Von dem Aufblühen der ewigen Bünde


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Von dem Aufblühen der ewigen Bünde

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Johann e 8 von Müller ſå mmtlice

B

rrte.

e

Zwanzigfter

I feil.

erausgegebent Von

Johann Georg Müller.

Mit Allergnädigſten Kaiſerl. Königl. Deſterreichiſchen , Königl.

Bairiſchen , Großherzoglic - Badiſchen , und der löbl. Schweizeriſchen Santone Privilegien gegen den Nachdruck und Verkauf der Nachdrúde.

Zů b í ttg ett in der 5. G. Cotta ' fchen Buch hanoi nug 1

8

1

5.

1

1 1 4

Der Gerchichten

Schweizeriſcher Eidgenoſſenſchaft zweyter Theil. Von dem Aufblühen der ewigen Bünde.

D ur do

jo K. von Mú I l er.

Lernt, Brüder, eure Macht ; fie ift in unſrer freu . würde ſie auch ickt bey jedem Leſer neu ! Haller.

Nach der neuften Ausgabe von 1806. abgebrudt,

3 4 5 6 7 8 + 1 in der f. 6. Sotta'rcen Buchhandlung , I

S

I

5.

1

0037997 NOV 29 1941 F

M88 , 20

PRIVILEGIUM

Wir Franz der Erfte, son Gottes Gnaden Kaiſer son Deſterreich , König zu Jeruſalem , 3X Hungarn , Boheim , Kroatien, Slavonien , Galizien

ụnd Lodomerien , Erzherzog du Deſterreich , Herzog za fothringen , zu Würzburg und in Franken, Große fürſt in Siebenbürgen , Herzog zu Stener und...

Kårathen , Ober « und Niederſchleſien , gefürſteter. Graf zu Sabsburg 26. 26. 26. Bekennen öffentlich mit dieſer Urkunde: Es habe uns Johann Georg Múlfer, Profeſſor zu Schaffhauſen , una

VI

120 terthänigſt angezeiget , daß er die Werke " Teines verſtorbenen Bruders , des weſtphalichen Staatsraths und Generaldirecs

tors des öffentlichen Unterrichtes , Johann W. Müller, mit vielen Unkoſten in der Buchhandlung des I. G. Cotta zu Tübingen berauszugeben willens fer , hiebey aber einen ,

ſeinen großen Auslagen ſchädlichen , Nachdruck beſorge, zu deffen Verhütung er ins um Verleihung Unſers 1. 1. Drud

Und um privilegiums allergeborſamſt bitte, Da wir nun die Nuß. barkeit dieſer Werte in gnädigſte Erwägung gezogen haben ,

und geneigt ſind, Jedermann die Früchte ſeiner Arbeit und Koſten genießen zu laſſen und im Genuffe derſelben zu ſchůs

hen , yo haben wir Uns gnädigſt entſchloſſen , demſelben das angeſuchte Druđprivilegium in Unſern k. l. Erbſtaaten gegen dem zu ertheilen, daß der von uns aufgeſtellten Cenſur vors

behalten bleibe , gegen einzelne Bande, oder gegen das ganze Werk ſelbſt , ungeachtet dieſes Privilegium , nach dein Geiſte Unſerer allerhöchſten Verordnungen vorzugehen , übrigens aber acht Freieremplare von der in jeder Meſſe erſcheinen ,

den Lieferung , an unſere vereinigte böhmiſch - öſterreichiſche

Hoftanzlei abgegeben weiden. Unter dieſer Beſchränkung und Bedingniß ertheilen wir ihm , Johann Georg Müller, feinen Erben und Nadkommen , Kraft dieſer Urkunde die

1

VII

Freyheit, die von ihm herausgegebenen Werke feines Bru . ders ausſchließungsweiſe in Unſern t. l. Erbftaaten ausges hen , ausgeben und verkaufen zu laſſen.

Wir verordnen

demnach , daß Niemand ohne deffen ausdrücklicher Eins willigung in Unſern Erbſtaaten die hinterlaſſenen Werke des Johann v. Muller, weder unter dieſem noch einem andern Eitel, weder mit noch ohne Zuſäße, weber ganz nod

auszugsweiſe nachdrucken oder verkaufen ſolle, deſſen ſich dann jeder nicht nur bey Berluſt der Eremplarien und des hiegu vorbereiteten Materials , welches alles zum Nußen des Jos hann Georg Müller zu verfallen hat , ſondern auch bey Unſerer allerhöchſten Ungnade und einer Geldſtrafe von 100 $

Dukaten in Golde enthalten ſolle , welche lektere in jedem

Falle zu erlegen ſeyn , die eine Hälfte davon unſerem deras ríum , die andere aber dem Profeffor , Johann Georg Müller , oder ſeinen Erben und Nachkommen zufallen , und

unnachſichtlich durch das im Lande der Uebertretung aufges ſtellte Fiskalamt eingetrieben , dieſes Privilegium andern zur Warnung aber dem Werk ſelbſt vorgedruďt werden rolle. Getreulich und ohne Gefährde mit Urkunde dieſes Briefs

beſiegelt, mit unſerm r. f. und erzherzoglich hier vorgedruds ten Sekretinſiegel ; der gegeben iſt in unſerer Haupts und

VIII

Reſidenzſtadt Wien , ben fechs und zwanzigſten Monatstag Februar , im achtzebenhundert und zehnten , unſerer Reiche im achtzehenten Jahre.

& r a n da

(L. S.) 4109; 8 Graf v. Ugarte , königlich böhmiſcher Oberſter

und Erzherzoglich öſterreichis fcher erſter Kanzlar.

Franz Anton u. Baldani. Ad Mandatum Sacrae Caes. Regiae Majestatis proprium .

oh. Nep. W. Geißlern.

gnhalts anzeige. Giebenzebntes Kapitel : Die Zeit Rudolfe von Habsburg ; 1264-1291 . S. 1. Seine Geſtalt.

2. fein Syſtem . 4. Teine Vogter

über Schwyz ( Züricherbund 1251 ). 8. Rudolfs Krieg mit Regensberg (Tokenburg der Brudermorð — ; vom bandelsweg ; Rapperſchwyl; 17. mit S. Gallen, 19. mit

dem Biſchof zu Baſel. 23. Er als König. 25. Unter ihm , Zürich , Bern , Lucern ,1 andere Städte und 28. die Schwojer. 28. wie er gegen Landſtådte, und 30. ſeinen Adel geweſen. 33. Wie Rudolf das Burgundiſche Reich herſtellen wollte (Burgunbiſche, Savonde, Berner Striege,

Freyburg. Prinz Hartmann. 40. Genf, 46. Neuchatel ). 31. Wie er im Alter gegen den Abt von S. Gallen ward.

60. Zuſtand der Länder ber feinein Cod : Roatien ; 62. Schwyz, Slaris , 63. Oberland, Wallis ; 64. Wadt, Neuchatel; 64. Bisthuin und 65. Stadt Baſel , Kleins burgund; 67. Lucern ; 70. Zürich ; 70. von des stönige eigenen Herrſaften und 71. Hauſe. 74. Sein Cod .

Inhaltsanzeige.

X

A dotzehntes Kapitel: König Albredt. Bib 1308.

S. 75. reine Perſon und Urt ; 78. von dem Haß wider ihn ( der älteſte Bundbrief der Schwyzer ). 82. Zürts cherkrieg 1292. 84. von König Adolf ( 86. Bern ) . 88. Der Sieg am Donnerbühel. 99. Savoyen in der

Badt , Bern , Wallis , Neuchatel. 93. Der König vor Zürich. 94. Wie er mit S. Gallen war , 95. wie er die Reichsvogter über Slaris erwarb , 96. wie viel ſonſt , und 97. was er den Schwøgern für einen Ans trag machte. 100. Schilderung ihrer damaligen Art;

i ; 102. ihre Leiden ;. 104. ihr Entſchluß. Iob. Der Bund im Rütli. 107. Wilhelm Cell.

II. Buch . Erftes Kapitel : Bon dem Anfang det ewigen Bundes der vier Wald iftette; 1308 1334. : 6.11. Vertreibung der Vogte ; 113. Wie König Albrecht üm gekomme'n ; 119. die nádyſten Folgen . 121. Die Blutrade; 124. Von der Königin Agnes. 127. Uns

ruhen zwiſchen Schwyz und Einfideln. 131. Erſter Krieg der Deſtreicher und Schwyzer. ( Schladit bey Mor :

garten ) ; 144. Erneuerung des Bundes. 148. Friede.

151. Verpfändung Schaffhauſens. 155. Der erſte Zug nach Italien (Urſeren , livinen, Como ). 163. Bon dem Oberland ( Kiburg - der Brudermórber - ; Krieg wider Landeron ; daß und was für ein Syſtem die Berner hatten ; von Oberhasli). 176. Wie durch Lucern ber vier

Waldſtette Bund geworden. 182. Die Rhátiſche Sende (Donat von Baz ). 185. Zweyter Friebe mit Deſtreich .

)

Inhaltsanzeige.

XI

187. Algemeine Lage; beſonders in ltecotland ( Ebarate ter von Bern ) , 189. Genf, 193. in der Wadt, 195. im Balliſerlande. 197. Vom Landbau und 198. Handel. 199. Menſolidteit der Solothurner. 200. Religiones faden .

Zweytes Kapitel : Rudolf Brun ; 1336. S. 202. Bon der alten Verfaſſung und 207. Geſeßgebung

der Stadt Zürich (212. Minneſinger). 216. Revolution. 221. Die neue Verfaffung. 227. Krieg mit Rapperíchwol ; Brun's Schredensregierung (232. Von Schaffbauſen ).

Drittet Kapitel : Rudolf von Erlad ; 1339. S. 235. Charakter der Stadt Bern . 238. Ihre Gefahr. 240. Wie ſie ſich dabey benahın . 242. Die Kriegsrüſtun. 245. Er'ach. 249. Die Schwyzer kommen. 151, Sdladt bey Laupen . 258. Fortſetung des Kriegs. 261. Friede. 263. Die Greverzer Fehden. 266. Die große Peft. 269. Ausgang der Helden. gen .

Biertes Kapitel : Wie der ewige Bund der adt alten Orte entſtanden ; 1350-1358. S. 273. Verſchwörung wider Brun ; 275. Moronacht. 978. Die Rache ; beſonders an Rapperſchwol. 283. Zůs rid wird Schweizeriſch.

287. Wie die Schweiz damals

war. 291. Albrecht von Oeſtreich wider Zürich . 296. Glars nerland wird Schweizeriſch. 302. Schlacht bey Tát: wyl. 307. Zug wird Schweizeriſch. 310. Albrechts

zweyter Krieg.

317. Bern auf ewig Schweizeriſch .

321. Reichsfrieg (Rapperſd)wol Deftreidotſd ). 328. Wie Albrecht Liſt verſucht (Brun ſehr zweideutig ; feln Ente),

XII

Inhaltsanzeige

fduftes Kapitel : Geldidhte der Sdweig in den Zeiten des Lho.rbergiſchen Fries dens ; 1358-1385 S. 333. Natur des Bundes ; 339. Gerfau wird Schweiz zeriſch (von Wåggis). 341.Lage der Waldſtette. 344. Vers brechen der Familie Brun (der Pfaffenbrief). 347. Rins kenberg und die Brienzer (Oberland überhaupt). 355. Wie

in dieſen Zeiten Zürich ward; 363. Wie Bern (346. Bies

lerkrieg ); 376, von dem Abt zu G. Gallen ; 382. von Hohenrhátien ; 385 , von der 3talianiſchen Gränze ; 387.' vom Walliſerlande. 396. Von der Wadt (das Gas vorſche Reichsvicariat : Genf , Sitten , Lauſanne ; 402. Verfaſſung von Lauſanne ; 408. vom Hauſe Neufs chatel. 410. Bifchof und Stadt Bafel (das große Erds.

beben). 418. Von dem Zuſtande der Dinge in Vors deróſtreich ( Tirol ; 421. Schaffhauſen ) ; 425. von dern Hauſe Deſtreich felbft : Erzherzog Rudolf; 431. AL bredt und Leopold . 432. Bom Cervola . 436. Der Couch ( Entſibuch ; Fraubrunnen ); 444. Kiburgiſcher

Krieg ( das Erbe Rudolfs von Nibau ; Solothurner Mordnadt. 456. Unruhen zu Bern ) .

Der Geſchichten

Schweizeriſcher Eidgenoſſenſchaft E r R e 6

Buch . 1

Siebenzehntes Kapitel. Die Zeit Rudolf

von Habsburg ).

(1264 - 1291.)

Rudolf, Graf zu Habsburg and Kiburg , war von Seine Ges Statur ſebr groß , ſchlank von Gliedmaßen : ſeine Naſe ſtalt. batte eine ſtarke Ausbeugung ; den Haarwuchs batte er frůh verloren ; von Angeſicht (ab er blaß ) ; in reis nen Zügen war bober Ernſt 3) , aber ſobald jemand mit ihm reden wollte , erweďte er zutrauen durch zus

vorkommende Freundlichkeit “). Sowohl in Zeiten, als er mit geringer Macht große Geſchäfte that , als da ihm nachmals die Menge öffentlicher Sorgen oblag. war Rudolf muntern , ruhigen Geiftes , und gefiel fich im Scherz. Im Leben liebte er die Einfalt; köſtliche Speiſen aß er nie, noch måßiger war er im Trinken 5) ; .

im Feld bat er wohl eher mit roben Rúben ſeinen Hur.

ger geſtillt. Er pflegte einen blauen Rod zu tragen ") ; 1. Müller's Werle. XX .

I

2

I. Buch. Siebenzehntes Kapitel.

mit jener Hand , welche zu vierzehn Siegen den Befehl. ſtab geführt, haben die Kriegsleute ihn ſein Wambs fliden geſehen ?). Es iſt aufgezeichnet worden , daß er Frau Gertruden 8) , ſeiner Gemahlin , von der er zebn Kinder gezeuget , nicht allezeit getreu geweſen ) , aber er genoß der Luft obne ihr zu dienen ; daber ihm

nie weder zur Arbeit noch zur Freude Zeit , und im boben Alter zu keiner Kriegøthat Geſundheit 10) fehlte. Sein Syi

ſtem .

Als die Erbſchaft von Riburg ihm zu vielen Unters

nehmungen Anlaß und macht gab , lag Richard von Cornwall , den er nicht als König der Deutſchen ers kannte II) , in England gefangen : kein Reichsfürſt hatte zugleich genugſame Klugbeit , Kriegswiſſenſchaft und Macht , aber allgemeines Vertrauen , um den Chron der großen Raiſer einzunehmen , deren Friedrich der letzte geweſen .. Vielmehr herrſchte aus Mangel der vormaligen Oberaufſicht überall fren die Stärke des Körpers oder die Anzahl unordentlicher Kriegs, leute : durch deren Ibaten and dem Räuber kein Raub,

dem Kriegsmann kein Brod übrig blieb , und alles ges ſellſchaftliche Lebed geſtört und verwirrt wurde. Die Sugend Rudolfs war in den Waffen werfloffen 12) ; Friedreligkeit war weder ſeinem Gemüth noch den Um.

ſtånden gemåß : dazu kam , daß , da er über die voro nehmſten Orte feines Gebietes , nach der Sitte alter Freybeit , mehr nicht als Vogtenrecht hatte 13) , feine

große Freygebigkeit 14) noch weniger burde ſein Eine

Geſchichte der Edweiz.

3

tommen unterſtützt wurde , als man glauben móch , te 14b). Ueberhaupt würden ſich unjere Fürften wenig um alte Anſprüche bekümmern , wenn ſie die Länder in den Schranken der Gewalt ihrer Voråltern regieren müßten . Rudolf , da ihm leicht geweſen wäre , in Preffung , Unterdrůdung und Bertheilung von Ståd. ten- und Ländern dem Udel beyzuſtehen , unternahm , Bürger und Landleute gegen die Großen zu ſchirmen . Unter dieſen waren an Geburt und Mact andere ibm

gleich oder größer ;. die Bürger ( deren Gemüth nicht weniger Kriegstugend hatte , ebe es von der Gewinn,

ſucht bezwungen und von weibiſchem Leben entkräftet wurde) gehorchten ohne Widerrede ſeiner Hauptmanns ſchaft , in aller Mannszucht, wovon meiſtens der Sieg abhängt. Un Ordnung waren ſie, durch die bürgerlis chen Geſeke ſchon , mehr als die Herren , gewohnt ; ihr Fleiß und Handel gab Mittel zu långern Kriegen. Durch den geſellſchaftlichen Umgang wurde ihr Wik lebbafter zu heimlichen Verſtåndniſſen , verſtellten uns

griffen , vortheilhaften Stellungen und allen liſten , auf welche in den Kriegen dieſer Zeiten und Lånder das

meiſte ankam : ja bey der glänzendern und gelebrterni Einrichtung neuerer Waffen feblt dem gemeinen Mann nicht ſowohl die Kriegsfähigkeit , als der Muth , im Befiß des Weſentlichen vor fremder Kriegsgeſtalt nicht

zu erſchrecken . Durd ibre Soate und Waffen ſchwåd). te der Graf , ihr Vogt und Hauptmann , die Nebens

4.

I. Bud . Siebenzehntes Kapitel.

buhler ſeiner Große , und erwarb durch den Ruhm fei .

ned Glůds mehr Zutragen und Liebe , als der Neid ihm nehmen mochte. Sdon zu Kaiſer Friedrichs Zeit hatte fein Better 1. Bogter über die

der alte Graf zu lauffenburg , die ogtey in den lån. 9

Schweiz

dern Schwy ; 15) und Unterwalden ob dem Kernwald ( Zuſtand und ſeine Gewalt als Raſtvogt von Murbadh 16) über lekterer ). 4

+

die Stadt 17) fucern , dieſes Kloſters Eigentbum 18) .

verloren , weil er dem Papſt anhieng 19). Denn, außer daß die Schweizeriſche Trea den Kaiſer nicht mit feia nem Glúd verließ , war der Groll des Bolks wider der Pfaffen Habſucht und Stolz durch den Abt von 1

Wettingen erneuert worden. !

Graf Heinrich von Rapperſchwyl, nachdem er mit Anna von Honberg , ſeiner Gemahlin , Sinai, Zion ,

Golgatha , Aegypten und bis in dem äußerſten Como

1

poftella die Gråber der Apoſtel geſehen , hatte von dem Klofter Schennis den Ort Wertingen an der Limmat in der Kiburgiſchen Herrſchaft Baden um ſechshundert und ſechszig Mark Silbers erkauft, bey demſelben aus dreyhundert und vierzig Mark das Ciſtercienſer Kloſter Meerſtern erbauet , und was er an Leben des Reichs

oder des Züricher Fraumünſters von ſeinen Vätern , was er von ſeiner Gemahlin 20 ) zu Gillinen , Geſtinen und an andern Orten des fandes Uri , dreyhundert

Mark werth, beſaß, dieſem Kloſter vergabet 21). Solo

der Zhaten freueten ſich die eigenen Leute 22) : unter

Geſchichte der Schweiz.

3

eines Gotteshauſes friebſamer Gewalt war weniger

Unruhe und Neuerung als unter weltlicher Herrſchaft : nicht nur hiedurd, wurde der Fortgang der Gåter bes fördert , es war auch die Unſicherheit in derſelben Befik (welche die Vervollkommnung ihres Baues vornehmlich

hemmt) geringer , und erträglicher als in vielen fån. dern , wo der Bauer nur pachtet; fintemal der eiges nen leute Gat , nad alter Sitte 23) , eher nicht als im vierten Geſchlecht an das Kloſter zurüdfiel.

Nur

durften ſie keine Weiber nehmen , welche andern Hers ren leibeigea waren 24 ); ſonſt würden die Kinder geo

theilt worden ſeyn 25). Willig alſo ſo wuren fie dem Stift. Aber als der Prälat , unter Vorwand geiſtli. cher' Freyheiten , zu den Unkoften des Landes nicht wie der vorige Herr von den Gütern Steuer geben wollte, 20), und hierin von Heinrich , damals Römiſchem König 20

unterſtüßt wurde , weigerte ſich die Landsgemeine von Uri , ihm ſolches zuzulaffen . Da kam er ſelbſt in das Land , und meynte , durch die Würde ſeiner Perſon und König Heinrichs brobenden Befehl, das Voll zu

zwingen.

Allein , es erhob ſich bey der Menge ein

zorniges Getümmel , und der Landammann ſprad zu

ibm : „Solche Briefe, Herr Abt, bringet uns nicht „wieder ; eures Ordens Freyheiten mögen Könige und ...Påpſte noch höher reben , wenn das ihnen gefått ; „ Wir haben auch Freyheiten aus dem Alterthum , und

,, Landesordnungen von unſern Porfahren ; die wollen

1. Buch. Siebenzehnte $ Kapitel.

Furcht 41). Får den Grafen , ihren Schirmdogt , war ihr Schwert allezeit růſtig .

II. Hauptz : Diefe Mark unter Schwyz war der Anfang des Ge. Mannſchaft bietes der Grafen zu Rapperſchwyl; gegen Morgen überZúric . lag das Lokenburgiſche Land ; bis nach Zürich und bis an Kiburg waren die Herrſchaften des reichen Freyherrn von Regensberg zerſtreut , und wohlbewahrt. Raps Perſdwyl, Dotenburg , Regensberg, S. Gallen Stift

and- Speinrich von Welſchneuenburg , Biſchof zu Baſel, durd Lebenſdaft und Verwandtſchaft verbunden. Wis der alle dieſe wurde Graf Rudolf in Kriege verwidelt, wohl vornehmlich als Hauptmann der Stadt Zürid).

Cofenburg.

Die Cokenburg 42) , der alten Landesherren Sit , und Wyl, die nådte Stadt, Batte der große Abt Konrad son Bußnang dem Stift S. Gallen erworben ,

Diethelm , Graf zu Lokenburg , hatte zwey Sobne , Diethelm und Friedrich; der Erſtgeborne war ein Kriegsmann , ein gewaltthåtiger Menſch ; Friedrich Hatte gåtigere Sitten an dem kaiſerlichen Spofe ausge. bildet 43). Sener Hatte von Gertrud , einer Lochter

Ulrichs , Grafen zu Welſchneuenburg , fünf Sohne + t); feinem Bruder war Gertrad angelegen , ihre Sdweſter

zu beyrathen ; er aber ehrte das graue Ulter ſeiner Acl. tern, welchen die fremde Schnur eitel Herzeleid machte. Alt er eine Lochter von Montfort beyrathete , gab ihm fein Vater die alte Tokenburg und Wyl. Die Schwå.

gerin , durch mehr als Eine Leidenſchaft unmuthig , ere

Geſchichte der Schweiz.

regte ben zornigen Sinn ihres Manns. Diethelm ver, ftelte Pein Herz , und bat mit freundlichen Worten ,

daß Friedrich ihn zu Rengerswyl beſuche. In der Nacht erhoben Diethelms Diener verſtellten Lärm , und ers ſölugen , als in Irrthum , den Grafen Friedrich, wels der jåmmerlid ſeinen Bruder anrief. Da entflohen ſeine Diener und chloßen die alte Zotenburg und Wyl.

Es eilte der Biſchof zu Coſtanz, der Abt von S. Gal. len ., der Graf zu Kiburg , mit allen Großen und Eds len des Landes, auf Lätisburg 44 b) zu den unglüdlichen

Heltern. Da (prad Diethelm der Alte : „ der , welcher „ durch Meuchelmord meinen Stamm geſchåndet, roll ,,nicht auf meinem Stammbaus wohnen ; die alte Zoo ,,kenburg und Wyl ſollen euer ſeyn , Herr Abt von S.

,, Gallen ; betet für mich , betet für die unglückſelige ,,Mutter, und für meine Våter, welche nie ſolche Dinge ,.gethan ; betet für meinen unſchuldigen Sohn .“ UI er diefes mit beklemmtem Herzen ausgeſprochen und

feſtgelegt, bat in wenigen Tagen ihm und der Gråfin Gutta ihr Schmerz das leben abgedrungen ; fie liegen bey ihrem geliebten Sohn 45). Hierauf , als Diethelm

die Verhandlung durch Waffen zu vernichten unters nahm , geſchab, daß , obwohl er nicht ohne Kriegsver, ſtand , wegen der verletzten Treu und wegen des Blus tes feines Bruders , er von allem Volk mit Entreken geflohen wurde , und ſein Glůđ loben mochte , als ger

ſeßte Schiedrichter, unter Serrn Gottfried von Szobene

1228

12

I. Buch.

Siebenzehntes Sapitel .

men , von den Barbaren mißbraucht und verſäumt , Bergeſtellt für die Heerfahrten der Deutſchen Kaiſer , von den Alpenvoltern aus Armuth oder Unwiſſenheit

meiſt ſchlecht unterhalten , war nach Abgang der Kaiſer und Herzoge von Schwaben durch den Untergang aller Aufſicht in großer Gefahr.

Durch den Cimplonpaß

führten über unabſehliche Abgründe Brüden von grð. Berer Kühnheit als Kunſt 52) ia die Zhåler der ges waltthårigen Herren von Wallis , ober der gefeßloſen Baronen im Oberland. Uus vielen engen Gegenden , deren Gewaltsaber, aus Italiäniſchem Abel , mit grau. ſamer Parteyſucht oder unter ihrem Vorwand , hier Guelfen , dort Gibellinen belauerten , gieng der Gotts þarbpaß , wenn der Herr von Hoſpital 58) nicht raube te , oder die Natur den Weg nicht verſchloß , durch meiſt friedíamere Thåler an den unſtåten See des Lan, des Uri , welcher nicht wohl auszuweichen war ; auch dieſer Paß führte nabe an das Lokenburgiſche durch Rapperío

das Rapperſchwyliſche und Regensbergiſche Land, Zur Zeit , als Kiburg an Habsburg erbte , wurde

wyl.

die Herrſchaft Rapperſchwyl im Namen des Knaben

Rudolf, der leßten Hoffnung ſeines Hauſes , verwal. tet 58b) : vor drey Safren 59) hatte ihn ſeine Mutter nach des Vaters Tod in Zeiten großer Noth geboren , als bey ungewiſſem Ausgang ihrer Wochen der Abt von S. Gallen , an deſſen Heiligen ein frommer Graf Rappetíchwyl einſt aufgetragen', durch Graf Wolfram

!

M

1

Geſchichte der Schweiz.

13

von Vebringen , Hauptmann ſeiner offer , das land

einnehmen wollte. Dieſen ſchlugen die fandleute von Sowy; und Glaris und Herr Marquard von Baz , welcher von dem Fluß Albula 60 durch ganz Khåtien unter allen Baronen am gewaltigſten berrſchte 61). In der fruchtbaren anmuthigen Landſchaft wenige regends Stunden von Zürich über dem Kazenſee war der Hobe berg.

würdige Mann 61 b) , edle Herr 61 c) und Graf 61 d) zu



Regensberg , denen von Rapper(dwyl, Kiburg 6e) , Habsburg 61 f) verwandt , gleidh, aud wohl vor ihn nen 618) , ein Eigenthümer großer Güter , welche hier bis über den Rhein den Kletgau weit hinaus or h) , dort an der Limmat 61 i) , am Zürichſee (1 k) , bis in

das Rheinthal 6il) und über Unterwalden hinaus ant der Rückſeite des Berges Brünig 61 m) zerſtreut lagen. Wo dort von der alten Burg die verlaſſenen Trümmer find on ), und wo von dem gewaltigen Zhurm 61 o) auf fågerns Porfelſen die mannigfaltige Natur der Zúrichgauer Thaler und Fluren son menſchlichem Blick

kaum erfaßt werden mochte , war in alten Kriegen der Kaiſer und Påpfte Herr fåtold ein mådhtiger Schirm . vogt 61 p ). Das Schwert fraß ihn ; den Knaben, feis nen Enkel , die reißende limmat. Dieſes Kind ruhet

bey dem Kloſter , das zu Erinnerung dieſer Trauer ein zweyter fütold, ſein troſtloſer Vater, får gottgeweibete Jungfrauen geſtiftet 61 9). Vom vierten Lütold iſt jes nes Kloſter in Rüti für eifrige Religiofen 61 ) zu Beo

14

I. Bude.

Siebenzehntes Kapitel.

kämpfung des Unglaubens, und zu ' ſelbſtlohnendem

Bau einer ergiebigen Landſchaft errichtet 61s). ' Er war ein Bruder Erzbiſdhofs Eberhard von Salzburg. 61 t) ,

welcher nicht nur drey Bisthümer 61 n) geſtiftet, ſono dern , gegen die Vorurtheile derſelbigen Zeit , Kaiſer Friedrich dem Zweyten wider der Påpſte übertriebenen Hochmuth treu blieb. A18 dem Malek el Adel , dem Sohn Eyub , die Pforten des heiligen Landes entriffen

werden ſollten of v), verſorgte Herr fütold ſeine Famis lienſtifte, nahm das Kreuz und der Våter rubmvolles Schwert, und fand im alten Philiſterlande den Tod biw).

Sterbend gedachte er des Vaterlandes und fandte ein vergoldetes Rauchfaß , einen wunderkräftigen Stein und hundert Mart 61x). Des Vaters Biederfinn erbte

der gleichnamige Sohn Ory). Lütolden dem Fürſten gebar Bertha von Neuchatel 612) den ſechsten ſeines Namens und Herrn Ulrich . Da ' mag der Bau der neuen Burg am fågern 6 aa) und Ulrichs Aufwand an fremden Höfen 61 bb) den Glanz erhobet , aber den Reichthum vermindert haben 61 cc). Zu derſelbigen Zeit fiel ihnen bart , Nudolfen von Habsburg , der

Hartmanns des Ulten von Kiburg ganze Erbſchaft ans nahm , nicht zu beneiden. Der lette von Kiburg war 1

auch ihr Oheim. Sie , die Lauffenburgiſchen Vete tern , die Vettern von Lokenburg 61 did) , die Eſchena bache 61 ee) , die Neuchatelliſchen , alle unmuthig , bes redeten fich ; ohne zu eilen , bevor er ſich ſtärkte ;

. Geſchichte der Schweiz.

13

dumpfe Gåbrung erfüllte das Land mit unruhiger Sorge.

Da fandten die von Zürich zu Herrn fütold von Rudolfs Regensberg ſechs Herren und ſo viele von der Bürgers Krieg wie der jene .

ſchaft und baten ibn um Schirm . Der Freyherr ſprach ,

#

„Zúrich iſt von meinen Herrſchaften wie ein Fiſch vom „ Garn umgeben ; ergebet euch , ich will euch gnädig v regieren .“ Deffen erſchrad die Stadt. Hierauf fandte fie zu Rudolfen von Habsburg , der fie frohlich

borte , und alſobald bey ihnen den Eid empfieng und ſchwur 61 ff ). Dieſe Unternehmung brachte den Herra von Regensberg , und ſeine ganze Verwandtſchaft in Beſorgniß und Bewegung (2) ; bald ergiengen Fehdeu , die Burgen wurden verwabrt. Nach nicht gar langer Zeit tam Herrn Låtold Bericht , Rudolf bereite ſeine

Waffen und räfte den Zeug an dem Ort wider die Burg; dieſelbe verſab der Freyherr mit Speiſe, mit Mannſchaft und Waffen , ſtårkte fie, bewachte fie , bis

nach langer Zehrung und Mübe der große Aufwand unnütz war , weil der Graf ſich verſtellt hatte. Nachs bem er zu vielem Schaden ſeines Feindes obne Berluſt

noch Gefahr dieſes zu wiederholtenmalen geübt , brach ' er unberfebens Wulp , ein Schloß , welches aus der

Herrſchaft Grüningen und aus dem Lokenburg nicht ſchwer zu verwahren geweſen wäre. Da berpfändete der Herr von Regensberg das fruchtbare Land Grů, ningen , weil er es nicht meyr behaupten konnte , und

s

1

3

5

16

1. Bud. Stebenzehnte$ Kapitel.

fammelte zu den Burgen am Flufſe limmat und um Zürich ſo viele Mannſchaft und ſtarke Wehren , daß nach derſelben Kriegsart ihre Einnahme unmöglich ſchien. Alſo beſchloß Rudolf , bis die Abnahme der

aufgeregten Wachſamkeit zu Kriegsliſten Raum laffe , durch Aushungerung der Feſte Ugenberg 63) den Weg des Handels von den Grafen von Lokenburg 64) zu befreyen. Aber die Dauer dieſer Belagerung bewog

ihn , davon abzulaſſen , mit vielem Lob der Grafen , daß fie durch den Vorrath langer Monate die Feſte unbezisingbar gemacht. Da warf ein Kriegsknecht aus Hohn lebendige Fiſche aus der Burg ; hiedurch wurde fie zerſtört; weil Rudolf lernte , daß das Geſträude hinter dem Felſen einen Pfad hinunter an die Aa ver .

hehle. Nach dieſem eroberte er Baldern auf dem Albis, durch eine geringe Anzahl Reiter , hinter welchen Fuß. knechte aufgeſeffen waren ; dieſe verbargen ſich in dem

Gebüſch ; als jene von den Männern des Freyherrn verfolgt wurden , bemeiſterten fich die Fußknechte der eröffneten Burg und ſchlugen von beyden Seiten der erſchrockenen Feind. Schiffe, in die Graf Rudolf Leute verſtedt Batte , fuhren ſchnell, Glanzenberg vorbey , die Limmat berab , an waldichte Ufer ; nachdem das Volk gelandet , warfen die Schiffleute Kleider in den fluß und erhoben Schiffbruchgeſchrey ; darüber fielen die von Glangenberg , um Raub zu fiſchen , aus der Burg ; dieſe wurde von dem Hinterhalt eingenommen .

