigkeit der Seele gelingt am besten in Verbindung mit der höchsten Form ihrer

 Vgl. Met. Λ 7. 1072 b 14– 16: διαγωγὴ δ’ ἐστὶν οἵα ἡ ἀρίστη μικρὸν χρόνον ἡμῖν. οὕτω γὰρ ἀεὶ ἐκεῖνο (ἡμῖν μὲν γὰρ ἀδύνατον), ἐπεὶ καὶ ἡδονὴ ἡ ἐνέργεια τούτου. Siehe auch 7. 1072 b 24– 26: εἰ οὖν οὕτως εὖ ἔχει, ὡς ἡμεῖς ποτέ, ὁ θεὸς ἀεί, θαυμαστόν· εἰ δὲ μᾶλλον, ἔτι θαυμασιώτερον. Vgl. 9. 1075 a 7– 10.  Zu einer gründlichen Analyse des Verhältnisses zwischen menschlicher und göttlicher θεωρία siehe S. Herzberg, Menschliche und göttliche Kontemplation, Heidelberg 2013. Zu einer umfassenden Behandlung der verschiedenen Aspekte der Beziehung zwischen Eudaimonia und θεωρία im Rahmen der Aristotelischen Ethik siehe P. Destrée/M. Zingano (Hrsgg.), THEORIA. Studies on the Status and Meaning of Contemplation in Aristotle’s Ethics, Leuven 2014.  Vgl. M. Liatsi, Die semiotische Erkenntnistheorie Platons, a.a.O., 94 ff.  Zum Thema Inhalt des Denkens des Ersten Bewegers bei Aristoteles siehe z. B. M. Liatsi, „Aristotle’s Silence About the Prime Mover’s noêsis“, in: C. Horn (Hrsg.), Aristotle’s Metaphysics Lambda – New Essays, Boston/Berlin 2016, 229 – 245. Vgl. auch D. Frede, „Theophrasts Kritik am unbewegten Beweger des Aristoteles“, Phronesis 16, 1971, 65 – 79.  EN I 13. 1102 a 5 f.: ἐστὶ ἡ εὐδαιμονία ψυχῆς ἐνέργειά τις κατ’ ἀρετὴν τελείαν.Vgl. X 7. 1177 a 12.

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Arete.¹⁷⁹ Diese Tätigkeit also, und nicht die bloß mit der Vernunft übereinstimmende Tätigkeit, konstituiert das dem Menschen von Natur aus zukommende τέλος, das deswegen von Natur aus vorhanden ist, weil es das möglichst größte Erreichen und Vervollkommnen seiner natürlichen Kapazität, seines menschlichen Potentials bedeutet. Analog zu dem Telos, so wie es von Aristoteles für jedes natürliche Wesen definiert wird, bildet nun die τελεία εὐδαιμονία das natürliche Telos der Tätigkeit der Seele gemäß der Vernunft, und gemäß der besten und vollkommensten Arete.¹⁸⁰ Mit anderen Worten: das dem Menschen eigentümliche natürliche Telos ist die τελεία εὐδαιμονία, die ja nur dem Göttlichen zukommt; und sie ist auch die Tätigkeit des τέλειος ἀνήρ. Aristoteles geht, wie wir bereits sahen, von der Prämisse aus, daß der Nous das am meisten göttliche Element unserer Seele ist. D. h., die Tätigkeit des Nous gemäß seiner eigenen höchsten Arete ist die vollkommene Form des Glücklichseins, sie bildet die τελεία εὐδαιμονία. Diese Tätigkeit ist theoretische Tätigkeit und sie bezieht sich nicht nur auf ein menschliches Leben gemäß der Vernunft, sondern gemäß der Vernunft in ihrer besten und höchsten Form.¹⁸¹ Und sie ist auch die am meisten Freude bereitende Tätigkeit, da, wie Aristoteles sagt, die am meisten Freude bereitende Tätigkeit gemäß der Arete ist die Tätigkeit gemäß der Weisheit.¹⁸² Diese Art theoretischer Tätigkeit ist am meisten dauerhaft¹⁸³ und selbstgenügsam¹⁸⁴, d. h. sie strebt nicht nach einem anderen Ziel außerhalb ihrer selbst. Wenn der Nous göttlich ist, dann ist das Leben gemäß seiner Tätigkeit göttlich. Aristoteles bemerkt, daß dieses Höchste, also der Nous, unser wahres Selbst ist, da es der entscheidende und bessere Teil unseres Wesens ist.¹⁸⁵ Wenn also der Geist, mit dem Menschen verglichen, etwas Göttliches ist, so ist auch ein Leben im Geistigen, verglichen mit dem menschlichen Leben, etwas Göttliches. Hier liegt, wie Aristoteles hinzufügt, die Chance des Menschen zur Unsterblichkeit, indem er alles tut, das menschliche Leben danach einzurichten, was im Menschen das Höchste ist.¹⁸⁶ Die hauptsächliche Prämisse für Aristoteles, an der

 EN I 7. 1098 a 10 f.: προστιθεμένης τῆς κατὰ τὴν ἀρετὴν ὑπεροχῆς.  Siehe EN X 7. 1177 b 24 f.; vgl. I 7. 1098 a 17 f.  EN X 7. 1177 a 16 – 18: ἡ τούτου [scil. τοῦ νοῦ] ἐνέργεια κατὰ τὴν οἰκείαν ἀρετὴν εἴη ἂν ἡ τελεία εὐδαιμονία. ὅτι δ’ ἐστὶ θεωρητική, εἴρηται. Vgl. X 8. 1178 b 32: ὥστ’ εἴη ἂν ἡ εὐδαιμονία θεωρία τις.  EN X 7. 1177 a 23 – 25: ἡδίστη τῶν κατ’ ἀρετὴν ἐνεργειῶν ἡ κατὰ τὴν σοφίαν ὁμολογουμένως ἐστίν.  EN X 7. 1177 a 21 f.: ἔτι δὲ συνεχεστάτη· θεωρεῖν [τε] γὰρ δυνάμεθα συνεχῶς μᾶλλον ἢ πράττειν ὁτιοῦν.  EN X 7. 1177 a 27 f.: ἥ τε λεγομένη αὐτάρκεια περὶ τὴν θεωρητικὴν μάλιστ’ ἂν εἴη.  EN X 7. 1177 a 14: κατὰ φύσιν δοκεῖ ἄρχειν καὶ ἡγεῖσθαι.  Vgl. EN X 7. 1177 b 26 – 1178 a 8.

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seine ganze Theorie hängt, ist die Voraussetzung und die feststehende Annahme, daß das höchste Glück, die τελεία εὐδαιμονία, das auch mit der höchsten Lust, der τελεία ἡδονή, verbunden ist und eine theoretische Tätigkeit des Nous ist, ein θεῖόν τι ist: eine göttliche Sache. Die menschliche Anstrengung in Richtung auf diese göttliche, τελεία εὐδαιμονία ist endlos, es ist ein Weg in eine unbegrenzte Richtung, da die τελεία εὐδαιμονία ja nur dem Göttlichen zukommt. Jedes Mal, wenn der gute Mensch (φρόνιμος, σπουδαῖος καὶ ἀγαθὸς ἀνήρ) einen Akt der εὐδαιμονία vollzieht im Rahmen seines praktischen und politischen Lebens, erreicht er nur einen bestimmten Grad von εὐδαιμονία. Das schließt jedoch nicht die Möglichkeit aus, daß er einen höheren Schritt in Richtung auf die Göttlichkeit macht, der nur ein anderer Grad ist, ein anderes συμμισγόμενον, um es in der Terminologie Platons auszudrücken. Für den Menschen besteht keine andere Möglichkeit als nur diese schrittweise Annäherung an das absolute τέλος, an die τελεία εὐδαιμονία. Der Grad der Vollkommenheit, die er erreicht, hängt ab von dem Grad seiner Weisheit.¹⁸⁷ Je näher ein Mensch diesem idealen göttlichen Leben kommt, umso mehr erfüllt seine Tätigkeit (und die dazugehörige Lust) die dem Menschen eigentümliche Natur. Und anders herum: Je mehr ein Mensch die menschliche Natur repräsentiert und erfüllt, umso mehr nähert er sich der Seinsweise Gottes – aber nur für einige Augenblicke. Denn die volle Realität des göttlichen Seins hält der Mensch nicht lange aus, denn er ist von Natur aus ein Mensch und bleibt es auch wesensgemäß. Je mehr der Mensch seine menschliche Natur, also sein wahres Wesen, verwirklicht, desto göttlicher wird er sein, desto mehr wird er sich der Seinsweise Gottes approximativ annähern, und desto reiner und erfüllter wird seine εὐδαιμονία und seine Lust sein, die er fühlt. Mit anderen Worten: Je mehr wir Menschen werden, also das, was wir naturgemäß sind, desto mehr wird sich unser menschliches Leben dem göttlichen Leben angleichen (und dann werden wir also auch die beste Art von Lust empfinden). Das ist für Aristoteles die beste Weise, die auch der menschlichen und d. h. auch vernunftbegabten Natur am besten entspricht, wie der sterbliche Mensch im Rahmen des Menschenmöglichen irdische Unsterblichkeit erlangen kann.¹⁸⁸ Das Unsterblichwerden des Menschen ist hier gemeint als ein Gott Ähnlichwerden im Rahmen des Menschenmöglichen, d. h. indem der Mensch das Göttliche in sich, in seinem Nous und in dem, was dieser gebietet, und in seinem

 EN X 7. 1177 a 33 f.: ὅσῳ ἂν σοφώτερος ᾖ, μᾶλλον.  Vgl. EN X 7. 1177 b 33 f.: ἐφ’ ὅσον ἐνδέχεται ἀθανατίζειν καὶ πάντα ποιεῖν πρὸς τὸ ζῆν κατὰ τὸ κράτιστον τῶν ἐν αὑτῷ. Vgl. dazu C. D. C. Reeve, „Aristotelian Immortality“, in: P. Destrée/M. Zingano (Hrsgg.), a.a.O., 335 – 343.

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Leben zur Wirklichkeit bringt.¹⁸⁹ Diese Aristotelische Version der Platonischen ὁμοίωσις θεῷ („Angleichung an Gott“)¹⁹⁰ ist keine rhetorische Metapher, ist nicht als bloße Redeweise von Aristoteles gemeint, sondern pragmatisch als eine Handlungsanweisung an den Menschen verstanden, sich nach dem zu richten, was zu tun ihm die höchste Instanz in sich sagt, der Nous, und diesem in allen Weisungen zu folgen, und so als ein ἀθανατίζων, als ein auf Dauer und ewiges Fortbestehen seines höchsten Wesens, des Nous in ihm, eingestellter Mensch zu leben. In dem ἀθανατίζειν vollzieht sich die ontologische Metamorphose des endlichen Menschen mittels des Höchsten in ihm, des Nous, zur Unsterblichkeit, soweit diese dem Menschen möglich ist. Das ist eine Ethik in sich selbst, deren oberster Wert die irdische Unsterblichkeit ist, als Lohn für hervorragende Taten und ein vorbildliches Leben auf Erden.¹⁹¹  Vgl. auch D. Sedley, „Becoming Godlike“, in: C. Bobonich (Hrsg.), The Cambridge Companion to Ancient Ethics, Cambridge 2017, 319 – 337, der treffend die enge Parallelität zwischen Aristoteles und Platon in diesem Zusammenhang betont und dabei erneut auf die wichtige Passage in Timaios 90 B-C hinweist.Vgl. ders., „The ideal of godlikeness“, in: G. Fine (Hrsg.), Plato II: Ethics, Politics, Religion, and the Soul, Oxford 2000, 309 – 328.  Dieser Ausdruck findet sich zwar nur im Theaitet 176 b 1. Aber die Vorstellung einer Ähnlichwerdung des Menschen mit Gott als der Weg zur menschlichen Eudaimonia kommt bei Platon häufiger vor, jeweils in unterschiedlichen Kontexten, z. B. im Symposion im Kontext der göttlichen Unsterblichkeit, im Theaitet im Kontext der göttlichen Gerechtigkeit, im Timaios und in den Nomoi im Sinne der Angleichung der menschlichen Seele an die Weltseele bzw. an die göttliche Vernunft, die durch die Himmelskörper sichtbar wird. Vgl. H. Merki, Homoiôsis Theô. Von der platonischen Angleichung an Gott zur Gottähnlichkeit bei Gregor von Nyssa, Freiburg i. Br. 1952. Vgl. auch J. M. Armstrong, „After the Ascent: On becoming like God“, Oxford Studies in Ancient Philosophy 26, 2004, 171– 183; D. C. Russell, „Virtue as ‚Likeness to God‘ in Plato and Seneca“, Journal of the History of Philosophy 42, 2004, 241– 260.  Ein weiteres Thema ist das Problem der möglichen postmortalen Einbuße der Eudaimonia. Eine fast rätselhafte Aussage des Aristoteles betrifft ja die Frage, ob jemand nach seinem Tod noch seine Eudaimonia verlieren kann. Aristoteles lehnt zwar die Idee ab, man müsse einen Verstorbenen abwechselnd als glücklich oder unglücklich beurteilen. Doch konzediert er, daß das Schicksal der Nachkommen „für eine gewisse Zeit“ eine Bedeutung für die Eudaimonia des Verstorbenen besitze (EN I 10. 1100 a 29 f.). Als Erklärung hierfür auszuschließen ist sicher, daß Aristoteles zuließe, Eudaimonia sei etwas anderes als die beste seelische Aktivität: er wiederholt seine ἐνέργεια-basierte Eudaimoniabestimmung hier explizit (1100 a13 f.). Inakzeptabel wäre außerdem die Erklärung, Aristoteles denke im vorliegenden Kontext an eine postmortale Existenzform des Menschen, in welcher dieser – gleichsam aus einer jenseitigen Beobachterposition – noch mit Erfolgen oder Mißerfolgen seiner Kinder konfrontiert wäre. Eine denkbare Lösung für diese Schwierigkeit bietet Dominic Scott, „Aristotle on Posthumous Fortune“, Oxford Studies in Ancient Philosophy 18, 2000, 211– 230, an. Nach Scott gehört es zur ἐνέργεια tugendhafter Persönlichkeiten, anderen Menschen Vorteile zu verschaffen, welche eine bleibende Bedeutung haben. Noch mehr gehört es dazu, daß jemand aufgrund seiner ἐνέργεια Nachkommen hervorbringt, die – gemäß der Aristotelischen Theorie sexueller Reproduktion – als formgleiche Individuen die Existenz ihres

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Zweites Kapitel: Die individuelle Unsterblichkeit in der Kultur

3 Der religiöse Unsterblichkeitsgedanke im griechisch-römischen Paganismus Mit den Anfängen der griechischen Philosophie beginnt sofort auch die Problematisierung des Zeitbegriffes, wie das Lehrgedicht des Parmenides „Der Weg der Wahrheit“ zeigt, wo es von dem Einen heißt, daß es weder zu irgendeiner Zeit war noch sein wird, weil in einem Jetzt alles in allem ein Ganzes ist, womit Parmenides wie auch sein Schüler Zenon gegen die Realität des Wechsels Stellung bezieht. Das Eine existiert alles auf einmal, gleichzeitig, denn es ist ohne die Abfolge des Früher und Später. Daß solcher Begriff eines Modus der Existenz, der die Unterscheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht zuläßt, von Parmenides her auch Platon erreichte, der ihn auf seine reinen Formen der Ideen anwendete, gilt als gesichert. Platon verwendet diesen Ansatz nicht nur im Kontext seiner Ideenlehre, sondern auch in der Systematik seiner Kosmologie, wie die Stelle im Timaios eindrucksvoll und geschichtlich wirkungsvoll kundtut, wo er die erschaffene Welt und deren Urbild, das unvergängliche Lebendige, kontrastierend einander gegenüberstellt: „So entstand denn also die Zeit zugleich mit der Welt, damit beide, zugleich ins Leben gerufen, auch wieder aufgelöst würden, wenn einmal ihre Auflösung eintreten sollte, und nach dem Urbild der schlechthin ewigen Natur, damit die Welt ihr so ähnlich als möglich werde. Denn das Urbild ist ein durch alle Ewigkeit Seiendes, sie aber immerzu durch alle Zeit geworden, seiend und sein werdend“.¹⁹² Die Zeit ist in Beziehung auf die sinnlich wahrnehmbare Welt, was die Ewigkeit in Beziehung auf die intelligible Welt ist. Platon läßt keinen Zweifel

Erzeugers fortsetzen (De an. II 4. 415 a 26 – 415 b 1). Die tugendhafte Persönlichkeit brächte auf diese Weise konstant und verlässlich neben exzellenten theoretischen Tätigkeiten auch vorteilhafte soziale Aktivitäten sowie herausragende Kinder hervor; mißraten die Kinder, wirft dies ein zweifelhaftes Licht auf die unterstellte Tugendhaftigkeit des Betreffenden.  Timaios 38 B 6 – C 3: Χρόνος δ’ οὖν μετ’ οὐρανοῦ γέγονεν, ἵνα ἅμα γεννηθέντες ἅμα καὶ λυθῶσιν, ἄν ποτε λύσις τις αὐτῶν γίγνηται, καὶ κατὰ τὸ παράδειγμα τῆς διαιωνίας φύσεως, ἵν’ ὡς ὁμοιότατος αὐτῷ κατὰ δύναμιν ᾖ· τὸ μὲν γὰρ δὴ παράδειγμα πάντα αἰῶνά ἐστιν ὄν, ὁ δ’ αὖ διὰ τέλους τὸν ἅπαντα χρόνον γεγονώς τε καὶ ὢν καὶ ἐσόμενος. Der Übergang von Platons Lehre im Timaios zu den Grundzügen der christlichen Theologie und der darin vorausgesetzten Kosmologie war ein gleitender, wobei die Konzeption eines zeitlosen Lebens die zentrale Vermittlungsinstanz war. Elemente der griechischen Philosophie bildeten mehr und mehr das begriffliche Gerüst der christlichen Dogmenbildung. Spätestens am Ende des fünften Jahrhunderts war die Rezeption Platonischer Lehrstücke in der christlichen Gedankenwelt und in deren Darstellung längst eine Selbstverständlichkeit und gänzlich frei von der Empfindung einer Verfremdung, nicht zuletzt auch unterstützt durch die Werke des jüdischen Theologen Philon von Alexandrien und auch durch Augustinus.

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daran, daß das Ewige das Höherwertige, das Zeitliche das Geringerwertige ist, aber im Unterschied zu Parmenides und Zenon leugnet er nicht die Realität der Zeit. Die geringere Wertigkeit des Zeitlichen kommt für Platon darin zum Ausdruck, daß das Zeitliche nicht den Status des Seins, sondern immer nur den des Werdens hat.¹⁹³ In dem Rahmen der Metaphysik von Zeit und Ewigkeit hat das Thema der Unsterblichkeit seinen systematischen Ort in der antiken Philosophie gefunden. Schon in dem vorangehenden mythischen Denken war das Verlangen nach einem dauerhaften Leben der Menschen präsent und suchte sich an einem Substrat des einzeln Menschen festzumachen, als welches ein langer Personalisierungsprozeß schließlich das ausmachte, was man die Seele nannte, ψυχή, zunächst noch verstanden als stofflicher Bestandteil des Menschen und seines Lebensvollzuges, dann mehr und mehr spiritualisiert bis hin zu der Vorstellung eines geistigen, unsinnlichen Elementes, das den Körper des Menschen mit Leben erfüllt, in diesem Sinne belebt und mit dem Sein Gottes, als von ihm stammend, in einer Verbindung steht, und daher unsterblich ist.¹⁹⁴ Wenn Platon als erster der griechischen Philosophen mit endgültiger Bestimmtheit davon spricht, daß die Seele unsterblich sei,¹⁹⁵ so ist diese Position Platons das Ergebnis eines langen Suchens nach dem Zentrum des menschlichen Lebens, eines langen Weges, der von den griechischen vorplatonischen Denkern bereits zurückgelegt worden war, bevor Platon zu seiner wesentlichen, endgültigen und folgenreichen Bestimmung kam; folgenreich auch deshalb, weil die Platonische Position den eigentlichen Grund legte für die fundamentale Unterscheidung der beiden Zuständlichkeiten des Menschseins, des Lebendigseins und des Totseins.¹⁹⁶ Das Wort θάνατος (Tod) kommt zuerst bei Heraklit vor, dergestalt,

 Das ist der Grund dafür, daß wir über zeitliche Dinge nicht im Modus zeitloser Gegenwärtigkeit sprechen können, wie wir das tun, wenn wir über Formen und mathematische Gegenstände sprechen. In dieser Überzeugung Platons zeigt sich das Erbe Heraklits.  J. Bremmer, The Early Greek Concept of the Soul, Princeton 1983; vgl. D. J. Furley, „The early history of the Greek concept of the soul“, Bulletin of the Institute of Classical Studies 3, 1956, 1– 18. Zum Thema der Unsterblichkeit der Seele in der griechischen Philosophie siehe Rohde (Einführung, Anm. 3), Kalogerakos, Drozdek (Einführung, Anm. 6).  Siehe Phaidon 78 B – 80 B; Phaidros 245 Cff.; Timaios 41 C; Politeia 610 C; Nomoi 713 E. Vgl. dazu R. Bett, „Immortality and the Nature of the Soul in the Phaedrus“, Phronesis 31, 1986, 1– 26; B. Centrone, „Personal Immortality in Plato: Another Noble Lie?“, in: M. Migliori/L.M. Napolitano Valditara/A. Fermani (Hrsgg.), Inner Life and Soul. Psychê in Plato, Sankt Augustin 2011, 71– 85.  Vgl. F. Solmsen, „Plato and the Concept of the Soul (Psyche). Some Historical Perspectives“, Journal of the History of Ideas 44, 1983, 355 – 367. Zur Seelenlehre Platons siehe M. Erler, Platon, in: Ueberweg. Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike. Bd. 2/2, hrsg. v.

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daß der Tod in den Kreislauf alles Werdens integriert ist.¹⁹⁷ Dieser Gedanke findet sich bei anderen vorsokratischen Denkern im Begriff der Mischung der Elemente zu Einzelwesen und der Auflösung der Dinge in ihre Elemente und der erneuten Verbindung in unaufhörlicher Bewegung.¹⁹⁸ Eine Ausweitung der Todesvorstellung erfolgt durch Pythagoras mit der Einführung der orphischen Gedankenwelt in die Philosophie in der Weise, daß die Seele des Menschen, die ihrer Herkunft nach göttlich ist, „zum Zwecke der Bestrafung“ (τιμωρίας χάριν) in den Leib (σῶμα) als Gefängnis (σῆμα) eingeschlossen ist.¹⁹⁹ Die Seele sei nach der Lehre des Pythagoras unsterblich und sie wandere in andere Arten von Lebewesen, da alle Lebewesen verwandt seien.²⁰⁰ Nur der Tod kann sie daraus befreien, und erst nach langer Wanderung über mehrere Stationen findet sie zum Göttlichen zurück. Diese Vorstellung vom Tod hat nach mannigfaltigen Abwandlungen durch Platon die für das Abendland paradigmatische Form gefunden. Er definiert den Tod als „zweier Dinge Trennung voneinander, der Seele und des Leibes“.²⁰¹ Die Bestimmung des Todes als die Trennung von Seele und Leib läßt erkennen, daß die Seele nicht sterben kann, daß sie „unzerstörbar“ ist.²⁰² Denn im Vorgang des Todes, im Sterben stirbt das Sterbliche am Menschen, das Unsterbliche aber bleibt davon unversehrt; und die Seele ist unsterblich, weil sie in einer notwendigen Verbindung mit dem Leben steht. So gesehen treten wir nach der Auffassung Platons

H. Flashar, Basel 2007, 375 – 390; M. P. Steiner, Psyche bei Platon, Göttingen 1992; T. M. Robinson, Plato’s Psychology, Toronto 1970.  Heraklit, 22 B 36 D.-K.; vgl. 22 B 76 D.-K.  Empedokles, 31 B 8 D.-K.  Philolaos, 44 B 14 D.-K. Zu einer gründlichen Untersuchung des Pythagoreischen Konzepts des Seele siehe C. Huffman, „The Pythagorean conception of the soul from Pythagoras to Philolaus“, in: D. Frede/B. Reis (Hrsgg.), Body and Soul in Ancient Philosophy, Berlin/New York 2009, 21– 43.  Porphyrios, Vita Pythagorae 19 (= 14 A 8a D.-K.): μάλιστα μέντοι γνώριμα παρὰ πᾶσιν ἐγένετο πρῶτον μὲν ὡς ἀθάνατον εἶναί φησι τὴν ψυχήν, εἶτα μεταβάλλουσαν εἰς ἄλλα γένη ζῴων, πρὸς δὲ τούτοις ὅτι κατὰ περιόδους τινὰς τὰ γενόμενά ποτε πάλιν γίνεται, νέον δ’ οὐδὲν ἁπλῶς ἔστι καὶ ὅτι πάντα τὰ γινόμενα ἔμψυχα ὁμογενῆ δεῖ νομίζειν. Zur Seelenwanderungslehre bei Pythagoras siehe L. Zhmud, Wissenschaft, Philosophie und Religion im frühen Pythagoreismus, Berlin 1997; B. L. van der Waerden, Die Pythagoreer, Zürich 1979; W. Burkert, Weisheit und Wissenschaft. Studien zu Pythagoras, Philolaos und Platon, Nürnberg 1962. Siehe auch C. Riedweg, Pythagoras: Leben–Lehre–Nachwirkung, München 2002, der den Terminus „Wiedergeburtslehre“ bevorzugt.  Phaidon 67 D 4 f.: Οὐκοῦν τοῦτό γε θάνατος ὀνομάζεται, λύσις καὶ χωρισμὸς ψυχῆς ἀπὸ σώματος; Vgl. 64 C: ἡγούμεθά τι τὸν θάνατον εἶναι; […] ἆρα μὴ ἄλλο τι ἢ τὴν τῆς ψυχῆς ἀπὸ τοῦ σώματος ἀπαλλαγήν;  Phaidon 106 E 1– 3: Ὁπότε δὴ τὸ ἀθάνατον καὶ ἀδιάφθορόν ἐστιν, ἄλλο τι ψυχὴ ἤ, εἰ ἀθάνατος τυγχάνει οὖσα, καὶ ἀνώλεθρος ἂν εἴη;

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überhaupt erst mit dem Tod ins Leben ein, und vice versa. In seinem Dialog Phaidon formuliert Platon seine Beweise für die Unsterblichkeit der Seele,²⁰³ die durch den Tod vom Leib, in dessen Gefängnis sie ist, getrennt wird.²⁰⁴ Die vier Argumente des Phaidon lauten: 1) Alles entsteht aus seinem Gegenteil, folglich auch das Lebende aus dem Toten (70 C 4– 72 E 2, bes. 71 D-E). 2) Aus dem Tatbestand der Wiedererinnerung (anamnêsis-Lehre)²⁰⁵ folgt die Präexistenz der Seele (72 E 3 – 77 D 5).²⁰⁶ 3) Aus den Aktivitäten der Seele folgt, daß sie nicht zum Vergänglichen gehört, sondern zum Unvergänglichen, Intelligiblen (79 A 6 – 80 C 1). 4) Die Seele ist Träger des Lebens. Folglich kann sie dessen Gegenteil, den Tod, nicht aufnehmen (102 A 10 – 107 A 1).²⁰⁷ Die Seele ist auch Träger des sittlichen Handelns und kann in dieser Funktion nicht zerstört werden, denn sie ist für die ganze Zeit.²⁰⁸ Sie ist notwendig immer Seiendes; wenn aber immer Seiendes, dann ist sie auch etwas Unsterbliches, und also folgt daraus, daß immer dieselben Seelen existieren, und ihre Anzahl kann weder größer noch kleiner

 Vgl. F. Ricken, „Unsterblichkeit“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 11, Basel 2001, 275 – 281. Zu der Unsterblichkeit der Seele in Phaidon siehe z. B. D. Gallop, Plato, Phaedo, Oxford 1975, 103 – 145 und 192– 222; D. Bostock, Plato’s Phaedo, Oxford 1986, bes. 21– 41; D. Frede, Platons ‚Phaidon‘. Der Traum von der Unsterblichkeit der Seele, Darmstadt 1999, bes. 34– 76 und 134– 151; D. Bostock, „The Soul and Immortality in Plato’s Phaedo“, in: G. Fine (Hrsg.), Plato II: Ethics, Politics, Religion, and the Soul, Oxford 2000, 404– 424; vgl. das Kommentieren zu den vier Unsterblichkeits-Argumenten von T. Ebert, Platon: Phaidon. Übersetzung und Kommentar, Göttingen 2004.  Phaidon 62 B; vgl. Gorgias 524 B; 493 A; Krat. 400 C; Phaidros 250 C.  Vgl. Menon 80 D – 86 C, bes. 81 A-D. Zur Wiedererinnerung bei Platon siehe z. B. C. E. Huber, Anamnesis bei Platon, München 1964; L. P. Gerson, „The Recollection Argument Revisited (72e78b)“, in: J. Müller (Hrsg.), Platon, Phaidon, Berlin 2011, 63 – 74. Gegen das Vorhandensein einer ‚Theorie der Wiedererinnerung‘ bei Platon siehe T. Ebert, „The Theory of Recollection in Plato’s Meno: Against a Myth of Platonic Scholarship“, in: M. Erler/L. Brisson (Hrsgg.), Gorgias – Menon, Sankt Augustin 2007, 184– 198.  Zu den möglichen philosophischen Funktionen, welche die pränatale Existenz der Seele bzw. die Seelenwanderungslehre bei Platon ausfüllt, d. h. zu ihrer philosophischen Signifikanz, siehe J. Müller, „Seelenwanderung“, in: C. Horn/J. Müller/J. Söder (Hrsgg.), Platon Handbuch, Stuttgart ²2017, 331 ff. In demselben Band vergleiche B. Manuwald, „Wiedererinnerung/Anamnesis“, 360 – 362. Siehe auch R. S. Bluck, „The Phaedrus and Reinkarnation. Plato, Pindar and Metempsychosis“, American Journal of Philology 79, 1958, 156 – 164 und 405 – 414.  Vgl. dazu D. Frede, „The Final Proof of the Immortality of the Soul in Plato’s Phaedo 102a107a“, Phronesis 23, 1978, 27– 41.Vgl. auch D. Sedley, „Three Kinds of Platonic Immortality“, in: D. Frede/B. Reis (Hrsgg.), Body and Soul in Ancient Philosophy, Berlin/New York 2009, 145 – 161, der anhand dieses letzten Argumentes von einer „essential immortality“ bei Platon spricht.  Vgl. Politeia X 608 C 1 – D 1.

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werden.²⁰⁹ In der Forschung nach wie vor umstritten ist die Frage, ob Platon die Unsterblichkeit der ganzen, also der dreiteiligen Seele, annimmt²¹⁰ oder nur die Unsterblichkeit ihres vernünftigen Teiles (λογιστικόν).²¹¹ Der Phaidros spricht von der Seele als ganzer,²¹² wobei sie als das „von sich selbst Bewegte“²¹³ und als „Quelle und Anfang der Bewegung“²¹⁴ bestimmt wird. Im Timaios spricht Platon von einer homonymen Unsterblichkeit²¹⁵ und meint damit dasjenige, was geworden, zusammengesetzt und deswegen auflösbar ist, aber durch den Demiurgen zusammengehalten wird.²¹⁶ Die Meinungen darüber, insonderheit über die Seele, ihre Teile und über die Zuordnung des Attributes der Unsterblichkeit zu denselben, scheinen in der Akademie nicht einheitlich gewesen zu sein. Jedenfalls ist nach allen uns vorliegenden Textzeugnissen für Speusipp und für Xenokrates auch die nichtvernünftige Seele unsterblich.²¹⁷ Das jeweilige menschliche Leben ist also gemäß diesen Vorstellungen nur ein Kapitel der Geschichte der Seele. Das Phänomen des Todes begegnet dem Menschen in dem Spannungsfeld von Zeit und Ewigkeit, nicht zufällig, sondern notwendig, denn er hat an beiden Anteil. Der Tod ist das Ende des Lebens, dem Menschen bekannt als das unvermeidliche Telos, und so konnte Platon im Phaidon den Sokrates sagen lassen, daß er sein Leben als Einübung in das Totsein verstehe, nämlich als Einübung in jenen Zustand, der als das Getrenntsein der Seele vom Leib begriffen werde. Bei dieser Bestimmung ist es in der Antike im wesentlichen geblieben, bei allen Variationen im einzelnen, so bei Aristoteles, bei Epikur und schließlich bei Augustinus, dessen christlich formulierte Lehre vom Tod auf Platons Auffassung aufbaut. Das Entscheidende ist, daß der Begriff des Todes sich nicht mit dem physischen Ende des Einzelwesens erschöpft, sondern der Übergang ist zu einer anderen Form der Existenz, die ewig dauert: körperlos seiend.

 Politeia X 610 E 10 – 612 B 6, bes. 611 A.Vgl. T. M. Robinson, „Soul and Immortality in Republic X“, Phronesis 12, 1967, 147– 151.  Vgl. A. Graeser, Probleme der platonischen Seelenteilungslehre. Überlegungen zur Frage der Kontinuität im Denken Platons, München 1969, 27– 39.  Siehe gründlich T. A. Szlezák, „Unsterblichkeit und Trichotomie der Seele im zehnten Buch der Politeia“, Phronesis 21, 1976, 31– 58.  Phaidros 245 C 5 – 246 A 2: Ψυχὴ πᾶσα ἀθάνατος […]  Phaidros 245 D 7: τὸ αὐτὸ αὑτὸ κινοῦν.  Phaidros 245 C 9 – D 1: πηγὴ καὶ ἀρχὴ κινήσεως. ἀρχὴ δὲ ἀγένητον.  Timaios 41 C 6 f.: καὶ καθ’ ὅσον μὲν αὐτῶν ἀθανάτοις ὁμώνυμον εἶναι προσήκει […]  Siehe Timaios 41 B 7– D 3.Vgl. T. Johansen, „Body, Soul, and Tripartition in Plato’s Timaeus“, Oxford Studies in Ancient Philosophy 19, 2000, 87– 111.  Speusipp, Frg. 55, Hrsg. M. Gigante, Neapel 1980 = Xenokrates, Frg. 75, Hrsg. M. Isnardi Parente, Neapel 1982. Vgl. dazu L. Tarán, Speusippus of Athens, Leiden 1981, 371– 374.

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In großartiger Gedankenführung ist für Platon der Tod nicht nur ein Ende, sondern auch ein Anfang des Lebens, Anfang des leibungebundenen Lebens, der Torheit des Leibes entledigt, nunmehr endlich befähigt, die Ideen in reiner Anschauung zu erfassen.²¹⁸ In dieser durch Sokrates/Platon vertieften Bedeutung des Sterbens strebt der Philosoph danach, wahrhaft philosophisch zu leben, was nichts anderes ist als wahrhaft philosophisch zu sterben und tot zu sein, das heißt Sterben zu lernen.²¹⁹ Was soll das heißen? Nichts anderes als die Seele von allem Leiblichem zu befreien und sie dadurch vorzubereiten auf die reine Erkenntnis der Ideen in dem künftigen Leben, statt anderenfalls nach dem Tod als Schatten (σκιοειδῆ φαντάσματα) herumzuirren und dem Körperlichen verhaftet zu bleiben.²²⁰ Die Unsterblichkeit wird also von Platon, wie wir sahen, nicht immer, wie in Symposion, als ein zu erwerbendes Gut angesehen, sondern an vielen anderen Stellen als eine Wesenseigenschaft der Seele, die Veranlassung dafür ist, über das Schicksal der Seele nach dem Tod nachzudenken.²²¹ Die unsterbliche Seele ist für Platon der Grund der Ideenschau (z. B. Politeia X 611 B 9 – 612 A 6) und damit der Grund der Möglichkeit für Erkenntnis überhaupt. Das Thema der Unsterblichkeit ist daher bei Platon zentral, weil notwendig. Umso mehr überrascht, daß das Thema der Unsterblichkeit bei Aristoteles auffällig in den Hintergrund rückt, beinahe übergangen wird; man könnte sogar auch sagen: vergessen wird, von einzelnen Stellen abgesehen, die dann im Ganzen umso rätselhafter wirken. Die gegenüber Platon veränderte philosophische Betrachtungsweise bei Aristoteles macht sich bei diesem Thema deutlich bemerkbar, insonderheit kommt hier die mehr naturwissenschaftliche, weniger

 Vgl. Phaidon 65 B-C.  Phaidon 64 A; vgl. 80 E.  Siehe Phaidon 81 B – E. Nirgendwo deutlicher als hier ist erkennbar, daß die sogenannte Leibfeindlichkeit des Christentums durch Platon tiefgreifend mit vorbereitet worden ist: das Leben in der diesseitigen Welt bietet dem Menschen die einmalige Chance, durch das Denken sich vom Leib zu lösen, um so dem ewigen Leben teilhaftig zu werden. Das ewige Leben wird, so gesehen, erkauft durch Verzicht auf Möglichkeiten des diesseitigen Lebens. Hier zeichnet sich auch schon die Verlockung zur Askese ab, zur asketischen Lebensform als eine besonders qualifizierte Vorbereitung auf den Tod und das ewige Leben danach. Tatsächlich ist die Vorstellung von einem höheren Leben danach, nach dem physischen Tod, kulturgeschichtlich die ursprüngliche, ältere Variante, dagegen die Vorstellung, daß die menschliche Existenz mit dem Tod ihr absolutes Ende erfährt, jüngeren Datums. Kulturgeschichtlich war die erste Variante die längste Zeit vorherrschend, aber auf sehr verschiedene Weise.  Siehe z. B. Phaidon 107 C ff.

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spekulative Einstellung des Stagiriten zum Vorschein, die keineswegs fehlt. Denn Aristoteles bleibt trotz seiner Differenz zu Platon der Geisttradition des griechischen Denkens auch insoweit verbunden, als er betont, daß im Menschen allein der Geist (νοῦς) Unsterblichkeit erwarten lasse.²²² Mit Aristoteles kehrt nun zum ersten Male in die Debatte über die Unsterblichkeit die Nüchternheit des Naturforschers ein. Es ist davon auszugehen, daß der frühe Aristoteles in seinem Dialog Eudemos noch verschiedene Argumente für die Unsterblichkeit der Seele angeführt hat, auch solche, die dem Volksglauben und den religiösen Riten entlehnt waren.²²³ Die wenigen von Aristoteles überlieferten Fragmente dazu lassen erkennen, daß der Topos der Unsterblichkeit der Seele nur von dem frühen Aristoteles zur Zeit des Eudemos mitberücksichtigt worden ist, später nicht mehr. Es kommt hinzu, daß bis heute alle Versuche der Interpreten, aus den wenigen, unzusammenhängenden, fragmentarischen Textsplittern zu der Aristotelischen Theorie des νοῦς im Rahmen seiner Lehre von der Seele, sooft man von νοῦς als Substanzbegriff und nicht von νοῦς als Funktionsbegriff ausgegangen ist, solche Interpretationen nie mehr waren als spekulative Konstruktionen der Seelenteile ohne einen historischen Erkenntniswert; Konstruktionen, mit denen sich alles und nichts beweisen läßt, einzig dafür bestens geeignet, heutigen Auslegungskünstlern die Gelegenheit zu ihrer beweisfernen Selbstdarstellung zu bieten. Schon in der Topik moniert er die Definition der Unsterblichkeit als ewiges Leben (ζωὴ ἀίδιος), indem er konstatiert, Unsterblichkeit sei nicht eine Gattung des Lebens, sondern eine Eigenschaft (πάθος) des Lebens. Daher sei es falsch, eine Eigenschaft in die Gattung zu stellen, die die Eigenschaft hat, zum Beispiel wenn man sagt, die Unsterblichkeit sei ewiges Leben. Vielmehr ist die Unsterblichkeit eine Eigenschaft des Lebens, sie kommt dem Leben zu. Wenn man annimmt, daß aus einem Sterblichen ein Unsterblicher wird, dann wird man nicht sagen, daß jemand, der Sterbliche, ein anderes Leben erhält, sondern daß dieses Leben eine neue Eigenschaft erhalten hat. Also ist das Leben nicht Gattung von Unsterblichkeit.²²⁴ Ähnlich argumentiert Aristoteles in der Nikomachischen Ethik,

 Vgl. bereits Protreptikos, Frg. 10: οὐδὲν οὖν θεῖον ἢ μακάριον ὑπάρχει τοῖς ἀνθρώποις, πλὴν ἐκεῖνό γε μόνον ἄξιον σπουδῆς, ὅσον ἐστὶν ἐν ἡμῖν νοῦ καὶ φρονήσεως· τοῦτο γὰρ μόνον ἔοικεν εἶναι τῶν ἡμετέρων ἀθάνατον καὶ μόνον θεῖον.  Eudemus, Frg. 2 ff., Fragmenta selecta, Hrsg. W. D. Ross, Oxford 1955, 17.  Topik IV 5. 126 b 35 – 127 a 2: Ἐνίοτε δὲ διαμαρτάνουσι καὶ τὸ πάθος εἰς γένος τὸ πεπονθὸς τιθέντες, οἷον ὅσοι τὴν ἀθανασίαν ζωὴν ἀίδιόν φασιν εἶναι· πάθος γάρ τι ζωῆς ἢ σύμπτωμα ἡ ἀθανασία ἔοικεν εἶναι. ὅτι δ’ ἀληθὲς τὸ λεγόμενον, δῆλον ἂν γένοιτο εἴ τις συγχωρήσειεν ἐκ θνητοῦ τινα ἀθάνατον γίνεσθαι· οὐδεὶς γὰρ φήσει ἑτέραν αὐτὸν ζωὴν λαμβάνειν, ἀλλὰ σύμπτωμά τι ἢ πάθος αὐτῇ ταύτῃ παραγίνεσθαι. ὥστ’ οὐ γένος ἡ ζωὴ τῆς ἀθανασίας.

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wo er die Unsterblichkeit als ein Beispiel für etwas Unmögliches erwähnt, das man zwar wünschen, aber sich nicht dafür entscheiden kann.²²⁵ Dagegen läßt sich überall da, wo Aristoteles Aussagen über die Unsterblichkeit des νοῦς als Substanz macht, kein klares, eindeutiges Bild seiner Position gewinnen. In De anima, wird die Frage erörtert, ob die Seele in allen ihren Funktionen mit dem Körper verbunden ist oder ob der νοῦς vom Körper getrennt sei wie das Ewige vom Vergänglichen. Eine provisorische Antwort findet sich, wie wir im ersten Kapitel der Arbeit ausgeführt haben, in De anima III 5. 430 a 17– 25.²²⁶ Danach ist der νοῦς, insoweit er das Intelligible im Wahrgenommenen erfaßt und abstrahiert, absolut getrennt und unvermischt, denn sein Wesen ist zur Gänze Tätigkeit, und nur diese ist unsterblich und ewig.²²⁷ Der Nous kann allerdings losgelöst vom Leib nicht vollständig wirksam sein, da er auf die Zuarbeit der Vorstellung (φαντασία), welche eine körperliche Funktion ist, angewiesen bleibt. Der „getrennte“ Nous, der sogenannte νοῦς ποιητικός, verhält sich zum νοῦς παθητικός wie das allgemeine, unvergängliche Eidos zur individuellen, vergänglichen Materie. Das Eidos kann zwar ohne die jeweilige Materie nicht realisiert werden, aber das ewige und unsterbliche, und somit überlegene, ist das Eidos. Diese wenigen, nur stichwortartigen Ausführungen über den tätigen und unsterblichen νοῦς, die sich bei Aristoteles finden²²⁸ und ein nur ganz ungefähres, lückenhaftes Bild vermitteln von der Position des Aristoteles bezüglich dieses Teiles seiner Theorie über den νοῦς, haben schon in der Antike und dann im Mittelalter und in der Neuzeit zu anhaltenden Spekulationen über das von Aristoteles wirklich Gemeinte in dieser Sache geführt, die ganze Bibliotheken gefüllt haben, mit gravierenden systematischen Konsequenzen für die Geschichte der Metaphysik, Theologie, Erkenntnistheorie und Psychologie. Von größtem Einfluß in der antiken Traditionsgeschichte dieses Problems war Alexander von Aphro-

 EN III 4. 1111 b 22 f.: βούλησις δ’ ἐστὶ τῶν ἀδυνάτων, οἷον ἀθανασίας.  Καὶ οὗτος ὁ νοῦς χωριστὸς καὶ ἀπαθὴς καὶ ἀμιγής, τῇ οὐσίᾳ ὢν ἐνέργεια. ἀεὶ γὰρ τιμιώτερον τὸ ποιοῦν τοῦ πάσχοντος καὶ ἡ ἀρχὴ τῆς ὕλης. τὸ δ’ αὐτό ἐστιν ἡ κατ’ ἐνέργειαν ἐπιστήμη τῷ πράγματι· ἡ δὲ κατὰ δύναμιν χρόνῳ προτέρα ἐν τῷ ἑνί, ὅλως δὲ οὐδὲ χρόνῳ, ἀλλ’ οὐχ ὁτὲ μὲν νοεῖ ὁτὲ δ’ οὐ νοεῖ. χωρισθεὶς δ’ ἐστὶ μόνον τοῦθ’ ὅπερ ἐστί, καὶ τοῦτο μόνον ἀθάνατον καὶ ἀίδιον (οὐ μνημονεύομεν δέ, ὅτι τοῦτο μὲν ἀπαθές, ὁ δὲ παθητικὸς νοῦς φθαρτός)· καὶ ἄνευ τούτου οὐθὲν νοεῖ.  Zum Begriff der Seele bei Aristoteles und zur Unsterblichkeit des „getrennten“ Nous in De anima III 5 siehe meine Ausführungen im 1. Kapitel, 2. Aristoteles, 41 ff. Dort auch Hinweise auf Sekundärliteratur.  Vgl. dazu De gen. an. II 3. 736 b 27– 29; De an. I 4. 408 b 18 f., De an. II 2. 413 b 24 ff.; siehe auch EN X 7. 1177 a 15 f., b 30 ff.

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disias in seinem Kommentar zu De anima. ²²⁹ Die fragmentarische Wendung des Aristoteles, daß der unsterbliche, tätige νοῦς „von draußen“ (θύραθεν) komme, das heißt also seinem Wesen gemäß „draußen“ seinen Ort hat, veranlaßte schon Alexander von Aphrodisias, die individuelle Unsterblichkeit der Seele bei Aristoteles in Abrede zu stellen.²³⁰ Im Zeitalter des Hellenismus, in der Stoa und im Epikureismus begegnet uns der Gedanke der Unsterblichkeit der Seele mehr und mehr in der Attitüde urbaner Aufgeklärtheit. Die alten Stadtstaaten zerfallen und schließen sich zu zivilisatorisch fortschrittlichen Großverbänden zusammen, in denen der Bürger sich primär als Individuum erlebt. Bei Chrysipp und Kleanthes und in der alten Stoa ist allein Gott oder die Physis und mit ihr der Kosmos unsterblich.²³¹ Weil die Seele geworden ist, gilt sie auch als vergänglich,²³² jedenfalls nach der „Weltbrand“ (ἐκπύρωσις).²³³ Gegenstimmen und abweichende Meinungen gibt es durchaus, wie die des Seneca, der die Position vertritt, daß, wenn die Seele den Körper überlebt, sie nicht vernichtet werden kann, weil die Unsterblichkeit eine Ausnahme nicht zuläßt. Das Ewige ist unzerstörbar.²³⁴ Seneca ist sich nicht sicher, ob sie ihn überlebt, für ihn eine Frage ohne Antwort. Für Epiktet ist nur unser Urteil über die Dinge und Ereignisse frei und unsterblich.²³⁵ Nach Epikur kommt allein den Göttern Unsterblichkeit zu,²³⁶ nicht der Seele.²³⁷ Die Einsicht, daß der Tod uns nichts angeht, weil wir ihn nicht wahrnehmen, läßt das Streben nach Unsterb-

 Alexander von Aphrodisias: In De an., Hrsg. I. Bruns, CAG Suppl. 2 (1887) 108, 26 – 109. Siehe Anm. 59 im 1. Kapitel, 2. Aristoteles.  Diese Verneinung der individuellen Unsterblichkeit der Seele führte in der arabischen Philosophie des Mittelalters zur Theorie des Monopsychismus. Vgl. P. Merlan, Monopsychism, mysticism, metaconsciousness, Den Haag 1963.  Chrysipp, Frg. 1021. SVF 2. 305.  Chrysipp, Frg. 774. SVF 2. 217: διὸ καὶ σῶμα εἶναι [scil. τὴν ψυχήν] καὶ μετὰ τὸν θάνατον ἐπιμένειν· φθαρτὴν δὲ ὑπάρχειν. („sie [scil. die Seele] ist Körper und bleibt nach dem Tod, aber sie ist vergänglich“.)  Zur Seelenlehre bei den Stoikern siehe z. B. A. A. Long, „Stoic Psychology“, in: K. Algra/J. Barnes/J. Mansfeld/M. Schofield (Hrsgg.), The Cambridge History of Hellenistic Philosophy, Cambridge 1999, 560 – 584.  Seneca, Epist. 57, 9: si superstes est corpori, propter quod non perit, proteri illum nullo genere posse, quoniam nulla immortalitas cum exceptione est nec quicquam noxium aeterno est („wenn sie [sc. die Seele] den Körper überlebt, weil sie nicht vergeht, kann sie auf keine Weise vernichtet werden, da ja keine Unsterblichkeit mit Ausnahme besteht und nichts der Ewigkeit schädlich ist.“ Übers. M. Rosenbach)  Epiktet, Diss. 4, 5, 28.  Siehe Diog. Laert. X 139.  Siehe hierzu G. B. Kerferd, „Epicurus’ Doctrine of the Soul“, Phronesis 16, 1971, 80 – 96.

3 Der religiöse Unsterblichkeitsgedanke im griechisch-römischen Paganismus

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lichkeit schwinden.²³⁸ Von unsterblicher Natur sind nur die Atome, wie Lukrez sagt, der gegen die Unsterblichkeit der Seele argumentiert.²³⁹ Diese Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Themas der Unsterblichkeit der Seele in Stoa und Epikureismus bleiben für die griechische und römische Antike generell charakteristisch überall da, wo es nicht um den Volksglauben und die populären religiösen Riten wie Totenopfer und andere institutionelle religiöse Verhaltensformen geht, sondern um die Meinungsmuster der elitären Minderheiten, die auch, wenn sie in Schriften publiziert wurden, ja weit davon entfernt waren, die breiten Volksmassen zu erreichen, was auch gar nicht in ihrer Absicht lag und außerdem durch objektive soziale Faktoren wie fehlende Bildung, Analphabetismus, Geldmangel, Unkenntnis des literarischen Lebens, Distanz zu den herrschenden, tonangebenden Kreisen und so weiter im allgemeinen unmöglich war. Auch der mittels seines zielstrebig geknüpften Netzwerkes öffentlicher und privater Kommunikation so außerordentlich erfolgreiche Cicero orientierte sich selbstverständlich nur an einer einflussreichen gesellschaftlichen Minorität, auch da, wo er ostentativ, zum Beispiel in seinen Reden, großsprecherisch das Gegenteil behauptet und sich an das ganze Volk, den populus Romanus, zu wenden vorgibt. Das ist rhetorische Kosmetik, Instrument der Einschüchterung seiner Gegner, und wird von heutigen Lesern und Interpreten bezüglich seines Realitätsgehaltes überschätzt. Das alles ändert freilich nichts daran, daß er im Rahmen der Philosophiegeschichte der wichtigste und bedeutendste Vermittler der griechischen Philosophie an die römische Welt gewesen ist, dem auch die Übersetzung der griechischen philosophischen Begriffssprache ins Lateinische weitgehend zu verdanken ist, mit größtem Einfluß auf das Lateinische Mittelalter und die frühe Neuzeit.²⁴⁰ Aber nun zurück zu unserem Thema, zu dem auch Cicero sich zu Wort gemeldet hat. Im Traum des Scipio (Somnium Scipionis) übersetzt Cicero den Unsterblichkeitsbeweis aus Platons Phaidros. Dabei übersetzt er ἀθάνατον mit aeternum. ²⁴¹ In den Tusculanae disputationes überliefert uns Cicero auch An-

 Siehe Epikur, Epist. ad Menoeceum 124. Zur Natur und Konstitution der Seele bei Epikur siehe z. B. C. Gill, „Psychology“, in: J. Warren (Hrsg.), The Cambridge Companion to Epicureanism, Cambridge 2009, 125 – 141.  Lukrez, De rerum natura III 417– 829. Vgl. P. Boyancé, „La théorie de l’âme chez Lucrèce“, in: C. J. Classen (Hrsg.), Probleme der Lukrezforschung, Hildesheim/Zürich/New York 1986, 131– 150.  Vgl. W. Görler, Cicero, in: Ueberweg. Grundriss der Geschichte der Philosophie. Philosophie der Antike 4: Hellenistische Philosophie, hrsg. v. H. Flashar, Basel 1994, 1104– 1118.  Cicero, De re publica VI 25 f.

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sichten anderer über Unsterblichkeit in doxographischem Stil.²⁴² Seine eigene Stellungnahme zu dem Problem ist diffus. Einerseits läßt er sich vom consensus omnium-Argument leiten und von dem Konsens der Völker (consensus gentium), die die Stimme der Natur (vox naturae) seien, die sage, daß die Seelen der Menschen fortdauern (sic permanere animos).²⁴³ Andererseits meint er, die Autorität (auctoritas) Platons allein würde genügen, auch ohne Begründung.²⁴⁴ Außerdem erkenne die Seele in einem Akt der Selbstwahrnehmung, daß sie sich bewege, und damit in eins erkenne sie ihre Ewigkeit (aeternitas).²⁴⁵ Jedes einzelne Argument und alle zusammen machten deutlich, daß die Seele göttlich und deswegen ewig sein müsse.²⁴⁶ Natürlich „beweist“ dieses Florilegium der Meinungen gar nichts, und man hat den Eindruck, Cicero wolle sich selbst Mut zusprechen, um zu einer positiven Auffassung in dieser ihm im Grunde doch lästigen Angelegenheit zu kommen, die wohl eher den Skeptiker Cicero auf den Plan zu rufen geeignet war. Im Neuplatonismus der Spätantike ist die Behandlung des Themas erkennbar ein fester Topos. Plotin übt in seiner Schrift über die Unsterblichkeit der Seele Kritik an der Stoa und an Aristoteles und gebraucht die Lehre von der Wesensgleichheit mit dem Göttlichen und die Lehre von der Selbstbewegung der Seele als Argument für deren Unsterblichkeit.²⁴⁷ Porphyrios verteidigt die Unsterblichkeit der intellektuellen Seele.²⁴⁸ Simplikios ist auf der Suche nach einem Kompromiß: die Seele sei „ungeworden“ (ἀγένητος) und „unsterblich und bleibend“ (ἀθάνατος καὶ μόνιμος), insoweit sie in sich selbst bleibe, geworden aber, insoweit sie sich mit dem Werdenden verbinde.²⁴⁹ Er folgt dem im Neuplatonismus weit verbreiteten Schema, zu demonstrieren, daß Platon und Aristoteles übereinstimmen, auch in der Lehre über die Unsterblichkeit.²⁵⁰

 Cicero, Tusc. I 17. Vgl. dazu A. J. Kleijwegt, „Philosophischer Gehalt und persönliche Stellungnahme in Tusc. I 9 – 81“, Mnemosyne 19, 1966, 359 – 388.  Cicero, Tusc. I 36.  Cicero, Tusc. I 49.  Cicero, Tusc. I 55.  Cicero, Tusc. I 66: divinum ob eamque rem aeternum sit necesse est.  Plotin, Enn. IV 7 [2].Vgl. H. J. Blumenthal, Plotinus’ Psychology, Den Haag 1971; E. Emilsson, „Plotinus and Self-Body Dualism“, in: S. Everson (Hrsg.), Psychology Companions to Ancient Thought, Cambridge 1991, 148 – 165; D. Caluori, Plotinus on the Soul, Oxford 2015.  Vgl. A. Pletsch, Plotins Unsterblichkeit und ihre Rezeption bei Porphyrios, Stuttgart 2005. Zur Seelenlehre bei Porphyrios siehe auch W. Deuse, Untersuchungen zur mittelplatonischen und neuplatonischen Seelenlehre, Wiesbaden 1983, 129 – 230.  Simplikios, In lib. De an., Hrsg. M. Hayduck. CAG 11 (1882) 89, 35 – 90, 27; 219, 32– 220, 26.  Vgl. G. Karamanolis, Plato and Aristoteles in Agreement? Platonists on Aristotle from Antiochus to Porphyry, Oxford 2006, insbes. 113 f., 166 f., 291 ff..

3 Der religiöse Unsterblichkeitsgedanke im griechisch-römischen Paganismus

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Proklos unterscheidet zwischen unsterblich und ewig (ἀίδιον). Wie sich das Seiende zum Leben verhalte, so das Ewige zum Unsterblichen.²⁵¹ Es wird eine Hierarchie der Unsterblichkeit proklamiert, bestehend aus den Gestirnen, den Einzelseelen, den Dämonen und an der Spitze das Göttliche, das als das Leben selbst (αὐτοζωή) und als Ursache der Unsterblichkeit definiert wird.²⁵² Proklos liefert auch bei dem Thema der Unsterblichkeit im wesentlichen eine Summe des neuplatonischen Schulgutes, deren Einfluß auf das mittelalterliche Denken beträchtlich war. Mit Johannes Philoponos im 6. Jahrhundert meldet sich noch eine Stimme des Neuplatonismus zu Wort, die insoweit für die weitere Entwicklung besonders wichtig ist, als sie um den Ausgleich von Philosophie und christlichem Dogma bemüht ist. Er lehrt, daß nur der Geist, die Vernunftseele ewig sei, also der νοῦς, und damit meint er im Gegensatz zu Alexander von Aphrodisias den Geist in uns und nicht den von außen (θύραθεν). Die nichtvernünftige Seele ist nach Johannes Philoponos das Prinzip des Lebens, daher unsterblich, aber nicht ewig.²⁵³ Johannes Philoponos war Schüler des Neuplatonikers Ammonios Hermeiou in Alexandreia und verfaßte Kommentare vor allem zu Werken des Aristoteles. Die ältesten Ausprägungen des Glaubens des Menschen an seine persönliche Fortdauer über den Tod hinaus sind die Manenverehrung, der Totemismus, die Lehre von der Seelenwanderung oder die bei den Griechen und den alten Hebräern verbreitete Vorstellung von einem Schattenreich (griech. Hades; hebr. Scheol), einer Erweiterung der Vorstellung vom Grab als dem Aufenthaltsort der Toten. Das spätere Judentum betrachtete ein Wiedererwachen zu wirklichem Leben als bedingt durch eine Wiedererweckung des gestorbenen Leibes. Die griechische Philosophie seit Platon entwickelte die Vorstellung der Unsterblichkeit im Sinne einer leiblosen Seelenfortdauer. Die in späterer Zeit aus dem Judentum ins Christentum übergegangene kirchliche Auferstehungslehre trat unter dem Einfluß der Aufklärungsphilosophie des 18. Jahrhunderts wieder mehr hinter die platonisch verstandene Vorstellung der Unsterblichkeit zurück. Vollends der Einfluß der Philosophie Hegels führte wieder zu der Lehre, daß der Geist die wahre Substanz alles Daseins sei, allerdings mit der Tendenz, die Vorstellung von der Fortdauer des Individuums aufzugeben und eine Rückkehr des individuellen Geistes in das Allgemeine zu fordern, womit man sich wieder in eine größere Nähe hin zum Aristotelismus in der Tradition von Alexander von Aphrodisias und Avicenna bewegte.

 Proklos, Instit. theol. 105.  Siehe Theol. plat. I 26, Hrsg. H. D. Saffrey, L. G. Westerink, 1, Paris 1968, 116 – 118.  Joh. Philoponos, In De an., Hrsg. M. Hayduck. CAG 15 (1897) 541, 5 – 17; 537, 1– 8.

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Die Skizzierung der Entwicklung der religiösen Unsterblichkeitslehre in der Zeit nach Hegel, insonderheit im Protestantismus, im Katholizismus und im Orthodoxen Christentum gehört nicht mehr zum Themenbereich dieser Arbeit. Unser Überblick über den religiösen Unsterblichkeitsgedanken im griechisch-römischen Paganismus hat hier nur die Funktion, folienartig den metaphysischen Hintergrund kenntlich zu machen, vor dem sich der Unsterblichkeitsgedanke im antiken Christentum zu profilieren hatte. Festzuhalten ist, daß es bei der Vorstellung von der Unsterblichkeit um die Negation der Endlichkeit des Lebens geht, das heißt um die Überwindung des Todes als absolutem Ende. Platon entwickelt als erster nach dem Unsterblichkeitsglauben der Orphik eine Theorie der individuellen Unsterblichkeit, dabei einen Leib-Seele-Dualismus voraussetzend, der den Leib als Gefängnis der Seele interpretiert. Für Platons Erkenntnistheorie ist seine Unsterblichkeitslehre von konstitutiver Bedeutung gewesen, insoweit er von apriorischen Erkenntnissen ausgeht, die die immaterielle Seele in ihrer Präexistenz geschaut hat. Für Aristoteles entfällt diese Annahme; für ihn ist nur die überindividuelle Seele, die in ihrer Funktion nicht an ein leibliches Organ gebunden ist, unsterblich. Die Epikureer verneinen die Möglichkeit menschlicher Unsterblichkeit. Wie wir noch sehen werden, bewegte sich das frühe Christentum in seiner Auffassung von der Unsterblichkeit der Seele begrifflich im Horizont des spätantiken Neuplatonismus, ohne dabei die Kernaussagen der Botschaft des Neuen Testamentes zu beschädigen. Unvermeidlicherweise aber ging damit in bezug auf die Bedeutung der klassischen griechischen Begriffe von Ehre, Ruhm, Ansehen und weitere Teile der überlieferten heidnischen antiken Wertewelt eine Verwandlung vor sich, die für die Vorstellungswelt auch des Unsterblichkeitsgedankens von einschneidenden Folgen war und insonderheit den Themenbereich der irdischen Unsterblichkeit betraf.