Geſchichte der Schweiz.

17

von der Uetliburg , vor welcher ganz Zürich an fchda nen Ufern ſich ausbreitet , giengen täglich zwölf Schim . met auf Jagd oder auf Raub : dergleichen kaufte beimo lich Graf Rudolf , und als er jene abweſend wußte . ließ er bey anbrechender Nacht von den Zürichern ſich verfolgen , und ſprengte mit åußerſter Geſchwindigkeit

an die Burg ; dieſe von der betrogenen Beſaßung eilt fertig eröffnet , wurde eingenommen und gebrochen . Endlich geſchah durch die Vermittlung Herrn Ulrichs von Regensberg , weil fie auch der Grafen zu lauffen .

burg nabe Freunde waren 65) , daß Rudolf ſeinen Brus der nicht ganz verdarb 66), und er von den Zürichera int Bürgerrecht aufgenommen wurde 67). Es trug ſich zu , in Zeiten da fåtold nod ftark war, III. Kriege und ebe ſein fallendes Glück von Lokenburg verlaffen mit S. Gallen

wurde , daß der Abt von S. Gallen Berchtold von

Falkenſtein mit ſeinem Volk nach Wyl kam , in das land Kiburg zu fallen , weil Rudolf , der nicht wenig Leben des Kloſters ererbt , fie zu empfangen ſäumte.

Dieſes unterließ Rudolf aus Unmuth , weil im Straß: burgiſchen Vergabungsgeſchåfte Berchtold wider ihn geweſen. Es war die Sabrszeit , ehe die Ritter audi zogen ; Rudolf hielt mit vielen zu Baſel Faſtnachtluſt: Es herrſchte in dieſer Stadt unverſtellter Haß der aber lichen Geſchlechter gegen die reichen Bürger : nach Ru. dolfs Abreiſe, nach der Freude des Ritterſpiels , nach Lanz und Mahlzeit , mogen junge Ritter geſagt oder #. Müler's Werke. XX.

18

I. Buch. Siebenzehntes Kapitel.

begehrt oder gethan haben , was Bürger , Gatten und Viter nie gern erlaubten ; hierin ſtórte ſie ein Auflauf -

des Volks , welchen einige nicht überlebt haben ; Rus dolfs Kriegsgeſellen ſaßen auf und floben , entflammt von Durſt um Rache, in ſtolzem Zorn. Dieſes Ans laffes die bewegten Gemüther des jungen Adelb zu feffeln , und Heinrich von Welſchneuenburg , den Bis idhof zu Baſel, welcher als beim der Grafen von To.

kenburg übel nahm, daß Uzenberg im Schutt lag, durch das Feuer ihres Zorns zu überwåltigen , deſſen freute fich der Graf ; nur ſtanden bereits drey Fehden, wider

Tokenburg , Regensberg und übt Berchtolden . Nachs dem Rudolf die Natur und Geſtalt einer jeden bedacht, ſaß er zu Pferd , mit mehr nicht als zwey Freunden ; bald ſprengte er aus der Landſtraße durch Felder und Abwege hin . Aber der Abt von S. Gallen ſaß zu Wyl auf der Burg , mit einer großen Anzahl Mitter und Ebelknechte , bey Zafel; wie er denn gewohnt war , vielen Rheinwein , Wein vom Nedar , den bes

ſten , deſſen die Hügel des Baltelins und Bozens Ger genden ſich rühmen , aus großer und nicht unnútlicher Liebe zur Gafterey , zuſammen führen zu laſſen , und an Namenstage wohl auf neunpundert edle Herren zu bewirthen 63). Der Thorwärter tam , dem Prälaten zu ſagen , der Graf zu Habsburg wolle ihn ſprechen. Dieſes Einfalls lächelte der Abt , und bielt ihn für den Scherz eines angekommenen bertraulichen Gaſteb.

(

Geſchichte der Schweiz.

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Alſo war das Erſtaunen allgemein und groß , als der Graf zu Habsburg und Kiburg in den Saal trat , faſt unbegleitet , unter die, welche verſammelt waren wider

ihn zu ſtreiten . Da ſprach der Graf : „Herr Abt von „ S. Gallen , ich trage Leben von eurem Heiligen ; die „ Urſache iſt euch nicht unbewußt, warum ich geſäumt .

„ habe, fie zu empfangen ; des Haders iſt genug ; ich „ wil nach dem Urtheil der Schiedrichter geben , und ,,bin gekommen , euch zu ſagen , daß zwiſchen dem Abt „ von S. Gallen und Grafen von Habsburg nie Krieg „ſeyn ſod." Da ſie mit großer Freude dieſes gehört , retzte ſich der Graf mit ihnen an die Tafel. Bey dem .

Effen erzählte er die unglückliche Faſtnacht, mit wich . tigen Anmerkungen über den zunehmenden Troß der

Bürgerſchaften und über den Fall des Anſehens der

Herren von Udel. Bis bieber hörten ſie mit Aufmerke Tamkeit ihm zu. Endlich ſagte er , „ das Beyſpiel dies „ſes frechen Pöbels könne von ſolchen Felgen ſeyn, daß. „ in ſo großen Febden er fich befinde , die Pflicht feines „ Ritterſtandes 69) ibu bewege , mit Verſäumung alles ,,andern , an dem Bafeler Bolf und an ſeinem Wele fchen Biſchof die edlen Leuten Ritter und Herren

ozu rächen , welche ſie getödet und beſchimpft haben . " Da ſchwuren alle , die Fehde ſer des ganzen Adels ; es beſchloß auch der Abt mit ſeinen Dienſtmannen auf, zufiken und mit ihm zu ziehen 70). Ulſo ergieng , die mådhtige Fehde von den Bergen und Baſel.

30

I. Buch. Siebenzehntes Stapitel.

der Schwyzer , von Zürich , von S. Gallen , mit +

Habsburg und Kiburg und Rudolfs Volk von dem Breisgau und Elſaß , und verwüſtete ſo grimmig die Güter von Baſel, daß die Stadt frob war , Friede zu

erbitten . Långer wurde der Bildhof gefehdet 70 b) , von dem Grafen durch die Einnahme von Breiſach , zornis ger vom Abt , welchem er Wein weggenommen ? ).

Der Biſchof, als Tokenburg von Zürich Friede genoms men , und die Macht Herrn fütolds untergegangen , erwarb Friede um Geld 72 ). In allen Kriegen hielt Nudolf die großen Prälatent, welche den Glanz Heiliger Geiſtlichkeit in Uebung welts

licher Herrſchaft verloren , den Kriegsgeſeßen gemäß, nicht wie Lebrer des chriſtlichen Glaubens.

Hingegen

iſt in vielen Jahrbüchern mit Ruhm verzeichnet, als er auf der Jagd bey einem angeſchwollenett Bach zwiſchen Fahr und Baden 73) einen armen Prieſter angetroffen , welcher eilte ,, einem ſterbenden Menſchen durch das

hochwürdige Sacrament gläubige Ruhe einzufloßen, babe der Graf demſelben ſein Pferd aufgedrungen, mit vielem Uusdrud ſeiner Furcht Gottes , von dem er walles , was er rey , zu Leben trage" 24). Seine Ano dadt rührte die Züricher , an dem Fenertag , als er dem .

verſammelten Volk Denkmale der Kreuzigung zeigte 75) . In dieſer Stadt wurde von dem neuen Orden der Uu. guftiner Eremiten ſein Rubm als des Urhebers ihrer

Qufnahme 76) und ſonſt von vielen Kloſtern aus Danke

Geſchichte der Schwety .

21

barkeit für milde Gaben 77zz) ausgebreitet. Einen Beichts vater nahm er den Brugt , Werner , einen Minoriten , der bey ihm blieb , ſo lang er lebte ; einen andern dieſes

Ordens , größerer Sachen fåhig , hatte er allezeit um fica 78). Dieſes Ordens war Bruder Berchtold von Regensburg 79) , welchen das Volk des ganzen Thurs gaus auf den Feldern mit ſo eindringendem Eifer pree digen hörte , daß mancher aufſtand und laut beidytete , und Söhne ungerechter Våter geraubte Burgen wiedera gaben 79 b). Dieſer Brüder kannte die Zugänge des Herzens fo wohl , daß in ſeiner Predigt ein Mädchen um unerlaubten Gebrauch der Schönheit öffentliche Buße that , und als er ihre reuende Seele allgemeiner

Vergebung empfahl , ſogleid einer vom Volk ſie zum Weibe nabm 8 ).

Als zu Baſel die adelichen Serdhlechter in der Gen

ſellſchaft vom Stern 81 ) durch die Bürger in der Ges ſellſchaft vom Sittich 82) viele Uebervortheilung zu leio den glaubten , und Biſchof Heinrich wegen der Zerſto .

rung eines Elſaßiſchen Stådtchens und des Zhurms zu Dtmarsheim und um andere Sachen dem Grafen von

Habsburg die Genugthuung berſagte , erhob ſich zu beyderſeitigem Schaden eine zweyte Febde ; weil die Parten der Sterne aus der Stadt vertrieben wurde ,

und Heinrich ſich nicht ſcheute, dem Fürſten , deſſen ſte fich tröſtete, durch fandesverbeerung zu troßen. Da legte ſich Rudolf mit allen ſeinen Freunden 83) vor die

1. Buch .

Siebenzehntes Kapitel.

größere Stadt , auf 6. Margarethenberg bey Binnins gen. In anmuthigen Gefilden und Hügeln , zwiſchen welchen der Nyein eindmals fich nordweſtwårtó beugt, lagen zwen gleichnamige Stådte , deren die altere nad langem Fleiß in woblerworbenem Reichthum bereits dem Biſchof und Adel durch Bürgermuth gefährlich groß (chien ; Kleinbaſel erhob fidh feit nicht langer Zeit 84). U18 alle ſtreitbaren Männer von der Bürgers Ichaft unter den Waffen ſtanden , und Rudolf mit wes

nigen um die Mauern ritt, fiel unverſebens Hugo Mar. ſchall, Ritter , Bürgermeiſter, ein tapferer Mann, mit allem Bolt aus der Stadt , iba gefangen zu nehmen ; der Bürgermeiſter fand hier einen rühmlichen Tod, Rus dolfen rettete ſein ſchnelles Pferd. Nach dieſem wurde

Baſel. belagert , verwüſtet, was über den Trümmern der alten Rauradhiſchen Pracht von ſorgfältiger Hauss våter unſchuldigem Fleiß angebaut und bepflanzt wors den , und von benden Seiten durch die Erbitterung

bürgerlicher Parteyen der Krieg mit übergroßer Hårtę geführt 85). Aber in den Lagen eines kurzen Friedens 86) , als daß Kriegsvolk müde war , wider die Mauern ſolder

Månner zu ſtreiten , brachte von Frankfurt am Mayn der Reichs . Erbmarſchall Heinrich von Pappenheim , und alſobald Friedrich von Hohenzollern , Burggraf zu

Nürnberg , die Nachricht, „ daß , im Namen und in mider Perſammlung der Kurfürſten , Ludewig Pfalzo

1

Geſchichte der Schweiz.

graf bey Rhein und Herzog zu Bayern , von allen er. IV. Rudolf

„mächtiget , in Betrachtung ſeiner großen Zugend und König. „Weisheit , Grafen Rudolf zu Habsburg über das ,, Römiſche Reich der Deutſchen zum König ernannt „ babe. “ Dieſer Botſchaft erſtaunte Rudolf mehr als alle, die ihn kanaten.

Indeß in unbeſchreiblicher

Freude das ganze land ſeiner Voråltern zu Aargau ſich nac Brut verſammelte , feine Gemahlin 87) zu grüßen, und aus allen Städten und Låndern , welche ben ges

ringerm Glück ibn geehrt und geliebt , die vornehmſten Vorſteher eilten , ihn in ſeiner Erhöhung zu ſehen, bas ten in die von Bafel, mit allem Volk in die Stadt zu

kommen 88 ). Worauf der neue König ihnen Verſiches rung der Vergeſſenheit aller vormaligen Feindíchaft gab 89) , alle Gefangene logließ, einen fandfrieden aus, zurufen gebot, und mit allen Großen von Hochteutida. land und vielen Geſandten der freyen fandleute in der

Schweiz, der Züricher and aller benachbarten Städte , åber Breiſach, wo mit ſeiner Gemahlin der ganze Adel von Aargau zu ihm tam 89 b) , eilte , um in der Stadt

Aaden durch den Kurfårſten zu Coin die Krone Karlo des Großen zu bekommen ,

Dieſes Glüd erwarb der Graf zu Habsburg , nicht weil er ſeinen Stamm bis zu den Großen des alten Reichs der Franken und in Geſchlechter von Heiligen hinaufzählen konnte 89 c) , nicht weil er die lang ernie . drigte Macht ſeiner Påter durch Kiburg erhob , uno

1

1. Buch . Siebengebntes Kapitel.

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größere Stadt, auf 6. Margarethenberg bey Binnins In anmuthigen Gefilden und Hügeln , zwiſchen welchen der Rhein eindmals fic nordweſtwärts beugt, lagen zwey gleichnamige Städte , deren die åltere nad

gen.

!

langem fleiß in woblerworbenem Reichthum bereits

dem Biſchof und Adel durch Bürgermuth gefåhrlich groß ſchien ; Kleinbaſel erhob fich feit nicht langer Zeit 84). Ul8 alle ftreitbaren Männer von der Bürgers ſchaft unter den Waffen ſtanden , und Rudolf mit wes

nigen um die Mauern ritt, fiel unverſehens Hugo Mars

fchall, Ritter , Bürgermeiſter, ein tapferer Mann, mit allem Volk aus der Stadt , ibu gefangen zu nehmen ;

der Bürgermeiſter fand hier einen růbmlichen Tod, Rus dolfen rettete ſein ſchnelles Pferd. Nach dieſem wurde Baſel. belagert , verwüſtet, was über den Trümmern

der alten Rauradiſchen Pracht von ſorgfältiger Hauss våter unſchuldigem Fleiß angebaut und bepflanzt wors den í und von beyden Seiten durch die Erbitterung bürgerlicher Parteyen der Krieg mit übergroßer Hårtę geführt 85),

Aber in den Tagen eines kurzen Friedens 86) , als daß Kriegsvolk müde war , wider die Mauern folder Månner zu ſtreiten , brachte von Frankfurt am Mayn Der Reich8 . Erbmarſchall Heinrich von Pappenbeim , und alſobald Friedrich von Hohenzollern , Burggraf zu Nürnberg , die Nachricht, daß , im Namen und in

mider Perſammlung der Kurfürſten , Ludewig Pfalz.

Geſchichte der Schweiz.

ograf bey Rhein und Herzog zu Bayern , von allen er. IV. Rudolf

„machtiget , in Betrachtung ſeiner großen Tugend und König. „Weisheit , Grafen Rudolf zu Habsburg über das „Rómiſde Neid der Deutſchen zum König ernannt „ babe.“ Dieſer Botſchaft erſtaunte Rudolf mehr als alle , die ihn kannten. Indeß in unbeſchreiblicher

Freude das ganze land ſeiner Voråltern zu Aargau ſich nach Brut verſammelte, ſeine Gemahlin 87) zu grüßen , und aus allen Städten und Låndern , welde ben ges

ringerm Glück ibu geehrt und geliebt , die vornehmſten Vorſteher eilten , ibu in ſeiner Erbobung zu leben , bas ten ibn die pon Baſel , mit allem Volk in die Stadt zu

kommen 8 ). Worauf der neue König ihnen Berfiches rung der Vergeſſenheit aller vormaligen Feindſchaft gab 89) , alle Gefangene lodließ, einen Landfrieben aus , zurufen gebot , und mit allen Großen von Hochreutich . land und vielen Geſandten der freyen fandleute in der Schweiz, der Züricher und aller benachbarten Städte , åber Breijada , wo mit ſeiner Gemahlin der ganze Adel

von Aargau zu ibm kam 89 b) , eilte , um in der Stadt Aachen durch den Kurfärſten zu Cola die Krone Karlo des Großen zu bekommen ,

Dieſes Glüd erwarb der Graf zu Habsburg, nicht weil er ſeinen Stamm bis zu den Großen des alten

Reichs der Franken und in Geſchlechter von Heiligen hinaufzáblen konnte 89 c) , nicht weil er die lang ernier brigte Macht ſeiner Våter durch Kiburg erhob , und

!

24

1. Buch. Siebenzehntes Kapitel.

nicht weil die Tochter Hartmann des jüngern , als er fie Eberharden von fauffenburg gab, das hintangereşte

Habsburgiſche Recht ehren und die Grafſchaft Lenzburg ihm überlaſſen müſſen 90) , ſondern weil 'er , wie Kurs

fårit Engelbrecht von Esla ſagte 91) , „gerecht und weiſe ,, und von Gott und Menſchen geliebt war. " Es ges

( chas Rudolfen wie vielen ; daß , nadidem der Ton ſeis 1

nes ganzen Lebens die allgemeine Stimme für ihn eins genommen, die Erwåbnung ſeines Namens durch einen einzigen Mann , den er etwa fid verbunden hatte 92) ,

genug war zu ſeiner Erbóbung. Und er kam (welches Ofter geſchieht als man glaubt) weniger zu dem , wor. nach er ſich vielleicht bemůbete , als zu dem , was er berbiente.

Denn daß ſein Berdienſt nicht unter feio

nem Glück war, bewies er , indem er fich felbſt gleich blieb 92 b) ; nur erfuhr die Welt , was in ihm war ,

Den Thron , welchen in drey und zwanzig Jahren kein König behauptet hatte, beſaß er achtzehn Jahre , und brachte den Randfrieden auf. Mit ernfter Sanftmuth regierte er als Pater des Bolts ; an der Spige des

Heers bewies er die vorige Verachtung des Todes ; im Umgang dieſelbe Berachtung des Geprångs , als da er in einem Dorf bey Baſel einen wohlhabenden Gerber beſucht, um fich mit ihm des häuslichen Glůds zu freuen 9). Er ſagte zu den wachthabenden Kriegsleus ten , welche einen armen Mann verhinderten , vor den

König zu kommen, bin ich denn König, um verſcloſu

Geſchichte der Schweiz.

25

,, fen zu feyn 94) ? " Den ZiUnern ſchrieb er : „ Das Ges' drey der Armuth iſt vor meine Ohren gekommen ; ,,die Reiſenden zwinget ihr zu Auflagen , die ſie nicht ,bezahlen follen , zu faſten , die ſie nicht ertragen, pHaltet eure Hände zurüđ von dem unrechten Gut und ,,nehmet , was euch zukommt. Shr follt wiſſen , daß ,,ich alle Sorgfalt und macht anwenden werde får

Frieden und Recht , unter allen die kaftlichſten Gaben pides Himmels 95).“ Die Geſchichte aller Thaten König Rudolfs muß von den Geſchichtreibern des Deutſchen Reichs dar. geſtellt werden , in dem Licht, worin fie damals bes trachtet wurden , und in dem , welches der ſpätere Ers

folg auf ſie zurůdwirft. Wir melden , wað er in dem Umkreis des Helvetiſcen fandes für die Bürger und Landleute , und wie viel er daſelbſt für ſich und für ſeine Söhne gethan.

Die Stadt Zürich ſchirmte er mit ſolcher Sorgfalt a. Wie er bey dem unmittelbaren Gehorſam des Reids , daß er war gegen Zürich ,

auch den Reichsvogt je nach zwey Fahren abånderte , und keiner eber als im fünften Fahr daſſelbe Amt zum zweytenmal begehren durfte 96). Er gab den Zürichern das große Recht, ohne welches weber Geſetze noch Sita .

ten das Gepråge der Eigenheit erlangen konnten , voor keinem fremden Richter oder nach andern als ihrer ,, Gefeßen zu antworten 97).“ Denn die Freyheit war

pen Zürichern fo lieb, daß , als die unweiſen Råthe den

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1. Buch. Siebengebntes Stapitel.

letten Herzogs von Schwaben ſie in die Menge der

Schwäbiſchen Landſtådte hatten erniedrigen wollen 98 ), fie ſechs Fabre nada dieſem einen Frånkiſchen Ritter , welcher aus Italien tam , weil ſie ihn für den Herzog bielten , einen Monat lang in gefånglider Haft vers wahrten 99). Dem König Rudolf bewieſen ſie den Eis fer ihrer alten Freundſchaft, an dem Tag, als hundert Bürger dieſer Stadt allem Kriegsvolt zum Beyſpiel wurden , in dem Kaufen , welchen er ſelbſt führte 100), zu der entſcheidenden Schlacht wider Przemysl Ottos kar , König von Bibeim und Markgrafen zu Mähren , auch Herzog zu. Deſterreich , Steyermark , Krain und Kärnthen , welcher zu der größten Macht unter allen Reichsfürſten viele nicht geringe Eigenſchaften eines Kriegømanns und Königs vereinigte. Rudolf unters ließ nicht, gegen Jacob Müller , einen Bürger son

Zürich (im Andenken einer Schlacht, worin Müller mit eigener Gefahr ihm ſein Leben gerettet) , vom Thron aufzuſtehen und ihn freundſchaftlich zu ehren 101).

11

Müller, Den er hierauf zum Ritter ſchlug, übergab dem Reich ſein Haus am böchſten Ort in Zürich , auf daß

das gemeine Weſen keinen Schaden leide durch die Ers laubniß , welche Rudolf ihm gab , einige Reichslehen an todte Håndé zu veräußern 102). Da in der vorigen Verwirrung ein ſo großer Theil des Raiſerlichen Gutes 1

verloren war , daß mehrmals die Reichsſteuer erhöhet werden mußte 103) , warb der König nie vergeblich wes

Geſchichte der Schweiz.

37

der an woblhabende Bürger 104) , noch an die Gemeine

von Zürich 105) um außerordentliche Darlebn. Sie waren ſo wenig zurückhaltend in ſeiner Unterſtüßung, daß er bald nach dem Jahr des Unglücks , worin die

.

ganze größere Stadt ein Raub der Flammen wurde ,

ihre Freygebigkeit růhmen mußte 106). Solche Dankbarkeit ( welche ein Volk eher gegen Bern , ſeines Gleichen , als gegen größere aus den Augen rekt) wollte der König auch bey Bern berdienen ; indem er nicht nur den Bernern ihre Rechte beſtåtigte 107) , fons

dern ihnen bergab , daß die Reichsburg Nidet in den Zeiten der Verwirrung in ihrer Stadt gebrochen wor. den , und ſie ſich der Einkünfte des Reichs bemachtiget

hatten 108). Der Stadt fucern , welche im Eigenthum Lucern , des Kloſters Murbach unter Habsburgiſcher Vogten ſtand , gab er aicht allein eben die Freybeiten , wodurd

Kaiſer Friedrich Bern erhob 10 ), ſondern er ſchenkte dem freundſchaftlichen Eifer Hartmanus von Baldegk , daß der Schultheiß, die Råthe und Bürger dieſer Stadt Reichslebensmäßig ſeyn ſollten 110). Der Stadt lau, andere pen , als er ſie von der Savoyíden Gewalt wieder Ståbte, an das Reich brachte , verbeſſerte er die Verfaſſung da.

durch , daß er ſie in allem Bern gleich ſtellte 111). AIB Heinrich , Soba eines Båders in der Stadt Iſni, dejo ſen wir oben erwähnt haben , Biſchof zu Baſel wurde, und Rudolf zu Belohnung der beſondern Treu ſeiner

Dienſte 112), dem Hochſtift nun ſo wohlthåtig als eyes

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I. Buch.

Siebenzehntes Stapitel.

mals zuwider war , geſchah durch Fürſprache dieſes 1

Fürſten , daß die Stadt Biel , welche ſeine Vorweſer dem Hochſtift erworben , die Freyheiten der Stadt Ba. fel bekam 13).

Die Bürger von Solothurn 114) und

Schaffoauſen 115) wurden , gleich den Zürichern , von all.

2

ausländiſchen Gerichten freygeſprochen ; doch iſt

fichere Spur, daß die Råthe und Bürger der Stadt 116) Schaffhauſen ſchon vor der Gnade Rudolfs unmittelbar unter dem Reich geſtanden 17). und Walds Die Schwyzer , welche keinen großern Vorzug als tette,



die angeborne Freyheit verlangten , verſicherte er , mit vielem Ausdruct feines Wohlwollens , mit vielem Lob

der ungefälſchten Freundſchaft , „ er wolle ſie als werthe ,,Shne zu des Reichs beſonderſten Dienſten in unver. ,,außerlicher Unmittelbarkeit bewahren 118 ). " Dieſer

1

Geſinnung , welche ſie durch die Hülfe wider ſeinen Feind Ottokar in ihm erneuerten 119) , blieb er biß an

ſeinen Lod fo getreu , daß er noch kurz vor demſelben den innern Zweyſpalt, ob die meiſten Stimmen auch einem leibeigenen Mann die landammannſchaft auftra, gen mögen , ſo entſchied , wie es der Ehre ihrer Freys

1

beit geziemend war 12). Dieſe freundliche Mittheilung von Rechten , beren viele Menſchen durch die Unfälle unſeres Geſchlechtes beraubt worden waren , hielt er für das beſte Mittel zu Erweung allgemeiner Liebe. Auch ſeinen eigenen Unterthanen ſuchte er dadurch zu mehrerem Betrieb all.

feine Lands

ftádte,

Geſchichte der Schweig.

29

gemeinen Wohlftandes Mutb einzufloßen. Mühlhaus ſen , aus vielen Edelligen und Bauernhöfen unter dem ſanften Stab des Abts von Masmünſter entſtanden , durch eine Comthurey - des Johanniterordenó 121) und

viele Gnade der Kaiſer dem Abt entwad)ſen , und aus einem Dorf zu der Stadt einer in billigen Rechten res

gierten Bürgerſchaft erhoben , dieſes Mühlhauſen, wele des Rudolf in frühern Fahren dem ungerechten Joch

dib Biſchofe von Straßburg entriß , gab er mit vers mebrren Freyheiten an das Reich zurück 122). Ruhig erbten die Bürger bon Dieſſenbofen , wie es ihnen 00 dem leßten Grafen zu Kiburg verſtattet war 123) , in ►

gleichen Theilen mit Brüdern und Schweſtern die Gů. ter und leben , welde ihnen son ihren Aeltern binters

lafſen wurden. Für das Blut, welches die Bürger vort Wintertur , froh ihrer Pflicht, wider Ottokar für ihn

veríd wendet 124 ) , gab der König ihnen Urkunde , daß er keinen Schultheißen über ſie ernennen wolle , der vaicht ihres Gleichen fey , daß er um alle Verbre.

,,chen 125 ) , deren fie bey ihm verleumdet werden móds, „ ten , an den Sprud ihres öffentlichen Gerichtes kom, ,,me , und niemals die Steuer über die Summe von

„ bundert Gulben erhoben werde.“ Dem ganzen Fried.

kreiſe und allen Gütern deren von Aarau beſtåtigte er das alte Markredyt 126) ; ſchenkte den Aarauern jene

Freyheit, vor keinem andern Nichter als vor ihrem Schultheißen zu antworten ; beſtimmte die Strafen ;

1

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I. Buch . Siebenzehntes Kapitel .

erklärte ihre Leben von der Herrſchaft Kiburg zu Weis

berlehen , und verbriefte, daß, wer ſeine Huld verliere, nicht mehr , als in freyen Städten gewöhnlich war , darum zu leiden haben ſoll 127). Wenn die Stådte ſolo che Freybeitsbriefe um Geld erworben , ſo war dem Kó. nig und ſeinen Zeiten ſchon das ein Ruhm , daß er mit 1

ſchönen und ewigen Rechten bezahlte , was andere durch den Abel ,

Gewalt und Auflagen raubten. Den Herren von Adel , welche ein ſtolzer Fürſt gern unterdrückt, und welche der König mit ſtarkem Arm

und ſtrengem Gericht um böſe Thaten zu ſtrafen wußs te 128) , war er in Kriegsgeſellſchaft ein unveränderlider Freund 129) , und in Beförderungen ſo gewogen , daß Teine Gunſt bierin keine andere Schranken hatte , als ihr Verdienſt. Er'unterhielt gern den Glanz der alten Geſchledyter. Den Herren Im Zhurn , som alten



Rhåtiſchen Hauſe Brůmſi 129 b) , welche zu Schaffhaus fen , wie Erlach zu Bern , von den allererſten Geſchlech . tern wohl allein übrig find 13) , Toll er das Wapen des

Adels von Urzach gegeben haben , der in ihrem Hauſe Er begünſtigte die Vorſorge zweyer Herren von Babenberg , daß ihre Reichsleben bey dem

ausſtarb 131).

Stamam blieben 132), Herrmann , Freyherrn von Bous ſtetten , deffen Adel in Stiften 133) und auf Lurnies

ren 13+) feit uralten Zeiten 135) glänzte , machte er zum Reichsvogt über Zürich 136) , zu ſeinem Hofrichter 137 )

und fandridhter von Thurgau 138 ). Es war in Herrs

1

Geſchichte der Schweiz.

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mann von Bonſtetten und in ſeinen Våtern eine gewiſſe Måßigung ; ſo daß dieſe Freyherren fremde Streitbån. del entſchieden , und eigene wohl ſelbſt aufgegeben 139); defto lieber wurden ſie von den Kaiſern , von Zårin.

gen 140) , von Habsburg und den Städten geehrt. duf ufter , einer ſtarken Burg , welche an einem kleinen

See auf einem Hügel angenehm lag , wohnten fie 141) in Geſellſchaft ihrer Waffenbrüder 142) , unter ihrem Boll 143). Polk

Nun wadhft Gras , wo die Stammburg

Bonſtetten ſtand, Uſter iſt verloren ; aber dieſe Frené herren haben Kiburg , Habsburg und faſt alle gemeins ſchaftlichen Freunde überlebt , und ibre angeſtammte Freyheit aus dem alten Deutſchland, berab durde das

ganze mittlere Alter, in ununterbrochenem Untheil an Staatsgeſchäften , bis auf unſere Zeit gebracht 144). Den Ruhm , welchen das Verdienſt um Kenntnifie ges ben tann , hat keines dieſer alten Geſchlechter beffer er . worben 144 b).

Ben ſo vielen Febden , welche Rudolf in und vor die Cleris der Königswürde großen Prälaten anzuſagen ſich durch rey. Aberglauben und Heucheley nicht abhalten ließ , bielt er unverlegt , was von ſeinen Voråltern 145) oder von den Kaiſern 146) an Kloſter bergabet war , und die Freyheit ſolcher Stifte, welche unmittelbar unter tais ferlider Kaftvogtey ftanden 147) ; in ibrer Noth bat er die Reichslaſten ihnen auch wohl geſchenkt 148). Da er die Erhaltung der Ehre geiſtlicher Perſonen wegen des

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1. Buch . Siebenzehntes Stapiter.

Nutzend ihres Anſehens für Staatspflicht hielt , wollte

er ſie überall frey 149) und in Ehren wiffen ; auf der andern Seite geſtattete er nie , daß der perſönliche Vor.

zug zum Schaden des Landvolls Steuerfreyheit auf

ihre Gåter bringe : darin zeigte ſich ſeini vortreflicher Sinn , daß er nie einem Stand weder allzu gnådig noch ungünſtig war. Den Abt der Einſidlen 150) , den

Biſchof zu fauſanne 151) erhob er zu Reidhsfürſten : lekteren , als er zur Zeit ſeiner Unterredung mit Papft Gregorius dem Zehnten , einem aufrichtigen Mann , der Einweihung der Domkirche daſelbſt beywohnte , welche der Papſt in Beyſeyn des ganzen königlichete Hauſes und einer großen Zahl Reichsfürſten und Prås laten mit größtem Gepränge und hohem Ablaß in eis gener Perſon vollzog. So groß war die Fever derſele

ben Tage der Unterredung des Königs und Papſtes , daß auch Rudolf neunbunbert Mart Silber 152) , fo viel

kaum der begåterteſte Frenferr jährliches Einkommen batte 153), auf ſeine Kleidung wandte. Ulrich von Gůttingen , Uot von S. Gallen , mußte dem Hauſe Habsburg die Herrſchaft Grüningen zu ewigem Erb. leben ' verfaufen , weil er zu Lauſanne den Wirth nicht bezahlen konnte 154). Hingegen geſtattete Rudolf we. der ſeinem Freund Sjartmann von Baltegt noch ſeiner eigenen Gemahlin , das Nonnenklofter in der Aue zu Steinen im Lande Sdmyg wider ' den fandammann

Rudolf Slauffacher ſteuerfrey zu behaupten ; der König

Geſchichte der Schweiz.