4 Die Umprägung des Ruhmesgedankens durch das Christentum Eine von den besten nach meiner Kenntnis und zugleich kürzeren Einführungen in die Ursprungsgeschichte des Christentums ist die Darstellung von Rudolf Bultmann in seinem Buch „Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen“, die ich hier zitieren möchte. „Das Urchristentum ist aus der Jüngerschaft Jesu herausgewachsen, die ihren Meister, nachdem er durch den römischen Prokurator Pontius Pilatus am Kreuz hingerichtet worden war, als den Auferstandenen geschaut hatte. Ihr Glaube, daß Gott ihn von den Toten erweckt habe, bedeutete für sie zugleich die Gewißheit,

4 Die Umprägung des Ruhmesgedankens durch das Christentum

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daß er von Gott in die himmlische Herrlichkeit erhöht und zur Würde des „Menschen“ erhoben worden sei, der demnächst auf den Wolken des Himmels kommen werde, um die Gottesherrschaft aufzurichten. Die ständig wachsende Gemeinschaft derer, die sein Kommen erwartet, weiß sich als die durch ihn berufene Gemeinde der Endzeit, als die Gemeinde der „Heiligen“ und „Auserwählten“, als das wahre Gottesvolk, für das jetzt die Verheißungen in Erfüllung gehen, als das Ziel und Ende der Heilgeschichte Israels.“²⁵⁴ Mit dem Eintritt des Christentums in die Geschichte beginnt etwas Neues, bisher nie Dagewesenes, die antike Welt Veränderndes und Zukunft Vorbereitendes. Es entsteht ein Bewußtsein der Weltüberlegenheit aus dem Bewußtsein der Nichtigkeit der Welt, die Jesus Christus durch seinen Opfertod am Kreuz überwunden hat. Aus diesem Bewußtsein folgt ein Bewußtsein der Unabhängigkeit von der Welt, und daraus folgt die große Gleichgültigkeit gegenüber allem, was in ihr ist, auch gegenüber sozialen und politischen Verhältnissen. Dem Staat gegenüber soll man seine Pflicht tun, aber man übernimmt keine Verantwortung und keine Aufgaben als Bürger im Leben der Gesellschaft, denn man ist ja, was viel wichtiger erscheint, Bürger im Himmel.²⁵⁵ Das Ziel ist kein revolutionärer Wandel, vielmehr „jeder bleibe in dem Stand, in dem er berufen worden ist“.²⁵⁶ Die negative Einstellung zur Welt findet seinen Ausdruck in einer Neigung zur Askese. Sogar die Ehe nennt Paulus ein notwendiges Übel und sieht in der Ehelosigkeit einen Vorzug. Zu allem, was das innerweltliche Erleben betrifft, legt Paulus eine gewisse betonte Distanz an den Tag, die ausdrücken soll, daß eigentlich in der aktuellen Naherwartung des Weltendes nur das Eine nottut, nämlich die angemessene Vorbereitung auf das Leben nach dem Tod: auf das Leben im Jenseits, im Himmel. Jesus mahnt: „Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, wo Motte und Rost zerstört, und wo Diebe durchgraben und stehlen; sam-

 R. Bultmann, Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen, Zürich 1949, 195. Aus der Fülle der Sekundärliteratur zum Thema des Urchristentums und seiner Geschichte vergleiche M. Clauss, Ein neuer Gott für die alte Welt. Die Geschichte des frühen Christentums, Berlin 2015; M. Öhler, Geschichte des frühen Christentums, Göttingen 2018; U. Schnelle, Die ersten 100 Jahre des Urchristentums 30 – 130 n.Chr. Die Entstehungsgeschichte einer Weltreligion, Göttingen 2015; E. Schnabel, Urchristliche Mission, Wuppertal 2002; F. Vouga, Geschichte des frühen Christentums, Tübingen/Basel 1993; siehe auch J. Becker (Hrsg.), Die Anfänge des Christentums. Alte Welt und neue Hoffnung, Stuttgart 1987; W. Schneemelcher, Das Urchristentum, Stuttgart 1981; ferner H. Leppin, Die frühen Christen, München 2018; K. Berger, Die Urchristen, München 2008.  Vgl. Philipper 3, 22– 25. Die Zitate der Bibel (Altes und Neues Testament) entstammen folgenden Ausgaben: Die Heilige Schrift. Aus dem Urtext übersetzt, Verlag Brockhaus, Elberfeld 1920. Novum Testamentum. Graece et Germanice, curavit Eberhard Nestle, 27. Aufl., Stutgart 1993 (1898).  1. Korinther 7, 20 – 21: ἕκαστος ἐν τῇ κλήσει ᾗ ἐκλήθη, ἐν ταύτῃ μενέτω.

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melt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost zerstört, und wo Diebe nicht durchgraben und stehlen; denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein“.²⁵⁷ Solche Ethik impliziert keine Aufforderung zum Erwerb unsterblichen Ruhmes oder überhaupt den Willen zur Begründung eines Erinnertwerdens in einer zukünftigen Welt von nachfolgenden Generationen. Denn die schon für die nahe Zukunft erwartete Wiederkehr des Herrn und Erlösers Jesus Christus als Richter über Gerechte und Ungerechte und das herbeigesehnte bevorstehende baldige Ende dieser irdischen Welt lassen im Bewußtsein der ersten christlichen Gemeinden den Gedanken an eine irdische Unsterblichkeit gar nicht aufkommen. Diese Gemeinden sehen ja ihr Heil allein in einem Leben im Jenseits, erhöht durch die Gegenwart des lebendigen Gottes. Zumindest gilt das für die ersten Generationen von Christen, bis die christlichen Gemeinden sich schließlich in dieser Welt einzurichten gezwungen werden, weil sich sobald die Erwartung der Wiederkehr des Herrn nicht erfüllt; ganz abgesehen davon, daß die soziale Zusammensetzung der ersten christlichen Gemeinden sich mehrheitlich aus den unteren Schichten der Gesellschaft rekrutierte, die andere Sorgen zu haben pflegen (daran hat sich bis heute nichts geändert) als an ihre Erinnerung in der Nachwelt, das heißt an ihre individuelle irdische Unsterblichkeit zu denken. Als Beweis dafür kann gelten, daß der Gräberkult auch in der Antike im allgemeinen erst ab einer bestimmten sozialen Schicht archäologisch als gesellschaftliches Statussymbol nachweisbar ist. Aber auch im aufkommenden Christentum erweist sich der menschliche Wille, über den Tod hinaus in dieser irdischen Welt nicht ganz vergessen zu werden, schließlich und im Laufe der Zeit als stärker und erschien doch letzten Endes durchaus vereinbar zu sein mit der christlichen Sehnsucht, im Himmel inmitten der Gerechten einen Platz in ewiger Seligkeit einzunehmen. Wie fand dieser nicht unterdrückbare Wille im antiken Christentum seinen spezifischen Ausdruck? Das ist der Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung. Der am besten passende Ausgangspunkt für das Nachfolgende ist wohl der Begriff der Welt. Er bezeichnet allgemein in jeder Sprache die Gesamtheit aller Dinge. Die griechisch-römische Antike versteht darunter den in sich abgeschlossenen Kosmos, der entweder, wie im Platonismus und in der Stoa, finalistisch von einer Weltseele geordnet ist oder, wie im Aristotelismus, jedenfalls anfänglich, auf einen unbewegten Beweger hin konstruiert erscheint, der die Welt bewegt, oder, wie bei den Atomisten wie Demokrit, als die Summe aller kausal wirksamen  Matthäus 6, 19 – 22: Μὴ θησαυρίζετε ὑμῖν θησαυροὺς ἐπὶ τῆς γῆς, ὅπου σὴς καὶ βρῶσις ἀφανίζει, καὶ ὅπου κλέπται διορύσσουσιν καὶ κλέπτουσιν· θησαυρίζετε δὲ ὑμῖν θησαυροὺς ἐν οὐρανῷ, ὅπου οὔτε σὴς οὔτε βρῶσις ἀφανίζει, καὶ ὅπου κλέπται οὐ διορύσσουσιν οὐδὲ κλέπτουσιν· ὅπου γὰρ ἐστιν ὁ θησαυρός σου, ἐκεῖ ἔσται καὶ ἡ καρδία σου.

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Massenteilchen aufgefaßt wird. Darüber hinaus wird differenziert zwischen einer geistigen Welt (κόσμος νοητός) und einer Sinnenwelt (κόσμος αἰσθητός), so jedoch, daß die geistige Welt der Ideen gegenüber der Dingwelt als transzendent und gleichwohl als Teil des Kosmos als des Weltganzen gedacht wird. Mit dem Neuplatonismus und der Theologie der Kirchenväter wird das insoweit erkennbar anders, als jetzt deutlicher als vorher außerweltliche Referenzpunkte eingeführt werden, die der Welt als Ganzes gegenüberstehen, wie das transzendente Prinzip des Einen bei Plotin und Proklos oder wie die Voraussetzung eines Schöpfergottes wie bei Augustinus. Für den ehemals universalen Begriff der Welt bleibt danach nur noch der Bereich der Diesseitigkeit mit seiner Endlichkeit und Vergänglichkeit, der sich von dem Bereich ewigen Seins, der ohne Wandel und Vergänglichkeit ist, ontologisch auch in dem Sinne grundlegend unterscheidet, als er von letzterem allererst hervorgebracht und begründet wird. Diese Lehre von den sogenannten zwei Welten nimmt schon in der vorchristlichen antiken Philosophie, insonderheit im Platonismus, immer konkretere Gestalt an, nachdem bereits bei Platon selbst im Kontext seiner Ideenlehre die Unterscheidung zwischen vergänglichem und unvergänglichem Seienden in diese Richtung weist und Aristoteles deshalb im Hinblick auf die Platonischen Ideen von einer Verdoppelung der Welt im Sinne eines Systemfehlers spricht, den er, Aristoteles, allerdings nur scheinbar, um den Preis offen gelassener Fragen und ungelöster Probleme, vermeidet. Die Lehre von den zwei Welten in der philosophischen Überlieferung der Antike findet ihre Entsprechung in der Zwei-Reiche-Lehre der religiösen Tradition, besonders ausgeprägt in der Spätantike, und auch in der sich formierenden Theologie des frühen Christentums ist sie ein fester Topos, in der Sache anknüpfend an die nach herrschender Meinung aus dem Iranischen stammenden Vorstellung des αἰών, einer unbegrenzter Zeit im Sinne von Ewigkeit. Platons Unterscheidung von αἰών und χρόνος und Heraklits Ansatz gehören in diesen Zusammenhang. Jedenfalls geht die Forschung heute von einer Verschmelzung der orientalischen Aionvorstellung mit griechischen Auffassungen aus, und die hellenistischen Jahrhunderte sind allgemein von der Aionvorstellung bestimmt. Das Prädikat αἰώνιος findet seine charakteristische Verwendung sowohl im Isisund Mithraskult als auch im römischen Kaiserkult. In Anknüpfung an neuplatonischen Lehrstücke wird der Aion in die Schichtenlehre der Kosmogonie eingebaut und zwar so, daß der Gott den Aion schafft, das heißt die ewige Zeit, der Aion schafft den Kosmos, der Kosmos den Chronos und der Chronos die Welt des Entstehens und Vergehens, so bezeugt im Corp. Herm. II 2. In der jüdischen und der urchristlichen Apokalyptik stehen sich „dieser Aion“, das heißt der dem Ende nahe Aion, und der „kommende Aion“ dualistisch als zwei Welten gegenüber. Der

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böse Herrscher „dieses Aions“ (2. Korinther 4, 4) wird gelegentlich selbst Aion genannt (Epheser 2, 2). Der „kommende Aion“ ist gemäß der Verkündigung des Neuen Testamentes, ganz zentral in der synoptischen Tradition der Evangelien, das Reich Gottes, die Herrschaft Gottes. Diese Vorstellung hat ihre Voraussetzung im antiken Judentum, im Königtum Gottes, wovon das Alte Testament zeugt. Das Verständnis des Reiches Gottes ist in Anknüpfung an die jüdische Tradition ein eschatologisches, das heißt als ein in naher Zukunft bevorstehendes Ereignis: es ist „nahe herbeigekommen“.²⁵⁸ Jesus geht in seiner Verkündigung von der Apokalyptik aus, das heißt von der Botschaft, die den Weltlauf deutet und das bevorstehende Weltende ankündigend enthüllt. Diese Lehre von den letzten Dingen, die Eschatologie, handelt vom Ende der Welt, der Auferstehung der Toten, dem Jüngsten Gericht und vom Reich Gottes auf Erden. Im Mittelpunkt dieser Botschaft steht die Offenbarung der großen, radikalen Wende von der ihrem Ende zueilenden Welt hin zu dem neuen Aion, mit der Vorausschau auf die Wiederkehr, die Parusie des Menschensohnes, Christus, und dessen Sieg über den Antichrist, sowie das Gericht Gottes und das Gottesreich: d.i. der Ablauf der Weltgeschichte nach dem Plan Gottes. Und dazu eine Ethik der Berufenen; denn es muß sich bewähren, wer berufen ist, in das Reich Gottes einzugehen, auch wenn der Weg dorthin durch das Leiden der Verfolgung, durch das Martyrium und durch den Tod hindurchführt. Der verheißene Lohn wiegt alle Leiden hieniden auf: das ewige Leben im Reich Gottes, an der Seite Gottes, an dessen Herrschaft sie, die Erwählten, teilnehmen werden, an einer Herrschaft im Modus des Dienens.²⁵⁹ Nach der Drangsal der letzten bösen Zeit, des untergehenden Aions dieser Welt, steht die Herrlichkeit.²⁶⁰ Sie sind für immer angekommen am Ort der Unsterblichkeit, der allein wahren Unsterblichkeit, die Bestand hat im Angesicht des ewigen Gottes ihres Glaubens. Es ist eine historische Tatsache, daß die Apokalyptik, das heißt die Deutung der Ereignisse im Hinblick auf das nahe Weltende, die Christen in den grausamsten Verfolgungen standhaft machte und ihnen die Kraft zum Erdulden der schmerzhaftesten Leiden gab. Sie waren erfüllt von der Hoffnung, bald bei ihrem erhöhten Herrn und Heiland zu sein, denn das Gottesreich stand ihnen offen, und da würden sie mit dem wahren Herrn thronen und über ihre jetzigen, irdischen

 Siehe Markus 1, 15: ἤγγικεν ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ. Vgl. Lukas 10, 9; Matthäus 10, 7.  Siehe Offenbarung 22, 3 – 5: καὶ ὁ θρόνος τοῦ θεοῦ καὶ τοῦ ἀρνίου ἐν αὐτῇ ἔσται, καὶ οἱ δοῦλοι αὐτοῦ λατρεύσουσιν αὐτῷ, καὶ ὄψονται τὸ πρόσωπον αὐτοῦ, καὶ τὸ ὄνομα αὐτοῦ ἐπὶ τῶν μετώπων αὐτῶν. καὶ νύξ οὐκ ἔσται ἔτι, καὶ οὐκ ἔχουσιν χρείαν φωτὸς λύχνου καὶ φωτὸς ἡλίου, ὅτι κύριος ὁ θεὸς φωτίσει ἐπ’ αὐτούς, καὶ βασιλεύσουσιν εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων.  Vgl. z. B. Apostelgeschichte 14, 22: διὰ πολλῶν θλίψεων δεῖ ἡμᾶς εἰσελθεῖν εἰς τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ. Vgl. auch Markus 13, 19 ff.

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Verfolger zu Gericht sitzen. Solche zukünftige Herrlichkeit wurde ihnen verheißen, zum Beispiel 1. Petrus 1, 10 ff., himmlische Geheimnisse würden sie schauen und durch die Kraft des Heiligen Geistes zu großen Dingen ermächtigt. Die erstaunlich zügige Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, lange noch bevor es eine zentrale christliche Instanz wie später Rom gab, ist ohne die alle Gläubigen erfüllende lebendige Hoffnung auf das kommende Reich des Erlösers, in dem sie, die Auserwählten, an bevorzugter Stelle ihren Platz einnehmen würden, gar nicht denkbar. In dem Bewußtsein einer unvergleichlichen Weltüberlegenheit meisterten sie die ihnen im Grunde ihres Herzens ferngerückten Aufgaben des Alltagslebens, die im Licht der verheißenen Ewigkeit des Reiches Gottes sich für sie entsubstanzialisierten. Nach dem Ausbleiben der Parusie, der baldigen Wiederkehr des Herrn, entwickelte sich aus der Bitte um das Kommen des Reiches Gottes²⁶¹ das sehnsüchtige Rufen nach dem Herrn in Gestalt der aramäischen Formel „Maranatha“ (d. h. der Herr kommt oder komme), das die Parusieverzögerung als Problem zur Voraussetzung zu haben scheint.²⁶² Endlich, nach langer Zeit vergeblichen Wartens, daß sich der Himmel öffnete und der Herr wieder erscheine, suchte man Trost in dem Gedanken, daß vor Gott tausend Jahre gelten wie ein Tag.²⁶³ Aber die hoffnungsvolle Erwartung wurde nicht aufgegeben. Bei allem Synkretismus in den spätantiken religiösen Strömungen, die den Eintritt des Christentums in die Geschichte begleiteten, ist das historische Faktum unübersehbar, daß das Christentum etwas Neues in die Welt gebracht hat, das die Stellung des Menschen in dieser Welt von Grund auf veränderte, und das betraf in erster Linie die Auffassung der Seele sowie das Verständnis des menschlichen Lebens und Todes und betraf selbstverständlich auch die Wertewelt und damit auch die Einschätzung von Ehre und Ruhm als Modi individueller Unsterblichkeit. Alles wurde anders, seitdem der allmächtige christliche Gott als der absolute Liebeswille und als der Herr der Geschichte immer allgemeinere Anerkennung fand; für viele war dieses Ereignis auch die Verwirklichung der religiösen Tendenzen des jüdischen Prophetentums. In Jesus von Nazareth als der Christus trat Gott, der Herr der Weltgeschichte, selbst in die Geschichte ein. Durch dieses Geschehnis wurde alles neu und besonders das Verhältnis zwischen Gott und der Welt. Das ist die wesentliche Botschaft Jesu, seines Kerygmas. Die Herrschaft Gottes, von der Jesus kündet, ist keine Gewaltherrschaft, sondern erlösende Herrschaft, weil hinfort die Sünde nicht gerächt, sondern vergeben wird.

 Matthäus 6, 10: ἠλθάτω ἡ βασιλεία σου et passim.  Vgl. 1. Korinther 16, 23: μαρὰν ἀθά.  2. Petrus 3, 8: μία ἡμέρα παρὰ κυρίῳ ὡς χίλια ἔτη καὶ χίλια ἔτη ὡς ἡμέρα μία.

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Damit öffnet sich der Weg der Menschen in ein neues ewiges Leben, weil die, die an den Gott glauben, den Christus verherrlicht, Teil des neuen Gottesvolkes sind, in dem Gottes Wille mächtig ist in dem gemeinsamen Wirken, dessen Ziel ein Reich Gottes ist. Daran mitzubauen und an seiner Errichtung mitzuwirken, ist das höchste Ziel aller, in denen der Wille Christi wirksam ist. Der lebt ein Leben in der Gemeinschaft mit Gott, der sich von dem Willen zum Reich Gottes beherrschen läßt und so Gott zu dienen mit dem, was er tut und läßt. Die Ethik des Neuen Testamentes ist erfüllt von diesem Grundgedanken. Aber der Christ befindet sich in einem tiefen existentiellen Dilemma, das sein ganzes Dasein bestimmt. Das betrifft sein Verhältnis zur Welt und zum Staat. Denn zum einen gilt ihm die Welt als die Manifestation des Bösen und als große Widersacherin der Kirche, zum anderen muß der Christ in dieser Welt, wie sie ist, leben und den Gesetzen des Staates und der Obrigkeit gehorchen. Die Ermahnungen Jesu und der Apostel gehen dahin, daß der Christ sich in seinem Innern freihalten möge von der Welt und ihrer dem Bösen verfallenen Gesinnung, daß er sich aber den Ordnungen der Welt und als Bürger den Gesetzen des Staates fügen soll, wiewohl er ein Bewußtsein davon haben soll, wo die für ihn wahre Ordnung zu finden ist. Denn die Zeit drängt, sie ist kurz, und die Gestalt dieser Welt vergeht.²⁶⁴ Wer in Christus auferstanden und erlöst ist von dem Bösen, der richte seinen Sinn auf das, was oben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist. Also: „das, was oben ist, suchet, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnet auf das, was oben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist“.²⁶⁵ Diese Einstellung und dieses Verhalten waren inmitten des existentiellen Dilemmas, bedingt durch den Inhalt des christlichen Glaubens einerseits und die politische Gegebenheit des römischen Staates andererseits, die allein sinnvollen und zweckmäßigen Orientierungsmuster, wie der Erfolg und der schließliche Sieg des Christentums über die konkurrierenden antiken Religionsgemeinschaften ja zur Genüge zeigt. Was war nun das eigentlich Neue, das mit der Religion des Christentums in die Erscheinung trat, wenn man dieses Neue auf einen kurzen Nenner zu bringen versucht? Es war zweifellos nicht ein Gedankenkonstrukt nach Art einer Philosophie, ein System der Begriffe, vielmehr war es eine dynamische Bewegung, die aus der Innerlichkeit der Menschen kam, ausgelöst durch eine spontane Bereitschaft zur Liebe des Nächsten, des Mitmenschen, eine affektive Bereitschaft, die sich zugleich als eine bewußte Unterordnung unter den Willen Gottes verstand und damit in der antiken Welt eine so bis dahin unbekannte und unerkannte  1. Korinther 7, 30 ff.: τοῦτο δέ φημι, ἀδελφοί, ὁ καιρὸς συνεσταλμένος ἐστίν (…) παράγει γὰρ τὸ σχῆμα τοῦ κόσμου τούτου.  Kolosser 3, 2– 3: τὰ ἄνω ζητεῖτε, οὗ ὁ Χριστός ἐστιν ἐν δεξιᾷ τοῦ θεοῦ καθήμενος· τὰ ἄνω φρονεῖτε, μὴ τὰ ἐπὶ τῆς γῆς.

4 Die Umprägung des Ruhmesgedankens durch das Christentum

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Einstellung zu den Mitmenschen, zur Welt, zum Leben, zum Tod und zum Sein nach dem Tod, kurz: zu allen den Menschen als Menschen angehenden Bezügen, mit explosiver Kraft freisetzte, wie die darauf folgende weltgeschichtliche Wirkung, die bis heute anhält, beweist. Solange man nicht bereit ist, dieses inmitten der antiken Welt Neuartige als solches anzuerkennen, wird man es selbst und seine geschichtliche Folgewirkung nie begreifen. Die Zeit hatte sich erfüllt, wie es in biblischer Sprechweise heißt. Das bedeutet: eine neue Entwicklungsphase der Menschheit nahm ihren dramatischen Anfang. „Die Zeit ist erfüllet, und das Reich Gottes ist herbeigekommen“.²⁶⁶ Und dieses Neue drängte zur Tat, denn das Neue, das da in die Erscheinung trat, war eine Religion der Erlösung. Diese verkündete Herrschaft Gottes hatte zum Ziel die Errichtung des Reiches Gottes, das in seiner Vollendung die Verwirklichung des Guten und die Überwindung des Bösen sein sollte. Die Geschwindigkeit, mit der sich diese neue Botschaft, das christliche Evangelium, in den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung über die Länder des Mittelmeerraumes ausbreitete, also über die damals bekannte Welt, kann auch aus heutiger Sicht nur damit erklärt werden, daß die Zeit für diese Botschaft reif war. Anders ist diese geistige Erfolgsgeschichte nicht zu erklären. Hier kam eine Weltsicht auf, die es so in der Antike noch nicht gegeben hatte, und die Menschen nahmen sie an wie etwas, auf das sie schon lange, ohne es zu wissen, gewartet hatten. Sie füllte eine Leerstelle im bisherigen antiken Gefüge der Welt- und Lebensanschauungen aus. Man mag das Christentum als Religion ablehnen und der Meinung sein, man bedürfe seiner für seinen eigenen Seelenhaushalt nicht. Das ändert aber überhaupt nichts daran, daß der Eintritt des Christentums in die Geschichte und die Bereitschaft, mit der es von der Menschheit aufgenommen und angenommen wurde, historische Fakten sind, die nur realitätsblinde Fanatiker in Abrede zu stellen geneigt sind. Die Zeit war für diese Botschaft reif, und zwar in einem genau angehbaren Sinne war sie dafür reif: Bei aller Sinnfülle des von ihr Dargebotenen war in dem Weltanschauungsangebot der klassischen Antike eine Lücke geblieben, die im Laufe der Zeit immer stärker als Lücke empfunden wurde. Das war die existentielle Frage nach dem Sinn des menschlichen Lebens, nach Tod und Unsterblichkeit und der Daseinsform nach dem Tod. Die darauf bezogenen Antworten ersehnte man sich in einer für alle verständlichen Sprache des Alltags, verbindlich und bestimmt, nicht in der uneinheitlichen und artifiziellen Sprache der Dichtung und der Philosophie. Die darauf gerichteten elementaren weltanschaulichen Bedürfnisse

 Markus 1, 15: πεπλήρωται ὁ καιρὸς καὶ ἤγγικεν ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ· μετανοεῖτε και πιστεύετε ἐν τῷ εὐαγγελίῳ. Lukas 9, 51: ἐγένετο δὲ ἐν τῷ συμπληροῦσθαι τὰς ἡμέρας τῆς ἀναλήψεως αὐτοῦ et passim.

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Zweites Kapitel: Die individuelle Unsterblichkeit in der Kultur

der breiten Massen waren in der Antike je länger desto mehr unbefriedigt geblieben und stießen nun zum ersten Mal bei den Christen in noch nicht dagewesener Konkretheit auf eine Antwort. Das war in der Tat neu. Es konnte nicht ausbleiben, daß schon bald nach der Verkündigung dieser neuen Lehre in Predigten und in Schriften, Sendschreiben, Briefen etc. das geistige Bedürfnis sich regte, diese neue Lehre auch in allgemeinen Begriffen zu fassen, um sie anderen nahezubringen und zu erklären. Die Begriffswelt des frühen Christentums, in der es sich anfänglich artikulierte und orientierte, war primär die der israelitischen Religion und danach, erst in zweiter Linie, die des Griechentums. So entstand in einem allmählichen Prozeß ein Gedankengefüge, das nach langen inneren und äußeren Auseinandersetzungen das wurde, was sich als die Theologie des Christentums durchsetzte und behauptete, nicht ohne daß es von Zeit zu Zeit immer wieder zu neuen Kämpfen um die Dogmen der Kirche kam, die den Ablauf der Dogmen- und Kirchengeschichte beeinflußten, ja im eigentlichen Sinne ausmachten. An den schriftlichen Zeugnissen des Paulus und Johannes läßt sich das Aufkommen dieser Entwicklung noch gut beobachten, das heißt die Entfaltung der an die Welt zu vermittelnde Botschaft Jesu zunächst im Medium der israelitischen Religion und dann, bereits auf einer neuen Ebene theologischer Reflexion, im Medium der griechischen Begriffswelt. Gleichzeitig mit diesem Prozeß zunehmender Dogmatisierung des Lehrinhaltes und zutiefst mit ihm verwoben entstanden schon in früher Zeit die festen Formen der Lehre und die Institutionen, die der jungen Kirche Struktur und Gestalt gaben und beides, Lehre und Institutionen, überlieferungsfähig machten und damit eine neue Tradition einer neuen Religion dauerhaft begründeten. Was sich da kirchengeschichtlich – und in eins damit in der Geschichte des Geistes – vor unserem historischen Blick in den ersten formativen Jahrhunderten des Christentums abspielte, ist ein in der Geschichte der Menschheit einmaliges dramatisches Geschehen, das noch jeden unvoreingenommenen kritischen Beobachter in Erstaunen und Bewunderung versetzt hat. Denn je länger diese Entwicklung dauerte, desto mehr mußte dieses Geschehen aus sich selbst immer wieder neue und feste geschichtliche Formen hervorbringen, um der bereits geschichtlich gewordenen Tradition jeweils eine neue Zukunft zu sichern. Genau an diesem Problem sind, zum Vergleich, so viele andere historische Bewegungen der Weltgeschichte gescheitert, wie in jüngster Vergangenheit beispielsweise der Faschismus, der nationale Sozialismus und der Kommunismus. Gemessen daran ist die Geschichte des Christentums ein Triumphzug, der nun bereits zwei Jahrtausende anhält, mit allen Wandlungen, Reformationen, Renaissancen, Metamorphosen, Abspaltungen etc. Das ist freilich keine Garantie für die Zukunft. Das wissen wir alle. Aber wo hat es in der von uns überschaubaren Geschichte der Menschheit schon einmal ein solches Phänomen institutioneller Permanenz gegeben? Weltreiche und

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Zeitalter kamen und verschwanden wieder, aber das Christentum in seinen vielen Ausprägungen behauptete sich wie ein Rocher de bronce in der Brandung des Weltgeschehens. Ein in jedem Fall nachdenkenswertes Phänomen, an dem auch wir hier in unserer speziellen Untersuchung, die einem anderen Thema gewidmet ist, nicht einfach achtlos vorübergehen sollten. Der Aufbau von Traditionen ist bekanntlich eine der schwierigsten Aufgaben des Menschen, bezeichnenderweise eine solche, die ihn von den Tieren unterscheidet, die diese Fähigkeit nicht haben, ein Tatbestand, der gerne vergessen wird, wenn über Traditionen gelästert wird.

Drittes Kapitel: Die Furcht vor dem Ende im Nichts und die Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit 1 Die Dialektik von Sterblichkeit und Unsterblichkeit im Judentum und Christentum Die Auferstehungserwartung und der Glaube an die Auferstehung sind geschichtlich gewordene Ereignisse, die wir von dem Augenblick an beobachten und registrieren können, in dem diese Ereignisse in literarischen Dokumenten ihren bleibenden Niederschlag gefunden haben. Der zuerst im Frühjudentum entstandene Auferstehungsglaube und dann in Schriften des Neuen Testamentes dokumentierte Glaube an die Auferstehung Christi ist ein geschichtlicher Prozeß, der sich für uns literarisch nachweisbar in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahrhunderten vollzog, in dem er sich realisierte und wirkungsgeschichtlich seinen Anfang nahm.²⁶⁷ Im Rahmen des altisraelitischen Gottesbildes gibt Gott dem Menschen das Leben und nimmt es ihm auch wieder.²⁶⁸ Es gibt demgemäß hier nur Menschen und Tote. Eine Auferstehung Toter ist folglich kein Thema. Aber durch die Reflexion auf die Allmacht Gottes eröffnet sich auch für Gott der Zugang zum Totenreich.²⁶⁹ Der Vergeltungsgedanke taucht auf und das Endgericht über Gute und Böse mit Lohn und Strafe, und die Projektion irdischer Erfahrungen ins Transzendente eröffnet die Perspektive auf eine jenseitige Welt. Dazu trat der Gedanke von Gottes Gerechtigkeit im Sinne einer Vergeltung im Jenseits, was zur Folge hatte, daß die Toten aus ihrem Totenschlaf erweckt und am

 Vgl. F. Zeilinger, Der biblische Auferstehungsglaube. Religionsgeschichtliche Entstehungheilsgeschichtliche Entfaltung, Stuttgart 2008, 11 ff. Vgl. auch H. E. Lona, Über die Auferstehung des Fleisches. Studien zur frühchristlichen Eschatologie, Berlin 1993; C. W. Bynum, The Resurrection of Body in Western Christianity, New York 1995.  Vgl. H. Schmid, „Tod und Totenreich im AT“, Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 6, 1986, 912– 913. G. Fohrer, Das Geschick des Menschen nach dem Tod im Alten Testament, Berlin/ New York 1981, 188 – 202. Siehe auch A. Grillmeier, „Der Gottessohn im Totenreich. Soteriologische und christologische Motivierung der Descensuslehre in der älteren christlichen Überlieferung“, in: ders. (Hrsg.), Mit ihm und in ihm: Christologische Forschungen und Perspektiven, Freiburg 1978, 76 – 174.  Ansätze dazu finden sich in Jeremia 7, 30 – 8, 3 und Jesaja 66, 24. https://doi.org/10.1515/9783110753691-005

1 Sterblichkeit und Unsterblichkeit im Judentum und Christentum

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Tag der Weltenwende, am Tag Gottes, ihrer gerechten Strafe oder gerechten Belohnung in einer endzeitlichen Rechtsprechung zugeführt wurden.²⁷⁰ Die Überzeugung, daß die Leben schaffende Macht Gottes auch über den Tod hinaus Gerechtigkeit bewirkt, hat einen Niederschlag im 2. Makkabäerbuch gefunden.²⁷¹ Die Geschichte des Martyriums der makkabäischen Brüder und ihrer Mutter²⁷² lehrt, daß Gottes Treue auch diejenigen nicht im Tod verläßt, die ihm in ihrem Leben die Treue gehalten haben. Diese Überzeugung setzt bereits die Auferweckung der Toten voraus, denn sie ist Teil der endzeitlichen Neuschöpfung, die von der Apokalyptik vorausgesetzt wird. Das vor allem die Aussagen der makkabäischen Mutter.²⁷³ Aber auch die Überzeugung, daß durch Sühneopfer und Gebete die Sünden Verstorbener gesühnt werden können und ihnen dadurch die Möglichkeit der Auferstehung zum Leben eröffnet wird, postuliert einen Zwischenzustand, in dem sich die Verstorbenen bis zu ihrer Auferstehung befinden. Einen großen Sprung in Richtung auf künftige Unvergänglichkeit vollzieht sich im Buch der Weisheit Salomons.²⁷⁴ Dieses in der ägyptisch-hellenistischen Diaspora, wahrscheinlich in Alexandria, entstandene Buch zeugt von einem bedeutenden theologischen Denker als Verfasser, der alttestamentliche und hellenistische Denktraditionen vereinigt und auf diese Weise der neuen Situation der Juden in der hellenistischen Diaspora gerecht zu werden versucht. Die ersten sechs Kapitel verkünden die neue Botschaft. Demnach gibt es eine Zukunft über den Tod hinaus, und zwar in der Gemeinschaft mit Gott. Denn gemäß seiner Schöpfung ist der Mensch als Abbild des ewigen Gottes ebenfalls auf ein unvergängliches Leben hin geschaffen, denn der Mensch ist postmortal mit seiner menschlichen Person in das ewige Leben Gottes hineingenommen.Voraussetzung für diese Gewährung der Unsterblichkeit ist allerdings, daß der Mensch sein irdisches Leben als Abbild Gottes versteht und vollzieht. Anhand des göttlichen Schöpfungsplanes wird dem Menschen der Weg zum ewigen Leben gewiesen. Dieser Weg garantiert ihm künftige Unsterblichkeit. Es war die grausame Gewaltherrschaft der seleukidischen Reichs- und Religionspolitik im 2. Jahrhundert v.Chr., die die nicht länger aufschiebbare Frage

 Siehe Daniel 12, 2: καὶ πολλοὶ τῶν καθευδόντων ἐν τῷ πλάτει τῆς γῆς ἀναστήσονται, οἱ μὲν εἰς ζωὴν αἰώνιον, οἱ δὲ εἰς ὀνειδισμόν, οἱ δὲ εἰς διασπορὰν καὶ αἰσχύνην αἰώνιον. Vgl. E. Haag, Daniel, Würzburg 1993, 24 ff.  Vgl. W. Dommershausen, 1. Makkabäer/2. Makkabäer, Würzburg 1985, 13 ff.  2. Makkabäer 7, 1– 41.  Vgl. D. Bauer, Der Tod der Märtyrer und die Hoffnung auf die Auferstehung, Hildesheim 2002, 14 ff.  H. Hübner, Die Weisheit Salomons, Göttingen 1999, 230 ff.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

nach der Gerechtigkeit Gottes aufflammen ließ und führte zu einer radikalen Uminterpretation des nachexilischen Welt- und Gottesbildes. Es ist die Theologie der Apokalypse, die durch das Zwei-Äonen-Schema dieser neuen Entwicklung Rechnung trägt. Danach wird die Gerechtigkeit Gottes nicht in diesem Äon, sondern erst am Tag Gottes, dem Tag des Beginns eines neuen und transzendenten Äons offenbar werden. Dieser neue heilsgeschichtliche Entwurf beinhaltet nun auch ausdrücklich das Postulat einer Auferstehung der Toten zu ewigem Leben oder zu ewiger Verdammnis.²⁷⁵ Es ist diese Aussage des Danielbuches im Kontext des Alten Testamentes, die den ersten großen Durchbruch in Richtung auf eine Wirkungsgeschichte erzielt, die weit über das Alte Testament hinausreicht. Es ist diese von hellenistischem Einfluß der ägyptischen Diaspora getragene Überzeugung, daß Gott auch über den Tod hinaus Gerechtigkeit bewirkt, die auch im 2. Makkabäerbuch ihren beredten Ausdruck findet, und zwar in viele Richtungen der Auferstehungserwartung. In den Schlußworten jeweils der Reden der sieben gesetzestreuen Brüder und ihrer Mutter ist bereits eine Zusammenfassung des Glaubens an die Auferstehung zu einem ewigen Leben im Sinn einer eschatologischen Neuschöpfung enthalten. Auf der anderen Seite wird deutlich, daß die Gerechtigkeit Gottes verlangt, daß die Feinde Israels keine Auferstehung zu ewigem Leben zu erwarten haben. Ergänzend verkündet das Buch der Weisheit Salomons biblische Traditionen und hellenistische Gedanken derart, daß der Mensch als Abbild des ewig lebendigen Gottes hin geschaffen ist. Voraussetzung allerdings ist, daß der Mensch im Laufe seines Lebens erkennt, daß sein Leben gemäß dem Plan Gottes in einer Einheit mit Gott vollendet wird. Das Scheitern dieser Einheit mit Gott ist die Strafe an sich, über die hinaus es keine Strafe gibt, weil sie die höchste Strafe für den Menschen ist. Diese Entwicklung und Revision im heilsgeschichtlichen Konzept des Alten Testamentes sind durch äußere politisch-geschichtliche Katastrophen herbeigeführt. Das babylonische Exil führt zur Revision eines Gottesbildes, das neben Jahwe auch Götter anderer Völker verehrte. Das Exil aber brachte die Erkenntnis, daß Jahwe der einzige, wahre Gott ist, dem alle Welt gehört. Daraus ergab sich zwangsläufig auf dem Boden dieses nachexilischen Monotheismus die weitere Katastrophe der Unterdrückung des Jahwekultes zugunsten der seleukidischen Staatsgottheiten, woraus aber dialektisch die Erkenntnis hervorging, daß auch die Toten unter Gottes Macht stehen und Gottes Macht über die irdische Macht ewiges Leben in einer jenseitigen Lebenswelt gewähren kann. Diese Auffassung war es, die ihre Fortsetzung in christlicher Perspektive in der Lehre fand, daß sich in der Auferweckung Jesu Christi als des Ersten der Entschlafenen die

 Siehe Daniel 12, 2.

1 Sterblichkeit und Unsterblichkeit im Judentum und Christentum

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Verheißung der Auferstehung schon erfüllt hat und in eins damit auch die Auferweckung derer, die ihm zugehörig sind. Das Zentrum der neutestamentlichen Theologie ist der Glaube an die Auferstehung Jesu von den Toten.²⁷⁶ Das spricht Paulus in Korinther klar und unmißverständlich aus: „Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube eitel“.²⁷⁷ Das Ereignis der Auferstehung Jesu wird bezeugt nur in der Form der Osterliturgie in der Glaubenserkenntnis von Anhängern Jesu, die das Grab leer fanden. Die Evangelien, die davon berichten, wurden erst in den letzten Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts n.Chr. verfaßt. Sie setzen den Glauben an die Auferstehung Christi durch die Urgemeinde längst als gegeben voraus, als ein vorliterarisches Faktum. Die ältere Art der Glaubenszeugnisse sind die kurzen, abstrakten theologischen Glaubensformeln, die in den Briefen des Paulus formuliert sind. Ihre vorliterarische Entstehung wird in die Jahre 35 – 45 n.Chr. festgesetzt. Der 1. Thessalonicher Brief ist die literarisch früheste Schrift des Neuen Testamentes.²⁷⁸ In ihm steht eine eingliedrige Auferweckungsformel als Relativsatz, in dem es heißt: „welchen er (d. h. Gott) auferweckt hat von den Toten, Jesus“.²⁷⁹ Diese Formel steht auch in Galaterbrief (Galater 1, 1),²⁸⁰ ähnlich 2. Korinther 4, 14²⁸¹ und als Hauptsatz in Römer 10, 9: „Gott hat ihn erweckt aus Toten“.²⁸² Die eingliedrige Auferstehungsformel in den Paulusbriefen ist die Urformel des Glaubens der nachösterlichen Jesusbewegung. Auffällig und bemerkenswert ist, daß diese Urformel nur das bloße Faktum der Auferstehung Jesu aus den Toten enthält und noch keine christologischen Würdentitel des Auferstandenen. Auch enthält sie keine Aussage über einen Zusammenhang zwischen der Auferweckung  Vgl. z. B. J. Becker, Die Auferstehung Jesu Christi nach dem Neuen Testament, Tübingen 2007, insbes. 76 ff.; W. Bösen, Auferweckt gemäß der Schrift. Das biblische Fundament des Osterglaubens, Basel 2006, 13 ff.; O. Cullmann, Die Christologie des Neuen Testaments, Tübingen 1963, 23 ff. Vgl. auch W. Marxsen, Die Auferstehung Jesu von Nazareth, Gütersloh 1968.  1. Korinther 15, 17: εἰ δὲ Χριστὸς οὐκ ἐγήγερται, ματαία ἡ πίστις ὑμῶν. Vgl. H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, Göttingen 1969, 13 ff.; J. Kremer, Das älteste Zeugnis von der Auferstehung Christi. Eine bibeltheologische Studie zur Aussage und Bedeutung von 1. Kor. 15, 1– 11, Stuttgart 1966; W. Bousset, Der erste Brief an die Korinther, Göttingen 1917, 440 ff.; J. Weiss, Der erste Korintherbrief, Göttingen 1910, 24 ff.  Vgl. T. Holtz, Der erste Brief an die Thessalonicher, Zürich 1986, 25 ff.  1. Thessalonicher 1, 10: ὃν ἤγειρεν ἐκ τῶν νεκρῶν, Ἰησοῦν.  Vgl. U. Bosse, Der Brief an die Galater, Regensburg 1984, 83 ff.; vgl. auch H. Schlier, Der Brief an die Galater, Göttingen 1962, 13 ff.  Vgl. R. Bultmann, Der zweite Brief an die Korinther, Göttingen 1976, 134 ff.  ὁ θεὸς αὐτὸν ἤγειρεν ἐκ νεκρῶν. Vgl. U. Wilckens, Der Brief an die Römer, Teilbd. 2: Römer 6 – 11, Neukirchen-Vluyn 1980. Vgl. auch die klassische Auslegung von K. Barth, Der Römerbrief (Zweite Fassung), Göttingen 1922.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

Jesu und der allgemeinen Auferweckung der Toten. Spätere Formulierungen der Glaubensformel beschränken sich nicht auf die Auferweckung Jesu, sondern behandeln auch die Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu Christi. Die Auferstehung Jesu von den Toten wird als erstmaliges Ereignis verstanden, durch das sich die eschatologische Erwartung der Apokalypse und der Spätschriften des Alten Testamentes erstmals erfüllt hat. Beide Momente, die Reflexion auf die Auferstehung Jesu als endzeitlicher Vorwegnahme des kommenden Äons als auch auf seinen Tod als endzeitlicher Gnadenakt für die Sünden der Menschen beruhen auf der durch den Auferstehungsglauben ermöglichten Hermeneutik der Heilsgeschichte und werden als eschatologische Erfüllung göttlicher Verheißungen aufgefaßt. Im 1. Thessalonicherbrief zeigt sich zum erstenmal die Differenzierung zwischen dem mit der Auferweckung Jesu erfolgten Anbruch des Neuen Äons und der Weiterexistenz des gegenwärtigen Äons. Die finale Rettung steht aber immer noch bevor und wird mit der baldigen Parusie des Auferstandenen erwartet. Der Akzent liegt dabei auf der Naherwartung des Tages Gottes. Schon Gestorbene wie auch noch Lebende werden beim finalen Kommen des Herrn in gleicher Weise das ewige Heil erfahren. „Denn so wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird Gott auch die Entschlafenen durch Jesus mit ihm führen“.²⁸³ Aber der Zeitpunkt der Parusie des Herrn kann nicht berechnet werden, also gilt es, sich in der Zwischenzeit durch Glaube, Liebe und begründete Hoffnung auf die eschatologische Rettung zu bewähren.²⁸⁴ In dem Auferstehungskapitel 1. Korinther 15 geht Paulus auch auf das Wie der Auferstehung ein. Die Frage nach dem Wie ist mit der Frage nach der Leiblichkeit verbunden, die zweifellos mit besonderer Aufmerksamkeit an Paulus gestellt worden ist, denn sie schaffte Probleme. Paulus reagiert auf diese Frage mit großem Geschick. Er geht von der Differenz zwischen irdischer und himmlischer Leiblichkeit aus und argumentiert wie in 1. Thessalonicher 4, 15 ff. mit Hilfe apokalyptischer Bilder.²⁸⁵ Er besteht auf dem absoluten Muss einer transzendenten Verwandlung und beantwortet die Frage nach der Beschaffenheit, denn das Vergängliche kann nicht das Unvergängliche erben, und an die Stelle irdischer Lebenskraft muß die unvergängliche göttliche Lebenskraft treten; durch sie werden die Auferweckten unter Wahrung der Identität ihrer Person verwandelt werden. Den Begriff der Verwandlung gebraucht auch Jesus mit dem Hinweis, daß

 1. Thessalonicher 4, 14: εἰ γὰρ πιστεύομεν ὅτι Ἰησοῦς ἀπέθανεν καὶ ἀνέστη, οὕτως καὶ ὁ θεὸς τοὺς κοιμηθέντας διὰ τοῦ Ἰησοῦ ἄξει σὺν αὐτῷ.  Vgl. 1. Thessalonicher 5, 4– 8.  Vgl. 1. Korinther 15, 50 – 53.

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die Auferstandenen „wie Engel in den Himmeln“ sein werden.²⁸⁶ Das heißt: wer sich mit dem erhöhten Herrn durch Glaube und Liebe verbunden weiß, der hat auch die sichere Hoffnung, an dem ewigen Leben nach dem Tod teilzuhaben, denn „so werden wir immer mit dem Herrn sein“.²⁸⁷ Aus dieser Zuversicht kann Paulus den Korinthern schreiben: „Wir sind also immer zuversichtlich, und guten Willens ziehen wir es vor, auszuwandern aus dem Leib und einzuwandern zum Herrn. Deshalb setzen wir unsere Ehre darin, ihm wohlgefällig zu sein“²⁸⁸, ob beheimatet oder in der Fremde. Und nach Philippi schreibt er: „Mir ist Christus das Leben, und das Sterben ist mir Gewinn“²⁸⁹, und „Ich habe Sehnsucht, abzuschieden und bei Christus zu sein“.²⁹⁰ Zu den Ostererzählungen²⁹¹ ist zu sagen, daß es der Evangelist Markus war, der als erster auf die Idee kam, das Grundbekenntnis der Kirche, nämlich den Text 1. Korinther 15, 3 – 5, in erzählerische Form zu transponieren, die dann die späteren Evangelisten Matthäus, Lukas und Johannes formgeschichtlich übernommen haben, ohne Verbesserung des Inhaltes, sondern lediglich mit narrativen Erweiterungen der Glaubensverkündigung als gläubige Autoren für gläubige Leser.²⁹² Die Auferstehungsgeschichte als solche entzieht sich auf diese Weise der Beurteilung des Historikers und kann daher nicht historisch getreu und faktengerecht berichtet werden, sondern nur in Geschichten erzählt und erzählerisch mitgeteilt und verbreitet werden. Die Kernbotschaft lautet: das Grab war leer; also war Jesus auferstanden von den Toten. Die historische Frage, wie es denn dazu kam und wie es wirklich war, bleibt ungestellt und unbeantwortet. Die Evangelien bezeugen in narrativer Form den Glauben an die Auferstehung Jesu von den Toten und weisen gleichzeitig auf die christologischen, soteriologischen und ekklesiologischen Konsequenzen dieses Ereignisses hin und lassen erkennen, daß es zu dem Glauben an die Auferstehung Jesu von den Toten nicht in der Form einer einmaligen Erleuchtung kommt, sondern nur in der allmähligen Entfaltung des Glaubenserlebens und daß die Glaubenseinsicht sogar noch der Begleitung des Auferstandenen selbst als Wahrheitszeugnis bedarf.  Markus 12, 25: ὡς ἄγγελοι ἐν τοῖς οὐρανοῖς.  1. Thessalonicher 4, 17 f.: καὶ οὕτως πάντα σὺν κυρίῳ ἐσόμεθα.  2. Korinther 5, 8: θαρροῦμεν δὲ καὶ εὐδοκοῦμεν μᾶλλον ἐκδημῆσαι ἐκ τοῦ σώματος καὶ ἐνδημῆσαι πρὸς τὸν κύριον. διὸ καὶ φιλοτιμούμεθα, εἴτε ἐνδημοῦντες εἴτε ἐκδημοῦντες, εὐάρεστοι αὐτῷ εἶναι.  Philipperbrief 1, 21: ἐμοὶ γὰρ τὸ ζῆν Χριστὸς καὶ τὸ ἀποθανεῖν κέρδος.  Philipperbrief 1, 23: τὴν ἐπιθυμίαν ἔχων εἰς τὸ ἀναλῦσαι καὶ σὺν Χριστῷ εἶναι.  Vgl. J Kremer, Die Osterevangelien – Geschichten um Geschichte, Stuttgart 1977; R. Pesch, Materialien und Bemerkungen zu Entstehung und Sinn des Osterglaubens, Düsseldorf 1975.  Vgl. J. Gnilka, Das Evangelium nach Marcus, Einsiedeln 1979, 1 ff.; W. Grundmann, Das Evangelium nach Marcus, Berlin 1977, 54 ff.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

Das Bekenntnis der ersten christlichen Gemeinden zu der mit der Auferweckung verbundenen Erhöhung Christi in die göttliche Herrlichkeit²⁹³ entwickelt sich erst in den nachösterlichen Jahrzehnten zu dem Motiv der Himmelreise, das uns erst relativ spät begegnet.²⁹⁴ Lukas formt das abstrakte Bekenntnis der Erhöhung des Gekreuzigten zu einer anschaulichen Erzählung um, in der der Auferstandene sich leibhaftig von der Erde erhebt und zum Himmel emporschwebt. Die Zeit der Erscheinung Jesu war begrenzt, aber die Parusie wird als sicher in Aussicht gestellt, ist aber nicht terminierbar. Bis es soweit ist, würde man die Kraft zum Durchhalten von dem Heiligen Geist haben.²⁹⁵ In ihm ist Jesus auch weiterhin gegenwärtig. Lukas erweitert und öffnet auf diese Weise den Osterglauben auch für die Zukunft bis heute.²⁹⁶ Aus dieser Verheißung ergaben sich Folgen für all jene, die an die Auferstehung Christi glaubten. Obwohl sich der Anfang des endzeitlichen Äons mit der Auferstehung Jesu bereits ereignet hat, besteht die irdische Welt weiter. Umso intensiver erwartete die frühe Christenheit die endgültige Rettung aus dieser Weltzeit von der baldigen Parusie des Auferstandenen in aller Macht und Herrlichkeit. Christen, die noch lebten und Christen, die schon verstorben waren, würden die gleiche Chance der Rettung haben. Sie alle würden zusammen dann von Jesus in die transzendente Gotteswelt geführt. Die Frage nach der Existenzform der so ins Himmelreich Entführten beantwortet Paulus mit dem Hinweis auf eine völlige Verwandlung des Vergänglichen in das Unvergängliche, in Übereinstimmung mit den Worten Jesu, daß die Auferstandenen sein werden „wie Engel im Himmel“. Für die Zwischenzeit bleibt die Mahnung, sich durch Glaube, Liebe und Hoffnung zu bewähren; wer mit dem auferstandenen Herrn im Glauben verbunden bleibt, der hat auch die Garantie dafür, Teilhaber an dem transzendenten Leben zu werden und in alle Ewigkeit in dem neuen Leben zu bleiben. * Angesichts der angesprochenen Textzeugnisse im Alten und im Neuen Testament ist es wichtig, sich bewußt zu sein und zu bleiben, daß diese Texte nur einzelne Inseln in dem Meer der Fragen und Antworten sind, die vorliterarisch in mündlichen Diskussionen hin und her bewegt worden sind. Eines aber ist unüber-

 Siehe Philipper 2, 9 – 11.  1. Petrus 3, 22: […] δι’ ἀναστάσεως Ἰησοῦ Χριστοῦ, ὅς ἐστιν ἐν δεξιᾷ θεοῦ, πορευθεὶς εἰς οὐρανόν, ὑποταγέντων αὐτῷ ἀγγέλων καὶ ἐξουσιῶν καὶ δυνάμεων. Siehe hierzu N. Brox, Der erste Petrusbrief, Köln 1986, 14 ff.  Vgl. Lukas 24, 49. Siehe auch Apostelgeschichte 1, 7– 8.  Vgl. F. Bovon, Das Evangelium nach Lukas, Zürich 1996, 21 f.

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sehbar wahr: daß das Werden jenes Glaubens an die Auferweckung von den Toten, angestoßen und ausgehend von einigen Aussagen des Alten Testamentes, das Neue Testament durchzieht und über Jahrhunderte und inzwischen seit über zweitausend Jahren weitergewirkt hat mit einer Glaubenskraft und Glaubenenergie, die in der von uns überschaubaren Geschichtszeit der Menschheit einmalig ist und bildlich gesprochen nur mit dem Ausbruch eines Vulkans vergleichbar ist. Die anfänglich nur in einem kurzen Bekenntnissatz formulierte Botschaft hatte eine Sprengkraft und Macht der Entfaltung, von der die angesprochenen Textstellen des Neuen Testamentes unwiderleglich Zeugnis ablegen und ihre wirkungsgeschichtliche Forsetzung in der christlichen Kirchengeschichte bis heute gefunden hat, allen Verfolgungen zum Trotz. Dieses in der Weltgeschichte einmalige Glaubensphänomen, das getragen wird von dem ebenfalls einmaligen Phänomen einer über zweitausendjährigen Institution, der Kirche, bedarf allerdings einer Erklärung und ist keineswegs selbstverständlich. Das Leben ist, wie wir alle wissen und die Menschen immer schon seit den ältesten Zeiten schmerzhaft erfahren haben, ein Sein zum Tode. Das war den Menschen immer ein Ärgernis und sogar eine Beleidigung ihres Substanzstolzes, womit sie sich nie wirklich abgefunden haben. Das Leben will in erster Linie sich selbst, das heißt aber mit anderen Worten: es will sich selbst immer, es will Ewigkeit, will „tiefe, tiefe Ewigkeit“, wie Nietzsche an bekannter Stelle sagt.²⁹⁷ Das Leben will nicht nur seine Gegenwart, es will auch seine beständige Fortsetzung, endlos. Die geschichtliche Entstehung des massenhaften Durchbruchs des Glaubens an die Auferweckung von den Toten in den zwei vorchristlichen und zwei nachchristlichen Jahrhunderten, bedingt durch das Zusammentreffen zahlreicher politisch-geschichtlicher Ereignisse, ist ein historisches Faktum, das es uns ermöglicht, die Motive für den Eintritt dieser Glaubensbewegung in die Weltgeschichte wie in einem von Menschen organisierten Experiment zu beobachten. Der Unsterblichkeitsgedanke der Menschen war plötzlich nicht mehr stillzustellen und drängte wie ein Vulkan an die Oberfläche und ergoß sich wie Lava über die Landschaft. Ohne ihn war nun Gottesglaube nicht mehr länger möglich, weil die Menschen mit Bestimmtheit wissen wollten, was nach dem physischen Tod mit ihnen geschah. Dieses Verlangen nach einer endgültigen Aufklärung ihres Schicksals war nun elementar geworden und war unmittelbar mit dem Selbsterhaltungstrieb verbunden. Dafür gibt es nicht mehr länger aufschiebbare geschichtliche Umstände, soziale Ursachen, wie die Not und das Elend der Armen, wofür die herbeigewünschte, durch die Phantasie vorge-

 F. Nietzsche, in: Das trunkne Lied zu Ende des vierten Teiles von Also sprach Zarathustra: „Doch alle Lust will Ewigkeit –, will tiefe, tiefe Ewigkeit“.

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stellte Erfüllung menschlicher Glückseligkeit im Weiterleben nach dem Tod der einzige Ausweg blieb. Die eigentliche, wirkliche Unsterblichkeit im historischen Sinne war zwar längst von Philosophen wie Platon und Aristoteles erkannt und beschrieben worden, bestehend in dem biologischen Weiterleben der Gattung Mensch und in den kulturellen Leistungen der Individuen in Wissenschaft, Kunst und Handwerk oder anderer Tätigkeiten, auf denen nachfolgende Generationen aufbauen konnten. Auf diese Weise wurde das menschliche Leben von Philosophen schon in der klassischen Zeit der Antike vereinzelt säkularisiert. Aber diese vereinzelten Vorstöße der antiken Aufklärung konnten den Aufstand der Massen in Richtung auf den Unsterblichkeitsglauben des Individuums vom zweiten vorchristlichen Jahrhundert an nicht mehr aufhalten und nicht mehr verhindern und war, wie heute allgemein anerkannt ist, auch der Hauptgrund für den Sieg und Aufstieg des Christentums als Religion, als Weltreligion. Daran gibt es heute in der historischen Forschung keinen Zweifel mehr. Ohne die Masse der Gläubigen, die an die Auferstehung des Jesus von Nazareth von den Toten als ein geschichtliches Faktum glaubten, hätte es nie eine christliche Kirche gegeben. Und dieser Glaube beruhte als Beweisgrund auf einem einzigen Satz, der lautete: „Das Grab war leer“. Ohne die Glaubensgewißheit der Auferstehung von den Toten und des ewigen Lebens wären die frühchristlichen Gemeinden ebenso untergegangen und der Vergessenheit anheimgefallen wie die zahlreichen anderen damaligen Religionen im Umkreis der christlichen Glaubensbewegung, über die das Christentum aufgrund allein seiner Glaubensgewißheit bezüglich der Auferstehung von den Toten zu einem ewigen Leben in Herrlichkeit den Sieg davongetragen hat. Der Grund dafür war die existentielle Übereinstimmung der christlichen Botschaft mit der elementaren Hoffnung der Menschen auf ein dauerhaftes, ewiges Leben unter den erleichterten Bedingungen eines Lebens im Himmel, fernab von dem Jammertal der diesseitigen Welt und der Grabesstelle des Totenreiches im Hades, dem Ort der Verdammten. Dem Glauben an die Verheißung dieser Herrlichkeit im Jenseits an der Seite des allmächtigen Gottes im Paradies war kein Widerstand gewachsen, von keiner Seite. Die Botschaft des Christentums traf sich mit dem Überlebenswillen der Menschen in alle Ewigkeit. Das war mehr, als die anderen Religionen zu bieten hatten. Hinter dem geschichtlichen Sieg des Christentums stand in letzter Instanz nichts anderes als der Wille zum Leben, zu überleben, egal in welcher Form, das heißt, die Negation des Todes schlechthin. Insoweit diese Idealisierung des Lebens im Gedanken an das Überleben auch ihren Ausgangspunkt nimmt vom irdischen, endlichen Leben, ist dieses Idealbild des ewigen Lebens eine Abstraktion von dem irdischen Leben, von dessen Begriff es dialektisch abhängig ist und bleibt. Insoweit ist der Begriff des ewigen, unsterblichen Lebens ein idealisiertes Abbild des irdischen, sterblichen Lebens: die Fata Morgana menschlicher Sehnsucht in Richtung auf die Unsterblichkeit, nach

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der Devise: lieber verwandelt in ein neues, anderes Wesen wie die Engel sein, als tot sein im Hades für immer. Unter dieser Bedingung war man sogar bereit, auf seinen leiblichen Körper mit seinen vielen Freuden zu verzichten. Philosophisch formuliert heißt das: Der Begriff der überirdischen, ewigen Unsterblichkeit steht dialektisch in einer unaufhebbaren Relation zu dem Begriff der irdischen, endlichen Sterblichkeit und spiegelt in sich selbst reflexiv das Bild einer irdischen Unsterblichkeit, von dem er abhängig ist und bleibt, oder, wie es Nietzsche genial auf den Punkt gebracht hat, wenn er am Beispiel der Lust das Phänomen veranschaulicht: „Denn alle Lust will Ewigkeit, tiefe, tiefe Ewigkeit“. Wahrer geht es nicht. Auch die ewige Lust hat ihren Haltepunkt in der endlichen, momentanen Lust des Augenblicks. Auch hier ist die ewige Lust nichts anderes als die Idee der Lust des Augenblicks, in dem die ewige Lust verankert ist. Niemand will seine augenblickliche, konkrete Lust eintauschen gegen die abstrakte, ewige Lust, gegen die Idee der Lust. Die irdische Lust ist die ewige Lust so wie die irdische Unsterblichkeit die einzige, wahre, reale Unsterblichkeit ist, so wie das bereits Platon und Aristoteles thematisiert haben in ihrer Lehre von der Form des Überlebens der Gattung anstelle des Individuums, also der biologischen Unsterblichkeit. Aber diese biologische Einsicht wurde geschichtlich überlagert von dem Glauben an die religiöse Unsterblichkeit.

2 Auferstehung von den Toten und ewiges Leben Die zentrale Lehre des Christentums ist die Botschaft vom Sieg des Lebens über den Tod im Ereignis der Auferstehung des Jesus von Nazareth als des Messias, des verheißenen Heilands, von dem nach den eigenen Worten Jesu schon Moses geschrieben hat.²⁹⁸ Die Bezugnahme auf ihn, auf Jesus als den Christus, den Messias, zieht sich nach dieser Stelle und anderen Stellen durch das Alte Testament,²⁹⁹ und außerdem versteht das Neue Testament zahlreiche Stellen des Alten Testamentes als Weissagungen auf Christus.³⁰⁰ Mit Jesus als dem Christus verbindet sich bei seinen Anhängern von Anfang an vor allem die Hoffnung auf Auferstehung, ja die Überzeugung der Gläubigen, daß aus der alttestamentlichen Hoffnung auf Auferstehung mit Jesus die Gewissheit der Auferstehung geworden ist. Die Erzählungen von Henoch³⁰¹ und von

   

Vgl. Johannes 5, 46. Vgl. Lukas 24, 27; Apostelgeschichte 3, 22. Wie Matthäus 2, 15; 2, 17– 18. 1. Mose 5, 24.