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hörte die vernünftige Vorftellung des Altlandammanns Konrad Huano, welchen er aus den Kriegen kannte 155).

Er urtheilte für das Land auch wider den Vogt auf Kiburg, Konrad von Tilendorf, bey welchem die Non.

nen dieſes Kloſters Urkunde der Steuerfreybeit erſchlis den batten 156).

Dieſem Konrad Hunno , als er in

des Vaterlandes Dienſt grau geworden , verkauften die von Schwyz um nur zehn Pfund ein Gut , welches viele bundert Gulden werth war , auf daß er hieraus ihr dankbares Gemüth erkenne 157).

Für ſein Haus hatte Rudolf den guten Gedanken : b . Wie ex wenn den alternden Rechten des Raiſerthums in dieſen das KR . Burgund

Låndern die vorige Kraft gegeben würde , und Habs herſtellen burg zu dem , was er erworben , durch Sparſamkeit , wollte : Wachſamkeit und Muth kaufsweiſe oder ſchirmweiſe mehrere Herrſchaften vereinigte, für Hartmann , ſeinett liebſten Sohn , mit Willen der Fürſten , ohne furchts bare verderbliche Gewalt , in den ſchönen ſtarken Ges genden zwiſchen Deutſchland , Italien und Frankreich ,

das alte Burgundiſche Königreide berzuſtellen 158) ; über das Arelatenfiſche gab er des Reichs Lebenredt wie ej. nen Brautſchaß dem Neapolitaniſchen Hauſe von Ans

jou , als Karl Martell ſeine Tochter nabm 158 b). Graf Peter von Savoyen , burc deffen That und (Zuſtand Kunft im Welſchen Helvetien für Savoyen geſchah , Savoyens) was im Deutſchen für Habsburg durch Rudolf, war in dem ſechs und ſechszigſten Jahr feines Alters auf 3. Müller's Werke. XX.

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| I. Buch. Siebenzehntes Kapitel.

der Burg Chillon geſtorben : worauf , da er viele Einó künfte benachbarter Gaue ſeiner einzigen Lochter gab 159) , die Herrſchaft ſelbſt an Philipp , feinen Brus

der , 'gekommen . Dieſem ſchwuren in den Zeiten der Verwirrung alle Berner , von vierzehn Jahren und ål, ter , ,,für ſeinen Schirm , bis ein König oder Kaiſer

,,dieffeit Rheins måchtig werde, ihm Zolle, Münzrechte ,,und Appellationsgebühren zu laffen und getreuen Ges

,,borſam zu leiſten 160 )."

Hierauf nöthigte er Herrn

Fobann von Coffonay ; wider welchen vor mehr als drey Big Jahren er ſelbſt , damals im geiſtlichen Stans

de , um das Hochſtift Lauſanne geſtritten , fid ( nach Vermittlung des Biſchofs von Genf und Hugons von Paleſieur , landvogts der Wadt) zu verpflichten , daß er dem Grafen von den Påffen in den Jura durch die

Caſtellaneyen des Romaniſchen Landes bis in Wallis mit Stift und Stadt Hülfe leifte 16 ). Då dwur auch Peter von Greyerz zu ſeiner Burg Chillon für alles

Land , von dem Zhurme Zreym , an der Grånze von · Ogo , die schönen Ebenen , ſtarken påffe und anmuthis gen Tjåler bis an die Feſte Panel auf der Grånze des Deutſchen Landes , und was Greyerz an der Außens feite des Gebirges nad dem See und berab gegen Chillon batte 162). Nichts Großes geſchah von dem Vogt Roverea und von den Geſchworten zu Vevay

ohne des Grafen Beſtåtigung 163). Ihm gab der Erzo

biſchof zu Beſarçon als unveräußerliche Leben Burg

Geſchichte der Schweiz.

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und Stadt Nion 164). Es erkannte der Propft von Pe. terlingen , die Stadte laupen und Murten , und die Reichsburg Gúmminen , ſeine Vogter. Dieſer in ſeis nen Erblanden ſo gewaltige Fürſt , war in den Rechten

ſeiner Gemahliu Graf zu Hochburgund 165). Sobald Rudolf an die Gewalt kam , und ſowohl

zu Unterredung mit Gregorius dem Zehnten als ' zu Herſtellung der Sachen des Reichs in dieſe Lånder 308, traten die Berner , bey ſeiner Ankunft in Baſel, nach den Worten des Vertrags, von Philipp unter das Reich zurück 16 ). Schon erhob ſich Krieg , als der Papſt

und König Edward gon England kaum vermittelten , daß nicht Nudolf und Philipp die neue Macht ihrer Håuſer gegen einander ins Gefecht brachten 162). Als nad mehrern Sahren und nach Drtokars Uns

Erſter

der Thron des Königs durch Zeit und Sieg bes Krieg widec

tergang Savoyen . feſtiget war und Hartmanns Fugend Hoffnungsvoll aufs 1

blühete, geſchah durch gedoppelte Urſache, daß wider die Grafen von Hochburgund, Philipps Stieffübne , und iha ſelbſt Krieg entſtand. Un die Kaſtvogtey des Drtes Bruntrut in dem Eldgave , welcher von dem Burgundiſchen Haule Neufchatel 168) durd einen Kauf

des vorigen Biſchofs an das Hod ſtift Baſel gekommen war , hatten die Grafen von Pfirt und von Mümpelo .

gard gemeinſchaftliche Anſprüche 169). Dadurch wurde Graf Diebold pon Pfirt bewogen , dem Pfalzgrafen

Otto von Hochburgund , Bruder des Grafen Reinold

es

36

hnt 1. Buch . Siebenze

Kapitel.

von Mümpelgard, Stiefſohn des Grafen von Savonen, zu buldigen. Der Biſchof zu Baſel , jener von Fíny ,, des Königs Freund , wurde von Otto , von Reinold und von dem Grafen von Pfirt geſchlagen und Brun. trut erobert 170 ) ; ſie ließen ſich in dieſen Unternehmus.

gen durch die Befehle Königs Rudolf ſo gar nicht hins dern , als wenn weder Mümpelgarb 171) noch Hochs

burgund an Königen der Deutſchen eine Oberherrlichkeit ehren müßte. Der König , nachdem er Bruntrut 121 b) und Mümpelgard eingenommen , verfolgte die Grafen unter die Mauern der Stadt Beſançon . Als er ihr vereinigtes tager geſchlagen , da Beſançon und alle ſtars ken Städte vor der ſpåtern Erfindung befferer Belager rungskunſt allen Feldherren ſo unůberwindlich waren , daß wider fie nur Kriegslift galt , ergriff der König nicht ungern den Anlaß , welchen Freyburg im Uechta

land ihm gab , der Unterwerfung der Grafen ſich zu begnügen 172) , und wider ihren Stiefvater das land hinauf zu zieben 172 b). Bon Fren: Von dem an , als Graf Eberhard , aus dem Hauſe burg . Habsburg Lauffenburg , aus deſſen Heyrath mit Grof Hartmann des jüngern Lochter das zweyte Geſchlecht

von Riburg entſproß , die Rechte ſeiner Gemahlin über Freyburg dem König verkauft 173) , glaubte Margares tha von Savoyen , Wittwe Hartmann des åltern, ſich

übervortheilet in dem Recht an Einkünfte dieſer Stadt, welches ihr vor drey und rechszig Jahren zur Morgeno

Geſchichte der Soweiz.

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gabe beſtimmt worden 174). Der Graf von Savoyen , Philipp , ihr Bruder , unwillig, da er gehofft haben mag , über Freyburg von ſeiner Schweſter ein Recht zu erben 175 ) , beſchwerte, unter dem Schein billiger Ents ſchädigung , die Bürger von Freyburg / mit neuen 3 : l. len 17 ). Deswegen fandte der König an der Grafen den Biſchof Wilhelm von Lauſanne, des alten Adels von Champvent ; Philipp antwortete wie ein Fürſt ,

welcher das hohe und kranke Alter ſeines Körpers 177) nicht ſo ſehr fühlte , als er ſich erinnerte , wer im lan, gen Flor der Savoyíden Waffen er mit ſeinen Brüdern geweſen war 178 ). Worauf der König ihm des Reichs Huld abſagen ließ , und mit vielem Volk der Stådte

eine Heerfahrt in das Welſche Helvetien that 178b). Ulrich von Maggenberg ; aus Uechtlåndiſchem Udel 179), erwarb durch tapferen Muth bey König Rudolf ſolche Gnade , daß er ihm die Ritterſchaft gab 180) , und einen Kriegshaufen vertraute. Doch als der König die Bes lagerung von Peterlingen Graf Albrechten von Hohens berg und Haigerloch 181) und Friedrich Burggrafen zu

Nürnberg , -ſeinen Schwågera 182) , auftrug 18.b) , und verbeerend in die Wadt 182) bis nach Lauſanne zog ,

batte er das Vergnügen , daß weder er ſelbſt noch ein anderer alter Feldhauptmann ſo viel beytrug , Philip. pen zum Frieden zu udthigen , als der Jüngling Harte mann , durch mannhafte Thaten 183). U18 der König zu Freyburg war , vermittelte König Edward , welder I

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1. Buch. Siebenzehntes Kapitel.

Hartmann ſeine Tochter zu geben gedachte , durch Freys berrn Dito bon Granſon und Meiſter Hanns von Ders by , Dechanten zu Hyshfeld , gegen Thomas von Sa.

voyen , dem es Philipp auftrug , daß die Freyburger entſchädiget wurden , und Rudolf den Eid Philipps wieder annabm 184). Aber als der Prinz Hartmann ( ſo groß im Herzen ſeines Vaters , daß , obſchon er

nicht ſein Erſtgeborner war , der alte König ihm das Reich der Deutſchen zu erwerben hoffte 185) ) froh ſeis nes tachſenden Glads , von Breiſach mit vielen edlen

Herren den Rhein hinab zu ſeinem Vater fubr 185 b) , wo der Strom durch verſchiedene Inſeln getheilt wird , bey dem Drte Rheinau , in einem Wirbel , ſtieß der

Kabn an einen überhangenden Baum und ſchlug umi Hartmann kampfte durch ; aber er wollte noc Einen retten ; die Wellen überſchlugen ; da ftarb mit faſt ſeis

nem ganzen Gefolge Prinz Hartmann , Rudolfs Hoff .

nung 186 ).

Der lekte Krieg Rudolf & wider Philipp erhob ſich , Krieg wider weil die Partey des Grafen zu Lauſanne ſowohl den

Der zweyte Sapopen .

Biſchof Wilhelm von Champvent , der fid wider ibn

A

zu befeſtigen ſchien 187) , als den ganzen Udel , mit Verwůſtung ſeiner feinernen Häuſer , vertrieb. 416 Philipp wagte , dem Befehl des Königs keinen Ges borſam zu leiſten 188) , wurde Rudolf bewogen , das

königliche Unſeben in dieſen fåndern berzuſtellen. Da

Philipp Volk Murten wohl vertheidigte, ſprengte der

Geſchichte der Schweiz.

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Konig ſelbſt, wie etwa in jüngern Jahren 189 ) , in den See , auf daß Murten von der Waſſerſeite, die die ficherſte ſchien , eingenommen würde. Von da zog er durch die Gegend , wo bey den Zrůmmern Aventicums ein bemauerter Flecen des Hochſtifts Lauſanne fich unanſehnlich erhob, vor den Ort Peterlingen, welchen ,

da er feſte Mauern und Waſſergraben hatte , er durch Hunger zur Uebergabe genöthiget 189 b). Ullein Papſt Martin , Margaretha Wittwe König Ludwig des Heio ligen und König Edward vermittelten , daß , nach dem Spruch Bifchof Heinrich von Baſel und Biſchof Wile

Kelms von Belley , Philipp, welcher in dem ſieben und fiebeazigften Jahr feines Ulters und krank war , Gům.

minen , Murten und Peterlingen aufgab , pon dem König alſobald auf ſein Lebenlang als des Reid s ges

treuer Vogt und in deffen Schirm empfangen wurde , in den fauſanniſchen Sachen aber ein gåtlicher Spruch geſchehen ſollte 190). Da pergab Rudolf den Einwohs

nern jener Orte ihren Widerſtand, kam nach Freyburg, und vermochte den Biſchof, daß nachdem er ſeinen Ans

bang belohnt !9r) und von den Bürgern eine Geldſums me genommen , er ihnen den Bann'offrete 192). Ris chard Herr von Corbiere wurde zu Lauſanne des Reichs

Landvogt 193). So geſchah , daß in dren Kriegen , durch den Muth ( Der Ere Rudolfs , von den Herren zu Savonen die Burgen , folg .),

welche ſie von dem Reich gewonnen, an daſſelbe zurůd .

1. Buch . Siebenzehntes Sapitel.

gebracht 194), und ſie genöthiget wurden , ihre Abſich ten auf Lauſanne und Freyburg zu verſchieben , oder

fallen zu laſſen ; in den Herrſchaften blieben fie , wels dhe vor Graf Peter keine freye Reichsgüter waren 195).

U18 Philipp ſtarb und ſeinem Neffen Amadeus 196 ) die Sjerrſchaft ließ , erhielt ludwig , deſſen Bruder , die Verwaltung und Einkünfte der Burg Chilon und jener fünf Caſtellaneyen', welche Peter , ihr bender Dheim , pereiniget batte 197). Aber Amadeus empfieng die Huls

digungen von Blonay , Coffonay , Dron und Greyerje welcher Herren Gebirg vortheilhaft lag zu Erhaltung ſeiner Herrſchaft in Wallis und Chablais 198 ). Das

Hochburgundiſche Leben der Stadt Morges gab der Pfalzgraf Otto Herrn Ludwig ; das andere, Nioa , der Erzbiſchof, dem Amadeus 199).

Zur ſelbigen Zeit übte Aymon , Graf zu Genf, (zu Genf ) größere Gewalt als die Rechte der Kirche und Bürgers ſchaft von Genf zugaben. Als dafür gehalten wurde,

Savoyeu

daß Biſchof Robert ihm ſeinem Bruder hierin ſchlecht

widerſtebe, wurde von den Bürgern , von der Cleriſen und von der Menge der Einwohner , zum Sdirm dies ſer Stadt , ihrer Freyheiten und Meſſen , Graf Amar .

deus von Savoyen berufen 200 ).

Damals war Genf

ein Mittelpunct des Handels zwiſchen Frankreich , Deutſchland und Italien . Als der Savoy dhe Graf ihren Feind ſofort befebdet, und nach ſeiner Kenntniß

der Kriegsmanier überell beſieget, nachdem Graf Ay.

Geſchichte der Schweiz.

mon geſtorben, und, ſtatt Roberts, Wilhelm von Cons

flans an das Hochftift erwählt worden , weigerte fico Amadeas , die Burg in der Inſel des Fluffes Rhone , mitten in der Stadt Genf , und alle Gewalt , welche

Üymon alb Vißthum und ſonſt beſeffen, vor Erſtattung der Kriegskoſten an das Hochſtift aufzugeben . Die Summe der Kriegekoften ſchatte er auf nicht weniger

als vierzigtauſend Mark Silber, und berief fich von des Biſchofs Gebotbriefen und Bann 201 ) auf das Urtheil

des heiligen Stuhlt. Durch ſeine Klugheit und Muth vermochte ſeine Partey unter den Bürgern, den Biſchof zu einer Theilung zu nöthigen , worin dem Hochſtift nůžlice 202) , aber die wichtigen Rechte dem Herrn von Savoyen blieben : ſintemal Wilhelm von Conflans , mit vielem Vorbehalt ſeiner höchſten Macht und übris

gen Rechte , ihm auf ſein Lebenlang und bis ein fol. gender Biſchof mit einem Grafen ſich über dieſe Ans

ſprache anderſt vertrage , das Leben der Bigthumer auftrug 203),

Die Vikthume faßen mit vier ungelehrten Bürgern zu Gericht, um alle Håndel bis auf das Blut , nad dem Herkommen , ohne viele Unkoſten , mündlicy, zu

richten und ordnen 204) ; am biſchöflichen Hof nahmen

fie von den Beklagten Bürgſchaft ihrer Stellung in die Rechte 205 ); Uebelthåter bielten ſie in Verhaft , und ſorgten für die Vollziehung der Todesurtheile 200).

Amadeus , welcher den Handelomeffen Schirm pera

I. Buch . Siebenzehntes Kapitel.

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ſprad , erwarb über die Märkte und den Aufenthalt Lombardiſcher Wechsler und anderer Fremben ſeinem Pişthum neue Macht 207). Bald aber wurde durch feiner Umtleute Droß offenbar, wie ſehr unweiſe von

den Bürgern der gewaltigere wider den ſchwächern Gra. fen, um Schirm angerufen worden ; ſo daß der Biſchof, einmal vor dem großen Altar der Domkirche, zum an, .

dernmal in S. Peters Hof , und abermals vor den

Bürgern in der Magdalenakirche, mit großer Klage über den Untergang aller feiner Herrſchaft 208 ), den Graf

åber ſeine Beſchwerden ernſtlich mahnte , einen Uuss ſpruch anzunehmen. In dieſer Bewegung der Genůther trug fich zu , daß der Graf von Genf , durch Hülfe des Dauphins und Frauen Beatrix , Tochter Graf Peters von Sas poyen , Schwiegermutter des Dauphins ., Erbfrau von

Faucigny und Lebensfrau bon Ger 209 ), unternahm mit Feuer und Schwert in die Stadt zu kommen. Auf Warnung hievor rüſtete ſich im Schrecken eigener Ges fabr) die Parten von Savoyen ; es eilte der Biſchof, in großer Furcht, man möchte auf ihn argwohnen ,

Bann auf die Feinde zu legen. Sie mit großem Volk aus den hohen Thålern des Faucigny und von dem Lande Ger zogen die Vorſtadt hinauf, drangen in den obern Gegenden 210) in ein Schloß , und warfen aus furchtbaren Maſchinen große Steine wider den Dom

zu S. Peter. Obwohl ſie endlich durch die Bürger

-

Geſchichte der Schweiz. pertrieben wurden , plünderten und bradhen fie im Faucigny Burgen , welche des Hochſtifts waren 211) : die Edlen und Bürger zu Nion , bewogen durch die Hoffnung vollkommnerer Freyheit, fielen ab 212) : felbft in Genf , wo vielen die Worte des Biſchofs mehr vors

fichtig als aufrichtig ſchienen , kam die Savoyſche Par.

tey vor ſein Haus an dem Seeufer 213).

Er , aus

Furcht und im Vertrauen auf ſeine Würde oder auf die Kunſt ſeiner Verſtellung, ließ die Bewaffneten berein. Da wurden , unter vieler Scheltung ſeines ungetreuen +

Sinned , einige , welche um ihn waren , vor ſeinen Aus gen umgebracht; er ſelbſt flob aus der Kirche, in die er fich gerettet, in den Garten der Dominicaner vor der

Stadt 214 ). Hier in feyerlicher Handlung , nachdem er alle Eigenmächtigkeit , Herrſchgier und gewinnſůch . tige Gewalt , ſowohl der Vikthume vor den leßten Ges ſchichten , als der Soldaten des neulichen Kriegsjuges, klagend , mit vieler Warnung vor Seelenſchaden , ers zählt , verkündigte er dem Grafen von Savoyen die geiſtlichen Strafen 215). Månner der Stadt , welchen beyde Parteyen miß .

fielen und Stårke zu Rettung des Vaterlands fehlte, ſuchten Friedſamkeit in einem Thal des Welidneuens burgiſchen Jura. Die Grafen , Herren zu Valengin , mit weiſer Freundlichkeit gaben Land und ſolche Fren , beiten , daß von der Unterwürfigkeit kaum ein Merks mal blieb 215b).

I. Buch. Siebenzehntes Kapitel.

In denſelbigen Tagen, da, nicht ohne Zuthun Karls

des Zweyten Königs zu Napoli und Grafen der Pro. vence ,, ein Stilſtand gemacht worden , vertrug Wil. belm von Champvent Biſchof zu tauſanne Grafen Amadeus von Savoyen mit Amadeus Grafen von

Genf, den er überwunden , ſo daß jener die Burg zu . Genf behielt und von dieſem die Huldigung an. nahm 210). Ueber Nion wurde , von Seiten des Gras

fen von Savoyen , durch den Ritter Wilhelm von Seps timo , ſeinen landvogt in dem umliegenden Land , und Herrn Peter von Thurn zu Geſtelenburg , ſeinen Caſto lan zu Genf , mit Chandieu Landvogt von Vienne , Portabong lanboogt von Beaujolois und andern Hers ren , verglichen , daß Savoyen dieſer Stadt von zwey Freyheitbriefen den , welchen ſie aus allen Freyheitbries fen ſeiner benadybarten Städte ſelbſt wählen würde , .

ertheilen ſoll 217). Endlid erkannte ihn die Tochter Graf Peters , Frau Beatrir , alo Oberberrn ibres vås

terlichen Erbes , wie ſie es von Seiffel bis nad Freys burg in zerſtreuten Gütern felbft, oder wie von ihr die Frau von Joinville zu Ger , der Herr von Thoire Pils lars zu Aubonne , und auch der Montfaucon es zu Leben beſaß 218). Durch dieſe Thaten, welche Amadeus

in blühendem Alter mit großem Glück vollſtreckte, ers warb er zu Genf ein Anſehen , wodurch über jede wes niger frenheitgierige Stadt ſeine Nachfolger zur hoch. ften Macht gekommen wåren ; er gab der Savoyſden

1

Geſchichte der Soweiz.

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Herrſchaft im Welſdea Helvetien die Feſtigkeit, welche fie durch die Waffen König Rudolfs zu verlieren ſchien. Der König , als er wohl bey Philipps Tod) durch der dritte

die Einnahme von Gůmminen 219 ) Bern von den Sa. Krieg , wis der Bern , voyſchen Herrſoaften geſondert , gedachte des unwillia gen Dienftet , den dieſe Stadt ibm wider Philipp ges leiftet 220 ). Nach dieſem trug ſich zu, daß zu Bern der

Körper eineð ermordeten Knaben gefunden wurde , und, weil dieſe Zeit alles Grauliche am eheſten von Juden glaubte , durch das Mittel der Folter einige zum Be.

kenntniß dieſer Zhat und ſofort auf das Rad gebracht , alle übrigen aus der Stadt vertrieben wurden 221 ). 418

die Juden , ewige Kammerknechte des Reichs, dema Kós nig den Verluſt und ihre Flucht ernftlich klagten , gab er an den Sdultbeißen und an die Gemeine von Bern Befehle für fie. Da er beynabe zu gleider Zeit vers nabm , Bern wollte eber ibm ungeborſam ſeyn , als den vermeinten Mördern des Knaben Nuff nachgeben , und auf der andern Seite von dem rebelliſchen Beginnen des Pfalzgrafen von Hochburgund Nadricht bekam ,

beſchloß der König eine Heerfahrt, legte ſich am Ende des Mays mit funfzehntauſend Mann 222) auf das breite felt vor Bern , und, befekte den ganzen Kopf der Halbinſel, wo die Stadt liegt 222b), Vergeblich ;

weil wider die ſchnelle Uar , gute Mauern , wadyſame und beberzte Bürger kein damaliger Feldherr etwas auszurichten vermochte .

1

1. Bud. Siebenzehntes Kapitel. 1

Darin war er glücklicher, daß der junge Graf 223) Rudolf , Sohn des Amadeus , der ihm oft entgegen war , die Stadt Welſchneuenburg und al fein Gut in

dem Walde am Jura 224) mit Willen ſeiner Dheime 225) von ihm zu leben empfieng. Dieſer Lebensberrlichkeit

machte der König ſeinen eignen Schwager 220) frob , Herrn Jobann von Chalons , der genannt wird von Arlay , einer Herrſchaft in dem ſchönſten und fruchts barften Hochburgund, die er von dem beiligen Moriſ im Wallis zu Leben trug ; ſein Haus war neben dem

Pfalzgrafen , durch ſeine großen Güter in Hochburgund und in den Gränzen des Romaniſchen Landed 227) ,

bey weitem das reichſte und gewaltigſte. Durch dieſe Zhat König Rudolfs kam die fürſtliche Ehre über Neufo datel an die Herren von Chalons , von weldhen die Prinzen von Oranien herſtammen 228) ; die Herrſchaft wurde von dem Grafen Rudolf und von ſeinem Ges Idylecht verwaltet. Weiblid übergab der König den

Schirm eines an ſich zu ſchwachen Grafen und ſein gegen Burgund und Savoyen wichtiges Gränzland 229 ) einem Fürſten , welden er wider bende ſtart machen wollte.

Wider die Berner verſuchte er vor dem Zug wider

den Pfalzgrafen eine Kriegsliſt : große Haufen Holz voll brennenden Pechs und Schwefels wurden die Aare beruntergefloßt, um die Brücke und Bern, welche Stadt

von Holz nach einem großen Brand kaum neu aufges

i

Geſchichte der Schweiz.

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richtet war , in åußerſte Gefahr zu bringen. Über die fioke wurden angehalten von dem Pfablwert, welches die Birger in die Aare geſchlagen hatten 23 ). Run doli, welchen ſein Verſtand unterrichtet hatte, im Krieg fich der Schiffbrüden zu bedienen , wurde von mehr Berſuchen und großern Unternehmungen zu Eroberung der Städte durch die Zeit abgebalten , weil vor den

Uuflagen und vor den ſtehenden Heeren bald Geld fehlte, obue weldes die Heere nicht beyſammen blieben . Der Krieg, welcher von Cåſar und einigen andera

Alten mit bewunderungswürdiger Kunſt geführt wors den war , batte damals in den meiſten Sachen eine ſo

ungelehrte Form , daß an dem ganzen Heer faſt keine und von einzelen Feldberren wenige gute Kriegsregela

gelernet werden mögen. Gleichwie im Alterthum die Kraft und Berebtſamkeit großer Seelen , gleichwie nun

die Kriegskunft zu Waſſer und zu Land , ſo iſt in dea

mittleren Zeiten die urſprüngliche unverſtellte Geo müthsart und Verfaſſung der verſchiedenen Völker das merkwürdigſte.

Den Krieg der Stadt Bern übergab der König dem der vierte ,

Udel ſeines eigenen Landes ; er aber zog durch das Ge, widerSochs Burgund,

birg des Jura wider Pfalzgraf Otto von Hochburs gund , welcher ſeine Pflicht und Beſançon , die vor. nebmfte Stadt ſeiner Vogtey 231) , von Leutídland ab und Frankreich zuwenden wollte. Sein fager , ſtart

durch Picarben und Flåminger , war von dem Fluffe

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I. Buch. Stebenzehntes Kapitel.

Doubs bedeckt. König Philipp der Schöne verſuchte, den König der Deutſchen durch den Schrecken des Nas mens der Franzöſiſchen Waffen aus Burgund zu vers treiben. Aber Rudolf antwortete feiner Drohung in dem Seift, worin er zu ſagen pflegte , ,,mit vierzig.

,, tauſend Mann Deutſchen 232) Fußvolks und mit viers ,,tauſend außerleſenen Reitern wolle er keine Macht in der Welt fürchten ." Hierauf , als der Hunger

(Lohn der Verwüſtung ) den Kriegemann zu ſchwåden anfieng, rette der Deutſche König über den Fluß. Da ſprachen die Burgundiſchen Herren , ,,Warum ſtreiten ,,wir für die Krone von Frankreich , von der keine Hülfe „ kommt ? “ Rudolf , durch die Unerſchrođenheit ſeines

Krieg 8 232b), gewann , daß Otto , durch Vermittlung Herzogs Robert von Burgund 233 ) , Bruders der Köni. gin Iſabella ( Rudolfs zweyter Gemahlin 233 b) , und nicht ohne Zuthun Wilhelms von Champvent Biſchof8 zu Lauſanne 234) , um das Leben der Pfalzgrafichaft an .

.

das Reich Huldigung that. Da zog der König nach Schwaben 2346). ( Ende des Die Berner, ſeines Heers fren, zogen aus, an den Berner Herren im Oberland Rache ungerechter Feindſchaft zu Striegs ) .

nehmen 235 ) ; mit gutem Willen Biſchofs Rudolf zu Coſtanz von dem Lauffenburgiſchen Hauſe, welcher in den unmündigen Jahren ſeines Neffen , Hartmann von Kiburg 230) , zu Thun und Burgdorf die Oberberrſchaft verwaltete. Vergeblich verfochten die Herren von Weis

Geſchichte der Schweiz.

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Benburg und vom Thurn zu Geſtelen , mit Peter 237) Grafen von Greyerz , den ſtarten Zaun , von Berg zu Berg in dem engen Paß zwiſchen dem Stodhorn und Nieſen , wo in Sibenthal der einzige freye Zugang iſt, und welchen ſie Landespforte 238 ) nannten . Da half Mimmis , der Felſenburg , wenig , daß diefelbe , wenn

je ein Schloß , durch fid ſelbſt vertheidiget wird 238 b ). Nach ihrer Niederlage floben die Freyherren vor den Waffen der Stadt Bern das Thal hinauf ; die Berner

aber brachen die Burg auf Jagberg. Anton von Blaus kenburg , der ihrer wartete, beym Unblick ſolder Wafe fenthaten , wurde Bürger zu Bern und nahm ein Weib daſelbſt, als der keinen Zweifel trug an dem Wachs. thum des Glücks der Stadt. Im folgenden Frühling , im April , ſaß Brugger , Venner von Bern , an der untern Brüđe ſeiner Stadt ,

und bemerkte einen feindlichen Haufen , deffen Stärke die Schoßhalde 239 ) verbarg. Da er keine Todedges fahr fürchtete , wenn er das Vaterland von unvorges lehenem Ueberfall retten konnte , ergriff er das Ban,

ner 240) , mainte die Neunhaupte und andere Bürger ſeiner Gaffe und brach bincas. Bald war vor iören Augen Herzog Rudolf , Sohn des Königs 241) , mit großer Heere &macht vom Aargau , den Muriſtalden herab. Aber Brugger , welchem der Schrecken einer

Flucht ſchädlicher ſchien als der mutbige Tod einiger wenigen , bielt und ftritt. Indeß Bern waffnete, bers *. Müller's Werke . XX .

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1

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1. Buch. Siebenzehntes Kapitel .

kauften dieſe theuer das Leben 241 b). Als die Bürgers ( d)aft auszog, und ſelbſt vom Gurten Hülfe lief, Walo aber von Greyerz das Banner in feindlicher Hand ers

blickte , wärf er ſich in die Haufen , entriß das Banner I

mit wüthender Gewalt und brachte es zerriffen und blutig den Bürgern zurüd. Larum wurde er und alle feine Nachkommenſchaft von den Bernern die Biderben

genannt; den Büren des Banners reßte die Stadt in ein rothes Feld mit einem weißen Streifen , zum Ges

dådhtniß , daß er mit Bürgerblut gerettet worden. An dieſem Tag wurde an der Mauer , Dſtermündigen vors

bey , die Gerenſteinholzer hinauf , ſo geſtritten , daß die Königiſdyen den Krieg wider Bern verloren gaben, und, damit die Blutrade Ludewigs von Honberg ihnen nicht obliege , überein kamen , die von Bern , welche ihn an der Schoßbalde erſchlagen , follen får die Ruhe ſeiner Seele zu Wettingen eine Fahrzeit ſtiften 242). Der

Judenſqaft gab Jacob von Kienburg, Ritter, Schult. beiß , mit Rath und Gemeine , den Frieden , lang nach des Königs Zod , nachdem ſie auf gåtlichen Spruch dornehmer Männer 243) , den Schaden , welchen Bern

durch ihren Anlaß gelitten , mit tauſendMark den Búrs gern und fünfóundert Mark dem Schultheißen vergåtet bätten 244). Auf die Jahrhunderte der Großen , wo durch Ges a walt , Muth und Striegsliſt unter ihnen ſelbſt und für

oder wider die Könige geſtritten worden, folgten Zeiten

Geſchichte der Sdweif.