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Elia³⁰² ließen immerhin die Ahnung zu, daß es noch einen anderen Weg aus der Zeitlichkeit in die Ewigkeit geben könne als den Weg durch das dunkle Todestal und auch ein anderes Ziel als das finstere Totenreich. Auch der Baum des Lebens im Paradies nährte die Vermutung, daß Gott allen Menschen anfänglich ein anderes Ziel zugedacht hat als das Sterben.³⁰³ Eine tröstende Gewißheit freilich lag in diesen und anderen vagen Hinweisen und Deutungen nicht. Als Licht in dieser Dunkelheit konnte das geheimnisvolle Wort des Propheten Jesaja den Hoffenden erscheinen: „Die Toten werden aufleben, die Leichen wieder erstehen“.³⁰⁴ Auch die Wiederherstellung Israels aus der babylonischen Gefangenschaft konnte und wurde als eine Tat Gottes, als eine Wiederauferstehung Gottes, gedeutet, wie in der Weissagung des Propheten Hesekiel (37, 1– 14) angekündigt ist: „Und ihr werdet wissen, daß ich Jahwe bin, wenn ich eure Gräber öffne und euch aus euren Gräbern herauskommen lasse, mein Volk“.³⁰⁵ Dieser Gedanke ließ sich leicht auch auf die Wiederbelebung einzelner Toter übertragen, wie das am Schluß der alttestamentlichen Offenbarung geschieht, wo geweissagt wird, daß beim Anbruch des messianischen Reiches viele, die „im Staub der Erde schlafen“, aufwachen werden, die einen zu ewigem Leben, die anderen zu ewiger Verdammnis und: „Du aber gehe hin bis zum Ende; und Du wirst ruhen, und wirst auferstehen zu Deinem Lose am Ende der Tage“.³⁰⁶ Besonders in Zeiten äußerster Hoffnungslosigkeit und größter Bedrängnis klammerten sich die Juden an diese Hoffnung der Auferstehung, wie beispielhaft die Erzählung 2. Makkabäer 7, 9. 14. 23. 36. zeigt. Die Idee der Auferstehung bleibt aber nicht für sich allein isoliert, sondern weitet sich zum Begriff der Vergeltung in der jenseitigen Welt, mit der Betonung des Gedankens der Gerechtigkeit und der Unterscheidung der Frommen von den Gottlosen (Daniel 12, 2). Eine Partei unter den späteren Juden jedoch nahm die Lehre von der Auferstehung nicht an; das waren die Sadducäer.³⁰⁷ Die Botschaft Jesu verband sich in Lehre und geschichtlicher Wirkung mit der Glaubensüberzeugung seiner Anhänger, daß der Tod im Dasein der Menschen nicht das letzte Wort hat, sondern daß Jesus diese letzte Verheißung alttesta-

 2. Könige 2, 11.  1. Mose 3, 22.  Jesaja 26, 19: ἀναστήσονται οἱ νεκροί, καὶ ἐγερθήσονται οἱ ἐν τοῖς μνημείοις.  Hesekiel 37, 13: καὶ γνώσεσθε ὅτι ἐγώ εἰμι κύριος ἐν τῷ ἀνοῖξαί με τοὺς τάφους ὑμῶν τοῦ ἀναγαγεῖν με ἐκ τῶν τάφων τὸν λαόν μου.  Daniel 12, 13: καὶ σὺ βάδισον ἀναπαύου· ἔτι γὰρ εἰσιν ἡμέραι καὶ ὧραι εἰς ἀναπλήρωσιν συντελείας, καὶ ἀναπαύσῃ καὶ ἀναστήσῃ ἐπὶ τὴν δόξαν σου εἰς συντέλειαν ἡμερῶν.  Siehe Matthäus 22, 23: ἐν ἐκείνῃ τῇ ἡμέρᾳ προσῆλθον αὐτῷ Σαδδουκαῖοι, λέγοντες μὴ εἶναι ἀνάστασιν. Vgl. Apostelgeschichte 23, 8: Σαδδουκαῖοι γὰρ λέγουσιν μὴ εἶναι ἀνάστασιν μήτε ἄγγελον μήτε πνεῦμα.

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mentlicher Weissagung durch sein Kommen in die Welt als göttliche Offenbarung bestätigt hat. Aber zu seinem irdischen Messiaswirken gehörte die allgemeine Auferweckung der Toten noch nicht. Die drei Totenerweckungen, von denen die Evangelien berichten,³⁰⁸ haben vielmehr eher den Charakter hinweisender Zeichen, die erkennen lassen sollen, daß das Reich Gottes gekommen sei³⁰⁹ und daß ihm, Jesus, dem Sohn Gottes, auch die Vollmacht der Totenerweckung von Gott, seinem Vater übertragen sei.³¹⁰ Zu diesem Zeugnis der Bürgschaft gehörte aber auch noch die Auferstehung Jesu selbst von den Toten, dieses Zentralereignis seines irdischen Messiaswirkens, wodurch allererst die Auferstehungshoffnung seiner Anhänger, der Gläubigen, auf eine neue Grundlage gestellt wurde, jetzt und für alle Zukunft. Das sogenannte Auferstehungsgeschehen ist eine Kumulation von Berichten über Vorkommnisse, die als Tatsachen mitgeteilt werden. Jesus selbst hat seine Auferstehung vorhergesagt, teils in Andeutungen, teils in bestimmten Aussagen.³¹¹ Seine Jünger scheinen diese Hinweise nicht verstanden zu haben; jedenfalls ist ihr Verhalten ohne diese Voraussetzung nur schwer verständlich: so die Reaktion der Jünger beim Tod Jesu³¹² und ihr Mißtrauen bei den ersten Nachrichten von seinen Erscheinungen.³¹³ Die Auferstehung selbst hatte keinen Zeugen außer den Hütern des Grabes, und diese wurden von den Begleitumständen so erschreckt, daß sie nichts Genaues wahrnahmen: „denn ein Engel des Herrn kam aus dem Himmel hernieder, trat hinzu, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Sein Ansehen aber war wie der Blitz, und sein Kleid weiß wie der Schnee. Aber aus Furcht vor ihm bebten die Hüter und wurden wie Tote“.³¹⁴ Diejenigen aber, die Frauen und Jünger, die am Sonntagmorgen, am dritten Tag, wenn man den Todestag mitzählt, das Grab aufsuchten, fanden es leer.³¹⁵ Stimmen von Engeln informieren sie über die Auferstehung des Herrn und kündigen ihnen die Erscheinungen desselben an.³¹⁶ Die Erscheinungen ereigneten sich nach Apostelgeschichte 1, 3 über einen Zeitraum von vierzig Tagen. Außer den Evangelien

 Es handelt sich um die Erweckung des Jünglings zu Nain (Lukas 7, 11), die der Tochter des Jairus (Matthäus 9, 18 ff.) und jener des Lazarus (Johannes 11).  Matthäus 11, 5; Johannes 11, 40.  Johannes 5, 21 ff.; 11, 25.  Matthäus 12, 40; Johannes 16, 16; Matthäus 16, 21; 17, 23; 20; 19; 26, 32; vgl. 27, 63.  Siehe Lukas 24, 17– 21.  Siehe Lukas 24, 11 und 24, 22 f.  Matthäus 28, 2– 4: ἄγγελος γὰρ κυρίου καταβὰς ἐξ οὐρανοῦ καὶ προσελθὼν ἀπεκύλισεν τὸν λίθον καὶ ἐκάθητο ἐπάνω αὐτοῦ. ἦν δὲ ἡ εἰδέα αὐτοῦ ὡς ἀστραπή, καὶ τὸ ἔνδυμα αὐτοῦ λευκὸν ὡς χιών. ἀπὸ δὲ τοῦ φόβου αὐτοῦ ἐσείσθησαν οἱ τηροῦντες καὶ ἐγενήθησαν ὡς νεκροί.  Matthäus 28, 6; Lukas 24, 3; Johannes 20, 1– 10.  Matthäus 28, 5 ff.; Markus 16, 6 f.; Lukas 24, 5 ff.; Johannes 20, 13.

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und der Apostelgeschichte berichten von den Erscheinungen auch noch Paulus, der die ihm selbst gewordene Erscheinung noch dazurechnet.³¹⁷ Die Berichte über die Erscheinungen weichen in Einzelheiten voneinander ab, was freilich wenig besagt, wenn man die näheren Umstände der Mitteilungen bedenkt. Auch die Ortsangaben bezüglich der Erscheinungen weichen voneinander ab. Es fällt auf, daß es, von Paulus abgesehen, immer Jünger, nie Feinde sind, denen sich Jesu offenbart.³¹⁸ Auch sind es immer nur vorübergehende, eher flüchtige Erscheinungen, keine Begegnungen in größerem Kreis. Dennoch war die Nachricht von den Erscheinungen des Auferstandenen bei den Seinigen wirkungsstark und nachhaltig und dazu geeignet, den schwer erschütterten Glauben der Jünger wiederherzustellen und auf eine neue Stufe zu heben und ihm eine neue Qualität zu geben. So bleibt als Fazit des Ostergeschehens, daß es der Glaube der Gläubigen war, die Glaubenserfahrung der ersten Jüngergeneration, der ersten Christengemeinden, die dem Glauben an Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen und in den Himmel Gefahrenen, jenes Glaubensfundament gab, das sich von eben jener elementaren und widerstandsresistenten Qualität erwies, die als Grundlage der zu gründenden Kirche notwendig war, um den Stürmen der Zeiten in Jahrtausenden standzuhalten, – und das eingedenk der Wankelmütigkeit des menschlichen Herzens. Man mag heute über das Christentum als Glaubenshaltung denken, was man will, – wahr ist: es gibt kein anderes Glaubenssystem in der Geschichte der Menschheit, das sich so lange lebendig erhalten hat. Die Monumentalität dieser Geschichtsmächtigkeit erschüttert unser Gemüt angesichts des Gemäuers der kleinsten Kapelle in der Waldeinsamkeit und verdichtet sich in dem Gefühl der Ehrfurcht, das wir nicht selbst in uns erzeugen, sondern das über uns kommt inmitten einer Umwelt, in der das meiste außerhalb der Natur klein und unbeständig ist. Dieses Angerührtwerden hat nichts mit Glauben zu tun, sondern mit der überwältigenden Einsicht in die Geschichtlichkeit der menschlichen Existenz. Etwas von dieser Art der Erlebnisqualität ergriff die Gläubigen des engsten Kreises und hatte die Wirkung, wovon die Schriften des Neuen Testamentes Zeugnis ablegen. Der Auferstehungsglaube hat aber auch eine Bedeutung für Jesus selbst im Spiegel des apostolischen Zeugnisses. Denn mit dem Ausruf am Kreuz: „Es ist vollbracht!“³¹⁹ endet sein irdisches Leben und mit diesem enden die Begrenzungen der Endlichkeit der irdischen Existenz. Seine Welt wird fortan die himmlische sein: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem

 1. Korinther 15, 8.  Vgl. Johannes 14, 22.  Johannes 19, 30: τετέλεσται.

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Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott“.³²⁰ Beides gehört zusammen, Auferstehung und Himmelfahrt; durch beides wurde die Bitte Jesu um Verklärung erfüllt: „Ich habe dich verherrlicht auf der Erde; das Werk habe ich vollbracht, welches Du mir gegeben hast, daß ich es tun sollte. Und nun, verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war“.³²¹ Die Auferstehung Jesu ist das Siegel, daß Gott sein Opfer angenommen und ihn als Haupt der Gemeinde, als den großen Hirten der Schafe bestätigt hat,³²² und er wirkt jetzt in der Vollmacht seiner Auferstehung als lebendigmachender Geist auf neue Weise.³²³ Wie die Auferstehung Christi nicht vorgestellt wird als die erneute Umkleidung der Seele mit dem alten Körper, so ist auch für die Gläubigen die Auferstehung, wie für Christus selbst, eine Verklärung des ganzen Menschen.³²⁴ Paulus verdeutlicht dies durch das Gleichnis vom Samenkorn, dem Gott, wenn es aus der Erde aufkeimt, einen neuen Leib schenkt.³²⁵ Ähnlich schenkt Gott auch dem Menschen einen neuen Leib, wie eine vom Himmel stammende Behausung, die aus dem Himmel ist.Wir sind nicht imstande, uns ein anschauliches Bild von dem verklärten, geistlichen Leib zu machen. Alle äußere Herrlichkeit kann nur ein Bild der inneren Verklärung sein: ein Zustand der Vollkommenheit, der auf den alten Zustand folgt.³²⁶ Aber auch den Gottlosen wird eine Auferstehung zugeordnet. Nur wird es ein anderes Erwachen sein als für die Frommen: „Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, auf daß ein jeder empfange, was er durch den Leib getan, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses“.³²⁷ Bezüglich des Zeitpunktes der Auferstehung heißt es, daß erst am Ende der Tage die Toten in Christo alle zusammen auferstehen werden.³²⁸ Über die Zwischenheit zwischen Tod und Auferstehung schweigt die Bibel, in der Gewißheit, daß kein Grund zur Furcht besteht, denn „weder Tod noch Leben, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges mag uns scheiden von der Liebe Gottes in

 Johannes 20, 17: ἀναβαίνω πρὸς τὸν πατέρα μου καὶ πατέρα ὑμῶν καὶ θεόν μου καὶ θεὸν ὑμῶν.  Johannes 17, 4– 5: ἐγώ σε ἐδόξασα ἐπὶ τῆς γῆς, τὸ ἔργον τελειώσας ὃ δέδωκάς μοι ἵνα ποιήσω· καὶ νῦν δόξασόν με σύ, πάτερ, παρὰ σεαυτῷ τῇ δόξῃ ᾗ εἶχον πρὸ τοῦ τὸν κόσμον εἶναι παρὰ σοι.  Römer 4, 25; 1. Korinther 15, 17 f.; Kolosser 1, 18; Hebräer 13, 20.  Philipper 3, 10; 1. Korinther 15, 45.  Vgl. Philipper 3, 21.  Vgl. 1. Korinther 15, 37 f.  1. Korinther 13, 10; 1. Johannes 3, 2.  2. Korinther 5, 10: τοὺς γὰρ πάντας ἡμᾶς φανερωθῆναι δεῖ ἔμπροσθεν τοῦ βήματος τοῦ Χριστοῦ, ἵνα κομίσηται ἕκαστος τὰ διὰ τοῦ σώματος πρὸς ἃ ἔπραξεν, εἴτε ἀγαθὸν εἴτε φαῦλον.  1. Korinther 15, 23; 1. Thessalonicher 4, 16.

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Christo Jesu“³²⁹, eingedenk auch, daß vor Gott tausend Jahre sind wie ein Tag, wodurch möglichen Spekulationen über die vermutliche Länge der Wartezeit der Boden entzogen ist. Einige Andeutungen des Neuen Testamentes scheinen darauf hinzuweisen, daß die Auferstehung der Gottlosen nicht mit der der Gerechten zusammenfällt.³³⁰ In Offenbarung 20, 5 f. wird die Auferstehung derer, die sich treu zu Christus bekennen, als „erste Auferstehung“ durch einen Zeitraum von tausend Jahren von der Auferstehung der anderen Menschen getrennt. Im metaphorischen Sinne bedeutet jeder Sinneswandel (μετάνοια), der einer Bekehrung zum Glauben an Jesus Christus, den Erlöser, gleichkommt, eine Auferstehung von den Toten und ein „Leben mit Christus“. Am Ende des Weltgerichtes stirbt der Tod: „Der letzte Feind, der weggetan wird, ist der Tod“.³³¹ Dies ist die äußerste und letzte Konsequenz der christlichen Botschaft vom Sieg des Lebens über den Tod.³³² Es ist unverkennbar, daß im Mittelpunkt der alttestamentlichen und der neutestamentlichen Todesmetaphysik nicht der Begriff des Todes, sondern der Begriff des Lebens steht. Obwohl die Erfahrung lehrt, daß die Menschen sterblich sind, richtet sich ihr fundamentales Streben auf eine Überwindung der Endlichkeit des irdischen Lebens, in welcher Form auch immer. Eine direkte Konsequenz dieser Einstellung zum Leben ist seine Wertschätzung: das von Gott gegebene

 Römer 8, 38 – 39: πέπεισμαι γὰρ ὅτι οὔτε θάνατος οὔτε ζωὴ […] οὔτε ἐνεστῶτα οὔτε μέλλοντα […] δυνήσεται ἡμᾶς χωρίσαι ἀπὸ τῆς ἀγάπης τοῦ θεοῦ τῆς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ τῷ κυρίῳ ἡμῶν.  Vgl. 1. Korinther 15, 23 f.  1. Korinther 15, 26: ἔσχατος ἐχθρὸς καταργεῖται ὁ θάνατος.  Denn „wir werden aber auch als falsche Zeugen Gottes erfunden“, bekennt Paulus, „weil wir in bezug auf Gott bezeugt haben, daß er den Christus auferweckt habe, den er nicht auferweckt hat, wenn wirkliche Tote nicht auferweckt werden. Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, so ist auch Christus nicht auferweckt. Wenn aber Christus auferweckt ist, so ist euer Glaube eitel; ihr seid noch in euren Sünden. Also sind auch die, welche in Christo entschlafen sind, verloren gegangen. Wenn wir allein in diesem Leben auf Christum Hoffnung haben, so sind wir die elendesten von allen Menschen. Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt, der Erstling der Entschlafenen, denn weil durch einen Menschen der Tod kam, so auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn gleichwie in dem Adam alle sterben, also werden auch in dem Christus alle lebendig gemacht werden“ (1. Korinther 15, 15 – 22: εὑρισκόμεθα δὲ καὶ ψευδομάρτυρες τοῦ θεοῦ, ὅτι ἐμαρτυρήσαμεν κατὰ τοῦ θεοῦ ὅτι ἤγειρεν τὸν Χριστὸν, ὃν οὐκ ἤγειρεν εἴπερ ἄρα νεκροὶ οὐκ ἐγείρονται. εἰ γὰρ νεκροὶ οὐκ ἐγείρονται, οὐδὲ Χριστὸς ἐγήγερται· εἰ δὲ Χριστὸς οὐκ ἐγήγερται, ματαία ἡ πίστις ὑμῶν, ἔτι ἐστὲ ἐν ταῖς ἁμαρτίαις ὑμῶν. ἄρα καὶ οἱ κοιμηθέντες ἐν Χριστῷ ἀπώλοντο. εἰ ἐν τῇ ζωῇ ταύτῃ ἐν Χριστῷ ἠλπικότες ἐσμὲν μόνον, ἐλεεινότεροι πάντων ἀνθρώπων ἐσμέν. Νυνὶ δὲ Χριστὸς ἐγήγερται ἐκ νεκρῶν, ἀπαρχὴ τῶν κεκοιμημένων. ἐπειδὴ γὰρ δι’ ἀνθρώπου θάνατος, καὶ δι’ ἀνθρώπου ἀνάστασις νεκρῶν. ὥσπερ γὰρ ἐν τῷ ᾿Aδὰμ πάντες ἀποθνήσκουσιν, οὕτως καὶ ἐν τῷ Χριστῷ πάντες ζωοποιηθήσονται).

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Leben ist etwas Gutes, wie der Tod etwas Böses ist.³³³ Das Leben ist ein Gut, um dessen Erhaltung man alles andere dahingibt.³³⁴ Ein langes Leben ist eine Belohnung,³³⁵ womit der Fromme belohnt wird bis zur Sättigung,³³⁶ lebenssatt wie Abraham.³³⁷ Die Furcht des Herrn mehret die Tage des Lebens, während dagegen die Jahre der Gottlosen verkürzt werden³³⁸; und die sich vor Gott nicht fürchten, leben einem Schatten gleich nicht lange.³³⁹ Das gilt auch eingedenk der Erkenntnis, daß das irdische Leben auch für die Frommen schon kurz und flüchtig genug ist³⁴⁰ wie ein Strom, wie ein Geschwätz, wie ein Schlaf, wie rasch welkendes Gras³⁴¹ und die verblühende Blume des Feldes,³⁴² und auch wenn es köstlich gewesen ist, ist es Mühe und Arbeit gewesen.³⁴³ In den späteren Schriften erscheint das Leben als eitel,³⁴⁴ elend,³⁴⁵ böse, dem zu entfliehen ein Glück ist, jämmerlich, voll von Sorge, Furcht, Hoffnung, und am Ende steht der Tod.³⁴⁶ Die Summe aller Weisheit ist, daß das Leben von Gott gegeben ist und ihm wiedergegeben werden muß, indem man es ihm widmet im Halten seiner Gebote.³⁴⁷ Erst in dem messianischen Selbstbewußtsein Jesu organisiert sich eine neue Einschätzung des irdischen Lebens als eines von Gott gegebenen Gutes, das so hoch einzuschätzen ist, daß es, wie er den Pharisäern entgegnet, selbst am Sabbat bessser sei, das Leben zu erhalten als es zu verderben,³⁴⁸ wie er in vielen Wun 5. Mose 30, 15.  Hiob 2, 4.  2. Mose 20, 12; 5. Mose 5, 16.  Psalm 91, 16.  1. Mose 25, 8.  Sprüche 10, 27.  Prediger 8, 13.  Hiob 4, 20.  Psalm 90, 5 ff.  Psalm 103, 4.  Psalm 90, 10.  Prediger 9, 9.  Prediger 5, 19.  Sirach 40, 1.2.  Prediger 12, 13 f. Siehe Prediger 1, 9 – 11: „Das, was gewesen ist, ist das, was sein wird; und das, was geschehen ist, ist das, was geschehen wird. Und es ist gar nichts Neues unter der Sonne. Gibt es ein Ding, von dem man sagt: Siehe, das ist neu, – längst ist es gewesen in den Zeitaltern, die vor uns waren. Da ist kein Andenken an die Früheren; und für die Nachfolgenden, die sein werden, für sie wird es auch kein Andenken bei denen geben, die später sein werden“ (τί τὸ γεγονός, αὐτὸ τὸ γενησόμενον· καὶ τί τὸ πεποιημένον, αὐτὸ τὸ ποιηθησόμενον· καὶ οὐκ ἔστιν πᾶν πρόσφατον ὑπὸ τὸν ἥλιον. ὃς λαλήσει καὶ ἐρεῖ Ἰδὲ τοῦτο καινόν ἐστιν, ἤδη γέγονεν ἐν τοῖς αἰῶσιν τοῖς γενομένοις ἀπὸ ἔμπροσθεν ἡμῶν. οὐκ ἔστιν μνήμη τοῖς πρώτοις, καί γε τοῖς ἐσχάτοις γενομένοις οὐκ ἔσται αὐτοῖς μνήμη μετὰ τῶν γενησομένων εἰς τὴν ἐσχάτην).  Lukas 6, 9; Markus 3, 4.

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dertaten bezeugt, bis hin sogar zur Errettung von Menschen, die dem Tod bereits verfallen sind. Gleichwohl gilt ihm das Leben nicht als der höchste Wert. Er selbst ist gekommen, sein Leben zu lassen,³⁴⁹ es dahinzugeben, nämlich zur Erlösung für viele.³⁵⁰ Es ist Teil seines messianischen Selbstbewußtseins, zu wissen, daß er vom Vater her in sich selbst das Leben in einem höheren Sinn hat,³⁵¹ ja, daß er das Leben selbst ist.³⁵² Dieses Leben will er auch seinen Jüngern mitteilen, und in dieser Botschaft vom wahren Leben ist auch die Lehre enthalten, daß dieses wahre, ewige Leben höher zu achten ist als das irdische, leibliche Leben. So sieht Paulus dem Ende seines Lebens siegesgewiß und freudig entgegen³⁵³ und achtet das Scheiden aus dem Leben als das bessere Los,³⁵⁴ weil Christus sein Leben ist. So geht es auch Petrus, der einst aus Furcht für sein irdisches Leben Jesus verleugnete.³⁵⁵ Diesen und allen anderen Bekennern gilt, wie Jakobus, das irdische Leben nicht mehr als „ein Dampf, der eine kleine Zeit währet“,³⁵⁶ und in dieser Erkenntnis geben sie ihr irdisches Leben im Märtyrertod dahin. Gemessen an dem natürlichen Leben ist dieses höhere Leben überhaupt erst recht eigentlich das wahre Leben, das vornehmlich Gott zukommt, weshalb Gott an vielen Stellen der Bibel der „Lebendige“ genannt wird. Das bedeutet nicht nur, daß Gott ewig lebt, sondern auch, daß er „das Leben hat in ihm selber“³⁵⁷, was nichts anderes heißt, als daß er die Quelle alles Lebens ist. Er ist der allein und wahrhaft Seiende, von dem alles kommt.Wie aber Gott, der Vater, das Leben hat in sich selbst, vollkommen, ursprünglich und ganz, so hat er auch „dem Sohne gegeben, zu haben das Leben in sich selbst“, ein ewiges Leben, das bei dem Vater war,³⁵⁸ und so ist auch der Sohn, der von seinem Vater empfangenes Leben hat, Quelle des Lebens, und zwar vornehmlich des geistlichen Lebens, das heißt, wie Paulus das von sich sagt: bei denen, die an Christus glauben, ist Christus mit seinem Leben recht eigentlich das Leben überhaupt,³⁵⁹ so daß in ihnen wahr-

 Johannes 10, 15.  Matthäus 20, 28; Markus 10, 45.  Johannes 5, 26.  Johannes 14, 6.  Philipper 2, 17.  Philipper 1, 23.  1. Petrus 4, 12.  Jakobus 4, 14: οὐκ ἐπίστασθε τῆς αὔριον ποία ἡ ζωὴ ὑμῶν. ἀτμὶς γάρ ἐστε ἡ πρὸς ὁλίγον φαινομένη, ἔπειτα καὶ ἀφανιζομένη.  Johannes 5, 26: ὥσπερ γὰρ ὁ πατὴρ ἔχει ζωὴν ἐν ἑαυτῷ, οὕτως καὶ τῷ υἱῷ ἔδωκεν ζωὴν ἔχειν ἐν ἑαυτῷ.  Vgl. Johannes 1, 2.  Siehe Philipper 1, 21.

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haftig Christus lebt.³⁶⁰ Die an Christus glauben, leben nicht mehr sich selber, sondern Christus lebt in ihnen, und sie leben für Christus: „Denn keiner von uns lebt sich selbst, und keiner stirbt sich selbst. Denn sei es, daß wir leben, wir leben dem Herrn; sei es, daß wir sterben, wir sterben dem Herrn. Sei es nun, daß wir leben, sei es, daß wir sterben, wir sind des Herrn“.³⁶¹ Die Gläubigen dürfen nicht mehr sich selber leben, ihrem Wohlleben und ihrem Ruhm, sondern sie leben einzig für Christus und für sein Reich. Das ist die neue Botschaft, die von Christus ausgeht. Das ist keine Ethik der heldischen Selbstverwirklichung und Selbstverehrung, sondern eine Ethik der Unterordnung und der Selbstlosigkeit. Mit anderen Worten: das ist die genaue Umkehrung der Ethik des klassischen Altertums. * Das geistliche Leben, wie es im Neuen Testament in der Lehre Jesu zur Sprache kommt, ist, auch wenn es sich bereits im irdischen Leben ereignet, schon Teil des ewigen Lebens. Der Gedanke des über die irdische Zeit und über die irdische Welt hinausreichenden Lebens ist im Alten Testament nur erst fragmentarisch und noch begrifflich unentfaltet da, wie sich schon zeigte. Im Scheol, in der Unterwelt, wird ein Leben geführt, das diesen Namen eigentlich nicht verdient. „denn es gibt weder Tun noch Überlegung noch Kenntnis noch Weisheit im Scheol, wohin Du gehst“.³⁶² Die Aussagen bleiben im Alten Testament tastend und unbestimmt. In dem apokryphen Buch der Weisheit wird mehr im Stil der Weltweisheit die Hoffnung für die Gerechten geltend gemacht, daß sie in Frieden sein werden,³⁶³  Siehe Galater 2, 20.  Römer 14, 7– 9: Οὐδεὶς γὰρ ἡμῶν ἑαυτῷ ζῇ, καὶ οὐδεὶς ἑαυτῷ ἀποθνήσκει· ἐάν τε γὰρ ζῶμεν, τῷ κυρίῳ ζῶμεν, ἐάν τε ἀποθνήσκωμεν, τῷ κυρίῳ ἀποθνήσκομεν. ἐάν τε οὖν ζῶμεν ἐάν τε ἀποθνήσκωμεν, τοῦ κυρίου ἐσμέν. Vgl. auch Jakobus 4, 13 – 17: „Wohlan den, die ihr saget: Heute oder morgen wollen wir in die und die Stadt gehen und daselbst ein Jahr zubringen und Handel treiben und Gewinn machen; die ihr nicht wissest, was der morgige Tag bringen wird.Was ist euer Leben? Ein Dampf ist es, der eine kleine Zeit sichtbar ist und dann verschwindet. Statt daß ihr saget: Wenn der Herr will und wir leben, so werden wir auch dieses oder jenes tun. Nun aber rühmet ihr euch in euren Großtuereien. Alles solches Rühmen ist böse. Wer nun weiß, Gutes zu tun, und tut es nicht, dem ist es Sünde“ (Ἄγε νῦν οἱ λέγοντες· σήμερον ἢ αὔριον πορευσόμεθα εἰς τήνδε τὴν πόλιν καὶ ποιήσομεν ἐκεῖ ἐνιαυτὸν καὶ ἐμπορευσόμεθα καὶ κερδήσομεν· οἵτινες οὐκ ἐπίστασθε τῆς αὔριον ποία ἡ ζωὴ ὑμῶν. ἀτμὶς γάρ ἐστε ἡ πρὸς ὀλίγον φαινομένη, ἔπειτα καὶ ἀφανιζομένη· ἀντὶ τοῦ λέγειν ὑμᾶς· ἐὰν ὁ κύριος θελήσῃ, καὶ ζήσομεν καὶ ποιήσομεν τοῦτο ἢ ἐκεῖνο. νῦν δὲ καυχᾶσθαι ἐν ταῖς ἀλαζονίαις ὑμῶν· πᾶσα καύχησις τοιαύτη πονηρά ἐστιν. εἰδότι οὖν καλὸν ποιεῖν καὶ μὴ ποιοῦντι, ἁμαρτία αὐτῷ ἐστιν).  Prediger 9, 10: ὅτι οὐκ ἔστιν ποίημα καὶ λογισμὸς καὶ γνῶσις καὶ σοφία ἐν ᾅδῃ, ὅπου σὺ πορεύῃ ἐκεῖ.  Daniel 3, 3.

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daß sie nicht sterben³⁶⁴, sondern ewig leben.³⁶⁵ Durch Christus und sein Wort wird diese Hoffnung erst konkret und ein Geschenk des wahrhaftigen Glaubens. Denn in ihm ist das ewige Leben selbst erschienen und durch ihn gewinnen es auch seine Anhänger. Die Belohnung für die im Glauben ihr Leben Erfüllenden ist die ewige Seligkeit.³⁶⁶ Das ewige Leben ist wie ein herrliches Erbe.³⁶⁷ Es ist ein Gegenstand der Hoffnung, der sich aber nicht erst nach dem Tod erfüllen wird, sondern das ewige Leben ist schon jetzt den Gläubigen gegeben. Der Evangelist Johannes spricht dies mit besonderer Nachhaltigkeit aus: Wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat das ewige Leben,³⁶⁸ und wer nicht glaubt, der hat nicht nur keine Hoffnung auf ein ewiges Leben, sondern der hat auch jetzt schon kein wahres Leben: „Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es sei denn daß ihr das Fleisch des Sohnes des Menschen esset und sein Blut trinket, so habt ihr kein Leben in euch selbst. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben und ich werde ihn auferwecken am letzten Tage; denn mein Fleisch ist wahrhaftig Speise, und mein Blut ist wahrhaftig Trank. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm. Gleichwie der lebendige Vater mich gesandt hat und ich lebe des Vaters wegen, so auch, wer mich ißt, der wird auch leben meinetwegen. Dies ist das Brot, das aus dem Himmel herniedergekommen ist. Nicht wie die Väter aßen und starben; wer dieses Brot ißt, wird leben in Ewigkeit. Dieses sprach er in der Synagoge, lehrend zu Kapernaum“.³⁶⁹ Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß der Ton dieser Rede der Originalton Jesu war, wenn sein messianisches Selbstbewußtsein ungebremst aus ihm sprach, hier und an anderen Stellen, und man spürt hier noch etwas von der suggestiven Kraft, die von ihm ausgegangen sein muß. In den Ohren der Pharisäer und Sadducäer und sogar seiner eigenen Jünger kann solche Sprechweise nicht anders denn aufreizend provokant gewirkt haben, und der Evangelist Johannes selbst ist uns hierfür der beste Zeuge, wenn er in seinem Bericht fortfährt: „Viele

 Daniel 3, 4.  Daniel 5, 16.  Vgl. Matthäus 19, 29; 25, 46.  1. Petrus 1, 4; 5, 10.  Johannes 3, 36; vgl. 3, 15 f.  Johannes 6, 53 – 59: εἶπεν οὖν αὐτοῖς ὁ Ἰησοῦς· ἀμὴν ἀμὴν λέγω ὑμῖν, ἐὰν μὴ φάγητε τὴν σάρκα τοῦ υἱοῦ τοῦ ἀνθρώπου καὶ πίητε αὐτοῦ τὸ αἷμα, οὐκ ἔχετε ζωὴν ἐν ἑαυτοῖς. ὁ τρώγων μου τὴν σάρκα καὶ πίνων μου τὸ αἷμα ἔχει ζωὴν αἰώνιον, κἀγὼ ἀναστήσω αὐτὸν τῇ ἐσχάτῃ ἡμέρᾳ. ἡ γὰρ σάρξ μου ἀληθής ἐστιν βρῶσις, καὶ τὸ αἷμά μου ἀληθής ἐστιν πόσις. ὁ τρώγων μου τὴν σάρκα καὶ πίνων μου τὸ αἷμα ἐν ἐμοὶ μένει κἀγὼ ἐν αὐτῷ. καθὼς ἀπέστειλέν με ὁ ζῶν πατὴρ κἀγὼ ζῶ διὰ τὸν πατέρα, καὶ ὁ τρώγων με κἀκεῖνος ζήσει δι’ ἐμέ. οὗτός ἐστιν ὁ ἄρτος ὁ ἐξ οὐρανοῦ καταβάς, οὐ καθὼς ἔφαγον οἱ πατέρες καὶ ἀπέθανον· ὁ τρώγων τοῦτον τὸν ἄρτον ζήσει εἰς τὸν αἰῶνα. Ταῦτα εἶπεν ἐν συναγωγῇ διδάσκων ἐν Καφαρναούμ.

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nun von seinen Jüngern, die es gehört hatten, sprachen: Diese Rede ist hart; wer kann sie hören? Da aber Jesus bei sich selbst wußte, daß seine Jünger hierüber murrten, sprach er zu ihnen: Ärgert euch dieses?“³⁷⁰ Geborenwerden und Sterben, Leben und Tod sind die beiden zentralen Pole des irdischen Daseins. Insoweit hat die Bewegung des irdischen Daseins die Form einer Ellipse. Was beim Geborenwerden als erstes in die Erscheinung tritt, ist das, was beim Sterben als erstes verschwindet: die Selbstbewegung. Das Sterben ist das Aufhören jeder Eigenbewegung des Körpers und des Bewußtseins. Sein äußeres Kennzeichen ist das Aufhören des Atmens und das Erkalten des Leibes,³⁷¹ der Prozeß der Verwesung und schließlich das Zerfallen in Staub.³⁷² Die äußere Ursache ist der Verlust des Blutes,³⁷³ sodann Krankheit,³⁷⁴ Altersschwäche,³⁷⁵ Unmäßigkeit,³⁷⁶ Hunger,³⁷⁷ Unmut³⁷⁸ und die unsichtbare Hand Gottes. Der Mensch leidet unter dem Sterben, es ist für ihn bitter,³⁷⁹ wie auch das Beispiel Jesu am Kreuz eindrucksvoll zeigt.³⁸⁰ Über die Schrecken des Todes hilft den durch Christus mit Gott Versöhnten der Blick auf den Himmel in der Stunde des Todes hinweg.³⁸¹ Die Geschichte der christlichen Märtyrer in den Christenverfolgungen der ersten drei Jahrhunderte, wie auch später, ist dafür das beste Beispiel. Warum aber muß der Mensch überhaupt sterben? Alle Lebewesen auf Erden müssen sterben, früher oder später.³⁸² Für die Bibel ist dies beim Menschen nicht nur natürlich bedingt, sondern hängt zusammen mit der Sündhaftigkeit des Menschengeschlechtes. Gemäß 1. Mose 3 wäre den Menschen, wären sie ohne Sünde geblieben, erlaubt worden, vom Baume des Lebens zu essen und dadurch unsterblich geworden, wie Henoch.³⁸³ Aber so erfüllt sich an den in Sünde ge Johannes 6, 60 – 62: Πολλοὶ οὖν ἀκούσαντες ἐκ τῶν μαθητῶν αὐτοῦ εἶπαν· σκληρός ἐστιν ὁ λόγος οὗτος· τίς δύναται αὐτοῦ ἀκούειν; εἰδὼς δὲ ὁ Ἰησοῦς ἐν ἑαυτῷ ὅτι γογγύζουσιν περὶ τούτου οἱ μαθηταὶ αὐτοῦ, εἶπεν αὐτοῖς· τοῦτο ὑμᾶς σκανδαλίζει;  2. Korinther 4, 34 f.  Johannes 11, 39; Psalm 16, 10; 1. Mose 3, 19; Psalm 104, 29.  1. Mose 9, 6.  Jeremias 16, 4.  1. Mose 25, 8.  Sirach 31, 30.  Offenbarung 6, 8.  1. Samuel 25, 37 f.  Sirach 28, 25; 41.  Lukas 22, 44.  Bei der Steinigung des Stephanus: Apostelgeschichte 7, 55; Philipper 1, 21: „Denn das Leben ist für mich Christus, und das Sterben Gewinn“ (Ἐμοὶ γὰρ τὸ ζῆν Χριστὸς καὶ τὸ ἀποθανεῖν κέρδος).  Siehe Psalm 90, 9; Hiob 10, 9; Prediger 3, 19 f.; Jesaja 40, 6 ff.; Sirach 40, 2 ff.; Hebräer 9, 27.  Vgl. 1. Mose 5, 24.

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fallenen Menschen die göttliche Drohung des Todes.³⁸⁴ Insbesondere Paulus hat diese Deutung des Todes vertieft, daß der Tod durch die Sünde in die Welt gekommen sei.³⁸⁵ Daß die Tierwelt von dieser Deutung des Todes ausgenommen ist, liegt an ihrer Schuldunfähigkeit infolge ihrer Vernunftlosigkeit und Instinktgeleitetheit. Von großer und folgenreicher Bedeutung für den Unsterblichkeitsgedanken ist die Limitierung des Todesbegriffes, die Jesus vornimmt. Das Alte Testament sieht im Tod nur den Gegensatz des Lebens. Für Jesus dagegen stirbt im Tod nur der Leib, die Seele des Menschen kann nicht getötet werden: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen“.³⁸⁶ In der Auferstehung Jesu leuchtete mit seinem neuen Leben ein Licht auf, dem der Tod nichts mehr anhaben kann: „Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden, da wir wissen, daß Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod herrscht nicht mehr über ihn“.³⁸⁷ Im Himmel gibt es kein Sterben mehr: „Und er wird jene Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“.³⁸⁸ Bei denen aber, die Christus widerstehen, verfällt nicht nur der Leib, sondern auch die Seele dem Verderben der Hölle,³⁸⁹ dem sogenannten „zweiten Tod“, wie es Offenbarung 2, 11 heißt: „Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Versammlungen sagt! Wer überwindet, wird nicht beschädigt werden von dem zweiten Tod“.³⁹⁰ Und Offenbarung 20, 6: „Glückselig und heilig, wer teil hat an der ersten Auferstehung! Über diese hat der zweite Tod keine Gewalt, sondern sie werden Priester Gottes und des Christus sein und mit ihm herrschen tausend Jahre“.³⁹¹ Der „zweite Tod“ meint nicht den Übergang in nichts, sondern nur ein Aufhören alles Lebenswerten im

 1. Mose 2, 17.  Siehe Römer 5, 12, 14; 1. Korinther 15, 21; Johannes 1, 15.  Matthäus 10, 28: καὶ μὴ φοβεῖσθε ἀπὸ τῶν ἀποκτεννόντων τὸ σῶμα, τὴν δὲ ψυχὴν μὴ δυναμένων ἀποκτεῖναι.  Römer 6, 8 f.: εἰ δὲ ἀπεθάνομεν σὺν Χριστῷ, πιστεύομεν ὅτι καὶ συνζήσομεν αὐτῷ, εἰδότες ὅτι Χριστὸς ἐγερθεὶς ἐκ νεκρῶν οὐκέτι ἀποθνήσκει, θάνατος αὐτοῦ οὐκέτι κυριεύει.  Offenbarung 21, 4 f.: καὶ ἐξαλείψει πᾶν δάκρυον ἐκ τῶν ὀφθαλμῶν αὐτῶν, καὶ ὁ θάνατος οὐκ ἔσται ἔτι, οὔτε πένθος οὔτε κραυγὴ οὔτε πόνος οὐκ ἔσται ἔτι· ὅτι τὰ πρῶτα ἀπῆλθαν; vgl. Jesaja 25, 8.  Siehe Matthäus 10, 28.  Ὁ ἔχων οὖς ἀκουσάτω τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις. Ὁ νικῶν οὐ μὴ ἀδικηθῇ ἐκ τοῦ θανάτου τοῦ δευτέρου.  Μακάριος καὶ ἄγιος ὁ ἔχων μέρος ἐν τῇ ἀναστάσει τῇ πρώτῃ· ἐπὶ τούτων ὁ δεύτερος θάνατος οὐκ ἔχει ἐξουσίαν, ἀλλ’ ἔσονται ἱερεῖς τοῦ θεοῦ καὶ τοῦ Χριστοῦ, καὶ βασιλεύσουσιν μετ’ αὐτοῦ τὰ χίλια ἔτη. Vgl. Offenbarung 21, 8.

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Leben. In diesem Sinne wird im Alten Testament, besonders in den ‚Sprüchen‘, das Wort „Tod“ als Inbegriff alles Verderbens gebraucht, das Wort „Leben“ als Inbegriff alles Guten. Der Seinsgrund der Fülle des Lebens ist Gott, der Ewige. Wenn die Bibel Gott den „Ewigen“ nennt,³⁹² dann bringt sie damit nicht nur die anfanglose und endlose Dauer zum Ausdruck, sondern auch die über alle Veränderung hinausgehende Intensität seines Lebens. Er ist vor aller Zeit.³⁹³ Er schafft zwar alles Zeitliche durch seine Schöpfungsaktivität und trägt es mit seinem Sein, aber er ist zugleich über der Zeit, über sie erhaben, ihr nicht verfallen und unterworfen.³⁹⁴ Er ist zeittranszendent schlechthin.³⁹⁵ In dieser Transtemporalität gründet sein ewiger Bund mit dem sterblichen und vergänglichen Menschen,³⁹⁶ und er stiftet durch Jesus Christus eine ewige Erlösung. Der Teilhabegedanke, der bei Platon und im Platonismus eine so große Bedeutung hat, ist auch im Christentum mächtig und allgegenwärtig; denn den Menschen, die durch Christus an Gott glauben und seinen Willen tun, ist Anteil an seiner Ewigkeit verheißen,³⁹⁷ an seinem ewigen Leben, das schon auf Erden beginnt und welchem der Tod nichts anhaben kann.³⁹⁸ Dieses ewige Leben, das hier gemeint ist, ist wiederum nicht gemeint als die endlose Dauer, sondern als die über alle zeitliche Unterbrechung erhabene Vollkommenheit dieses von Gott den ihm glaubenden und nachfolgenden Menschen verheißenen ewigen Lebens. In diesem Sinne wird der ewigen Seligkeit der Frommen³⁹⁹ immer wieder die ewige Unseligkeit der Verdammten gegenübergestellt.⁴⁰⁰ Von diesem eigentlichen Sprachgebrauch abweichend bezeichnen die Worte „ewig“ und „Ewigkeit“ an vielen Stellen des Alten Testamentes freilich auch auf konventionelle Weise nur einen längeren Zeitabschnitt. Aber es ist kein Zufall, daß in der Bibel besonders ein vorzeitiges Ende⁴⁰¹ oft als Strafe der Gottlosen genannt wird,⁴⁰² obwohl auch die Besten unter den Menschen durch den Tod hinweggerafft werden,⁴⁰³ denn die Vergänglichkeit ist

 Wie z. B. 1. Mose 21, 33; Jesaja 40, 28; Römer 16, 26.  Psalm 90, 2.  Psalm 90, 4.  Psalm 102, 27 f.  Siehe 1. Mose 9, 16; 17, 7; 13, 19.  Siehe Johannes 5, 24; 6, 51; Johannes 2, 17.  Johannes 5, 24.  Siehe 2. Korinther 4, 17; 2. Timotheus 2, 10.  Vgl. z. B. Matthäus 25, 41 und 46; Markus 9, 43 ff.; 2. Thessalonicher 1, 8 – 9; Offenbarung 14, 11; 20, 10.  Siehe z. B. Hiob 22, 16.  Vgl. Hiob 18, 17; 20, 8; Psalm 1, 6; 37, 20; 58, 8 f.  Hiob 4, 21.

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das Los aller Menschen.⁴⁰⁴ Die Tage der Menschen gehen vorüber wie eine Wolke,⁴⁰⁵ wie ein Rauch.⁴⁰⁶ In dieser Vergänglichkeit erkennt Psalm 90, 7 eine Strafe des göttlichen Zorns, der auf der ganzen Menschheit lastet um ihrer Sünden willen. Unvergänglich allein ist Gott⁴⁰⁷ und das neue Leben und himmlische Erbe, welches Gott durch Christus mitteilt.⁴⁰⁸ Es ist auffällig, daß die Frommen des Alten Testamentes Wert auf ein bleibendes und positives Gedächtnis ihres Namens legen. Das wird verständlich vor dem Hintergrund, daß sie keine bestimmte und gewisse Hoffnung des ewigen Lebens haben.⁴⁰⁹ Aber auch im Neuen Testament ist das Gedächtnis des Namens nicht ohne Bedeutung, wenn wir etwa an das Segensgedächtnis, das Jesus sich selbst gestiftet hat und an dem seine Jünger teilhaben,⁴¹⁰ denken und darauf Bezug nehmen, wobei der Satz Jesu, mit dem er bei der ersten Feier des Abendmahles seine Worte schloß – „Das tut zu meinem Gedächtnis“ –, eine Wiederholung dieses Mahles nach seinem Opfertod als Regel vorgibt. Der Ruhm Gottes ist in der Bibel von dem Ruhm des Menschen scharf getrennt. Das ganze Psalmbuch ist dem Lob Gottes gewidmet und will den Menschen veranlassen zu Rühmen Gottes, der bis an das Ende der Welt verkündet werden soll.⁴¹¹ Demgegenüber haben die Menschen ihre ursprüngliche Würde und Hoheit durch die Sünde verloren.⁴¹² Deshalb kann kein Mensch vor Gott Ruhm haben, aber wohl vor seinesgleichen, wie z. B. ein Freigebiger,⁴¹³ ein Verständiger,⁴¹⁴ Abraham mit seinen Werken.⁴¹⁵ Allgemein gilt: was an Menschen anerkennenswert ist, darf auch gerühmt werden,⁴¹⁶ wenn es nicht aus Heuchelei und Schmeichelei geschieht,⁴¹⁷ sondern wahrheitsgemäß.⁴¹⁸ Es wird auch mitreflektiert, daß der Umstand berücksichtigt werden muß, daß wegen der Unbe-

              

Siehe Hiob 7, 8; 34, 20; Psalm 104, 29; Sprüche 1, 4; Römer 1, 23; Jakobus 1, 10. Hiob 7, 9. Psalm 102, 4. Vgl. Römer 1, 23; 1. Timotheus 1, 17. Vgl. Römer 2, 7; 2. Timotheus 1, 10; 1. Petrus 1, 4. Siehe Sprüche 10, 7; Hosea 14, 8. Vgl. Matthäus 26, 13. Siehe z. B. Psalm 48, 11. Vgl. Römer 3, 23. Sirach 31, 28. Sprüche 16, 21. Römer 4, 2. Vgl. Hiob 29, 11; 2. Thessalonicher 1, 4. Hiob 32, 21; Sirach 11, 2. Vgl. Sprüche 20, 6.

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ständigkeit der Menschen erst nach ihrem Tod sich herausstellt, wer zu rühmen ist.⁴¹⁹ Entsprechend kritisch und im ganzen negativ fällt das Urteil über das Sichselbstrühmen aus, denn vor Gott darf kein sündiger Mensch seine eigene Person und seine Werke loben.⁴²⁰ Was der Mensch ist und was er Gutes hat, das hat er von Gott und sozusagen auf dem Gnadenweg.⁴²¹ Nur wenn der Selbstruhm in unmittelbarer Beziehung zu Gott oder zu dem Dienst an ihm steht, ist er erlaubt, so wenn Paulus sich der uneigennützigen Verkündigung des Evangeliums rühmt.⁴²² Selbst hier bleibt auffällig, daß das, worüber nach dem Text der Bibel die Christen sich rühmen, fast immer das genaue Gegenteil von dem ist, dessen die Welt sich rühmt,⁴²³ so wenn beispielsweise Paulus sich der Schwachheit seines Leibes rühmt⁴²⁴ oder von dem Pfahl in seinem Fleisch spricht,⁴²⁵ und überhaupt will er sich am liebsten seiner Schwachheit rühmen.⁴²⁶ Hier zeigt sich am deutlichsten die christliche Umkehrung der Wertewelt der klassischen Antike, eine Umkehrung, die von Platon oder Aristoteles nicht anders als grotesk empfunden worden wäre, ja überhaupt schlechthin ohne jedes Verständnis geblieben wäre. Des Paulus Hauptruhm ist der Ruhm des Kreuzes Christi, durch welchen ihm die Welt und er der Welt gekreuzigt ist: „Von mir aber sei ferne, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt“.⁴²⁷ Das Sichrühmen ist sündhaft, wenn man damit vor einer verkehrten Welt glänzen will: aus Stolz, Selbstzufriedenheit und falscher Sicherheit, aus Ruhmsucht, Hochmut und Aufgeblasenheit, kurz: wenn es einem nicht um Gottesruhm, sondern um Selbstruhm geht. So gesehen ist das Sichselbstrühmen nicht nur sündhaft, es ist aus dieser Sicht auch völlig sinnlos. Diese Position war denkbar weit von dem Geist der griechischen Philosophie entfernt. Anhänger der epikureischen und der stoischen Philosophie waren als Widersacher des Paulus diesem in Athen entgegengetreten.⁴²⁸ Stoiker und Epikureer waren die Vertreter der Hauptrichtungen der damaligen Popularphilosophie zur Zeit des Paulus. Die Lehre der Stoa war pantheistisch. Das bedeutete,  Vgl. Sirach 11, 29.  Siehe Jeremia 9, 23. 24; Römer 3, 27; 1. Korinther 1, 29; Epheser 2, 9.  Vgl. 1. Korinther 15, 10; 2. Korinther 3, 5.  Siehe 1. Korinther 9, 15 – 16; 2. Korinther 11, 10.  Vgl. Jakobus 1, 9. 10; Psalm 106, 5; Römer 5, 2– 3; 2. Korinther 12, 1.  2. Korinther 12, 5.  2. Korinther 12, 7.  2. Korinther 11, 30; 12, 9.  Galater 6, 14: ἐμοὶ δὲ μὴ γένοιτο καυχᾶσθαι εἰ μὴ ἐν τῷ σταυρῷ τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ, δι’ οὗ ἐμοὶ κόσμος ἐσταύρωται κἀγὼ κόσμῳ.  Vgl. Apostelgeschichte 17, 18.

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daß Gott, das höchste Seiende, nicht als persönliches Wesen, sondern als alles erfüllende Kraft und als Vernunft, als Weltvernunft, als Weltlogos angesehen wurde, dem die Welt und alles in ihr deterministisch unterworfen ist. Daher handeln die Menschen am besten, wenn sie sich schicksalsergeben in der Form geistiger Zustimmung von sich aus dem Unabwendbaren fügen. In dieser schicksalsergebenen Gelassenheit besteht die Tugend der Stoiker, die für sie das höchste Gut ist. Diese Gesinnung brachte bei den Stoikern Beispiele vornehmen Handelns im Geist des Strebens nach dieser Tugend hervor, aber eben auch Hochmut, Selbstgerechtigkeit und Stolz auf die eigene Tugendhaftigkeit. Auf die Lehre, die Paulus auf dem Areopag in Athen verkündete, sahen sie mitleidig und geringschätzig aus der Höhe ihres Geistesaristokratismus herab, wahrscheinlich mit einem milden Lächeln auf den Lippen. Epikureer wiederum, Anhänger des Epikur aus Samos, Haupt der von ihm im Jahre 306 vor Christus gegründeten Philosophenschule, dessen Lehre zur Zeit Jesu und der Apostel unter den Gebildeten der griechisch-römischen Welt ebenfalls weit verbreitet war, ließen sich nach dem Bericht des Paulus mit ihm auch in eine Diskussion ein, wenn auch mit mehr oder weniger gleichem Ergebnis: sie nannten ihn einen Schwätzer (ὁ σπερμολόγος), und andere sagten: „Er scheint ein Verkünder fremder Götter zu sein (ξένων δαιμονίων δοκεῖ καταγγελεὺς εἶναι)“.⁴²⁹ Von Religion wollten diese Gesprächspartner des Paulus in Athen nichts hören. Nach Meinung der Epikureer lebten die Götter in seliger Ruhe, ohne sich im geringsten um die Menschen zu kümmern. Nach deren Vorbild sollte es das höchste Ziel der Menschen sein, in diesem Leben auf Erden allem Unangenehmen aus dem Weg zu gehen und möglichst schmerzlos und ohne unangenehme Störung seine Tage hinzubringen. Es ist also kaum zuviel gesagt, wenn man sagt, daß sich Paulus und die Vertreter der Philosophie damals auf dem Areopag in Athen im Grunde herzlich wenig zu sagen hatten, weil gemeinsame Voraussetzungen so gut wie ganz fehlten. Man spürt dem ja nicht wörtlichen, sondern nur idealtypischen Bericht an, daß er aus dieser unglücklichen Gesprächssituation auf dem Areopag versucht, noch das für das Missionsanliegen des Paulus Beste zu machen.

3 Die christliche Auferstehungslehre in Konfrontation mit der antiken Umwelt Nach dem Eintritt des Christentums in die Geschichte durch die Botschaft des Juden Jesus von Nazareth ließen die Reaktionen der andersdenkenden Umwelt

 Siehe Apostelgeschichte 17, 18 – 20.

3 Die christliche Auferstehungslehre in Konfrontation mit der antiken Umwelt

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nicht lange auf sich warten.⁴³⁰ Die Auffälligkeiten und Andersartigkeiten im Verhalten der Mitglieder der entstehenden christlichen Gemeinden waren zu deutlich und markant, als daß sie einfach hätten übersehen werden können, was die römische Staatsverwaltung am liebsten getan hätte, gemäß der uralten Herrschaftsregel, unnötige Skandale zu vermeiden. Dieser Weg ließ sich aber nicht einschlagen, denn so, wie sich das Christentum der Öffentlichkeit präsentierte, erschien es den Römern revolutionär, am unentschuldbarsten erkennbar an der Verweigerung des Kaiserkultus und der Verweigerung der Anrufung der Staatsgötter, beides erklärte Staatsverbrechen (crimen laesae maiestatis im Sinne des crimen laesae Romanae religionis, also des sacrilegium, der Gottlosigkeit [ἀθεότης]), wofür es keine Nachsicht gab. Hinzu kamen weitere Verbrechen, deren man die Christen aufgrund von Gerüchten bezichtigte, wie Kindestötung während ihrer Zusammenkünfte. Es kam zu staatsrechtlichen Regelungen bezüglich der Christenverfolgung und in deren Verlauf zu Martyrien. Dieses Kapitel alter Kirchengeschichte beweist zur Genüge, daß die neu aufgekommene Sekte der Christen im Römischen Reich nicht als eine willkommene Bereicherung des religiösen Lebens und der religiösen Vielfalt wahrgenommen wurde, sondern unter den Kaiserregierungen in den ersten drei Jahrhunderten als ein die allgemeine Ordnung des Staates gefährdender Unruheherd angesehen wurde, wenn auch mit durchaus unterschiedlichen Konsequenzen im einzelnen.⁴³¹ Die nichtchristliche Bevölkerung verhielt sich gegen die Christen sehr lange feindlich, geleitet von Vorurteilen, mangelnder Vertrautheit und Kenntnis. Unter den Gebildeten war das Wissen über diese neue Religion meistens nur oberflächlich, sehr lückenhaft, und oft unterschied man das Christentum entweder gar nicht oder ganz mangelhaft vom Judentum. Zu literarischen Angriffen auf das Christentum kam es infolge dieses ungenügenden Kenntnisstandes in dieser frühen Zeit kaum oder gar nicht. Ein erster grundsätzlicher Generalangriff erfolgte von einem Philosophen aus der Schultradition Platons, ein platonisierender

 Siehe hierzu M. Fiedrowicz, Christen und Heiden. Quellentexte zu ihrer Auseinandersetzung in der Antike, Darmstadt 2004; Ders., Apologie im frühen Christentum. Die Kontroverse um den christlichen Wahrheitsanspruch in den ersten Jahrhunderten, Paderborn 2000. Vgl. S. Benko, „Pagan Criticism of Christianity During the First Two Centuries AD“, ANRW 23/2, 1980, 1055 – 1118.  Zur Entwicklung der kleinen christlichen Gemeinschaft am Rande des römischen Imperiums zu einer Großkirche und Religion siehe grundlegend A. von Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, 4. Auflage Leipzig 1924 (1902); Vgl. C. Andresen, Geschichte des Christentums I: Von den Anfängen bis zur Hochscholastik, Stuttgart 1975; H. Chadwick, The Early Church, Harmondsworth 1967; J. Daniélou, L’Église des premiers temps: Des origins à la fin du III siècle, Paris 1963; J. Ratzinger, Einführung in das Christentum, München 1968; R. L. Fox, Pagans and Christians, Harmondsworth 1986, bes. 265 – 335.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

Philosoph namens Celsus (Kelsos), der um circa 177/180 mit einer Schrift mit dem Titel Λόγος ἀληθής hervortrat.⁴³² Die Schrift ist nicht auf uns gekommen, wahrscheinlich der strengen Klosterzensur des Mittelalters zum Opfer gefallen. Aber aus der Verteidigungsschrift des Origenes (185 – 254) Contra Celsum, die uns erhalten ist, ist die Schrift des Celsus weitgehend rekonstruierbar.⁴³³ Jedenfalls sind die Hauptangriffspunkte des Celsus, mit denen er das Christentum bekämpft, ziemlich vollständig erkennbar und in ihrer Tendenz deutlich. Er nimmt Anstoß an den christlichen Lehren der Inkarnation, der Auferstehung, des Weltgerichts, des Monotheismus. Die christlichen Wunder sind ihm Magie, Jesus hält er für einen Schwindler, und bezüglich der Herkunft Jesu übernimmt er eine verbreitete jüdische Schmähung, wonach Jesus von dem Soldaten Pantera im Ehebruch mit Maria erzeugt wurde. Die vermeintlich übernatürliche Geburt wird also rationalistisch erklärt. Wer war Origenes?⁴³⁴ Er wurde 185/86 in Alexandreia in einer christlichen Familie geboren. Er war schon 203 Lehrer an der Katechetenschule in Alexandreia. Zur gleichen Zeit hörte er daselbst Ammonios Sakkas (um 175 – 242), den Begründer des Neuplatonismus und Lehrer Plotins (geb. 205 in Lykopolis in Ägypten), der ihm zeitlebens ergeben und ein treuer Schüler war. Den Wunsch Ammonios Sakkas, der keine Schriften verfaßt hat, seine Philosophie nicht öffentlich bekannt zu machen, haben spätere Anhänger mißachtet. Auf diese Weise ist uns seine Lehre, die sich in den wesentlichen Punkten mit der Plotins deckte, bei Hierokles, Johannes Philoponos und Nemesios überliefert. Das alles deutet darauf hin, daß Origenes, der, wie gesagt, Ammonios Sakkas noch selbst hörte, der Mann einer soliden philosophischen Bildung war. Er starb wahrscheinlich 254 in Tyrus als Folge eines unter Kaiser Decimus (249 – 251) erlittenen Martyriums. Seine literarische Tätigkeit war epochal, vieles davon ist nicht erhalten. Aber von seinen apologetischen Schriften zur Verteidigung des Christentums ist vollständig erhalten die Schrift Contra Celsum. Auf sie kommt es uns in unserem Zusammenhang vor allem an. Denn sie läßt in der Auseinandersetzung mit Celsus so klar wie kein anderes Werk der christlichen Apologetik dieser frühen Zeit erken-

 Vgl. M. Frede, „Celsus Philosophus Platonicus“, ANRW 36/7, 1994, 5183 – 5213; Ders., „Celsus’ Attack on the Christians“, in: J. Barnes/M. Griffin (Hrsgg.), Philosophia Togata II: Plato and Aristotle at Rome, Oxford 1997, 218 – 240.  M. Borret (edidit), Origène contre Celse I-V, Paris 1967– 1976; M. Marcovich (edidit), Origenes Contra Celsum Libri VIII, Leiden/Boston/Köln 2001.  U. Berner, Origenes, Darmstadt 1981; H. Crouzel, Origène, Paris 1985; C. Kannengiesser/W. L. Petersen (Hrsgg.), Origen of Alexandria: His World and His Legacy, Paris 1988. Vgl. auch R. Williams, „Origenes/Origenismus“, Theologische Realenzyklopädie, Bd. 25, 1995, 397– 420 und C. Markschies, „Origenes“, Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 6, 2003, 657– 662.