ŚL

der Bürgerriracht, wo der durch Frenheitsliebe geſchårfo fe und erhobete Geift wider die Fertigkeiten der Kriegsı manner , Königemacht und undurchdringliche Rüſtuna gen , mit Griechiſchem Scharfſina und Nómifchem Hela denmuth ins Gefechte trat ; bis , nachdem die Könige die Grundregeln einer guten Kriegémanier von den Bürgern und Landleuten gelernt , und dieſelben durch ihre eigene Kunft unterdrüdt , gelehrtere Kriege zwis ſchen viel gewaltigern Monarchen , mit allezeit wachs ſender Gefobr für ſie ſelbſt und für das menſchliche Geſchlecht, um allgemeine Oberherrſchaft geführt wors ben ſind , und geführt werden.. Bey dem Verfau des von ſo vielen Uebten mit besc. wie det

wunderungswürdigem Geiſt und Muth verwalteter König im Alter ward. Stifts zu S. Gallen , vergaß der König nicht , wie vortheilhaft deſſen Erniedrigung der Grafſchaft Kiburg werden könnte. Abt Berchtold von Felkenſtein , mit weltem er chemals durch fluge Freymüthigkeit jene

ſchnelle Friedenshandlung ſchloß , und welcher, ein ( Zuſtand beſſerer Fürſt als übt , vornehmlich auf Ritterſchafi S.Gallen ). urd Weltebre bielt -45) , war in ſeinem Alter , da er

Meiſter Michel Feinen leibarzt verloren , im Flor des von ihm bergeftellten Kloſters nad vier und zwanzig.

jähriger Herrſchaft geſtorben 240). Urme leute batten feinen leichnam die Treppe herunter gezogen ; får die Qube ſeiner Seele waren kaum vierzehn Pfennije dars

gebracht worden ; weil er zwar SyGallen an denen ,

1. Buch . Siebenzehntes Stapitel.

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welche ſeines Unglüds froß waren , måsinlich gerochen , viele Burgenjerkauft, viele Thürme gebauet 247) , und mehr als vierzehnbundert Mart jährlicher Einkünfte hinterließ , aber die Liebe der Bürger und fandleute 248) zu erwerben vernachlaßigte 246). Nach ſeinem Tod weibete Eine Partey ſeinen Petter Heinrich von Wars

tenberg auf S. Gallen Altar , von reichern und ſtår, fern wurde auf S. Othmars Altar Ulrich von Güttin , gen geweihet , von jedem viel verpfändet , viel verwů.

ftet und ſein Gegner gebannt. Man ſah auch , was das Alterthum von Räubern des Delphiſchen Tempels erzählt 250).

Nämlich als in der Noth um ulrich von Güttins

gen , viele Zierden , mit welchen fein Vorfahrer die .

Kirche geſchmůdt, um ein fünftel des Werthes vers kauft worden waren , ergriff der von Schnebenburg ,

ein Conventherr , den großen Kelch , Riebenzig Maik Silber und eine Mart Gold dwer , worin fchon Mein

zu Erldſungsblut geweitet worden war ; dieſen brachte er hervor und gab ihn dem Ritter Walther bon Elg.

gau , denſelben an Juden zu verkaufen ; als die Fuden fich des Raafs nicht getrauten , brach Herr Walther den Keld) und verkaufte ihnen die Stúden. In dens Felbigen Tagen trug fich zu , daß der ganze Convent von unbekanntem Gottes chreden in das Chor eng zus 1

ſammengetrieben wurde , und Schnekenburg, vom Geo

Geſchichte der Schweiz.

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wiffen gemartert, ſchnell ſtarb, als er zur Meſle gieng ; es begegnete , daß Herr Walther aus großem Reich, thum in kurzen Jahren durch ſeinen Schwiegerſohn Hartmann von Baldegk in Dürftigkeit kam , und ſein ganzes Haus untergieng ; endlich nachdem

dem Ubt

Ulrich von König Rudolfen der Verkauf der Herrſchaft Grüningen abgenöthiget, Sttingen genommen , und ul. rich von Ramſchwag , cia gewaltthätiger Mann , zum Kaſtvogt ſeines unmittelbaren Stifts aufgedrungen worden war , ſtarb auch er , in Unmuth , nie erkannt von der Hälfte ſeines Volks 25). Wo jeder furchtbar iſt , muß etwas heilig ſeyn . Der Abt Rumbold Rum von Slamſtein 251b) , ein

Mann ohne eigenen Rath, welcher den ſchlechteſten am

eheſten wählte , und größere Vorweſer nur in Aufwand nachahmte , dem er zu arm war , machte ſeine Freunde undankbar, ſeine Feinde trotzig und fein Volk můrriſch , .

weil er alles gab , und alles geſchehen ließ , aus

Furcht 252). U18 die wachſende Menge in ſeinen Zhå. lern zu Appenzell den Edlen Herrmann von Schönen , bůfel , nach der Sitte anderer Thåler 253) , über alles

Volk zum landanmann wählte , und Rumo es zu ges nehmigen dien , begab ſich Schönenbůbel auch ohne

Widerrede zu ihm , auf Clanr , das hobe Bergſchloß ob Appenzell ; der Abt hielt ihn gefangen , bis er ſtarb ,

und nahm von ſeinem Gut zum Abſegeld fiebenzig Mark, als könnte er auch ſeine Seele feſthalten ; von fünffun , 3

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I. Buch. Siebenzehntes Kapitel,

dert Mark (dem Werth ſeiner Güter) gab er den Ers ben bundert und vierzig 25+), Der Vogt von Ram. ſchwag , zu allem kann , weil er in der Schlacht Otto

Bars den König vom Tode gerettet 257), nahm den Bür. gern der Stadt S. Gallen , welche eine Reichsteuer

ſäumten , alle Leinwand , welche icon damals an der Steinach zur Biriche ausgebreitet lag ; fieben Männer

brad;te er für geringe Sachen um frib und Gut 250) ; Rumo ſchwieg. S. Gallen Stift, welches im Anfang Berchtolds von Falkenſtein -den Pfarrer zu Uppenzell nicht mehr bezablen mochte , und am Ende Berchtolds jährlich vierzebnbundert Mark reich war , übergab Rus mo feinem Nachfolger Wilhelm von Montfort , baus fållig , mit ſechszebnbundert Mark Schulden belaſtet, mit Perwüſtung umgeben 257).

Von Fortifels , nabe bey Werdenberg 258) , waren

in den alten Zeiten , in welde aller Udel fich verlieren muß , die von Montfort ausgegangen , und hatten durch Rittertyaten in vielen fåndern Ruhm und Reichs

thum erworben, Dabey wåren fie långer geblieben , wenn ihr ungebeugter Sinn Brüder wider Brüder nicht ſo oft in blutigen Zweyſpalt gebracht båtte 259), Doch Wilhelm kam an die Abtey S. Gallen durch

Porſchub ſeines Bruders Friedrich Biſchofs zu Eur. Er nahm die Reichsleben in den großen Tagen , da,

durch Belehnungen und Verbindungen befeſtiget , Rus

dolf und ſein Geſchlecht zu jeder Vergrößerung mathio

-

Ce chichte der Schweiz .

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ger wurde. Sofort hatte Wilhelm das Unglüd , in des Königs unverſöhnliche Ungnade zu fallen : da das geringe Vermogen ſeines zablreichen Hauſes 26 ),und ſeines Kloſters ihm nicht erlaubte , an der Hofpracht · nach Stamm und Stand Antheil zu nehmen , zog er , obne kluge Entſouldigung , frůb zurüc in ſein land , und wurde von dem König für Mißgónner ſeines Flors gebalten.

Wilhelm , dem zum Guten weder

die Einſicht noch der Muth mangelte,! fehlte immer in der Art es zu thun.. Erſtlich jetzte er die Geduld ſeines Volfs auf eine harte Probe : er nahm , auf Uns

rathen Namſchwags , für die vier erſten Jahre ſeiner Einfünfte fechhundert Mark Silber , und brach dieſen

Vertrag im andern Jahr. Hierauf , als zu Vermeis dung einer ärmlichen oder einer verderblichen Hofhalı tung er zuerſt einſam auf der Burg bey Martinstobel, nachmals bald in Frankreich, balo in Italien, mit nur

zwen Gefährten ſtill und unbekannt lebte, verunwillige te er ſich die Conventherren , weil er auch ihren Aufo wand (den meiſten ihr einziges und böchſtes Gut) eini.

germaßen einſchränken zu wollen ſchien . Alſo nachs dem er durch den Tod ſeines Bruders , des Grafen zu Bregenz, den einzigen Freund am föniglichen Hofe vers loren , brachten drey Conventherren eine Klage wider

ihn , und fanden . Gehør bey dem König. Nicht nur bewog Rudolf einen påpſtlichen Legat 26 ) , mit Prås laten aus des Königs Land mehr als Einmal über den

I. Buch . Siebenzehates Kapitel .

36

Abt von S. Gallen zu ſiben , ſondern man weiß zus gleich , daß nichts boſes an ihm erfunden wurde , daß er aber nichts deſto weniger durch Bannfluch in die

åußerſte Noth fam . In dieſer Sache vergaß König Rudolf die Billigkeit , welche Gewaltigen gegen Uns

glådliche ziemt , und ohne welche das Haus Habsburg vor ihm und noch zu ſeiner Zeit unſchwes auszurotten geweſen wäre.

Der König der Deutſchen war nicht

To groß in dem Glück , das er anfieng zu mißbrauchen, als der übt von S. Gallen durch den Muth , mit wels

dem er rein Verderben kommen fah. Us Rudolf Hörte , daß nicht nur Wilhelm der Furcht nicht

lag , ſondern daß viele mächtige Grafen ſich nicht ſcheus ten , am Hauſe Montfort im Unglück alte Freundſchaft und wider ſeine Befehle ſtolzen Geift zu beweiſen , bes diente er ſich , nach Teiner Weiſe , der Störung des .

.

Landfriedens zum Bormand wider ſie , fiel verwüſtend

in Wirtemberg , Zollern und Nelleaburg , und verbot, bey Reidepflicht, ihnen zu helfen. Dagegen erlaubte er ber von ihm gegen 2yl gegründeten Stadt Schwars

zenbach , wider den Abt feindlich zu bandeln. So ungewiß iſt vor menſchlichen Augen der Werth

innerer Handlungen , daß damals viele zweifeln moch, ten , ob der große Eifer des Königs für den landfries den berftamme aus Liebe des gemeinen Wohls , wele dem ſicherer Handel und Wandel nothwendig ſind , oder von der Begierde des Ruoms dieſer Abſicht, oder

Geſchichte der Schweiz .

57

ob er den Deutſchen Abel entwaffnen möchte , auf daß zuleßt nur er oder ſeine Nachfolger alles ungeſtraft

unternehmen mögen. Das Geprång ſchöner Worte blendet augenblidlich den unverſtändigen Pöbel , der über den Gebrauch zu gern geſtatteter Ausdehnung der

höchſten Macht zu ſpåte am zornigſten wird , weil er geåfft wurde. Der Abt , als die Schwarzenbacher den Wylern

bie Heerbe wegtrieben , verbrannte ihre Stadt, führte das Bolt hinweg , und bebauptete Wyl fünf Wochen

wider manchen Sturm , welcher von den Königiſchen mit Muth und Liſt verſucht wurde. Als aber dieGras fen , ſeine Freunde , einer nach dem andern , von des

Königs Macht überfallen , geſchlagen und in G : borſam geſchredt wurden , nöthigte ihn ihr Unglück Friede zu ſuchen. Als er auf ſicheres Geleit bey Hof erſchien , wurde er von vielen Herren , die ihm berwandt waren, oder die der Streit nicht angieng , aus Achtung und

Mitleiden freundlich empfangen .

Der König ftand

vom Bretſpiel auf, redete bart mit Wilhelm, und nach dem er ihm vorgeworfen , ſowobl daß er vor fünf Jab . ren durch ſeine åbereilte Abreiſe genug verratben , wie wenig ihm am Glück des königlichen Hauſes gelegen jey , als auch daß er die Schwarzenbacher geſtraft, fügte er bey : „ ſolches iſt mir nicht geſchehen , ſo lang wich König bin.“ Da fiel der übt auf die Knie. Bey

einer Mahlzeit , welche der Graf von Dettingen dem

1

58

I. Buch . Siebenzehntes Sapitel.

Hof gab , ſagte der König zu ſeinem Sohn Herzog Rudolf , dem er Kiburg überließ : „ gebt eurem les „ bensberrn , dem Abt von S. Gallen , das Wafer ; ' .

ein unedler Spott , wenn er erinnern ſollte , wie boch das Glúc Habsburg über S. Gallen erhoben , von dem es vormals frob war , Friede zu baben. Endlich

erhielt der Burggraf zu mirnberg , der Graf von Det. tingen und Heinrich von Klingenberg , durch den juns

gen Rudolf , „ daß der Brand von Schwarzenbach ,,dem Abt vergeben wurde , nicht aber daß Leute daben

„ umgekommen waren 202 ).“ Als der König Sberg im Tokenburg zum Preis des Friedens machte , weigerte

fich der Ubt , mit feines Kloſters unerſeßlichem Vers luſt einen unverſchuldeten Krieg abzukaufen. Durch dieſe Geſinnung, in welcher es König Rudolfen zuges kommen måre , das Herz weiland Graf Rudolfs von

Habsburg zu lieben , ffel der Abt in die Rriche acht. Der König felbft tam nach S. Gallen , ſowohl zu

Weibung eines neuen Abts , als um das Land von Wilhelm abzuwenden , und iöm alle ſeine Freunde uns getreu zu machen . Wenn man bedenkt , wie gnädig fonſt Mudolf Miedrigen war , ſo erhellet aus anderm ein gewiifer Haß geiſtlicher und weltlicher Herren , der

auf die Grundſätze eines Fürſten allemal einen verhaße, 1

ten Schatten wirft.

Bey ſo erklärten Verfolgungen wurde der Abt von allen verlaſſen , welche des Königs Huld lieber wolls

Geſchichte der Schweiz,

ten , als das Gefühl ungefälſchter Großmuth. In der Uu zu Balzers nicht weit von Vaduz wurde ſein

Bruder , Friedrich Bild of zu Cur , und Heinrich von Bußnang Herr zu Grießenberg , Schwiegerſohn des

Qrafen von Bregenzi von Hugo von Werdenberg ſeinem Vetter (Den fic haiten abhalten wollen , wider ihn Krieg zu führen) geſchlagen und gefangen . Als der Bis ſchof'nach langem Verhaft verſuchte, ſich von dem Thurm

Werdenberg berunter zu laffen , zerriſſen die Tücher, er ſtarb. Der von Grießenberg, dem die Freyheit ver, ſproden wurde , wenn er Sberg , die ihm anvertraute

Burg , zu öffnen befehle , zeigte ſich bereit , ſein Leben eber zu verlieren , als die Ehre ſeiner Treu. Uber'ein Nitter von Sigberg , auf deſſen Biederfinn Wilhelm .

ſo viel baute , daß er ihm die boße wohlverſehene Feſte

Clanr vertraut , übergab ſie um ſiebenzig Mark ; die Stadt Wyl gieng an den Feind über. Der Abt, wels dhem Wagenbuch und Bodmer , zwey Bauern , ebelo måthig und unerſchroden , Brot , ein , Fleiſch und

Molken auf die alte Potenburg zu bringen pflegten , erfuhr , daß Ritter eins geworden , dieſe Burg und iön in die Hände feiner Feinde zu verrathen. Da vers barg er ſich , einen Freund 263) und einen treuen Dies

ner (felten läßt uns Gott im Unglüd ganz allein ) in der Aue bey Grießenberg. Als er borte , daß der Kids nig , welcher nach Coſtanz gekommen , ihn ernftlich ſu .

den laſſe , fand er bey nødtlider Weile einen Schiff

1

60

I. Buch . Siebenzehntes Kapitel.

mann , der ihn über den See brachte; er floß nach

Sigmaringen , von da noch Tettnang , von Tettnang auf die Burg Uſpermout in Nbåtien , von Uſpermont kam er nach Bregenz. Dahin eilteu mit fröhlichem Angeſicht viele der Vorneh:nſten von S. Gallen , von der Bürgerſchaft geſandt, ihm zu verkündigen , „ der

,,König, der ihm nad; dem feben ſtellte, fey geſtorben ; ,,Stift und Stadt erwarten mit großer Bewegung den „ Lag, da ſie ihren Fürften und Abt wieder ſeben were

,, den .“ Da 'machte Wilhelm ſich auf , eilte zu ihnen , und las in ihren Augen den Lohn unglüdlicher Tugend,

1

Er berief Convent und Abel zu Erneuerung der Freys beiten , welche den Bürgern dieſer Stadt , nach den

|

Rechten des alten Coſtanz, ihre Leben und Schulds briefe , ihr Erb und Eigenthum , ihr vaterländiiches Gericht und ihre perſönliche Freyheit verſicherten 264). Wyl wurde balb von dem Abt eingenommen . Als die

Mannſchaft aus Appenzell einen ſeiner Züge that, und Hugo von Werdenberg mit urbarmherzigem Volt aus Rhåtien das ganze Appenzeller Gebirg indeß brand, ( chaßte ober verbrannte , fah Ramíchwag , alt und krant, des Landes Rauch , gedachte , daß der verſtors bene König ohne ihn gnädiger geweſen ſeyn würde , fühlte das ganze Unglück von zwanzig Jahren auf ſeis 1

nem Gewiſſen , und ſtarb 265 ). V.Zuſtand,

In dem Jahr als der König farb , waren die fånder Helvetien und Rhåtien unter den Grafen und

1

1

Geſchichte der Schweiz.

61

Herren in ifren Städten und Ländern folgendermaßen beſchaffen. f

1

1 1

In dem Gebirg Hohenrbåtiens herrſchte, neben des Rhátieng, Biſchofs von Cur geheiligter Gewalt, eine Anzahl gros Ber Freyberren , welche nach Kaiſer Friedrichs Zód , ftolz auf wilde Zapferkeit , alles ohne Scheu thaten , was Molluſt und Geiz ihnen eingaben . Kaum er.

1

wehrte ſich Berchtold , der unglückliche Biſchof, der unruhigen Gewalt Albrechts von Tyrol 265b ). Darum baute Voltard , vom Hauſe Neuenburg bey Urtervaz ,

1

Biſchof zu Eur 265) , die Burg Fridau bey Zißers und im obern Engadin Guardoval , Biſchof Heinrich von Montfort 262) Fürſtenau in dem Domleſchg und ob See velen den Herrenberg ; es erhob Biſdof Konrad von Belmont 268) im Etſchland Fürſtenburg; dazu kaufte der erfte die Burg Flum$ 269) , der andere Reambs and

Aſpermont; und jener Friedrich von Montfort , Brus 1

der Abt Wilhelms, erneuerte mit Biſdof Peter Herens 30 Sitten , der von eben ſo gewaltthätigen Herren ums

ringt war , die uralte Berbindung Modtiens mit Wale lis 270). Die Edlen im Chiavennerlande fanden wider das unruhige Como bey Mailand Hülfe 270b) und ſtårks ten ſich durd Einnahme der Bregeder Landespfor . te 270). Als das Mailändiſche Volk mit Filippo della Zorre der Gibelliniſchen Macht unterlag , bemog Sis

lippo den Alfonſo , Herrn von Como , und den Podes fta von Chiavenna Ugone Fico , daß ſie Herrn Papo

1252

1 1

I. Buch. Siebenzevntés Kapitet.

von Caſtelmur und Bertram Previda , Hauptmann des Bregeller Zbals , zum Ueberfall des Cbiavenni.

ſchen Adels , zu Zerſtörung der Barg von Plurs unid anderer Thürme , zu Plünderung und Verheerung der

Alpen aufriefent; bis , da in dieſen Fehden auch Eas ftelmur gebrochen worden, der Erzbiſchof Otto Viſconti und Biſchof Heinrich von Montfort im achten Fabr

den Span vertrugen 27 ). der

Die benachbarten Schweizer waren von dem , was

Ehweiz. die freien leute auf der Leutkirdhër Haide oder die uns mittelbaren Steidsdörfer find 79) 272 , nur durch ihre Eids

genoſſeridiaft unterſchieden . Keine andere Vergrößer rung war ihnen bekannt{ als wenn andere frene Månner , wie die von Urt und Steinen , für die ges .

meine Sache der Freybeit ihnen -beytraten. Dieſent beyden Flecken (iener am Ende des Zuger Seeb, Steis nen etwas tiefer im Land) batte Graf Eberhard , von dem Hauſe fauffenburg, die Freiheit verkauft ;, von dem an hielten ſie ſich ganz und gar zu der Gemeine von Schwutz 273) . Die drey Thåler , in welche die andern

Thálir und ihre Seen und flüffe zuſammenlaufen , wurden von dem Wald , worin fie lagen , die Walds ftette genannt. 1

Im Olarisland, nachdem Nudolf Tſchudi von Glas tib , dieſes Namens der Fünfte , aber der dreyzebnte ,

wilder von den Zeiten die letzten Karlowingiſdyen Kos nige der Teutſchen in ununterbrochener Gefdylechtsfolge

Geſchichte der Schweiz.

63

die Meyeren beſeffen , in dem Krieg der Chriſtenheit

wider den Mungalen Batu Chan 274) , den älteſten Zweig ſeines edlen Stammes beſchloſſen , ſahen alle Dichudi und ihre Freunde mit Recht ungern , daß die

Aebti fin von Sekingen , des fandes Frau , die Meyes rey um einen Zehnten dem Eolen Dietbelm von Bindege

auftrug 275). Doch genoß das Stift vtangefochten ſein Einkommen, manch gutes Geſchlecht 270) rein wohl. berbientes Anſehen , das Volk nahm zu , im Beſitz bins

långlicher Freyheit 277). Nur waren die Klúgſten nicht ohne Sorgen für dieſes ruhige Glück , als die Kaſtvogten des Stiftes Sekingen an fiönig Nudolfs Geſchlecht kam 278).

Uuf der andern Seite des Gebirges der Waldſtette, Oberland, war im Oberland große Parteyung der Herren und

fandleute , deren jene durch den Fortgang der Stadt Bern zu gewaltſamen Mitteln , dieſe zu Birgerrech ten , oder , nach dem Benſpiel des Reichslandes Obers

Hasli , zu Búndniſfen 279) gereizt wurden. Wild und frey lebte das Land Walis ; drobend Wallis ,

ſtieg die Saborſche Macht; S. Moritzens Stift vers mehrte ftill den alten Neichthum 280 ).

Im Romaniſchen Land fiärkte fid) Ludwig von Šai Wadt, voyen durch Verbindung mit Dito , Pfalzgrafen von Hochburgund, welchem er den Jura effen ließ 26). Es gefiel dem König Rudolf , daß ludwig , der feines Adels wegen das Münzredyt hatte , ſid, dafelbe geben

64

I. Buch. Siebenzehntes Sapitel .

ließ 282). Graf Amadeus baßte die ihm unbequem Jura ,

wachſende Habsburgiſche Macht 283). Im Jura, wo vieler Herrſchaften ungewiffe Grånz. mark zuſammenfloß , war ſo viel Gewalt uud Raub , daß der Abt von S. Claude , ebé ihm der König den

Herrn von Chalons zum Vogt gab , dem von Villars zu Aubonne an einem Orte die halbe Herrſchaft gernt ůberließ , um der andern Hålfte Sicherheit -84). In Welídneuenburg war der Graf unter Chalous vor Unterdrůdang ſicher ; er bedurfte nichtmehr , um uns núße Febden Kleinodien ſeiner Våter zu verpfänden 285 ) .

Neufchatel, Sidher wurde in ſeinem Nugerol der Weinberg nach des Thals Herkommen gebaut 286 ). Unter billiger Herrſchaft , wie Freyburg , ftieg Aarberg empor 237). Wo fruchtbare und wilde Bäume die Feldmark der auf. blühenden Dörfer im ſchönſten Lande Arguels begrånz. ten , war , in öffentlichem Gericht am Landtag , dem Herrn von Baſel, dem Hemmann von Williſtein und ihm als Herrn zu Nidau , jedem fein Recht allzubes

ſtimmt ausgemarkt , als daß jemand an leib , Ehre Bisthum oder Gut willkürliche Gewalt leiden mochte 288). Das Baſel , gute geſchab noch von dem König , daß Peter Reid ,

von denen zum Stern , Biſchof zu Baſel und Plalzo graf Otto von Burgund , lebenslängliche Freunde wurden , ſie mit all ihrem Land vom Rhein bis zur Saone , ohne Nachtheil ihrer Freundſdhaft mit Pfirt 1

und Chalons 29). Auch war der Biſchof dadurch fis

Geſchichte der Sdweig.

65

cherer, daß landesebr nun von ihm zu leben gieng 290 ), daß Arguel feſt war 291) , daß er im Nugerol auf dem Schloßberg bauen dürfen 292) , und ſeine Stadt Biel von der Stadt Bern bundsgemäßen Sduß erhielt 393).

Biſchof Peters Billigkeit vertrug zu Baſel den Stadt Bas langen Span deren von Sittich und Stern , deren dieſe Tel.

feit König Rudolfs Wabl und Matthias von Eptingen Bürgermeiſteramt vor Unterdrůdung fidher waren , dodo Reichthum und Verdienſt an ihren Feinden ehren muß. ten . Es vertbeilte der Biſchof die Regierung ſo , baß wenn der Bürgermeiſter aus jenen , der nådfte an ihm , der Oberzunftmeiſter, aus dieſen, und an den Rath von

jeder Partey ſechs Herren gewählt wardca 294). In dem fand , welded von dem Jura und von den Kleinbute

Alpen eingeſchloſſen iſt, verkauften die Grafen von gund. Thierſtein die von ihrem alten Stamm an ſie geerbs ten Güter zu Seedorf, an ihrer Voråltern Stift Fries

nisberg 295 ). Die Herzoge bon Tek Hatten ihr Zärin, giſches Erb noch nicht ganz veräußert 5 ). Dyeraars gau beſuchte die Landtage des Grafen von Pachege 297). Der unter dem Volt altözrůbmte Rich !bu: -96) des

Grafen von Froburg , war ſo ganz verſchwunden , baş er nicht nur vieles dem Aargauiſchen Münſter verkaus fen mußte 294 ), ſonders vou feiren Souliglåutigern genöthiget , alle Schloſſer dem König ſeinem Eidain åbergab 300 ). Die Stadt Zofingen ßatte er für die Kids nigin von der Stiftstaſtvogten abgeſondert 301), Bey » Müler's Werke. XX ,

5

66

1. Buch. Siebenzehntes Kapitel.

Ludwig von Honberg, als er durch ſeine Gemahliat Rapperſchwyl erbte 302) , war die Freude großer 303 ) als die Dauer des vielleicht beneideten Glücks. Bald

nachdem er vor Bern den Tod gefunden , wurde ſeine Wittwe , durch die Folge unordentlicher Verwaltung

in ihres Sohns langer Minderjährigkeit und lebens, linglicher Schwäche, genöthiget, alles , was im lan 8 Uri der Herrſchaft 'Napperíownl übrig war , einent Kloſter zu verkaufen 3-4). Der König , der aus Klug, heit jene Erbtochter von Kiburg licber Graf Eberhar.

den von Lauffenburg , ſeirem Vetter , als andern gab , und ihr möglichſt wenig ungekrånkt überließ 304b) , war wider Eberhard jeden Borwands froh 305). In ſolo den Gefahren gründete dieſer Graf ſeine Macht auf die Liebe und Freyheit ſeiner Bürger zu Thun und Burg, dorf; ſo daß er von den Löunera ftatt aller Steuern

die ſie ibnt nicht freywillig erlaubten , jährlich funfzig Mark nahm , in Erb und Eigenthum aber ſie ſo ſicher ſtellte, daß kein geborner , noch ihnen zugegebener zoo) Bürger , auch Verbrechens wegen , obne ihr Urtbeil ,

ſein Gut verlieren ſoll, und freyer Zug jedem offeni

l

Tey 307). Hechtland

Als zu Bern Euno von Bubenberg , und Cuno von Bivers zu Freyburg , Schultheißen waren , zur Zeit als die Berner den Schirm von Savoyen angenom .

men , und Freyburg in den unmündigen Sahren Frau

Angen von Kiburg den Grafen von Habsburg, nachs

Geſchichte der Schweiz .

67

mais ſónig, zum Sdirmvogt wäbite 308), waren beys de Stådte folgender Verbeſſerung ihres Bundes überein

&

1271

gekommen : ,,keine Stadt mag ohne der andern Stadt ,,Willen einen Scirmberrn wablen , oder die andere

,, feinetwegen verlaſſen , oder einen Mann , welcher „ Stabt , Schloß oder Feſte eigentümlich oder fonft

,,beſikt, zum Bürger oder Bundverwandten 309) auf. nehmen ; ſie wollen auch keinem ibrer Bürget , der

„ ohne ausdrückliche Erlaubniß oder ohne Auffagung ,, des Bürgerrechtes und Entfernung feines ganzen » Haufes an einer fremden Fehde Tbeil nehmen würde ,

V

mſolch gefährliches Vermeſſen 'ungerochen hingeben laſe orrent 310) .“" Aber in den Kriegen , welche der König nach Erwerbung eigener Madt åber Freiburg wider die Stadt Bern unternahm , trennte ſein Unſehen dies fen billigen Bund 311).

1

In dem Lande zwiſchen dem Rheinſtrom und älpers Lučerti,

gebirg , am Fuße des Fracinont 319), am Eride des Waldfettenfees , war die Stast lucern in 'mest als fånfhundert Jahren fried(amerVerwaltung unter den Aebten von Murbach , die durch wirde ichirmten und

keine andere Waffen kannten , mit solchen cis& aufe. gewachſen , daß alle Båtger die "Beybevaltung ihrer Verfaſſung wünſchten.

Üeber alles , was atle " thunt

und Balten mußten , über Seſeke, Steuera , Bünde hiffe, Fehden ; ratſchlagte die ganze Gemcine , was dem Rath ( einem Ausſchuſſ von achtzehn Bürgern ) i

63

1. Bud. Siebengehntes Sapitel.

zur Vollziehung aufgetragen werden ſoll. Nad ſechBe monatlicher Zeit wurden andere achtzeh . Mathdherren gewählt. Alles geſchah unter einem Scui beiß , dem oberſten Richter der Fehler , welche jeder ſich zu Situlo den kommen ließ. Einen Ammann ernannte der Abt

1

aus dem Volt, nicht ohne deſſelben Genehmigung. So wurde die Stadt , ſo faſt jeder Hof des Münſters vers waltet. Zu gewiſſen Zeiten trug man eine eiſerne Stange durch die Gaſſen , auf daß mit feinen Bauten

zu weit vorgerådt werde. Auf der Hobe wurde ein Eichwald ausgereutet ; von dem an vertrieb der Zugang der Winde die Dünfte der ſtebenden Waſſer.

Durch

jenes wurde die in alten Stådten feltene Zier breiter Gaffen , durd diefes die Geſundheit befördert. Für die Benadbarten wurde das Nothwendige verarbeitet ; weil aber in Zeiten , wo aller Fleiß der Europäer auf die Herſtellung oder Einfübrang des Uderbaus beo ſchränkt werden mußte , Geld um Geld auf Wuder zu leiben , überall verboten worden , war alles Geld bey

hi

Saben uab fombarben . Za dieſem Gemperb wurde die

jüdiſche Freyheit von Kirchengelegen oder die Staliäni. ſche Kübabeit erfordert. Wer das Leben in Offentlicher Uebertretung Eines beiligen Geſetzes zubringt, bålt dana feine Leidenſdhaften and wob! ſonſt in teiner ſtrengen Zacht, und viele fündigen befto lieber , wenn aus dem Raſter Kúbubeit bervorleudtet : daber wurden

die Juden und Lombarden im Berdacht aller bdjen

1

Geſchichte der Schweiz.

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Dinge gehalten : darum mußte zu Lucern die Dbrigkeit berbieten , um berlorne finder die Juben , alt bon des

nen ſie gekreuziget wåren , mit Gewalt anzugreifen ; überhaupt, Schirmjaden , mit Worten oder tbåtlid ,

1

zu frånken 313 ). Dieſer Stadt Bürger und ihres Münſters Chor.

herren gaben Abt Berchtoloen von Falkenſtein zu Murs bach zweyhundert und ſechszig Mark Silber um Bes

kräftigung ihrer Unveräußerlichkeit von ſeinem Stift 34). Bercreld ,' da er über dem Kauf einer Biſchofsmite die Reichtlebenserkenntlichkeiten und Reichsſteuern aus dieſem Geld zu bezahlen verſäumi, fand fica genóthis get , im ſechsten Jahr nad dieſer feyerlichen Berfides

rung um dieſe Rådſtånde, um zweytauſend Mark Bar ſeler Münze und fünf Dörfer in dem Elſaß die Stadt Lucern und mehr als zwanzig Meyerhdfe, Burgen und Aemter von S. fcobegars Münſter 315) den Sohnen

des Königs zu vertaufen . Dieſes Betrugs erſchraden die fucerner , weil fie nun an allen Unternehmungen

des Fürſten würden Theil nehmen müſſen , und eines Hauſes neue Macht gern unauftdrlich und mit alles Kraft durch Kricge, Unterhandlungen und allerley Neues

rungen fich ſtärkt und ausbreitet; auch åbten die Fürs ften nicht nur mehr Jagd und Streit , ſondern in frogas dienſten und Steuern ſtrengereHerridaft; die Kloſters almoſen börten auf ; der Fürſten Ungrade war bårter

und erblich 316 ). Doch als der Herzog von Deftreich

70

gürich ,

1. Buch. Siebenzehntes Kapitel,

alles , wodurch Furcht and Hoffnung bervorgebracht werden , lebhaft vorſtellte, waren unter allem Polk , das unwillig buldigte , nur zwey Mönche ſo fühn, feine Herrſchaft für unrechtmäßig zu erklären ; fie ſtarben in entferntem Gefängniß 317) ; die Stadt ' gebordhte. In den Zürichern wurde durch glücklichen Fleiß der Gewerbe 317 b) und nothwendige Bewaffnung in den Unruhen vor des Königs Regierung ſo viel Muth er . hoben , daß , alo , zum Erſtaunen der Großen 318) , die Kaufleute ſich nicht mehr plündern laſſen wollten , dieſe Stadt, mit Bern 319) und Baſel , an den Unterneh ,

mungen des Rheiniſchen Friedens und Vertöeidigungs, bündniſſes Antheil nahm 320 ) , und von dem Rath nichts Großes ohne Ausſchüſſe der Handwerksinnungen geo

ſchah 321) ; fie ehrten die Handelsfünſte, wodurd Reich , thum und ſeben unter eine Bürgerſchaft kommt , ro doch , daß an den Rittern in Beſtellung aller ftandéges måßen Abenteuer nicht weniger Kühnheit bervorleucha tete 322),

Auch die Bürger ſagen iin Kreuzgang der

Barfüßer die angemalten Wapen deren , die in Otto, Kars Krieg umtamen 323) , mit gleicher Geſinnung wię jene Athenienſer , welche in der Pocile durch den Ang blid des Gemåldes der Schlacht bey Marathon den Kiburg uno

1

Muth neuer Siege fasten 324). In den landſtådten des Königs 325) , in ſeinem

Habsburg woblbevdikerten Låndden im Eigen 326) , wo in dem

Gemäuer von Altenburg ſchon eine Fiſcherwohnung

1

Geſchichte der Schweiz.

71

ſtand , wo aus anmuthigen Thalgründen ſich der weini, reiche 327) Hügel erhob ,. den der Stein zu Baden 3-8) bede&te , wo über einem blühenden Marktflecken 329 )

die hohe Lenzburg ſechs und ſechszig Ortſdeften gebot und wohl auch für ein Hoflager König Rudolfs groß genug ſeyn mußte 330) , und wo ſonſt, von der Aare

bis an den Coſtanzer See , der König mit vielen Goto tesdiuſern 331) vermiſchte Einkünfte und Gerichte , Twing und Bann, auf ſeinem Eigenthum 332) und über alle lehen ſeiner Hofámter 333) und ſeiner Dienſtman . ne 334) ungetheilte Landeshokeit hatte , in dieſen Låns dern wurde unter ſeinem Nachfolger die althergebrachte Steuer meiſt perdoppelt 335). Der Unterthan einer wachſenden Macht bezahlt unter dem Sdein beſſerer .

Ordnung und Siderheit ihren Glanz und ihren Forts gang. Aber aus den Sitten älterer Zeit war noch eine

gewiſſe Zutraulichkeit 330) , Gütigkeit 337) und Billigs keit ; es würde für grauſam gehalten worden ſeyn , das Unglüď eines Mannes , dem die Uare auf ſein Gut

kam , durch Eintreibung der vorigen Grundzinſe 34 verdoppeln 338). Durd Riburg, Baden, Lenzburg, Zofingen , Grå, deb Föniglio

ningen , Freyburg und facern erweiterte der König das den Haus fes .

Erbland in Helvetien . In dem fünften Jahr aber , nachdem er die Macht Przemysl Ottokars geſchlagen und vertilget , an dem ſieben und zwanzigſten Tag des Chriſtmonats in dem zwolfhundert zwey und achtzige

>

1. Buch. Siebeuzehntes Kapitel.

ſten Jahr, als Rudolf in der Pracht königlicher Roo Beit 339 ), umgeben von den Fürften , ohne welche fic nicht geziezate in Reichsgeſchåften etwas zu neuern 340), in den Frohnhofe zu Augdburg auf dem Throu ſaß , redete er zu den Großen , „ auf daß A !ørecht und Nur .

1

,dolf , feine Söhne , ia der Zier boberer Würde im

„ Fürſtenrath 341) , ifre underbrådliche Ereu dem Reid ,,wirkſamer beweiſen mooten 3 2)." Hierauf, in der Fälle ſeiner Madyt 343) und mit Willen der Kurfürs ften 344 ) , übergab er durch die Fajne dieſen ſeinen Sobe nen das Land Deſtreid , die Steyer , die Windiſche

Mark und Krain 345). Bald nach dieſem gab er ihnen die Markgrafichaft Burgku 346). Das Land Defterreich , die Steyermark und Krain

liegen an der Donau und in dem Gebirg , das von iho ren Ufern bis an die Gränze Italiens fteht. Unter Deutſchen Ländern find fie oortreflich an Korn, Wein , Bieb , Salz und Eiſen ; bevölkert von einem biedern ,

guten , zu attem brauchbaren Schlag von Einwohnern , die auch von Ulters her auf Kriegszügen weder Hike noch Kålte noch den Lod fcheuen , und von Weichlich .

1

I

.

teit entfernt 347) , an vielen Orten bis auf die Gipfel

ber Selfen jeden Fußbreit Erdreich bauen ; ein Volk , welches damals für alte Freybeiten gleichen Eifer hatte, wie nachmals får die Waffen beliebter fürften . Man

zeigt Briefe 348), wodurch Kaiſer Friedrich der Erfte

und Zweyte mit dem Sårſtenthum über diefes Land

Geſchichte der Schweig.

73

and Bolt folgende aufnehmende Rechte verbunden håte ten , welche die Oberhand in Waffen dem Nachbar

furdibar, dem Erzherzog'entbehrlich macht: „ der Fürſt woon Deſterreich rey des Reicho der Deutſchen Erzherzog, „ im Rang vor allen Fürſten , welche nicht berufen wero den zu Erwåhlung der Kaiſer; er empfange das Leben ,, eines landet zu Pferd, im fande felbft, obne lebends werkenntlid keit, und bringe es nicht nur auf ſeinen „ erſtgebornen Sobn , ſondern auch auf Dichter , ja, wenn er unbeerbt ſtårbe, mad , frenem Teftament auf

uwen er will; er måffe nicht an die Deutſden Reichs.

„tage kommen , und werde zu denſelben allezeit gelas den ; von ſeinen Gerichten finde keine Appellation „Statt ; ihn vermoge niemand vor fremde Richterſtüble .3u nðiðigen ; zum gemeinen Weſen des Reichs zu ..ſteuern , berube auf ſeinem Willen ; ſeines Landes

,,Geiſtlichkeit ftehe unter ſeiner ewigen Schirmvogtey ; ,,das Reich könne in ſeinem Land nichts erwerben , und ver möge fich in dem ganzen Reich , wo er will und „ kann , vergrößern und ausbreiten ; alles dieſes gelte „für alle Lånder, deren Gewaltbaber er ift, und für alle diejenigen , wilde er unter fid bringe."

So bodo ſtieg ein einziger Graf aus einem Stamm, welchen vor ihm wenige Volfer nennen gehört , daß , nachdem er durch Deſterreich und Elſaß Hochteutſch . land wie umfaßt, und hier franzofiſden , dort Slawis

fchen Fürſten ſeine Freundſchaft wånſchenswerth und

74

I. Buch . Ciebenzehnte Kapitel.

feine Waffen fürchtbar gemacht', nach ihm inner drene Big Fabren ſein Sohn und Entel den Thron Der Leute fchen , and einer den Tyron des Reichs der Zicheden in Bibeim beſeffen , der Markgraf zu Meißen fie um

Thüringen fürchtete, und Ungarn, Bayern und Schwa . ben verſiedentlich und obne Unterlaß durch Krieg oder Unterhandlungen beunruhiget wurden ; weil die furchto barften mådhte die ſind , welche um vieles zu wagen

ſtark genug , and nicht groß genug ſind , um fid in den Soflüſten zu vergefjen. Durch die Weisheit Eines Maanes (in den allergrößten Sachen pflegen wie zu gutem Privatglück die ſchwerſten Schritte die erſten zu feyn ) , durd Rudolf , kam das Haus Habsburg in fünfhundertjährige hohe Gewalt , endlich über Natio. nen , von welchen er nie gewußt , in fåndern , deren Dajeyn er nicht wähnte : ſo oft bat Europa von keinem

andera Szauſe für die allgemeine Freyheit gefürchtet; und im Lauf des höchſten Glücks wurde Habsburg durch ſich ſelbſt unterbrochen , durch den Mangel weiſer Más

Bigung, der Kunſt Rudolfe, Ja dem achtzehnten Jahr , nachdem die göttliche Dolf & Tod, Borſebung , wie er oft ſagte 349), „ aus der Hütte ſeis VI. Rus ,

,,ner Båter ihn in der kaiſerlichen Palaſt erhibet," ſeis

nes Alters ja dem pier und ſiebenzigſten Jahr, erkrankte

König . Rudolf 349b). Da er auf Speyer eilte , wo er in der Gruft vieler alten Könige und Raiſer des Deuts 1291

ſchen Reichs von ſeinen Zhater ruben wollte, ſtarb er

Serchichte der Schweiz.

75 1

zu Germersheim , welche Stadt er geſtiftet batte. Ein Mann von großem Verſtand, darum auch meiſt eja

guter Mann 350 ), udtjentes Kapitel.

Die Zeiten Albrechts von Deſtreich .

Albrecht von Habsburg , Herzog zu Deſtreich, der Seine Pers mit Johann , dem zweyjährigen Sohn ſeines verſtorben ſon . nen Bruders Rudolf , dem König von vier Sihnen al.

lein übrig blieb , hatte ſich ſowohl durch deunjährige Verwaltung ſeiner eigenen Leben , als durch jeden Ang theil an den Sachen der påterlichen Erblande ſchon ge. nugſam gezeigt , um wider den furchtbaren Fortgang der Habsburgiſchen Macht alle benadbarten Vóſker für ihre Verfaſſung wachſam zu machen . Was den

meiſten begegnet, welche in großen Geſchäften ihr lee ben hinbringen , iſt vor vielen andern dieſem ſo beſons Ders thåtigen Fürſten wiederfahren ; daß Eiferſucht und Haß deren , die er beleidigte , und hingegen die Furcht, ſamkeit oder Schmeichelen anderer , die feinem Haus

anhiengen , ihn der Nachwelt auf ſehr verſchiedene Mas pier beſchrieben haben.

Es war eine unveränderliche Standhaftigkeit in ibm :) ; auf Geld und Waffen , welche letztern er mit ſo viel Heldenmuth als Erfindungsgeiſt ) führte, eine deſto größere Unfmerkſamkeit , weil er ( wię zu viele ſeines Gleichen ) von edleren Grundfeſten Der Meng

} 48

I. Bud. Achtzehntes Kapitel.

Ichenbeherrſchung weder Begriff noch Gefühl batte ;

Låndergier ; Haß der gereklider Sd;ranten ſeiner Ges walt , welcher po cft für Kraft boba Fürſtenfinns gee balten wird 3) ; ein Didnunganeiſt, nad welchem er an Beibern Zucht , Muth am Krieger und Gelehrſamkeit am Prieſterſtand liebte 4 ) , und eine ſolche Selbſtbes

herrſchung , daß er bey ſebr leidenſchaftlichem Gemåth ſeine Zunge im Zaum bielt 5) , nie aus Zorn das bürs gerliche Recht bog fid ließ ?).

, und nie der Wolluſt Gewalt über

Er wurde aber weder vor 8) noch in ſeiner Verwalo tang , oder nach ſeinem Tod , weber von ſeiner Ber . wandtſchaft 9) , noch von ſeines Vaters Freunden ) , weber ben reinem Volt noch im Deutſden Reich , jes

malo einigermaßen geliebt. Vor und nach ſeiner Zeit wurde ſchnelle Erhöhung am Hauſe Uſcanien 11) , an Wittelsbach 12) , an fäßelburg 13) , viel weniger als unter ihm an ſeinem Stamm gebaßt und gefürchtet. Denn da in den Deftreichiſchen Ländern innwohnender Freyheitegeiſt 14) nach lang unſtåter Herrſchaft 15 ) in vollem feben war 16); da er die Klugheitspflicht hatte, zu machen , daß die Habsburgiſche Große jedermana unverdächtig und in und außer Randes beliebt würde, gieng Albrecht ohne Sdonung ſeinen Weg tób). Er war vor andern reich 17) ; batte aus Ungarn leichte Reiterey mit langen Zöpfen und Bårten , welche auch bon ferue 18) und fliebend lange Pfeile mit Gewißheit

1

Geſchichte der Schweiz.

77

(doß ; auf ſtarken Spenuftea Kůroiſiere , welche bis åber die Knie wider die Hiebe bed fugvoltes bepar gert was

ren , indeſſen zu allen Howegungea der Oberleid fren genug blieb 19) ; ' auserleſene hitter in einförmigem Hofo gewand 20) ; zu Fußinedren leibeigene Buben 27), wel. dhe um Freylaffung wad Beute gånzlich ibm eigen was ren ; wider ftarke Mauern bundert Heermagen voll

Zeug 22 ), Widder 23 ), Kagen 24), uab breunende Pech . .

.

kugeln 25 ). Er bewies und behauptete, gegen das fand Deftrri , beleidigende Vorliebe zu ſechs Herren von Waldſee , zu Herrmann von fandenberg , Hugo von

Zauffers , welcher ibn verrieth 26 ), und anderm Adel von Schwaben 27).

Die Steyermart, welche Dtto

von Lichtenſtein ſo verwaltete , daß Reiche und Arme ibu lobten 28 ) , gab er dem Ubt Heinrich von Admont , welcher niemanden lieb war als ihm. Als diefes Land ,

welchem er alte, oder billige 29) Freyheiten zu beídwd. ren abſchlug , durch den Bidor Leopold von Sedau

ihm ſagen ließ : „ er ſoll wiffen , daß all Leut wollen ledig reya ihr Eid und Treu , wann der Tenor alſo

lautet der Sandfeſten , " gab er zur Antwort : „Recht malſo mein Bater dieſe land bat fanden is der Gewalt ,,Ottokars , weder minder noc meor , fo will id fie

„ laffen bleiben ; “ und bedacte nicht, was Herr Fries drich von Stubenberg ihn erinneric : ,,mean bått in wodem Land nidt als viel Uebel gerban Rória Ottotar ,

ver mocht node beat fiderlich haben land und feo

1

28

ben 30) ."

1. Buch . Achtzehntes Kapitel . Er, als die Stadt Wien , der Adel, Boheint,

Ungarn , Bayern und Salzburg wider ihn waffneten , drångte die Wiener ſo , daß die Nachsterren barfuß und barbaupt ihm die Schlüffel auf den Calenberg

bringen mußten ; da er denn unbequeme Freyheiten vor ihren Augen zer: iß ; hierauf überraſchte , ſchlug und Weriagte er ſeine ſaumſeligen uneinigen Feinde 34).

Uber nicht allein ſuchte er die Krone Ungarn , die Krone Böheim , die Landgrafſchaft von Thüringen und andere Meißniſche fånder 32) , auch Niederbayern 33 )

und Halicz 34) ohne Erfolg , fondern auch Deutſchland ließ nach ihm biß in das vierte Geſchlecht keinen König bon ſeinem Hauſe aufkommen. Sein auf landbergrós

Berung, Geld und Soldaten ſtarr bingerichteter ernſter Sinn , den keine Fröslichkeit aurpeiterte, då er wegert

feiner Uugenkrankheit 35 ) und überhaupt nicht lieblich 36) anzuſehen war , machte ihn fo berhaßt bey allen , daß

auch Zugend an ihm Selbſtſucht (dien. Es iſt unmögo lich, daß über alle berrſche , wen alle haffen. Unges fábr brey und vierzig Jahr alt war Albrecht, welcher der Erfte von ſeinem Stamm über Deſtreid berrſchte , als er nach tem Zob feines Vaters in ungetheilte Vera waltung der Erblande kam. Sobald von diefer Geſchichten beunruhigende Nach Die öffent:

liche Mets richt nad Helvetien kam, verſammelten ſich die Schwy. nung von ihm. 1291 .

jer und erneuerten mit folgenden Worten ifren uralteri

Bund 32), vjedem ſer zu wiſſen , daß die Männer

Geſchichte der Schweig.

79

des Zhales Uri 38) , die Gemeine von Sdwy , wie brauch die der Männer im Gebirg von Unterwalden , vin Erwägung der böſen Zeiten fich wohlvertraulich „ berbunden , und geldworen haben , mit aller Macht und Anſtrengung an Gut und feuten einander in und außer den Zbålern auf eigene Koſten auf und wider

valle die zu helfen , welde ibaen oder einem von ihnen

,, Gewalt antbuu möchten ; das iſt ihr alter Bund. „ Wer einen Serrn hat , geborde ihm pflichtgemäß 39). Wir find eins geworden , in dieſe Zbåler keinen Rich . biter aufzunebmen , der nicht Landmane uud Eidwoh . miner iſt , oder der ſein Umt kaufte 40 ). Unter den Eide

igenoſſen 4) ſoll jeder Streit ausgemacht werden durch

„ die Klugften; wenn einer den Spruch derſelben vers ,,würfe; den wollen die andern dazu nothigen. Wer » ,wiffentlid oder trüglich einen tödtet , werde um ſolche

,,Ruchloſigkeit hingerichtet ; wer ibu ſchirmt, foll vers ,batint werden. Wer ber einem Feuer einlegt . , roll nicht für Landmana gehalten werden ; wer ihn aufs waimmt, ſoll den Schaden gut machen . Wer eigent widådiget oder ibm raubt und hat bey uns Gåter, aus denſelben ſoll Erſatz geſehen. Keiner foli pfans den ohne den Richter und niemals einen , der ſeint $

Schuldner oder deffen Bürge nicht iſt. Jeder fol eis y,nem Richter in der Lbålern Gehorſam leiften 42) , wober wir alle Eidgenoſſen werden von ihm Erſak für den Schaden ſeiner Halsſtarrigkeit nehmen : wenn in )

2

1. Such . Adhtzehntes Kapitel.

winnerm 3wenſpalt ein Theil tein Recht nehmen will ,

wo rollen die übrigen deffen Widerpart belfen . Dieſe ,,Drdnungen zu unſerm allgemeinen Wohl ſollen , ob ,,Gott will , ewig wåbren 43)." Da erfuhr Biſchof Rudolf zu Coſtanz, von dem

Lauffenburgiſchen Hauſe 43b) , Vormund ſeines Neffen Hartmanns von Kiburg , daß Herzog Albrecht die Uns abhängigkeit ſeiner Vettern auf ihrem Erb antaſten wolle ++ ) , und ſchloß zu erzers unweit faupen einen ſolchen Vertbeidigungsbund mit Amadeus Grafen von Savoyen , daß der Jüngling Hartmann ihn als Pater ebren rolle. Sie kamen überein, daß er mit Graf Nur

dolfen zu lauffenburg 45 ) dem Amadeus helfe, nicht nur zu der Wiedereinnahme Laupens, Gůmminens und was König Rudolf dem Savoyſchen Hauſe ſonſt ents

riffen , ſondern auch zum Schirm fomohl der Stadt als der Bürger 46) von Bern 42). Denn ald Graf Amas deus , auf die erſte Nachricht 48) ,von den ungeduldig erwarteten Lob König Rudolfo , Peterlingen bewog ,

ibm auf ſein Lebenlang die ebemalige Vogtey ſeiner Dheime aufzutragen , erhielt er um Geld 49 ) auch von den Bernern , bis zur Königswahl ihr Schirmherr zu reyn .

Dieſer Biſchof Rudolf zu Coftanz, welchen ſich der Herzog zum Feind machte , war im Thurgau nicht aur ,

durch die Religion und viele alte Stiftsgüter gewale

tig : nebſt vielen andern Einkånften 50) , batte ſein Voro

1

Geſchichte der Schweiz.

81

weſer Biſchof Eberhard , vom Hauſe der Truchfeffe vott Baldburg , aus der Hand Walthers son Altenklingen

Lettingen , Tågerfeld und Klingnau 51) an das Hochi flift gebracht. Ueber Neufirch, welcher febr alte 52) Drt in einem fruchtbaren Zhal des Klekgaues 53) uns

ter vielen Dörfern anmuthigſt liegt , batte derſelbe von dem Freyherrn zu Krenkingen , Friedrich von Randens burg und Jacob von Schaffhauſen 54) Vogtey , Meyes tey und andere Güter erworben 55) : Urbon , welcher

Stadt von dem lekten Hobenſtaufen 5“) ein angenehmet Aufenthalt mit Freyheiten vergolten ward , kaufte, vont den Freyberren Remnaten und bon Bodmen , Bilihof

Rudolf ſe !bſt an das Hochſtift 57). Sò mådhtig, ſchloß er mit Nellenburg, Montfort und Scheer den Bund ,

welchem frohlich Abt Wilbelm von S. Gallen , und , nun abgewandt von Habsburg , die Stadt Zürich beyo tråt 58).

Mit eben dieſer Stadt machten die Bürger bort Rapperſchwy! und ihre Erbfrau Eliſabeth, Wittwe deš Grafen , welcher in des Königs Dienft vor Bern era ſchlagen war , wider den Herzog und wider die Seinia

gen einen dreyjährigen Bund , welcher nur gegen einen machtigen König ſtil ſtehen ſolle 59). Auch die Baleler, ber welchen Albrechts Mutter und Brüder 6) begrås ben lagen , wandten ihr Herz von ihr ab ). Durch dieſe allgemeine Geſinnung, durch die Feindſchaft reis

ner Nachbarn 62) , und auf lebhaften Betrieb des Kós * Müller's Werke: XX:

6

1. Bud. Achtzehntes Kapitel. nigs von Bibeim Wenceslaf, der ſeine Schweſter zug Ehe hatte, geſchah , daß nicht er , ſondern Graf Adolf zu Nafſau an die Deutſche Königswürde gewablet ward (3 ) Bruch , ges

Indeß die Steyerherren (4) dem Sjerzog um ihre

gen Zürich. Freyheit abſagten , im Reich aber um die Königswahl gehandelt wurde , fofugen die Züricher unter Friedrich Grafen von Lokenburg ihrem Hauptmann und mit

Hülfe der Freyherren von Negensberg 65) die Bürger der Stadt Sintertur unter dem Schultheiß Hopler.

Graf Hugo von Werbenberg, für den Herzog dieſer Lände Hauptmann , zog aus, fich gegen fie zu ſtärkená }

Als aber die Züricher , fiegſtolz und erbitterungsvoll , wider die ſehr erſchrockene Stadt im Anzug , eines res

genloſen Lages bedurften i auf daß des Biſchofs Volk über die angelaufene Zhur ſetzen könne, beſchloß Hus go , ehe dieſes geſchebe, das Glück der Unternehmung zu entſcheiden .

Es trug fich zu , daß ein Bote der

Züricher an den Biſchof in feine Hände fiel. Da gab Hugo einem fichern Mann folgenden Brief als vom Biſchof: ,,Euren Sieg Baben wir mit Vergnügen vers

,,nommen , und wollen morgen um den Mittag bey „luch feyn . Dieſen Brief bringt euch einer , dem die „ geheimen Wege Beſſer bekannt ſind , als eurem Bos

,,ten ; meldet uns durch eben denſelben , von welcher ,,Gegend ber wir zu euch ſtoßen ſollen ." Hierunter drůdte Hugo ein Siegel von einem Brief , welchen im

Geſchichte der Schweiz:

83

ändern Zeiten er ſelbſt von dem Biſchof empfangen ; in der Nacht ließ er ein biſchöfliches Banner verfertia

gen ; der Bote bey den Zürichern that eilend ; ein ani

derer kam zu dem Schultheiß Hopler.

Wintertur

wurde ohnedem durch Zuzug der Bürger von Scaffa Baufen ermuntert 6).

418 die Züricher , ohne alle Sori

ge , aus der Ferne dad anziebende biſchöfliche Banner mit Freuden erkannten , wurden ſie von dem Grafent von Werbenberg und von dem Schultheiß der Stadt zu S. Georgen am Feld plötzlich mit 2uth überfallen , and litter ohne vielen Widerſtand an der Ehre ihres

Banners und an Volt deſto größern Verluſt , weil dett meiſten die Flucht unmöglich war 67). Durch dieſe klage Waffeuthat bewog Hugo die Züricher, einen bei ſonderu Frieden zu machen 68). In dieſen Tagen kam , ſehr verdrüßlich ſeiner vers Sein Krieg : geblichen Mühe und Untoſten um die Wahl 69 ) ; Herzog Albrecht ſelbſt verwüſtend in das Hochſtift Coſtanj. Bald fab zu Stockach Graf Mangold die von vielen

Boráltern auf ihu geſtaramte Nellenburg mittelſt Uns tergrabung und Fener in die Hände des Feindes fals len zo). Da ſtarb ; ſolchen Kriegs unfroh , ohne Hilfe und in Schuldenlaſt , Biſdof Rudolf zu Coſtanz ? ) . Albrecht aber fuhr fort and brach einem Freund ubt Wilhelms die Feſte {andsberg unweit Unſer Frauen

Lilienthal zu Tennifon 7a). Hierauf belagerte er den Ubt in der Stadt Wyl. Nach des Königs und Rama

84

I. Buch. Achtzehntes Kapitel.

dwags Tod , hatte Wilhelm nicht nur dieſe Stadt wis

der den . Vogt auf Kiburg 73) , ſondern als er ſeines Kloſters Vogtey dem Herrn von Wartenſee gab, wider die Jünglinge von Ramſchwag , welche am Tag der Einbolung auf des Abts Gefolge lauerten , feines alten

Stifts Freybeit und ſeine eigene Sicherbeit ſo verfoch . ten , daß er ſich des beffern Glůds würdig erzeigt. Aber als Álbrecht beförderte , daß Jakob bon Wart , Obmånn des Rechtsgangs åber Ünſprüche wider Zůs rid , zu Gunſten der Stadt urtheilte , bergaß dieſe die Furcht vor Habsburg ſo ſchnelt, daß ihre Männichaft mit ihm zog , den Abt in ſeine Unfälle zurüđzuſtürzen . Wilhelm behauptete Wyl , bis , genöthiget vom Volk, deffen Herz nicht an ſeinen Muth reichte , er , nad S. Gallen fliehend , Wyl übergab ; die Stadt wurde, bald nach dieſem , verbrannt ; aus allem Volk , das nach

Schwarzenbach zog ; blieben bey der Aſche der Vaters

ſtabt nur zwey Bürger. Der neue König ließ einen

Landfrieden aysrufen , der Herzog fuhr nach Deft. reich 74) ; es brach Unruhe wider ihn aus. König Adolf .

In den Zeiten König Adolfs wurden bey gutem Frieden die Freyheiten der Städte bekräftiget und vers mehrt. Es erhielten die Züricher 75) und Berner 70 ) , in Zeiten der Erledigung des Chrons das Blutgericht

reten zu dürfen . Der Bernern beſtätigte er das Recht, um Blutſchuld, und noch weniger um geringeres (wenn der König oder fein Hofrichter fie nicht vor ihren eiges

TE

Geſchichte der Schweiz.

85

nen Stubl berufen 27) ) , vor keinem andern Richter als vor dem biezu vollmächtigen Schultheiß ihrer Stadt zu antworten 78 ). Herr von Menenberg , in Elſaß und Burgund ſein Landvogt , fiderte der Stadt Paupen ibre

Verfaſſung,79). Er beſtåtigte und gab den Mühlhaus ſern Zolfreyheit in den Stådten des Reichs, und das Recht, vor keinem Schultheiß zu ſteben , der nicht Bür. ger und Einwohner bey ihnen fey , keinen aber , der nicht ein Haus von wenigſtens fünf Pfund an Werth 8- ) in ihrer Stadt babe , für Bürger zu halten 81).

Mit Ochſenſtein , des Herzog8 Vetter 82) und im pordera Erbland Pfleger , machten die Züricher einen Vertrag , wie aller Span rechtsförmig zu ſchlichten ſey 83). Sie verſprachen dem Gotteshauſe Wettingen , den für keinen Züricher zu halten , von dem es beſchås diget würde ; der Abt måbite über vorkommenden Span fünf Ritter und Bürger aus ihrem eigenen Rath 84). Als der Herzog wider den König ſo viel unterhandelte, daß große Unruben befürchtet wurden , deuten ſie ſich

nicht, mit fütolden von Regensberg , Yo unablåbig denſelben das Mißgeſchid ſeines Vaters verfolgte 85) , zweyjábrige Freundſchaft aufzurichten 86 ), Bern und Freyburg ließen durch ſechs vornehme Rathsherren je. der Stadt , unter dem Freyherrn Ulrich von Thorberg, der nach des Coſtanziſben Biſchofs Tod der Grafen

von Kiburg Pfleger war 87) , au ihren Zweyſpalt uns terſuchen und entſcheiden 88). Schon vorber wurden

1

86

I. Buch . Achtzehntes Stapitel.

durch Bern die Solothurner in gleichen Bund aufgen nommen 89). In den Bund , welsten die Berner mit Amadeas auf ſein Lebenlang mad ten , tret auf zehu

Sabr und mit Burgrecht Ludmig , fein Brader , Frey. berr im Romaniſchen Land 90). Erat Dverländer Ges birg wurden die Herren von Karon , von Eichenbach

und von Weißenburg , welde zu oft , im Stolz ihrer unzugånglichen Macht , jedes Königs Frieden brachen , 1

dadurch rubiger , als die Gemeine von leul, Graf Solo

ſelin von Viſp und mit aller Macht von Wallis Biſchof Bonifacias (aus dem Hauſe Challant) dea Krieg der Stadt Bern bis jenſeit Oberlandes wider ſie zu führen 1

verſprach 91). Die Rube , ſowohl der hoben Gegend , als der gans zen Teutſchen und Welſchen Grange, beſtand am fiders

ften durch die Thaten und Ordnungen der Stadt Bern, der großen Grafen 92) und wichtigſten Städte 93) Freuns

1

bin , ein Vaterland aufnehmend viel zerſtreuter und triegluſtiger Bürger , deren Vertrauen der Senat für

die Grundfeſte der öffentlichen Wohlfabrt hielt.

Mit

feinem Rath und Willen 94) wurden im , in dem Sabr ,

ehe freybarg ausgeſdhat , und ebe der Faden Span bertragen wurde , bon der Gemeine mehr als zwene

Hundert ausgewählter Bürger 95 ) , rechezebu vorneho me so) oder ſonft angeſehene 97) Månner zugegeben , um åber Frebel 98) , ſchwere Rechtsfälle 99 ),öffentlichen

Soaben 10) , Spruch oder Bergleich 101) ia und außer

4

87 Geſchichte der Schweiz. Bern , fo oft ſie wollen 102), mit ihm zu fitzen 103).

Urbeit und Verantwortung wurden überall gern mits getheilt , fo lang bey den Aemtern wenig Einkommen war 104 ).

Als König Adolf durch keine Urſache fo ſehr als

Albrecht

durch die Kunſt Albrechts in åußerſte Gefahr kam , ſtürzt ibn . blieben die reichsfreyen Bürger 105) und fanbleute des Helvetiſchen Landes in ſeiner Treu. Som ſchwuren die Schweizer um den Schirmbrief der Freyheit 100). Abt Wilhelm , da er vergeblich zu Wien , vergeblich in Ul. brechts Lager wider Salzburg, um des Herzogs Gunft geworben 107) , lebte im dritten Jahr am Hof König Adolfs . Der König , zurüdgehalten von der Niedrigo teit ſeines eigenen Glüc8 , welches zu weit unter feiner Würbe war , unterließ nicht, ihm und ſeinem Stift

1

für den Dienſt wider gemeinſchaftliche Feinde dankbare Liebe in ſeinen leßten Tagen durch Anweiſungen auf des Reichs dortige Einkünfte zu bezeugen 108). Zwans zig Helme von S. Gallen zogen in die entſcheidende Schlacht; in welcher , als durch der Feinde Kriegse manier faſt alle Pferde umgekommen , Wilhelm (durch ,

!