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nen, welche die zentralen Konfliktpunkte zwischen dem Christentum und der nichtchristlichen Welt waren,⁴³⁵ darunter eben auch in vorderster Linie das Thema der Unsterblichkeit. Origenes war christlicher Neuplatoniker, mit der Gedankenwelt der hellenistischen Philosophie bestens vertraut und zugleich Vorkämpfer und Verteidiger der christlichen Religion.⁴³⁶ Aus seiner Apologie des Christentums erwuchs das erste christlich-theologische System, das für Jahrhunderte die Dogmatik der christlichen Theologie nachhaltig beeinflußte.⁴³⁷ Die Struktur seines Systems ist die folgende: der Begriff des Gottes ist platonisch konzipiert, was den philosophischen Grundentwurf betrifft. Im Medium des Christentums ist Gott der Vater, aus dessen Wesen der Sohn, der Logos, erzeugt wird, von Ewigkeit her und in alle Ewigkeit. Deshalb ist der Sohn oder Logos dem Vater wesensgleich (ὁμοούσιος) wie der heilige Geist. Dieser τριάς untergeordnet sind die übrigen vom Logos von Ewigkeit her geschaffenen geistigen Wesen: die Engel, die Menschen, die Dämonen. Als diese Wesen von Gott abfielen, schuf Gott die Materie und verbannte die gefallenen Geister zur Strafe in materielle Leiber. Daraus entstand das Verlangen nach Erlösung. Diese Erlösung vollbringt der Logos durch seine Menschwerdung. Er nimmt einen Menschenleib an und wird auf diese Weise zum GottMensch: θεάνθρωπος. Die Erlösung bewirkt er durch sein Vorbild, durch die Offenbarung seiner Lehre und durch seinen Opfertod am Kreuz, wodurch er die Dämonen besiegt und dem Teufel ein Lösegeld⁴³⁸ zahlt für die Befreiung der Menschen. So allmählich das Materielle immer mehr hinter sich zurücklassend, steigt der Mensch zu Gott empor. Denn nach dem Tod erwarten ihn Läuterungsfeuer und Seligkeit oder aber Hölle und neue Welten zu neuer Bewährung. Am

 Vgl. K. Pichler, Streit um das Christentum. Der Angriff des Kelsos und die Antwort des Origenes, Frankfurt/Bern 1980; C. Andresen, Logos und Nomos. Die Polemik des Kelsos wider das Christentum, Berlin 1955. Siehe auch M. J. Edwards, Origen Against Plato, ND Aldershot 2004.  Siehe K. O. Weber, Origenes der Neoplatoniker, München 1962; vgl. J. M. Rist, „Beyond Stoic and Platonist: A Sample of Origen’s Treatment of Philosophy (Contra Celsum: 4.62– 70)“, in: H. Blume/F. Mann (Hrsgg.), Platonismus und Christentum. Festschrift für Heinrich Dörrie, Münster 1983, 228 – 238; Allgemeiner siehe z. B. auch B. Beierwaltes, Platonismus im Christentum, Frankfurt a. M. 1998; H. Dörrie, „Was ist ‚spätantiker Platonismus‘“? Überlegungen zur Grenzziehung zwischen Platonismus und Christentum, in: Theologische Rundschau 36, 1971, 285 – 302.  T. Kobusch, „Origenes, der Initiator der christlichen Philosophie“, in: W. Geerlings/H. König (Hrsgg.), Origenes. Vir ecclesiasticus, Bonn 1995, 27– 44. Vgl. Ders., „Die Begründung eines neuen Metaphysiktyps durch Origenes“, in: W. A. Bienert/U. Kühneweg (Hrsgg.), Origeniana Septima. Origenes in den Auseinandersetzungen des 4. Jahrhunderts, Leuven 1999. Grundlegend noch G. Thomasius, Origenes. Ein Beytrag zur Dogmengeschichte des dritten Jahrhunderts, Nürnberg 1837.  Vgl. Matthäus 20, 28: δοῦναι τὴν ψυχὴν αὐτοῦ λύτρον ἀντὶ πολλῶν.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

Schluß werden alle der Seligkeit teilhaftig werden (ἀποκατάστασις πάντων).⁴³⁹ Das heißt: die urchristliche Eschatologie wird durch Origenes spiritualisiert, man könnte auch mutatis mutandis sagen: platonisiert. In der Auseinandersetzung mit diesem gedanklichen Erbe des Origenes vollzog sich die theologische Entwicklung des Ostens in den kommenden Jahrhunderten. Durch die Verbindung des Christentums mit der hellenistischen Philosophie entstand so in der Theologie der sogenannten Apologeten ein System der christlichen Weltanschauung, das nun mit den Systemen der hellenistischen Religionsphilosophie in Konkurrenz treten konnte, und zwar durch die Absorption und Applikation der griechischen philosophischen Begrifflichkeit auf Augenhöhe. Die Schrift des Celsus gegen die Christen bekämpft das Christentum mit Leidenschaft und Scharfsinn und reduziert es aus politisch-historischer Sicht auf einen mißlungenen Aufstandsversuch. Celsus lebte schon lange nicht mehr, als Origenes auf Aufforderung seines Freundes Ambrosius wahrscheinlich im Jahre 248 die Gegenschrift zu der etwa im Jahr 178 entstandenen Schrift des Celsus verfaßte. Die Erwiderung des Origenes ist die bedeutendste Leistung der christlichen Apologetik in der Entwicklung des Christentums in der gesamten Periode vor der von Kaiser Konstantin einberufenen ersten ökumenischen Synode in Nicäa im Jahre 325. Celsus beurteilt die Lehren des Christentums von einem streng rationalen Standpunkt. Der christlichen Idee der duldenden Liebe stellte er den Begriff der Gerechtigkeit entgegen, dem Glauben an die Erlösung der Menschheit die Überzeugung von der vernunftgemäßen ewigen Ordnung des Universums, dem Dogma von dem menschgewordenen Gott die Jenseitigkeit Gottes, der überhaupt nicht direkt und unmittelbar, sondern nur indirekt und mittelbar auf das irdische Geschehen einwirke. Dem Glauben an die Auferstehung des Leibes begegnet er mit der Lehre von der Nichtigkeit der Materie und der alleinigen Fortexistenz der Seele, ohne Leib. Die nicht zu leugnende massenhafte Verbreitung des Christentums erklärte er mit der von sinnlichen Vorstellungen leicht beeindruckbaren Natur des Menschen, insonderheit aber solcher Vorstellungen in bezug auf Drohungen und Verheißungen, die sich in den Affekten von Furcht und Hoffnung mit Bezug auf den jenseitigen Zustand nach dem Tod manifestieren, also die hochsensible Thematik von Leben und Tod, Sterblichkeit und Unsterblichkeit tangieren.

 J. C. Janowski, Apokatastasis Panton – Allerlösung: Annäherungen an eine entdualisierte Eschatologie, 2 Bde., Neukirchen-Vluyn 2000; I. Ramelli, The Christian Doctrine of Apokatastasis, Leiden 2013.

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Diesem Generalangriff des Celsus auf die Glaubenswelt des Christentums begegnet Origenes mit der Behauptung der Vernunftgemäßheit und Beweisbarkeit des Christentums.⁴⁴⁰ Die Erfüllung alttestamentlicher Weissagungen spielt für ihn eine primäre Rolle,⁴⁴¹ sowie die Wunder an Kranken und Besessenen durch das Vorlesen des Evangeliums, außerdem die Ausbreitung des Christentums auf die vorbildliche sittliche Reinheit der christlichen Gemeinden vor dem Hintergrund der allgemeinen Verkommenheit.⁴⁴² Das Existenzrecht dieser Gemeinden gegen den Willen des Staates begründet er mit dem von Gott stammenden Naturrecht. Dieses stehe höher als das geschriebene Recht.⁴⁴³ Die einzelnen Dogmen des Christentums begründet Origenes gegen Celsus so, wie er es auch in seiner Schrift Über die Prinzipien (Περὶ ἀρχῶν),⁴⁴⁴ dem ersten Handbuch der christlichen Dogmatik mit Anlehnungen an die platonische Philosophie, getan hat.⁴⁴⁵ Die Verteidigungsschrift des Origenes gegen Celsus läßt nach Form und Inhalt erkennen, daß sich Origenes seiner Sache sehr sicher war, von deren Überlegenheit er überzeugt war, und entsprechend legt die ganze Schrift des Origenes Zeugnis ab von einem im Jahr 248 schon erstaunlich entwickelten missionarischen Selbstbewußtsein eines Verteidigers des Christentums. Gleichwohl tat Ambrosius gut daran, seinen gelehrten Freund Origenes zu bitten, die dem Christentum so dezidiert feindliche Schrift des Celsus, die den Feinden des Christentums bis weit in die Neuzeit hinein Munition gegen das Christentum lieferte, Punkt für Punkt zu widerlegen. Die Erwiderungsschrift des Origenes wurde und ist bis heute eine Meisterleistung christlicher Apologetik, und Ambrosius hätte keinen geeigneteren Autor dafür finden können als Origenes, den gelehrtesten christlichen Schriftsteller jener Zeit. Aus dem umfangreichen Katalog der Angriffspunkte des Celsus gegen das Christentum interessiert uns im Kontext der Thematik unseres Buches nur der Topos der Auferstehung und des ewigen Lebens nach dem Weltgericht. Die Hoffnung auf die allgemeine Auferstehung des Leibes erscheint Celsus besonders grotesk bei Menschen, die doch, wie die Martyrien täglich zeigten, ihren Leib so

 Vgl. C. Reemts, Vernunftgemäßer Glaube. Die Begründung des Christentums in der Schrift des Origenes gegen Celsus, Bonn 1998.  Contra Celsum I 50 ff.  Contra Celsum I 1– 4; III 30.  Contra Celsum V 35.  H. Görgemanns/H. Karpp, Origenes, Vier Bücher von den Prinzipien, hrsg., übers., mit kritischen und erläuternden Anmerkungen versehen, Darmstadt 1976.  Vgl. M. Edwards, „Origen’s Platonism: Questions and Caveats“, Zeitschrift für antikes Christentum 12 (1), 2008, 20 – 38; I. Ramelli, „Origen, Patristic Philosophy, and Christian Platonism“, Vigiliae Christianae 63, 2009, 217– 263.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

willig zermartern ließen. Auch die Menschwerdung Gottes ist Celsus ganz undenkbar und unvereinbar mit der Erhabenheit und Unveränderlichkeit Gottes, weil sie diese Qualität Gottes in Berührung und Verbindung brächte mit der Sünde, dem Elend und allen minderwertigen Eigenschaften dieser Welt. Er sieht darin keine Aufwertung der Welt, sondern eine Abwertung der über der Welt seienden Gottheit. Durch diese seine Betrachtungsweise läßt Celsus klar und deutlich erkennen, daß er ganz in der Tradition der griechischen Philosophie steht und man über die Weisheiten der jüdisch-christlichen Weltanschauung, insoweit sie nicht partiell und mehr oder weniger zufällig identisch sind mit Lehren der griechischen Philosophie, und über deren Verkehrtheiten eigentlich nur den Kopf schütteln kann. In seinen Augen ist das Christentum des schlimmsten Verbrechens schuldig, das es überhaupt gibt: des odium generis humani. Selbst dieser Vorwurf und die vielen Einwände, die Celsus in seiner Schrift gegen das Christentum vorbringt, konnten nicht verhindern, daß die christliche Eschatologie, das heißt die Lehre von den letzten Dingen, als da sind Tod, Auferstehung, Weltgericht und ewiges Leben in einem himmlischen Dasein, auf die spätantiken Menschen seit dem 1. Jahrhundert in zunehmendem Maße eine magische Anziehung ausübte, gegen die auch der anfängliche Widerstand schließlich machtlos blieb. Der Machtpolitiker Kaiser Konstantin war klug genug, nach drei Jahrhunderten des vergeblichen Widerstands gegen das Christentum daraus die einzig richtige Konsequenz zu ziehen, nämlich sich und den römischen Staat an die Spitze dieser ohnehin unaufhaltsamen religiösen Bewegung zu stellen und die Politik in die Bahn zu lenken, die zur einseitigen Begünstigung der christlichen Religion unter Theodosius I. und dann zum Staatskirchentum führte.⁴⁴⁶ Diese religionspolitische Entwicklung im römischen Reich seit Konstantin zog die Unterdrückung aller anderen religiösen Bewegungen, also der heidnischen Kulte und Mysterienreligionen nach sich und führte zur Christianisierung des gesamten römischen Reiches, das im Jahre 395 in das Oströmische und in das Weströmische Reich geteilt wurde, das 476 von Odoaker zerschlagen wurde. Das Oströmische oder Byzantinische Reich erlag 1453 dem Ansturm der osmanischen Türken. Der jähe Wechsel von der drei Jahrhunderte lang befolgten Politik des Versuchs der Ausrottung des Christentums hin zum Sieg des Christentums durch die im Jahre 313 erfolgte Wende der kaiserlichen Religionspolitik war einer der wirkungsvollsten Wendepunkte der Geschichte, nicht nur des Christentums, sondern  Siehe N. H. Baynes, Constantine the Great and the Christian Church, London 1929 (ND 1972); H. Dörrie, Das Selbstzeugnis Kaiser Konstantins, Göttingen 1954; C. M. Odahl, Constantine and the Christian Empire, London/New York 2004. Vgl. N. Lensky (Hrsg.), The Cambridge Companion to the Age of Constantine, Cambridge ²2011 (2005).

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der Weltgeschichte überhaupt. Natürlich war dieser jähe Wechsel der kaiserlichen Religionspolitik zur Anerkennung des Christentums kein Zufall. Wie immer die Frage nach den persönlichen Motiven der Religionspolitik Kaiser Konstantins beantwortet wird, entscheidend bleibt die Tatsache, daß sich der Umschwung nur aus dem allgemeinen Zusammenhang ergeben konnte. Und der war so, daß der Christenglaube mittlerweile zahlreiche Menschen bis in das römische Heer hinein so weit erfaßt hatte, daß Konstantin daraus die machtpolitisch richtige Konsequenz zog. Das war Konstantins entscheidende Tat.⁴⁴⁷ Mit der Urchristenheit brach zum ersten Male in der Geschichte ein Zeitalter an, in dem sich mit der Vorstellung des Weltendes ein heilsgeschichtliches Denken verband, das die Frage nach dem Schicksal der Einzelseele nach dem Tod des Leibes auf existentielle Weise im Zusammenhang mit der Vorstellung von Gericht, Erlösung und Verdammnis im Kontext einer dramatischen Erzählung konkret beantwortete, und zwar so konkret beantwortete, wie das in Reichweite der breiten Volksmassen in der Antike bis dahin noch nicht geschehen war. Die Ethiksysteme der klassischen griechischen Philosophie, das heißt in der Hauptsache die des Platon und Aristoteles, und die Ethiksysteme des Hellenismus, des Epikur und der Stoa, hatten auch da, wo sie nach dem heutigen Verständnis die Form von Popularphilosophien annahmen, zu keiner Zeit die breiten Volksmassen erreicht,⁴⁴⁸ sondern waren mehr oder weniger eine Angelegenheit der gebildeten Oberschicht und ihrer jeunesse dorée geblieben, von Ausnahmen und anekdotenhaften Einzelfällen abgesehen. Sokrates war und blieb eine allgemein verehrte einsame Denkmalfigur ohne konkrete Bedeutung für das Volk. Die große Menge der Menschen der Unterschicht war nach dem Zerfall der griechischen Stadtstaaten im Zeitalter des Hellenismus mit ihren Sorgen und Nöten und Existenzängsten auf sich selbst verwiesen und wurde gleichzeitig von den sich immer mehr ausbreitenden religiösen Sekten, die Lösungsangebote für ihre Lebensprobleme bereithielten, angezogen. In Konkurrenz damit waren die abstrakten Lehren der philosophischen Ethiken und der noch abstrakteren, bis zur Unverständlichkeit fragmentarischen Seelenlehren der überlieferten Philosophie klar im Nachteil und waren nicht die Antworten, die die nach persönlicher Er-

 Ob er dabei im religiösen Sinne ein Heuchler war oder aus echten religiösen Motiven handelte, ist weltgeschichtlich irrelevant; außerdem ist es ein Faktum der Psychologie, daß sich die Motive eines Menschen, die ihn ursächlich bei einem Handeln beeinflussen, unbeweisbar sind. Sie entziehen sich der Beweisbarkeit. Über sie kann man nur Vermutungen anstellen.  Vgl. C. Riedweg, „Mit Stoa und Platon gegen die Christen“, in: T. Fuhrer/M. Erler (Hrsgg.), Zur Rezeption der hellenistischen Philosophie in der Spätantike, Stuttgart 1999, 55 – 81.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

lösung süchtigen Massen dieses nun angebrochenen neuen Zeitalters befriedigen konnten.⁴⁴⁹ Gegen diesen Mainstream der neuen Zeit versuchte ein Mann wie Celsus, ein Mann der überkommenen, klassischen, philosophischen Bildung, ein Vertreter der platonischen Schule, anzukämpfen. Er ist anerkanntermaßen das beste Beispiel seiner Art in diesem Streit der Weltanschauungen. An seinen Einwänden gegen das Christentum können wir in Reinkultur sehen, wo sich damals die Geister schieden, weil ein Kompromiß nicht mehr möglich war. Zu weit lagen die Standpunkte auseinander. Daß aus diesem Streit der Weltanschauungen, insonderheit der religiösen Richtungen, am Ende das Christentum als Sieger hervorging und zwar konkurrenzlos hervorging, ist nach dieser, der obigen Erklärung, so scheint es, um einige Grade plausibler als ohne diese. Der Gedanke der persönlichen, individuellen Unsterblichkeit, der in der griechischen Philosophie keine konkrete Ausformung gefunden hatte in dem Sinne, daß er auch in der Erwartungsökonomie der ungebildeten und unterdrückten Schichten im römischen Reich einen existentiell nachvollziehbaren Ausdruck gefunden hätte, stand nun plötzlich im Mittelpunkt der neuen Heilslehre des Christentums, deren eschatologische Erwartungen zwar der jüdischen Apokalyptik entstammten, aber von den Christen bald in einen übernationalen, universalen Rahmen gestellt wurden, wie die zum Programm erhobene Heidenmission zeigt. Die irdischen Leiden der Verfolgung wurden durch die Erwartung des endzeitlichen Triumphes kompensiert. Die Naherwartung der Wiederkehr Jesu und der Aufrichtung seiner Herrschaft befriedigte das Erlösungsbedürfnis des einzelnen Christen in Verbindung mit dem in den Gemeinden sich verstärkenden Zuspruch des Heilsversprechens. Hier vermischten sich Tendenzen des griechischen Mysteriendenkens mit aus dem Orient stammenden Erlösungskulten zur Einheit einer suggestiven theologisch-existentiellen Deutung, die konkrete Erwartungselemente breiter Schichten in für sie zwingender Logik umfaßte: Auferstehung des Leibes, Aufstieg der Seele, Eintritt in das Gottesreich und die Anschauung der Herrlichkeit Gottes – das alles als Belohnung für ein irdisches Leben gemäß den Geboten Gottes. Damit erfüllte sich zum ersten Mal in der Geschichte für die Menschen die uralte Sehnsucht nach einem ewigen Leben, dem ewigen Leben, also nach dem Leben, das keine Begrenzung mehr erfährt durch das unerbittliche, jeden treffende Ereignis des Todes, mit dem jedes Menschenleben zunächst einmal abrupt im Nichts sein Ende findet. Was in diesem neuen

 Zur detaillierten Behandlung der Aitiologie, warum das Christentum in der Antike überlebte, siehe C. Markschies, Das antike Christentum. Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen, München 2006.

3 Die christliche Auferstehungslehre in Konfrontation mit der antiken Umwelt

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Erlebnishorizont geschah, war nichts weniger als die endgültige Antwort auf die Frage aller Fragen, die die Menschen von jeher bewegte: Was geschieht mit mir nach dem Tod? Ist mit dem Tod das Leben des Menschen ein für allemal beendet? Erschöpft sich der Sinn des Lebens in diesem irdischen Leben von der Geburt bis zum Tod oder geht das Leben in irgendeiner Form über den Tod hinaus weiter? Auf diese die Menschen bewegende Urfrage hatte es auch vor dem Eintritt des Christentums in die Geschichte viele Versuche einer Antwort gegeben, nicht zuletzt auch in den das junge Christentum umgebenden antiken Religionen, im heidnischen Hellenismus und besonders in den vorderasiatischen Religionen. Daß das Christentum über alle diese Bewegungen, die es umgab, den Sieg davontrug, war der historische Beweis seiner Überlegenheit. Einen anderen Beweis dafür gibt es in dieser unserer Welt nun einmal nicht.⁴⁵⁰ Die Frontlinie in der Auseinandersetzung zwischen Christentum und heidnischer Umwelt bezeichnen für uns heute systematisch und historisch die sogenannten christlichen Apologeten, die in der aktuellen Abwehr der heidnischen Anfeindungen stehen und sich zur Verteidigung des Christentums aufgerufen fühlen.⁴⁵¹ Die christlichen Apologeten betrachten das Christentum als eine Philosophie, aber als die allein wahre Philosophie. Sie benutzen Begriffe und Methoden des hellenistischen Denkens, besonders des stoischen Rationalismus,⁴⁵² und integrieren sie instrumentalistisch in ihre Argumentationstechnik, was langfristig unvermeidlich zu einer Hellenisierung der christlichen Gedankenwelt führte.⁴⁵³ Auf der anderen Seite, nämlich der Seite der Christengegner, beobachten wir, wie besonders diejenigen Elemente der christlichen Lehre den Widerspruch provozieren, die als Fremdkörper in der griechischen Gedankenwelt empfunden werden. Am deutlichsten wird das bei der Frage nach dem individuellen ewigen

 Damit haben wir uns abzufinden, auch wenn uns diese Logik nicht gefallen sollte. Man könnte ihn den pragmatischen Beweis der Weltgeschichte nennen. Hegel spricht an dieser Stelle von der „Vernunft“ in der Geschichte, was vielen noch weniger gefällt.  Siehe z. B. M. Frede, „Origen’s Treatise Against Celsus“, in: M. Edwards/M. Goodman/S. Price (Hrsgg.), Apologetics in the Roman Empire: Pagans, Jews and Christians, Oxford 1999, 81– 104. Siehe auch Fiedrowicz (wie Anm. 430).  T. Rasimus/T. Engberg-Pedersen/I. Dundenberg (Hrsgg.), Stoicism in Early Christianity, Peabody 2010; Vgl. M. Spanneut, Le stoicisme des Pères d’Église, Paris 1957.  Vgl. M. Lutz-Bachmann, „Hellenisierung des Christentums?“, in: C. Colpe/L. Honnefelder/M. Lutz-Bachmann (Hrsgg.), Spätantike und Christentum, Berlin 1992, 77– 98; H. Chadwick, Early Christian Thought and the Classical Tradition, Oxford 1966; T. Kobusch, „Christliche Philosophie: Das Christentum als Vollendung der antiken Philosophie“, in: T. Kobusch/M. Erler (Hrsgg.), Metaphysik und Religion. Zur Signatur des spätantiken Denkens, Leipzig 2002, 239 – 259. Siehe auch treffend G. Karamanolis, The Philosophy of Early Christianity, Cambridge 2013.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

Leben, der individuellen Unsterblichkeit und der Auferstehung von den Toten, also Topoi, bei denen die Christen mit ganz konkreten Glaubenssätzen aufwarten konnten, während der heidnischen Gegenseite entsprechende Parallelen fehlten. Wo heidnische Vorstellungen dieser Art und auch rationale Gedankengänge, die in diese Richtung weisen würden, nicht zur Verfügung stehen, werden naturgemäß die Angriffe heftig, und hier zeigt sich dann, daß wir genau an der Stelle sind, wo sich die Weltanschauungen unversöhnlich gegenüberstehen. Das ist nun auch genau der Ort, wo im Denken der Antike die Semantik der Begriffe der Unsterblichkeit, der Unvergänglichkeit, des ewigen Lebens, ja selbst des Leibes einen grundlegenden Wandel erfahren. Und das wiederum ist der tiefere Grund, weshalb es zwischen den christlichen Apologeten und den Widersachern des Christentums keine Vermittlung gibt und geben kann. Überdies und nebenbei merkt man den Texten der christlichen Apologeten an, daß sie sich nicht nur ihrer Sache, sondern auch der Zukunft absolut sicher sind. Sie argumentieren in dem Bewußtsein, Gott auf ihrer Seite zu haben und also auch den Sieg, und das heißt: die Zukunft. Daß die christliche Botschaft mit ihrer breit und sinnlich anschaulich ausgemalten Erwartung eines ewigen Lebens in der Gemeinschaft mit Gott im Himmel der Seligen nach der Auferstehung von den Toten den Nerv der Zeit getroffen hatte, gibt Celsus in seiner Schrift an vielen Stellen, die Origenes in seiner Gegnerschrift zitiert, immer wieder ungewollt selbst zu, fast neidisch und eifersüchtig auf diesen Vorsprung und auf den missionarischen Erfolg des Christentums gerade auch bei dem einfachen Volk, eine Popularität, von der die heidnischen Philosophien und ihre Wanderprediger weit entfernt waren.⁴⁵⁴ Denn die abstrakte Redeweise von der Unsterblichkeit der Seele, wie sie in der Tradition des Platonismus gang und gäbe war, regte keinen Menschen in der nicht akademischen Welt existentiell auf und führte auch nicht zu einem Sinneswandel (μετάνοια) und zu einer Verhaltensänderung im alltäglichen praktischen Leben. Vor diesem Hintergrund sagt Origenes gegen Celsus: „Jeder, der es hören will, mag lernen: ‚Unsterblich‘ ist nicht ‚der Tote‘, unsterblich ist der, welcher von den Toten auferstand. Also ist nicht nur ‚der Tote‘ nicht ‚unsterblich‘, sondern es war auch Jesus, der zwei Naturen in sich vereinigt, nicht ‚unsterblich‘ vor seinem Tode, weil er eben sterben sollte. Denn niemand ist ‚unsterblich‘, der einmal sterben soll; ‚unsterblich‘ ist nur, wer nicht mehr sterben wird. ‚Nachdem Christus von den Toten auferweckt ist, stirbt er nicht mehr; der Tod hat keine Gewalt mehr über

 Siehe z. B. G. Clark, Christianity and Roman Society, Cambridge 2004, 27– 37; P. Brown, The World of Late Antiquity, London 1971, 78 – 93.

3 Die christliche Auferstehungslehre in Konfrontation mit der antiken Umwelt

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ihn‘,⁴⁵⁵ wenn auch die Leute, die den Sinn dieser Worte nicht fassen können, hiermit nicht einverstanden sind“.⁴⁵⁶ Es bleibt dabei: die christliche Auferstehungslehre ist das große Ärgernis des Celsus, wie auch die folgende Stelle bei Origenes zeigt: „Celsus führt aus dem Evangelium an, daß Jesus nach seiner Auferstehung von den Toten ‚die Merkmale seiner Strafe zeigte, und die Hände, wie sie durchbohrt waren‘, und wirft dann die Frage auf: ‚Wer hat dies gesehen?‘ Und während die Schrift berichtet, daß Maria von Magdala es gesehen hat,⁴⁵⁷ so beschimpft er sie mit den Worten: ‚Ein halbrasendes Weib, wie ihr sagt‘. Und weil nach der Angabe der Schrift nicht nur sie, sondern auch andere Jesus nach seiner Auferstehung gesehen haben, so findet der Jude des Celsus auch darin eine Anklage und sagt: ‚Und vielleicht noch ein anderer von derselben Gaunerbande‘“.⁴⁵⁸ Hier spricht sich ganz massiv die dahinterstehende Empörung des Celsus über die christliche Zumutung der Lehre von der „Auferstehung im Fleische“ aus. Diese Lehre gehörte, davon dürfen wir ausgehen, zu den besonders attraktiven Verlockungen, mit denen die christliche Religion in den Augen des Celsus ihre Anhänger so erfolgreich ansprach. Diesen Punkt greift Origenes in seiner Schrift gegen Celsus in III 80 f. auf, wenn er bemerkt: „Da aber Celsus auch sagt, daß die Christen ‚durch eitle Hoffnungen verlockt würden‘, so wollen wir ihm, der die Lehre von dem seligen Leben und von der Gemeinschaft mit der Gottheit⁴⁵⁹ angreift, antworten: Soweit es auf dich, mein Bester, ankommt, ‚werden durch eitle Hoffnungen verlockt‘ auch die Anhänger der Lehre des Pythagoras und Platon von der Seele, die danach von Natur aus befähigt ist, zu der Wölbung des Himmels emporzusteigen und in dem ‚himmlischen Ort‘⁴⁶⁰ Dinge zu schauen, an deren Anblick die Seligen sich erfreuen“.⁴⁶¹

 Römer 6, 9.  Contra Celsum II 16: Τὸ δὲ „πόθεν ἀθάνατος ὁ νεκρός;“ μανθανέτω ὁ βουλόμενος ὅτι οὐχ ‘ὁ νεκρὸς ἀθάνατος’, ἀλλ’ οὐδ’ ὁ πρὸ τοῦ νεκροῦ Ἰησοῦς ὁ σύνθετος ἀθάνατος ἦν, ὅς γε ἔμελλε τεθνήξεσθαι. Οὐδεὶς γὰρ τεθνηξόμενος ἀθάνατος, ἀλλ’ ἀθάνατος, ὅτε οὐκέτι τεθνήξεται. „Χριστὸς δὲ ἐγερθεὶς ἐκ νεκρῶν οὐκέτι ἀποθνῄσκει· θάνατος αὐτοῦ οὐκέτι κυριεύει“. κἂν μὴ βούλωνται οἱ ταῦτα πῶς εἴρηται νοῆσαι μὴ χωρήσαντες.  Johannes 20, 1 u. 11– 18.  Contra Celsum II 59: Εἶθ’ ἑξῆς τούτοις εἰπὼν τὰ ἀπὸ τοῦ εὐαγγελίου, ὅτι ‘τὰ σημεῖα τῆς κολάσεως ἔδειξεν ἀναστὰς ἐκ νεκρῶν καὶ τὰς χεῖρας ὡς ἦσαν πεπερονημέναι’, πυνθάνεται καὶ λέγει· ‘Τὶς τοῦτο εἶδε’; Καὶ τὰ περὶ Μαρίας τῆς Μαγδαληνῆς διαβάλλων ἀναγραφομένης ἑωρακέναι εἶπε· ‘Γυνὴ πάροιστρος, ὥς φατε’. Καὶ ἐπεὶ μὴ μόνη αὕτη ἀναγέγραπται ἑωρακέναι ἀναστάντα τὸν Ἰησοῦν ἀλλὰ καὶ ἄλλοι, καὶ ταῦτα κακηγορῶν ὁ Κέλσου Ἰουδαῖός φησι· ‘καὶ εἴ τις ἄλλος τῶν ἐκ τῆς αὐτῆς γοητείας’.  1. Johannes 1, 3.  Siehe Phaidros 247 A-C, 250 B-C. Vgl. auch Contra Celsum 6, 19.59.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

Dieser Vergleich des Origenes in seiner Erwiderung auf Celsus, bezogen auf die griechischen Philosophen Pythagoras und Platon, ist im Zusammenhang der Polemik verständlich, entbehrt aber des zureichenden Grundes, denn bei diesen und anderen griechischen Philosophen fehlt gänzlich der existentiell-privatistische, individualistische, heilsgeschichtlich-eschatologische Unterton, der die christliche Redeweise von der Auferstehung, zumal des Fleisches, kennzeichnet. Auch hier macht der neuartige Ton die Musik, der in den Ohren der Menschen der römischen Kaiserzeit seine Wirkung nicht verfehlte und zündete, anders als die alten philosophischen Melodien von der Unsterblichkeit der Seele, bei denen niemand wußte, wer und was eigentlich gemeint war. Jedenfalls fühlten sich die „Mühseligen und Beladenen“, die unter dem Joch der herrschenden Klasse Roms ihr Dasein fristeten, davon weniger angesprochen, was man verstehen kann. Insofern verfehlt Origenes mit seiner Antwort und ihrem Bezug auf die griechische Philosophie (vielleicht sogar absichtlich) existentielle Grundannahmen des christlichen Glaubens, auf denen gerade die zeitgeschichtliche Attraktivität der urchristlichen Religion beruhte. Ist es doch gewiß kein Zufall, daß der Zulauf zu dieser neuen Religion zunächst primär aus der Unterschicht der römischen Gesellschaft kam, ganz entsprechend der sozialen Zusammensetzung der Jüngerschar Jesu. Aber Origenes findet dann doch wieder sehr schnell zurück zu dem wesentlichen Punkt: „Hierauf sagt Celsus, der nicht einmal die Zahl der Apostel kennt: ‚Jesus habe zehn oder elf verrufene Menschen an sich gefesselt, ganz nichtswürdige Zöllner und Schiffer; mit diesen sei er dann hierhin und dorthin weggelaufen und habe sich schimpflich und kümmerlich Lebensunterhalt verschafft‘“.⁴⁶² Origenes benutzt diesen Vorwurf des Celsus, daß die Klientel des Christentums aus vorwiegend oder ganz und gar ungebildeten, einfältigen kleinen Leuten besteht, die unfähig seien, überhaupt eine anspruchsvolle Sprechweise zu ver-

 Contra Celsum III 80: Ἐπεὶ δὲ καὶ ‘κούφαις ἐλπίσι’ φησὶν ‘ὑπάγεσθαι’ τοὺς χριστιανίζοντας ὁ Κέλσος, φήσομεν πρὸς αὐτὸν ἐγκαλοῦντα τῷ περὶ τῆς μακαρίας ζωῆς λόγῳ καὶ τῷ περὶ τῆς πρὸς τὸ θεῖον κοινωνίας ὅτι ὅσον ἐπὶ σοί, ὦ οὗτος, ‘κούφαις ὑπάγονται ἐλπίσι’ καὶ οἱ τὸν Πυθαγόρου καὶ Πλάτωνος παραδεξάμενοι περὶ ψυχῆς λόγον, πεφυκυίας ἀναβαίνειν ἐπὶ τὴν ἁψῖδα τοῦ οὐρανοῦ καὶ „ἐν τῷ ὑπερουρανίῳ τόπῳ“ θεωρεῖν τὰ τῶν εὐδαιμόνων θεατῶν θεάματα.  Contra Celsum I 62: Μετὰ ταῦτα δ’ ἐπεὶ μηδὲ τὸν ἀριθμὸν τῶν ἀποστόλων ἐπιστάμενος „δέκα“ εἶπεν „ἤ ἕνδεκά τινας ἐξαρτησάμενον τὸν Ἰησοῦν ἑαυτῷ ἐπιρρήτους ἀνθρώπους, τελώνας καὶ ναύτας τοὺς πονηρότατους, μετὰ τούτων τῇδε κἀκεῖσε αὐτὸν ἀποδεδρακέναι, αἰσχρῶς καὶ γλίσχρως τροφὰς συνάγοντα“. Siehe auch Contra Celsum VI 14: Καίτοι γε ἄλλους μέν φησιν ‚ἀπαιδευτοτάτους‘ εἶναι καὶ ‚ἀνδράποδα‘ καὶ ‚ἀμαθεστάτους‘ ὁ Κέλσος, τοὺς μὴ ἐπισταμένους αὐτοῦ τὰ πράγματα μηδὲ παιδευθέντας τὰ Ἑλλήνων μαθήματα („Indessen bezeichnet Celsus die einen von uns als ‚ganz ungebildete Leute‘ und als ‚Sklaven‘ und als ‚ganz unwissend‘, die seine Lehren nicht verstehen und auch nicht in den Wissenschaften der Griechen unterrichet sind“).

3 Die christliche Auferstehungslehre in Konfrontation mit der antiken Umwelt

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stehen, geschickt für den Hinweis, daß wer diese Leute von vornherein aus dem Kreis seiner Adressaten ausschließe, in Kauf nehme, die Mehrheit der Menschen von den Segnungen der frohen Botschaft des Christentums und damit der Wahrheit auszuschließen. „Denn unsere Propheten, Jesus selbst und seine Apostel, sahen auf eine Art des Ausdrucks, der nicht nur das Wahre zum Inhalt, sondern auch die große Menge zu gewinnen vermochte, bis ein jeder, so angetrieben und gewonnen, wie seine Kraft es erlaubte, zu dem Verständnis jener Geheimnisse emporstieg, die in den anscheinend einfachen Worten enthalten sind. Und wenn man sich etwas kühner ausdrücken darf, so hat die überaus schöne und kunstvoll ausgebildete Sprache des Platon und der ihm ähnlichen Stilkünstler, wenn überhaupt, nur wenigen genützt, dagegen hat die Redeweise der Männer, die zugleich einfacher und sachlich und mit Berücksichtigung der großen Menge gelehrt und geschrieben haben, einer viel größeren Anzahl von Menschen Nutzen gebracht. (…) Wollte man nun auch bei einigen Sätzen zugeben, daß die Griechen und die Bekenner unseres Glaubens dieselben Lehren haben, so besitzen diese doch nicht dieselbe Kraft, um Seelen zu gewinnen und danach zu bestimmen. Deshalb sind eben die Jünger Jesu – ungebildete Leute, wenn man an sie den Maßstab der griechischen Philosophie anlegt – bei vielen Völkern des Erdkreises umhergezogen, indem sie, wie der Geist es wollte, jeden ihrer Zuhörer nach seinem Verdienste beeinflußten; die dann auch entsprechend der Hinneigung ihres freien Willens zur Aufnahme des sittlich Guten viel empfänglicher wurden“.⁴⁶³ Damit hat hier Origenes zu dem Thema der Homiletik, das heißt in diesem Fall zu dem Thema der volksnahen Verkündigung der christlichen Botschaft, schon alles Nötige gesagt, obwohl er auch an anderen Stellen seiner Schrift gegen Celsus auf dieses Thema zu sprechen kommt, das ihm offenbar sehr wichtig ist.

 Contra Celsum VI 2: ἐπεὶ οἱ καθ’ ἡμᾶς προφήται Ἰησοῦς τε καὶ οἱ ἀπόστολοι αὐτοῦ ἐνεῖδον τρόπῳ ἀπαγγελίας, οὐ τὰ ἀληθῆ μόνον περιεχούσης ἀλλὰ καὶ δυναμένης ἐπαγαγέσθαι τοὺς πολλούς, ἕως προτραπέντες καὶ εἰσαχθέντες ἕκαστος κατὰ δύναμιν ἀναβῶσιν ἐπὶ τὰ ἐν ταῖς δοκούσαις εἶναι εὐτελέσι λέξεσιν ἀπορρήτως εἰρημένα. Καὶ εἰ χρή γε τολμήσαντα εἰπεῖν, ὀλίγους μὲν ὤνησεν, εἴ γε ὤνησεν, ἡ περικαλλὴς καὶ ἐπιτετηδευμένη Πλάτωνος καὶ τῶν παραπλησίως φρασάντων λέξις· πλείονας δὲ ἡ τῶν εὐτελέστερον ἅμα καὶ πραγματικῶς καὶ ἐστοχασμένως τῶν πολλῶν διδαξάντων καὶ γραψάντων. (…) Ἵν’ οὖν ἐπὶ τινων δοθῇ τὰ αὐτὰ δόγματα εἶναι Ἕλλησι καὶ τοῖς ἀπὸ τοῦ λόγου ἡμῶν, ἀλλ’ οὔτι γε καὶ τὰ αὐτὰ δύναται πρὸς τὸ ὑπαγαγέσθαι καὶ διαθεῖναι ψυχὰς κατὰ ταῦτα. Διόπερ οἱ ἰδιῶται ὡς πρὸς φιλοσοφίαν ἑλληνικὴν μαθηταὶ τοῦ Ἰησοῦ ἐκπεριῆλθον πολλὰ ἔθνη τῆς οἰκουμένης, διατιθέντες, ὡς ὁ λόγος ἐβούλετο, κατ’ ἀξίαν ἕκαστον τῶν ἀκουόντων· [οἳ] καὶ ἀνάλογον τῇ ῥοπῇ τοῦ αὐτεξουσίου αὐτῶν πρὸς ἀποδοχὴν τοῦ καλοῦ πολλῷ βελτίους ἐγένοντο.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

Er, Origenes, ein Mann höchster wissenschaftlicher Bildung und Kultur, weiß sehr genau und spricht es aus, daß man eine neue Weltanschauung der Menschheit nicht mit den elitären Redekünsten eines Lehrers der Philosophie nahebringen kann, sondern daß dazu eine andere façon de parler erforderlich ist, nämliche eine, die das einfache Volk, das nicht aus Philosophieprofessoren besteht, versteht und nicht nur die Schriftgelehrten und Weisen. Zu der absoluten Zeitgemäßheit des Urchristentums bei seinem Eintritt in die Geschichte kam also noch als zweiter wesentlicher Faktor von Anfang an⁴⁶⁴ die Werbekraft einer volksnahen, menschengemäßen Verkündigung der neuen Lehre, über die Grenzen der Nationen hinweg, an alle Völker gerichtet. Die christliche Lehre von der Auferstehung der Toten ist und bleibt für Celsus, den Anhänger der Platonischen Philosophie, den aufgeklärten Bildungsbürger, das große Ärgernis, die Beleidigung seines Verstandes, der Stein des Anstoßes schlechthin, auf den er immer wieder in seiner Anklageschrift gegen das Christentum zu sprechen kommt, weil diese Lehre dem hellenischen Lebensgefühl zutiefst widerspricht, besonders mit dem Zusatz der Auferstehung ‚im Fleische‘.⁴⁶⁵ Bevor Origenes dazu übergeht, seine Erwiderung darauf breit und ausführlich zu formulieren, zitiert er den Celsus: „Die Worte Celsus lauten also: ‚Töricht ist auch ihr (scil. der Christen) Glaube, daß, wenn Gott einmal wie ein Koch das Feuer herangebracht hätte, das ganze übrige Menschengeschlecht ausgebrannt werden würde, sie (scil. die Christen) dagegen allein fortbestehen würden. Und zwar nicht nur die Lebenden, sondern auch die längst schon Gestorbenen; diese würden wieder aus der Erde hervorkommen, bekleidet mit ihrem Fleische wie früher. Es ist das eine Hoffnung, die geradezu für Würmer passend ist. Denn welche menschliche Seele dürfte sich wohl nach einem verwesten Leibe sehnen? Ist doch diese Lehre nicht einmal bei einigen von euch (Juden), auch nicht bei den Christen allgemein anerkannt; und wie sie ganz abscheulich und verwerflich ist, so kann sie auch unmöglich bewiesen werden. Denn welcher völlig zerstörte Leib wäre wohl imstande, zu seiner ursprünglichen Beschaffenheit und zu eben jenem ersten Zustand, aus dem er gelöst wurde, zurückzukehren? Da sie hierauf nichts zu antworten wissen, so behelfen sie sich mit der höchst abgeschmackten Ausflucht, daß für Gott alles möglich wäre.⁴⁶⁶ Aber das Häßliche vermag Gott gar

 Vgl. Römer 1, 14 f.: „Sowohl Griechen als Barbaren, sowohl Weisen als Unverständigen bin ich ein Schuldner (ὀφειλέτης). Ebenso bin ich, so viel an mir ist, bereitwillig, auch euch, die ihr in Rom seid, das Evangelium zu verkünden (εὐαγγελίσασθαι)“.  Zum Thema vgl. z. B. T. Kobusch, „Die Auferstehung des Leibes“, in: D. Frede/B. Reis (Hrsgg.), Body and Soul in Ancient Philosophy, Berlin/New York 2009, 493 – 510.  Zu Hinweisen, daß für Gott alles möglich wäre, also auch die Auferstehung des Fleisches, siehe Justin, Apol. I 19, 7; Athenagoras, De resurr. 9; Tatian, Ad Gr. 6, 1; Tertullian, De resurr. 57, 11.

3 Die christliche Auferstehungslehre in Konfrontation mit der antiken Umwelt

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nicht zu tun. (…) Für die Seele könnte er wohl ewiges Leben gewähren; ‚die Leichname aber‘, sagt Heraklit, ‚sind eher wegzuwerfen als Mist‘.⁴⁶⁷ Das Fleisch nun, voll von Dingen, die man anständigerweise nicht nennen kann, wider die Vernunft als ewig darzustellen, wird Gott weder willens noch imstande sein. Denn er selbst ist die Vernunft alles Seienden; er kann daher nichts tun, was der Vernunft oder seinem eigenen Wesen widerspricht“.⁴⁶⁸ Origenes beruft sich in seiner Erwiderung auf Celsus’ Argumentation gegen die christliche Lehre von der Auferstehung des Fleisches zuerst auf den Brief des Paulus an die Korinther: „Es wird aber jemand sagen: Wie werden die Toten auferweckt? Und mit was für einem Leib kommen sie? Tor! Was du säst, wird nicht lebendig, es sterbe denn. Und was du säst, du säst nicht den Leib, der werden soll, sondern ein nacktes Korn, es sei vom Weizen oder von einem der anderen Samen. Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er gewollt hat, und einem jeden der Samen seinen eigenen Leib. Nicht alles Fleisch ist dasselbe Fleisch; sondern ein anderes ist das des Menschen, und ein anderes das Fleisch des Viehes, und ein anderes das der Vogel, und ein anderes das der Fische. Und es gibt himmlische Leiber und irdische Leiber (σώματα ἐπουράνια καὶ σώματα ἐπίγεια). Aber eine andere ist die Herrlichkeit der himmlischen, eine andere die der irdischen“.⁴⁶⁹ Und weiter: „Also ist auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät in Verwesung, es wird aufer-

Vgl. Lukas 1, 37: „kein Ding ist bei Gott unmöglich“ (οὐκ ἀδυνατήσει παρὰ τοῦ θεοῦ πᾶν ῥῆμα); Matthäus 19, 26: „Für Gott ist alles möglich“ (παρὰ δὲ θεῷ πάντα δυνατά).  Siehe Heraklit 22 B 96 D.-K.  Contra Celsum V 14: Λέγει οὖν ταῦτα·„Ἠλίθιον δ’ αὐτῶν καὶ τὸ νομίζειν, ἐπειδὰν ὁ θεὸς ὥσπερ μάγειρος ἐπενέγκῃ τὸ πῦρ, τὸ μὲν ἄλλο πᾶν ἐξοπτήσεσθαι γένος, αὐτοὺς δὲ μόνους διαμενεῖν, οὐ μόνον τοὺς ζῶντας ἀλλὰ καὶ τοὺς πάλαι ποτὲ ἀποθανόντας αὐταῖς σαρξὶν ἐκείναις ἀπὸ τῆς γῆς ἀναδύντας, ἀτεχνῶς σκωλήκων ἡ ἐλπίς. Ποία γὰρ ἀνθρώπου ψυχὴ ποθήσειεν [ἂν] ἔτι σῶμα σεσηπός; Ὁπότε μηδ’ ὑμῶν τοῦτο τὸ δόγμα καὶ τῶν Χριστιανῶν ἐνίοις κοινόν ἐστι, καὶ τὸ σφόδρα μιαρὸν αὐτοῦ καὶ ἀπόπτυστον ἅμα καὶ ἀδύνατον ἀποφαίνειν· ποῖον γὰρ σῶμα πάντῃ διαφθαρὲν οἷόν τε ἐπανελθεῖν εἰς τὴν ἐξ ἀρχῆς φύσιν καὶ αὐτὴν ἐκείνην, ἐξ ἧς ἐλύθη, τὴν πρώτην σύστασιν; Οὐδὲν ἔχοντες ἀποκρίνασθαι καταφεύγουσιν εἰς ἀτοπωτάτην ἀναχώρησιν, ὅτι πᾶν δυνατὸν τῷ θεῷ. ᾿Aλλ’ οὔτι γε τὰ αἰσχρὰ ὁ θεὸς δύναται οὐδὲ τὰ παρὰ φύσιν βούλεται· (…) Καὶ ψυχῆς μὲν αἰώνιον βιοτὴν δύναιτ’ ἂν παρασχεῖν· „Νέκυες δέ“, φησὶν Ἡράκλειτος, „κοπρίων ἐκβλητότεροι“. Σάρκα δή, μεστὴν ὧν οὐδὲ εἰπεῖν καλόν, αἰώνιον ἀποφῆναι παραλόγως οὔτε βουλήσεται ὁ θεὸς οὔτε δυνήσεται. Αὐτὸς γὰρ ἐστιν ὁ πάντων τῶν ὄντων λόγος· οὐδὲν οὖν οἷός τε παράλογον οὐδὲ παρ’ ἑαυτὸν ἐργάσασθαι.  1. Korinther 15, 35 – 41: ᾿Aλλὰ ἐρεῖ τις· πῶς ἐγείρονται οἱ νεκροί; ποίῳ δὲ σώματι ἔρχονται; ἄφρων, σὺ ὃ σπείρεις, οὐ ζωοποιεῖται ἐὰν μὴ ἀποθάνῃ· καὶ ὃ σπείρεις, οὐ τὸ σῶμα τὸ γενησόμενον σπείρεις, ἀλλὰ γυμνὸν κόκκον εἰ τύχοι σίτου ἤ τινος τῶν λοιπῶν· ὁ δὲ θεὸς δίδωσιν αὐτῷ σῶμα καθὼς ἠθέλησεν, καὶ ἑκάστῳ τῶν σπερμάτων ἴδιον σῶμα. οὐ πᾶσα σὰρξ ἡ αὐτὴ σάρξ, ἀλλὰ ἄλλη μὲν ἀνθρώπων, ἄλλη δὲ σὰρξ κτηνῶν, ἀλλη δὲ σὰρξ πτηνῶν, ἄλλη δὲ ἰχθύων. καὶ σώματα ἐπουράνια, καὶ σώματα ἐπίγεια· ἀλλὰ ἑτέρα μὲν ἡ τῶν ἐπουρανίων δόξα, ἑτέρα δὲ ἡ τῶν ἐπιγείων.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

weckt in Unverweslichkeit. (…) Es wird gesät ein natürlicher Leib, es wird auferweckt ein geistiger Leib.Wenn es einen natürlichen Leib gibt, so gibt es auch einen geistigen Leib“.⁴⁷⁰ Und ferner: „Dies aber sage ich, Brüder, daß Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können, auch die Verwesung nicht die Unverweslichkeit ererbt. Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dieses Verwesliche muß Unverweslichkeit anziehen, und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen. Wenn aber dieses Verwesliche Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit (ἀθανασίαν) anziehen wird, dann wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht: ‚Verschlungen ist der Tod in Sieg‘. ‚Wo ist, o Tod, dein Sieg? Wo ist, o Tod, dein Stachel?‘“⁴⁷¹ Paulus schließt diese Erklärung des Auferweckungsgeschehens mit der Mahnung: „Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werke des Herrn, da ihr wisset, daß eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn“.⁴⁷² Origenes tut zur Abwehr von Celsus’ Verspottung der christlichen Lehre von der Auferstehung im Fleische (σάρξ) nichts anderes als Paulus. Er verweist wie Paulus und mit Paulus auf die Polysemie des Wortes σῶμα und verweist insonderheit noch einmal darauf, daß Paulus an dieser Stelle von einem „Geheimnis“ spricht: „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis“.⁴⁷³ Origenes fügt kommentierend hinzu: „Diese Worte werden gewohnheitsgemäß bei tieferen und geheimnisvolleren Stellen hinzugefügt, die vor der großen Menge mit Recht verborgen werden“.⁴⁷⁴ Am Schluß verweist Origenes noch auf seine ausführlicheren Ausfüh 1. Korinther 15, 42– 44: οὕτως καὶ ἡ ἀνάστασις τῶν νεκρῶν. σπείρεται ἐν φθορᾷ, ἐγείρεται ἐν ἀφθαρσίᾳ· σπείρεται ἐν ἀτιμίᾳ, ἐγείρεται ἐν δόξῃ· σπείρεται ἐν ἀσθενείᾳ, ἐγείρεται ἐν δυνάμει· σπείρεται σῶμα ψυχικὸν, ἐγείρεται σῶμα πνευματικόν. Εἰ ἔστιν σῶμα ψυχικόν, ἔστιν καὶ πνευματικόν.  1. Korinther 15, 50 – 55: Τοῦτο δέ φημι, ἀδελφοί, ὅτι σὰρξ καὶ αἷμα βασιλείαν θεοῦ κληρονομῆσαι οὐ δύναται, οὐδὲ ἡ φθορὰ τὴν ἀφθαρσίαν κληρονομεῖ. ἰδοὺ μυστήριον ὑμῖν λέγω· πάντες οὐ κοιμηθησόμεθα, πάντες δὲ ἀλλαγησόμεθα, ἐν ἀτόμῳ, ἐν ῥιπῇ ὀφθαλμοῦ, ἐν τῇ ἐσχάτῃ σάλπιγγι· σαλπίσει γάρ, καὶ οἱ νεκροὶ ἐγερθήσονται ἄφθαρτοι, καὶ ἡμεῖς ἀλλαγησόμεθα. δεῖ γὰρ τὸ φθαρτὸν τοῦτο ἐνδύσασθαι ἀφθαρσίαν καὶ τὸ θνητὸν τοῦτο ἐνδύσασθαι ἀθανασίαν. ὅταν δὲ τὸ φθαρτὸν τοῦτο ἐνδύσηται ἀφθαρσίαν καὶ τὸ θνητὸν τοῦτο ἐνδύσηται ἀθανασίαν, τότε γενήσεται ὁ λόγος ὁ γεγραμμένος· κατεπόθη ὁ θάνατος εἰς νῖκος. ποῦ σου, θάνατε, τὸ νῖκος; ποῦ σου, θάνατε, τὸ κέντρον;  1. Korinther 15, 58: Ὥστε, ἀδελφοί μου ἀγαπητοί, ἑδραῖοι γίνεσθε, ἀμετακίνητοι, περισσεύοντες ἐν τῷ ἔργῳ τοῦ κυρίου πάντοτε, εἰδότες ὅτι ὁ κόπος ὑμῶν οὐκ ἔστιν κενὸς ἐν κυρίῳ.  1. Korinther 15, 51: ἰδοὺ μυστήριον ὑμῖν λέγω.  Contra Celsum V 19: ὅτι περ ἔθος ἐστὶν ἐπιφέρεσθαι τοῖς βαθυτέροις καὶ μυστικωτέροις καὶ καθηκόντως ἀπὸ τῶν πολλῶν κρυπτομένοις.

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rungen über das Thema der Auferstehung, die er eigens in seiner Schrift über die Auferstehung ausgeführt hat, die aber nicht auf uns gekommen ist.⁴⁷⁵ Wenn auch nach dem authentischen Verständnis des Paulus das Auferstehungsgeschehen letztlich ein Geheimnis, ein Mysterium ist, das begriffliche Differenzierungen des Wortes σῶμα voraussetzt, die nicht allen Hörern der christlichen Botschaft ohne weiteres bewußt waren, so ist doch andererseits auch der Vorwurf des Celsus bis zu einem gewissen Grad verständlich, den Origenes vehement abwehrt: „als ob wir (scil. die Christen) Verlangen nach dem Leib trügen“.⁴⁷⁶ In Verbindung mit der Ursehnsucht der Menschen nach einem ewigen Leben ohne Ende und ohne Verzicht auf die Vorzüge des irdischen Lebens ist dieser Vorwurf des Celsus nicht ganz so abwegig und aus der Luft gegriffen, wie das zunächst den Anschein haben kann. Im Zusammenhang mit den historischen Vorkommnissen bei der Naherwartung der Wiederkehr Jesu in den ersten Generationen der Gläubigen erscheint der Verdacht eines verbreiteten Verlangens nach dem Besitz des Leibes auch im Jenseits zwecks Fortsetzung eines, wenn auch heiligmäßigen, Lebens an der Seite Gottes durchaus vorstellbar, jedenfalls nicht unrealistisch. Nicht so sehr die Wirksamkeit der göttlichen Gnade, sondern die Erwartung der Belohnung im Jenseits für ein tugendhaftes Leben im Diesseits wird bei vielen, wenn nicht bei den meisten der leitende Gesichtspunkt für ihr Verhalten gewesen sein. Im Zustand eines eschatologischen Rausches kam es vor, daß in der ersten Zeit Gläubige, die auf die stündliche Wiederkehr des Herrn warteten, sich aller ihrer irdischen Habe entledigten, gemeinsam auf Anhöhen zogen und darauf warteten, daß sich der Himmel über ihnen öffnete und der Sohn Gottes wieder erschien zur Aufrichtung seines Reiches. Je länger diese konkrete Naherwartung enttäuscht wurde, desto mehr wird allmählich der biblische Begriff des Gottesreiches überlagert von den Begriffen einer überirdischen Unsterblichkeit und des ewigen Lebens in der jenseitigen Gemeinschaft der Heiligen. Er fand dann seinen Ausdruck auch in Grabinschriften und Katakomben-Bildern, besonders in Zeiten der Verfolgung. Origenes kommt in seiner Schrift gegen Celsus noch einmal auf die Lehre der Auferstehung (περὶ τῆς ἀναστάσεως λόγον) zurück⁴⁷⁷ und erklärt hier eingangs, sie sei schwer zu erläutern und bedürfe, wie kaum eine andere Lehre, eines weisen Auslegers. Der Hinweis auf 2. Korinther 5, 1– 5 liegt nahe, wo Paulus sagt: „Denn wir wissen, daß, wenn unser irdisches Haus, die Hütte, zerstört wird, wir einen Bau von Gott haben, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, ein ewiges in den

 Vgl. De principiis II 10.  Contra Celsum VIII 50: ἐπεὶ δ’ ὀνειδίζει ἡμῖν καὶ ὡς ‚ποθοῦσι τὸ σῶμα‘.  Contra Celsum VII 32 ff.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

Himmeln. Denn in diesem freilich seufzen wir, uns sehnend, mit unserer Behausung, die aus dem Himmel ist, überkleidet zu werden; so wir anders, wenn wir auch bekleidet sind, nicht nackt erfunden werden. Denn wir freilich, die in der Hütte sind, seufzen beschwert, wiewohl wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden möchten, damit das Sterbliche (τὸ θνητόν) verschlungen werde von dem Leben (ὑπὸ τῆς ζωῆς). Der uns aber hierzu bereitet hat, ist Gott, der uns das Unterpfand des Geistes gegeben hat“.⁴⁷⁸ Wo das Sterbliche aber so verschlungen wird (und so verschlungen werden soll) von dem Leben, da verliert das Sterbliche und damit das Irdische seine alles umfassende Bedeutung und wird zu etwas Nachrangigem, weniger Wichtigem. Und dazu gehört eben auch das Verlangen nach Ruhm bei den Menschen, das Verlangen nach Weiterleben im Gedächtnis der Nachwelt, die Sehnsucht nach irdischer Unsterblichkeit. All dieses irdische Beiwerk gehört nicht zu dem Leben, von dem der Apostel Paulus spricht, dem Leben, von dem der Tod verschlungen wird. Auch auf diesen wichtigen Punkt verweist Origenes mit besonderem Nachdruck: „Wir sagen ferner: ‚Das Verlangen nach Ruhm bei den Menschen‘ ist nicht nur nach der Lehre Jesu, sondern auch nach dem Alten Testament verboten. Wenn also einer der Propheten sich verflucht, falls er mit Sünden behaftet wäre, so bezeichnet er auch den Ruhm in diesem Leben als das größte Übel, das ihn treffen könnte“.⁴⁷⁹ Wer so denkt, sucht sein ewiges Leben nicht im Gedächtnis der irdischen Nachwelt, sondern im Jenseits bei Gott, bei dem er Gnade gefunden hat und rein ist von seinen irdischen Sünden, die ihm vergeben wurden. Dazu verhalfen und verhelfen ihm nicht die Menschen, die auch Sünder sind, sondern allein Gott. Daher die Verachtung des Ruhmes und des Weiterlebens in der Erinnerung der irdischen Nachwelt, die ihm bei der Rettung seines wahren ewigen Lebens ja doch nicht helfen können. Auf diese Weise verwandelt sich mit dem Eintritt des Christentums in die Geschichte das Verlangen nach Ruhm und Fortleben im Gedächtnis künftig le-

 Οἴδαμεν γὰρ ὅτι ἐὰν ἡ ἐπίγειος ἡμῶν οἰκία τοῦ σκήνους καταλυθῇ, οἰκοδομὴν ἐκ θεοῦ ἔχομεν, οἰκίαν ἀχειροποίητον αἰώνιον ἐν τοῖς οὐρανοῖς. καὶ γὰρ ἐν τούτῳ στενάζομεν, τὸ οἰκητήριον ἡμῶν τὸ ἐξ οὐρανοῦ ἐπενδύσασθαι ἐπιποθοῦντες, εἴ γε καὶ ἐνδυσάμενοι οὐ γυμνοὶ εὑρεθησόμεθα. καὶ γὰρ οἱ ὄντες ἐν τῷ σκήνει στενάζομεν βαρούμενοι, ἐφ’ ᾧ οὐ θέλομεν ἐκδύσασθαι ἀλλ’ ἐπενδύσασθαι, ἵνα καταποθῇ τὸ θνητὸν ὑπὸ τῆς ζωῆς. ὁ δὲ κατεργασάμενος ἡμᾶς εἰς αὐτὸ τοῦτο θεός, ὁ δοὺς ἡμῖν τὸν ἀρραβῶνα τοῦ πνεύματος.  Contra Celsum VII 24: Πάλιν τε αὖ ‚τὸ δόξῃ ἀντιποιεῖσθαι‘ τῆς παρ’ ἀνθρώποις οὐ κατὰ τὴν Ἰησοῦ μόνου διδασκαλίαν κωλύεσθαί φαμεν ἀλλὰ καὶ κατὰ τὴν παλαιὰν γραφήν. Ἐπαρώμενος γοῦν ἑαυτῷ τις τῶν προφητῶν, εἰ ἔνοχος εἴη τοῖς ἁμαρτήμασι, φησὶν ἀντὶ μεγίστου κακοῦ συμβῆναι ἄν αὐτῷ καὶ τὴν βιωτικὴν δόξαν.