ſo mancherley Glüc verſucht und würdig des Helden.

namens der alten Montfort) vom aufgethürmten Haus fea vermiſdter Pferde und Meaſden 109) ſo lang ftritt, bis der König felbft, Wutb , und Berzweiflungsvolle von , oder bey Ulbrecht 110 ) , erſchlagen wurde II ). Dieſes Unglücks erſchrack das Gebirg der Walda

1

88

Į. Buch . Achtzehntes Stapitel.

ſtette, und jeder, welcher dem Namen des Königs wi. der Albrecht angebangen. Der Ubt , durch ſeine Vers

1

wandtſchaft im ſiegenden Heer kaum losgebeten , kam eilfertig nach S, Gallen und war in aller nothwendigen Dinge Mangel. Ein Gerücht ergieng , daß des neuen Königs Partey in dem Rath und in der Gemeine zu Freyburg im erſten Augenblick der neuen Oberband ſo . wohl dieſe Stabt 12) alb , permittelſt neuer Hoffnun , gen , die Grafen von Savoyen 113) und ihre großen Maialen 114) , wider sie Stadt Bern waffne. Von Straßburg , wo der König vielen Reichsgliedern die Verfaſſung beſtåtigte, kamen die Vorſteber der Walds ſtette traurig und gedankenvoll zurück in ihr fand, weil er auf ihr Geſud geantwortet hatte, ,, er gedenke nåch . „ſtens eine Veränderung ihres Zuſtandes ihnen antrag ..gen zu laſſen 115)." Albrechts Als die von Freyburg , Ludwig Freyherr der Wadt,

Partey wis die Grafen Peter von Greverz und Rudolf von Welſcha der Bern,

neuenburg, die Herren der Fehde wider die Berner, ihre Schaaren ſammelten , waren die Bürger , und ihre Zus zuger von Solothurn 110) und von der Herrſchaft Kis

burg , weit unter der Zahl ihrer Feinde ; doch baten ſie nicht um Friede , weil ein freyes Volk in die größte Ges

fahr des Untergangs kommt , wenn es in billigen Sa. 1298

den der Uebermacht weicht. Als ihnen angeſagt wur. de , daß der Feind in ihr Gebiet gekommen 117) , zogen

3: Mára, fie aus der Stadt unter dem Feldhauptmann Ulrich

Geſchichte der Schweiz.

89

Caſtlan von Erlach 118) , einem kriegserfahrnen uners ſchrockenen Ritter . Den Feind fanden ſie ſowohl an der Höhe des Donnerbůbels 118b ) in guter Stellung, als

durch das Jammerthal unůberſeblich ausgebreitet. Sie, in Eriönerung des Tags an der Schoßhalde, zogen in genauer Ordnung beran , bis da ſie nabe kamen , Ers

lach das Zeichen gab : worauf zugleich die Hafthors ner 119 ) , durch den Wald 120) wiederballend , erklans gen , und mit bobem Feldgeſdrey in vollem Lauf das ganze Volk von Bern zu Erhaltung des Vaterlandes

den Angriff unternahm . In dieſem Äugenblick wurde der Feind auf der linken Seite geſchreckt: es hatte. Ers lach einen Theil des Bolfs am andern Ufer der Aare

abwärts geſandt , welcher bey Worblaufen hinüber reşte ; dieſer zog an dem Walde Bremgarten bin , und

überraſchte 130b), Die feindlichen Ritter , hingeriſſen durch den Schređen ihrer Pferde , oder bey dem nie ges Tebenen Anblick der Begeiſterung des Kriegspolks der Stadt , von Staunen ſtarr , von Furcht betroffen , flos ben oder wurden faſt ohne Widerſtand 120 c) erſchlagen : pas Fußvolk von den Jünglingen ereilt , umringt und gefangen . Das Glück dieſes Tages wurde bey Obers wangen entſchieden 12 ). Siegſtolz brachten ſie unter Erlach das Geprång achtzehn erbeuteter Panner und ihre entwaffneten Feinde Greifen und Müttern zur Schau. Die Banner trugen ſie in Vincenzen Münſter zum Dank dem Gott ihres billigen Kriegs,

I. Buch. Achtzehntes Kapitet.

Von dem an wagten die Berner, zu Albrechts Zeit, mit großem Glück und ungeſtraft, meör als unter dem

gnädigſten König. Die Grafen von Welſchneuenburg wurden ihre Freunde. Nachdem Amadeus das Un, Feben des Bürger8 einer folchen Stadt verloren, mußte

er fid om die Vogtey zu Peterlingen dem nachtheilie gen Ausſpruch der Schiedricter unterwerfen 122). Die Herridaft feines Brubers im lidhen fand wurde durch große Unruhen in ihrer Grundfeſte eridåttert.

König Albrecht vertraute die Reichsvogtey durch Bura guadien dem Grafen Otto von Straßberg , Welſch . neuenbargiſchen Geſchlechts 123 ). Er gab Wilhelmen von Varberg , deſſelbigen Stamms , nebit ſeiner Vors fahren , faſt von der Stiftung an , beſeſſenen Kaftvogs tey des reichen Klofter Altenryff 124), den Zobmalo 125), welcher das Land von den Borbergen der Greyerjer Alpen 120 ) , bis an das Reichsſchloß Großburg fållte. Als Ludwig von Savoyen , ſeit feines Dheims , Gras fen Philipps, lehter Zeit 127) in den Geſchäften und Fehden vieler Bundesfreunde 128 ) ſich gegen den Adel des Romaniſchen Landes um freywillige Dienſte und

um Darlehde pielfältig in Verbindlichkeit gefeßt, welche

er nicht leiſtete 129h), traten die Welſchen Herren 129) unter mancherley Vorwand 130) in die Sende , welche Wilhelm von Champvent, Biſchof zu Lauſanne, zum

Schirm verletzter Stiftsrechte 131) , mit geiſtlichen Wafa

fen bereits !5") wider iha führte. Dieſen innerlichen

1

Geſchichte der Edwels.

99

Krieg entſchied , erftlich vor dem Zug wider Bern ,

Umadeus durch einen Stilſtand 133) , nadimals , da König Albrecht dem Biſdof feinen Schirm gab 134) , )

Sobannes von Csalons durch einen Spruch 135) , end.

lich der Graf Amadeus , ben der zunehmenden Gefahr des Anſehens der Deutſchen , durch einen billigen Vers trag 136). Aber durch dieſes Mißvergnügen und ents ferntere große Febden 137 ) geſchah deſto leichter , daß Peterlingen 138) und andere Orte139) , aus der Gewalt Savoyens entfremdet , und unter die Reichsvogtey deb Grafen von Straßberg gegeben wurden. Es iſt mobi

keine Macht wie die Savoyſdhe mit ſo unablåffiger Můbe in ſo manchem Geſchlechtalter tapferer und kluger Fürs ſten gegen ſo vielea Widerſtand großer Baronen er . kämpft worden. In dem Jahr als die Stadt Laupen

von dem Reichsvogt alle Rechte , durch deren Geſchent bald Grafen , bald Könige um ihre Ergebenheit war.

bea , beſtåtiget bekam 140) , ſchloßen die Berner mit Laupen einen Bund , auf daß die Burg in dieſer Stadt

ihnen beyberſeits unſchådlich fey 141). Der Schultheiß Cuno Müntzer fuhr fort , im Namen der Berner mit Ulrich von Thorberg , Pfleger der Herrſchaft Kiburg ,

für die Wittwe 142) und anmundigen Sohne Gran Hartmanns 143) die bergebrachte Freundſchaft auf zeha Fabre zu befeſtigen 144). Hierauf zogen ſie aus und brachen Belp und Gerenſtein, Burgen von Montenach, auf den Bergen um Bern 145). Alà der Frau Blanca

I. Buch . Achtzehntes Kapitel.

Von dem an magten die Berner, zu Albrechts Zeit, mit großem Glúd und ungeſtraft, mehr alb unter dem gnädigſten König. Die Grafen von Welſchneuenburg wurden ihre Freunde. Nachdem Amadeus das Un ,

Feben des Bürgers einer ſolchen Stadt verloren, mußte er ſich um die Vogtey zu Peterlingen dem nachtheilig gen Ausſpruch der Schiedrichter unterwerfen 122) . Die Herríðaft feines Brubers im Bilden fand warde

Darch große Unruhen in ihrer Grundfeſte erſchüttert. König Albrecht vertraute die Reichsvogtey durch Burs guadien dem Grafen Otto von Straßberg , Welſch .

neuenburgifchen Geſchlechts 123). Er gab Wilhelmen von Aarberg , Deſſelbigen Stamms , arbit ſeiner Vors fahren , faſt von der Stiftung an , beſeſſenen Kaftvog. tey des reichen Alofters Altenryff 124), den Tobmalo 125 ),

welcher das Land von den Vorbergen der Greyerzer Alpen 120 ), bis an das Reichsſchloß Großburg fållte. A16 ludwig von Savoyen , ſeit feines Dheims , Gras

fen Philipps, lekter Zeit 127) in den Geſchäften und Fehden vieler Bundesfreunde 128) ſich gegen den Adel des Nomaniſden Landes um freywillige Dienſte und um Darlehae vielfältig in Verbindlichkeit gelegt, welche er nicht leiſtete 129 h) , traten die Welſchen Herren 129) unter manderley Vorwand 130 ) in die Schde , welche Wilhelm von Champvent, Bildhof zu lauſanne , zum Schirm verlekter Stiftsrechte 131) , mit geiſtlichen Wafa

fen bereits !3>) wider iba führte. Dieſen innerlichen

Geſchichte der Schweiz.

91

Krieg entſdied , erſtlich vor dem Zug wider Bern , Umadeus durch einen Stilſtand 133) , nadimals , da König Albredyt dem Biſbof feiner Schirm gab 134) , Jobannes don Chalons durch einen Spruch 135) , ends lich der Graf Amadeus , ben der zunehmenden Gefahr des Unſehens der Deutſchen , durch einen billigen Vers

trag 136 ). Aber durch dieſes Mißvergnügen und ents ferntere große Febden 137) geldab defto leichter , daß Peterlingen 138) und andere Orte 139) , aus der Gewalt

Savoyens entfremdet, und unter die Reichsvogtey des Grafen von Straßberg gegeben wurden. Es iſt wohl keine Macht wie die Savoyſdhe mit ſo unablåffiger Můbe in ſo manchem Geſchlechtalter tapferer und kluger Fårs ften gegen ſo vielea Widerſtand großer Baronen er. kämpft worden. In dem Jahr als die Stadt Laupen

von dem Reichsvogt alle Rechte , durch deren Geſchent bald Grafen , bald Könige um ihre Ergebenheit wars " ben , beſtåtiget bekam 140) , ſchloßen die Berner mit

Raupen einen Bund , auf daß die Burg in dieſer Stadt ihnen beyberſeits unſdådlich fen 141). Der Schultheiß Cuno Münger fubr fort, im Namen der Berner mit

Ulrich von Thorberg , Pfleger der Herrſchaft Kiburg , für die Wittwe 142) und unmündigen Sibue Grai

Hartmanns 143) die bergebrachte Freundſchaft auf zeba Sabre zu befeſtigen 144). Hierauf zogen ſie aus und brachen Belp und Gerenſtein, Burgen von Montenach , auf den Bergen um Bern 145 ). Alà der Frau Blanca

.

::

I. Buch . Achtzehntes Kapitel.

1

Von dem an wagten die Berner, zu Ulbrechts Zeit, mit großem Glúd und ungeſtraft , mehr alb unter dem gnädigſten König. Die Grafen von Welſchneuenburg wurden ihre Freunde. Nachdem Amadeus das Ans fehen des Bürgers einer folchen Stadt verloren, mußte 1

er fid ) um die Vogtey zu Peterlingen dem nachtheilie gen Ausſpruch der Schiedrichter unterwerfen 12). Die Herridaft ſeines Brubers im Walden land warde

durch große Unrufen in ihrer Grundfeſte erſchüttert.

König Albrecht vertraute die Reichsvogtey durch Burs guadien dem Grafen Otto von Straßberg , Welſch . neuenburgiſchen Geſchlechts 123). Er gab Wilhelmen von Aarberg , beffelbigen Stamms , nebit ſeiner Vors fahren , faſt von der Stiftung an , beſeffenen Kaftvogs tey des reichen Klofters Altenryff 124), den Tobwald 125), welcher das Land von den Vorbergen der Greyerzer Alpen 120) , biß an das Reichsſchloß Großburg fälte. A18 Ladwig von Savoyen , ſeit feines Dheims , Gras fen Philipps , lekter Zeit 127 ) in den Geſchäften und Fehden vieler Bundesfreuade 128 ) ſich gegen den Adel des Romaniſchen Landes um freywillige Dienſte und um Darlehae pielfältig in Verbindlichkeit geſcßt, welche er nicht leiſtete 12gb) , traten die Welſchen Herren 129 ) unter mancherlen Vorwand 130 ) in die Seide , welche

Wilhelm von Champvent, Biſchof zu fauſanne, zum Schirm verleßter Stiftsrechte 131) , mit geiſtlichen Wafa

fen bereits 13-) wider ihn führte. Dieſen innerlichen

1

Sefchichte der Edwelt.

Krieg entſchied , erflich vor dem Zug wider Bern , Amadeus durch einen Stillſtand 133) , nadimals , da König Albrecht dem Biſdof feinen Schirm gab 134), Jobannes von Obalons durch einen Spruch 135) , ende .

lich der Graf Amadeus , ben der zunehmenden Gefahr des Anſehens der Deutſchen , durch einen billigen Vers

trag 136 ). Aber durch dieſes Mißvergnügen und ents ferntere große Febden 137) geidaß deſto leichter , daß

Peterlingen 138) und andere Orte 139) , aus der Gewalt Savoyens entfremdet, und unter die Neidsvogtey des Grafen von Straßberg gegeben wurden. Es iſt wohl

keine Macht wie die Savoyſche mit ſo unabläffiger Mühe in ſo manchem Geſchlechtalter tapferer und kluger Fårs ften gegen ſo vielea Widerſtand großer Baronen er. kämpft worden. In dem Jahr als die Stadt laupen von dem Reichsvogt alle Rechte , durch deren Geſchenk bald Grafen , bald Könige um ihre Ergebenheit war. "

ben , beſtåtiget bekam 140) , ſchloßen die Berner mit Raupen einen Band , auf daß die Burg in dieſer Stadt ihnen benderſeits unſdådlich fen 141). Der Schultheiß Cuno Můnger fuhr fort , im Namen der Berner mit

Ulrich von Thorberg , Pfleger der Herrſchaft Kiburg , für die Wittwe 142) und unmündigen Sohne Grai

Hartmanns 143) die bergebrachte Freundſchaft auf zeha Sahre zu befeſtigen 144). Hierauf zogen ſie aus und brachen Belp und Gerenſtein, Burgen von Montenach , auf den Bergen um Bern 143). Als der Frau Blanca

I. Buch . Achtzehntes Kapitel .

92

von Frankreich , da fie Konig Albrechts älteſten Sohn beirathete , ihre Morgengabe auf die Stadt Freyburg angewieſen war 14 ) , wollte der König dieſer Stadt

keine Fehde:zulaſſen , worin er wegen größerer Dinge fie nicht unterſtützen konnte. Pergeblich mochte Peter 2

von Zhurn wünſchen , Montenach zu råchen 147) , und

aus altem Haß der Herr von Raron ſein Volk im Obera land waffnen wollen ; ſie und ihre Geſellen , eilftauſend Mann ſtark , wurden durch Bonifacius von Challant, .

Bifchof zu Sitten , der Berner Bundesfreund , bey Leuk überwunden, und tamen auf Saron in ſeine Gewalt 148 ). Es blieb nicht ungerochen an dem Herrn von Weißena þurg , daß er gegen Reiſende den landfrieden brad ,

deſſen er mit andern Großen und vielen freyen gewerb, treibenden Städten eins war 149) ; doch rettete er die Burg Wimmis durch einen Brief, den er dem Schulte

beiß von Freyburg bey dem feindlichen Heer im Lon per Bertraulichkeit ſchrieb , und , wie aus einem Vers feben, dem Schultheiß der Berner geben ließ. Hieraus entſtand ſo mißtrauiſche Frrung , daß , als Graf Peter pon Greyerz ihm Hülfe verſprach , die Mannſchaft von Freyburg , unter Porwand alter Verbindung mit

Greyerz , durch ihren Aufbruch den Krieg trennte 150). Nach der Schlacht am Donnerbůbel ſtieg Bern , durch jedes Glück ſtreiterfahrner, zu ſolchem Glanz der Waf. fen , daß der Herr pon Montenac 151) und Graf Nus dolfo Herr pon Welſchneuenburg 152) , endlich Burgs

1

Geſchichte der Schweiz .

rechte mit ihr ſchloffen.

93

Graf Rudolf war feines Haus.

fes Herr 153) und biedt jährlich den allgemeinen fand. tag. zu Welſchneuenburg 154) ; er war bier durch die Madht Chalons ſeines letnéberrn , dort als Eidam Ludwigs von Savoyen 153) , er war duro das Burg, 1

recht mit Bern , dem er das Freyburgiſche nicht uns

gern aufopferte 156) , und auch durch ſeines Hauſes Gunſt bey dem König, einer der Großen dieſes landes. Der König , nach dem Reichstag , welchen er zu Albrecht Nürnberg hielt , kam in die bordern Erblande. Als bor Zürich . ihm ſein Polt wider bie Züricher mit bitterer Feindles

ligkeit viele Klagen vorbrachte, legte er ſich auf den

Zürichberg, und gab dem Kriegsvolt das Vieb , wels ches in großen Heerden vor der Stadt weidete 1566). Hirtenleben, Kaufmannſchaft, Ritterſtand und Bauerni gewerb waren ſich noch nicht fremd, als die Nordorfe zugleid Seidenhåndler und Ritter , als die Manere Helden waren und Handelſchaft übten 157). Man weiß,

daß der Sohn des Königs, da er einſt mit gleichem

Erſtaunen einen ſchönen Alten ber einem Pflug , ſeine vortreflichen Pferde und ſeines Knaben edlen Wuchs

betrachtet, am folgenden Tag mit großerer Verwuns derung denſelben als Freyherrn von Hegnau , den vas ter des Junkers , mit manchem Edelknedit an den Hof reiten (ab 158 ). Die Burger von Zürich), durch ihre Wachſamkeit ficher , ſloffen die Thore ihrer Stade

nicht, und erklärten an den König , wſie weigern fich

94

1. Buch . Achtzehntes Scapitel.

wuicht nadi der Treu und in der Freyheit ihrer Våtet nihm zu geborden , und um die Klagen , deren ſie ro i viele als die Kiburger ánbringen können , den Uusi nſpruch befoworner Schiebrichter abzuwarten . “ Man

fah vom königlichen Lager in das Gerimmel der Gaſa

jen , den langen Zng webrbafter Jugend 159 ) , übers i flüſſigen Markt, gairz Zürich in unerſchrockener Zurůs ftung. Der König , unbereitet an Zeug und Volk 160), hörte ihre Botſchaft gaadig , und beſtätigte ihren Zus ſtand, nach ehrerbietigem Empfang in der Stadt. Kaſtvogter Hierauf bat ibn Biſdof Heinrich von Coſtanz, des gu Si Gal: verdienſtvollen Geſchlechts von Klingenberg , welcher ten, den Königen Rudolf und Albrecht in den größteni Staatsgeſchäften ſo vieler Klugheit als eifriger Treue Proben gegeben 16) , daß er dem Abt Wilhelm feine

Gnade ſchenke 161b). Man kann zweifeln , ob es dem Ubt rühmlicher iſt, nie durch das Unglück der Freunde ſchaft Klingenbergs unwerth geworden zu feyn , oder

1300

dieſem , daß er im Beſitz königlicher Gnade den uns glüdlichen Freund um nichts weniger geliebt 162). Bald nachdem der Abt vernommen , daß der König alle Feindſchaft vergeſſe und ihm die Stadt Schwarzenbach überlaſſen wolle , ſtarb er ; als wenn die Beſtimmung feines Daſenns , ein Beyfpiel großen Sinns im Uns

glúd darzuſtellen , sollendet wåre 163 ). Hierauf bes diente ſich der König der Stimmung der Gemüther ,

um die Kaſtvogter ohne Unwillen ſelber zu überneht

1

Seſchidte der Edwelgi

93

inen ; als nach Wilhelm die įVerwaltung Heinrichs don Ramſtein den meiſten unerträglich ſchien 164 ), und in der Stabt S. Gallen der Name Serrmanns bon

Bonſtetten , welchem der König in den lebten Jahren eines viel verſucten langen Lebens dicſe Reichsvogter

auftrug , für des Königs Wahlflugkeit empfehlend war 165).

Aber Herrn Burkard von Schwanden im Lande Reichsvoga ten zu Glam

Glaris , der in König Adolfs Krieg , als ein Reichs, ris; mann , Albrechten zuwider geweſen , wider welchen der König nun ſtark und ſich ſelbſt überlaſſen war , zerſtörte er Sdywanden , Soole und Schwendi , feine und ſeines Lebenmannes Berchtold 166) Burgen . Herr Burkard , als er Gut und Leute eingebüßt , flob , verlaſſen und arm , in den Ritterorden von S. Jou

bann , war , als Comthur ' von Buchſee im Aargau , unter den Auserleſenen 162) , deren mannhafte Nittera that Rhodos erſtritt , und ſtarb alt des Ordens in

Deutſchland oberſter Meiſter 168 ). Indeß dieſer erfuhr, wie viel zum Glück auf Muth und Geiſt ankommt, floben viele Zſchudi, Netſtaler ein reiches Geſchlecht Freůler , Stuki , Kirchmatter und andere alte lands månuer von Glaris in die Zhåler Uri und Sdwy

und nach Zürich . Denn als der König die Reichss vogten ſeinem Hauſe gab , fürchteten ſie von ſeiner Gewalt ihrer Freybeit Ende , und ſucten ein Bater: land , wo ſie ſicher ſchiena

96

I. Buch . Achtzehntes Kapitel.

Zu dieſer Zeit nöthigte der König ben Abt Hannt ſonſt er: von Schwanden in den Einfideln , Herrn Burkards Was er

, warb.

Brüder , die Erblaſtvogter über die Waldſtatt Eins fideln und über die Gütet , um welche wider Schw9% der Streit geweſen , dem Hauſe Deſtreich zu überge. ben 169). Er entſchädigte die Grafen von Tokenburg

für König Rudolfs Siege mit Geld , aber ſie mußten die wichtige Herrſchaft Embrach ibm überlaſſen 169b ). Die Königin ertheilte dem Nonnenklofter zu Steiner

in Schwyz einen ſolchen Schirmbrief wider die landi ſteuer , daß ihre Güter to frey feyn ſollen , als ihre Perſonen 10). König Albrecht gab ſeinem Hauſe auch die Vogtev der freyen Reichsleute von Paar 171) , wels che Rhåtien hinauf hinter Glarisland und Uri in zers ftreuten Hütten lebten , wie auch diejenige, welche tief

im Gotthardpaß über das Zhal Ürferen mit einent · teunpundert Gulden werthen Zou , nach Erlöſchung des Hauſes Rapperſchwyl , als Männilehen an das Reich fiel 17 ). Wo binter Unterwaldeit die von beri

basli in boben Zbålern , wo von der neuen Stadt Unterſeen 173) die Gotteshausleute von Interlachen bis ; an die Gletſcher ,, ünið wo von då bis in Vargau berab auf ſtarken Burgen große Baronen in der Unruhe der Febden und Schulden und in mißtrauiſcher Furcht lebten , war Albrecht Raftvogt von Reichs wegen 174) , oder kaufte Unterwerfung und fand 175). Die Deſtreia der ſelbſt wurden über dieſe koſtbare Vergrößerung det

Gefchichte der Schweig.

97

bordern Lånder unwillig 17 ) und Albrecht wurde nicht weniger in dem alten Erbland übergroßer Habſucht beſchuldiget 177).

Gleichiie er alle fremden Herrſchaften , wodurch Sein Uns

bie Lånder feines Hauſes getrennt wurden , gern vero den tragSchwei bep einigte , und gleichwie die Schranken der königlichen

gern,

Gewalt in Deutſchland 178) , und in Deſtreich und auf Steyermark die landſtånde ihn reizten , die Freyseiten ber Biker als Hinderniffe ſeiner Macht ungern zu leir ben , fandte er die Herren por Ochſenftein und von Lichtenberg 179) mit folgendem Vortrag an die Schweiz

zeriſchen Waloftette : ,, Sie würden wohl für ſich und wibre Nachkommen ſorgen , wenn ſie ſich dem ewigen

Schirm des föniglichen Hauſes unterwerfen wollten ; „alle benadybarte Stådte und länder , die Kaſtvogo teyen faſt aller Kloftir , welche Gut und Peute bev „ ihnen haben 180 ) ; und alles , was Kiburg und lengs sburg in den Waldſtetten beseffen , rey des Königo ; indie Lanbleute können einer Majeſtát 181) und ibrem

,,unermeßlichen wafferkundigen Kriegébeer nicht wis „derſteben , aber der König möchte ſie zu feines Haus iſes lieben Kindern 18a) haben ; er fry Enkel ihrer als

bten Schirmvogte von Lenzburg , Sobn König Rus idolfs , , ein ſtreitbarer , filghafter , gewaltiger Sverr , ,,welchem rowohl nothwendig als růbmlich ren zuzus

..gehören ; wenn er ihnen den emigen Sdairm ſeines ganzen glorreichen Geſchlechtes mittheilen wolle , jo *. Müller's Werke. XX .

7

98

I. Buch . Achtzehntes Kapitel.

ofen es nicht, alo trage er Luft zu ihreä Heerden , ,, oder als wolle er Geld bon ihrer Armuth , ſondern ,weil er von ſeinem Vater und aus den alten Ges

„ ſchichten 183) vernommen , welch ein tapferes Volt iſie ſeyn ; der König liebe tapfere Männer ſehr ; er

,,möchte auch ſie anführeni zu Sieg , und reido mas chen durch Beute und Ritterſchaft und Leben unter

efie bringen .“ Da ſprachen die Edlen und Freyen ,und alles Volk auf den Waldſtetten : ,, Sie wiſſen iiwohl und werden ſich ewig erinnern , wie ihnen der melige König ein guter Hauptmann und Vogt gewes fen , und wollen auch ſeinem Stamm das allezeit ogedenken ; aber ſie lieben den Zuſtand ihrer Altvors dern und wollen in demſelben berharren ; der König „möchte ihn doch beſtåtigen wie ſein Vater... DieFolgen. Nach dieſem fandten fie Werner , Freyherrn von Attinghauſen , welcher wie ſeine Vorfahren und wie

feine Nachkommen 184) fandammann der Männer zu Uri war , an den königlichen Hof, um Beſtätigung der Freyheiten und um einen Vogt über Leben oder Tod.

Aber der König war im Krieg wider die Kurfürſten , und ſonſt übel zu ſprechen 185). Die Reichsvogteyaden befahl er den Amtleuten , welche er zu Rotenburg und

Lucern , in ſeinem Eigenthum , hatte. Un das Land Uri ſandte er ein Verbot , auf die Kloſterwettingiſchen Gåter die gewohnte Landſteuer zu legen. Da machten die von Schwyz, weil ſie ohne Schirm waren , einen

Seſchichte der Schweiz.

99

jebnjährigen Hülfsbund mit Werner , Graf zu Hon. berg , Herrn der Mark unter ihrem Land 180) , welcher wegen gleicher Sachen in des Königs Ungnade war. Als er Schaden empfieng , zogen ſie ungeſchaut (wie billig ) in ihrem getroften Sinn wider ſeine Feinde , in Gaſtera , des Königs land 187). Hierauf , damit nicht ihr Gehorſam unter Deſtreidiſche Amtleute zur Pflicht werde , fandten fie an den König um einen Vogt vom

Reid). Die alten Kaiſer ernannten einen großen Gras fen , welchen ihre Våter , wenn Blutſduld tam , in das fand baten ; König Albrecht gab Herrmann Geßa

ler’n von Brúnek , vom Habsburgiſchen Stammgut im Eigen 188) , und Beringer'n von Landenberg , einen Ebeltnecht von uraltem Hauſe, defien Better Hermann

bey dem König groß und in ganz Deftreich verbaßt war 189) ; trokige Manieren batte Beringer ſelbſt bey Hofe gezeigt 189b ). Er gab den Waldſtetten wie dem Bolt auf der Steyer 190 ) Dogte , die fie baffen maß. ten ; beſonders wenn dieſelben , bewogen durch Urmuth oder Geig , und führ , weil die Ungnade des König offenbar war 191) , die gewöhnliche drůdende Sitte ſolo cher Vigte 192) hielten. Es iſt kein Zweifel, daß, wenn; wie zu Wien und auf der Steyermark , das Boll hiera

über in Aufruhr gerathen wäre , König Albrecht (nach dem Beyſpiel, welches er in jenen fåndern gab , und wie von ſeinem Hauſe anderswo geſchehen oder bat

wollen geſcheben 193) ) unter dem Vorwand billiget:

100

1. Buch. Achtzehntes Kapitel.

Strafe die alten Freyheiten der Schweiz vernichtet pas ben würde. Dieſe Reidysvögte, die keine eigene Sold 1

fer batten 194) , oder welchen es von dem König befch . len war , beſchloßen in den Waldftetten zu wohnen ; Landenberg zu Unterwalden , bey Sarnen , auf einem

eigenen Sohloffe des König8 195) , welches auf dem Hügel angenehm gelegen war ; Gebler , weil Frau Kunigunde von Wafferfielz, Webtiffin des Züricher

Frauenmünſters , ihre Gewalt in Uri dem König nicht

auftrug 146) , und weil bey Menſdengedenken zu Schwyg keine Herrenburg war, baute einen Zwinghof 197) of Aftorff in Uri.

Alle andere Schweizer übertraf der Herr von Uts tinghauſen ,

durd die Würde eines woblerbaltenen

Adels , des Ulters , der Erfahrung in Geſchäfter , gros Ben wošlhergebrachten Gutes und ungefålichter fiets zu dem Land. . Ben cinem folden Bolt werden viele

Geldledyter durch die alten Sitten lang und in der Vers waltung des gemeiner Werens fortgepflanzt ; ſo die Nadkommen Rudolf Redings von Biberel , welcher damals tebte , die bis auf dieſen Tag zu Schwyz den

!

våterlichen Ruhm erhalten ; die Beroldingen auf ihrem uralten Stammſitz 198) , damals voll Schweizeriſcher Freyheit finns und noch der Voråltern würdig ; die Zay ; die Iberg ; die Winkelried , im Geiſt jenes Ritters , ihres Uhnen , der den findwurm erſchlag 199) , der Frens beit Opfer 200) , alten Biederfinns Muſter 201). Zu

/

'T

Geſchichte der Schweiz.

Tot

Schwyz war Werner Stauffacher angefeben , weil Ru.

dolf fein Vater ein ehrwürdiger Vorſteber des Bolfo 202), und er ſelbſt ein wohlbegåterter und wohlgeſinnter lands Solden Männern glaubten die landsi mann war. leute ; fie kannten dieſelben , ſie hatten ibre Våter geo kannt und ibre ungefärbte alte Zreu. Das Bolt lebt

in vielen Dorfſchaften , deren Häuſer meiſt , wie bey den alten Teutſchen , auf Wieſen ,

ſchönen Hügeln

und an Quellen einzeln liegen. Es bat gewiffe althera gebrachte eingepflanzte Grundſäke; wenn Fremde da. wider Einwürfe machen , ſo werden ſie ſelbſt verdächs tig und befeſtigen die febreu der Våter. Alles neue iſt verhaßt, weil in dem einförmigen Leben der Hirten jes der Tag demſelben Tag des vorigen und folgenden

Jahre gleich iſt. Man ſpricht nicht viel , und bemerkt für immer ; fie haben in den einſamen Kåtten zum Nachbenken ruhige Muße ; die Gedanken theilen ſie ein.

ander mit , wenn an Feſttagen das gange Volk vom Gebirg bey der Kirche zuſammenfließt. Wer den fanda mann 203) betrachtet, findet bis auf dieſen Tag ein Freybeitſtolzes Volk zu Schwyz, ein frommes altges

ſittetes im fande Unterwalden , auch zu Uri ein gar biederes eidgensifiſch geſinnteo Bolt 20+).