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bender Menschen in dieser irdischen Welt radikal in das weltverachtende Verlangen nach einem überirdischen Weiterleben im Himmel an der Seite und im Angesicht Gottes in dem beruhigenden Bewußtsein, für immer zur Schar der Geretteten und Erlösten zu gehören. Der Ruhm der irdischen Welt und die irdische Unsterblichkeit, die damit verbunden ist, werden zu einer quantité négligeable, ja sind, wie Origenes das sagt, „verboten“ (κωλύεσθαί φαμεν) und das größte Übel, das einen treffen kann. Das ist die totale Umkehrung des Gedankens der irdischen Unsterblichkeit als Belohnung für außergewöhnliche Taten in diesem irdischen Leben. Der Ruhm bei den Menschen wird so zur Sünde vor Gott, vor der man sich hüten muß. Er ist eitel, ja Eitelkeit selbst, ja mehr noch als das: er ist zugleich die Summe aller Sünden, die einem Menschen aus der Eitelkeit noch zusätzlich mit Notwendigkeit erwachsen, wie die Erfahrung zeigt. Aber das ist nur die eine Seite dieser komplizierten Sache. Die andere Seite belehrt uns darüber, daß auch das Christentum auf die Vorstellung und den Begriff der Unvergänglichkeit und des ewigen Lebens keineswegs verzichtet, wie die Reden Jesu, die Apostelgeschichte, die Evangelien und die Briefe des Paulus uns versichern. Die allgemeine Sehnsucht nach dem nicht endenden Leben, die erkennbar auf Erden sich nicht erfüllt in dem Sinne der vulgären Vorstellung einer auf Dauer gestellten Permanenz der individuellen menschlichen Existenz samt der Unverweslichkeit des Leibes und seiner Sinnlichkeit, mutierte im Christentum zu der Vorstellung eines ewigen Lebens im Jenseits, im Himmel, an der Seite Gottes im Glanz seiner Herrlichkeit. Die Illusion, daß dieses ewige Leben in der Transzendenz keineswegs den Verzicht auf den Leib bedeutet, der den meisten Menschen aus sehr gut einsehbaren Gründen so wichtig ist, wird durch die Redewendung von der Auferstehung des Fleisches auf ungewisse Weise immerhin genährt, wobei die semantische Vieldeutigkeit dieser Redewendung, die selbst der dialektisch versierte Apostel Paulus letztlich nur mit dem kryptischen Hinweis auf ein Mysterium zu deuten vermag, der Menge der Hörer aber wohl kaum voll bewußt wird, die vielmehr angetan ist von den sehr irdischen Aussichten, die da für die himmlische Existenz sich auftun, obwohl Jesu Rede in Matthäus 22, 29 – 31 an Klarheit nichts zu wünschen übrigläßt: „In der Auferstehung heiraten sie nicht, noch werden sie verheiratet, sondern sie sind wie Engel Gottes im Himmel“. Celsus spricht auch dieses Problem an, und Origenes bemüht sich redlich, des Celsus Verdächtigung zurückzuweisen. Der alte Adam, den Celsus hier anspricht, bleibt auch nach der Erwiderung des Origenes noch deutlich sichtbar. Und es erscheint durchaus nicht sicher, daß Paulus mit seinem Hinweis auf die Vieldeutigkeit des Wortes „Körper“ (σῶμα) und seiner daran gehefteten dialektischen

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

Interpretation: „Es sind himmlische Körper und irdische Körper“⁴⁸⁰ die Adressaten seiner Briefe und Reden in jedem Fall auch erreicht hat oder ob nicht auch bei vielen die eigenen Wunschvorstellungen nachhaltiger und mächtiger waren. Niemand kann das wissen. Der Missionserfolg des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten ist ohne solche empathischen Zweideutigkeiten und Mißverständnisse vor dem Hintergrund der antiken Geistesgeschichte jedenfalls schwer vorstellbar. Und vor diesem Hintergrund erfolgte auch die Transformation des Begriffes des ewigen Lebens: mit dem Glauben an die Aufnahme in das ewige Himmelreich Gottes legte der gläubige Christ nicht die Hoffnungen auf seine persönliche, private Unsterblichkeit ab, sondern im Gegenteil: er transponierte seine ehemals geheimen und für die meisten Menschen ohnehin nicht erfüllbaren Wünsche nach Unsterblichkeit in dieser irdischen Welt in die Erwartung der heilsgeschichtlich so zuverlässig versprochenen himmlischen Existenz als die heiß ersehnte Belohnung für sein irdisches Leben, das er, so gut er konnte, nach den Geboten Gottes zu führen versuchte. Damit war der Gläubige mit seinem Glauben auf der sicheren Seite, samt der Gewißheit der Auferstehung des Leibes, wie immer auch er das verstand und was immer er sich unter seinem „himmlischen Körper“ vorstellte. Seine Vorstellung von der überirdischen Unsterblichkeit war in Wahrheit die erhoffte irdische Unsterblichkeit im Modus der himmlischen. Es war daher auch ganz konsequent von Origenes formuliert, wenn er in dem Kapitel wider den Ruhm sagt: Das Verlangen nach Ruhm bei den Menschen sei „verboten“. Für den Menschen habe nur das Rühmen des Namens Gottes zu zählen. Ruhm in diesem irdischen Leben sei ein Übel, „das größte Übel“ (Contra Celsum VII 24: μεγίστου κακοῦ). Aus christlicher Sicht wird der höchste Wert der antiken Ethik – Ansehen, Ehre und Ruhm bei den Menschen – zum Nichts, ja zur Sünde, vor der man sich hüten muß. Der überirdische, himmlische Ruhm bei Gott ist alles. An keiner anderen Stelle der neuen christlichen Weltanschauung wird die christliche Umwertung der antiken Wertewelt deutlicher. Und doch ist der überirdische Ruhm nur die Transformation, die Projektion des irdischen Ruhmes, die Übersetzung des irdischen Ruhmes ins Transzendente, Himmlische, wo es nur eine Form des Rühmens gibt: das Rühmen Gottes. * Wenn Origenes auch der größte und wirkungsvollste griechische Kirchenvater war, der bedeutendste Apologet vor dem Konzil von Nicäa (325), so war er doch

 1. Korinther 15, 40: καὶ σώματα ἐπουράνια καὶ σώματα ἐπίγεια.

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nicht der erste Apologet, der als Anwalt des Christentums auftrat und dessen Überlegenheit über die heidnische Weltanschauung demonstrierte. Er war derjenige, der Götterglauben, Mythologie und Philosophie der Griechen in ihrer absoluten Geltung nachhaltig bekämpfte. Apologetik hat es bei den Christen von Anfang an gegeben. Gegen das Judentum mußte der Beweis für Jesu Messianität geführt werden, gegen das Heidentum mußte wider die Nichtigkeit der Götter und für die Einheit und Allmacht Gottes argumentiert werden. Paulus’ Rede auf dem Areopag⁴⁸¹ ist nur ein Beispiel seiner Missionspredigt,⁴⁸² in der er mit der Begrifflichkeit der griechischen Philosophie nicht etwa griechische Philosophie verkündet, sondern diese für seine missionarischen Zwecke instrumentalisierte. Zu einer eigenen literarischen Gattung wurde die christliche Apologetik aber erst seit dem zweiten Viertel des 2. Jahrhunderts.⁴⁸³ Sie beginnt mit dem Athener Aristides, der dem Kaiser Antoninus Pius eine Schrift eingereicht hat, die sich für die Christen, die Reinheit ihres Glaubens und Lebens, ausspricht. Ob diese Schrift den Kaiser wirklich erreicht hat oder ob sie in der Bürokratie der höfischen Verwaltung untergegangen ist, weiß man nicht. Für die Folgezeit ungleich einflußreicher ist Justin der Märtyrer geworden;⁴⁸⁴ vor Origenes die kraftvollste Gestalt unter den griechischen Apologeten, der auch zu dem Thema der Unsterblichkeit für die Vorstellungswelt des frühen Christentums Richtungweisendes und für die Kirche Bleibendes beigetragen hat. Justin stammte von griechischen Eltern ab, die sich unter Vespasian als Kolonisten in der samaritanischen Stadt Sichem ansiedeln ließen, die danach den Namen Flavia Neapolis trug, das heutige Nablus. In seinem auf uns gekommenen Dialog mit dem Juden Tryphon ⁴⁸⁵ schildert er seinen Bildungsgang. Er wurde in

 Apostelgeschichte 17.  Vgl. auch Römer 1.  Siehe R. A. Norris, „The Apologists“, in: F. Young/L. Ayres/A. Louth (Hrsgg.), The Cambridge History of Early Christian Literature, Cambridge 2004, 36 – 44; R. Grant, Greek Apologists of the Second Century, Philadelphia 1988, bes. 113 ff.; M. Pellegrino, Gli apologeti greci del II secolo, Rome 1947.  S. Heid/C. Riedweg, „Justin der Märtyrer“, Reallexikon für Antike und Christentum, Bd. 20, 2001, 801– 873; H. Drobner, Lehrbuch der Patrologie, Freiburg 1994, 58 ff.; E. F. Osborn, Justin Martyr, Tübingen 1973; L. W. Barnard, Justin Martyr: His Life and Thought, Cambridge 1967; E. R. Goodenough, The Theology of Justin Martyr, Jena 1923. Siehe auch L. Gerson (Hrsg.), The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, 2 Bde., Cambridge 2010, 258 – 269.  M. Marcovich (edidit), Justini Martyris, Apologiae pro Christianis. Dialogus cum Tryphone, Berlin/New York 2005; P. Bobichon, Justin Martyr. Dialogue avec Tryphon. Édition critique, traduction, commentaire, 2 Bde., Fribourg 2003; G. Archambault, Justin. Dialogue avec Tryphon, Paris 1909; J. C. M. van Winden, An early Christian philosopher. Justin Martyr’s dialogue with Trypho. Intr., Text and Comm., Leiden 1971.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

den damals bekannten Philosophien unterrichtet. Aber die Einwände, die ein christlicher alter Mann gegen platonische Lehren in Gegenwart des Justin vorbrachte, ließen Justin nicht nur an Platons Lehren, sondern an Philosophie überhaupt zweifeln und veranlaßten ihn zur Annahme des Christentums. Das geschah etwa um das Jahr 133.Vor allem überzeugten ihn die Argumente des alten Mannes gegen die Auffassung von einer natürlichen Unsterblichkeit der Seele, und für die Ansicht, daß nur eine göttliche Gnadengabe die Ursache der Unsterblichkeit der Seele sein könne. Er verwunderte sich darüber, daß das der Aufmerksamkeit eines Platon und Pythagoras habe entgehen können.Wie der alte Mann Justin lehrte, seien die Propheten als die Werkzeuge des heiligen Geistes anzusehen. Diesen sei glaubend zu folgen, sie führten für ihre Wahrheiten keine Beweise, denn sie seien vollkommen glaubwürdige Zeugen der Wahrheit und über die Notwendigkeit von Beweisen erhaben. Sie haben den Schöpfer der Welt, Gott den Vater, und den vom Vater gesendeten Christus verkündet. Justin ließ sich überzeugen und verehrte von nun an die Propheten und die Männer, die Freunde Christi genannt wurden. Bei diesen allein fand er „sichere und nützliche Philosophie“, wie es im Dialog mit Tryphon heißt.⁴⁸⁶ Allein diese Philosophie offenbare Anfang und Ziel aller Dinge, die Erkenntnis Gottes und Christi und ermögliche es den Menschen, vollkommen und glücklich zu werden. Justin bekleidete sich mit dem Philosophengewand und zog in demselben (ἐν φιλοσόφου σχήματι) umher als Lehrer der Philosophie und lehrte und verteidigte das Christentum als die allein wahre Philosophie. Er hatte in Rom einen eigenen Hörsaal und trat dort auch gegen den kynischen Philosophen Crescentius auf. Dieser haßte ihn und war ein fanatischer Feind des Justin, weil er in den Diskussionen mit Justin unterlag. Er trachtete ihm nach dem Leben. Justin erlitt den Märtyrertod in Rom unter Kaiser Marc Aurel, wahrscheinlich im Jahr 166. Justin ist der literarisch einflußreichste Apologet des 2. Jahrhunderts, prototypisch für diesen Kreis der Verteidiger des Christentums. Die charismatischen Verkünder des Evangeliums der urchristlichen Zeit werden von nun an von dem Typus des Lehrers eingenommen, die, wie Justin, in der Berufstracht des Philosophen (Philosophenmantel) auftraten, und das aus naheliegendem Grund. Denn Philosophie war im Gegensatz zu neuartigen Religionen und fremden Kulten vom Staat geduldet, geadelt durch ihre lange Tradition und außerdem geschützt als offizielles Unterrichtsfach im Fächerkanon der Schulen. Insoweit war der Auftritt im Philosophenmantel eine nicht ungeschickte Verhaltensweise für apologetische Anwälte des Christentums in gefahrvoller Zeit, sozusagen in dem erlaubten Kreis

 Dial. 8: ταύτην μόνην εὕρισκον φιλοσοφίαν ἀσφαλή τε καὶ σύμφορον.

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des Philosophen für eine unerlaubte Sache zu weben: für das zum Staatsfeind erklärte Christentum. Unbezweifelbar echt sind von den unter dem Namen des Justin auf uns gekommenen Schriften nur die beiden Apologien⁴⁸⁷ und der Dialog mit dem Juden Tryphon. Die Lehre, die er vorträgt, trägt er in dem Bewußtsein vor, daß sie die Lehre aller Christen ist. Dieses gesunde Selbstbewußtsein bezieht er von den Propheten, die bereits, so der Inhalt seiner Lehre, verkündet haben, daß Jesus der Messias sei, der Sohn Gottes, der andere Gott, der zur Erlösung der Welt vom Vater, dem Schöpfer der Welt, gesandt ist. Auch nach seiner Bekehrung zum Christentum hat die griechische Philosophie für Justin eine hochrangige Bedeutung, nämlich als Ausdruck des überall hin verbreiteten λόγος σπερματικός, ein Terminus, den er von der Stoa übernimmt, aber ohne die naturphilosophische Konnotation, die dieser Terminus dort hat.⁴⁸⁸ Bei Justin ist der Logos nur gesehen in seiner Beziehung zum Menschen, zu der geistigen und sittlichen Einwirkung auf den Menschen. An dem λόγος σπερματικός hat das ganze Menschengeschlecht teil.⁴⁸⁹ Alles Christliche ist wahr, weil vernunftgemäß. Aber nicht nur das. Vielmehr gilt auch: Alles Wahre, Vernunftgemäße ist christlich.⁴⁹⁰ Man glaubt heute gerne, daß gegen diese Logik seine Gegner machtlos waren. Der global verbreitete Logos vermittelt die innere Offenbarung, daneben aber beruht die griechische Philosophie auf der Bekanntschaft mit der mosaischen Lehre. Platon, beispielsweise, hat nicht nur von der jüdischen Religion gewußt, sondern er hat das ganze Alte Testament gekannt – aber leider mißverstanden (Apol. I 60). In seiner Lehre von der menschlichen Seele und deren Unsterblichkeit ist Justin von großer Bestimmtheit und Entschiedenheit. Dieser Gegenstand ist ihm ein besonderes Anliegen.⁴⁹¹ Oberste Prämisse ist hier, daß die menschliche Seele ein Teil der Welt ist und als solche Teil dieser Welt ihrer Natur nach vergänglich ist. Unsterblich ist die menschliche Seele nur als die Folge göttlicher Gnade: die Unsterblichkeit der Seele ist eine Gabe Gottes. Zwischen der vergänglichen menschlichen Seele als Teil der irdischen Welt und der unvergänglichen Seele als  C. Munier, Justin. Apologie pour les chrétiens. Introduction, texte critique, traduction et notes, Paris 2006. Vgl. Marcovich, a.a.O.  R. Holte, „Logos spermatikos. Christianity and ancient philosophy according to St. Justin’s Apologies“, Studia theologica Lundensia 12, 1958, 109 – 168; J. H. Waszink, „Bemerkungen zu Justins Lehre vom Logos Spermatikos“, in: A. Hermann/A. Stuiber (Hrsgg.), Mullus. Festschrift für Theodor Klauser, Münster 1964, 380 – 390. Vgl. E. F. Osborn, The beginning of christian philosophy, Cambridge 1981, 80 ff. und 282 ff.  Apol. II 8: διὰ τὸ ἔμφυτον παντὶ γένει ἀνθρώπων σπέρμα τοῦ λόγου.  Apol. II 13: ὅσα οὖν παρὰ πᾶσι καλῶς εἴρηται, ἡμῶν τῶν χριστιανῶν ἐστιν.  Vgl. M. O. Young, „Justin Martyr and the Death of the Soul“, Studia Patristica 16, 1985, 209 – 215.

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Drittes Kapitel: Hoffnung auf überirdische Unsterblichkeit

göttlicher Gnadengabe in der überirdischen Welt liegt eine tiefe Zäsur, die nur durch Gott überwunden wird, als seine göttliche Gabe. Auch Vernunft und Freiheit verdanken sich der von Gott der menschlichen Seele mitgegebenen Möglichkeit, sich Gott zuzuwenden und auf diese Weise Gerechtigkeit zu erlangen. Der Mensch ist nicht von sich aus gerecht und hat auch nicht von sich aus ewiges Leben; beides erwirbt sich der Mensch erst durch Vernunft und Freiheit, wozu er von Gott die Möglichkeit hat. Je nachdem die Menschen das Gute oder das Böse erwählen, werden sie durch das Gericht am Ende der Zeiten der ewigen Seligkeit oder der ewigen Strafe zugeführt. Nach Justins Lehre haben die Christen nicht nur einen Glauben an die Auferstehung des Fleisches, vielmehr besitzen sie darüber die Gewißheit des Wissens. Die erste Auferstehung ereignet sich bei der Wiederkunft oder der zweiten Parusie Christi, die nahe bevorsteht.⁴⁹² Der wiedererschienene Christus wird in dem erneuten Jerusalem tausend Jahre herrschen. Ruhe und Freude werden sein, gemäß der Prophezeiung des Apostels Johannes in der Apokalypse. Dann wird die allgemeine Auferstehung folgen und das Gericht, das Gott durch Christus vollziehen wird (Dial. 58; 81). Mit trotziger Entschiedenheit wider den Unglauben der Heiden lehrt Justin, daß die in der Erde zerstreut liegenden Leiber dann wieder lebendig werden. Die Christen wissen gemäß der Prophezeiung, daß es kommen wird. Dann wird aufgrund des Gerichtes jeder zur ewigen Strafe oder zur ewigen Seligkeit gelangen entsprechend seinen Handlungen in seinem Leben.⁴⁹³ Der mit dieser Lehre verbundene Moralismus folgt der damals verbreiteten platonischstoischen Auffassung, nicht dem Legalismus des Judentums. Justins Philosophie war geprägt von dem Einfluß der platonischen und stoischen Philosophie, wobei die vielverhandelte Frage, ob sich dieser Einfluß dem eigenen Studium der philosophischen Texte verdankt oder dem allgemeinen philosophischen Zeitgeist, aus heutiger Sicht sekundär sein dürfte.⁴⁹⁴ Unbestritten ist Justins Einfluß auf die späteren Kirchenväter. Eusebius nennt ihn den „echten Liebhaber der wahren Philosophie“.⁴⁹⁵ Noch vor Origenes legte Justin die Fundamente dessen, was in späterer Zeit und bis heute Theologie genannt wird. Dazu gehörte auch seine Lehre von der Vergänglichkeit der menschlichen Seele als Teil dieser irdischen Welt und die Lehre von der Gnadengabe des ewigen Lebens der Seele als göttliche Gabe. Unter den Apologeten des antiken Chris-

 Apol. I 52; Dial. 31 ff., 80 ff.  Apol. I 12: ἕκαστον ἐπ’ αἰωνίαν κόλασιν ἢ σωτηρίαν καὶ ἀξίαν τῶν πράξεων πορεύεσθαι.  C. Andresen, „Justin und der mittlere Platonismus“, Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 44, 1952/53, 157– 195; J. H.Waszink, „Bemerkungen zum Einfluss des Platonismus im Frühen Christentum“, Vigiliae Christianae 19, 1965, 129 – 162.  Historia ecclesiae IV 8: γνήσιος τῆς ἀληθοῦς φιλοσοφίας ἐραστής.

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tentums waren Justin der Märtyrer und Origenes, der auch als Märtyrer starb, die größten „Zeugen der Wahrheit“, wie sie in tiefer Ehrfurcht von den Späteren genannt wurden, die von ihren Lehren und Gedankensystemen längst abhängig waren. Denn die Menschen waren nicht mehr überzeugt von der Wahrheit einer Lehre, wenn der Urheber dieser Lehre nicht bereit war, dafür sein Leben hinzugeben. Möglicherweise hat das Christentum seinen geschichtlichen Aufstieg zur Weltreligion überhaupt in erster Linie Menschen dieses Formates, seinen Blutzeugen, zu verdanken.Vor solchen Menschen verstummt die Kritik derjenigen, die für ihre Anschauungen zu sterben nicht bereit sind. Nirgendwo anders läßt sich genauer beobachten, wie das Christentum in der Auseinandersetzung mit der Antike emporgewachsen ist, als bei den christlichen Apologeten des 2. und 3. Jahrhunderts. Es siegt, gewiß, aber in seinem Sieg bewahrt es die Antike in nicht unerheblichem Umfang. Das Christentum wird von seinen Apologeten nicht ungeschickt, eher schon diplomatisch, der heidnischen Umwelt als Philosophie vorgestellt, als Philosophie unter Philosophien, wenn auch als die einzig wahre Philosophie, die christliche Philosophie, die sich zwecks eigener Formgebung der Begrifflichkeit der griechisch-römischen Philosophie bediente, sich diese aneignete und, wie nicht anders zu erwarten, auf ihrer Begriffsebene semantisch weiterentwickelte: neuer Wein in zum Teil alten Schläuchen. Das blieb für die neuen Inhalte nicht ohne Folgen und machte jenen Prozeß unvermeidlich, den man mit vollem Recht die Hellenisierung des Christentums genannt hat. Aber auch umgekehrt veränderte sich in diesem Prozeß die Semantik der griechischen philosophischen Begrifflichkeit in der Spätantike, vor allem in bezug auf das Verhältnis von Diesseitigkeit und Jenseitigkeit im Sinne einer dramatischen Abwertung des Diesseits zugunsten des Jenseits, der Jenseitsvorstellungen, wie besonders die Geschichte der Begriffe der Unsterblichkeit, der Unvergänglichkeit, des ewigen Lebens und dieses ganzen Begriffsfeldes zeigen. Die antike Tradition ist also sowohl Vorbereitung des Christentums gewesen als auch Differenz, Gegensatz, und diese Differenz konnte der Gegenstand durchaus ambivalenter Einschätzungen und Bewertungen sein, wie gerade das Beispiel des Antagonismus von Celsus und Origenes zeigt, und schloß die Möglichkeit späterer Renaissancen des Griechentums mit ein, im äußersten Fall sogar den Rückgang bis auf die vorsokratische Philosophie, wie Nietzsche und Heidegger beispielhaft veranschaulichen.

Exkurs: Die Dialektik von Leben und Tod im Kreislauf der Natur Die Dialektik des Lebens besteht in der Furcht vor dem Tod: Leben und Tod gehören zusammen. Wer lebt, möchte so lange wie möglich leben, am liebsten immer, auf jeden Fall den Tod hinausschieben – auf morgen, übermorgen und dann den Tag, auf den übernächsten Tag und so weiter ad calendas graecas, bis zu dem Jahr, in dem Ostern auf Pfingsten fällt. Von dieser Hoffnung hat der Mensch geträumt, seit es ihn gibt, das heißt solange die historischen Zeugnisse zurückreichen – und wahrscheinlich von Anfang an. Im klassischen griechischen Sprachgebrauch bezeichnet das Substantiv ζωή, wie entsprechend das Verb ζῆν, das physische Lebendigsein der organischen Wesen, der Menschen, Tiere und Pflanzen.⁴⁹⁶ Es ist eine Qualitätsbestimmung, die alle Lebewesen charakterisiert. Diese Qualität zeigt sich darin, daß die Lebewesen sich bewegen, Bewegung hier verstanden im weitesten Sinne, nicht nur als Ortsbewegung, sondern als Veränderung, ἀλλοίωσις, und zwar als Selbstbewegung, als Sichbewegen, Sichregen, im Unterschied von mechanischer Bewegung.⁴⁹⁷ Aristoteles sagt,⁴⁹⁸ daß von ζῆν dann geredet werden kann, wenn es sich um „Vernunft,Wahrnehmung, Bewegung und Stillstand am Ort, ferner Bewegung in der Ernährung, weiter Hinschwinden und Wachstum“ handele, auch dann, wenn es nur um eine dieser δυνάμεις (413a30) gehe. Leben ist, so gesehen, ein Gegenstand der Naturwissenschaft.⁴⁹⁹ Diese fragt nach den Ursachen, und indem sie das tut, lokalisiert sie die Ursache der ζωή in der ψυχή. Daher gelten alle Wesen als ζῷα, die eine Seele haben.⁵⁰⁰ So beruht der Beweis für die Unsterblichkeit der Seele bei Platon auf der Annahme, daß ψυχή und ζωή wesensgemäß zusammengehören.⁵⁰¹ Nach Aristoteles ist die ψυχή „die erste Vollendung eines natürlichen Körpers, welcher der Möglichkeit nach Leben besitzt“ resp. „eines

 Vgl. Kittelsches Wörterbuch zum Neuen Testament, s.v. zôe und s.v. bios.  Vgl. Platon, Phaidros 245 C ff.; Nomoi X 895 C ff. Aristoteles, De an. II 1. 412 b 16 f., 2. 413 a 22 ff.  De an. II 2. 413 a 22– 25: πλεοναχῶς δὲ τοῦ ζῆν λεγομένου, κἂν ἕν τι τούτων ἐνυπάρχῃ μόνον, ζῆν αὐτό φαμεν, οἷον νοῦς, αἴσθησις, κίνησις καὶ στάσις ἡ κατὰ τόπον, ἔτι κίνησις ἡ κατὰ τροφὴν καὶ φθίσις τε καὶ αὔξησις.  Zum „Leben“ bei Aristoteles siehe S. Föllinger (Hrsg.), Was ist ‚Leben‘? Aristoteles’ Anschauungen zur Entstehung und Funktionsweise von Leben, Stuttgart 2010, mit Hinweisen auf ältere Literatur.  Siehe z. B. Demokrit, fr. 55 B 278 D.-K.: […] ἡ μὲν φύσις τοιαύτη πάντων ἐστὶν ὅσσα ψυχὴν ἔχει.  Phaidon 105 C 9 – 11: ᾧ ἂν τί ἐγγένηται σώματι ζῶν ἔσται; ᾧ ἂν ψυχή, ἔφη.Vgl. Sophistes 248 E ff. Zur Unsterblichkeit der Seele siehe auch Phaidros 245 C 5 ff. https://doi.org/10.1515/9783110753691-006

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natürlichen mit Organen ausgestatteten Körpers“.⁵⁰² Von daher leitet sich der Sachverhalt ab, daß im klassischen griechischen Denken nur Körper (σώματα) als lebend gelten können, da die ψυχή nur im σῶμα existiert.⁵⁰³ Das Nämliche gilt für die menschliche ζωή, auch sie wird als ein Phänomen der Natur verstanden und in Kontinuität mit den Tieren und Pflanzen gesehen. Ebenso wird der Tod als ein Phänomen der Natur gewertet. Obwohl dieser durchaus im Gegensatz zum Leben gesehen wird,⁵⁰⁴ wird er als das natürliche Ende des Lebens betrachtet.Wo, wie in der Stoa, die Gottheit pantheistisch als der gesamte Kosmos, als „beseeltes Lebewesen“, verstanden wird,⁵⁰⁵ wird die ζωή zum Prinzip des Ganzen, das als Ganzes zum Gegenstand der Naturwissenschaft wird und die einzelnen Phänomene also zu Phänomenen des organischen Lebens werden, in denen sich im Wechsel von Entstehen und Vergehen das Leben individualisiert.⁵⁰⁶ Im Unterschied von dieser stoischen Konzeption steht bei Aristoteles die Gottheit jenseits des Kosmos, ist nicht diesem immanent, sondern ist diesem transzendent als reiner νοῦς. Als solcher ist er ζωή, denn die Tätigkeit des Geistes ist Leben,⁵⁰⁷ die Tätigkeit des göttlichen νοῦς aber ist das beste und ewige Leben.⁵⁰⁸ Die Formulierung, die Aristoteles hier, im 7. Kapitel des Buches Lambda der Metaphysik gebraucht, ist besonders aufschlußreich, denn sie läßt erkennen, daß die ζωή im griechischen Sprachgebrauch kein einförmiges Phänomen ist, sondern eine Steigerungsfähigkeit impliziert, also noch mehr und eine andere ist als nur das organische Leben, das Menschen, Tieren und Pflanzen gemeinsam ist. Vielmehr wird die ζωή der Gottheit hier von Aristoteles als νοεῖν gekennzeichnet, als θεωρία (1072 b 23 f.), als die ἀρίστη, insgesamt mit Charakterisierungen, die dem Menschen auch als seine höchsten Möglichkeiten, wenn auch nur mit den angemes De an. II 1. 412 a 19 ff. bes. 412 a 27 f: ἡ ψυχή ἐστιν ἐντελέχεια ἡ πρώτη σώματος φυσικοῦ δυνάμει ζωὴν ἔχοντος und 412 b 5 f.: ἐντελέχεια ἡ πρώτη σώματος φυσικοῦ ὀργανικοῦ.Vgl. ferner 413 a 20 ff.  Siehe z. B. De an. II 1. 412 b 6 ff., 413 a 3 – 10. Allgemein zum Verhältnis von Seele und Körper siehe D. Frede/B. Reis (Hrsgg.), Body and Soul in Ancient Philosophy, Berlin/New York 2009. Zu einer vielseitigen Behandlung des Körperbegriffes siehe T. Buchheim/D. Meißner/N. Wachsmann (Hrsgg.), ΣΩΜΑ. Körperkonzepte und körperliche Existenz in der antiken Philosophie und Literatur, Hamburg 2016.  Platon, Phaidon 71 D 5 – 7: Λέγε δή μοι καὶ σύ, ἔφη, οὕτω περὶ ζωῆς καὶ θανάτου. οὐκ ἐναντίον μὲν φῂς τῷ ζῆν τὸ τεθνάναι εἶναι; Ἔγωγε. Auch 105 D 6 – 9: Πότερον δ’ ἔστι τι ζωῇ ἐναντίον ἢ οὐδέν; Ἔστιν, ἔφη. Τί; Θάνατος.  Diog. Laert.VII 139: Οὕτω δὴ καὶ τὸν ὅλον κόσμον ζῷον ὄντα καὶ ἔμψυχον καὶ λογικόν, ἔχειν ἡγεμονικὸν μὲν τὸν αἰθέρα.  Vgl. M. J. White, „Stoic Natural Philosophy (Physics and Cosmology)“, in: B. Inwood (Hrsg.), The Cambridge Companion to the Stoics, Cambridge 2003, 124– 152.  Met. Λ 7. 1072 b 26 f.: ἡ γὰρ νοῦ ἐνέργεια ζωή.  Met. Λ 7. 1072 b 27 f.: ἐνέργεια δὲ ἡ καθ’ αὑτὴν ἐκείνου ζωὴ ἀρίστη καὶ ἂίδιος.

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senen Verkürzungen, zugesprochen werden, die aber gleichwohl erkennen lassen, daß hier nicht mehr nur die bloß natürliche Existenzebene von Lebewesen gemeint ist, wie αἴσθησις und κίνησις, sondern das Verständnis von νοῦς über die elementare Vitalsphäre von ζωή hinausführt in jene höhere Sphäre, aus der der νοῦς von außen (θύραθεν) in die Seele gekommen ist.⁵⁰⁹ Für Aristoteles ist dies das Göttliche im Menschen, wie der gesamte thematische Kontext von Metaphysik Lambda deutlich macht.⁵¹⁰ Das aber bedeutet für die Semantik des νοῦς-Begriffes, daß er zweierlei umfaßt: zum einen die Vitalschicht organischen Lebens, zum anderen das höhere, geistige Leben, das das menschliche Leben als seine spezifische Lebensform auszeichnet, eine Lebensform, die der Mensch noch nicht dadurch hat, daß er ein Lebewesen (ζῷον) ist. Das reicht im Falle des Menschen nicht aus, um die ζωή zu ihrer vollen Erfüllung ihrer selbst zu bringen. Das Menschsein ist mehr als Lebewesen sein. An dieser Stelle zeigt sich, daß in diesem systematischen Zusammenhang das biologische Art-Gattung-Schema nicht greift. Dieses genügt nur für die klassifikatorische Verortung des Menschen als Naturwesen, nicht aber da, wo es darum geht, den Menschen in seiner höchsten Daseinsform zu bestimmen, die ebenso wie die fundamentale, natürliche Existenzform des Menschen im Griechischen mit dem Wort ζωή bezeichnet wird. Eine terminologische Unterscheidung dieser beiden Lebensformen innerhalb des Wortfeldes ζωή (ζῆν) gibt es nicht, obwohl die Unterscheidung von der Sache her unübersehbar ist. Das Dasein des Menschen verläuft oberhalb seiner bloßen Existenz als lebendiger Organismus der Natur in Möglichkeiten seines Wollens, die keineswegs immer realisiert, sondern prinzipiell offen sind. Der Mensch führt nicht nur ein faktisches, sondern auch vor allem ein intentional bestimmtes Leben, das heißt ein Leben für etwas, im Unterschied zu dem faktischen Leben gemäß der Natur, das überwiegend in der Erhaltung des Einzelwesens und in seiner Fortpflanzung im Dienste der Gattung besteht.⁵¹¹ Das intentionale und das natürliche Leben des Menschen sind zumeist nicht identisch. Das findet auf der Sprachebene seinen Ausdruck, zum Beispiel in den adverbialen Bestimmungen von ζῆν wie εὖ ζῆν.⁵¹² Das spricht für ein Be-

 Vgl. De gen. an. II 3. 736 b 27 f.; 6. 744 b 21.  Hierzu allgemein siehe C. Horn (Hrsg.), Aristotle’s Metaphysics Lambda – New Essays, Boston/Berlin 2016.  Vgl. lexikographisch ζῆν mit Dativ.  Platon, Kriton 48 B 5 f.; Politeia I 354 A, III 387 D 12. Aristoteles, De part. an. II 10. 656 a 5 f. Bei Aristoteles kommt es sogar zur Neubildung des Wortes εὐζωία. EN I 8. 1098 b 21– 22: συνᾴδει δὲ τῷ λόγῳ καὶ τὸ εὖ ζῆν καὶ τὸ εὖ πράττειν τὸν εὐδαίμονα· σχεδὸν γὰρ εὐζωία τις εἴρηται καὶ εὐπραξία. Vgl. Platon, Menexenos 248 A 3: ἄριστα ζῆν, Menexenos 248 D 4 und Nomoi VII 806 E 2: κοσμίως ζῆν. Vgl. auch Nomoi III 689 D 7 f.: ὁ κατὰ λόγον ζῶν.

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wußtsein darüber, daß das menschliche Leben nicht wie das Leben der anderen organischen Lebewesen nur in der Natur abläuft, wie der Pflanzen und Tiere, das sich vollzieht in τροφή, αὔξησις und φθίσις, sondern daß es einen besonderen, je eigenen Verlauf in der Zeit hat, das heißt eine eigene Geschichte hat, die sich von der jedes anderen menschlichen Individuums unterscheidet. In diesem Bewußtsein von der zeitlichen Erstreckung seines Daseins bildet sich zugleich ein Bewußtsein von seinen Möglichkeiten in seinem Leben und sogar ein Bewußtsein von einem richtigen und einem nicht richtigen Leben.⁵¹³ Es kam in der griechischen Sprachenentwicklung schließlich dazu, daß neben ζωή (ζῆν) für die individuelle Lebensform, für den persönlichen Lebenslauf, ein zweites Wort in Gebrauch kam, nämlich βίος (βιοῦν), der individuelle βίος, der das Lebensschicksal eines Menschen bedeutet. Es bezeichnet recht eigentlich die Lebensweise eines Menschen. Das ist der Grund, weshalb dann das Wort βίος zur Titelbezeichnung der Lebensbeschreibung schlechthin geworden ist: „Biographie“. Der βίος umfaßt dann auch im besonderen die Lebensausrichtung, zu der sich ein Mensch irgendwann entschieden hat, das Leben, das er für sich gewählt hat,⁵¹⁴ zum Beispiel der Philosoph, der sich entschlossen hat, ein Leben gemäß dem νοῦς und der θεωρία zu führen oder aber der Philosophie untreu wird.⁵¹⁵ Seit Aristoteles wird dessen Dreiteilung der βίοι in den ἀπολαυστικός, πολιτικός und θεωρητικός üblich.⁵¹⁶ Das ist im Sinne des Aristoteles keine beliebige, lineare Aufzählung, sondern die dritte Möglichkeit der Lebensform ist für ihn der höchste, weil göttliche βίος, der dem Menchen aber nur punktuell zu verwirklichen gegeben ist, während sich das Sein des Gottes in absoluter Permanenz darin vollzieht.⁵¹⁷ Das macht den essentiellen Unterschied zwischen dem menschlichen und dem göttlichen Sein aus. Die ζωή des Menschen ist also nicht nur ζωή, sondern auf ihrer höchsten Stufe ist sie βίος, das eigentümlich Menschliche des Menschen. Was sich darin ausdrückt – das ist das typisch Griechische dieses Gedankens – ist nicht das Individuelle der Existenz des Menschen, sondern gerade das Allgemeine, Über Wie die Greise in Platons Politeia I 329 A 8, die in Erinnerung an ihre Jugend sagen: τότε μὲν εὖ ζῶντες, νῦν δὲ οὐδὲ ζῶντες. Vgl. Politeia 490 B. Von einem richtigen Leben kann sogar gesagt werden, daß man sich darauf versteht zu leben (Xenophon, Memorabilien III 3, 11: οὐκ ἐντεθύμησαι, ὅτι, ὅσα τε νόμῳ μεμαθήκαμεν κάλλιστα ὄντα, δι’ ὧν γε ζῆν ἐπιστάμεθα, ταῦτα πάντα διὰ λόγου ἐμάθομεν). Und es kann sogar die Frage entstehen, ob das Leben, das wir leben, überhaupt seinen Namen verdient (Euripides fr. 638 TGF).  Vgl. Platon, Apologie 38 A; Symposion 216 A; Philebos 62 C; Nomoi VII 803 Af., Xenophon, Memorabilien IV 8, 8. Aristoteles, EN I 7. 1098 a 18.  Vgl. z. B. Platon, Politeia VI 495 C.  Siehe EN I 5. 1095 b 14 ff.  Siehe Aristoteles, EN X 8. 1178 b 21 ff.; vgl. Met. Λ 7. 1072 b 14 ff.

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zeitliche, das Sein der Gattung, das der einzelne Mensch nur in möglicher, approximativer Vollkommenheit realisieren kann, aber wegen seiner somatischen Endlichkeit nie ganz erreicht. Das für den klassischen griechischen Lebensbegriff Wesentliche ist, daß er sowohl als ζωή im Sinne der natürlichen organischen Lebensbasis, das heißt als Naturphänomen, als auch als individueller βίος, wenn er sich im εὖ ζῆν oder ἀληθῶς ζῆν verwirklicht, immer etwas Diesseitiges, Irdisches ist. Die ζωή als natürliche Lebendigkeit, die sich in dem einzelnen Exemplar regt, übersteigt zwar das Individuum zur Gattung hin, denn es ist in Wirklichkeit ein Gattungsgeschehen, aber als natürliche Lebendigkeit ist sie nicht jenseitig, transzendent im religiösen Sinne, und da, wo das individuelle Leben über die elementare, bloß vitale ζωή hinaus sich in einem diesseitigen βίος verwirklicht, da erhebt es sich ebenfalls nicht zur Ebene des Jenseits, der Transzendenz, die dem Gott vorbehalten ist, die dem Menschen aber schon deswegen ontisch verschlossen ist, weil die φύσις des Menschen der μεταβολή unterliegt,⁵¹⁸ das Sein Gottes aber im Gegensatz dazu einfach ist und Veränderung ausschließt. Das bedeutet, zusammengefaßt, daß in der klassischen griechischen Philosophie der Lebensbegriff denkbar unspekulativ ist und prototypisch an der diesseitigen Welt orientiert bleibt. Das ist auch der Grund dafür, daß in dieser Philosophie und unter ihrem Einfluß in der klassischen Antike der Gedanke der irdischen Unsterblichkeit sich überhaupt hat entwickeln können. Im hellenistischen Sprachgebrauch setzt sich mit verteilten Rollen und einigen Akzentverschiebungen die Semantik der Begriffe ζωή (ζῆν) und βίος (βιοῦν) fort. In der Stoa dominiert bezüglich des Begriffes der ζωή die naturwissenschaftliche Bedeutung: die κίνησις steht stellvertretend für das physische Leben, das in der organischen Natur am Werk ist. Für die Stoiker ist der Kosmos Ausdruck der Einheit des physisch-psychischen Organismus. Dieser so als ζῷον ἔμψυχον verstandene κόσμος wird, wie wir bereits erwähnten, als mit der Gottheit identisch angesehen.⁵¹⁹ Auch der Mensch ist, wie Steine, Holz und Tiere, ein Teil des Kosmos; in dem Menschen nimmt die Lebenskraft des Kosmos, das πνεῦμα, eine individualisierte Gestalt an.⁵²⁰ Die Geburt des Menschen ist folglich eine μεταβολή dieser Lebenskraft ins Leben. Leben und Tod sind Phänomene der Natur. Im Unterschied zu diesem natürlichen Lebensvollzug ist der essentiell menschliche Lebensvollzug kein Naturprozeß. Denn das „Leben gemäß der Natur“, also das κατὰ φύσιν resp. ὁμολογουμένως oder ἀκολούθως τῇ φύσει ζῆν, vollzieht sich

 Vgl. z. B. Aristoteles, EN VII 14. 1154 b 20 – 31.  Siehe v. Arnim, SVF, II 191, 34 ff.; 305, 15 ff.  Vgl. v. Arnim, SVF, I 111, 8 f.; II 134, 25 f.; II 217, 15 f.

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nicht von selbst, sondern muß eigens im Akt des Verstehens begriffen und dann durch die Tat umgesetzt werden. Über dem basalen, elementaren biologischen Lebensvollzug erhebt sich erst das eigentlich menschliche Leben, das in der möglichen Übereinstimmung mit der Natur besteht. Das κατὰ φύσιν ζῆν ist kein Automatismus, sondern eine sittliche Leistung, der eine moralische Anstrengung zugrunde liegt.⁵²¹ In diesem Sinne ist das κατὰ φύσιν ζῆν gleichbedeutend mit dem εὖ ζῆν und dem κατὰ λόγον oder κατ’ ἀρετὴν ζῆν. Diese Übereinstimmung besteht nicht schon von vornherein, sondern ist eine erst herzustellende mittels einer „Lebenskunst“ (βιωτικὴ τέχνη). Das Mensch-Sein ist, ethisch gesehen, kein Zustand, sondern eine Aufgabe und Verpflichtung. Ζῷον ist man, ἄνθρωπος wird man. Der Mensch verwirklicht sein ζῆν κατὰ φύσιν erst im ζῆν κατὰ λόγον; beim Tier fällt das ζῆν κατὰ φύσιν mit dem ζῆν „gemäß dem Trieb“ (κατὰ τὴν ὁρμήν) zusammen.⁵²² Auch in der Stoa geht der Vollzug der ζωή des Menschen nicht im organischen Geschehen auf, sondern das Eigentliche des Menschseins erhebt sich erst auf dieser Grundlage und besteht in seinem „Endziel“ (τέλος) resp. in seiner „Rettung“ (σωτηρία).⁵²³ Wer als Mensch in seinem Leben nicht bis zu diesem Punkt kommt, gilt als „tot“ (νεκρός).⁵²⁴ Es gibt für den Menschen die eigentliche ζωή und die natürliche ζωή, letztere ist ein „Indifferentes“ (ἀδιάφορον), die nur als die Voraussetzung der ersteren ihre Bedeutung hat. Auch hier, in der Stoa, ereignet sich das eigentliche Leben nicht in einem Jenseits, als ein Transzendentes. Es erwächst aus dem Gebrauch des „leitenden Prinzips“ (ἡγεμονικόν), also des Verstands, und sein Ertrag ist von uns abhängig (ἐφ’ ἡμῖν). Auch in der Stoa ist die Frage nach dem „richtigen Leben“ (ὀρθὸς βίος) bzw. nach dem „Glück“ (εὐδαιμονία) aktuell.⁵²⁵ Im Anschluß an Aristoteles werden drei βίοι unterschieden, wenn auch nicht identisch mit den βίοι des Aristoteles.⁵²⁶ Da die normative Funktion der πόλις in hellenistischer Zeit gegenüber früher zurückgegangen ist,

 Zu Grundaspekten der Stoischen Ethik siehe T. Brennan, The Stoic Life, Oxford 2005; M. Schofield, „Stoic Ethics“, in: B. Inwood (Hrsg.), a.a.O., 2003, 233 – 256; A. A. Long, Stoic Studies, Cambridge 1996; B. Inwood, Ethics and Human Action in Early Stoicism, Oxford 1985; M. Forschner, Die Stoische Ethik: Über den Zusammenhang von Natur-, Sprach- und Moralphilosophie im altstoischen System, Stuttgart 1981; Sehr wertvoll nach wie vor: M. Pohlenz, Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung, 2 Bde., Göttingen 1948-1949.  Vgl. V. Arnim, SVF, III 43, 16 ff.  Vgl. v. Arnim, SVF, I 91, 24 ff.; Epiktet, Diss. II 9 ff.; IV 1, 165.  Siehe Epiktet, Diss. I 9, 19; 13, 5; III 23, 28. Hierzu A. A. Long, Epictetus. A Stoic and Socratic guide to Life, Oxford 2002, bes. 180 ff. Vgl. Seneca, De tranquillitate animi V 5: „Schlimmstes Unglück ist es, aus der Lebendigen Zahl zu schneiden, bevor man stirbt“ (ultimum malorum est e vivorum numero exire, antequam moriaris).  Vgl. v. Arnim, SVF, I 86, 27.  Vgl. v. Arnim, SVF, III 173, 4 f.

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tritt an diese Stelle der βίος des einzelnen vorbildhaften Weisen (σοφός) als die maßgebende Norm, die vor allem ausgerichtet ist auf die Betrachtung und Analyse des Innenaspektes des Menschen, das heißt auf sein Inneres, mit dem Ziel, sich von der Welt soweit wie möglich unabhängig zu machen. Diese Hinwendung zum Individuum in der Ethik und seine Ausstattung mit normativer Geltung läßt sich als ein Übergang zum Hellenismus zuerst beobachten bei Aristoteles in der Nikomachischen Ethik an der Rolle des φρόνιμος ἀνήρ und dessen Funktion als derjenige, der den Wertekanon in letzter Instanz bestimmt, insonderheit das ἀγαθόν. * Im Neuplatonismus setzt sich der Dualismus des ζωή-Begriffes fort und zwar verstärkt, da nun auch noch neben den Einflüssen Platons die Einflüsse des orientalischen anthropologischen Dualismus hinzukommen. Einerseits hält Plotin an der naturwissenschaftlichen Deutung des ζωή-Begriffes fest, indem er die ζωή der ψυχή zuordnet, die den κόσμος als ζῷον ἔμψυχον belebt und sich in die Einzelseelen distribuiert, die den σώματα einwohnen.⁵²⁷ Diese monistische Tendenz wird aber unterlaufen von einer dualistischen Auffassung, wonach die menschliche Seele als ein Fremdes im σῶμα betrachtet wird. Sie ist von einer höheren ontischen Stufe herabgesunken: deshalb ist es ihre Bestimmung, vom Irdischen sich abwendend ihren himmlischen Ursprungsort wieder aufzusuchen. In Verfolgung dieser ihrer Bestimmung entgeht die Einzelseele dem Tod und wird zum Objekt der Seelenwanderung. Diese Bewegungen vollziehen sich innerhalb der Systematik des Plotinischen Begriffssystems. Die ζωή und die ψυχή stammen aus dem νοῦς. Dieser ist das eigentlich Seiende. Über diesem aber steht jenseits von νοῦς und οὐσία das ἕν, das ohne ζωή ist, aber „Lebensursache“⁵²⁸ und „Quelle des Lebens“.⁵²⁹ Hier entfernt sich Plotin von der Tradition des griechischen ζωή-Begriffes, indem er Welt und Mensch unter dem Aspekt des Abstiegs, daß heißt der Emanation, sieht, und insoweit in der sich bildenden Stufenfolge des Alls die ζωή an Seinsgehalt abnimmt und er zur Annahme der Unterschei-

 Siehe Lexicon Plotinianum s.v. ζωή, ζῆν, ψυχή.  Plotin, Enn. I 6, 7: ζωῆς γὰρ αἴτιον καὶ νοῦ καὶ τοῦ εἶναι. Zu den Plotin-Textstellen und deren Erläuterung siehe vorzüglich P. Kalligas, The Enneads of Plotinus. A Commentary, Vol. I, Enneads I-III, translated (from Greek) by E. Key Fowden/N.Pilavachi, Princeton 2014. Zu den Enneaden IVVI siehe Π. Καλλιγάς, Πλωτίνου Ἐννεάς IV, Ακαδημία Αθηνών, Athen 2009; ders. Ἐννεάς V, Athen 2013; ders. Ἐννεάς VI, (2 Bde.), Athen 2018.  Enn. VI 9, 9.1– 2: Ἐν δὲ ταύτῃ τῇ χορείᾳ καθορᾷ πηγὴν μὲν ζωῆς, πηγὴν δὲ νοῦ, ἀρχὴν ὄντος, ἀγαθοῦ αἰτίαν, ῥίζαν ψυχῆς.

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dung verschiedener Formen der ζωή gezwungen ist. Die eigentliche ζωή ist Teil der νοερὰ φύσις.⁵³⁰ Das bedeutet, daß, wenn der Mensch unter dem Aspekt der Abkehr vom Irdischen und der „Rückkehr“ (ἐπιστροφή) zum νοῦς und zum ἕν hin beurteilt wird, dann die eigentliche ζωή kein Naturprozeß ist, sondern vom menschlichen Subjekt ergriffen werden muß. Das eigentliche Sein ist also der ψυχή nicht ontisch mitgegeben, sondern als Aufgabe aufgegeben. Nur seiner Anlage gemäß, als δύναμις, hat der Mensch die eigentliche ζωή, aber noch nicht aktuell (ἐνεργείᾳ). Das natürliche ζῆν, „mit dem der Tod vermischt ist“, steht am Anfang des Lebens eines Menschen, und die τελεία ζωή, die das „wahre Leben“ (ἀληθινή ζωή) ist, ist ihm als Ziel und Handlungsmaxime aufgegeben. Sie ist allein das „wahrhaftig leben“ ⁵³¹ und in ihm verwirklicht sich für Plotin das alte, überlieferte εὖ ζῆν, die εὐζωία, Termini, die auch Plotin verwendet. Der Weg zur τελεία ζωή besteht in der Abwendung vom σῶμα, im χωρισμός, und ist seinem eigenen Zustand nach die κάθαρσις. Diese ergreift der Mensch in der Schau, wird ihr in der Schau teilhaftig, und in dieser Schau wird er selbst das, was er schaut: οὐσία καὶ νοῦς καὶ ζῷον παντελὲς;⁵³² er hat nicht nur die ζωή, sondern er ist sie.⁵³³ Diese ἀληθινὴ ζωή ist nicht mehr von dieser Welt, sondern sie ist eine jenseitige, eine „andere“, dem Jenseits zugehörige Welt. Die Philosophie ist der Weg zu ihr.⁵³⁴ Sie wird auch nicht über die πολιτικὴ ἀρετή erreicht, sondern über die μείζων ἀρετή.⁵³⁵ Der Mensch, der sie erreicht und in seinem Leben verwirklicht hat, lebt auch nicht mehr den βίος eines φρόνιμος ἀνήρ oder ἀγαθὸς ἄνθρωπος, sondern den βίος der Götter.⁵³⁶ Hier ist die Transformation des Diesseits in das Jenseits Wirklichkeit geworden: das wahre Tugendleben vollzieht sich in Permanenz in der ἀληθινὴ ζωή, nicht mehr in der raumzeitlichen Geschichte der Mehrheit der Menschen, nicht mehr in der Geschichtlichkeit alltäglich menschlicher Existenz. Das Ereignis der Schau, der Einbruch der ἀληθινὴ ζωή in die normale Lebensgeschichte des einzelnen Menschen unterbricht diese Geschichte des menschlichen Daseins, seine Geschichtlichkeit, und degradiert den üblichen Ablauf der Lebensgeschichte, der Geschichte überhaupt, zu einem  Siehe Enn. I 4, 3: ὅτι δ’ ἡ τελεία ζωὴ καὶ ἡ ἀληθινὴ καὶ ὄντως ἐν ἐκείνῃ τῇ νοερᾷ φύσει, καὶ ὅτι αἱ ἄλλαι ἀτελεῖς καὶ ἰνδάλματα ζωῆς καὶ οὐ τελείως οὐδὲ καθαρῶς καὶ οὐ μᾶλλον ζωαὶ ἢ τοὐναντίον, πολλάκις μὲν εἴρηται. Vgl. Enn. I 4, 10.  Enn.VI 7, 29.30 – 31: εἰ δὲ τις δυσχεραίνει τὸ ζῆν, ᾧ θάνατος μέμικται, τὸ τοιοῦτο δυσχεραίνει, οὐ τὸ ἀληθῶς ζῆν. Vgl. Enn. VI 9, 9.  Siehe Enn. VI 7, 36.  Vgl. Enn. I 4, 4.14– 15: ὃς δὴ καὶ ἐνεργείᾳ ἐστὶ τοῦτο καὶ μεταβέβηκε πρὸς τὸ αὐτὸ εἶναι τοῦτο.  Siehe Enn. VI 9, 3.  Siehe Enn. I 2, 3 – 7.  Siehe Enn. I 2, 7.24– 26: καὶ ὅλως ζῶν οὐχὶ τὸ ἀνθρώπου βίον τὸν τοῦ ἀγαθοῦ, ὃν ἀξιοῖ ἡ πολιτικὴ ἀρετὴ, ἀλλὰ τοῦτον μὲν καταλιπών, ἄλλον δὲ ἑλόμενος τὸν τῶν θεῶν. Vgl. VI 9, 11.

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Theater. Die wahre ζωή, das will Plotin zum Ausdruck bringen, ist das eigentliche Leben: was die Mehrzahl der Menschen dafür hält, ist ein Wahn. Die eigentliche, wahre Welt ist die jenseitige Welt, in der die πολιτικαὶ ἀρεταί keine gründende Funktion mehr haben. Wer die Stufe des βίος θεῶν erreicht hat, bedarf nicht mehr der Wertewelt einer πόλις. Er ist im Jenseits angekommen, in dem, was jenseits irdischer Lebenswirklichkeit sein Sein hat. Das Leben in dieser höchsten und eigentlichen Form hat die göttliche Aura der Transzendenz.⁵³⁷ * Die Bedeutung des Lebensbegriffes im Neuen Testament ist zum einen die des natürlichen Lebens, die ganz überwiegend durch ζωή (ζῆν) vertreten wird. Es ist das durch Nahrung erhaltene und durch den natürlichen Tod begrenzte Leben in seiner zeitlichen Erstreckung, in dem der Mensch etwas Gutes zustande bringen kann oder aber ein Leben in Sünde führen kann, das als ein νεκρόν bezeichnet wird wie die Sünde (ἁμαρτία νεκρά) in Römer 7, 8 oder wie die toten Werke (νεκρὰ ἔργα) in Hebräer 9, 14. Das menschliche Leben ist ein Bewirken im guten und im schlechten Sinne. Es wird durch Nahrung zwar erhalten, aber nicht gesichert.⁵³⁸ Vielmehr beruht es im Neuen Testament auf dem „Geist des Lebens“, der die von Gott geschenkte Kraft bedeutet, nicht wie in der Stoa die Lebenskraft des Kosmos.⁵³⁹ Gott ist die ζωή als das ζῶν, wie im Alten Testament.⁵⁴⁰ Gott macht lebendig durch seinen Geist, daher ist auch das πνεῦμα das ζωοποιοῦν.⁵⁴¹ Wegen der Transzendenz Gottes wird die ζωή auch nirgends im Sinne eines bloßen Naturereignisses analysiert oder beschrieben, sondern immer bezogen auf die Abhängigkeit des Menschen von Gott. Da, wo das menschliche Leben unter dem Aspekt der Lebensführung betrachtet wird, kommt statt ζωή auch βίος vor, aber selten.⁵⁴² Bezeichnend ist, daß der spezifisch griechische βίος-Begriff im Sprachgebrauch des Neuen Testamentes nicht vorkommt. Die Erklärung ist evident: das menschliche Leben (ζωή) findet nach christlicher Auffassung seine Erfüllung und sein Ziel nicht in einer souveränen, autonomen, selbstbestimmten Lebensführung und in einer nach irdischen Maßstäben sinnvollen und vorbildhaften Biographie, sondern hat sich einzig und allein vor Gott, der der Richter ist,

 Vgl. Enn.VI 9, 11.48 – 51: καὶ οὗτος θεῶν καὶ ἀνθρώπων θείων καὶ εὐδαιμόνων βίος, ἀπαλλαγὴ τῶν ἄλλων τῶν τῇδε, βίος ἀνήδονος τῶν τῇδε, φυγὴ μόνου πρὸς μόνον.  Siehe Matthäus 4, 4; Vgl. Lukas 12, 15.  Vgl. Offenbarung 11, 11: πνεῦμα ζωῆς ἐκ τοῦ θεοῦ εἰσῆλθεν.  Vgl. Römer 9, 26; Matthäus 16, 16; 26; 63; Apostelgeschichte 14, 15.  Siehe 1. Könige 15; Jesaja 6, 63.  Siehe 1. Timotheos 2, 2; Lukas 8, 14; Zum Begriff βίωσις siehe Apostelgeschichte 26, 4.

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zu verantworten und vor ihm zu bestehen. Der Mensch soll kein selbstbestimmtes Leben für sich führen, sondern ein Leben für Gott, der allein sein Herr ist und zu sein hat.⁵⁴³ Ein Leben für sich zu leben, in Selbstherrlichkeit und Stolz, ist für den gläubigen Jünger Jesu gleichbedeutend mit Sünde und Tod, denn wer so lebt, würde für die Sünde und den Tod leben. Für eine solche Lebensauffassung ist kein Platz für das klassische antike Selbstverständnis: nämlich das Streben nach einem irdischen Fortleben im Gedächtnis der Nachwelt durch den Ruhm unsterblicher Taten. Der Sprachgebrauch im Neuen Testament weist nun aber, was ζωή (ζῆν) betrifft, eine weitere wichtige Besonderheit auf. Beides, Leben und Tod (θάνατος), sind nicht einfach nur natürliche Vorkommnisse, Ereignisse der Natur, sondern sie sind Teile eines überirdischen Geschehens, insoweit der Tod die Strafe für die Sünde ist. Zum Begriff des eigentlichen Lebens gehört aber, daß es unzerstörbar ist, und in diesem Sinne ist Gott die ζωή. Davon zu unterscheiden ist also die dem Tod ausgelieferte ζωή.⁵⁴⁴ Auch der Mensch, der ἐν σαρκί lebt, lebt zwar sein Leben im Sinne natürlicher Lebendigkeit, aber im Sinne der eigentlichen wahren ζωή ist er tot.⁵⁴⁵ Das eigentliche, zukünftige Leben nach dem Tod empfängt und erwirkt sich der Gläubige als Lohn. In dieses eigentliche Leben geht er ein als Errettung vom Tod, wenn er durch sein jetziges Leben dafür würdig geworden ist, das heißt sich bewährt hat auf seinem „Weg des Lebens“ (ὁδὸς τῆς ζωῆς),⁵⁴⁶ indem er den Geboten Gottes gemäß lebt, der Weg des Lebens, der für den Christen nicht darin besteht, daß er große Heldentaten vollbringt, die ihn im Gedächtnis der Nachwelt unsterblich machen. Davon ist an keiner Stelle des Neuen Testamentes die Rede. In beiden Fällen der ζωή verdankt sich der Mensch der Gnade Gottes: das natürliche Leben wird ihm durch die Schöpfertat Gottes geschenkt und das ewige Leben (ζωὴ αἰώνιος) durch und in der Auferstehung, wenn Gott ihn von den Toten auferweckt. Beides geschieht, wenn es geschieht, im Kontext der Heilsgeschichte, auch und gerade durch die Auferstehung, die aus der Gnade Gottes heraus erfolgt, nicht etwa wegen des philosophischen Gedankens an die Unsterblichkeit der Seele, der hier nirgends, auch nicht im Hintergrund, erkennbar ist. Griechische Philosophen haben hier nicht Pate gestanden. Ganz im Gegenteil: wenn Paulus von der Auferstehung der Toten spricht, die deshalb ist, weil Christus auferweckt

 Römer 14, 7– 8: οὐδεὶς γὰρ ἡμῶν ἑαυτῷ ζῇ, καὶ οὐδεὶς ἑαυτῷ ἀποθνήσκει· ἐάν τε γὰρ ζῶμεν, τῷ κυρίῳ ζῷμεν, ἐάν τε ἀποθνήσκωμεν, τῷ κυρίῳ ἀποθνήσκομεν.Vgl. 2. Korinther 5, 15; Galater 2, 19 – 20.  Siehe Galater 2, 20: Χριστῷ συνεσταύρωμαι· ζῶ δὲ οὐκέτι ἐγώ, ζῇ δὲ ἐν ἐμοὶ Χριστός, ὃ δὲ νῦν ζῶ ἐν σαρκί. Vgl. Philipper 1, 22.  Vgl. Matthäus 8, 22; Lukas 15, 24; Kolosser 2, 12; Epheser 5, 14 et passim.  Siehe Matthäus 7, 13 f.; Markus 10, 17; Matthäus 25, 46; Römer 2, 7; Galater 6, 8.

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wurde,⁵⁴⁷ ist er es gewohnt, bei seinen griechischen Hörern auf Unverständnis und Spott zu stoßen, für die speziell diese Botschaft, der christliche Auferstehungsglaube, das Befremdliche schlechthin ist.⁵⁴⁸ Für die, die ihn da wegen dieser Lehre verspotten, ist die beliebig abrufbare Wiederauferstehung der Taten Achills in ihrem Schulwissen von Homer eine Selbstverständlichkeit, aber die Wiederauferstehung eines einmal Gestorbenen das absolut Absurde. Wir werden bei der Darstellung der frühen Apologeten des Christentums, bei Justinus und Origenes, sehen, wie bei ihnen die Begründung des christlichen Auferstehungsglaubens im Zentrum ihres apologetischen Bemühens steht, gerade weil dieses Lehrstück des christlichen Glaubens erfahrungsgemäß bei der Missionstätigkeit den größten Widerstand hervorrief, jedenfalls bei der ersten Begegnung mit der neuen Religion. In ihrer Verteidigung des Christentums gehen sie zwar davon aus, daß die Seele unsterblich (ἀθάνατος) ist, aber sie ist durch die Sünde dem Tod verfallen, und erst durch die Auferstehung wird sie in Wahrheit und Wirklichkeit ἀθάνατος werden. Das ist keineswegs gleichbedeutend mit der griechischen Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele, die vielmehr den Charakter einer Seelenwanderung hat.⁵⁴⁹ Im Zentrum der urchristlichen Botschaft (κήρυγμα) steht nicht der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele, sondern die Osterbotschaft, die besagt, daß Jesus Christus, der tot war, lebt,⁵⁵⁰ und daß dieses Leben, in dem er seit der Erweckung vom Tod lebt, ein ewiges und unzerstörbares Leben ist, wodurch dem Tod für immer die Macht genommen wurde.⁵⁵¹ Nicht die Natur, sondern erst Gott schenkt in seiner Gnade dem Menschen, der Buße tut und ein gottgefälliges Leben führt, ein neues und echtes Leben, das von dem früheren, alten Leben, das der Mensch vor der gnädigen Heilstat Gottes geführt hat, qualitativ verschieden ist, denn es ist ein „neues“, das „wahre“ Leben. Die Hoffnung auf dieses ewige Leben nach dem Tod gründet sich auf den Glauben an die Heilstat, die Gott in der Erweckung Jesu Christi von den Toten gewirkt hat, ohne die der Mensch verloren wäre.⁵⁵² Daher gilt der Satz: wer an

 1. Korinther 15, 13 ff.  Siehe 1. Korinther 15; Apostelgeschichte 17, 18, 32.  Vgl. K. Hoheisel, „Das frühe Christentum und die Seelenwanderung“, Jahrbuch für Antike und Christentum 27/28, 1984/85, 24– 46; H. Dörrie, „Kontroversen um die Seelenwanderung im kaiserzeitlichen Platonismus“, Hermes 85, 1957, 414– 435.  Vgl. Lukas 24, 6 – 9 u. 23; Apostelgeschichte 1, 3; 25, 19; Hebräer 7, 9 u. 25; Offenbarung 1, 18; 2, 8.  Römer 6, 9 – 10; 14, 9; 2. Korinther 13, 4.  Vgl. Römer 5, 15 ff.; 1. Petrus 3, 7.