Als die Reichsvogte um jeden Fehler in finſtern Thürmen und außer Landed theure lange Verhaft ga. 4

ben , und alles auf das allerftrengſte beſtraften , und

als die Zölle auf die Einfuhr im benachbarten Erblana

1. Buch . Achtzehntes Kapitel.

1

102

.

erhöhet, und oft die Ausfuhr verboten wurde , ſandten die landleute an den König , zu eben der Zeit , als auf der Steyer mark ein ſolcher Vogt 203 ) umgebracht wors den. Der König fübrte damals auch wider ſeinen 1

Sawager Wenceslaf Krieg um das Kuttenberger Sils ber 200) und die Erbſchaft von Halicz ; von denen , die mit Herrmann von fandenberg ſeine Diener waren , bekamen die Schweizer keinen Troſt. Die Geiſtlichkeit

in den Waldſtetten , aus Zorn , weil ſie ſteuern mußte, war dem König zugethan. Als der Junker von Wol.

fenſchieß in Unterwalden von der Geſinnung ſeiner nådis ften Verwandten 207) ſo abwich, daß er auf Rozberg Des Königs Burgvogt wurde , fürchteten ehrbare Månş ner vom Leichtſinn ehrgeiziger Jugend noch mehr Uns treu am fand. Alle Schweizer , in ordentlichen Zeiten

eines gerechten ſtillen Gemütões , gewohnt ohne Furcht noch Werdruß oder viele Mühe bey dem Vieh in ruhiger Fröhlichkeit ihre Tage durchzuleben, gewohnt aus alten

Zeiten bey den Kaiſern Gnade und Ehre zu finden , purden betrübt. Bin den Strafen war doch ein Schein ſtrengen

Rechts; bey den Zillen , daß Noui oder Geiz den Kop nig trejbe ; ſelbſt in der Ungnade , daß er die Schweiz zer doch ſchåtze und gern haben módyte: allein (wie bey perdienſtloſen Leuten im Beſitz ungewohnten Unſehens !

gegen die , welche nicht weit unter ihnen ſind, der Stola

gim grobſten iſt), es war in den Worten und Geberden

Geſchichte der Schweiz.

103

per Vogte tåglicher Troß auf ihre Gewalt 208) , und eine hochmüthige Verachtung des ganzen Volks. Die alten langverehrten Geſchlechter nannten fie Bayern, adel 209).

418 Geßler durch den Ort Steinen ben

Stauffachers Hauſe' wo die Capelle 210) nun fhebt, vorbeyritt , und ſah, wie es , wo nicht ſteinern , von .

wohlgezimmertem Solze nach eines reichen fandmanns Art mit vielen Fenſtern , mit Namen oder Sinnſprůs chen bemalt, weitläuftig und glänzend, erbauet war 211), ſagte er vor dem Stauffacher , „ kann man leiden, daß ,,das Bauernvolt ſo ſchön wohnt ! “

Als fandenberg

einen Mann in dem Melchthal zu Unterwalden 2016)

um ein paar ſchöne Ochſen ſtrafte, fügte ſein Knecht ben , „ die Bauern können den Pflug wohl ſelbſt gies

,, ben 212).“

Auf der Sowanau , in dem Lowerzer

See , im Lande Schwyz , wohnte ein Burgvogt , pela cher die Tochter eines Mannes pon Art ſchåndete. Es

pird bey den Hirten im Schweizergebirg , wo der ſtarke ſchlanke Wuchs , geſundes Blut und friſche Schönheit von der Lebensmanier unterhalten werden 213) , die Liebe bis auf den Eheſtand (welcher unverbrüchlich gehalten wird 214) ) , eben nidt als Fehler betrachtet; aber ſie

will geſucht und ohne Sdyimpf gebraucht werden. Der Bargvogt wurde von den Brüdern der Tochter von Art

erſchlagen 215). Eines Morgens, da Wolfenſchieß bers vór aus Engelberg an die Ulzellenhöhé kam , an deren

lieblichem Abhang viele zerſtreute Hütten ſind, jah er

)

104

1. Bud. Achtzehntes Sapitel.

auf einer blumichten Wieſe ein ſchönes Weib. 418 er von ihr die Abweſenheit Ronrads bom Baumgarten ih . res Mannes erfragt, befahl er , das ibm ein Bad ges

råret würde , und verſuchte manches , wodurch ihre done Zucht in außerite Betúnmerniß gerietb ; endlich nabm fie den Vorwand ihre Kleider abzuligen , und

ſuchte ihren Mann ; von difem wurde Wolfenſchieß erſchlagen. Ebe Baumgarten gefunden wurde , und ehe das Zuſammenſteben der Månner von Art Gallern erlaubte, den Todſchlag des Burgvogts zu råden , als Frau

Margareth Herlobig , die Stauffacherin , mit Unruhe bedachte, wie dieſer gewalttbåtige Mann ihr Haus bes neidet , redete ſie mit ihrem Mann (alte Sitten gaben

den Hausfrauen månnlichen Sinn ) , und bewog ibn , dem drohenden Unfall vorzukommen. Werner Staufe facher fabr über den See in das fand Uri zu ſeinem

Freunde Walther Fürft von Uttingbauſen , einem reią dhen 216 ) Landmann. Er fand einen jungen Maun von Muth und Verſtand bey ihm verborgen ; von dies ſem er åhlte Waltber ſeinem Freund : ,,er fer ein Uns wterwaldner aus dem M Idhibal, in welches man von

,,Kerns bereingche ; er beiße Erni 217) an der Halden, und ſey ihm verwandt ; um eine geringe Sache, die ,,Erni gerhan , babe ihn Landenberg um ein Geſpann

toner Ochſen gebüßt ; ſein Vater Heinrich babe dies wen Berlust jepr bejammert; auf dieſes habe des Vogts

Geſchichte der Schwetg .

103

„Knecht geſagt, wean die Bauern Brod effen wollen , oſo können ſie felbft an dem Pflug sieben ; hierüber ſey „ Erni das Blut aufgewalt; er babe mit ſeinem Stod 1

dem Knecht «inen finger gebrochen ; darum verberge

yer ſich hier ; indeß habe der Vogt ſeinem alten Vater „ die Augen ausſtechen laſſen ."

Hierauf klagten ſie

einander ſehr , daß alle Billigkeit mer und mebr unter die Füße getreten werde ; und Walther bezeugte , auch der bocherfaðrne Herr von Attingbaulen lage , die Neues rungen werden unertråglich : wohl glaubten ſie , daß

der Widerſtand grauſame Rache über die Waldſtette bringen könnte, dodo kamen ſie überein, Tod ſen beſſer ald ungerected Joch dulden 18). Ueber dieſe Geoanten beſchloßen fie, daß jeder ſeine Vertrauten und Bers wandten erforden ſoll. Sie beftimmten , um ſich ruhig zu leben , das Rütli 219) , eine Wieſe auf einer Hobe in einer einſamen Gegend am Ufer des Wald.

ftetten (ees , nicht weit von der Grånzmark zwiſchen Uns terwalden und Uri (im See fteht hier einſam der My

tenſtein ) ; daſelbſt rarbſchlagten fie oft bey ſtiller Nacht über die Befreyung des Volte , und gaben einander Nachricht, mit wie viel fortgang fie zu dieſer That geworben ; dahin kamen Fürſt und Melchthal 220 ) auf einſamen Pfaden , der Stauffacher in ſeinem Kaba , und aus Unterwalden der Soba reiner Schweſter, Edele

knecht voy Nudenz. Uus verſchiedenen Orten brachten fie Freunde in das Rütli ; da pertraute einer dem 40g

)

2

106

I. Buch. Achtzehntes Kapitel.

dern ſeine Gedanken ohne alle Furcht; je gefahrvoller die That , um ſo viel feſter perband fich ihr Herz. 1307 2

Fn der Nacht Mittewochs vor Martinstag im Wins termonat brachte Fürſt, Melchthal und Stauffacher , jeder zehn rechtſchaffene Månner ſeines Landes , die ihm redlich ihr Gemüth geoffenbaret, an dieſen Ort. 416 dieſe drey und dreyßig berzhaften Månner , pou Ges fühls ihrer angeftammten Freyheit und ewigen Bundes,

perbrüderung , durch die Gefahr der Zeiten zu der in, pigſten Freundſchaft vereiniget , im Rütli beyſammen

waren , fürchteten ſie ſich nicht vor König Albrecht und nicht vor der Macht von Deſtreich. In dieſer Nacht gaben ſie einander mit bewegten Herzen die Hände parauf , daß in dieſen Sachen keiner von ihnen etwas ,,nach eigenem Gutdůnken wagen , keiner den andern ,,derlaſſen wolle ; ſie wollen in dieſer Freundſchaftkeben pound ſterben ; jeder ſoll das unſchuldige unterdrückte ,,Volt in ſeinem Thal nach gemeinem Nath in den urs ,alten Rechten ihrer Freyheit ſo behaupten , daß ewig alle Sdhweizer dieſer Freundſchaft Genuß haben ſolo

plen; ſie wollen den Grafen von Habsburg von allen qihren Gütern , Rechten und eigenen Leuten aud) nicht qdas geringſte entfremben ; die Vögte , ihr Unbang . qihre Knechte und Söldner rollen keinen Zropfen Blut

superlieren, aber die Freyheit, welche ſie von ihren Vor.

1

Geſchichte der Schweiz.

107

påltern empfangen , dieſelbe wollen ſie ihren Enkeln „ aufbewahren und überliefern .“

418 alle deffen feft

entſchloſſen waren , und mit getroſtem Angeſicht und mit getreuer Hand jeder , in Epwågung , daß von ih, rem Glúd wohl all ihrer Nachkommen Schidjal ab .

bange , ſeinen Freund anſab und hielt , boben Walther fürſt, Werner Stauffacher und Arnold an der Halden aus Melchthal, ihre Hände auf gen Himmel , und ichwuren in dem Namen Gottes , der Kaiſer und

Bauern von gleichem Stamm in allen unveräußerbaren Rechten der Menſchheit bervorgebracht hat , alſo manns baftig die Freybeit mit einander zu behaupten. Als die

dreyßig dieſes hörten , bob ein jeglicher ſeine Hand auf und leiſtete bey Gott und bey den Heiligen dieſen Eid. Ueber die Urt , ihren Entſchluß zu vollſtrecken , waren

fie einig ; damals gieng jeder in ſeine Hütte , ſchwieg ſtill und winterte das Vieh. Indeß trug fich zu , daß der Vogt Herrmann Geß. Der Cell, Įer todgeſchoſſen wurde , durch Wilhelm Tell 221) einen

Uraer aus dem Orte Bürglen 222), der Walther Fürſten Schwiegerſoha 223) und einer der Verſchwornen war. Der Bogt , aus tyranniſchem Argwohn oder auf erhale

Haltene Warnung bevorſtehender Unruhen , unternahm zu prüfen , wer ſeine Serrſchaft am ungeduldigſten erg

frug, und (wie ſinnbildliche Art jenen Zeiten und 1918

los

I. Buch . Achtzehntes Kapitel.

dhen Völkern gewöhnlich iſt 224 ) ) ein Sut ſollte die Ehre des Herzogs vorſtellen. Die Freunde der Frey. beit wollte er dazu bringen , die Hauptzier des Fürſten

zu ebren , dem ſie nicht geborchen wollten . Ein Júng. ling 225) , Tell, der Freyheit Freund, berſdənåþete , ihr altes Sinnbild 2-6) , den Hut , in ſolchem Sinne zu ehren ; durch voreilige Aeußerung feiner Denkungsart bewog er den Vogt , ſich ſeiner zu verfichern. Dieſer I

ůbte den Muthwillen der Zyranney ; ſo daß Wilhelm

Zell ſeinem Sohn einen Apfel von dem Haupt ſchies

Ben mußte. Nach der That übernahm den Mann das Gefühl , daß Gott mit ihm fey , fo , daß er bekannte ,

er würde bey ſchlimmerem Glúť den Sohn gerochen haben. Der Vogt , beſorgt wegen ſeiner Verwandten und Freunde , getraute fich nicht, Wilhelm Tel im

Land Uri hiefür gefangen zu halten , ſondero führte ihn (mit Verleßung der Frenheit , welche die ausländi. ſchen Gefangenſchaften verbot) über den Waldſtetten :

fee.

Da fie nicht weit jenſeit des Rütli gekommen ,

brach aus den Schlünden des Gotthard plößlich der

fötn mit ſeiner eigenthümlichen Gewalt los 227) : 18 warf der enge See die Wellen wåthend hoch und tief ; mächtig rauſchte der Abgrund 228 ) , ſchaudervoll rönte burch die Felſen ſein Sall. In dieſer großen Todes: noth befahl Gabler boll billiger Furcht, Wilhelm Tela

yen, einem ſtarken, måchtigen Mann 228b), den er als

Befhichte der Soweig.

109

vortreflichen Schiffar kannte , die Feſſeln abzunchmen. Sie ruderten , in Ungſt , vorber die grauſen Felſens ufer ; fie kamen bis an den Urenberg , rechts wenn

män aus Uri fábrt. Un dieſem Ort ergriff Led ſein Schießjeug und nabm den Sprung auf einem platten fels 229). Er kletterte den Berg hinauf , der Kahn

prellte an und von dem Ufer ; Lell floh durch das fand Somj; auch der Vogt entfam dem Sturm. 918 er aber bey Kißnach gelandet , fiel er durch Zells Pfeil in einer boblen Gajie binter einem G båích hervor.

Herrmann Geßler nahm dieſen Ausgang vor der zu Befreyung des Landes verabredeten Stunde, ohne Theili

nehmung des unterdrückten Bolts , durch den gerechten Zorn eines freyen Mannes. Dieſen wird niemand miß. billigen 230) , als wer nicht bedenkt , wie unerträglich . dem feurigen Gemüth eines tapfern Jünglings Trek , Hobn und Unterdrůdung der uralten Freyheit des Vas terlandes , zumal in dieſen Zeiten 231 ) war.

Seinc

That war nicht nach den cingeführten Geſetzen , ſons deru wie die , welche in den alten Geſchichten und in den heiligen Büchern an den Befrenern Athens und

Roms und an vielen Helden der alten Hebråer darum gerühmt werden , auf daß für Zeiten , wo die uralte Freybeit eines friedſamen Bolks überlegener Madyt nicht widerſtehen könnte , zum fobn . der Unterdrůčer

jolde Månner aufgenåbrt werden, Geſetzmäßige Rita

JIO

1. Buch . Achtzehntes Kapitel.

genten ſind heilig ; daß Unterdrůder nichts zu fürchten baben , iſt weder nöthig noch gut. Die Zhat Wilhelm Tells gab dem gemeinen Mann höhern Muth ; aber es war zu beſorgen , die Gewalt fandenbergs und aller Burgvögte möchte durch Wachſamkeit befeſtiget wers

den. Die Verſchwornen ſchwiegen ſtill. Das dreyi gebnbundert und ſiebente Jahr wurde vollendet:

III

Der Geſchichten

Schweizeriſcher Eidgenoſſenſchaft e s 3 wen ttes

8 B

c. u ch.

Lernt , Brüder , eure Macht; ſie iſt in unſrer Treu. würde ſie noch jeßt bey jedem Leſer neu ! Haller.

Er ft e 8 si a pitel. Der erſte Tag des dreyzehnhundert und achten Jahres ; die Sdlacht am Morgarten ; der vier Waldſtette ewige Eidgenoſſenſchaft. ( 1308-1334. )

In der erſten Stunde des Jahres drenzebnhundert Werjagung und acht) wurde ein Jüngling zu Unterwalden , aus der Vögte, der Zahl deren , welche die Befreyung der Waldſtette verſchworen , von einer Magd auf der Burg Rozberg an einem Seil in ibre Rammer hinauf gezogen 1b) : ſein warteten imi Graberi der Burg zwanzig Freunde des

Landes , die er mit eberi dieſem Seil die Mauer hinauf

II. Buch . Erſtes Kapitel.

11 %

Die Jünglinge nahmen den Boraamtmann, fein

zog.

Geſinde und vier Knedite gefangen , bemeiſterten ſich des Tbors und waren ſtil .

Frůh am Tag , als zu Sarnen Vogt landenberg bon der Burg berab in die Mefie gieng , begegneten

ihm zwanzig Månner von Unterwalden mit Kålbern ; Ziegen , Låmmern , Hühnern und Haſen , zum Neu. jahrsgeſchenk, nac uralter Sitte im Gebirg ?) und in den benachbarten Låndern. Der Vogt , ihrer Gabé bergnügt, ließ die Männer fie iu die Burg bringen. Als die zwanzig in dem Zbor waren , ſtieß einer ders felben íit dås Horn 2b ); auf dieſes Zeichen langte jes der aus dem Buſen ein Eiſen und ſteďte es an ſeinen geſpißten Stock ; aus dem Erlenbolz rannten dreyBig ihrer Sefellen durch das Waſſer auf die Bürg , und nabmen mit ibnen die Einwobner gefangen.

Da gas

ben ſie das Wabrzeichen , worauf das ganze Land Uns r térwalden ob und unter dem Kernwald in augenteiner

Bewegung für die Erbaltung der Freybeit aus allen Dorfſchaften zuſammenfam ; von Alpe zu Alpe ergiens gen die verabredeten Zeichen. Da murde von den 1

Månnern zu Uri der Twingbof 2 ) eingenommen ; der

Stauffader zog mit allem Molk von Schwng an den Lowerzerfee ; daſelbſt brachten ſie die Burg Schwanau alſobald in ihre Gewalt 2 d) ; auf dem Waldſtettenrec

begegneten fich die eilenden Boten mit froher Nach. ridht 2e ).

113

Geſchichte der Schweiz.

An dieſem Tag , da in Melchtbal der blinde Bas ter ſich des libens wieder freute , und in Alzellen das Weib deß beimkommenden Mannes froh ward , als 1

Walther Fürft ſeinen Tochtermann öffentlid ehrte, und in Steinen Stauffadhere Frau allen , welche mit ibm .

in dem Rütli und bey Powerf waren , gaſtfrey das

Haus Offnete 2 f) , im erſten Augenblick des Gefühls

der wiedererlangten Freyheit , als die Burgen gebros chen wurden , wurde kein Tropfer Blut vergoſſen und keinem Herrn ein Recht genommen 28). Alo Uis fandens berg , da er aus der Kirche durch die Wieſen von Sar. nen gegen Alpnach flob , ereilt wurde , mußte er , wie

andere von den Burgen , Urfelde 3) ſchwören , daß er nicht wieder in die Schweizeriſchen Waldſtette kommen wolle. Er zog zu dem König ; die Schweizer an dem

folgenden Sonntag kamen zuſammen und ſchwuren den uralten ewigen Band 4 ).

Im Anfang des Frühlings kam der König Albrecht Wiederkos in die vordern Erblande, um wider das Königreich Bö, nig umges kommen. beim zu růſten ). Kriegsvolt von ihm lag vor Fürs ftenſtein , dem Schloß Werners von Rothberg Dienſt. manns des Hochſtifts Baſel; denn der König (zuwi. der der Parten , welche ſein Vater zu Baſel beſchirmte und ungrådig der Kirche, weil den Sißgau ) , nach deſſen Kauf er ſelbſt verlangte , Biſchof Peter Aidhipal ter, ein ſehr kluger Mann ób), zu dem Hochſtift erwarb) weigerte dem Biſchof Otto von Granſon, ſeinem Nadja .

1. Müller's Werte. XX ,

8

1

1

114

II. Buch. Erſtes Kapitel.

folger , die Ertheilung der leben vom Reid); daber als

der König zu Baſel im Hof der Herren Mönch ) war, Hugo zur Sonne den Biſchof kaum mit lift abhielt, Hand an ihn zu legen 8). Das Hoflager war zu Rhein, felden ; der König , begleitet von den geiſtlichen Kurs fürſten , Herzog fubewig zu Bayern , den Biſchofen

von Straßburg und Speier 8 ) , durchzog Thurgau und Aargau. Von Wintertur kam er nad Baden. Johann war mit ihm , der einzige Soba feines 1

Bruders Nudolf; unmuthvoll, weil , da er doch volls jährig war ), Albrecht verzog , ifm ſeines Vaters Theil an dem Habsburgiſchen Erbgut und'an gemeins ſchaftlichen Leben 10 ) zu geben ; der König wollte zu ſeiner Befriedigung ein fernes land in Sachſen erſt era obern I ). Zu Baden wurde ihm Abt Heinrich von S. Gallen durch den Ritter Ulrich von Klingenberg

vorgeſtellt, mit viel vergeblicher Bitte und Fürſprache der Großen , weil , da er , nach erlaubter Zerſtörung von Schwarzenbach , Wyl wieder gebaget und bevole kert hatte, der König dieſe Stabt ihm vorenthielt. Hiers

auf befahl der König, daß den Waldſtetten kein Hans det und Wandel erlaubt werde, und war entſchloſſen zu

derjenigen Strafe ihrer That, wilche er an andern BSI. terſchaften geübt hatte.

Herzog Johana (gereizt vom Anblick Herzogs fros pold , Sobno des Königs , der von gleicher Jugend

und in großen Ehren und Gütern war , und bewogen

Geſchichte der Schweiz.

115

von vielen Aargauer Edlen , welche, der traurigen Habſucht Albrechte überdråbig , Jobanno Herrſchaft mit Ungeduld erwarteten ) bat um das fand , welches

bey des alten Könige Leben ſein Vater beſonders zu verwalten pflegte 12) , mehrmals vergeblid)! Worauf er traurig , bold Furot , voll Mißtrauen , vor ſeinem Dbeim und vor deffen Sohnen , ſeines Glud perzweis felte, und bittere Klagen in den Buſeu geliebter Freun,

de ergoß. Obichon ſie ihre Hülfloſigkeit fühlten , wur. den ſie durch ſein Unglück gerührt , und entzündet , Al brechten zu zeigen , daß wer nichts fürchtet, wer er

immer feyn mag , furchtbar iſt. Es dåudte ſie , daß ein Oberberr , welder dem Lebensmann ſein Recht vers

ſagt , den Schirm des Rechts , das er bóýne , ſelbſt verliert , und Gewalt Nothwehr wird. Alſo beídloß dieſer junge Fürſt mit Herrn Walther

von Eſchenbach , Herrn Rudolfen von Balm , Herrn Rudolfen von Wart und Konrad von Degerfeld Ritter, den König Ulbrecht umzubringen 13). Der Herr von Eſchenbach , aus einem uralten Abel , deſſen ein Zweig lang mit Ruhm und Glanz die Sdnabelburg auf dem Albis beſaß 13b) ; er ſelbſt Urenkel Walthers , welcher dieſe Burg zu ſeinen übrigen großen Gütern ererbt ,

und auf anmuthigen Höheu das Kloſter Cappel geſtifo tet 14) , Enkel eines andern Waltber , welcher das Erb

der machtigen Herren von uſpunnen , Frutigen und

Oberhofen erwarb 14b) , Sohn Berchtolds, der in Kdo

!

116

II. Buch . Erſtes Kapitel .

nig Rudolf& Dienſt umgekommen , und einer Lochter Herrn Lütolds von Regensberg 15) , war von dem fluffe Reuß über den Ulbis an dem See und bis unter

Zürich, im Oberländer Gebirg als Kaſtvogt von Inters lachen 16) , und großer Gåter Erb, ein reicher Freys berr , zu Aargau , Thurgau und Rbåtien 17) des bors nehmſten Adels Verwandter. Er þatte einen gebildes

ten Geiſt; Freunde des Guten und Sdónen mochter ihn lieben 17 b ). Dieſer Frenherr hatte perſönlich zu

beklagen , daß des Königs Gewalt Rechte ſeines Haus fes nicht erlenne und vergefie, wie ſein Vater für Kos

nig Rudolf das Leben hingab 17c), Der Freyherr von S

Wart war fein Better 18) ; mit Balm war er benach .

bart, die Burg Wart lag in der Grafſchaft Kiburg auf der Höhe eines weinreichen Berges ; Balm unter der Grafſchaft Lenzburg 18 b); dem Herrn von Zegers feld 19) aus der Herrſchaft Baden war die Sorge der Erziehung Herzog Johanns aufgetragen . Der Tag , den ſie beſtimmt, vergieng ; Anlaß oder Entſchloſſenheit fehlte.

Da drůckte einen der Bers

schwornen die Angſt der Sduld oder folgen , er beich .

tete; ſeine Buße wurde, den König zu warnen. ul. -brecht , in der Meinung daß der Neffe ihn fchreden wolle, hörte die Ausſage ungläubig und kalt 19 b). Morgens , an dem Tag wo ſie den König todeten , bat Johann nach der Merle den Kurfürſten von Mainz und den Biſchof zu Coſtanz, mit ſehr nachdrud'évollen

4

Geſchichte der Schwelg.

117

Worten , mit Albrecht am fein Erbtheil zu ſprechen . .

Der König rief ibn , verſprach , auf unbeſtimmte Zeit. Zugleich ſuchte er ihn durch den Mainziſchen Kurfürs ften zu bewegen , daß er den vorhabenden Krieg mit

Böhmen auswarte 19 ). Der Süngling ſchwieg , fein Herz wurde erbittert, murmelnd gieng er fort. Ul.

brecht, ihn durch Schein zu gewinnen , rief ihn zurück, erbot ibm Bundert Pferde nad eigener Wahl. Man

gieng zur Tafel. Ein Junker brachte Krånze. Al. brecht ſtand auf , trat umber , gab vielen , dem Neffen den ſchönſten . Aber der Schmerz ſeiner Seele war jes dem bemerklich 19d). Da kam Nachricht von Annähes rung der Königin , und wurde beſchloſſen , ihr entgegen zu reiten. Noch meinte der König den unglüdlichen .

Johann durch Ueberſendung der beſten Speiſen zu er. Heitern. Er , durch die liftigen Aufbeßer, die nicht ges dacht, daß er es ſo weit treiben würde 19e) , auf ewig abgewandt von feinem Dheim und König 19 ), begnügte ſich beym Aufſtehen den dren Berichwornen zu fagen : Er will reiten , mit wenigen 198 ) !

Mittewoch Nachmittages, am erſten May, in dein zehnten Jahr ſeit König udolf durch oder bey ihm era

(chlagen worden , ritt König Ulbrecht von dem Stein zu Baden , wo er mit ſeltener Froðbeit eine Mayen ,

fabrt bielt , herunter. Mit ihm waren , außer dem poni fandenberg und Eberhard von Waldfée , um wels

che er im Herzogthum gebaßt wurde , fcine angeſehene

118

II. Buch. Erfts Stapitel.

ften Råthe vom Land Deſtreich 20) , Pein Vetter Graf Burkard von Hohenberg , Hugo von Werdenberg , der bey Wintertur fiegte, der edle Grießenberg und viele andere Diener und Herren . Scherzend 20b) ritt der König durch die Ebalgrunge an die Ueberfahrt bey

?

1

Windiſd ) ; hier wurde er unter dem Schein ,, daß der Kahn möglichſt wenig beſchiert werden dürfe 21), durch die Verſchwornen von allen übrigen getrennt. Auf dem Stammzut in dem Eigen , durch das große Korn. .

feld unten an den Hügeln , wo Habsburg iſt , in der Ebene wo die alte Vindoniſſa lag , ritt König Albrecht zwiſchen dem von Eſchenbach und Wart ; Balm folgs te ; Johann fåumte , daß Schiff aufzubalten , daß es .

nicht ſchnel mehrere herüber hole. Da er kam, raunte man ihm zu , der Augenblic rey.da 21 ). Der König ritt , und redete mit Waliber von Caſtelen , Ritter ; auch einer von Finſtingen war da. Man kam in Ges 21 büſche 20) : Jobann hervor : „ Es iſt genug 21d) !“ Der von Eſchenbac fiel dem König in den Zaum ; Albrecht erſtaunt, hielt es noch für Scherz. Plößlich Herzog

Johann laut : „ Hier der Lohn des Unredote !" und

rannte den Speer ihm in die Gurgel 21e). Da (pal. tete Balm ibm den Kopf : da dlug Eſchenbab ibn durch das Antlitz 21 ). Betåubt ſtand Wart. Nach

einem lauten Schrey ſank der König ohnmächtig in ſein Blut ; ein armes Weib ſaß die Zhat , eilte ihn aufzus

nehmen ; der König ſtarb in ihrem School. In dieſem

1



Geſchichte der Schweiz.

119

Augenblick eilte fein alter Canzler , der Straßburgiſche Biſchof, berbey , fand ihn ſprachlos , küßte die blut ůberronnenen Wangen , ' lub ihn auf einen Wagen.

Ganz Brugk lief heraus ; das land bewegte ſich , Cas ftelen ſprengte den Mördern nad) , und kam zurüd mit drey ihrer Knechte (die aber in der Pein des Schlei. fend und Råderns ſtandhaft ſchwiegen ). Zwermal war ihm nach dem Leben getrachtet worden 22) , im

dritten Mal nahm er dieſen Tod ; folchen Todes ift por ihm und nach ihm fein König 23) noch Kaiſer der Deutſchen geſtorben 23b).

Der Herzog Jobann ichwang fich auf des Königs Pfern ; er und Krine Freunde, er(drođen als wenn dies

ſen Rath nicht ſie gefaßt, rannten ( Caſtelen verfolgte fie) verſchiedene Wege , haben von dieſem Tag an fich nie wieder geſehen 23C ). Der Herzog nahm mit einem Jůngling ſeines Alters die Flucht in das Gebirg , lag

wenige Tage zu Einſidlen , und irrte durch den Wald. Man weis nicht, wie bald , noch wo, dem Herrn von

Balm der Schmerz des Unmuthes das leben verkürzt 24 ), Von Tegerfeld bat niemand gehört. Eſchenbach mit Wart floh nad Falkenſtein , der Burg ſeines Dheims. In dem erſten Augenblick allgemeiner Furcht eines an.

geſponnenen Aufruhrs wider das ganze Haus Ul. brechts, führte Graf Burkard von Hohenberg in großer

Trauer den Herzog leopold auf den Stein zu Baden ; die Königin Eliſabeth , anfangs halb entſeelt (alle ibre

1

I 20

II. Buch. Erſtes Kapitel.

Kinder ſchrien zu Gott) , bald von der Große des Uno falls über ſich ſelbſt erbaben , berſammelte die Getreuen

und ſetzte Grafen Immer von Straßberg und Herrn Heinrich von Grießenberg , männliche, weife Månner,

unverdachtig und beliebt, zu Pflegern des vordern Lans des 25). In der Nacht als Albrecht ermordet worden , ritt ein Mann durch ſein Lager an die Burg Fürften .

ſtein , und rief , „ Herr von Rotberg , der König iſt ere „ſtochen .“ Das kager brach am folgenden Morgen auf, dem Bifchof zu Baſel wurde Friede und Geld ges geben ; in die Schweizeriſchen Waldſtette um Hülfe geo fandt : jede Burg , jeder Bergpaß geſtärkt und beſett; und geworben , daß Herzog Friedrich , des vorigen Kos

nigs Erſtgeborner , am Deutſchen Reich ihm folgen möge. .

Zürid räumte den Schutt von den bis ins brey. Bigfte Sahr unverſchloſſenen Zhoren 26), denn alle Städte

verwahrten fich . Der Abt Ramſtein von S. Gallen nahm in weniger als einem Sabr adot Steuern zu ſeis ner Bewaffnung. Zu Baſel, nachdem der Hof der Herren Mönch von dem Bildhof und Adel eingenom.

men und verwüſtet worden , mußte fie aus der Stadt ſchwören 27). Die son Sdwyk verſchanzten die Eine gånge des Landes ; die Unterwaldaer verwahrten durch Pfahlwerk die kandung an Stanzſtad , und erhobert einen feſten Thurm, dem fande zur Behr und Wacht28).

Hierauf betrachteten die Waldſtette rubig die Bewer

3

1

Geſchichte der Schweiz.

121

gung der umliegenden Gegend, und antworteten folgens dermaßen auf das Unbringen der Deſtreicher ; „ den Ros vaig , welcher und nie Gutes erwieſen , wollen wir

„nicht råchen an denen , die und nie Leid gethan ; wir „wollen kein Theil nehmen an ihrer That ; wir halten „ Friede mit allen , die uns ruhig laffen .“ Solothurn, welche nach einem Bund mit König Albrecht ihre Manus fchaft feinen Söhnen zuſchiďte , „fo lange ſie den Krieg

„ diefes tandes perſönlich führen,“ und Bern , welche .

fid Friedens mit ihnen begnügte , erneuerten auf emig ihren Bund mit einander 29 ). Die Stådte von Aar. gau , eingebent , wie viel mehr Gunſt von den Konie gen Rudolf und Albrecht ihnen bewieſen wurde , alb

denen von Adel , ſchwuren auf dem Stein zu Baden Behauptung der Herrſchaft. Von des Reichs Kurfürs ften wurde auf Empfehlung jenes Peter Nichſpalter ,

Erzbiſchofs zu Mainz , und nicht ohne Zutbun Otto'ng von Granſon , Biſchofs zu Baſel 29b) , Graf Heinrich you furenburg zum König erwählt. Herzog Leopold aber , verſtärkt aus dem innern Die Blut

Erbland, machte ſich auf, kam in die Burg Wart 296), race.. und brach fie, nadidem er alle Diener Herrn Rudolfs

umgebracht. Obidon Herr Jacob von Wart unſchuls big war an ſeines Bruders Gedanken , zerftorte der

Herzog rein ganzes Glück , ſo daß er das Alter zu Neftenbach , in einem Dorf ſeiner Voråltern , in einer fohlechten Hütte zubringen mußte. Farwangen , den

122

II . Budy.