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Jesus glaubt, wird das Leben haben.⁵⁵³ Und deshalb gilt auch umgekehrt: nur der an Jesus Glaubende ist „wert des ewigen Lebens“ (ἄξιος τῆς αἰωνίου ζωῆς).⁵⁵⁴ Es ist Jesus Christus, durch den ewiges Leben und Unvergänglichkeit Wirklichkeit wurden und „welcher den Tod zunichte gemacht, aber Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht hat“.⁵⁵⁵ Das ewige Leben, von dem Paulus hier spricht, ist etwas anderes als die Unsterblichkeit der Seele, von der die griechischen Philosophen reden. Es ist kein Naturphänomen, sondern ein durch die Gnadentat Gottes gewirktes Leben, auf das man kein Recht und keinen Anspruch hat, sondern das einem von Gott geschenkt wird. Deshalb kann Petrus in der Apostelgeschichte 3, 13 ff. sagen: „Der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr ausgeliefert und vor Pilatus verleugnet habt, als dieser geurteilt hatte, ihn freizugeben. Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und gefordert, daß euch ein Mann, der ein Mörder war, geschenkt würde. Den Urheber des Lebens aber habt ihr getötet, welchen Gott von den Toten auferweckt hat, wovon wir Zeugen sind“.⁵⁵⁶ Sein Leben hat den Tod überwunden, und deshalb „werden wir durch sein Leben gerettet werden“.⁵⁵⁷ Denn sein Leben ist unser Leben.⁵⁵⁸ „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in Jesu Christo sind. Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Jesu Christo hat Dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes“.⁵⁵⁹ Er ist die Auferstehung und das Leben,⁵⁶⁰ der Weg, die Wahrheit und das Leben.⁵⁶¹ Für den christlichen Glauben ist die Ewigkeit keine natürliche Eigenschaft, kein Zustand der Seele, sondern die durch das Eingreifen Gottes gewirkte Ausnahme, und insoweit behält diese von Gott geschenkte Unvergänglichkeit des erlösten Menschen für den Christen immer etwas von einem Wunder,

 Siehe Römer 6, 8 ff.; 1. Timotheos 1, 16; Johannes 3, 15 f.  Vgl. Apostelgeschichte 13, 46.  2. Timotheos 1, 10: φανερωθεῖσαν δὲ νῦν διὰ τῆς ἐπιφανείας τοῦ σωτῆρος ἡμῶν Χριστοῦ Ἰησοῦ, καταργήσαντος μὲν τὸν θάνατον φωτίσαντος δὲ ζωὴν καὶ ἀφθαρσίαν διὰ τοῦ εὐαγγελίου.  ὁ θεὸς ᾿Aβραὰμ καὶ Ἰσαὰκ καὶ Ἰακώβ, ὁ θεὸς τῶν πατέρων ἡμῶν, ἐδόξασεν τὸν παῖδαν αὐτοῦ Ἰησοῦν, ὃν ὑμεῖς μὲν παρεδώκατε καὶ ἠρνήσασθε κατὰ πρόσωπον Πειλάτου, κρίναντος ἐκείνου ἀπολύειν· ὑμεῖς δὲ τὸν ἅγιον καὶ δίκαιον ἠρνήσασθε, καὶ ᾐτήσασθε ἄνδρα φονέα χαρισθῆναι ὑμῖν, τὸν δὲ ἀρχηγὸν τῆς ζωῆς ἀπεκτείνατε, ὃν ὁ θεὸς ἤγειρεν ἐκ νεκρῶν, οὗ ἡμεῖς μάρτυρές ἐσμεν.  Römer 5, 10: σωθησόμεθα ἐν τῇ ζωῇ αὐτοῦ.  Vgl. Kolosser 3, 4: ὅταν ὁ Χριστὸς φανερωθῇ, ἡ ζωὴ ἡμῶν, τότε καὶ ὑμεῖς σὺν αὐτῷ φανερωθήσεσθε ἐν δόξῃ.  Römer 8, 1– 2: Οὐδὲν ἄρα νῦν κατάκριμα τοῖς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ. ὁ γὰρ νόμος τοῦ πνεύματος τῆς ζωῆς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ ἠλευθέρωσέν σε ἀπὸ τοῦ νόμου τῆς ἁμαρτίας καὶ τοῦ θανάτου.  Johannes 11, 25: εἶπεν αὐτῇ ὁ Ἰησοῦς· ἐγώ εἰμι ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή.  Johannes 14, 6: λέγει αὐτῷ Ἰησοῦς· ἐγώ εἰμι ἡ ὁδὸς καὶ ἡ ἀλήθεια καὶ ἡ ζωή.Vgl. 1. Joh. 5, 11; 5, 20 – 21; 2, 26.

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denn es ist für ihn nichts Selbstverständliches, auf das er einen Anspruch hätte, sondern es ist und bleibt ein Geschenk der Gnade Gottes. Durch diese radikale Fassung des Gottesgedankens, radikaler und zugleich personenbezogener als im Griechentum, sowie durch die Kreierung des spezifisch christlichen Sündenbewußtseins bleibt für den genuin griechischen Ruhmesgedanken und für den Kult der großen Tat, die im Gedächtnis der Menschen weiterleben soll, wenig oder gar kein Platz.⁵⁶² Der Ruhm und das Sichrühmen im traditionell griechischen Sinne haben auch insofern keine tragende Basis im christlichen Glauben, da das πνεῦμα, in dem die ζωή als gegenwärtig vorgestellt wird, nicht als ein Besitz des Menschen gedacht wird, sondern genau umgekehrt durch das πνεῦμα deutlich gemacht werden soll, daß der Mensch niemals von sich selbst aus, aus Eigenem, lebt und handelt, sondern allein als Verlängerung der Tat Gottes. Entsprechend ist die Gerechtigkeit immer und notwendig die Gerechtigkeit Gottes (δικαιοσύνη θεοῦ) und nicht des Menschen, also nicht sein Verdienst allein. In diesem Sinne sagt Paulus, daß die ζωή, die er jetzt hat, nicht seine eigene ist, sondern daß Christus in ihm lebt⁵⁶³ und daß dessen ζωή in uns ist.⁵⁶⁴ Unser Leben ist in Christus,⁵⁶⁵ was bedeutet, daß wir unser eigentliches, unvergängliches Leben nur haben durch die Heilstat Gottes, die in Tod und Auferstehung Jesu Christi geschehen ist. Man hat das gelegentlich auch Christus-Mystik genannt. Aber das ist ein Mißverständnis, denn es ist genauso konkret gemeint, wie es gesagt ist: als eine existentielle Wirklichkeit, die durch Gott in Jesus Christus Ereignis geworden ist und sich in jeder einzelnen Heilstat Gottes, die Menschen das ewige Leben schenkt, wiederholt. Denn der Tod ist und bleibt das alles Entscheidende Schockerlebnis des Menschen von jeher. Daß nach einer Zeit der Aktivität und des Bestehens vieler Prüfungen und des Überwindens zahlloser Schwierigkeiten im Leben plötzlich alles aus sein soll, definitiv und endgültig, das darf nicht wahr sein. Seit den

 Vgl. Matthäus 6, 19 f.: „Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde […]; sammelt euch aber Schätze im Himmel“ (Μὴ θησαυρίζετε ὑμῖν θησαυροὺς ἐπὶ τῆς γῆς […] θησαυρίζετε δὲ ὑμῖν θησαυροὺς ἐν οὐρανῷ). Vgl. auch Matthäus 19, 21 und Lukas 12, 21 f. Siehe 1. Thessalonicher 2, 19 – 20: „Wer ist unsere Hoffnung, Freude und Krone des Ruhmes?“ (τίς γὰρ ἡμῶν ἐλπὶς ἢ χαρὰ ἢ στέφανος καυχήσεως;); Jakobus 4, 16: „Nun aber rühmet ihr euch in euren Großtuereien. Alles solches Rühmen ist böse“ (νῦν δὲ καυχᾶσθαι ἐν ταῖς ἀλαζονείαις ὑμῶν· πᾶσα καύχησις τοιαύτη πονηρά ἐστιν); 1. Korinther 1, 31: „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn“ (ὁ καυχώμενος ἐν κυρίῳ καυχάσθω); 2. Korinther 4, 7: „Die Überschwenglichkeit der Kraft sei die Kraft Gottes und nicht aus uns“ (ἡ ὑπερβολὴ τῆς δυνάμεως ᾖ τοῦ θεοῦ καὶ μὴ ἐξ ἡμῶν). Et passim.  Galater 2, 20: ζῶ δὲ οὐκέτι ἐγώ, ζῇ δὲ ἐν ἐμοὶ Χριστός. Vgl. Römer 8, 10.  2. Korinther 4, 10 f.: ἵνα καὶ ἡ ζωὴ τοῦ Ἰησοῦ ἐν τῷ σώματι ἡμῶν φανερωθῇ.  Vgl. Römer 8, 2: ὁ γὰρ νόμος τοῦ πνεύματος τῆς ζωῆς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ.

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ältesten Zeiten historischer Überlieferung beschäftigen sich Zeugnisse mit einem Leben nach dem physischen Tod. Und je mehr und je länger dies der Fall ist, daß es dem Menschen um sein Leben geht und damit in eins um den Sinn seines Lebens, desto intensiver wird der Tod als Abschluß oder Einschnitt, in jedem Fall aber als das größte Problem menschlicher Existenz erlebt, und aus diesem Erlebnis heraus entsteht das tief empfundene Bedürfnis, dem eigenen Leben eine höhere, vor allem eine auf Dauer gestellte Bedeutung zu geben. Das Leben, insonderheit das eigene Leben, muß dauern, es darf nicht für immer aufhören. Denn der Tod gehört nach allgemeinem Empfinden zum Leben dazu, aber dann wieder eigentlich doch nicht. Zu tief, zu einschneidend ist der Gegensatz zum Leben, der nur als Widerspruch des Lebens gesehen wird, als Antithese zu der These des Lebens. Also wurde immer schon gedacht, daß das Leben seinem Anspruch nach recht eigentlich ewiges Leben sein müßte: sein muß, Leben ohne ein wirkliches Ende. * Im Judentum gewinnt die Erwartung eines ewigen Lebens nach dem Tod seit der Makkabäerzeit⁵⁶⁶ an Verbreitung, in dem Sinne, daß dieses ewige Leben der menschlichen Seele ursprünglich nicht eigen ist, sondern von Gott durch die Auferweckung von den Toten auf neue Weise erschaffen wird.⁵⁶⁷ Viele Fragen bleiben hier offen: ob alle Menschen oder nur die Gerechten aus den Toten erweckt werden, ob die Auferstehung in verschiedenen Zeitabschnitten erfolgt und wie das Leben der Auferstandenen zu denken ist.⁵⁶⁸ Der Auferstehungsglaube wird zwischen den Pharisäern und den Sadduzäern zur Streitfrage: er wird von den Pharisäern gegen die Sadduzäer vertreten.⁵⁶⁹ Für unser Leitthema der irdischen Unsterblichkeit wesentlich ist die Frage, wie sich mit dem Glauben an ein Leben nach dem Tod der Begriff des Lebens mit

 Makkabäer, auch Hasmonäer, jüdisches Fürsten-und Priestergeschlecht. Seit 167 v.Chr. im Krieg gegen die Syrer. Es errang die Herrschaft über das jüdische Volk. Es ist benannt nach Judas Makkabäus. Die Herrschaft der Makkabäer dauerte bis 37 v.Chr.  Früheste Stelle Daniel 12, 2: „Und viele von denen, die im Staube der Erde schlafen, werden erwachen: diese zu ewigem Leben, und jene zur Schande, zu ewigem Abscheu“.  Vgl. G. Stemberger, Das Problem der Auferstehung im Alten Testament, Kairos 14, 1972, 273 – 290; J. J. Adler, „The Bible and Life after Death“, The Jewish Bible Quarterly 22, 1994, 85 – 90. Siehe auch H. Gese, „Der Tod im Alten Testament“, in: Ders. (Hrsg.), Zur biblischen Theologie, Tübingen ²1983, 31– 54.  Eine biblische Auferstehung wurde insbesondere von den Sadduzäern und den Gnostikern abgelehnt. Zu frühen Bestreitungen der Auferstehung innerhalb christlicher Gemeinden siehe 1. Korinther 15, 12 ff.

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verändert hat und das Leben nach dem Tod ein Leben in einem neuen Sinn ist.⁵⁷⁰ In dieser Grundsätzlichkeit ist das eher unwahrscheinlich. Der Begriff des Lebens wird sich nicht wesentlich durch die Verewigung des Lebens, das heißt durch die Annahme eines ewigen Lebens nach dem irdischen Tod verändert haben. Das Leben ohne Ende ist in der Vorstellung der Menschen, wie die Texte belegen, im Grunde das gleiche wie das zeitlich-begrenzte Leben: das Leben ohne Ende wird zwar als ein Leben ohne Leid, Not und Krankheit, ohne Feindschaften und ohne Kriege gedacht, gemäß der Metapher vom Baum des Lebens, dessen Frucht Leben und Gesundheit spenden wird.⁵⁷¹ Aber in solcher Qualifikation besteht für das Alte Testament generell die Substanz des Lebens. Daher kann auch der sündige Mensch, wenn er denn die Gebote Gottes befolgt, am Baum des Lebens teilhaben und auch ihm wird im sorgenvollen und mühseligen Erdenleben bisweilen ein paradiesischer Genuß ermöglicht. Der ununterbrochene Genuß am Baum des Lebens jedoch wird nur den Überwindern des Bösen zuteil.⁵⁷² Ein Unterschied zwischen den beiden Arten des Lebens liegt indes darin, daß das ewige Leben nach dem Tod als ein Leben ohne Sünde beschrieben wird. Ob damit aber generell ein Ende der irdischen Lebensbedingungen gemeint ist und sich der jüdische Lebensbegriff im Alten Testament nach dieser Richtung hin definitiv verändert hat, ist trotz Markus 12, 18 – 27 eher zweifelhaft.⁵⁷³ Dort heißt es: „Und es kommen Sadduzäer zu ihm, welche sagen, es gebe keine Auferstehung; und sie fragten ihn und sprachen: Lehrer, Moses hat uns geschrieben: Wenn jemandes Bruder stirbt und hinterläßt ein Weib und hinterläßt keine Kinder, daß sein Bruder sein Weib nehme und seinem Bruder Samen erwecke. Es waren sieben Brüder. Und der erste nahm ein Weib; und als er starb, hinterließ er keinen Samen; und der zweite nahm sie und starb, und auch er hinterließ keinen Samen; und der dritte desgleichen. Und die sieben nahmen sie und hinterließen keinen Samen. Am letzten von allen starb auch das Weib. In der Auferstehung, wenn sie auferstehen werden, wessen Weib von ihnen wird sie sein? Denn die sieben haben sie zum Weibe gehabt. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Irret ihr deshalb, weil ihr die Schriften nicht kennet, noch die Kraft Gottes? Denn wenn sie aus den Toten auferstehen, heiraten sie nicht, noch werden sie verheiratet, sondern sie

 Vgl. W. Dietrich, „Leben beiderseits der Todesgrenze“, Pastoraltheologie 76, 1987, 154– 171.  Vgl. 1. Mose 2, 9; 3, 22. Offenbarung 2, 7; 22, 2 u. 14. Sprüche 11, 30; 13, 12; 15, 4.  Vgl. M.Witte, Die biblische Urgeschichte, Berlin/New York 1998; H. Pfeiffer, „Der Baum in der Mitte des Gartens“, Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 112, 2000, 487– 500 und 113, 2001, 2– 16; Siehe auch A. Ungnad, „Die Paradiesbäume“, Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 79, 1925, 111– 118.  Vgl. B. Lang, „Leibliche Auferstehung und ewiges Leben?“, Bibel und Kirche 49, 1994, 2– 10; U. Kellermann, Auferstanden in den Himmel, Stuttgart 1979.

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sind wie Engel in den Himmeln. Was aber die Toten betrifft, daß sie auferstehen, habt ihr nicht in dem Buch Moses’ gelesen, „in dem Dornbusch“, wie Gott zu ihm redete und sprach: „Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“? Er ist nicht der Gott der Toten, sondern der Lebendigen. Ihr irret also sehr“.⁵⁷⁴ Das künftige ewige Leben nach dem Tode wurde im palästinensischen Judentum als ein Leben ohne Sünde vorgestellt und wohl im ganzen als ein Leben, das losgelöst von den irdischen Lebensbedingungen gedacht war.⁵⁷⁵ Diese überwiegend negative Eschatologie besticht durch ihre Konkretheit, verbleibt aber im ganzen gleichwohl innerhalb der Grenzen einer Mythologie eines engelgleichen Daseins im Himmel. Sie verbleibt im Horizont einer optimistischen Erwartungshaltung im Hinblick auf die zukünftige jenseitige Welt, gesehen aus der Perspektive des irdischen Jammertals, das nach Erlösung von allem Elend ruft. In Wahrheit ist sie nicht mehr als eine schmerzensreiche, leidgeprüfte Dialektik des Lebens, positiv verwandelt und projiziert in das Jenseits, in die Herrlichkeit einer besseren Welt, nicht unähnlich den politischen Utopien späterer Zeitalter. Auch im hellenistischen Judentum ist die Erwartung eines ewigen Lebens nach dem Tod allgemein verbreitet. Die Vorstellung von der Art und Weise des Daseins im Himmel ist die gleiche wie im palästinensischen Judentum. Nur da, wo Elemente der griechischen Philosophie übernommen werden, wie bei Philon von Alexandreia, dem jüdisch-hellenistischen Religionsphilosophen in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n.Chr.,⁵⁷⁶ macht sich dieser Einfluß durch die von der

 Καὶ ἔρχονται Σαδδουκαῖοι πρὸς αὐτόν, οἵτινες λέγουσιν ἀνάστασιν μὴ εἶναι, καὶ ἐπηρώτων αὐτὸν λέγοντες· διδάσκαλε, Μωυσῆς ἔγραψεν ἡμῖν ὅτι ἐάν τινος ἀδελφὸς ἀποθάνῃ καὶ καταλίπῃ γυναῖκα καὶ μὴ ἀφῇ τέκνον, ἵνα λάβῃ ὁ ἀδελφὸς αὐτοῦ τὴν γυναῖκα καὶ ἐξαναστήσῃ σπέρμα τῷ ἀδελφῷ αὐτοῦ. ἑπτὰ ἀδελφοὶ ἦσαν· καὶ ὁ πρῶτος ἔλαβεν γυναῖκα, καὶ ἀποθνήσκων οὐκ ἀφῆκεν σπέρμα· καὶ ὁ δεύτερος ἔλαβεν αὐτήν, καὶ ἀπέθανεν μὴ καταλιπὼν σπέρμα· καὶ ὁ τρίτος ὡσαύτως· καὶ οἱ ἑπτὰ οὐκ ἀφῆκαν σπέρμα. ἔσχατον πάντων καὶ ἡ γυνὴ ἀπέθανεν. ἐν τῇ ἀναστάσει, ὅταν ἀναστῶσιν, τίνος αὐτῶν ἔσται γυνή; οἱ γὰρ ἑπτὰ ἔσχον αὐτὴν γυναῖκα. ἔφη αὐτοῖς ὁ Ἰησοῦς· οὐ διὰ τοῦτο πλανᾶσθε μὴ εἰδότες τὰς γραφὰς μηδὲ τὴν δύναμιν τοῦ θεοῦ; ὅταν γὰρ ἐκ νεκρῶν ἀναστῶσιν, οὔτε γαμοῦσιν οὔτε γαμίζονται, ἀλλ’ εἰσὶν ὡς ἄγγελοι ἐν τοῖς οὐρανοῖς. περὶ δὲ τῶν νεκρῶν ὅτι ἐγείρονται, οὐκ ἀνέγνωτε ἐν τῇ βίβλῳ Μωυσέως ἐπὶ τοῦ βάτου πῶς εἶπεν αὐτῷ ὁ θεὸς λέγων· ἐγὼ ὁ θεὸς ᾿Aβραὰμ καὶ θεὸς Ἰσαὰκ καὶ θεὸς Ἰακώβ; οὐκ ἔστιν θεὸς νεκρῶν ἀλλὰ ζώντων. πολὺ πλανᾶσθε.  Überliefert ist Berl. 17 a: „In der zukünftigen Welt gibt es nicht Essen und Trinken, nicht Zeugung und Fortpflanzung, nicht Handel noch Wandel, nicht Neid noch Feindschaft noch Streit; sondern die Gerechten sitzen da mit ihren Kronen auf ihren Häuptern und laben sich am Glanz der Schekhina“ (Str.-B. I 890).  S. Sandmel, Philo of Alexandria, Oxford 1979; vgl. H. Leisegang, „Philon“, in: Realenzyclopädie der klassischen Altertumswissenschaft, Bd. 20, Stuttgart 1941 und M. Pohlenz, „Philo von Alexandreia“, NAWG. PH, 1942, 409 – 487; H. Hegermann, „Das hellenistische Judentum, III. Philo

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hellenistischen Anthropologie geprägte Lehre bemerkbar, daß die Seele unsterblich sei, und zwar von Anfang an unsterblich sei, so daß in diesem Punkt Philons Lehre von der griechischen kaum zu unterscheiden ist, der sogar auch echt griechisch vom ewigen Fortleben des Menschen durch unsterbliche Taten spricht.⁵⁷⁷ Philons Einfluß war groß, insonderheit auf die griechische Patristik der folgenden Jahrhunderte. Er ist eine der wirkungsvollen Vermittlergestalten in der Religionsphilosophie seiner Zeit, indem er die Ansprüche von Vernunft und Offenbarung in seiner Theologie auszugleichen suchte. Davon zeugt eben auch die zitierte Stelle aus De specialibus legibus,⁵⁷⁸ an der er in bezug auf den Ruhmesgedanken dem griechischen, aber ganz und gar unchristlichen Gedanken vom ewigen Fortleben durch unsterbliche Taten das Wort redet, was außerdem von seiner weltläufigen und weltbürgerlichen Unbefangenheit Zeugnis ablegt. Seine griechisch geschriebenen Werke sind fast vollständig erhalten. Sie sind vor allem Erläuterungen zum Pentateuch, besonders zur Genesis, außerdem philosophische Schriften. Er lehnte sich an Platon und die Stoa an. Auf das Judentum und auf das entstehende Christentum hat er eine bleibende Wirkung ausgeübt. Im Winter 39/ 40 führte er eine jüdische Gesandtschaft nach Rom, um von Kaiser Caligula das Bürgerrecht für die alexandrinischen Juden zu erhalten.⁵⁷⁹

von Alexandria“, in: J. Leipoldt/W. Grundmann (Hrsgg.), Umwelt des Urchristentums, I. Darstellung des neutestamentlichen Zeitalters, Berlin ²1967 (1956), 326 – 342.  De specialibus legibus IV 169: νομίμου δ’ ἄρχοντος ἰσότητα τιμῶντος, ἀδεκάστου, τὰ δίκαια κρίνοντος δικαίως, ἐμμελετῶντος ἀεὶ τοῖς νόμοις, ἆθλον εἶναί φησι τὴν μακροχρόνιον ἡγεμονίαν, οὐχ ἵνα πολυετῆ ζωὴν αὐτῷ χαρίσηται μετὰ τοῦ τὰ κοινὰ πρυτανεύειν, ἀλλ’ ἵνα ἀναδιδάξῃ τοὺς ἀγνοοῦντας, ὅτι ὁ νόμιμος ἄρχων, κἂν τελευτήσῃ, βίον ζῇ μακραίωνα διὰ τῶν πράξεων, ἃς ἀθανάτους ἀπολέλοιπε μνημεῖα καλοκἀγαθίας ἀκαθαίρετα.  Philonis Alexandrini opera quae supersunt, Bd. V, hrsg. v. L. Cohn, Berlin 1906.  Allgemein zu Philon siehe auch A. Kamesar (Hrsg.), The Cambridge Companion to Philo, Cambridge 2009; Vgl. D. T. Runia, Philo in Early Christian Literature, Assen 1993; H. Chadwick, „Philo and the Beginning of Christian Thought“, in: A. H. Armstrong (Hrsg.), The Cambridge History of Later Greek and Early Medieval Philosophy, Cambridge 1967, 137– 192; siehe ferner H. A. Wolfson, Philo. Foundations of Religious Philosophy in Judaism, Christianity and Islam, Bd. 1– 2, Cambridge ²1947.

Viertes Kapitel: Das Fortleben der dualistischen antiken Ontologie 1 Der Irdische Sohn aus Nazareth und der himmlische Sohn Gottes: Die Christologie als ontologisches Erbe der griechischen Philosophie Der antagonistische Dualismus in der antiken Weltanschauung, durch Platons Ideenlehre philosophisch wirkungsvoll und nachhaltig fundiert, machte auch vor dem Aufkommen des Christentums nicht halt, sondern hinterfragte seine dogmatisch wesentlichen Erscheinungen und tragenden Grundbegriffe nach ihrem systematischen Ort auf der Skala des Diesseits- und Jenseitshiats, des Irdisch und Überirdisch, des Endlich und Unendlich, des Vergänglich und Unvergänglich. Das traf insonderheit auf die Zentralgestalt der neuen Religion zu: auf den Menschen Jesus von Nazareth, den Verkünder der Heilsbotschaft, den Sohn Gottes, der, um sein ihm von seinem Vater aufgetragenes Werk zu vollbringen, auf die Erde gekommen und Mensch geworden war, um die Menschheit zu erlösen und zu bewahren vor der Verdammnis. So die frohe Botschaft, das εὐαγγέλιον. Die Zeit hatte sich erfüllt. Christus, der Messias, war erschienen. Im Fadenkreuz antiker Metaphysik mußte sich über kurz oder lang die Frage stellen: Was an ihm ist Gott, was ist Mensch, wie soll dieses Beieinander ontologisch überhaupt möglich sein? Gemäß dem Glauben der Glaubenden war aus dem erniedrigten und am Kreuz gestorbenen Menschen der vom Tod auferweckte Sohn Gottes geworden. Aber wie? So stellte sich die unaufschiebbare Frage dem sich bald einstellenden Nachdenken über die Ereignisse am Karfreitag Ostermorgen schon der Urgemeinde. Paulus verweist die Gemeinde in Korinth als Wahrheitsbeweis für das Geschehene auf das, was er, Paulus, ihnen zuerst gesagt hat, „daß Christus für unsere Sünden gestorben ist, nach den Schriften; und daß er begraben wurde, und daß er auferweckt worden ist am dritten Tag, nach den Schriften; und daß er Kephas (scil. Petrus) erschienen ist, dann den Zwölfen. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten bis jetzt übriggeblieben, etliche aber auch entschlafen sind. Danach erschien er Jakobus, dann den Aposteln allen; am letzten aber von allen, gleichsam der unzeitigen Geburt, erschien er auch mir. Denn ich bin der geringste der Apostel, der ich nicht würdig bin, ein Apostel genannt zu werden, weil ich die Versammlung Gottes verfolgt https://doi.org/10.1515/9783110753691-007

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Viertes Kapitel: Das Fortleben der dualistischen antiken Ontologie

habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“.⁵⁸⁰ Die Vorgänge nach dem Tode Jesu werden hier von Paulus in der Form von Visionen, konzentriert auf die Hauptsache, die Person Jesu, überliefert, nicht ohne Dramatik im Bericht der Erlebnisse mit dem Höhepunkt der Erscheinung des Herrn vor Petrus. Begleitet war das Berichtete von einem Schriftstudium des Alten Testamentes („nach den Schriften“: κατὰ τὰς γραφάς), das bei der Entstehung der Kirche von Anfang an immer anwesend ist, eindrücklich und nachhaltig, speziell mit dem Blick auf Jesus als Erlöser, der diese Eigenschaft als Messias trotz des Todes am Kreuz innehat und, gewirkt durch Gott, der Jesus durch die Auferweckung zum Christus gemacht hat. Das ist alles: in der Überlieferung allein⁵⁸¹ liegt die ganze Wahrheit dessen, was Paulus der Gemeinde in Korinth zu sagen hat. Auf diese Wahrheit gründet sich fortan die Verkündigung der Apostel und die sich formierende Theologie der christlichen Kirche, die sich von nun an von der theozentrischen Verkündigung der Gottesherrschaft, wie sie Jesus gelehrt hatte, in die christozentrische Verkündigung von Jesus als dem Christus veränderte. Erfüllt von diesem neuen Geist, in diesem Sinne „enthusiasmiert“, zog man hinauf nach Jerusalem, um dort auf die Ankunft, die Parusie Jesu als Messias zu warten. Man ließ sozusagen alle irdischen Geschäfte stehen und liegen und hatte nur eines im Sinn: dem Herrn entgegen. Die Entwicklung lief nun, beschleunigt durch ganz konkrete Heilserwartungen, auf eine Zentrierung der religiösen Vorstellungen auf eben diesen einen hinaus, das heißt auf den Glauben an Jesus Christus, das Zentrum der neuen Religion, die sich, obwohl ein Monotheismus, ihrem eigentlichen Wesen nach auf das Bekenntnis zu Jesus Christus konzentrierte. Christus wurde als Gott verehrt.⁵⁸² Es wurde zwar begrifflich zwischen Gott und Christus unterschieden, aber diese Unterscheidung wurde begriffslogisch nicht näher bestimmt, so daß das Ergebnis dieser Differenzierung nicht viel mehr als ein vager Modalismus war, demgemäß Christus eine Erscheinungsweise Gottes war, neben den beiden anderen Erscheinungsweisen Gottes, nämlich als Vater und als Heiliger Geist. Die Anhänger dieser Art des Modalismus wurden Modalisten genannt. Diese Auffassung war

 1. Korinther 15, 3 – 10: ὅτι Χριστὸς ἀπέθανεν ὑπὲρ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν κατὰ τὰς γραφάς, καὶ ὅτι ἐτάφη, καὶ ὅτι ἐγήγερται τῇ ἡμέρᾳ τῇ τρίτῃ κατὰ τὰς γραφάς, καὶ ὅτι ὤφθη Κηφᾷ, εἶτα τοῖς δώδεκα· ἔπειτα ὤφθη ἐπάνω πεντακοσίοις ἀδελφοῖς ἐφάπαξ, ἐξ ὧν οἱ πλείονες μένουσιν ἕως ἄρτι, τινὲς δὲ ἐκοιμήθησαν· ἔπειτα ὤφθη Ἰακώβῳ, εἴτα τοῖς ἀποστόλοις πᾶσιν· ἔσχατον δὲ πάντων ὡσπερεὶ τῷ ἐκτρώματι ὤφθη κἀμοί. Ἐγὼ γάρ εἰμι ὁ ἐλάχιστος τῶν ἀποστόλων, ὃς οὐκ εἰμὶ ἱκανὸς καλεῖσθαι ἀπόστολος, διότι ἐδίωξα τὴν ἐκκλησίαν τοῦ θεοῦ· χάριτι δὲ θεοῦ εἰμι ὅ εἰμι.  1. Korinther 15, 3: παρέδωκα γὰρ ὑμῖν ἐν πρώτοις, ὃ καὶ παρέλαβον.  Vgl. II. Klemensbrief I 1: οὕτως δεῖ ἡμᾶς φρονεῖν περὶ Ἰησοῦ Χριστοῦ, ὡς περὶ κριτοῦ ζώντων καὶ νεκρῶν.

1 Die Christologie als ontologisches Erbe der griechischen Philosophie

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weit verbreitet, weil sie der Auffassung der meisten Gemeindemitglieder entsprach; sie ist auch in der nachnicänischen Zeit noch nachweisbar und empfahl sich durch ihre scheinbare konzeptionelle Schlichtheit und Selbstverständlichkeit. Mit überwältigender Macht setzte sich in der Christologie des frühen Christentums die dualistische Ontologie der griechischen Philosophie durch, sobald es darum ging, die grundlegenden Glaubenswahrheiten der christlichen Religion in eine den gebildeten Schichten vermittelbare Form zu übersetzen. Die Zentralgestalt aller sich herausbildenden christlichen Glaubenssysteme ist Christus. Er ist der Wendepunkt der Geschichte und erfährt dieser Bedeutung entsprechend eine umfassende kosmologische Interpretation: mit ihm beginnt die Erlösung des gesamten Kosmos, und entsprechend dieser seiner Universalität kommt es zu verschiedenartigen Bestimmungen der Christologie, deren gemeinsamer Zug darin besteht, Christus als himmlischen Äon deutlich zu unterscheiden von der irdischen Erscheinung Jesu. Unter diesem Aspekt kam es zu folgenden Lehren: 1) Jesus war ein wirklicher Mensch, die Basis des von oben her aufruhenden Christus, der sich bei der Kreuzigung wieder von ihm trennt; 2) der Leib Jesu stammte aus der Äonenwelt; 3) Christus hatte einen Scheinleib. Die Anhänger dieser Doketismus genannten Lehre hießen Doketisten.⁵⁸³ Es konnte nicht ausbleiben, daß es bei solchen Meinungsverschiedenheiten zu dogmatischen Lehrstreitigkeiten kam, die die Frage nach der Einheit der frühkatholischen Kirche ernsthaft problematisierte. Das ereignete sich auch, obwohl man im Taufbekenntnis eine kurze Zusammenfassung der in den Gemeinden geltenden Glaubenssätze hatte. Um Weiterungen der Lehrstreitigkeiten zu vermeiden, erhob man das Taufbekenntnis kurz entschlossen zur apostolischen Wahrheitsregel oder Glaubensregel (regula veritatis, regula fidei, κανὼν τῆς ἀληθείας, κανὼν τῆς πίστεως). Ab dem vierten Jahrhundert bürgerte sich für das Taufbekenntnis der Name „Symbol“ (symbolum, σύμβολον) ein. Aber auch nachdem sich die Glaubensregel und das Neue Testament als Schriftcorpus durchgesetzt hatte, blieben unterschiedliche Antworten auf Fragen nach dem Verhältnis von Christus und Gott möglich und offen, die zu einer Entscheidung anstanden. Die sich im klassischen ontologischen Dualismus gegenüberstehenden metaphysischen Konstanten fanden um das Jahr 200 im Rahmen der christlichen Dogmatik ihre begrifflichen Ausprägungen in drei christologischen Richtungen, nämlich in der Logos-Christologie und in den beiden monarchianischen Richtungen, dem Adoptianismus und dem Modalismus. Als Sieger ging die Logos-

 W. von Heyden, Doketismus und Inkarnation. Die Entstehung zweier gegensätzlicher Modelle von Christologie, Tübingen 2014.

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Viertes Kapitel: Das Fortleben der dualistischen antiken Ontologie

Christologie aus den heftigen dogmatischen Streitigkeiten hervor. Das bedeutete die offizielle Anerkennung und Aufnahme des Logosbegriffes, wodurch der philosophischen Spekulation im Rahmen der Glaubenslehre Tür und Tor geöffnet wurde. Und damit war der urchristliche Glaube fest und unverrückbar in den Rahmen der antiken griechischen Metaphysik eingespannt. Ob der ursprüngliche christliche Gemeindeglaube ohne die später einsetzende und hinzukommende metaphysische Gräzisierung bei der begrifflichen Dogmenbildung eine Überlebenschance in historischer Dimension gehabt hätte, ist eher unwahrscheinlich. Die auf Synoden konsensual zur Norm erhobenen Glaubenslehren galten als Dogmen, die für den einzelnen Gläubigen verbindlich waren. Ohne deren Anerkennung kein ewiges Heil. Beides, Bekenntnis und Verbannung, war den Üblichkeiten der Synagoge entlehnt, aus der die Kirche herauswuchs. Als Dogma im strengen Sinne kannte die frühe Kirche nur die Lehre von der Trinität. Im Neuen Testament gibt es noch keine trinitarischen Sätze im engeren Sinne und keine Lehre über das gegenseitige Verhältnis der drei Personen der Gottheit. Dem am nächsten kommen nur liturgische Aussagen mit trinitarischer Struktur, aber auch noch ohne feste Reihenfolge.⁵⁸⁴ Hier gilt, was allgemein für die christologischen Äußerungen und Ausdrücke der frühesten Zeit des Christentums gilt: ein Defizit an begrifflicher Präzision bei gleichzeitiger großer Mannigfaltigkeit der Phänomenbeschreibung. Das zeigt sich exemplarisch an dem Problem, das darin bestand, daß man Christus als Gott bezeichnete, wenn man ihn als solchen anbetete, und Gott doch gleichzeitig als Einheit zu verstehen meinte. Der darin liegende immanente Widerspruch wurde offenbar als solcher noch nicht empfunden, war nicht Inhalt des Bewußtseins des einzelnen Gläubigen. Das Dogma der Trinität formte sich erst seit der Wende vom zweiten zum dritten Jahrhundert. Die Logoslehre war ein Element der jüdischen alexandrinischen Religionsphilosophie, wie man bei Philo erkennt, wo es dem Ausbau der theistischen Kosmologie diente. Mit dem Aufkommen des Glaubens an die Gottheit Christi verband sich schon früh die Aufnahme des Logosbegriffes in die christliche Glaubenswelt. Das tritt im Johannesevangelium (1, 4– 18) paradigmatisch in die Erscheinung, und in der Theologie der Apologeten des zweiten Jahrhunderts ist der Logosbegriff zentral, und es läßt sich beobachten, wie die Logoslehre den frühkatholischen Kirchenvätern vorzüglich dazu dient, unter Hinzuziehung der trinitarisch strukturierten Glaubensregel zur Trinitätslehre weiterentwickelt zu werden. Das Problem des Verhältnisses von Christus zu Gott lösen sie nur scheinbar, nämlich durch ein weiteres Problem. Der Logos, obwohl selbst göttliches Wesen, wird Gott untergeordnet, subordiniert, und dem Logos ist der Geist

 Zum Beispiel 1. Korinther 12, 4– 6; 2. Korinther 13, 13; Epheser 4, 4– 6; Matthäus 28, 19 f.

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subordiniert, was bedeutet, daß Logos und Geist nur in abgeleiteter Weise an der Substanz Gottes partizipieren. Das Ergebnis war ein pluralistischer Monotheismus, der von den Gegnern des Christentums schon bald spöttisch als ein Polytheismus desavouiert wurde. Aber auch das konnte das weitere, unaufhaltsame Vordringen der trinitarischen Logos-Christologie nicht verhindern. Die Fortsetzung des klassischen antiken metaphysischen Dualismus von Diesseitigkeit und Jenseitigkeit, von irdischer Endlichkeit und überirdischer Unendlichkeit findet im antiken Christentum ihren nachklassischen Ausdruck im Dogma von der Dreieinigkeit und vom Gottmenschentum Jesu. Dieses Thema war der Ausgangspunkt zahlloser Streitigkeiten, und diese Streitigkeiten und dogmatischen Gegensätze gefährdeten die kirchliche Einheit, die der römische Staat seit Konstantin anstrebte. Es ging immer wieder um das nach wie vor ungelöste christologische Problem, in dem sich in dieser Zeit die antike Metaphysik realistisch und zugleich systematisch manifestierte. Sozusagen Öl ins Feuer goß Konstantin, als er nach Ausbruch des arianischen Streites die dogmatische Frage, die zur Diskussion stand, durch einen Machtspruch des Staates, auf seinen Druck, entscheiden ließ. Dadurch entwickelte sich der Streit um das Dogma zu einem Flächenbrand, der die breite Öffentlichkeit und alle Schichten des Volkes erfaßte. Es ging in dem arianischen Streit, der sich von 318 – 381 hinzog, vornehmlich im Osten des Reiches, um das Problem der Gottheit Christi, näherhin darum, ob Christus in seiner Präexistenz Gott gleich oder ein Halbgott gewesen sei. Es ist hier nicht der Ort, die Details dieses Streites nachzuzeichnen, der von Alexandria seinen Ausgang nahm und in dem es anfänglich um die Lehre des Arius ging. Arius war Presbyter in Alexandria, der wegen Häresie seines Amtes enthoben wurde. Die Kontroverse breitete sich zwischen 321 und 325 aus. Seine innerkirchlichen Gegner, die schließlich die Oberhand in dem Streit behielten, warfen Arius vor, die wahre Gottheit Christi zu leugnen, das heißt den Sohn den Geschöpfen zuzuordnen und den Heiligen Geist dem Vater und dem Sohn unterzuordnen. In scharfer Entgegensetzung erklärte das Konzil von Nicäa 325 die Homoousie (ὁμοούσιος) des Sohnes mit dem Vater. Auf dem Konzil von Konstantinopel 381 wurde auch die Gottheit des Heiligen Geistes bestimmt. Es ist unverkennbar, daß in dem Arianismus-Streit eine dogmatische Krise des Christentums, die sich schon im 2. Jahrhundert vorbereitet hatte, virulent wurde, und zwar veranlaßt durch die Annäherung des Christusglaubens an die platonisch-stoische Logos-Lehre bei den Apologeten wie Justin dem Märtyrer, Klemens von Alexandria, Origenes und anderen. Das am Anfang allein auf die Aussagen des Neuen Testamentes sich stützende Verständnis der menschlichen Erscheinung Jesu in Verbindung mit dem universalen Anspruch der Offenbarung des gottgleichen Welt-Logos geriet in ein Spannungsverhältnis, das seine Ursache in der Übernahme der hellenistischen Kosmologie hatte, die, vorchristlich for-

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muliert, nicht so ohne weiteres mit der neuen Religion des Weltenlenkers Christus begrifflich zur Deckung zu bringen war. Der systemkonforme Ausgleich dieser Spannung sollte durch den Beschluß des Konzils von Nicäa herbeigeführt werden und speziell durch dessen dogmatische Betonung der Göttlichkeit Christi. Damit war der Streit über die wahre Natur Jesu Christi an seinem systematisch entscheidenden Punkt angekommen, und die Auseinandersetzungen darüber zogen sich durch das vierte und fünfte Jahrhundert hin, mit zwei Schwerpunkten, der eine lag in einer Christologie, die die Gottheit Christi so stark betonte, daß die menschliche Wirklichkeit Jesu demgegenüber zu wenig Beachtung fand, nämlich in Alexandria; der andere Schwerpunkt lag umgekehrt in einer Christologie, die das Menschsein Jesu so stark betonte, daß demgegenüber die göttliche Natur Christi in den Hintergrund zu rücken schien, wie in Antiochia. Das Ergebnis dieser Konstellation war, daß die auf diese Weise aufgebrochene Fragestellung sich mehr und mehr zu einer rein metaphysischen Spekulation verhärtete und verengte und der Tod Jesu das dominante Thema wurde, weniger sein Leben und die Auferstehung. Jedenfalls zeigte sich schon bald in dem weiteren Verlauf der theologischen Reflexionen, daß die punktuell gefundenen Versöhnungen von irdischer Existenz Jesu und seiner überirdischen göttlichen Würde, also die Versöhnung von menschlicher Geschichte und göttlicher Vernunft, mit anderen Worten: Menschheit und Gottheit des Erlösers, seine persönliche Identität und seine religiöse Bestimmung als Heiland der Welt in einer übergeordneten Einheit zusammenzudenken, nie von langer Dauer war. Arius hat mit großer Wahrscheinlichkeit Lehransätze, die auch bei den Apologeten schon auftauchen, weitergeführt und auf die Spitze getrieben, so die auch von Origenes bereits vertretene absolute Transzendenz des Vaters gegenüber dem Sohn. Der Sohn repräsentiert dabei dasjenige, was von Gott erkennbar ist. Im übrigen scheint in diesem ganzen systematischen Zusammenhang die ontologische Schichtenlehre des Neoplatonismus durch, die sich zur Zeit des Arius in der christlichen Kosmologie längst durchgesetzt hatte. Die weitere Entwicklung der dogmatischen Festlegungen in der dritten Phase des arianischen Streites (361– 381 n.Chr.) wurde bestimmt durch die Dominanz der nicänischen Orthodoxie über die arianischen Parteiungen. Hinzu kam die aufkommende Allianz der Orthodoxie mit der griechischen Wissenschaft durch die drei Kappadozier Basilius von Cäsarea, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa. Die Synode von Konstantinopel 381 besiegelte noch einmal das Nicänum, endgültig, und verdammte alle abweichenden Richtungen. Zusammen mit der bereits eingesetzt habenden Gesetzgebung gegen das Heidentum war damit die Errichtung der Institution der orthodoxen katholischen Staatskirche faktisch und juridisch vollzogen. Das war allerdings nicht gleichbedeutend damit, daß innerhalb der institutionellen Einheit der Staatskirche auch der Gegensatz der Schulen

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von Alexandria und Antiochia aufgehoben war. Beide Richtungen blieben in der christologischen Frage weiterhin unversöhnlich verfeindet. Das Grundproblem des Verhältnisses des Göttlichen und des Menschlichen in Christus bestand weiter. Das heißt aber nichts anderes, als daß die Grundlinien der antiken Metaphysik im Gesamtkomplex der christlichen Gedankenwelt ihre virulente Wirkung weiter und nachhaltig ausübten, über die Spätantike hinaus auch im byzantinischen und lateinischen Mittelalter. In der Schlußphase des antiken Christentums erwuchs das Hauptproblem der Dogmenbildung dadurch, daß man mit dem Nicänum das in Jesus erschienene Göttliche bis zum Superlativ steigerte, aber gleichzeitig daran festhielt, daß Jesus ein Mensch gewesen sei und sogar ein wahrhaftiger Mensch (ἄνθρωπος ἀληθινός). Das führte zunächst in der Christologie zur Trennung der beiden Naturen (διαίρεσις τῶν φύσεων), die nur durch eine enge Verbindung (συνάφεια), nicht jedoch durch Vermischung (κρᾶσις) verbunden seien. Das war der Sache nach eine Zerspaltung des Christus in zwei Personen, die man dadurch zu verdecken suchte, daß für die Anbetung nur eine ewige Person verbunden sei. Bevorzugt behandelt wurde das Lebensbild Jesu in den Evangelien, und damit überwog das menschliche Lebensbind. Dabei ging der einheitliche Aspekt verloren, und das sittliche Vorbild Christi verlor an Einheitlichkeit. Der tiefe Gegensatz der theologischen Schulen in der christologischen Frage führte zu dem sich durch mehrere Jahrhunderte erstreckenden christologischen Streit, in dem alle denkbaren begriffslogischen Beziehungen in Verhältnis der beiden Substanzen, der Gottheit Christi und der menschlichen Natur Jesu, vorkamen und dogmatisch und kirchengeschichtlich vertreten wurden. Die im Jahre 451 nach Chalcedon einberufene Synode, die größte der alten Kirche, nahm das sogenannte Chalcedonense an, eine dogmatisch vermittelnde Position, die die Synoden von 325 (Nicäa), 381 (Konstantinopel) und 431 (Ephesus) als ökumenisch anerkannte. Das Chalcedonense bekennt den einen Christus als vollkommenen Gott und vollkommenen Menschen in zwei Naturen, die weder vermischt (ἀσυγχύτως, ἀτρέπτως) noch scharf getrennt sind (ἀδιαιρέτως, ἀχωρίστως). Es steht in der Mitte zwischen Positionen, die sich in der Vergangenheit bekämpft hatten (Eutyches und Nestorius). Aber mit umso größerer Hartnäckigkeit entbrannten die sogenannten monophysitischen Kämpfe: Monophysiten und Dyophysiten (die Chalcedonenser) bekämpften sich mit bis dahin nicht gekannter Leidenschaft, einschließlich Mord (in Ägypten erhoben die Kopten einen monophysitischen Gegenpapst, und der orthodoxe Patriarch wurde ermordet). Die Einigungsversuche der oströmischen Kaiser waren vergeblich. Die Reichskirche löste sich auf, die östliche und die westliche Kirche brachen auseinander. Im Jahre 484 hob Felix III von Rom die Kirchengemeinschaft mit dem Osten auf. Das war das erste Schisma zwischen Abendland und Morgenland. Die Spaltungen innerhalb der monophy-

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sitischen Richtung setzten sich noch weiter fort. Die Majorität lag bei den Severianern (φθαρτολάτραι), die davon ausgingen, daß die ἀφθαρσία des Fleisches Christi erst nach der Auferstehung begonnen habe, während die Julianisten (ἀφθαρτοδοκῆται) annahmen, daß die Vergottung des Fleisches Christi mit der Menschwerdung begonnen habe. Die Zwei-Naturen-Lehre mit Bezug auf Christus führte auch in der Folgezeit immer wieder zu Abspaltungen und ließ die Gläubigen nicht zur Ruhe kommen. Die christliche dogmatische Spekulation auf den beiden Schienen der antiken heidnischen Ontologie, der irdischen und der überirdischen, wucherte weiter und beschäftigte die begriffslogische Phantasie mit immer neuen theologischen Distinktionen. Das nächste Operationsfeld war die scholastische Theologie des Mittelalters. Ein letztes Beispiel, das wir im folgenden Kapitel behandeln, möge genügen, um die gewaltige Wirkungsgeschichte und Interpretationskraft der antiken dualistischen Ontologie zu demonstrieren.

2 Die zwei Körper des Königs: Zur politischen Theologie des Mittelalters als geschichtliche Manifestation griechischer Ontologie Der lange Weg der dualistischen Ontologie der abendländischen Philosophie von den vorsokratischen Denkern über Platon und Aristoteles und der christlichen Metaphysik bis hin zur scholastischen Theologie des Mittelalters war mit der frühchristlichen Dogmenbildung und den Streitigkeiten über die richtige Lehre schließlich auch in der politischen Philosophie und mit Konstantin auch in der Tagespolitik des Römischen Reiches angekommen. Den sinnfälligsten Ausdruck fand diese Entwicklung in Werken der Kunst, zunächst noch heimlich während der Verfolgungszeit in den Katakomben, danach als Zeichen offizieller Anerkennung der neuen Religion in aller Öffentlichkeit. Die Geschichte der christlichen Kunst hat hier ihre Anfänge und findet ihre Fortsetzung in der Kunst des Mittelalters und auch noch der Neuzeit. Die europäische Kunstgeschichte ist ohne die Geschichte des Christentums nicht denkbar; ihre Motive blieben ohne die kirchengeschichtlichen Fakten unverständlich. Der Dualismus von Diesseits und Jenseits und seiner ontologischen Polarität spielt in der christlichen Kunst von Anfang an die dominierende Rolle. Sie hat ihren theoretischen Ursprung in der griechischen Metaphysik, speziell im Seinsdenken der Platonischen Ideenlehre und des Neuplatonismus. Am beginnenden Ausgang des Mittelalters hat diese antik-mittelalterliche Denkentwicklung, die ihren theoretischen Abschluß in den großen Systemen der Scholastik längst gefunden hatte, ihren sinnfälligsten Ausdruck in Werken der Kunst erfahren. Eines der eindrucksvollsten Beispiele ist

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das sogenannte Doppeldeckergrab, das ungefähr seit Beginn des 15. Jahrhunderts weite Verbreitung fand.⁵⁸⁵ Es bestand nicht nur aus einer Grabplatte, sondern aus deren zwei, die übereinander angeordnet waren, wobei die obere Ebene eine unversehrte Gestalt in glanzvoller Kleidung oder Rüstung zeigte, die untere Ebene im Gegensatz dazu einen nackten, in Verwesung übergehenden Körper, einen Leichnam, von Schlangen durchzogen und anderem Getier, abstoßend anzusehen. Der Kontrast der beiden Figuren auf der oberen und auf der unteren Ebene des Grabmals versinnbildlicht die beiden Körper des Königs: zum einen den König, stellvertretend für jede Amtsperson, den Inhaber eines überzeitlichen Amtes mit seiner überzeitlichen Würde, im Glanz seiner temporären Herrschaft, zum anderen den Leichnam derselben Person als Individuum in seinem irdischen Schicksal, zu Staub zerfallend. Die Dialektik von Ewigkeit und Zeitlichkeit wird hier schonungslos zur visuellen Darstellung gebracht. Das ist der Zweck dieser künstlerischen Präsentation: der Individualkörper in seiner Endlichkeit, der Amtskörper in seiner überindividuellen Dauer in der Kontinuität von Vorgänger und Nachfolger, deren Amtswürde, die dignitas, obwohl von dem jeweiligen Amtsinhaber nur auf Zeit ausgefüllt, in der Wiederholung der Amtsträger unvergänglich ist. In der Figur des einzelnen Amtsinhabers spiegelt sich die überindividuell gültige Amtswürde. Amtsperson und Individualperson fallen in dieser Konstruktion sichtbar auseinander und sind doch aufeinander sinnvoll bezogen: in der Reihe der Vorgänger und Nachfolger, deren Einheit das Mysterium des Lebens ausmacht. Selbst im Verwesungsprozeß des toten Individuums bricht diese Reihe nicht ab, sondern weist über sich hinaus auf die Kontinuität des Bleibenden, nicht Endenden, auf die unbegrenzte Dauer, die sich in den Effigies der Verstorbenen und gerade darin Weiterlebenden versinnbildlicht. Der dabei leitende Grundgedanke war auch die Triebfeder für Thomas Hobbes bei der Ausformung des Bildes vom Leviathan (Leviathan, 1651), das heute weithin als der Grundentwurf moderner Staatstheorie verstanden wird. Was bedeuten würde: der Ort der Sehnsucht nach der Unsterblichkeit, das himmlische Jerusalem, findet schließlich seine pervertierte Erfüllung in dem von Hobbes vorformulierten säkularen Staatsautomat, der seinen Zweck in sich selbst hat. Der Sinn ist das Ganze, liegt im Ganzen. Das Glück besteht in der kollektiven Preisgabe aller Individuen an eine einzige Instanz, den Staat. Das Glück des einzelnen

 In den folgenden Ausführungen lasse ich mich leiten von der mustergültigen Darstellung dieses Themas durch E. H. Kantorowicz, The King’s Two Bodies. A Study in Medieval Political Theology. Princeton 1957. Dieses längst zu einem Klassiker der Geschichtswissenschaft avancierte Werk wurde nach der 2. Auflage (1966) ins Deutsche übersetzt: Die Zwei Körper des Königs. Eine Studie zur Politischen Theologie des Mittelalters. Übersetzt von Walter Theimer u. Brigitte Hellmann, München ²1994.

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Bürgers ist das Glück aller Bürger. Der metaphysische Dualismus der abendländischen Ontologie seit Parmenides und Platon verwandelt sich in den Monismus absoluter Diesseitigkeit und damit in den Schrecken als Dauerzustand. Hobbes hat in De cive dazu wenig Ermutigendes zu sagen: „Denn was ist der Krieg anderes als jene Zeit, wo der Wille, mit Gewalt seinen Streit auszufechten, durch Worte oder Taten deutlich erklärt wird? Die übrige Zeit nennt man Frieden (…). Nun ist aber dieser Krieg seiner eigenen Natur nach ewig, da er bei der Gleichheit der Streitenden durch keinen Sieg beendet werden kann“.⁵⁸⁶ Was aber aus der Sicht Hobbes’ beendet werden kann und beendet wird, ist der Hiatus zwischen Naturzustand und Gesellschaftszustand, indem, bildlich gesprochen, der Dauerzustand, der von der Endlichkeit des Individuums unterbrochen zu werden droht, durch die zeitüberwindende Dauer der Institution aufrechterhalten wird und bleibt, ganz so, wie die Zeichensprache des Doppeldeckergrabes es dem Betrachter verkündet: der König ist tot, es lebe der König. Der Einzelmensch ist tot, es lebe die Menschengattung. Die Theorie von den zwei Körpern des Königs ist ein Widerhall der Definition des Gottmenschentums in den christlichen Glaubensbekenntnissen der frühen Kirche. Die beiden Körper sind in einer unteilbaren Einheit miteinander verbunden. Jeder ist ganz in dem anderen enthalten. Gleichwohl besteht eine Überlegenheit des politischen Körpers über den natürlichen Körper.Was sich auch daran zeigt, daß die Bewegung des unsterblichen Teils des Königtums von einer Inkarnation in die andere zum Wesen der Theorie des doppelten Körpers des Königs gehört. Darauf beruht die Geltung auf Dauer. Es kommt hinzu, daß die Inkarnation des politischen Körpers in einen König alle menschlichen Defizite zum Verschwinden bringt und dem einzelnen König als König in der Kontinuität der Könige auch Unsterblichkeit zukommen läßt, dieselbe Unsterblichkeit, die allen überindividuellen Personen als kollektiven Körperschaften zukommt. Die strukturelle Nähe zu den christlichen Glaubensbekenntnissen ist an dieser Stelle unübersehbar. Die Lehre „eine Person, zwei Körper“ ist wie ein fernes Echo der Definition des Athanasianischen Symbols: „…non duo tamen, sed unus…Unus autem non conversione divinitatis in carmen, sed assumptione humanitatis in Deum (…) Unus omnino, non confusione substantiae, sed unitate personae“. Desgleichen verweisen die bei der Formulierung der Theorie des doppelten Königs gebrauchten Prädikate „unvermengt, unverändert, ungeteilt,

 Hobbes, De cive 1, 12 f.; zitiert nach: Thomas Hobbes,Vom Menschen – Vom Bürger. Elemente der Philosophie II und III. Hrsg. von G. Gawlik, Hamburg 1994, 83 f.

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ungetrennt“ auf die Wortwahl im Chalcedonischen Symbol.⁵⁸⁷ Es konnte gar nicht ausbleiben, daß bei den juristischen Versuchen der Definition des doppelten Körpers des Königs die christologischen Bestimmungen der Doppelnatur Christi in die Erinnerung treten und eine maßgebliche Rolle spielten. Man legte Wert auf die Vermeidung der Spaltung der beiden Naturen, um nicht in die Nähe jener dogmatischen Gefährdungen zu geraten, die den Arianismus, Nestorianismus, Patripassianismus, Sabellianismus und Donatismus im Umfeld der Christologie und ihrer Auseinandersetzungen kennzeichneten. Zutreffend bemerkt Ernst H. Kantorowicz dazu: „Das alles soll nicht besagen, daß die Juristen bewußt Anleihen bei den Akten der frühen Konzilien machten, sondern nur, daß die Fiktion vom doppelten Körper des Königs notwendig zu Interpretationen und Definitionen führen mußte, welche sich an jene anlehnten, die hinsichtlich der Doppelnatur des Gottmenschen verkündet worden waren. Jeden Kenner der christologischen Debatten der frühchristlichen Ära wird die sprachliche und inhaltliche Ähnlichkeit jener gerichtlichen Protokolle mit denen der frühen Konzilien auffallen, ebenso die getreuliche (wenn auch mehr unbewußte als bewußte) Anwendung der gängigen theologischen Definitionen auf die Natur des Königtums“.⁵⁸⁸ Der Begriff der zwei Körper des Königs war ein integraler Bestandteil der englischen Staatstheorie und breitete sich auch auf dem europäischen Kontinent aus. Die später auch mit dem Namen der persona mixta bezeichnete Einheit der „gemischten Person“ verfügte über mehrere Schichten oder „Kapazitäten“. Das Besondere der persona mixta im Fall der zwei Körper des Königs war der Umstand, daß die Zusammensetzung aus zwei verschiedenen Bereichen erfolgte, die außerdem noch hochgradig ideologiebelastet waren für Menschen, die in der Spannung von Diesseits und Jenseits, von Zeitlichem und Ewigen, von Heiligem und Profanen, von Sterblichem und Unsterblichen lebten und auf der Suche nach einer Annäherung dieser Pole waren. In concreto konnte diese zweifache Schichtentheorie, die die persona mixta repräsentierte, groteske, komische Züge annehmen, wie z. B. im Fall des französischen Bischofs, der von sich behauptete, daß er als Bischof den Zölibat streng einhalte, daß er aber als Baron verheiratet sei.⁵⁸⁹ Eine Unterscheidung zwischen den geistlichen und weltlichen Kapazitäten des Bischofs in dieser Hinsicht dürfte schwierig gewesen sein. Gelegentlich wird die persona mixta ob ihrer doppelten  Siehe August Hahn, Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der alten Kirche. 3. Auflage, Breslau 1897, 174 ff. und 166 ff., das Athanasianische und das Chalcedonische Glaubensbekenntnis.  Kantorowicz, a.a.O., 42.  Siehe Kantorowicz, a.a.O., 65.

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Natur auch als „Zwillingswesen“, gemina persona, bezeichnet, ein Ausdruck, der der christologischen Diskussion entlehnt zu sein scheint. Das christliche Dogma war indes bestimmter, es sei denn, man verstand unter gemina persona eine einzige Person.⁵⁹⁰ Auch in der spätantiken Kunst wird der überindividuellen Bedeutung von Personen besondere Beachtung geschenkt, indem ihnen ein Nimbus verliehen wird, der Vorgänger des späteren Heiligenscheins, Symbol der Ewigkeit, der Dauer, der Kontinuität, in jedem Fall unterscheidend von Zeitlichkeit, Vergänglichkeit und Zufall. In byzantinischer Zeit galt der Heiligenschein als Ausdruck der kaiserlichen Macht, die als ewige und zeitlose jedem jeweiligen Kaiser zugeordnet wurde, als Zeichen auch seiner Unsterblichkeit und moralischen Integrität, völlig unabhängig von seinem faktischen menschlichen Verhalten. Das Phänomen der Kontinuität wurde in dem Moment gravierend, als mit dem vollständigen Bekanntwerden der Aristotelischen Schriften im Westen auch die Aristotelische Lehre von der Ewigkeit der Welt und damit der ewigen Kontinuität im 13. Jahrhundert zu einem systematischen Hauptproblem der Philosophie wurde. Das war auch von Bedeutung für den Begriff der zwei Körper des Königs, insoweit dieser seiner ganzen Natur nach ein Kontinuitätsproblem involvierte. Die Rezeption der Aristotelischen Lehre von der Zeit scheint, so sieht es jedenfalls aus, das philosophische Denken des Mittelalters unvorbereitet getroffen zu haben. Es ist unzweifelhaft, daß dadurch und danach die Einstellung zur Zeit eine andere war, was nicht zuletzt auch eine Veränderung der Einstellung zum Phänomen der Geschichte zur Folge hatte und, noch fundamentaler, auch eine Beschleunigung des Zeiterlebens überhaupt zur Folge hatte, das für die heraufziehende Neuzeit das bestimmende Charakteristikum war und auch für die Moderne geblieben ist. Der veränderte Zeitbegriff hatte aber auch unmittelbare Auswirkungen für das Geschichtsverständnis und das Selbstbewußtsein der christlichen Kirche selbst, insoweit man nun absolut sicher sein konnte, daß die Kontinuität der Kirche auf jeden Fall bis zum Jüngsten Tag dauern würde, wie das mit dem Ausdruck der Selbstverständlichkeit beispielsweise ein Brief des Pelagius ausdrückt: Ecclesia nulla esse non potest („Es kann nicht sein, daß es keine Kirche gibt“), oder, noch bündiger: Ecclesia numquam moritur („Die Kirche stirbt nicht“).⁵⁹¹ Es ist kein Zufall, daß das Kirchenrecht in diesem Zusammenhang der Lehre von der Unsterblichkeit und Kontinuität auch auf die Biologie zurückgreift und auf das Beispiel der Kontinuität der Arten und Gattungen in der Natur verweist.⁵⁹²  Siehe Kantorowicz, a.a.O., 71 Anm. 1.  Corpus iuris canonici, Cap. 33, C. XXIV, 9.1. Hrsg. v. E. Friedberg, Bd. 1, 978 f. (2 Bde., Leipzig ²1879 – 1881).  Vgl. Kantorowicz, a.a.0., 304: „Den Juristen kam es gelegen, die unsterblichen Körperschaften und andere Kollektiva mit ‚Arten‘ zu identifizieren“.

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Semiotisch bedeutsam ist das Aufkommen eines weiteren Begräbnisrituals im 14. Jahrhundert in Verbindung mit der Bestattung König Eduards II. im Jahre 1327. Es bestand in der Verwendung eines Abbildes des Königs, angetan mit den königlichen Insignien. Das Bild des Königs war spätestens seit dieser Zeit fester Bestandteil des königlichen Begräbnisses und symbolisierte im Unterschied zur Person des toten Herrschers seine sichtbar gemachte Dignität. „Das Königsbild wurde bei den Begräbnisritualen des 16. Jahrhunderts bald ebenso wichtig wie die Leiche selbst, wenn nicht noch wichtiger. (…) Ferner trat der verstorbene König jetzt in einem anderen Gewande vor den ewigen Richter im Himmel. Im Mittelalter wurde er mit Krone und Insignien bestattet, oder Kopien davon; jetzt aber wurde er nackt oder in Linnen gehüllt ins Grab gelegt und kam als armer, elender Mensch in den Himmel, indes die Insignien dem Abbild vorbehalten blieben, welches der wahre Träger des königlichen Glanzes und das Symbol der Dignität war, die ‚nie starb‘“.⁵⁹³ Der harte, sinnlich wahrnehmbare Kontrast, der durch das Doppeldeckergrab vermittelt wird: unten im Grabmal die nackte Leiche, oben auf dem Grabmal das Abbild im Glanz des Ornates, hatte sich als Mittel der unmißverständlichen politisch-theologischen Botschaft an die Welt durchgesetzt. Was die mittelalterlichen Juristen mit trockenen Worten verkündeten, nämlich daß, wenn auch der Inhaber einer Dignität verwesen mag, doch die Dignität selbst nicht stirbt, sondern ewig ist, war längst zu einem allgemeinen Lebensgefühl geworden. „Wir verstehen, wie es kam, daß die juristischen Unterscheidungen, obwohl sie sich ganz unabhängig und sozusagen in einem anderen Denkbereich entwickelten, schließlich mit sehr allgemeinen Empfindungen übereinstimmten. Die imaginären Fiktionen der Juristen entsprachen den Gefühlen, die im Zeitalter der Totentänze, wo alle Dignitäten mit dem Tod tanzten, fast an der Oberfläche lagen. Die Juristen haben sozusagen die Unsterblichkeit der Dignität entdeckt, aber gerade dadurch machten sie die ephemere Natur des sterblichen Inhabers umso fühlbarer. Wir dürfen nicht vergessen, daß die unheimliche Gegenüberstellung eines verwesenden Leichnams und einer unsterblichen Würde, wie sie auf den Grabmälern erscheint, auf demselben Boden wuchs wie die scharfe Dichotomie des Trauerzugs mit der Leiche und des triumphalen Umzugs mit der in die Amtsgewänder gehüllten Bild-Attrappe. Diese Erscheinungen kamen aus der gleichen Denk- und Gefühlswelt, wuchsen in demselben geistigen Klima, in dem die juristischen Losungen hinsichtlich der ‚zwei Körper‘ des Königs ihre endgültige Formulierung fanden. In beiden Fällen gab es einen sterblichen Körper, von Gott gemacht und deshalb ‚allen Schwächen ausgesetzt, die von Natur oder durch Zufall entstehen‘, der einem anderen Körper, vom

 Kantorowicz, a.a.O., 418 – 420.

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Menschen gemacht und deshalb unsterblich, gegenübergestellt wurde, ‚für den es weder Kindheit noch Alter oder andere Defekte und Schwächen gibt‘. Man schwelgte also in den starken Kontrasten zwischen der fiktiven Unsterblichkeit und der echten Sterblichkeit des Menschen. Diese Kontraste vermochte die Renaissance nicht zu mildern, eher intensivierte sie den Gegensatz durch ihre unersättliche Begier, den Einzelmenschen um jeden Preis unsterblich zu machen. (…) Der König als Amtsträger konnte nicht sterben, durfte nicht sterben, sonst wären unzählige Fiktionen der Unsterblichkeit zusammengebrochen“.⁵⁹⁴ Wobei es sich eben um die vom Menschen gemachte Unsterblichkeit handelte und nicht etwa um die des ewigen Lebens in einer jenseitigen, himmlischen Welt. Und dennoch lebten beide Welten, die irdische und die überirdische, von der wechselseitigen Implikation ihrer Prämissen, die erst durch ihr Zusammenwirken die unteilbare Einheit der zwei Körper in einer Person systematisch ermöglichten, des sterblichen und des unsterblichen Körpers des Königs und vice versa. Dabei lieferte die Dogmatik der frühen Kirche die gedanklichen Muster und Strukturen, die schon bald auch den juristischen Formeln des kanonischen Rechts eingeprägt waren, die fast ausnahmslos auf die Formulierung in einem Brief Cyprians, Bischof von Karthago im 3. Jahrhundert, zurückgingen, die lautet: „Der Bischof ist in der Kirche, und die Kirche ist im Bischof“⁵⁹⁵, und ist eine Bezugnahme auf das Johannes-Evangelium: „ich bin im Vater, und der Vater ist in mir“.⁵⁹⁶ In der juridischen Sprechweise wurde das umgeformt in der Weise, daß die divinitas der Theologen ersetzt wurde durch die dignitas der Juristen und die Menschheit Christi durch den sterblichen König. Die Begrifflichkeit der alten Christologie scheint auf der ganzen Linie durch, und mit ihr der Dualismus der alten griechischen Ontologie.

3 Die Unterscheidung der Prädikatoren ‚Sterblich‘/‚Unsterblich‘ als Uralternative des philosophischen Denkens Ernst H. Kantorowicz schließt seinen meisterhaften, inzwischen berühmten Klassiker der Geschichtswissenschaft von 1957 Die zwei Körper des Königs mit einem Epilog ab, in dem er die Frage stellt: „Hat der spätmittelalterliche juristi-

 Kantorowicz, a.a.O., 430 f.  Cyprian, Epist. 66, cap. 8, in: Cyprianus, Opera omnia II: Epistulae, ed. W. Hartel 1871, (CSEL 3/2), 733.  Johannes 14, 10: ἐγὼ ἐν τῷ πατρὶ καὶ ὁ πατὴρ ἐν ἐμοί ἐστιν.

3 ‚Sterblich‘/‚Unsterblich‘als Uralternative des philosophischen Denkens

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sche Sprachgebrauch bzw. das dazugehörige Konzept von den ‚zwei Körpern‘ des Königs irgendwo klassische Vorläufer oder Parallelen? Ist das Bild klassischen heidnischen Ursprungs? Einfacher ausgedrückt, ist die Vorstellung von den ‚zwei Körpern‘ des Königs heidnischer oder christlicher Herkunft?“.⁵⁹⁷ Die Antwort, die er auf seine Frage im letzten Satz seines Epilogs gibt, lautet: „Ungeachtet einiger Ähnlichkeit mit zusammenhanglosen heidnischen Begriffen sind die ‚zwei Körper des Königs‘ ein Produkt christlichen theologischen Denkens und bilden folglich einen Markstein christlicher politischer Theologie“.⁵⁹⁸ Aus der Sicht von Kantorowicz ist dieses Urteil zweifellos richtig. Kantorowicz war ein studierter Nationalökonom und Historiker und behandelt das Thema seines epochemachenden Werkes im wesentlichen unter Gesichtspunkten der Verfassungsgeschichte, der Rechtsgeschichte und der Institutionengeschichte und berührt nur ganz gelegentlich die philosophisch-metaphysischen Voraussetzungen seiner interdisziplinären Studie, zumeist in Verbindung mit der christlichen politischen Theologie des Mittelalters. Kantorowicz selbst bemerkt in seinem Epilog: „Die klassischen Parallelen in allen Einzelheiten zu besprechen, würde weit über den Rahmen dieser Arbeit und die Kompetenz des Autors hinausgehen. Meine kurzen Bemerkungen mögen jedoch eine Anregung sein, der Frage nachzugehen“.⁵⁹⁹ Das klingt geradezu wie eine Einladung zu weiterer Reflexion. Und in der Tat sollte dieser Einladung in meiner Untersuchung Folge geleistet werden, wenn freilich auch nur als ein Versuch und ohne die Anmaßung einer Behandlung „in allen Einzelheiten“, die auch Kantorowicz für sein Unternehmen weit von sich weist. Was völlig in dem Werk von Kantorowicz fehlt, ist die Erklärung der Seinsgeschichte und der Denkgeschichte, innerhalb deren die Auffaltung des ontologischen Dualismus von Diesseits und Jenseits, von Irdisch und Überirdisch, von Sterblich und Unsterblich überhaupt allererst möglich wurde und eine Entwicklung durchlief, die das Fundament der abendländischen Kultur und Zivilisation ausmacht. Darin eingeschlossen ist auch die politische Theologie des Mittelalters, die Kantorowicz vornehmlich im Auge hat. Aber sie ist nur ein Teil dieser ontologiegeschichtlich determinierten Welt, deren Ursprünge im klassischen und archaischen griechischen Denken liegen, also, von uns aus gesehen, in uralten Zeiten, jedenfalls lange vor der Welt des Mittelalters, die eine geschichtliche Folge dieser Vorgänge gewesen ist.

 Kantorowicz, a.a.O., 488.  Kantorowicz, a.a.O., 496.  Kantorowicz, a.a.O., 488 Anm. 5.

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Daß die Erfahrung der Sterblichkeit und die Sehnsucht nach Unsterblichkeit zu den ältesten Existentialien der Menschheit gehören, lehren nicht nur die literarische Überlieferung von Mythos und Religion, sondern auch archäologische Zeugnisse, die Bestattungsriten und der Gräberkult. Hinzu kommen die frühesten Dokumente der Philosophie, die Spruchweisheit und nicht zuletzt der gesunde Menschenverstand, der uns sagt, daß es gar nicht anders gewesen sein kann als so, daß der Einbruch des Todes in die Folge der Generationen jedesmal das Urerlebnis war, das neben dem Wunder der Geburt eines neuen Menschen das Leben der Menschen von jeher in seine ihm gemäße Ordnung zwang, so sehr, daß der Tag der Geburt und der Tag des Todes die Grunddaten jedes Menschen bis heute geblieben sind. Aus diesem Urexistential heraus entwickelte sich in archaischer Zeit in dem europäischen Lebensraum die charakteristische dichotomische Struktur des frühgriechischen Denkens, deren Erforschung bereits Hermann Fränkel in seinem Werk Wege und Formen frühgriechischen Denkens vorbildlich durchgeführt hat. Die elementaren Gegensätze von Tag und Nacht, hell und dunkel, flüssig und fest, lebendig und tot, männlich und weiblich, jung und alt und die vielen anderen, die sich zu dem lebendigen Ganzen fügen, das wir ‚Natur‘ nennen, fanden in ihrer alles bestimmenden Gewalt und Mächtigkeit ihr unvermeidliches Echo in der menschlichen Erfahrung und Erlebniswelt. Sie fanden es aber auch in der Kunst, im Mythos und in der Religion, bevor der Logos bzw. die nachdenkende Philosophie auf dem Plan trat und mit ihr zusammen das, was man bis heute Wissenschaft nennt – die rationale, beweiskräftige, überprüfbare Rechenschaftsablage von dem, was man erkannt zu haben glaubt. Die Frage nach allem, dem All, dem Umfassenden und Zugrundeliegenden, dem Sein des Seienden, stand spätestens im Raum, als man damit anfing, über den Anfang des Ganzen nachzudenken und anfing, sich darüber zu wundern, daß überhaupt etwas ist. Das war der Anfang der Philosophie, die in Griechenland zuerst das Licht der Welt erblickte. Es war eine ganz bestimmte Art des Fragens, die sich von den anderen bis dahin verbreiteten Arten des Fragens in bezug auf die Welt unterschied. Das philosophische Denken ist von Anfang an, das heißt seit den Vorsokratikern ein Ursprungsdenken gewesen. Es fragt nach der ἀρχή, nach dem Anfang, und Ursprung von allem, was ist. Auch die Zwei-Welten-Lehre Platons versteht sich ontologisch von daher, weil nur so für Platon die Einheit der Welt und die Vielheit des in ihr Seienden als Einheit begreifbar ist, nämlich aus einem Anfang, aus dem der Ursprung des Seienden über seine verschiedenen Seinsstufen ableitbar ist, von den beiden Prinzipien der Eins und der unbestimmten Zweiheit über die Zahlen und die Ideen bis zu den bewegten wahrnehmbaren Körpern. Dieser Derivationszusammenhang, der bei den Platonschülern Speusipp und

3 ‚Sterblich‘/‚Unsterblich‘als Uralternative des philosophischen Denkens

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Xenokrates noch deutlicher hervortritt als bei Platon und der durch die Platonforschung der letzten hundert Jahre Wiederentdeckung erfahren hat, läßt auch erkennen, wie die nachfolgende Philosophie des Mittel- und Neuplatonismus von der Struktur der Ableitung der Seinsschichten aus der Arche bei Platon abhängig ist und bei aller Veränderung im einzelnen von der Platonischen Schichtenontologie abhängig bleibt. Das gilt zentral für die fundamentale Zwei-Welten-Ontologie des sichtbaren und des unsichtbaren Seienden, durch die Platon das ontologische Koordinatensystem der abendländischen Philosophie und Theologie maßgeblich bestimmt hat. In den Grundzügen wurde, wie sich uns zeigte, die Platonische Schichtenontologie von der christlichen Theologie übernommen, ja, man kann sagen, ohne diese Platonische Lehre vom Sein wäre die Entwicklung dieser christlichen Theologie so gar nicht möglich gewesen. Es ist durch die Platonforschung der letzten Jahrzehnte immer klarer zum Vorschein gekommen, daß das ontologische System Platons schon für die Politeia weitgehend feststand. Der Phaidros und der Siebte Brief nehmen auf eine mündliche Lehre Bezug. Platons ontologischer Entwurf geht einerseits von dem Arche-Denken der Vorsokratiker aus, bleibt dabei aber nicht stehen, sondern systematisiert es im Sinne seiner Schichtenontologie zu einem Derivationsmechanismus mit einer Wirkungsgeschichte bis hin zur Philosophie des Neuplatonismus und noch darüber hinaus, wie wir wissen. Während früher die Entwicklung der griechischen Ontologie nicht ohne tiefe Brüche und Zäsuren gesehen wurde, hat man inzwischen gelernt, die Geschichte der griechischen Ontologie als eine Einheit zu sehen, mit einer systematischen konsequenten Fortsetzung auch in der Byzantinischen Philosophie.⁶⁰⁰ Die immanente beherrschende Größe dabei ist das innerakademische System, das über Platon und die Akademie hinaus mit bezwingender philosophischer Kraft die Gedankenentwicklung aus sich heraus in die Zukunft hinein weitertrieb. Ohne die Interpretationsleistung der frühen christlichen Apologeten, die darin bestand, die Grundthemen der christlichen Lehre mit den begrifflichen Mitteln der griechischen Philosophie darstellbar zu machen, und in den ontologischen Rahmen des philosophischen Koordinatensystems der griechischen Denker einzuordnen und dies möglich zu machen, hätte die kleine jüdische Sekte der χριστιανοί das Schicksal der vielen anderen zeitgenössischen religiösen Sekten ereilt, das heißt sie hätte das Altertum nicht überlebt, und wir wüßten von ihrer temporären Existenz nur von den Zeugnissen einiger antiker Schriftsteller, wie beispielsweise Tacitus. Erst die Transformation dieser Arme-Leute-Religion,

 Siehe z. B. L. Benakis, Byzantine Philosophy. An Introductory Approach, Saarbrücken 2017. Dabei weitere Hinweise auf Sekundärliteratur zur Byzantinischen Philosophie.

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Viertes Kapitel: Das Fortleben der dualistischen antiken Ontologie

wie sie von den Gegnern wahrgenommen wurde, in die Kulturwelt der damaligen Intellektuellen und Gebildeten und höheren sozialen Schichten machte nach sehr bescheidenen Anfängen dieses weltgeschichtliche Wunder möglich. Und das hatte zur Folge, daß die Dogmatik des Christentums in ihrer Gänze für immer eingeschlossen blieb in das Begriffssystem der antiken griechischen Philosophie, so daß, umgekehrt, in späteren Zeitaltern es nötig wurde, die Sprache dieser Religion den Menschen dieser späteren Zeitalter in ihre autochthone Sprache zu übersetzen, damit sie diese Religion überhaupt in ihren Hauptanliegen verstanden. Und in diesem fortdauernden altgriechischen Koordinatensystem des Seinsverständnisses im Medium der christlichen Botschaft vom ewigen Leben erneuerte sich auch immer wieder in dialektischer Bewegung die Sehnsucht nach der irdischen Unsterblichkeit: denn diese wurde im dialektischen Gegenstoß gegen die himmlische Unsterblichkeit immer wieder neu geboren, wie der Glaube an die „Auferstehung des Fleisches“ im Himmel sinnlich-sinnfällig deutlich macht. Der Abschied von dem irdischen Leben geschah doch offensichtlich nicht ganz ohne Rückversicherung bei Erlebnisweisen hienieden, von denen man sich nicht so ohne weiteres trennen wollte, trotz aller Versprechungen künftiger himmlischer Freuden. Auferstehung ja, aber, bitte, im Fleisch – immerhin einen Bestandteil des irdischen Leibes –, dem man sich ob seiner Freuden allem Anschein nach durchaus noch verbunden fühlte. After all. Dessen ungeachtet gilt der Satz weiterhin, daß das von den griechischen Philosophen grundgelegte ontologische Koordinatensystem über die heidnische Lehre hinaus auch in der christlichen Antike und Patristik seine Gültigkeit behalten hat. Das heißt: die in der christlichen Antike und Patristik vorgenommenen Änderungen und Variationen des Seinsbegriffes transzendieren nicht den durch die vorgängige Grundlegung der griechischen Ontologie festgelegte Dimension. Das ist entscheidend und läßt verstehen, warum heidnische und christliche Antike in metaphysicis eine Einheit bilden und man sogar davon sagen kann, daß die griechische heidnische Philosophie in der Begriffsbildung des Christentums ihre Fortsetzung gefunden hat.⁶⁰¹ Das gilt in vollem Umfang für die Tradition der sogenannten Exodus-Metaphysik, in der der Begriff des Seienden als eine Interpretation des Satzes „Ich bin, der ich bin“⁶⁰² expliziert wird. Das wird sich paradigmatisch in der Auslegung dieses Satzes bei Philon von Alexandria, wonach Gott allein im Sein existiert, das

 Dazu siehe 3. Kapitel, Anm. 273.  2. Mose 3, 14: ἐγώ εἰμι ὁ ὤν.

3 ‚Sterblich‘/‚Unsterblich‘als Uralternative des philosophischen Denkens

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Nichtseiende hat nur außerhalb seiner eine scheinbare Existenz.⁶⁰³ Diese Deutung Philons wird von der christlichen Dogmatik übernommen, einschließlich ihrer platonischen Interpretationen: das Seiende als das Unwandelbare und Zeitlose. Auch Origenes bleibt in diese Tradition der Exodus-Metaphysik eingebunden, nicht ohne die Hinzufügung weiterer wesentlicher Gedanken. Das gilt auch für Clemens von Alexandrien, Eusebius, Gregor von Nazianz. Von herausragender Bedeutung im Kontext der Rezeption des griechischen, vorchristlichen Seinsbegriffes ist Gregor von Nyssa mit neuartigen Ansätzen.⁶⁰⁴ Das gilt in noch höherem Grade von Marius Victorinus, „weil hier erstmals eine von Porphyrios neubegründete neuplatonische Ontologie für das Verständnis der christlichen Trinitätslehre fruchtbar gemacht wird“.⁶⁰⁵ Desgleichen ist Ps.-Dionysios Areiopagites wichtig, der „die Exodus-Metaphysik mit den Elementen der nachporphyrianischen Ontologie“ verbindet.⁶⁰⁶ Das Entscheidende im Rahmen unserer Untersuchung ist, daß die Ontologie der Patristik trotz aller Variationen das Koordinatensystem der griechischen vorchristlichen Ontologie nicht verläßt. Sie hat, ganz im Gegenteil, bestimmte Elemente der griechischen Ontologie verstärkt. Und dabei zählt der ontologische Dualismus mit seiner Kontraposition und zugleich Dialektik des Verhältnisses von Diesseits und Jenseits, Ewigkeit und Zeit, Vergänglichkeit und Unvergänglichkeit, Sterblichkeit und Unsterblichkeit, der bruchlos von hier weiter in das Mittelalter transportiert worden ist und schließlich seine sinnlich massive Konfiguration im Doppeldeckergrabmal der spätmittelalterlichen Bestattungskultur gefunden hat. Dieser weite Bogen der griechischen vorchristlichen Ontologie der Zwei-Welten-Lehre über die in diese integrierte Ontologie der Patristik und deren Weiterwirken im Mittelalter ist dazu die systematisch-geschichtliche Voraussetzung. Das Ende dieser dualistischen Ontologie altgriechischer Provenienz, die noch die politische Theologie des späten Mittelalters beherrschte, kam endgültig und spätestens im 19. Jahrhundert, als sich die Distanzierung von der augustinischen Zwei-Reiche-Lehre und deren platonische Voraussetzung mit dem Dualismus von Ewigkeit und Zeit, Jenseits und Diesseits durchsetzte zugunsten einer einheitlichen Sicht auf die Weltgeschichte ohne alle Antagonismen platonisch-christlichen Ursprungs, mit der Prämisse, daß die Probleme, die die geschichtliche

 Siehe Philon, Quod deterius potiori insidiari soleat, 160: ἐπεὶ καὶ ὁ θεὸς μόνος ἐν τῷ εἶναι ὑφέστηκεν·[…] ὡς τῶν μετ’ αὐτὸν οὐκ ὄντων κατὰ τὸ εἶναι, δόξῃ δὲ μόνον ὑφεστάναι νομιζομένων.  Siehe dazu den Artikel von Theo Kobusch über „Spätantike; Patristik“ beim Lemma „Sein“ im Historischen Wörterbuch der Philosophie, Bd. 9, 1995, Sp. 180 – 186.  T. Kobusch, a.a.O., Sp. 183.  T. Kobusch, a.a.O., Sp. 184.

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Viertes Kapitel: Das Fortleben der dualistischen antiken Ontologie

Weltzeit stellt, von eben dieser auch selbst gelöst werden, diesseits aller transzendenten Bezüge. Wir nennen diesen neuzeitlichen Prozeß der Verweltlichung Säkularisierung, womit ein neuer Abschnitt der Geschichtszeit beginnt, in dem wir uns selbst gegenwärtig befinden. Er beginnt mit dem Übergang des ontologischen Dualismus in einen absoluten Geschichtebegriff. Das symbolische Doppeldeckergrab des Spätmittelalters bekommt in und nach diesem Übergang einen ganz neuen Sinn: die einzige Form der Unsterblichkeit ist die irdische, ist die Kontinuität der gesellschaftlichen Institution und das noetische Weiterleben in der Nachwelt. Dies ist die universelle Verweltlichung, die von Hegel und Marx theoretisch eingeleitet wird, begleitet und gefördert von der modernen Naturwissenschaft und Technik. Die ehemals göttliche Macht nimmt der Staat in sich auf und mutiert das christliche Prinzip in das Prinzip der Welt ohne Transzendenz. Damit endet das von weit her kommende, von Parmenides und Platon geschaffene, so geschichtsmächtig gewesene Koordinatensystem der doppelten Welt, und die Philosophie steht seitdem vor der Aufgabe, diesem ontologischen Monismus eine Struktur und einen Sinn zu geben, der im Abendland die zweitausendjährige Sinngebung durch die Kirche so ersetzt, daß sie von den Massen angenommen wird. Denn auch weiterhin gilt die Wahrheit des Satzes, der von Nietzsche stammt, daß die Menschen lieber an das Nichts glauben, als nicht zu glauben. Die Akzeptanz des Atheismus der totalitären politischen Ideologien im 20. Jahrhundert hat das bewiesen. Solange man den Menschen die Frage aller Fragen nicht wieder auf eine allgemein verbindliche Weise beantworten kann, wie es in der Vergangenheit die Religionen getan haben, nämlich die Frage: Wozu das Ganze?, solange ist, zumindest als Provisorium, der Verweis auf die irdische Unsterblichkeit eine mögliche und vernünftige, weil unter den herrschenden Bedingungen sinnvolle Antwort. In der Geschichte gibt es, wenn auch selten, Renaissancen, aber es gibt sie. Vielleicht erfährt der Glaube an eine transzendente Macht eine geschichtsmächtige Wiederkehr, weil im Menschen jenes Bedürfnis nach etwas lebt, das ihn selbst transzendiert, das Kant das metaphysische Bedürfnis genannt hat.

Epilog: Lebenswille und Unsterblichkeitsglaube – Der Wille zum Glauben als Vermächtnis der Antike an die Zukunft der Menschheit Die Vorstellung, daß das individuelle menschliche Leben mit dem Tod an sein absolutes Ende gekommen sei, steht nach weit verbreiteter Auffassung am Anfang aller Spekulationen über den Tod, und mit ihr scheint die Geschichte der Todesmetaphysik zu beginnen; erst im Anschluß daran hätten sich später die Lehren über ein Leben nach dem Tod entfaltet. Das Gegenteil dieser Meinung ist richtig. Historisch ist es genau umgekehrt: kulturgeschichtlich am Anfang steht nicht der Tod als Ende der menschlichen Existenz, sondern der Glaube an den Tod als Übergang in eine andere Existenzform, sich schon früh in den Bahnen des Gedankens einer Reinkarnation bewegend. So begegnet uns dieser Glaube nicht nur in den Religionen Indiens, im Hinduismus und Buddhismus, im Christentum, in der Orphik, sondern auch in der Philosophie des Platonismus und Neuplatonismus. Die Folge dieser Deutung des Todes als Übergang sind entsprechend im sprachlichen Ausdruck Metaphern des Übergangs und des Gleichnisses, die vom Reisen, der Trennung, des Abschieds, der Krankheit, des Schlafes und dergleichen Zuständlichkeiten künden. In der Philosophie ist der Tod von Anfang an gegenwärtig. Schon bei den ionischen Naturphilosophen ist der Tod sogar in doppelter Funktion eine Wirklichkeit: einmal als das Unvordenkliche, aus dem das Seiende entsteht, der Ursprung, der Anfang, die ἀρχή, zum anderen als das Vergehen der irdischen Existenz in einen Urgrund, der Anfang und Ende des Seienden zusammenspannt, dessen Gegensätze von Entstehen und Vergehen aber bleiben, wie bei Anaximander, der das Apeiron vom Tod ausschließt, nur das Seiende anerkennt und gelten läßt. Heraklit gar schließt den Tod in das Werden mit ein: das Leben ist Tod, der Tod ist Leben, das eine ist die Erscheinung des anderen, das Ende ist ein Anfang und umgekehrt, im Tod schlägt ein Zustand in den anderen um, in einer immer sich wandelnden Welt. Für Empedokles ist Entstehen Mischung der Elemente, Tod Auflösung der Dinge in ihre Elemente und in den Urzustand. Das ist der Struktur nach auch im Weltverständnis des Demokrit so, nach dem die Atome unaufhörlich sich zu Verbindungen aufbauen und wieder zerfallen. Daraus leitet Epikur die Grundlosigkeit der Todesfurcht ab: solange wir da sind, ist der Tod nicht da, und wenn er da ist, sind wir nicht mehr. Leben und Tod schließen sich gegenseitig aus, sie haben nichts miteinander zu tun. https://doi.org/10.1515/9783110753691-008

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Epilog: Lebenswille und Unsterblichkeitsglaube

Mit Pythagoras begegnet uns die Todesvorstellung der Orphik in der Philosophie. Die Seele des Menschen ist zur Strafe in den Leib eingeschlossen. Aus diesem ‚Gefängnis‘ des Leibes kann die Seele nur durch den Tod befreit werden, um nach einer Zeit der Läuterung im Hades in einen anderen Körper einzuziehen. Erst nach langer Wanderung durch andere Gestalten hindurch findet sie zurück ins Göttliche, den Ort ihrer ursprünglichen Herkunft.⁶⁰⁷ Diese Todesvorstellung wird von Platon in den Dienst philosophischer Gedankengänge übernommen und gelangt so in dieser Umformung zu einer großen Wirkungsgeschichte im abendländischen Denken. Die Alternative, die sich inzwischen herausgebildet hatte in der Deutung des Todes, nämlich ob der Tod ein Nichtsein ist oder eine Fortbewegung der Seele aus dem Leib an einen anderen Ort, hat Platon in der Apologie noch offen gelassen. Erst später beantwortet er sie in der Weise, die für die weitere Geschichte der Todesproblematik von entscheidender Bedeutung geworden ist: der Tod ist die Trennung zweier Dinge voneinander, der Seele und des Leibes.⁶⁰⁸ Der Tod scheidet das Sterbliche des Menschen von dem Unsterblichen (Phaidon 106 E 3 ff.) Die Seele ist unsterblich, ihre Verbindung mit dem Leben ist unaufhebbar und notwendig (Phaidon 105 D-E). Aus dem Lebenden entsteht das Tote, und aus dem Toten entsteht das Lebende. „Aus dem Gestorbenen entsteht das Lebende und die Lebenden“ (Phaidon 71 D-E). Mithin ist der Tod nicht nur Ende, sondern auch Anfang des Lebens, insoweit er mit dem Leib verbunden ist. Zugleich gilt damit in eins, daß im Tod die Seele den Verwirrungen und Irrtümern und der „Torheit des Leibes“ (Phaidon 67 B-C) entledigt ist. Denn dann kann sie die Ideen rein und ungetrübt und frei von Leidenschaften schauen. Deshalb ist es das Bestreben der wahren Philosophen, schon in diesem irdischen Leben „nur zu sterben und tot zu sein“ (Phaidon 64 A ff.) Wenn das wahr ist, so wäre es wunderlich, wenn diese zwar ihr ganzes Leben hindurch sich um nichts anderes bemühten als um dieses, wenn es nun aber selbst käme, dann unwillig sein sollten über das, wonach sie lange gestrebt und sich bemüht haben. Philosophieren heißt also demgemäß nichts anderes als Sterben lernen und schon in diesem Leben tot sein. Die verschiedenen philosophischen Todesdeutungen gehen in der Zeit nach Platon spezifische Verbindungen ein. Dabei erweisen sich besonders zwei Lehrstücke als dominant und beherrschen die nachfolgende Geschichte der Todesmetaphysik maßgeblich. Zum einen ist es die Heraklitische Deutung des Todes als einer Umwandlung der Elemente als Übergang von einem Zustand in einen anderen. Die Umwandlung (ἀλλοίωσις, μεταβολή) der Elemente (στοιχεῖα) wird al-

 Vgl. 2. Kapitel, Anm. 199 und Anm. 200.  Phaidon 67 D 4 f.: χωρισμὸς ψυχῆς ἀπὸ σώματος. Vgl. 2. Kapitel, Anm. 201 und Anm. 204.

Epilog: Lebenswille und Unsterblichkeitsglaube

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lerdings weniger nach Heraklit als vielmehr nach der Lehre des Empedokles interpretiert, im Sinne der Rückkehr der Elementen-Mischung hin zu den Urelementen. Das zweite Lehrstück mit überragendem Einfluß auf die Folgezeit war die Platonische Lehre von der Trennung der Seele vom Leib, die auch in die Stoa Eingang fand. In dieser Entwicklungsgeschichte gewinnt die Seele von Anfang an an Autonomie und überragt in dieser Deutung den Rang des Körpers. Nach Seneca widerfährt den Menschen, die dem Begehren des Leibes folgen und infolgedessen für das Gute als Handlungsziel blind sind und es verfehlen, der Tod schon in diesem ihren irdischen Leben. Eine umstrittene Sonderstellung in der Frage der Unsterblichkeit der Seele nimmt Aristoteles ein, der nach der Auslegung einiger Interpreten, darunter Alexander von Aphrodisias an erster Stelle, im Rahmen seiner Nous-Lehre eine ewige, unvergängliche, unsterbliche Form des Geistes ausmacht, die jenseits des Todes und der Körperlichkeit ist. Ein neues Kapitel in der Geschichte der antiken Todesmetaphysik beginnt mit dem Judentum und dem Christentum, begleitet von einer seit der Zeit des Hellenismus kulturgeschichtlich veränderten und individualistisch intensivierten Einstellung zum Erlebnis des Todes. Das Erlebnis des Todes, die Todeserfahrung im sozialen Kontext, nimmt erkennbar neue Erscheinungsformen an. Die geschichtlich-politischen Ursachen dieser Veränderung sind bereits oben in unserer Darstellung zur Sprache gekommen. Neben dem natürlichen Tod des Menschen, der, aus Staub geschaffen, wieder zu Staub werden muß, treten nun in zunehmendem Maß übernatürliche Faktoren hinzu: Mißachtung des göttlichen Gebotes, der Tod als Strafe, als der Sünde Sold. Heilsgeschichtliche Befindlichkeiten geben nunmehr den Ausschlag. Gott fern sein oder Gott nah sein sind jetzt die entscheidenden Kriterien des Lebens. Durch die Sünde wird das Leben zum Tod, der Tod durch Christi Heilstat zum Leben. Nach Christi Verheißungen sind die, die ihm nachfolgen, die Gläubigen, zu ewigem Leben berufen in der Herrlichkeit Gottes, das heißt im Himmelreich. Den Ungläubigen aber, so die Drohung der Apokalypse, steht ein zweiter Tod (δεύτερος θάνατος) bevor, der ihre Existenz für immer vertilgt in ewiger Verdammnis. In diesem Sinne ist das Neue Testament die geschichtsmächtige Umbruchstelle in der antiken Weltanschauung, das heißt im Fühlen und Denken der breiten Massen inmitten der sich neu organisierenden hellenistischen Städte und Provinzen. Früh schon wird die christliche Todesauffassung mit der Platonischen Deutung des Todes im Sinne der Trennung von Seele und Leib vermischt. Aber das ging nicht ganz ohne Schwierigkeiten vor sich. Vor allem in drei Punkten gab es Probleme. Erstens, für eine unsterbliche Seele kann es vernünftiger Weise keinen Tod geben. Das wäre ein Widerspruch. Augustinus bemerkt dazu, daß der Mensch, solange er lebt, vor dem Tod sei. Deshalb kann sein Sterben nicht genau bestimmt werden. So wird der Tod zu einem unbestimmten Moment. Denn wenn

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Epilog: Lebenswille und Unsterblichkeitsglaube

der Mensch aufgehört hat zu leben, ist er nach dem Tod. So wird der Tod zu einem unbestimmten Moment in einem Vorgang des Übergangs von einem Zustand in den anderen. Zweitens, wenn die Seele auch ohne Leib sein kann, dann verliert die Rede von der Auferstehung des Fleisches ihren Sinn. Daraus haben einige Kirchenväter wie Justin, Tatian und Arnobius den Schluß gezogen, daß es einen Tod nur für den ganzen Menschen gebe, folglich mit dem Tod auch die Seele sterbe. Dieser sogenannte Thanatopsychismus verfiel der Häresie. Der Unsterblichkeitsglaube wurde zur verbindlichen Lehre erklärt. Der Platonismus setzte sich durch, einschließlich der Lehre, der Tod sei eine Loslösung der Seele vom Leib, der Materie. Prototypisch dafür ist die Auffassung des Augustinus und des Johannes Eriugena. Erst Thomas von Aquin gelingt die dogmengeschichtlich gültige Formulierung, indem er die Platonische und die Aristotelische Lehre synthetisiert: die Seele ist sowohl substantiell und also unzerstörbar, als auch als Form des Körpers mit dem Körper vereint. Die Person in ihrer Ganzheit ist weder leiblose Seele noch seelenloser Leib. Drittens, eine Schwierigkeit für die christlichen Denker ergab sich aus der Synthese von christlicher Lehre und Platonischem Denken dadurch, daß die Verbindung beider zu einer doppelten Begründung des Todes führt, nämlich der christlichen Lehre aus der Sünde mit einer natürlichen Lehre aus der leib-seelischen Verfaßtheit des Menschen (σύνθετον ζῷον). Den Ausweg aus dem Dilemma fand man dadurch, daß man eine Verbindung der beiden Auffassungen herstellte, indem man darauf verwies, daß die Doppelnatur des Menschen den Tod zwar möglich macht, aber daß diese Möglichkeit erst zur Wirklichkeit wird, und zwar mit Notwendigkeit zur Wirklichkeit wird, durch das Faktum der Sünde. So argumentierten schon in der frühen Patristik Origenes und Laktanz. Daß durch den Tod und im Tod bei aller christlichen Interpretation des Todes das biologische Faktum des Todes ein reales ist und sich Zusammenhänge auflösen und Seiendes zerstört wird und auf diese Weise der Tod dem Leben entgegensteht und entgegenwirkt und durch das Miteinander und Gegeneinander beider die Dynamik der Lebenserscheinungen entsteht, die in dem Dualismus der Oppositionsbegriffe von „Leben“ und „Tod“ und „Tod“ und „Leben“ spannungsreich erfaßt sind, ist eine Beobachtung die uns schon bei Empedokles paradigmatisch als Lehrstück begegnet und an dessen Wahrheit auch die frühchristliche Dogmatik nichts geändert hat. Im Gegenteil: das Leben und die Lebenskraft und der Wille zum Leben und Überleben sind es, die hinter dem vitalen Bedürfnis steht, das seit dem Zeitalter des Hellenismus in auffälliger Weise zunehmend stärker den breiten Massen im römischen Weltreich zu einem Inhalt des Bewußtseins wird: das von nun an nicht mehr zur Ruhe kommende Bewußtsein der Endlichkeit und Kürze des menschlichen Lebens und daß das nicht die ganze Wahrheit des menschlichen Lebens sein kann, nicht sein darf. Aus

Epilog: Lebenswille und Unsterblichkeitsglaube

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diesem nicht mehr zu unterdrückenden Bedürfnis entsteht der mächtige Wunsch nach einem persönlichen ewigen Leben, nach einem persönlichen, individuellen Leben über den irdischen Tod hinaus – nach einem ewig fortdauernden Leben des menschlichen Individuums, in welcher Form auch immer. In diesem Sinne gehört das Verlangen nach Unsterblichkeit zu den Vorstellungen, die sich Menschen schon seit alters als Gegenbild zu der Erfahrung des Lebens, das mit dem Tod abrupt endet, gemacht haben. Ein Weiterleben nach dem Tod in einem Totenreich oder aber in der Lebenswelt der Menschen im Gedächtnis der Nachwelt und in den Nachkommen sind solche Formen des Unsterblichkeitsglaubens oder der Unsterblichkeitserwartung, die die Geschichte der Menschheit begleiten, bis hin zu Vorstellungen der Auferstehung und Auferweckung, der Reinkarnation, der Seelenwanderung, der Palingenesie, die uns als Typen kultureller Grundeinstellung zum Tod und zur Unsterblichkeit begegnen und als eine im Menschen angelegte Möglichkeit gesehen werden, die je nach dem irdischen Lebenswandel erfüllt oder aber vertan werden kann, wie beispielsweise in den Mysterienkulten, in Philosophenschulen und auch im frühen Judentum, in dem es unter dem Einfluß der Erfahrung der Makkabäerkriege und des Martyriums zur Ausbildung eines Unsterblichkeitsbegriffes kommt, der im rabbinischen Judentum Bestandteil des Glaubens wird. Durch das Christentum erfährt der politische Messianismus des Judentums als Befreiung von der Fremdherrschaft der Römer eine Umdeutung in die Befreiung und Erlösung vom Tod. Der Glaube an Jesus Christus bedeutet die Verheißung der persönlichen Unsterblichkeit, und die Lehre vom Jüngsten Gericht am Ende der Zeiten nimmt die Stelle des altägyptischen individuellen Totengerichts am Ende des Einzellebens ein. Im Horizont des Themas unserer Untersuchung steht die griechische und römische Antike im Fokus unserer Darstellung. In der frühen griechischen Dichtung und bei den vorplatonischen Denkern ist die Unsterblichkeit eine Vorzugseigenschaft der Götter. Bei den Vorsokratikern wird die Eigenschaft der Unsterblichkeit auch dem Ursprung des Kosmos zugesprochen, bei Empedokles auch den vier Elementen und dem Gegensatz von Liebe und Streit.⁶⁰⁹ Die Seelenwanderung wird von den Orphikern und den Pythagoreern gelehrt. Erst mit Platon beginnt die Überlieferung für uns einigermaßen zuverlässig zu werden. Ihm verdanken wir, wie sich oben gezeigt hat, in der Sokrates-Rede des Symposion die Belehrung darüber, in welchem menschlich bedeutsamen Sinne das Sterbliche im Unterschied zum Unsterblichen an der Unsterblichkeit teilhat. Die den Lebewesen mögliche Form der Unsterblichkeit ist die Zeugung. Daneben nennt Platon das Streben der Menschen nach Ansehen und

 Vgl. Einführung, S. 3 mit Anm.

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Epilog: Lebenswille und Unsterblichkeitsglaube

Ruhm, das heißt nach einem unsterblichen Namen als einem zu erwerbenden Gut. Im Unterschied davon oder, besser gesagt, darüber hinaus, lehrt der Phaidon, daß die Unsterblichkeit eine Eigenschaft der Seele ist, für deren Schicksal nach dem Tod der Mensch eine Sorgepflicht hat, deren Vernachlässigung durch eine schlechte Lebensführung im Diesseits schlimme Folgen im Jenseits nach sich zieht. Aus der Definition des Todes als Trennung von Seele und Leib folgt, daß die Seele nicht sterben kann, sie ist unzerstörbar (ἀδιάφθορον). Die vier Argumente, die Platon dafür vorbringt, brauchen wir hier nicht zu wiederholen. Nur das eine sei hervorgehoben, daß aus dem Argument, das Platon in der Politeia dafür vorbringt, daß die Seele etwas Unsterbliches sei (611 A 2: εἰ δ’ ἀεὶ ὄν, ἀθάνατον), auch folgt, daß immer dieselben Seelen sind und ihre Anzahl weder größer noch kleiner wird.⁶¹⁰ Eine in der Forschung umstrittene Frage ist, ob nach der Meinung Platons die ganze dreiteilige Seele unsterblich ist oder nur der vernünftige Teil derselben. Speusipp und Xenokrates lehrten die Unsterblichkeit der ganzen Seele, also auch der nichtvernünftigen Seele. Aristoteles’ Auffassung hinsichtlich der Unsterblichkeit der Seele läßt sich nicht mit Genauigkeit bestimmen. In De anima, II 4. 415 a 29 f., spricht er vom Streben der Lebewesen nach Unsterblichkeit, denn deren Lebensziel sei es, „am Ewigen und Göttlichen teilzuhaben soweit sie dazu in der Lage sind“. Der Himmel und seine Bewegung gelten ihm als unsterblich im Sinn von nicht entstanden und nicht vergänglich.⁶¹¹ Das Thema der Unsterblichkeit hat er allem Anschein nach in dem Dialog Eudemos ausführlicher diskutiert. In der Topik kritisiert Aristoteles die Definition der Unsterblichkeit klassifikationslogisch im Sinne von „ewiges Leben“ (ζωὴ ἀίδιος), weil Unsterblichkeit keine Gattung, sondern eine Eigenschaft (πάθος) des Lebens sei.⁶¹² Daß Aristoteles dem Gedanken der Unsterblichkeit mit einer gewissen Zurückhaltung begegnet, erkennt man auch daran, daß er in der Nikomachischen Ethik die Unsterblichkeit als Beispiel von etwas Unmöglichem nennt, daß man nur wünschen, aber nicht wollen kann.⁶¹³ Von jeher umstritten in der Aristoteles’ Auslegung ist die Frage nach der Unsterblichkeit des νοῦς. In De anima fragt Aristoteles ausdrücklich, ob die Seele in allen ihren Funktionen, d. h. immer, an Körper gebunden ist oder ob der Geist „wie das ewige vom Vergänglichen“ von dem Körper getrennt werden kann.⁶¹⁴ Nach De anima III 5. 430 a 17– 23 ist es nur derjenige Teil des νοῦς, der das Intelligible von den Wahrnehmungen abstrahiert, der „getrennt“ und für Eindrücke     

Siehe Politeia X. 610 E 10 – 612 B 6. Vgl. 2. Kapitel, S. 93 f. mit Anm. Vgl. De caelo II 1. 283 b 26 – 284 a 2. Vgl. auch Phys. VIII 1. 250 b 11– 15; VIII 6. 259 b 25 f. Topik IV 5. 126 b 35 – 127 a 2. Siehe EN III 4. 1111 b 23 f. Siehe De anima II 2. 413 b 24– 27.

Epilog: Lebenswille und Unsterblichkeitsglaube

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von außen unempfänglich und „unvermischt“ ist, denn er allein ist ganz und gar seinem Wesen nach Tätigkeit und als solcher unsterblich und ewig.⁶¹⁵ Diese mehr fragmentarischen, aus uns nicht überlieferten Textzusammenhängen gerissenen Stellen haben eine lange und kontroverse Interpretationsgeschichte nach sich gezogen, die bis heute in dieser Sache bezüglich Aristoteles’ Meinung zu keinem einheitlichen Bild geführt hat. Am einflußreichsten in dieser Sache war die Interpretation des Alexander von Aphrodisias, der kommentiert, daß dieser Teil des νοῦς, der „tätige Nous“ (ποιητικὸς νοῦς), seinen Ursprung „draußen“ (θύραθεν) hat, also wohl eine Emanation der universalen Weltvernunft ist, in welchem Falle damit doch wohl die Idee einer individuellen, persönlichen Unsterblichkeit negiert ist. Dieses Problem hat im Anschluß an Alexander von Aphrodisias’ Interpretation und Lehre eine lange, durch das Mittelalter sich hindurchziehende Folgegeschichte in persischen, arabischen, jüdischen und lateinischen Kommentaren gehabt und hat sogar auch die Psychologie der beginnenden Neuzeit beeinflußt und macht ein eigenes Kapitel der Überlieferungsgeschichte der Aristotelischen νοῦς-Lehre aus, auf die hier nur verwiesen sei.⁶¹⁶ In der Philosophie der Stoa und des Epikureismus ist die Unsterblichkeit der Seele entweder ein kosmisches Ereignis, insoweit die Seele den Kosmos durchdringt und deshalb unsterblich ist oder nur den Göttern zukommt. Oder die Unsterblichkeit, insbesondere die persönliche, individuelle, bleibt eine offene Frage. Cicero im ersten Buch der Tusculanen bedient sich des Consensus omnium-Argumentes und überläßt sich mehr oder weniger in dieser Frage der Wahrscheinlichkeit: Das Faktum, daß alle Völker darin übereinstimmen, daß die Seelen nach dem Tod weiterexistieren, ist gleichbedeutend mit der Stimme der Natur.⁶¹⁷ In der Spätantike vermischen sich die Argumente und Standpunkte und sind Kombinationen der voraufgegangenen Lehren. Auffällig ist in dieser harmonistischen Entwicklung einzig Plotin, der in seiner Schrift über die Unsterblichkeit der Seele (Περὶ ἀθανασίας ψυχῆς) Aristoteles und die Stoa kritisiert und den Vorzug denjenigen Begründungen gibt, die sich auf die Verwandtschaft mit dem Göttlichen und auf die Selbstbewegung der Seele stützen.⁶¹⁸ Ähnlich wird die Unsterblichkeitslehre zunächst in der Patristik behandelt, wo nun die früheren antiken philosophischen Argumente mit den biblischen Lehren, soweit das möglich ist, synthetisiert werden.

 Vgl. 1. Kapitel, S. 46 ff.  Vgl. den Artikel „Unsterblichkeit“ im Historischen Wörterbuch der Philosophie, Bd. 11, 281 ff.: „Mittelalter und Renaissance“.  Vgl. Cicero, Tusc. I 17.  Vgl. Plotin, Enn. IV 7, 2.

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Epilog: Lebenswille und Unsterblichkeitsglaube

Der Stein des Anstoßes ist jedoch die christliche Lehre von der Auferstehung von den Toten, die philosophisch kaum oder gar nicht bewältigt werden kann und die die Reihe der frühchristlichen Denker regelmäßig in große Verlegenheit bringt. Die ursprünglich in orientalischen Vorstellungen beheimatete Vorstellung sterbender und wieder auferstehender Gottheiten repräsentieren das Sterben und Erwachen der Natur. Im Alten Testament kommt erst in der jüdischen Apokalypse unter parsischem Einfluß die Lehre von der Auferstehung der Toten vor. Von zentraler Bedeutung wird die Auferstehung Jesu und die damit in Zusammenhang gebrachte Auferstehung der Toten im Neuen Testament. ⁶¹⁹ Paulus ringt in seinen Briefen erkennbar um die Anerkennung dieser Thematik, denn, das weiß er, kein anderes Thema der christlichen Lehre steht so sehr im Gegensatz zu der griechischen Philosophie. Daher sein angestrengtes Bemühen, die Lehre von der Auferstehung Jesu Christi und der Toten seinen Zuhörern plausibel zu machen. In der Tat ist dieses Lehrstück der Heilsgeschichte in seiner Anstößigkeit für die menschliche Vernunft bis heute aktuell geblieben.⁶²⁰ Gelegentlich hat es in der Theologiegeschichte Versuch gegeben, den christlichen Auferstehungsglauben einsichtig zu machen, so bei Thomas von Aquin, der aus der Unsterblichkeit der Seelen und aus der christlichen Lehre der Einheit des Leibes und der Seele als der Form des Leibes die Auferstehung der Körper folgert.⁶²¹ In der Geschichte der neueren Philosophie ist die christliche Unsterblichkeitslehre der Gegenstand zahlreicher Versuche gewesen, sie in einem höheren metaphysischen Sinne als dem überkommenen theologischen Sinne begreiflich zu machen, so bei Kant, Schleiermacher, Hegel, Schelling, Fichte und vielen anderen. Am überzeugendsten jedoch ist und bleibt es, die Auferstehung Jesu Christi und der Toten als das zu erkennen und anzuerkennen, was diese Botschaft ihrer Natur nach ist und für uns Menschen allein sein kann: ein verehrungswürdiger Inhalt unseres Glaubens. Das Wissen davon, daß in seinem Namen ungezählte Menschen und viele Generationen vor uns trostreich und hoffnungsfroh gestorben sind, sollte uns Veranlassung sein, diesen Glauben in Ehren zu halten und ihm mit Ehrfurcht und Demut zu begegnen. Was wir als historisches Faktum wissen, ist der durch zahlreiche Zeugnisse belegte Umstand, daß in der Antike mit dem Zeitalter des Hellenismus die Menschen aller sozialer Schichten von der existentiellen Sorge umgetrieben wurden, in welcher Weise und in welcher Form das eigene, persönliche, individuelle Leben

 Vgl. 1. Korinther 15.  Vgl. Bultmanns Programm der Entmythologisierung des Neuen Testamentes.  Siehe Thomas von Aquin, Summa contra gentiles IV 79; Summa theologiae III Suppl. 9, 75, 1– 3.

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nach dem irdischen Tod weitergeht. Denn mit dem Tod als absolutem Ende der eigenen Existenz als Schicksal war man immer weniger bereit, sich abzufinden. Die Zeit hatte sich erfüllt. „Die Zeit ist erfüllet, und das Reich Gottes ist herbeigekommen“.⁶²² Etwas Neues, ein neuer Himmel und eine neue Erde sollten her und dem eigenen Dasein einen ganz neuen Sinn verleihen. Das war die Erwartung der Menschen. In diese epochale Stimmungslage hinein ereignete sich der Eintritt des Christentums in die Geschichte mit der Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi und der Verheißung der Auferstehung aller, die an ihn als den Sohn Gottes und den Messias glauben, der wiederkommen wird, um das Böse in dieser Welt für immer zu besiegen und seine Herrschaft aufzurichten, mit den Auserwählten an seiner Seite im Himmel zur Rechten Gottes. Dieses Evangelium eines Weiterlebens aller Gläubigen nach dem irdischen Tod in diesem Jammertal hienieden und der Auferweckung in einem neuen Reich der Herrlichkeit, wo sie, die ehemals Mühseligen und Beladenen, ihren gerechten Lohn empfangen und eine privilegierte Stellung an der Seite Gottes einnehmen werden, das war genau die Botschaft, die die Erwartungen der sich nach einem Weiterleben, nach einem ewigen Leben erwartungsvoll Sehnenden erfüllte. Die Zeit hatte sich im Bewußtsein dieser Gläubigen tatsächlich erfüllt und war reif für das Neue, das nun kommen sollte. Die Stunde war gekommen, die Zeitenwende war nun endlich da, die Bösen sollten in dem künftigen Reich Gottes bestraft, die Guten zu ewiger Seligkeit erlöst werden. Keine der im Umkreis des Christentums auch noch existierenden antiken Religionen konnte mit der Konkretheit dieser Versprechungen mithalten, und entsprechend war der missionarische Erfolg bei der Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, bevor die christliche Religion zur Staatsreligion des römischen Reiches gemacht wurde – nach dem langen, von Märtyrern gesäumten Weg vom Stall in Bethlehem zum Kaiserthron in Konstantinopel. Diese weltgeschichtlich einmalige Erfolgsgeschichte einer Religion hatte ihren zureichenden Grund vorrangig in ihrer Lehre von der persönlichen, individuellen Unsterblichkeit, nach der sich die Menschen des hellenistischen Zeitalters mehr und mehr zu sehnen begannen, eine Sehnsucht, ewig zu leben, über den irdischen Tod hinaus, eine Sehnsucht, die sich nicht mehr durch die nur andeutungsweisen und unbestimmten Äußerungen über ein Leben im Jenseits befriedigen ließ, wie sie in früheren Zeiten in Mythen und Märchen und Mysterienkulten und auch in der klassischen Zeit der griechischen Philosophie in abstrakten Lehren der Philosophen gemacht worden waren, die aber alle doch im Grunde nur der Ausdruck einer blühenden Phantasie waren, die gegen die Gewalt der Natur

 Vgl. Markus 1, 15: πεπλήρωται ὁ καιρὸς καὶ ἤγγικεν ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ.

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im Ereignis des Todes und ihrer ehernen Notwendigkeit nicht wirklich ankamen und keine Chance hatten, und den Charakter der Scheinhaftigkeit nie ganz verlieren konnten. Man ließ sie im großen und ganzen gelten, aber man nahm sie doch letzten Endes nicht wirklich ernst. Man nahm auch offiziell Rücksicht auf sie, denn man konnte ja nicht wissen, was es mit ihnen auf sich hatte; und außerdem hatte das Volk Teil an ihnen, weshalb es schon aus politischen Gründen nahelag, sie zu respektieren. Es war ein Kult, aber mehr auch nicht. Erst die Christen machten mit dem Glauben an eine persönliche Unsterblichkeit ernst, bis hin zum Martyrium, das bekanntermaßen den ungläubigen Zuschauern in den Arenen des Todes mit der Zeit mehr und mehr Achtung einflößte und sie zum Nachdenken veranlaßte, wie solches überhaupt möglich sei: daß offenkundig fröhlich gestimmte Menschen singend und sich an den Händen fassend gemeinsam in den Tod gingen. Das war für die Heiden eine überraschende, neue Erfahrung, selbst als Schauspiel; solches hatte man vorher noch nicht gesehen. Über sie, die man demütigen und durch den Tod bestrafen wollte, riefen sich die ungläubigen Zuschauer teils enttäuscht, teils voller Staunen zu: „Sie lachen ja!“ So berichten die Märtyrerakten. Dieses Staunen ging wohl nicht selten in Bewunderung über und trug nicht wenig infolge der Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft mit zur Ausbreitung des neuen Glaubens bei. Angesichts des eigenen Todes zu lachen und fröhlich zu sein, das war neu. Was die Unsterblichkeit nach dem christlichen Verständnis von der Unsterblichkeit nach klassisch griechischem Verständnis unterschied und unterscheidet, ist die Anschauung der Natur, der Gattung, die für das antike griechische Denken als das Allgemeine vor der Seele kommt. Nicht so für das Christentum, das den Unterschied zwischen der Seele und dem Einzelmenschen, zwischen Gattung und Individuum aufhebt und die Differenz zwischen beiden direkt in den einzelnen Gläubigen lokalisiert, was bedeutet, daß die Allgemeinheit der Natur, der Gattung, unmittelbar dem Individuum selbst angehört, ein für die klassische griechische Philosophie uneinnehmbarer Standpunkt, weil Widerspruch in sich selbst. Für die christliche Deutung hingegen nimmt durch diese Ineinssetzung das Individuum die Bedeutung des Absoluten an, und das hat zur Konsequenz, daß das Individuum selbst, nicht erst die Gattung, nämlich als die absolute, von den irdischen Bänden uneingeschränkte Person, unsterblich ist. Das künftige Dasein im Himmel wird als das selige Leben in der Einheit mit Gott dargestellt. Während der gläubige Mensch als Mensch in dieser Welt noch von Gott getrennt ist, wird das in der zukünftigen Welt nicht mehr der Fall sein, wo wir, wie es 1. Johannes 3, 2 heißt, dann Gott sehen werden, wie er ist, wenn wir ihm gleich sein werden und endlich das sein werden, wie Gott ist. „Sehet, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, daß wir Kinder Gottes heißen sollen! Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat. Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es

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ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, daß, wenn es offenbar werden wird, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, gleich wie er rein ist“.⁶²³ Das heißt im Verständnis der damaligen Zeit: hier in dieser irdischen Welt sind wir Menschen, aber in der zukünftigen, himmlischen Welt sind wir Götter. Durch den Akt des Glaubens wird der Mensch erneuert werden in einen neuen Zustand, er wird Gott gleich sein. Welcher normale Mensch, im Bewußtsein seiner Unvollkommenheit und Sündhaftigkeit vor Gott, hätte sich dieser Botschaft verschließen können? Der Glaube an Jesus Christus ist der Glaube an die Göttlichkeit des Menschen und damit an seine Unsterblichkeit. Die Güte und Gerechtigkeit Gottes sind die Garanten für die Fortdauer der Individuen, und ohne diese seine göttlichen Eigenschaften ist Gott nicht Gott. Weil ein gütiger und gerechter Gott ist, deshalb ist auch eine Unsterblichkeit, denn Gott in seiner Gerechtigkeit und Güte kann nicht anders wollen als so. Wenn ich nicht unsterblich bin, dann ist auch kein Gott; wer Gott leugnet, leugnet die Unsterblichkeit. Das ist die Logik des Paulus, mit der er seine Verkündigung des Reiches Gottes und der Sohnschaft Jesu Christi durchgesetzt und das Christentum als Religion in der Welt begründet hat. Diese irdische Welt, die vergeht, ist unvollkommen, deshalb ist sie auch vergänglich. Aber im Himmelreich Gottes ist alles so, wie es sein soll, den Wünschen der Menschen entsprechend. Deshalb haben alle Gläubigen in Gott die Gewißheit ihrer individuellen Unsterblichkeit. Die individuelle Unsterblichkeit ist der höchste Punkt im Erlösungsbewußtsein des Christen von Anfang an. In der christlichen Botschaft trifft er endlich auf die Welt, die seinen Wünschen und seiner Sehnsucht gemäß ist, frei von den Beschränkungen dieser irdischen Welt. Und das aus keinem anderen Grund als dem, daß es Gott so will. Wenn Unsterblichkeit nicht ist, dann ist Gott nicht, und wenn wir nicht auferstehen, dann ist auch Jesus nicht auferstanden, wie Paulus lehrt. Die himmlische Existenz des Erlösten ist die von allen Beschränkungen der irdischen Welt befreite Existenz. Das jenseitige Himmelreich Gottes ist die bessere Welt, gereinigt von den Widerständen und Schranken des Diesseits, die das Selbstbewußtsein des Individuums so tausendfältig beleidigen. Das Jenseits verbleibt zwar im Erlebnishorizont des Diesseits, aber frei von den Übeln des Diesseits. Der gläubige Mensch gibt fröhlichen Herzens die Freuden dieser irdischen Welt auf, denn sie sind ja  1. Johannes 3, 1– 3: Ἴδετε ποταπὴν ἀγάπην δέδωκεν ἡμῖν ὁ πατὴρ ἵνα τέκνα θεοῦ κληθῶμεν, καὶ ἐσμέν. διὰ τοῦτο ὁ κόσμος οὐ γινώσκει ἡμᾶς, ὅτι οὐκ ἔγνω αὐτόν. ᾿Aγαπητοί, νῦν τέκνα θεοῦ ἐσμεν, καὶ οὔπω ἐφανερώθη τί ἐσόμεθα. Οἴδαμεν ὅτι ἐὰν φανερωθῇ ὅμοιοι αὐτῷ ἐσόμεθα, ὅτι ὀψόμεθα αὐτὸν καθώς ἐστιν. καὶ πᾶς ὁ ἔχων τὴν ἐλπίδα ταύτην ἐπ’ αὐτῷ ἁγνίζει ἑαυτὸν καθὼς ἐκεῖνος ἁγνός ἐστιν.

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Epilog: Lebenswille und Unsterblichkeitsglaube

nicht vollkommen, und er tauscht sie frohen Herzens gegen die Freuden der jenseitigen Welt ein, die unvergänglich sind. Die Freuden im Diesseits mißfallen, trotz aller partiellen Lust. Die Freuden des Jenseits sind nicht vergänglich, sondern dauerhaft. So gesehen ist das Jenseits nur ein Spiegelbild des Diesseits, aber gedacht als sein vollkommenes Gegenbild. Auch die Individualität des Einzelmenschen wird beibehalten, aber nicht mit den einschränkenden Belastungen des natürlichen, diesseitigen Menschen mit seinem endlichen Körper. Denn im Himmelreich ist die Seele vom Körper getrennt. Aber die Seele sehnt sich nach ihrem verlorenen Teil, ihrem Leib, und sie kehrt in ihn zurück, jedoch nicht in ihren alten Leib, sondern in einen neuen, verklärten, wunderbaren Leib. Es wird derselbe und doch nicht derselbe sein. „Es wird gesät verweslich, auferweckt unverweslich. Es wird gesät in Unehre, auferweckt in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit, auferweckt in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib, auferweckt ein geistlicher Leib. So gut es einen natürlichen Leib gibt, gibt es auch einen geistlichen“.⁶²⁴ Und: „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis. Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt, werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dieses Verwesliche muß Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen. Wenn aber dieses Verwesliche Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen wird, dann wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht: ‚Verschlungen ist der Tod in Sieg‘. ‚Wo ist, o Tod, dein Sieg? Wo ist, o Tod, dein Stachel?‘“.⁶²⁵ Wie Gott in Christus wieder Mensch wird, so kehrt die Seele in ihren neuen Leib zurück. So wird die Einheit des Diesseits und Jenseits wieder hergestellt. Aber dieser neue Leib ist ein anderer und doch derselbe Leib. Diese Identität ist das Geheimnis, das Mysterium, das Wunderbare. Der übernatürliche Körper ist ein Körper, der seinen Ursprung in der Phantasie des Menschen hat, aber er entstammt nichtsdestoweniger dem Geist des Menschen. Der Glaube an das Jenseits ist seiner Struktur nach der Glaube an das Diesseits im Jenseits, aber ohne alle Beschränkungen, mithin der Glaube an

 1. Korinther 15, 42– 44: σπείρεται ἐν φθορᾷ, ἐγείρεται ἐν ἀφθαρσίᾳ· σπείρεται ἐν ἀτιμία, ἐγείρεται ἐν δόξῃ· σπείρεται ἐν ἀσθενείᾳ, ἐγείρεται ἐν δυνάμει· σπείρεται σῶμα ψυχικόν, ἐγείρεται σῶμα πνευματικόν. Εἰ ἔστιν σῶμα ψυχικόν, ἔστιν καὶ πνευματικόν.  1. Korinther 15, 51– 56: ἰδοὺ μυστήριον ὑμῖν λέγω· πάντες οὐ κοιμηθησόμεθα, πάντες δὲ ἀλλαγησόμεθα, ἐν ἀτόμῳ, ἐν ῥιπῇ ὀφθαλμοῦ, ἐν τῇ ἐσχάτῃ σάλπιγγι· σαλπίσει γὰρ, καὶ οἱ νεκροὶ ἐγερθήσονται ἄφθαρτοι, καὶ ἡμεῖς ἀλλαγησόμεθα. δεῖ γὰρ τὸ φθαρτὸν τοῦτο ἐνδύσασθαι ἀφθαρσίαν καὶ τὸ θνητὸν τοῦτο ἐνδύσασθαι ἀθανασίαν. ὅταν δὲ τὸ φθαρτὸν τοῦτο ἐνδύσηται ἀφθαρσίαν καὶ τὸ θνητὸν τοῦτο ἐνδύσηται ἀθανασίαν, τότε γενήσεται ὁ λόγος ὁ γεγραμμένος· κατεπόθη ὁ θάνατος εἰς νῖκος. ποῦ σου, θάνατε, τὸ νῖκος; ποῦ σου, θάνατε, τὸ κέντρον;

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die Ewigkeit und Absolutheit der Person, jedoch nicht gedacht in ihrem Gattungsbegriff, sondern als individuelle Person, aber in vollständiger Freiheit und Ungehindertheit. Deshalb gibt Gott jedem einen Leib nach seiner Bestimmung. „Nicht alles Fleisch ist dasselbe Fleisch“.⁶²⁶ Aber die Lehre von der Auferstehung des Fleisches läßt die Hoffnung auf die Freuden des Fleisches, wenn auch in verwandelter und verklärter Form, lebendig werden und verspricht eine neue, ewige Seligkeit in dem geistlichen Leib des von den Toten auferweckten und auferstandenen Menschen. Auf diesen weit gespannten Erwartungshorizont und diese hoffnungsvollen Versprechungen stieß die religiöse Stimmungslage im Römischen Reich des hellenistischen Zeitalters an der Wende der Zeiten, als das Christentum in die Weltgeschichte eintrat, denn um eine Zeitenwende handelte es sich in der Tat, wie die Wirkungsgeschichte der neuen Botschaft von dem Gekreuzigten, Begrabenen und am dritten Tag wieder Auferstandenen zu Genüge bewiesen hat. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, daß der klassische biologische Unsterblichkeitsgedanke unter dem Aspekt und im Rahmen der natürlichen Generationenfolge, wie er paradigmatisch bei Platon und Aristoteles in die Erscheinung tritt, da an sein Ende kommt, wo, wie in der christlichen Lehre von der Vergebung der Sünden und im christlichen Menschenbild sowie in der Lehre vom bevorstehenden Himmelreich Gottes als Verheißung für den gläubigen Menschen, der logische Unterschied zwischen natürlicher Gattung und natürlichem Individuum wegfällt und statt dessen das geistliche Individuum in der Verklärung der Erlösung absolut gesetzt wird und in dem Wesen der einzelnen Person die Differenz von Gattung und Individuum zur Aufhebung gelangt und zur unmittelbaren Einheit gebracht wird. Jesus Christus am Kreuz ist beides zugleich, Mensch und Gott in absoluter Totalität, und ebenso ist jeder Christ in der Nachfolge des Gottessohnes Jesu nach der Verheißung der Apostel sowohl von dieser Welt und nicht von dieser Welt, und diese Synthese von Allgemeinem und Besonderen, von Gattung und Individuum, und diese Vereinigung beider findet ihren vorherbestimmten Ort in der Transzendenz, im Jenseits, im Himmel, in der persönlichen Unsterblichkeit. Erst hier findet der spätantike Mensch die Erfüllung dessen, wonach er sich sehnt: die erstrebte Fortdauer seiner Existenz in einer Welt, die der hiesigen nicht ganz unähnlich ist, aber im Unterschied zu dieser absolut vollkommen ist, gepaart mit den konkreten Freuden seines verwandelten Leibes und Lebens in Ewigkeit. Gegen solche Versprechen waren die anderen Religionen im Umkreis des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten und auch danach machtlos. Das Christentum siegte auf der Grundlage seiner Wahrheit. Diese

 1. Korinther 15, 39: οὐ πᾶσα σάρξ ἡ αὐτὴ σάρξ.

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Epilog: Lebenswille und Unsterblichkeitsglaube

Wahrheit ist der Wille des Menschen zum ewigen Leben: er will leben, immer leben, ohne Ende. Erst im Glauben an die eigene Unsterblichkeit findet der Lebenswille des Menschen seine Erfüllung.

Abkürzungsverzeichnis ANRW

Aufstieg und Niedergang der römischen Welt

Apuleius Met.

Metamorphosen

Aristoteles De an. De cael. EE EN Frg. De gen. an. De gen et corr. Hist. an. Met. MM De part. an. Phys. Pol. Top.

De anima De caelo Eudemische Ethik Nikomachische Ethik Fragmente De generatione animalium De generatione et corruptione Historia animalium Metaphysik Magna Moralia De partibus animalium Physik Politik Topik

Athenagoras De resurr.

De resurrectione mortuorum

CAG

Commentaria in Aristotelem Graeca

Cicero (Cic.) Arch. Catil. Div. Dom. Fin. Inv. Mil. Nat. deor. Off. Phil. Pis. Rabir. Perduell. Sest. Top. Tusc. Verr.

Pro Archia In Catilinam De divinatione De domo De finibus bonorum et malorum De inventione Pro Milone De natura deorum De officiis Philippica In Pisonem Pro Rabirio perduellionis reo Pro Sestio Topica Tusculanae disputationes In Verrem

https://doi.org/10.1515/9783110753691-009

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Abkürzungsverzeichnis

[Cicero] Rhet. ad. Herenn. Rhetorica ad Herennium CSEL

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum

Cyprian Epist.

Epistulae

D.-K.

H. Diels/W. Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker

Diogenes Laertius Diog. Laert. Vitae Philosophorum Epiktet Diss.

Dissertationes

GRBS

Greek, Roman and Byzantine Studies

Iustinos Apol. Dial.

Apologiae pro Christianis Dialogus cum Tryphone

NAWG.PH

Platon Gorg. Krat. Krit. Men. Parm. Phaid. Phaidr. Philb. Soph. Symp. Theait. Tim.

Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. PhilologischHistorische Klasse

Gorgias Kratylos Kriton Menon Parmenides Phaidon Phaidros Philebos Sophistes Symposion Theaitetos Timaios

Plinius (d. Jüng.) (Plin.) Epist. Epistulae Plotin Enn.

Enneaden

Proklos Instit. theol.

Institutio theologica

Abkürzungsverzeichnis

Theol. Plat.

Theologia Platonica

Sallustius (Sall.) Catil. Jug.

De Catilinae coniuratione Jugurtha

Seneca (d. Ält.) (Sen.) Contr. Controversiae Suas. Suasoriae Seneca (Sen.) Ben. Epist.

De Beneficiis Epistulae morales ad Lucilium

SPAW

Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften

SVF

Stoicorum Veterum Fragmenta

Tatian Ad Gr.

Oratio ad Graecos

Tertullian De resurr.

De resurrectione carnis

TGF

Tragicorum Graecorum Fragmenta

Thukydides Hist.

Historiae

Velleius Paterculus Hist. Historia Romana

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Index locorum Anaximander 12 B 3 D.-K.

3

Appian Bella Civilia I 105 f.

72 Anm. 137

Apuleius Metamorphosen 7, 8

60 Anm. 104

Aristoteles De anima I 1. 403 a 27 ff. I 1. 403 b 16 I 1. 403 b 17 I 4. 408 b 2 I 4. 408 b 18 f. II 1. 412 a 19 ff. II 1. 412 a 27 f. II 1. 412 b 5 f.

42 41 Anm. 61 41 Anm. 60 47 97 Anm. 228 162 Anm. 502 162 Anm. 502 42 Anm. 64, 162 Anm. 502 II 1. 412 b 6 ff. 162 Anm. 503 II 1. 412 b 16 f. 162 Anm. 497 II 1. 413 a 3 – 10 162 Anm. 503 II 2. 413 a 20 ff 162 Anm. 502 II 2.413 a 22 ff. 162 Anm. 497 u. 498 II 2. 413 a 30 162 II 2. 413 b 24 – 27 204 II 4. 415 a 14 – 416 b 31 44 II 4. 415 a 22 – b 7 44 – 45 II 4. 415 a 26 35 II 4. 415 a 26 – 415 b 7 33, 49, 90 Anm. 191 II 4. 415 a 29 f. 204 II 4. 415 b 3 ff. 50 Anm. 77 III 4. 429 a 10 – 430 a 9 47 Anm. 72 III 5 43 Anm. 65 III 5. 430 a 14 – 17 46 Anm. 70 III 5. 430 a 17 – 18 46 III 5. 430 a 17 – 25 97, 204 III 5. 430 a 23 46 III 5. 430 a 24 f. 47

https://doi.org/10.1515/9783110753691-011

De caelo II 1. 283 b 26 – 284 a 2 204 Anm. 611 De generatione animalium II 1. 731 b 31 ff. 49 II 1. 731 b 33 ff. 49 II 3. 736 b 27 – 29 43 Anm. 65, 46, 47, 97 Anm. 228, 163 Anm. 509 II 4. 738 b 27 – 35 37 Anm. 52 II 6. 744 b 21 163 Anm. 509 De generatione et corruptione II 11 50 Anm. 77 De partibus animalium I 1. 640 a 6 – 9 50 Anm. 77 I 1. 641 a 22 ff. Eudemische Ethik II 1. 1219 a 40 55 Anm. 88 V 1232 b 15 ff. 68 Anm. 125, 84 Anm. 165 Eudemos Frg. 2 ff. 41 Anm. 62, 96 Anm. 223 Historia animalium 577 b 5 – 8 37 Anm. 52 Magna Moralia I 1192 a 22 68 Anm. 125, 84 Anm. 165 II 1197 b 22 68 Anm. 125 Metaphysik Δ 8. 1017 b 10 ff. 36 Anm. 50 Ζ 2. 1028 b 8 ff. 36 Anm. 50 Ζ 7. 1032 a 15 – 27 36 Ζ 8. 1033 b 29 – 1034 a 2 37 Anm. 52 Ζ 8. 1034 a 4 36 Anm. 50 Ζ 8. 1034 a 5 – 8 32 Ζ 8. 1034 a 8 32 Η 1. 1042 a 7 ff. 36 Anm. 50 Θ 8. 1049 b 24 – 27 38 Anm. 53 Λ 3. 1070 a 4 – 8 38 Anm. 55 Λ 3. 1070 a 27 – 28 39 Λ7 43 Anm. 65 Λ 7. 1072 b 14 – 16 86 Anm. 174 Λ 7. 1072 b 14 ff. 165 Anm. 517

236

Index locorum

Λ 7. 1072 b 23 f. Λ 7. 1072 b 24 – 26 Λ 7. 1072 b 26 f. Λ 7. 1072 b 27 f. Λ 9. 1074 b 15 f. Λ 9. 1074 b 33 – 34 Λ 9. 1075 a 7 – 10 Nikomachische Ethik I 5. 1095 b 14 ff. I 5. 1095 b 23 I 7. 1097 b 2 – 5 I 7. 1098 a 10 f. I 7. 1098 a 17 f.

163 86 Anm. 174 163 Anm. 507 163 Anm. 508 47 Anm. 72, 85 Anm. 173 85 Anm. 173 86 Anm. 174

165 Anm. 516 61 84 Anm. 166 87 Anm. 179 87 Anm. 180, 165 Anm. 514 I 10. 1100 a 13 f. 89 Anm. 191 I 10. 1100 a 29 f. 89 Anm. 191 I 13. 1102 a 5 f. 86 Anm. 178 III 4. 1111 b 22 f. 97 Anm. 225, 204 Anm. 613 IV 3. 1123 b 17 – 21 84 Anm. 165 IV 3. 1123 b 20 ff. 68 Anm. 125 IV 3. 1123 b 35 f. 62 Anm. 107 IV 3. 1124 a 1 f. 68 IV 3. 1124 a 8 68, 84 Anm. 167 IV 3. 1124 a 25 84 mit Anm. 167 IV 3. 1124 a 28 f. 68 IV 3. 1124 b 25 f. 68 IV 5. 1140 b 8 – 10 66 Anm. 121 VII 14. 1154 b 20 – 31 166 Anm. 518 X 2. 1172 b 36 ff. 55 Anm. 88 X 6–9 43 Anm. 65 X 7. 1177 a 12 86 Anm. 178 X 7. 1177 a 14 87 Anm. 185 X 7. 1177 a 15 f. 47 Anm. 72, 97 Anm. 228 X 7. 1177 a 16 – 18 87 Anm. 181 X 7. 1177 a 21 f. 87 Anm. 183 X 7. 1177 a 23 – 25 87 Anm. 182 X 7. 1177 a 27 f. 87 Anm. 184 X 7. 1177 a 33 f. 88 Anm. 187 X 7. 1177 b 24 f. 87 Anm. 180 X 7. 1177 b 26 – 1178 a 8 87 Anm. 186 X 7. 1177 b 30 ff. 97 Anm. 228 X 7. 1177 b 33 f. 88 Anm. 188 X 8. 1178 b 8 f. 85 Anm. 169

X 8. 1178 b 21 – 23

85 Anm. 172, 165 Anm. 517 85 Anm. 170 87 Anm. 181

X 8. 1178 b 25 – 27 X 8. 1178 b 32 Physik VIII 1. 250 b 11 – 15 204 VIII 6. 259 b 25 f. 204 Politik III 10. 1281 a 40 ff. 55 Anm. 89 Protreptikos Frg. 10 96 Anm. 222 Topik IV 5. 126 b 35 – 127 a 2 96 Anm. 224, 204 Anm. 612 Athenagoras De resurrectione mortuorum 9 150 Anm. 466 Ausonius 315, 2 Bibel Apostelgesch. 1, 3 Apostelgesch. 1, 7 – 8 Apostelgesch. 3, 13 ff. Apostelgesch. 3, 22 Apostelgesch. 7, 55 Apostelgesch. 13, 46 Apostelgesch. 14, 15 Apostelgesch. 14, 22 Apostelgesch. 17 Apostelgesch. 17, 18

54 Anm. 85

123, 172 Anm. 550 118 Anm. 295 173 121 Anm. 299 131 Anm. 381 172 Anm. 554 170 Anm. 540 106 Anm. 260 157 Anm. 481 135 Anm. 428, 171 Anm. 548 Apostelgesch. 17, 18 – 20 136 Anm. 429 Apostelgesch. 17, 32 171 Anm. 548 Apostelgesch. 23, 8 122 Anm. 307 Apostelgesch. 25, 19 172 Anm. 550 Apostelgesch. 26, 4 170 Anm. 542 Daniel 3, 3 128 Anm. 363 Daniel 3, 4 128 Anm. 364 Daniel 5, 16 128 Anm. 365 Daniel 12, 2 113 Anm. 270, 114 Anm. 275, 175 Anm. 567 Daniel 12, 13 122 Anm. 306 Epheser 2, 2 106

Index locorum

Epheser 2, 9 Epheser 4, 4 – 6 Epheser 5, 14 Galater 1, 1 Galater 2, 19 – 20 Galater 2, 20 Galater 6, 8 Galater 6, 14 Hebräer 7, 9 Hebräer 7, 25 Hebräer 9, 27 Hebräer 13, 20 Hesekiel 37, 13 Hiob 2, 4 Hiob 4, 20 Hiob 4, 21 Hiob 7, 8 Hiob 7, 9 Hiob 18, 17 Hiob 20, 8 Hiob 22, 16 Hiob 29, 11 Hiob 32, 21 Hiob 34, 20 Jakobus 1, 10 Jakobus 4, 13 – 17 Jakobus 4, 14 Jakobus 4, 16 Jeremias 7, 30 – 8, 3 Jeremias 9, 23.24 Jeremias 16, 4 Jesaja 6, 63 Jesaja 25, 8 Jesaja 26, 19 Jesaja 40, 6 ff. Jesaja 40, 28 Jesaja 66, 24 Johannes 1, 2 Johannes 1, 4 – 18 Johannes 1, 15 Johannes 3, 15 f. Johannes 3, 36 Johannes 5, 21 ff.

135 Anm. 420 182 Anm. 584 171 Anm. 545 115 170 Anm. 543, 174 Anm. 563 128 Anm. 360, 171 Anm. 544 171 Anm. 546 135 Anm. 427 172 Anm. 550 172 Anm. 550 131 Anm. 382 125 Anm. 322 122 Anm. 305 126 Anm. 334 127 Anm. 340 133 Anm. 403 134 Anm. 404 134 Anm. 405 133 Anm. 402 133 Anm. 402 133 Anm. 401 134 Anm. 416 134 Anm. 417 134 Anm. 404 134 Anm. 404, 135 Anm. 423 128 Anm. 361 128 Anm. 356 174 Anm. 562 112 Anm. 269 135 Anm. 420 131 Anm. 374 170 Anm. 541 132 Anm. 388 122 Anm. 304 131 Anm. 382 133 Anm. 392 112 Anm. 269 128 Anm. 358 182 132 Anm. 385 130 Anm. 368, 172 Anm. 553 130 Anm. 368 123 Anm. 310

Johannes 5, 24 Johannes 5, 26 Johannes 5, 46 Johannes 6, 53 – 59 Johannes 6, 60 – 62 Johannes 10, 15 Johannes 11 Johannes 11, 25 Johannes 11, 39 Johannes 11, 40 Johannes 14, 6 Johannes 14, 10 Johannes 14, 22 Johannes 16, 16 Johannes 17, 4 – 5 Johannes 19, 30 Johannes 20, 1 – 10 Johannes 20, 11 – 18 Johannes 20, 13 Johannes 20, 17 1. Johannes 1, 3 1. Johannes 2, 26 1. Johannes 3, 1 – 3 1. Johannes 3, 2 1. Johannes 5, 11 1. Johannes 5, 20 – 21 Kolosser 1, 18 Kolosser 2, 12 Kolosser 3, 2 – 3 Kolosser 3, 4 1. Könige 15 2. Könige 2, 11 1. Korinther 1. Korinther 1, 31 1. Korinther 7, 20 – 21 1. Korinther 7, 30 ff. 1. Korinther 9, 15 – 16 1. Korinther 12, 4 – 6 1. Korinther 13, 10 1. Korinther 15 1. Korinther 15, 3 1. Korinther 15, 3 – 5 1. Korinther 15, 3 – 10

237

133 Anm. 398 128 Anm. 351 u. 357 121 Anm. 298 130 Anm. 369 131 Anm. 370 128 Anm. 349 123 Anm. 308 123 Anm. 310, 173 Anm. 560 131 Anm. 372 123 Anm. 309 128 Anm. 352, 173 Anm. 561 192 Anm. 596 124 Anm. 318 123 Anm. 311 125 Anm. 321 124 Anm. 319 123 Anm. 315, 147 Anm. 457 147 Anm. 457 123 Anm. 316 124 Anm. 320 147 Anm. 459 173 Anm. 561 209 Anm. 623 125 Anm. 326, 208 173 Anm. 561 173 Anm. 561 125 Anm. 322 171 Anm. 545 108 Anm. 265 173 Anm. 558 170 Anm. 541 121 Anm. 302 1, 29 135 Anm. 420 174 Anm. 562 103 Anm. 256 108 Anm. 264 135 Anm. 422 182 Anm. 584 125 Anm. 326 116, 171 Anm. 548, 206 Anm. 619 180 Anm. 581 117 180 Anm. 580

238

Index locorum

1. Korinther 15, 8 1. Korinther 15, 10 1. Korinther 15, 12 ff. 1. Korinther 15, 13 ff. 1. Korinther 15, 15 – 22 1. Korinther 15, 17

124 Anm. 317 135 Anm. 421 175 Anm. 569 171 Anm. 547 126 Anm. 332 115 Anm. 277, 125 Anm. 322 1. Korinther 15, 21 132 Anm. 385 1. Korinther 15, 23 125 Anm. 328, 126 Anm. 330 1. Korinther 15, 26 126 Anm. 331 1. Korinther 15, 35 – 41 151 Anm. 469 1. Korinther 15, 37 f. 125 Anm. 325 1. Korinther 15, 39 211 Anm. 626 1. Korinther 15, 40 156 Anm. 480 1. Korinther 15, 42 – 44 152 Anm. 470, 210 Anm. 624 1. Korinther 15, 45 125 Anm. 323 1. Korinther 15, 50 – 53 116 Anm. 285 1. Korinther 15, 50 – 55 152 Anm. 471 1. Korinther 15, 51 152 Anm. 473 1. Korinther 15, 51 – 56 210 Anm. 625 1. Korinther 15, 58 152 Anm. 472 1. Korinther 16, 23 107 Anm. 262 2. Korinther 3, 5 135 Anm. 421 2. Korinther 4, 4 106 2. Korinther 4, 7 174 Anm. 562 2. Korinther 4, 10 f. 174 Anm. 564 2. Korinther 4, 14 115 2. Korinther 4, 17 133 Anm. 399 2. Korinther 4, 34 f. 131 Anm. 371 2. Korinther 5, 1 – 5 153 2. Korinther 5, 8 117 Anm. 288 2. Korinther 5, 10 125 Anm. 327 2. Korinther 5, 15 170 Anm. 543 2. Korinther 11, 10 135 Anm. 422 2. Korinther 11, 30 135 Anm. 426 2. Korinther 12, 1 135 Anm. 423 2. Korinther 12, 5 135 Anm. 424 2. Korinther 12, 7 135 Anm. 425 2. Korinther 12, 9 135 Anm. 426 2. Korinther 13, 4 172 Anm. 551 2. Korinther 13, 13 182 Anm. 584 Lukas 1, 37 151 Anm. 466 Lukas 6, 9 127 Anm. 348 Lukas 7, 11 123 Anm. 308 Lukas 8, 14 170 Anm. 542

Lukas 9, 51 Lukas 10, 9 Lukas 12, 15 Lukas 12, 21 f. Lukas 15, 24 Lukas 22, 44 Lukas 24, 3 Lukas 24, 5 ff. Lukas 24, 11 Lukas 24, 17 – 21 Lukas 24, 22 f. Lukas 24, 27 Lukas 24, 49 2. Makkabäer 7, 1 – 41 Markus 1, 15

Markus 3, 4 Markus 9, 43 ff. Markus 10, 17 Markus 10, 45 Markus 12, 18 – 27 Markus 12, 25 Markus 13, 19 ff. Markus 16, 6 f. Matthäus 2, 15 Matthäus 2, 17 – 18 Matthäus 4, 4 Matthäus 6, 10 Matthäus 6, 19 – 22 Matthäus 7, 13 f. Matthäus 8, 22 Matthäus 9, 18 ff. Matthäus 10, 7 Matthäus 10, 28 Matthäus 11, 5 Matthäus 12, 40 Matthäus 16, 16 Matthäus 16, 21 Matthäus 17, 23 Matthäus 19, 21 Matthäus 19, 26 Matthäus 19, 29 Matthäus 20, 28

109 Anm. 266 106 Anm. 258 170 Anm. 538 174 Anm. 562 171 Anm. 545 131 Anm. 380 123 Anm. 315 123 Anm. 316 123 Anm. 313 123 Anm. 312 123 Anm. 313 121 Anm. 299 118 Anm. 295 113 Anm. 272 106 Anm. 258, 109 Anm. 266, 207 Anm. 622 127 Anm. 348 133 Anm. 400 171 Anm. 546 128 Anm. 350 176 117 Anm. 286 106 Anm. 260 123 Anm. 316 121 Anm. 300 121 Anm. 300 170 Anm. 538 107 Anm. 261 104 Anm. 257, 173 Anm. 562 171 Anm. 546 171 Anm. 545 123 Anm. 308 106 Anm. 258 132 Anm. 386, 132 Anm. 389 123 Anm. 309 123 Anm. 311 170 Anm. 540 123 Anm. 311 123 Anm. 311 174 Anm. 562 151 Anm. 466 130 Anm. 366 128 Anm. 350, 139 Anm. 438

Index locorum

Matthäus 22, 23 Matthäus 22, 29 – 31 Matthäus 25, 41 Matthäus 25, 46

Matthäus 26, 63 Matthäus 26, 32 Matthäus 27, 63 Matthäus 28, 2 – 4 Matthäus 28, 5 ff. Matthäus 28, 6 Matthäus 28, 19 f. 1. Mose 2, 9 1. Mose 2, 17 1. Mose 3, 19 1. Mose 3, 22 1. Mose 5, 24 1. Mose 9, 6 1. Mose 9, 16 1. Mose 13, 19 1. Mose 17, 7 1. Mose 21, 33 1. Mose 25, 8 2. Mose 3, 14 2. Mose 20, 12 5. Mose 5, 16 5. Mose 30, 15 Offenbarung 1, 18 Offenbarung 2, 7 Offenbarung 2, 8 Offenbarung 2, 11 Offenbarung 6, 8 Offenbarung 11, 11 Offenbarung 14, 11 Offenbarung 20, 5 f. Offenbarung 20, 10 Offenbarung 21, 4 f. Offenbarung 21, 8 Offenbarung 22, 2 Offenbarung 22, 3 – 5 Offenbarung 22, 14 1. Petrus 1, 4 1. Petrus 1, 10 ff.

122 Anm. 307 155 133 Anm. 400 130, Anm. 366, 133 Anm. 400, 171 Anm. 546 170 Anm. 540 123 Anm. 311 123 Anm. 311 123 Anm. 314 123 Anm. 316 123 Anm. 315 182 Anm. 584 176 Anm. 571 132 Anm. 384 131 Anm. 372 122 Anm. 303, 176 Anm. 571 121 Anm. 301, 131 Anm. 383 131 Anm. 373 133 Anm. 396 133 Anm. 396 133 Anm. 396 133 Anm. 392 127 Anm. 337, 131 Anm. 375 196 Anm. 602 127 Anm. 335 127 Anm. 335 126 Anm. 333 172 Anm. 550 176 Anm. 571 172 Anm. 550 132 131 Anm. 377 170 Anm. 539 133 Anm. 400 126, 132 133 Anm. 400 132 Anm. 388 132 Anm. 391 176 Anm. 571 106 Anm. 259 176 Anm. 571 130 Anm. 367 107

1. Petrus 3, 7 1. Petrus 3, 22 1. Petrus 4, 12 1. Petrus 5, 10 2. Petrus 3, 8 Philipper 1, 21

Philipper 1, 22 Philipper 1, 23 Philipper 2, 9 – 11 Philipper 2, 17 Philipper 3, 10 Philipper 3, 21 Philipper 3, 22 – 25 Prediger 1, 9 – 11 Prediger 3, 19 f. Prediger 5, 19 Prediger 8, 13 Prediger 9, 9 Prediger 9, 10 Prediger 12, 13 f. Psalm 1, 6 Psalm 16, 10 Psalm 37, 20 Psalm 58, 8 f. Psalm 90, 2 Psalm 90, 4 Psalm 90, 5 ff. Psalm 90, 7 Psalm 90, 9 Psalm 90, 10 Psalm 91, 16 Psalm 102, 4 Psalm 102, 27 f. Psalm 103, 4 Psalm 104, 29 Psalm 106, 5 Römer 1 Römer 1, 14 f. Römer 1, 23 Römer 2, 7 Römer 3, 23 Römer 3, 27 Römer 4, 2

239

172 Anm. 552 118 Anm. 294 128 Anm. 355 130 Anm. 367 107 Anm. 263 117 Anm. 289, 128 Anm. 359, 131 Anm. 381 171 Anm. 544 117 Anm. 290, 128 Anm. 354 118 Anm. 293 128 Anm. 353 125 Anm. 323 125 Anm. 324 103 Anm. 255 127 Anm. 347 131 Anm. 382 127 Anm. 345 127 Anm. 339 127 Anm. 344 128 Anm. 362 127 Anm. 347 133 Anm. 402 131 Anm. 372 133 Anm. 402 133 Anm. 402 133 Anm. 393 133 Anm. 394 127 Anm. 341 134 131 Anm. 382 127 Anm.343 127 Anm. 336 134 Anm. 406 133 Anm. 395 127 Anm. 342 131 Anm. 372, 134 Anm. 404 135 Anm. 423 157 Anm. 482 150 Anm. 464 134 Anm. 404 171 Anm. 546 134 Anm. 412 135 Anm. 420 134 Anm. 415

240

Index locorum

Römer 4, 25 Römer 5, 2 – 3 Römer 5, 10 Römer 5, 12 Römer 5, 15 ff. Römer 6, 8 f.

Römer 6, 9 – 10 Römer 8, 1 – 2 Römer 8, 10 Römer 8, 38 – 39 Römer 9, 26 Römer 10, 9 Römer 14, 7 – 9 Römer 14, 9 Römer 16, 26 1.Samuel 25, 37 f. Sirach 11, 2 Sirach 11, 29 Sirach 28, 25 Sirach 31, 28 Sirach 31, 30 Sirach 40, 1.2 Sirach 41 Sprüche 1, 4 Sprüche 10, 27 Sprüche 11, 30 Sprüche 13, 12 Sprüche 15, 4 Sprüche 16, 21 Sprüche 20, 6 1. Thess. 1, 10 1. Thess. 2, 19 – 20 1. Thess. 4, 14 1. Thess. 4, 15 ff. 1. Thess. 4, 16 1. Thess. 4, 17 f. 2. Thess. 1, 4 2. Thess. 1, 8 – 9 1. Timotheos 1, 16 1. Timotheos 2, 2 2. Timotheos 1, 10 2. Timotheos 2, 10

125 Anm. 322 135 Anm. 423 173 Anm. 557 132 Anm. 385 172 Anm. 552 132 Anm. 387, 147 Anm. 455, 172 Anm. 553 172 Anm. 551 173 Anm. 559, 174 Anm. 565 174 Anm. 563 125 Anm. 329 170 Anm. 540 115 129 Anm. 361, 170 Anm. 543 172 Anm. 551 133 Anm. 392 131 Anm. 378 134 Anm. 417 135 Anm. 419 131 Anm. 379 134 Anm. 413 131 Anm. 376 127 Anm. 346, 131 Anm. 382 131 Anm. 379 134 Anm. 404 127 Anm. 338 176 Anm. 571 176 Anm. 571 176 Anm. 571 134 Anm. 414 134 Anm. 418 115 Anm. 279 174 Anm. 562 116 Anm. 283 116 125 Anm. 328 117 Anm. 287 134 Anm. 416 133 Anm. 400 172 Anm. 553 170 Anm. 542 172 Anm. 555 133 Anm. 399

Cassius Dio LVI 34 – 36 LXXV 4 f.

72, 73 Anm. 141 72, 74

Cicero De divinatione I1 56 Anm. 92 I 11 56 Anm. 92 De domo 75 54 Anm. 87 De finibus bonorum et malorum I 31 56 Anm. 92 De inventione 2, 166 52 De natura deorum I 44 56 Anm. 92 De officiis 1, 45 67 Anm. 124 1, 61 – 92 67 Anm. 124 1, 90 60 1, 153 67 Anm. 124 2, 88 61 Anm. 106 De re publica VI 25 f. 99 Anm. 241 In Catilinam 2, 8 f. 62 Anm. 108 3, 28 53 Anm. 81 In Pisonem 2 63 Anm. 113 In Verrem II 4, 79 f. 60 Anm. 103 II 4, 82 53 Anm. 82 Philippica 1, 29 52, 63 Anm. 111 5, 49 61 Anm. 106 5, 50 61 Anm. 106 14, 32 54 Anm. 85 Pro Archia 23 61 Anm. 106, 64 Anm. 116 26 64 Anm. 116 28 61 Anm. 106 Pro Milone 97 54 Anm. 86, 62 Anm. 107 Pro Rabirio perduellionis reo 30 54 Anm. 83

Index locorum

Pro Sestio 129 139 143

63 Anm. 111 63 Anm. 115 54 Anm. 84, 61 Anm. 106

Topica 22, 84 61 Anm. 106 Tusculanae disputationes I 17 100 Anm. 242, 205 Anm. 617 I 30 56 Anm. 92, 58 Anm. 98 I 35 56 Anm. 92, 58 Anm. 97 I 36 56 Anm. 92, 100 Anm. 243 I 49 100 Anm. 244 I 55 100 Anm. 245 I 66 100 Anm. 246 III 2 56 Anm. 92 III 3 63 Anm. 115, 64 Anm. 117, 65 Anm. 118 [Cicero] Rhetorica ad Herennium IV 44, 57 61 Anm. 106 Chrysipp Frg. 774. SVF 2. 217 Frg. 1021. SVF 2. 305

98 Anm. 232 98 Anm. 231

Klemens von Rom II. Klemensbrief I 1

180 Anm. 582

Cyprian Epistulae 66, 8

192 Anm. 595

Demokrit 55 B 278 D.-K.

162 Anm. 500

Diogenes Laertius Vitae Philosophorum VII 139 X 139

163 Anm. 505 98 Anm. 236

Diogenes von Apollonia 64 B 7 f. D.-K. 3 Empedokles 31 B 7 D.-K. 31 B 8 D.-K. 31 B 16 D.-K. 31 B 29 D.-K. 31 B 35 D.-K. 31 B 147 D.-K.

3 92 Anm. 198 3 3 3 3, 79 Anm. 147

Epiktet Dissertationes I 9, 19 I 13, 5 II 9 ff. III 23, 28 IV 1, 165 IV 5, 28

167 Anm. 524 167 Anm. 524 167 Anm. 523 167 Anm. 524 167 Anm. 523 98 Anm. 235

Epikur Epistula ad Menoeceum 124 99 Anm. 238 Euripides Fr. 638 TGF

165 anm. 513

Eusebius von Caesarea Historia ecclesiae IV 8 160 Anm. 495 Heraklit 22 B 36 D.-K. 22 B 76 D.-K. 22 B 96 D.-K.

92 Anm. 197 92 Anm. 197 151 Anm. 467

Herodian IV 2.10 f.

74 Anm. 142

Homer Ilias Ζ 208 Η 203 Ι 155 Ι 297 Ι 302 – 303 Ι 410 – 416

51 Anm. 78 4 Anm. 8 4 Anm. 8 4 Anm. 8 4 Anm. 8 4 Anm. 8

241

242

Index locorum

Ι 412 – 413 Ι 603 Λ 784 Π 84 Σ 115 – 125

4 Anm. 8 4 Anm.8 51 Anm. 78 4 Anm. 8 4 Anm. 8

Iustinos Apologiae pro Christianis I 12 160 Anm. 493 I 19, 7 150 Anm. 466 I 52 160 Anm. 492 I 60 159 II 8 159 Anm. 489 II 13 159 Anm. 490 Dialogus cum Tryphone 8 158 Anm. 486 31 ff. 160 Anm. 492 58 160 80 ff. 160 Anm. 492 81 160 Kallinos 1 West, 18 – 19 Livius I 22, 2 II 13, 13 II 20 X 38, 1 Lukrez De rerum natura III 417 – 829 Origenes Contra Celsum I 1–4 I 50 ff. I 62 II 16 II 59 III 30 III 80 f. V 14 V 19 V 35 VI 2

4 Anm. 9

60 Anm. 104 61 Anm. 106 60 Anm. 101 60 Anm. 102

99 Anm. 239

141 Anm. 442 141 Anm. 441 148 Anm. 462 147 Anm. 456 147 Anm. 458 141 Anm. 442 147 f. mit Anm. 461 151 Anm. 468 152 Anm. 474 141 Anm. 443 149 Anm. 463

VI 14 VI 19.59 VII 24 VII 32 ff. VIII 50 De principiis II 10

148 Anm. 462 147 Anm. 460 154 Anm. 479, 156 153 Anm. 477 153 Anm. 476 153 Anm. 475

Orpheus 1 B 3 D.-K.

3

Parmenides 28 B 1 D.-K.

3, 79 Anm. 147

Philolaos 44 B 14 D.-K.

92 Anm. 199

Philon von Alexandreia De specialibus legibus IV 169 177 Anm. 577 Pindar Isthmia VII, 27 ff. Nemea IV, 83 – 85 VII, 10 – 16 Pythia III, 61 f. Platon Apologie 38 A Gorgias 524 B Kratylos 400 C Kriton 48 B 5 f. Menexenos 248 A 3 248 D 4 Menon 80 D – 86 C 81 A-D 99 B 11 – C 5

4 Anm. 10 4 Anm. 10 4 Anm. 10 4 Anm. 10

165 Anm. 514 93 Anm. 204 93 Anm. 204 164 Anm. 512 164 Anm. 512 164 Anm. 512 93 Anm. 205 93 Anm. 205 83 Anm. 163

Index locorum

Nomoi III 689 D 7 f. IV 713 E IV 721 C 2 – 6 VI 773 E 6 – 8 VII 803 A f. VII 806 E 2 VII 811 C-E X 893 B X 895 C ff. Parmenides 135 D 156 D 6 – E 3 Phaidon 62 B 64 A 64 C 65 B-C 67 B-C 67 D 4 f. 70 C 4 – 72 E 2 71 D 5 – 7 71 D-E 72 E 3 – 77 D 5 78 B – 80 B 79 A 6 – 80 C 1 80 E 81 B-E 83 E 1 – 2 102 A 10 – 107 A 1 105 C 9 – 11 105 D 6 – 9 105 D-E 106 E 1 – 3 106 E 3 ff. 107 C ff. Phaidros 245 C ff. 245 C 5 ff. 245 C 5 – 246 A 2 245 C 9 – D 1 245 D 7 247 A-C 249 C 8 – D 2 250 B-C

164 Anm. 512 91 Anm. 195 16 Anm.24 14 Anm. 16 165 Anm. 514 164 Anm. 512 83 Anm. 164 83 Anm. 164 162 Anm. 497 83 Anm. 164 81 Anm. 157 93 Anm. 204 95 Anm. 219, 200 92 Anm. 201 95 Anm. 218 200 92 Anm. 201, 200 Anm. 608 93 163 Anm. 504 93, 200 93 91 Anm. 195 93 95 Anm. 219 95 Anm. 220 82 Anm. 158 93 162 Anm. 501 163 Anm. 504 200 92 Anm. 202 200 95 Anm. 221 91 Anm. 195, 162 Anm. 497 162 Anm. 501 94 Anm. 212 94 Anm. 214 94 Anm. 213 147 Anm. 460 83 Anm. 164 147 Anm. 460

250 C Philebos 25 B 59 C 1 – 7 62 C Politeia I 329 A 8 I 354 A III 387 D 12 V 476 A 4 – 7 VI 490 B VI 495 C IX 583 C 3 ff. X 608 C 1 – D 1 X 610 C X 610 E 10 – 612 B 6 X 611 A X 611 A 2 X 611 B 9 – 612 A 6 Siebter Brief 341 C 5 – D 2 343 A 1 344 B 7 – 8 Sophistes 267 D 4 – 8 Symposion 189 D 6 – 191 C 8 191 C 7 – 8 191 D 1 – 3 193 A 3 – 7 199 D-E 202 D 11 202 D 13 ff. 203 B ff. 206 A 11 f. 206 B 7 – 8 206 C 1 – 4 206 C 5 – 8 206 C 5 – 208 B 4 206 C 6 – 8 206 E 7 – 8 207 A 3 f. 207 A 5 – C 1 207 A 7 – B 6 207 B 6 – C 1 207 B 7

243

93 Anm. 204 83 Anm. 164 82 Anm. 158 165 Anm. 514 165 Anm. 513 164 Anm. 512 164 Anm. 512 82 Anm. 158 165 Anm. 513 165 Anm. 515 24 93 Anm. 208 91 Anm. 195 94 Anm. 209, 204 Anm. 610 94 Anm. 209 204 95 83 Anm. 161 82 Anm. 159 83 Anm. 162 38 24 25 25 Anm. 39 25 20 79 Anm. 149 79 Anm. 150 14 14 Anm. 15 14 Anm. 17 15 Anm. 18 14 Anm. 16 33 80 Anm. 153 14 Anm. 16 80 Anm. 152 21 15 Anm. 20 15 Anm. 21 15

244

Index locorum

207 C 2 – 4 207 D 207 D 2 – 3 208 A-B 208 A 7 – B 2 208 B 2 – 6 208 C 2 – D 2 208 C 4 – 6 208 D 2 – 6 208 D 6 – E 1 208 D 7 – E 1 208 E 1 – 6 209 A 1 – 3 209 A 3 – 4 209 C – E 209 D 209 D 7 – E 4 209 E 5 – 212 B 1 210 E 2 – 211 A 5 211 A 6 – 7 211 B 1 f. 212 A 5 – 7 212 B 2 – 8 216 A Theaitetos 176 B 1 202 B 2 Timaios 37 D 1 – 38 C 3 38 B 6 – C 3 41 C 41 C 6 f. 41 B 7 – D 3 90 B-C

15 Anm. 22 21 16 Anm. 24 21 17 Anm. 26 16 Anm. 25 17 17 Anm. 27 17 79 Anm. 151 17 Anm. 28 17 17 18 Anm. 29 80 Anm. 154 21 18 Anm. 30 18 80 Anm. 155 19 Anm. 33 19 Anm. 32 82 Anm. 160 20 Anm. 34 165 Anm. 514 89 Anm. 190 82 Anm. 158 20 90 Anm. 192 91 Anm. 195 94 Anm. 215 94 Anm. 216 89 Anm. 189

Plinius Epistulae 4, 12

63 Anm. 112

Plotin Enneaden I 2, 3 – 7 I 2, 7.24 – 26 I 4, 3 I 4, 4.14 – 15 I 4, 10 I 6, 7

169 Anm. 535 169 Anm. 536 168 Anm. 530 169 Anm. 533 168 Anm. 530 168 Anm. 528

IV 7 [2] VI 7, 29.30 – 31 VI 7, 36 VI 9, 3 VI 9, 9.1 – 2 VI 9, 11 VI 9, 11.48 – 51

100 Anm. 247, 205 Anm. 618 169 Anm. 531 169 Anm. 532 169 Anm. 534 168 Anm. 529, 169 Anm. 531 169 Anm. 536 170 Anm. 537

Plutarch Vitae parallelae Sertorius 23 62 Anm. 109 Cicero 10 69 Anm. 126 Crassus 3, 6, 7, 10, 13, 15 69 Anm. 126 Polybios Historiae VI 53

72 Anm. 136

Pomponius Frg. 191

64 Anm. 116

Porphyrios Vita Pythagorae 19 (= 14 A 8a D.-K.)

92 Anm. 200

Proklos Institutio theologica 105 Theologia Platonica I 26

101 Anm. 252

Pythagoras 14 A 8 D.-K.

3

101 Anm. 251

Sallust De Catilinae coniuratione 3, 2 64 Anm. 116 7, 6 61 Anm. 106 Jugurtha 1, 5 54 Anm. 85 4, 6 60 Anm. 104 41, 2 63 Anm. 110 85, 23 60 Anm. 102 85, 40 61 Anm. 106

Index locorum

Seneca (d. Ält.) Controversiae 10, 2 Suasoriae 2, 2

60 Anm. 104 54 Anm. 85

Seneca De Beneficiis III 18, 4 De tranquillitate animi V5 Epistulae morales 6, 6 13, 14 18, 5 18, 11 20, 13 21 24 29, 3 44, 5 45, 4 57, 9 90 92, 3 93, 1 93, 10 96, 2 96, 4 113, 31 – 32

70 Anm. 132 70 Anm. 132 70 Anm. 132 69 Anm. 129 70 Anm. 132 70 Anm. 132 70 Anm. 132 70 Anm. 132 66 Anm. 122 70 Anm. 132 98 Anm. 234 70 Anm. 132 69 Anm. 131 69 Anm. 129 69 Anm. 129 69 Anm. 129 69 Anm. 129 65 Anm. 119

Speusipp Frg. 55

94 Anm. 217

Sueton Divus Augustus 99

73 Anm. 141

69 Anm. 130 167 Anm. 524

Tatian der Syrer Oratio ad Graecos 6, 1

150 Anm. 466

Tertullian De praescriptione haereticorum V 20, 1 58 Anm. 94 De resurrectione carnis 57, 11 150 Anm. 466 Theophrast Metaphysik 9 a 23 – 9 b 24

44 Anm. 66

Thukydides Historiae II 43, 2

4 Anm. 11

Tyrtaios 12 West, 31 – 34

4 Anm. 9

Valerius Maximus Facta et dicta memorabilia 3, 4, ext. 1 65 Anm. 120 Velleius Paterculus Historia Romana II 66, 1

69 Anm. 127

Xenophon Memorabilien III 3, 11 IV 8, 8

165 Anm. 513 165 Anm. 514

245

Index nominum Abraham 127, 134, 173, 177 Achill 17, 172 Adam 126, 155 Admet 17 Agathon 20 Alexander der Große 9 Alexander von Aphrodisias 39, 46, 98, 101, 201, 205, 216 Alkestis 17 Ambrosius 140 f. Anaximander 3, 199 Antoninus Pius 72, 157 Antonius 61, 68 Aphrodite 13 Apollon 23 Appian 72 Apuleius 60, 213 Aristides 157 Aristophanes 14, 20, 23–26, 28 Aristoteles 2, 5, 10, 31–50, 55, 61 f., 65–68, 78, 82–89, 94–98, 100–102, 105, 120 f., 135, 143, 162–168, 186, 201, 204 f., 211, 213, 216, 221 Aristoxenos von Tarent 43 f. Arius 183 f. Arnobius 202 Athenagoras 150, 213, 216 Augustinus 10 f., 90, 94, 105, 201 f., 217 Augustus 56, 61 f., 65, 69, 72 f., 76 Ausonius 54 Avicenna 101 Basilius von Cäsarea

184

Caligula 178 Cäsar 68 f. Catilina 68 f., 213, 215 Cato 68 Celsus 138, 140–142, 144–153, 155, 161, 218 Christus 1, 8, 103 f., 106–108, 115, 117, 121, 124–126, 128–136, 146, 158, 160, 171– 174, 179–186, 203, 209–211 https://doi.org/10.1515/9783110753691-012

Cicero 52, 54, 56, 58–60, 64 f., 67, 99 f., 205, 213 f., 217 Clemens von Alexandrien 10, 197 Crassus 68 f. Crescentius 158 Cyprian 192, 214, 217 Decimus (Kaiser) 138 Demokrit 42, 104, 162, 199 Dikaiarchos von Messene 43 Dio Cassius 72–74 Diogenes von Apollonia 3 Diotima 13–21, 28, 33, 80 f. Eduard II 191 Elia 122 Empedokles 3 f., 42, 79, 92, 199, 201–203 Epikur 94, 98 f., 136, 143, 199, 217 Eryximachos 20 Eusebius 160, 197, 218 Eutyches 185 Felix III 185 Fichte 206 Gregor von Nazianz 184, 197 Gregor von Nyssa 89, 184, 197 Hadrian 72, 76 Hegel 62, 101 f., 145, 198, 206 Heidegger 161 Henoch 121, 131 Herakles 75 Heraklit 91 f., 105, 151, 199, 201 Hermeiou, Ammonios 101 Herodian 72, 74 Hesekiel 122 Hesiod 3, 18, 54, 80 Hierokles 138 Hippokrates 38 Hobbes, Thomas 187 f. Homer 3 f., 18, 51, 54, 80, 84, 172, 218

Index nominum

Irenäus

57

Jahwe 114, 122 Jakobus 128 f., 134 f., 174, 179 Jesaja 112, 122, 131–133, 170 Jesus 103 f., 106 f., 115–118, 120–124, 126, 128, 130–136, 138, 146–149, 159, 172– 174, 176, 179–181, 185, 203, 209, 211 Johannes 46, 101, 110, 117, 121, 123–125, 128, 130–133, 138, 147, 160, 173, 192, 208 f. Johannes Eriugena 202 Justin 150, 157–161, 183, 202, 218 Kallias 32 Kallinos 4, 218 Kant 198, 206 Kelsos 10 f., 138 f. Kephas 179 Klemens (Bischof) 57, 183 Konstantin (Kaiser) 5, 8, 140, 142 f., 183, 186 Laktanz 202 Lepidus 61 Livius 60 f. Lucilius 65 f., 69 Lukrez 99 Lykurg 18, 21, 80 Manes 10 Marc Aurel 67, 158 Marius Victorinus 197 Metis 13 Moses 121, 176 f.

Patroklos 17 Paulus 103, 110, 115–118, 124–126, 128, 132, 135 f., 151–155, 157, 171, 173 f., 179 f., 206, 209 Pausanias 20 Pelagius 190 Penia 13 Perikles 59, 65 f. Pertinax 72 Petrus 107, 118, 128, 130, 134, 172 f., 179 f. Phaidros 14, 20, 83, 91, 93 f., 99, 147, 162, 195, 214 Philolaos 92 Philon von Alexandria 90, 196 Philoponos, Johannes 46, 101, 138, 219 Pilatus 102, 173 Pindar 4, 93, 219 Platon 2, 5, 7, 13–18, 21–24, 26 f., 29–31, 33 f., 36 f., 39–42, 45, 50, 65, 78–83, 86, 88–96, 99–102, 105, 120 f., 133, 135, 137, 143, 147–149, 158 f., 162–165, 168, 178 f., 186, 188, 194 f., 198, 200, 203 f., 211, 214, 219, 221 Plotin 10, 100, 105, 138, 168–170, 205, 214, 219 Plutarch 62, 69, 220 Polybios 72 Pompeius 68 f. Pomponius 64 Poros 13 Porphyrios 92, 100, 197 Proklos 101, 105, 215, 220 Ps.-Dionysios Areiopagites 197 Pythagoras 3, 92, 147 f., 158, 200 Romulus

Nemesios 138 Nero 56, 70, 72, 78 Nestorius 185 Nietzsche 12, 119, 121, 161, 198 Origenes 10 f., 138–141, 146–157, 160 f., 172, 183 f., 197, 202, 218 f. Orpheus 3 Parmenides 214

3, 79, 81, 83, 90 f., 188, 198,

247

75

Sakkas, Ammonios 10, 138 Salomon 113 Sallust 54, 60, 62 f., 68 f. Schelling 206 Schleiermacher 206 Scipio 60, 99 Seneca 54, 65–67, 69 f., 89, 98, 167, 201, 215, 220 Sertorius 62 Severus Septimius 72

248

Index nominum

Simplikios 46, 100, 220 Sokrates 13, 15–20, 32, 65, 83, 94 f., 143, 203 Solon 18, 80 Speusipp 94, 194, 204, 220 Straton von Lampsakos 43 Sueton 72 f. Sulla 61 f., 69, 72 Tacitus 195 Tatian 150, 202, 215, 220 Tertullian 57, 150, 215, 220 Theodosius I 142 Theophrast 35, 43 f., 46, 86, 221 Thomas von Aquin 202, 206

Thukydides 5, 59, 215, 221 Tyrtaios 4, 221 Valentinus 10 Valerius Maximus 65 Varus 64 Velleius Paterculus 69, 215 Verres 60 Vespasian 157 Vincentius von Lerinum 58 Xenokrates

94, 195, 204, 221

Zenon 90 f. Zeus 13, 23, 25

Index rerum aeternitas 77, 100 aeternum 99 f. Aion/Äon 105 f., 114, 116, 118, 181 Alexandria 10, 113, 138, 177 f., 183 – 185 Anamnesis (siehe auch Wiedererinnerung) 93 Anerkennung 52 – 54, 68 f., 84, 107, 143, 182, 186, 206 Ansehen 17, 51, 84, 102, 123, 156, 203 Antiochia 184 f. Apeiron 3, 199 Apokalypse 114, 116, 160, 201, 206 Apokalyptik 105 f., 113, 144 Apologeten 140, 145 f., 157, 160 f., 172, 182 – 184, 195 Apologetik 138, 140 f., 157 Apotheose 45, 70 – 77 Areopag 136, 157 Arete 4, 17, 21, 80, 87 Arianismus 183, 189 Athen 5, 59, 65, 94, 135 f., 157, 168, 219 Auferstehung 5, 8, 16, 51, 106, 112 – 118, 120 – 123, 125 f., 132, 138, 140 – 142, 144, 146 – 148, 150 – 153, 155 f., 160, 171 – 176, 184, 186, 196, 202 f., 206 f., 211 Auferstehungslehre 101, 136, 147 Auferweckung 113 – 116, 118 f., 123, 175, 180, 203, 207 Aufstieg 18, 28, 30, 54, 120, 144, 161, 213 Begehren 15, 80, 84, 201 Begierde 14, 24 f., 28 Bethlehem 207 Bewegung 9, 35, 38, 42, 45, 92, 94, 108, 110, 131, 142, 145, 162, 167 f., 188, 196, 204 Bibel 10, 22, 103, 125, 128, 131, 133 – 135, 176 boni 63 – 65 Buddhismus 199 Chalcedon

185

https://doi.org/10.1515/9783110753691-013

Christentum 1 f., 6 – 12, 38, 57, 70, 95, 101 – 105, 107 – 112, 120 f., 124, 133, 136 – 146, 148 – 150, 154 – 161, 172, 178 f., 181 – 183, 185 f., 196, 199, 201, 203, 207 – 209, 211, 221 Christologie 6, 115, 179, 181 – 185, 189, 192 clementia 67, 69 consecratio (siehe Apotheose) 70 f. consensus omnium 8, 56 – 59, 100, 205 Dämonen 101, 139 Dialektik 2, 6, 112, 162, 177, 187, 197 Dianoia 81 f. Diesseitigkeit 105, 161, 183, 188 dignitas 187, 192 divinitas 192 Doketismus 181 Donatismus 189 Doppeldeckergrabmal 6, 197 Dualismus 3, 9, 16 f., 41, 47, 71, 102, 168, 179, 181, 183, 186, 188, 192 f., 197 f., 202 Dyophysiten 185 Ehre

4, 20 f., 60 f., 68, 74 f., 84 f., 102, 107, 117, 156, 206 Eidos 30, 32, 35, 37, 40, 50, 81 f., 97 Emanation 168, 205 Endgericht 112 Endlichkeit 1, 14 – 16, 20, 66, 76, 78, 102, 105, 124, 126, 166, 183, 187 f., 202 Engel 117 f., 121, 123, 139, 155, 177 Enthusiasmus 83 Entstehen 16, 33, 105, 163, 165, 191, 199 Ephesus 185 Epikureer/Epikureismus 55, 98 f., 102, 135 f., 205 Erlösung 3, 5, 109, 128, 133, 139 f., 143 f., 159, 177, 181, 203, 211 Eros 13 – 20, 23, 25, 28, 79 – 82, 219 Eschatologie 3, 106, 112, 140, 142, 177 Eudaimonia 84 – 86, 89 Evangelium 109, 117 f., 135, 141, 147, 150, 158, 192, 207

250

Index rerum

Ewigkeit 2, 5, 7, 20, 30, 36, 49, 71, 77 f., 90 f., 94, 98, 100, 105, 107, 118 – 122, 130, 133, 139, 173, 187, 190, 197, 211

Hölle 132, 139 Homiletik 149 Homoousie 183

Form (siehe auch Eidos) 1 f., 5 – 10, 17, 19, 21, 27, 31 – 33, 35 f., 40, 42, 45, 51, 53 f., 59, 65, 68, 73 – 75, 77 – 82, 84, 86 f., 90 – 92, 94, 110, 115, 117, 120 f., 126, 131, 136, 141, 143, 145, 156, 169 f., 180 f., 194, 198, 201 – 203, 206, 211 Fortpflanzung 14, 20 – 22, 36, 44 f., 164, 177 funus publicum 72

Idee/Ideen 7 – 9, 11 f., 14, 18 f., 28 – 30, 39 f., 76, 80 – 83, 89 f., 95, 105, 117, 121 f., 140, 194, 200, 205 Ideenlehre 26, 30 f., 39, 82, 90, 105, 179, 186 Ideenschau 95 Immanenz 31 Inkarnation 138, 181, 188 iudicium 75

Gallien 61, 69 Gattung 5, 22 f., 26 f., 29 f., 32 f., 36 f., 51, 55, 77, 96, 120 f., 157, 164, 166, 190, 204, 208, 211 Gedächtnis 4 f., 17, 21, 62, 79 f., 84, 134, 154, 171, 174, 203 Geist 7 – 9, 43, 46 – 48, 57, 87, 96, 101, 107, 110, 118, 125, 132, 135 f., 139, 144, 149, 154, 158, 163, 170, 173, 180, 182 f., 201, 204, 210 Gloria 52 – 54, 56, 58 – 66 gloria bonorum 63 gloria lata 63 gloria multorum 63 gloria vera 63 Gnosis 10 Gräberkult 7, 104, 194 Grabinschriften 7, 153 Grabmal 3, 71, 187, 191 Gute, das 14 – 17, 23, 28, 30, 46, 53, 66, 85, 88, 109, 112, 117, 125, 127, 129, 133, 135, 149, 160, 170, 201, 207 Hades 101, 120 f., 200 Hasmonäer 175 Hauptruhm 135 Hellenismus 5, 98, 143, 145, 168, 201 f., 206 Himmel 20, 54, 66, 74 f., 103 f., 107, 117 f., 120, 123 – 125, 130 – 132, 146 f., 153 – 155, 174, 176 f., 191, 196, 204, 207 f., 211 Himmelfahrt 70 – 72, 75, 78, 125 Himmelreich 118, 156, 201, 209 – 211 Hinduismus 199

Jenseitigkeit 10, 140, 161, 183 Jenseits 1 – 3, 6, 10, 19, 49, 64, 66, 78, 103 f., 112, 120, 153 – 155, 161, 163, 166 – 170, 177, 186, 189, 193, 197, 201, 204, 207, 209 – 211 Jenseitsglaube 1, 76 Jerusalem 5, 160, 180, 187 Judentum 101, 106, 112, 137, 157, 160, 175, 177 f., 201, 203 Julianisten 186 Kaiser 5, 56 f., 67, 70 – 78, 138, 140, 142 f., 157 f., 178, 185, 190 Kapernaum 130 Karthago 192 Katholizismus 102 Kirche 5, 7 – 9, 11, 57 f., 71, 108, 110, 117, 119 f., 124, 137, 157, 176, 180 – 182, 185, 188 – 190, 192, 198 Kirchenväter 7, 58, 105, 160, 182, 202, 218 Konsens 12, 56 f., 100 Konstantinopel 183 – 185, 207 Kopten 185 Kosmologie 20, 90, 182 – 184 Kosmos 3, 19, 29, 36, 79, 98, 104 f., 163, 166, 170, 181, 203, 205 Laudatio 73 Leben 1 – 9, 14, 16, 19, 21 – 23, 25 f., 29 f., 34, 40, 44 f., 49, 51, 53 f., 59, 61 f., 65, 68 f., 76 – 79, 84 f., 87 – 96, 99, 101 – 104, 106 – 109, 112 – 114, 117 – 122, 124 – 134, 136 f., 140 – 142, 144 – 147, 151,

Index rerum

153 – 158, 160 – 177, 184, 187, 192, 194, 196, 199 – 204, 206 – 208, 211 f. Lebenswille 199, 212 Liebe 3, 14 – 16, 18, 20 – 25, 28, 108, 116 – 118, 121, 125, 140, 198, 203, 208 Liebeswille 107 Logos 8, 10, 81 f., 139, 159, 181 – 183, 194 Lust 24, 79, 88, 119, 121, 210 magnanimitas 67, 70 magnitudo animi 52, 67, 70 Makkabäer 113, 122, 175 Materie/Hyle 31 – 33, 35 f., 38, 97, 139 f., 202 Mesopotamien 78 Metapher 12, 30, 89, 176, 199 Monophysiten 185 Monotheismus 114, 138, 180, 183 Mythos 13 f., 23 – 26, 28, 30 f., 66, 76, 194 Nablus 157 Nachkommen 16 f., 30, 60, 80, 89, 203 Nachruhm 4, 17, 53 f., 64, 67, 80 Nachwelt 1 f., 4 – 6, 17, 21, 51, 53, 61 f., 67 f., 79 f., 84, 104, 154, 171, 198, 203 Natur 2, 5, 8 f., 13 f., 16, 21 – 27, 29 – 31, 33 – 41, 45 f., 49, 55 f., 58 f., 67, 69 f., 79, 81, 86 – 88, 90 f., 99 f., 124, 140, 146 f., 159, 162 – 167, 171 f., 184 – 186, 188 – 191, 194, 205 – 208 Neoplatonismus/Neuplatonismus 10, 100 – 102, 105, 138, 168, 184, 186, 195, 199 Nestorianismus 189 Nicäa 6, 140, 156, 183 – 185 Noesis 81 f. Nous (siehe auch Geist) 5, 46, 78, 85 – 89, 97, 201, 205 Orphik

102, 199 f.

Palingenesie 203 Paradies 7, 120, 122 Parusie 106 f., 116, 118, 160, 180 Patripassianismus 189 Patristik 6, 178, 196 f., 202, 205 Pentateuch 178 Pharisäer 127, 130, 175

251

Platonismus 2 f., 11, 104 f., 133, 139, 146, 160, 172, 199, 202 Prädikation 81 f. Prinzipat 65 – 67, 69, 71 f., 74, 77 Protestantismus 102 Reinkarnation 93, 199, 203 Republik 56, 61, 67 Rom 4, 8, 10, 52, 57, 59, 62 f., 65, 70, 75, 107, 138, 148, 150, 157 f., 178, 185 Ruhm 1, 4 f., 17 f., 21, 51 f., 54, 59 – 68, 80, 84, 102, 104, 107, 129, 134 f., 154 – 156, 171, 174, 204 Ruhmesgedanke 51 f., 55, 59, 62 – 64, 67, 84, 174, 178 Ruhm-Gier 62 Ruhmsucht 17, 61 f., 135 Sabbat 127 Sabellianismus 189 Sadduzäer 175 f. Scheol 7, 101, 129 Schisma 185 Schönheit 14, 18 – 20, 27 f. Seele 2 – 4, 7, 14, 17 f., 24, 41 – 47, 49, 54, 66, 74 – 76, 86 f., 89, 91 – 102, 107, 125, 132, 140, 144, 146 – 151, 158 – 160, 162 – 164, 168, 171 – 173, 175, 178, 200 – 202, 204 – 206, 208, 210, 219 Seelenwanderung/Seelenwanderungslehre 3, 51, 92 f., 101, 168, 172, 203 Sehnsucht 1, 6, 9, 14, 23 – 25, 27 f., 76, 104, 117, 120, 144, 154 f., 187, 194, 196, 207, 209 Selbstruhm 135 Severianer 186 Sichem 157 Spanien 61 Sterblichkeit 4, 16, 20, 29, 76 f., 112, 121, 140, 192, 194, 197 Stoa/Stoiker 55, 98 – 100, 104, 135 f., 143, 159, 163, 166 f., 170, 178, 201, 205, 220 Strafe 3, 25, 112 – 114, 133 f., 139, 147, 160, 171, 200 f. Streit 3, 139, 144, 177, 183 – 185, 188, 203 Synonymie 39

252

Index rerum

Thanatopsychismus 202 Tod 1 – 3, 6 f., 16 f., 20, 22, 29 f., 44, 46, 50, 53, 72 f., 75, 78, 81, 89, 91 – 95, 98, 101 – 104, 106 f., 109, 112 – 114, 116 f., 119 – 123, 125 – 128, 130 – 133, 135, 139 f., 142 – 146, 152, 154, 162 f., 166, 168 – 177, 179 f., 184, 191, 194, 199 – 205, 207 f., 210 Todesmetaphysik 126, 199 – 201 Totenreich 3, 112, 120, 122, 203 Transzendenz 31, 44, 47, 155, 166, 170, 184, 198, 211 Trinitätslehre 182, 197 Tugend 18, 54, 62, 64 f., 67 f., 70, 80, 84 – 86, 136 Tyrus 138 Unendlichkeit

20, 76, 183

Vergänglichkeit 1, 71, 77, 105, 133 f., 160, 190, 197 Vergehen 16, 20, 39, 45, 105, 163, 199 Vergeltung 112, 122 Verlangen 1, 14 f., 20, 22 f., 28 f., 61, 76, 84, 91, 119, 139, 153 – 156, 203 Verwandlung 54, 72, 74, 102, 116, 118 vir magnus 53 f., 65 – 67 virtus 64, 68 vita beata 69 Weltgericht 126, 138, 141 f. Wille 1, 6, 14, 18, 22 f., 26, 30, 43, 57, 59, 62, 66, 68, 84, 104, 108, 120, 133 f., 141, 188, 199, 202, 212 Zeugung 5, 13 – 16, 20, 22, 27, 29 – 31, 33 – 36, 38, 47, 50, 79 f., 177, 203