Erſtes Kapitel.

von Balm vornehmſte Burg , wurde auf Gnabe geoff. net ; worauf der Herzog und Agnes reine Schweſter,

Wittwe Königs Andreas von Ungarn, drey und ſech bo, zig edle und andere Kriegsmanner , welche bis in den Tod ihre Unſchuld behauptet , vor ihren Augen in dem

Wald enthaupten laſſen 29d ). Dieſes wiederholten ſie ben Zerſtörung uitbürens, welcbe Burg ſechs und vierzig Mann für den pon Balm , ihren Herrn , bermabrten. 418 am Lage der Einnahme von Marchwanden , einer Burg des Hauſes Eidenbach , alle Diener Herrn Wal.

thers umgebracht wnrden , ſoll in der Wiege ſein Rind geminſelt haben , und von den Kriegsmännern ( ben wahrem Muth wohnt Menſchlichkeit) aus den Händen der Königin Agnes , welche es erwürgen wollte, kaum gerettet worden ſeyn 30). Es iſt kein Zweifel, daß dieſe

acht und zwanzigiåbrige Fürſtin, der angebornen Strens ge ibres Gemütbes nach 37) , dieſe Blutrache über rebr viele unſchuldige mit grauſamer Luſt 32) geübt. Als die benden älteſten Herzoge, Friedrich und feos pold, endlich auf den Berg Arbis und wider die Schnas

belburg zogen 32 b), wurde ſowohl aus den Waldſtetten wegen Andenkens alter Freundſchaft mit Eſchen . bac , als von den Zürichern , welchen die Burg nahe lag, ja von König Heinrich, Aufmerkſamkeit beſorgt 33). Alſo wurde den Zürichern , um Friede und Handel ,

von des Freyherrn Gut ein großes und fruchbares Feld mit einem Wald an der Sil (ihrer Stadt erſtes }

Geſchichte der Schweiz.

123

Gebiet) überlaſſen 33 b) , und Schiedrichter und Bårs gen der Schåßung und Erſtattung alles zufälligen Kriegsſchadens ernannt 34). In den Tagen als dieſe Burg mit allen ihren Dienern untergieng , ſprach zu Speyer König Heinrich 346) dié Neidsacht , wodurd alle wider Albrecht Verſchworne für todeswürdige Leute

und ihre Weiber für Wittwen erklärt, ſie ihren Freunden verboten und ihren Feinden erlaubt , ihr Gut ( nicht ohne Vorbebalt ihrer Kinder Anſprüche) dem Reich

verfallen , und alle , welche ſie aufgenommen , für mits Tchuldig erkannt wurden 35).

Herzog Johann war in Mönchegeſtalt nach Stalien gekommen ; er iſt, nachdem Kaiſer Heinrich ihn zu Piſa geſehen 36 ), in ſolche Dunkelheit verſchwunden , daß man von ſeinem Lebensziel nicht weis , wie hoch er es gebracht 37) , und ungewiß iſt, ob er bey den Uuguflis nern zu Piſa , oder als ein unbekannter Bruder in bo.

bem Alter im Eigen auf dem Stammgut geſtorben 38), und ob der Blinde, welchen viele zu Wien am neuen Markte betteln geſehen , Soba dieſes unglådlichen Fürs ften , wie er fagte 39) , und Urenkel König Rudolfs ges weſen . Walther son Eſchenbach ſandte feiner Gemab.

lin eine Urkunde ihres mitgebrachten Gutes ; hierauf lebte er fünf und dreyßig Fahre als ein Schäfer im fande Wirtemberg , bis er ſterbend ſich bekannte , und begraben wurde nach der Würde deg uralten Stamms, von dem nichts mehr übrig blieb 40), als der Nachhall

124

II. Bud . Erſtes Sapitel.

Deutſcher fieder. Der Freyberr von Wart , welcher die Zhat nur geſeben , wurde aus Hochburgund, als er zu Avignon von dem Papſt Sündenlobſagung ſuchte, bon Balms und von ſeiner eigenen Gemahlin Vetter ,

Grafen Diebold von Blamont , den Kindern König Albrechts überliefert 40b) , und von den Blutrichtern zum Tode verurtheilt. Als er mit gebrochenen Glies dern auf dem Rab geſpannt Ing 41), ſprach er nad ſeio

nem freyen Gemüth : 3d muß unſchuldig ſterben ; paber'in Wahrheit Baben auch die andern keinen Kou ,,nig erld lagen , ſondern den , welcher wider Ehre und ,, Eid eine blutige Hand an ſeinen Herrn, König udolf, gelegt ; wider Gott und Recht ſeinem Vetter , Hero . og Hanns , das fand vorenthalten , und wohl werth

geweſen wäre zu leiden , was nur ich. Mir vergebe „ Gott meine Sünden !" Mit nicht geringerer Stando haftigkeit blieb feine Gemahlin vom Hauſe Balm 42). (nachdem ſie, bey Gottes Gnade am jüngſten Tag , die Königin Ugnes vergeblich knjend um ſein Leben gea beten ) drey Tage und Nächte bis er ſtarb , ohne Naha rung , betend , unter dem Rad. Nach ſeinem Tode gieng fie zu Fuße nach Baſel und ftarb in untróftba .

rem Gram . Nåffeling, ſein Knecht, litt ſeines Serra Cod 43).

Nachdem , beſonders durch der Königin Ugnes, Ben trieb , mehr als tauſend unſchuldige 44 ) Månner, Weia

ber und Kinder 45), durch des Henkers Hand hingeridia 1

1

Geſchichte der Schweig.

129

tet wordent; ſtiftete Ágnes mit ihrer Mutter in dem Feld , wo der Mord geldab , ein Kloſter der mindern

Bråder und ein Clariſſinnen frauenflofter 40), welche beyde Orden mit gleiden Freybeiten begabt find 42). Ueber den Trümmern eines Palaſtes der alten Stadt Pindonilla legte Eliſabeth ihre Mutter den erſten Stein 48) ; fie baute den Froonaltar auf die Stelle, wo der König ſtarb ; an ſeiner Fahrszeit wurde im Ums

treis einer Meile allen Dürftigen Brot gegeven 49). In soller Freyheit von Steuern und Gerichten 50), aus dreytauſend Mart Silbers, wurde das Kloſter Königsa felden gegründet. Es wurde voa der Königin Elijaa beth und vielen edlen und fürftlichen Frauen mit Gutsob) an Zehnten , Kleinodien 51) und koſtbarem Gemand , aus der umliegenden Gegend aber von jedem, der Gott

oder dem Hof zu gefallen ſuchte, ſo reich verſehen, daß mehr als vierzig Schweſtern 52), die mit wenigen Brüs

dern wechſelweiſe Gottesdienſt bielten 53), der Zeit nach darin ſehr guten Unterhalt fanden 54). Agnes , welde son Jugend auf kein Gefallen trug en Ritterſpiel and

Hofpracht 546) , und ungern ibre Jungfranſdaft verlos ren 55) , wohnte bey dem Kloſter 50). Benn ſie vor der Morgenmahlzeit 57) Meſſe gehört und Nachmittag

mit ihren Dirnen Kirchengeråthe 58) gewirkt, pflegte ſie eine Leute Bibel und ein Buch von den Heiligen zu leſen . Sie faſtete ſtreng 586) und bewies Demuth im Fußwaſchen 58c), Liebe in Almoſen 58d) und ſolche Ans

1

126

Il. Buch . Erſtes Stapitel.

dacht im Leben, daß die berühmteſte Schweſter im Aars gau , Hildegard von Wollhauſen , durch die Königin übertroffen wurde 50) . Doch wünſchte fie vergeblich ,

daß Bruder Berdytold Strobel von Offtringen , ein als ter Kriegsmann weiland König Rudolf8 59b) , welcher unter Brugt in der Feldhöhle eines Berges mit Bru. der Niclaus von Biſdofzell einſiedleriſch lebte , in die Kirche ihres Kloſters kåme. Er ſprach zu ihr: ,,Frau,

,,es iſt ein ſchlechter Gottesdienſt, wer unſchuldiges .

,,Blut bergießt , und aus dem Raub Kidſter ſtiftet; ,,Gott bat Gefallen an Gätigkeit und an Erbarmung 6 ).“ Auch andere glaubten , „ die Königin ren eine wunders , ,,bare , liftige und gelowinde Frau , beberzt wie ein ,,Mann , auf deren Schein geiſtlichen Wandeld nicht viviel zu halten ſen 61),“ und leiſteten ſaumſelig die vers beißenen Wohltbaten 62). Indeffen wurde von dem König Heinrich nicht als Cntſcheis dung der lein die Anmaßung der Stadt Wyl durch den vorigen Schweiz . Unruhe.

König nach dem Zeugniß der eigenen Diener und

Råtbe Albrechts 63) für unbillig erklärt (4) ſondern er gab den Schweizern , ſowool für die Reidhsunmittels

barkeit 05) , als für ihre Unabhängigkeit von den aus. lånoiſchen Gerichten o ) , ben welchen ſie um die Zers

ſtörung der Schloſſer angeklagt wurden 67) , ſolche Ber ftåtigungsbriefe, daß ifre Feinde bey einem unpara

teniſchen Reichsvogt 68) fie niemals anzuklagen ges wagt. Was den Reichsvögten geſchehen , idien dem

1

I

Geſchichte der Schweiz.

127

neuen König nicht unbillig ; den Grafen von Habso burg batten die Waldſtette weder einen Schilling Eing fommend noch einen einzigen Korcht abgenommen .

Dreyhundert Eidgenoſſen begleiteten König Heinrid ), da er über lauſanne die Heerfahrt nach Italien unter. nahm 68 b ) ; die übrigen zogen mit ihren Heerden in das Gebirg. Dieſen Ausgang nahm König Albrechts von Deſts reich unruhige Bergrößerungsbegierde , daß er ſeinen Hauſe, auf Untoften des Zutrauens und Wohlwollens

der Fürſten und Bilfer, einige wenige Herrſchaften ers warb , und nebſt ſeines Bruders einzigem Soba die glånzeadeſte Dienerſchaft ſeiner Voráltern , und einen berůbmten Freyherrnſtamm , vor der Zeit mit fich in traurigen Untergang riß. Die Unternebmung der Shweis zer , wodurch damals ihr Zuſtand nicht im geringſten berändert wurde , gab Anlaß , einerſeits zu hundert und neunzigiábrigen Fehden und Kriegea 69 ), anderſuiis

zu der Uinfaſſung ganz Helvetiens und Hobenrbätiens in eine ewige Eidgenoſſenſchaft. Nad dem , für die Waldſtette con glüdlichen , Tod König Albredits trug

ſich dieſes zu ; durch jene bewunderungowürdige Zus ſammenfügung unvorhergeſebener Umſtände , wodurch , nach dem Zeugniß der Univerſalhiſtorie, eine unſichts bare Hand alle Nationen und ihre Gewaltbaber zu Zweden leitet , wovon ſie nichts willen.

In einer Febde des Kloſters zu S. Urban , braden Einfidelne

II. Buch . Erſtes Kapitel.

128

fiche! Unru: die Solothurner ſeinem Feind , Herrn Orchtulpt zu ben .

Hzingen , Landmann von Uri , eine Burg, die im Aars

1309

gau ſein war 7 ) ; die Schweizer blieben in ihren lands marken .

In dem Uuwillen mit Deſtreich hatte ſich auf der Seite Einſidlend, welches Kloſter in der Herzoge Kaſts vogtey war , Zweyſpalt über Güter erneuert. Die meiſten Conventberren achteten den fandmann gering , er aber fürchtete ihre geiſtlichen Waffen nicht. Dieſer Span wurde von dem Schultheiß , den Råtben und .

13II

Bürgern von Zürich pertragen durch einen Vergleich ůber ordentlichen Rechtsgang 71).

Denn es war den

Zürichern an dem Landfrieden gelegen , weil ſie durch ben Gotthard Handel nad Stalien trieben 72), und weil

viele Schweizer , nachdem das Haus Habsburg ihren Qandel mit Pucern geſtört, ihr Vieh und ihrer Weiden Ertrag , durch das Einfidelnſche , nach Zürich bringen wollten 73). In der vierten Woche dieſes Friedens thaten zwey Männer von Sdwyn mit ihrem Houſe die Wallfahrt nach den Einſidlen zu der Mutter Goto V

tes : da fie nad vollendeter Andacht (pazierten , kam der Pfarrer, der Schulmeifter und mit ihnen vier vor. nebme Conventherren an die fanbleute , und redeten mit ihnen von dem Volk zu Sdwok, von ſeiner Grobs

beit und Ungerechtigkeit , worin , " ſagten fie, ed ihm wnicht mehr gelingen werde , feit Herren , welche ſie

,,kennen , Richter ihrer Sachen ſeyn." Die Männer

129

Geſchichte der Schweiz.

yvon Schwyk antworteten , „fie begehren keine als „rechtmäßige Sachen ; im übrigen fey ein Freyherr

„nicht beſſer als ein freyer Mann . “ Deffen wurden die Conventherren zornig , langten Meſſer hervor, und brachten ihnen Wunden bey ; die Weiber ſchrieen laut , es ergob fid ein Zulauf des Bolts , worin die Mån. ner ſich zu retten permochten . Zu Schwyk verſamı melte der landammann Konrad ab berg die Gemeine

des Volks. Dieſe ließ durch einen Läufer in die Eins fideln berichten , die Gemeine von Sdwyk balte der

,,Frieden får ſchåndlich gebrochen .“ Dieſes mißfiel dem Abt Jobann von Schwanden , aber obwohl er die

Fehlbaren zu ſtrafen verhieß, war er zu gütig und nicht

Herr genug ; dieſes gab die Widerpart ihm zu verſtea ben. Da ſchrieb der Übt an Zürich um die verglidene

Rechtsform , nach welcher vier Schiedrichter alles ho, ren , und mit Rudolf Müller , Ritter , bes Rechtsgans ges Obmann , darüber entſcheiden ſollten. Die Lands leute in Erinnerung der Gunſt, welcher ſich die Con, bentherren von Seite des Richters gerühmt , erklärten , da die Mönche den Frieden gebrochen, ſo ſey Sdwyk

„ nicht verbunden dem Rechtsgang zu folgen ." Da feſtgelegt war, daß, wer den Rechtſprud nicht

annehmen würde , zweyhundert Mark Silber bezahlen ſoll, wurde dieſe Summe von dem Ritter Müller den

Schwyßern auferlegt; fie wiederholten, daß er nichts mehr zu befeblen babe. Hierauf wurden von dem Klor $. Müler's Werke. XX. 1

9

130

11. Duch. Erſtes Stapitel. 1

ſter die Friedensbürgert in die Stadt Zürich geſandt, zu effen und zu trinken auf Koſten des Feindes ; nad der Sitte der Zeit , als auch in bürgerlidhen Sachen zu Beförderung des G.borſams, Richter und Klåger bey dem Berurtheilten zu Gaſte giengen , oder in Schen ,

ken auf ihn zêd trut ?t). Diere lebten zu Zürich , bis .

die Züridyer ihnen befahlen beimzugeben ; die Schwyter beriefen ſich auf den Kaiſer. So lang der Kaiſer in Stalien war , und König Albrechts Haus die Blutra.

dhe ůste , zogen die Waldſtette, obwohl bewaffnet, nad Zürich an den Markt. 1313

U18 der Meyer von Burglen ſtarb, erhob der Edels knecht Hanns von Seedorf aus Uri , gegen Rudolf Zidudi , welder zu Glaris vom Anhang der Herzoge

war , eine lange Finde über ſein Erb. G.fübrt wurde fie im linithate, im Schachenthal, wo von der Wepcha

bis an die Gemsfoyer und bis an der Clariden Alpe

unverginglide Gleiſher zwiſchen fetten Weiden und ewigem Eiſe, oft faum für Reiſende der Pfad bequem iſt. Eilfjábrig wurde die Febde der Edlen , die Hers zen der fandleute trennten fich nicht s ).

Judeß verlor Graf Rudolf , ' Habsburgiſchen Stammo, Herr ju lauffenburg und Ropperſchwyl, die ihm von dem Kaiſer anvertraute Reid )evogter ; durch den erblichen Maß von Habsburg Deftreich wider Habs. burg Lauffenburg ?“). Herzog Leopold wurde bey dem Kaiſer mådrig , ſowehl durch Verlobung ſeiner Nidhte

Geſchichte der Schweiz.

131

Catharina von Savoyen 72), als durch den Eifer der Tap. ferkeit , womit er zu Mailand in ungewiſſen Aufruh. ren 78) für ihn ftritt 79), Eberhard, Freyherr von Bürge len, Reichsvogt nach ihm in den obern fanden, als die

Schwyker um jene zweyhundert Mark und um die Zeba

rung der Friedensbürgen auf ſeinen Spruch übereins tamen , vermodite , daß , wegen alter Freundſchaft , der Ritter Müller ſeine Forderung fallen ließ, und Bers ner Stauffacher , zu felbiger Zeit fandammann , mit

andern Landleuten aus den Waldſtetten , ſich verbürgte, für die Zehrung neunbundert Pfund auszubezahlen 80). Aber die Lucerner , Unterthauen der Herzoge , fubs 1314 ren bewaffnet mit einem großen Schiff, die Gans genannt , an den Thurm zu Stanzſtad , um das Land

Unterwalden zu überraſcen. Der Wächter , indeß er mit Fadeln dem Volk das Wahrzeichen ertheilte, wälzte eißen Mühlenſtein auf das feindliche Schiff. Als von ungefähr der Fuchs , das Marktſchiff der Urner , fich nåberte , wurden die fucerner durch mebr als Einen Zod bezwungen . Die laadleute von Schwyk hielten dafür , daß Friede durch Schrecken erworben werden müffe, weil , wer beſorgt, im Unterhandeln billig wird. Nachts am

erſten März umgaben ſie das Kloſter in den Einſidela ſo lonell, daß niemand entweichen konnte. Hierauf geldab , daß in allgemeiner Beſtürzung derer, welchen

die Religion des Drtes ein unverletzbarer Schirm

1

130

II . Buch . Erſtes Kapitel .

ſter die Friedensbürgen in die Stadt Zürich geſandt ,

zu eſſen und zu trinken auf Koſten des Feindes ; nad der Šitte der Zeit, als auch in bürgerlichen Saden zu Beförderung des Gehorſams , Richter und Klåger bey dem Verurtheilten zu Gaſte giengen , oder in Schen .

ken auf ibn zeditrit ?+). Dieſe lebten zu Zürich , bis die Zürider ihnen befahlen beimzugeben ; die Schwyker beriefen ſich auf den Kaiſer. So lang der Kaiſer in

Stalien war , und König Albrechts Haus die Blutra. de uste , zogen die Waldſtette, obwohl bewaffnet, nad Zúrich an den Markt. 1313

Als der Meyer von Burglen ftarb, erbob der Edels knecht Hanns von Seedorf aus Uri , gegen Rudolf Lidudi , welcher zu Glaris vom Anhang der Herzoge war , eine lange Fihde über ſein Erb. G.führt wurde

fie im linithale, im Schachenthal, wo von der Wepcha bis an die Gemsfruer und bis an der Clariden Alpe unvergånglid e Gleiſher zwiſchen fetten Weiden und ewigem Eije, oft kaum für Reiſende der Pfad bequem iſt. Eilfjábrig wurde die Fehde der Edlen , die Hers zen der fandleuté trennten ſich nicht 5 ).

Judeß verlor Graf Rudolf , ' Habsburgiſchen Stamms, Herr ju lauffenburg und Rapperſchwyl, die ihm von dem Kaiſer anvertraute Reichevogter ; durch

den erblichen Saß von Habsburg Deftreich wider Habs. burg Lauffenburg 26). Szerzog feopold wurde bey dem Kaiſer mådyrig , ſowohl durdy Verlobung ſeiner Nidte

Geſchichte der Schweiz .

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77

Catharina von Savoyeu 72), als durch den Eifer der Tape ferkeit , womit er zu Mailand in ungewiſſen Aufruh, ren 78) für ihn ftritt 79), Eberhard, Freyherr von Bürga len, Reichsvogt nach ihm in den obern fanden, als die

Sdwyker um jene zweyhundert Mark und um die Zah . rung der Friedensbürgen auf ſeinen Spruch übereins kamen , bermodite , daß , wegen alter Freundſchaft , der Ritter Müller ſeine Forderung fallen ließ, und Wers ner Stauffacher , zu felbiger Zeit fandammann , mit

andern landleuten aus den Waldſtetten , ſich verbürgte, für die Zehrung neunbundert Pfund auszubezahlen 80).

Aber die Lucerner , Unterthanen der Herzoge , fubs 1314 ren bewaffnet mit einem großen Schiff, die Gans genannt , an den Thurm zu Stanzſtad , um das Land Unterwalden zu überraſchen. Der Wächter , indeß er

mit Fadeln dem Volk das Wahrzeichen ertheilte, wälzte. eißen Nühlenſtein auf das feindliche Schiff. Als von

ungefäbr der Fuchs, das Marktſchiff der Urner , fich nåberte , wurden die Lucerner durch mehr als Einen Dod bezwungen , Die Landleute von Schwyk hielten dafür, daß Friede durch Schrecken erworben werden müſſe , weil , wer beforgt, im Unterhandeln billig wird. Nachts am

erſten März umgaben ſie das Kloſter in den Einſidela ſo ſchnell, daß niemand entweichen konnte. Hierauf geſchah, daß in allgemeiner Beſtürzung derer, welchen die Religion des Ortes ein unverletzbarer Schirm

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132

II . Butch .

Erſtes Kapitel.

fchien 81), jene Conventherren, auch Rudolf der Sdula

meiſter , der das Unglück dieſer Nacht in Verſen bes fungen 82) , und Jobann der Pfarrer, den der wunders

thätige Schauer der beitigen Capelle 83 ) nicht rettete , aus dem Heiligthum derſelben über die Berge nach

Sdwyk geführt wurden. Als der Abt auf der Burg zu Pfeffiton , wo er war, dieſe unerhörte bat ber.

nabm , indeß die Gefangenen in äußerſter Furcht ihreß Lebens oder anderer Pein waren, ſchrieb der übt, Herr

Låtold von Regensberg , deſſen Sohn Johann auch in ihrer Zahl war , Graf Rudolf zu Rapperſchwyl 84), Friedrich Graf zu Lokenburg und andere Freunde der unglüdlichen Condeatherren , fie, ihnen zur Ehre , wloszulaſien ; um deſto lieber werde jeder den Wald,

myftetten Freundſchaft beweiſen 85 ). “ Als der Gemeine die Briefe dieſer Herren geleſen wurden , befreyte fie ſie des Gefängniſſes und der Angſt; die Zehrung der

! Friedensbürgen wurde hierauf dem Stift angeſchrieben . Aber die Verwirrung der Zahlungen oder der Schauer ſo fübner Zhat machte , daß die Züricher , im Vertrag

eines, zweyjährigen Bundes , dem Herzog Hülfe vera ſprachen auch wider die Waldſtette 86). Zwerſpál:

Et gefdhaben dieſe Geſchichten in der Zeit , als ,

tige Kos

nach Kaifer Heinrichs frühem Tod , Ludwig Herzog zu Bayern und Friedrich der ältefte Szerzog zu Deſts reich um die Kidnigstrone warben. Uis die Wahlfürs ften und ganz Deutſchland fich theilten , wurde von den

nigswahl.

1

Geſchichte der Schwetz.

133

Waldſtetten in Erwågung der Gefahr unter Albrecht, König Ludwig angenommen ; welches Herzog Leopold mit åußerftem Perdruß börte. Es leuchtet in ſeinem ganzen Leben hervor, daß er in allen Dingen mit äußers ſter Kraft fühlte und handelte, von dem Nachdruck auf wallenber feidenſchaft alles erwartete , und wenn er ſich betrog , durch Zorn und Gram ſich ſelbſt und ang dern ſchrecklich wurde. Damals legte der Abt von Einſidlen und Gers Krieg wider

bard 806) von Benar , Biſchof zu Coſtanz, in deffen die Wald ſtette.

Provinz die Waldſtette liegen , den Bann auf fie , und

auf die Klage des Prälaten 87) wurden ſie ben dem kais ferlichen Hofgerichte zu' Rothweil in die Acht erklärt. Bon dem Bann befrente fie Peter Aidſpalter Kurfürft von Mainz , welcher über Coſtanz.Erzbiſchof iſt. Któn

nig Ludwig , mit großer Klage des gewaltthåtigen ,,Stolzes deren von Deſtreich , die alles zerſtören wol. „ len 88)," vernichtete die Acht. Leopold aber beſchloß , mit Macht in die Thaler zu ziehen , weil ſie nicht ges fürchtet ihm zu mißfallen , und weil , wenn er einges

brungen, ihre Unterwerfung ein Spiel zu ſeyn ſchien 88b). Man ftimmt überein , daß er dieſe Bauern mit ſeis nem Fuß zu zertreten" gedrobet , und viele Stride zu

Wegführung oder Hinrichtung der Vorſteber mitführen ließ 89) ; von den Wundern , welche ein bedrångtes Volk vermag, wiſſen die wenigſten Fürſten ; und er

verachtete dieſer Hirten ſchlechte Uebung in Künften

2

II. Buch . Erſtes Kapitel .

134

des Kriege. Die Benachbarten, beſorgt für ſich (weil nad Ueberwindung der Soweizer wider die furdytbare Gewalt von Deftreich in dieſen Landen weder für die

Freyheit eine Hülfe , noch für den Udel Freyſtatt feyn würde) ſuchten durch Vermittelung die Waffen Leos polds abzuwenden. Da er aber von den Waldftetten mehr forderte, als mit ihrer Freyheit beſtehen konnte go), antworteten ſie Grafen Friedrich von Tokenburg, ,,EB

,,kame wohl uns zu , über den Herzog zu klagen : wir ,,wollen ihn , wenn er uns überziehen will , mit Gott erwarten , und ſeiner Macht uns webren ." Billig

zogen ſie die Noth einem nachtheiligen Frieden vor : Wenn die Erfahrung lehrt , wie verderblich jedem Volk

die Mathloſigkeit iſt, was måßten die geworden ſeyn , welche nur frey bleiben wollten , wenn die Zuverſicht fie verlaſſen hatte , durch feſten Muth frey feyn zu lonnen !

Als das Beylager König Friedrichs mit Sſabelle

von Aragonien und Herzog8 Leopolds mit Catharina von Savoyen zu Baſel mit vielen Ritterſpielen in gros

Ber Pracht gefeyert worden 91) , 30g Leopold , borben Solothurn , welche Stadt fich weigerte ſeinen Bruder für König zu erkennen , auf den Stein zu Baden , WO

ſelbſt er Kriegsrath hielt und folgenden Plans überein. tam : „ Auf daß der Krieg wider die Waldſtette fo

mrdhnell als glüdlich geführt und geſchloſſen werde, wird an verſchiedenen Gegenden ein dreyfacher Uns

seichichte der Schweiz .

135

..griff geſchehen müſſen : Wenn die Schweizer dieſen ,,Unſchlag erfahren , ſo wird ihr Bund, worauf ſie tros ,, tzen 92) , ſich auflöſen , und ſie werden an allen Orten idylecht widerſtehen ; oder wir werden die Feinde über. raſden , an dem Ort ſchlagen , an dem Ort auf

,,balten , umringen und endlich aušrotten .“ Hierauf wurde beſtimmt, aus welchen Gegenden , durch wen jeder Angriff unternommen werden ſollte, und als die Geſtirne der Sade Deſtreichs günſtig dienen , und ja

der ſich mit Fleiß gerüſtet, brach Leopold auf. Graf Otto den jüngern 93) von Straßberg , welcher pfand weiſe von den Königen die Reichsvogtey in Oberhasli und von den Herzogen das Erbgut Walthers von Eichenbad 94) innehatte , war es (nach der Freunds daft , welche zwiſchen Deftreich und Graf Peter von

Greyerz 95) und nach dem Unwillen , der zwiſchen dem Ådel und freuen landleuten war) cin leichtes , mit viertauſend Mann aus dem Oberland an die landmar.

ken der Unterwaldner hinauf zu ziehen. Unter den Amtleuten zu William , Wolhauſen , Rotenberg und fucern rüſteten ſich mehr alá tauſend Mann , das Land Unterwalden von dem See her anzufallen .

Der Herzog felbſt (majeſtätiſch groß und ein rits terlicher Held 95b) ) kam in zwey Saufen auf Zug ; die fowere Reiterey , welche ohne genugſame Unters

ſcheidung der Gegenden und Waffen , Stolz und fern der Heere dien , zog in großer Anzahl voran : 1

,

1

bor

136

II. Buch . Erſtes Kapitel .

dem Anfang neuer Kriegskunſt geſchah die Ordnung nach eines jeden Muth. Es zog unter dem Geldenmů..

thigen Herzog von den Ufern der Thur und von der Aare der ganze alte Abel von Habsburg , von lenzo burg und von Kiburg ; der Marſchau von Hallwyl, den Herzogen zu allem getreu 9 ) , traurig über den

unglüdlichen Stoß , welchen er beym Ritterſpiel einem edlen Gegner gab 92) ; fandenberg raddurftig ; wie auch die Geßler ; mehrere von Bonſtetten 97b) , wels chen aus langer Beberrſchung die Gegend um den Aegeriſee bekannt war 97 ) ; Graf Heinrich von Monte fort zu Tettnang , aus Adelſtolz oder aus Dienfteifer der Waldſtette bitterer Feind ; zwey Grafen von Thun und von Lauffenburg , wetteifernd um den Ruhm ih, rer erſten Waffen ; faſt ungern Lokenburg, aus Dank, weil ifm die Herzoge die Pflegerſchaft von Glaris

und Gaſtern 98) gaben ; ja auch Werner von Honberg, ein tapferer Graf 99), weil Deſtreich die Schirmvogs tey über Einfideln hatte , von welchem Kloſter ' er Leben trug 996) ; oder hoffte er einſt Rapperſchwyl zu erers

ben 100 ) ? Es trat ihnen bey , zu Zug , wer aus altem Haß der Bürger 101) der Freyheit gram war , und aus billiger Scheu die Waffen für den Herzog ungern 102)

ergriff; es kamen bundgemåB funfzig Bürger von 1

Zürid) , alle gleichfarbig bekleidet 103) ; es führte von Einſideln des Kloſters Polk von Wald und See 104),

Herr von Urikon unter dem Banner des Stifts.

1

Geſchichte der Schweiz.

137

Aber die Landleute von Sdwyk veränderten keiness Schlacht b.

weges ihre Geſinnung. Von dem rothen Zhurm auf Morgar: ten. dem Weg in die Einfideln , gieng bis an den Thurm Schoren die Verſchanzung der Eingånge des Lana des 105) ; die Eidgenoſſen erwarteten die erſte Mahnung eilender Hülfe. Auf die Nachricht von dem Anzug der Feinde machten fie fich auf ; bey anbrechender Nacht landeten zu Brunnen im Lande Schwyz vierhundert Månner von Uri ; worauf nach wenigen Stunden drey, !

bundert 106) Unterwaldner daſelbſt ankamen ; alsdann zogen ſie die Wieſen hinauf in den Flecken Schwyz . Daſelbſt war ein alter Mann , Rudolf Reding , von dem Weiler Biberegk genannt , an Leibeskräften ro ſchwach , daß ihn die Füße nicht mehr trugen , aber ſo kriegserfahren und klug , daß das Volk ihn begierig an, borte und ihm folgte. ,,Vor allen Dingen , “ ſagte er, ,,müſſen ſie ſuchen des Kriegs Meiſter zu werden , das ,,mit nicht auf den Feind ankomme , ſondern auf fie, , wenn , wo und wie der Angriff geſchehen ſoll; dazu ,,werden ſie kommen vermittelſt einer guten Stellung . ,,Sie , an Zahl viel die Sdwächern , müſſen trachten , „ daß dem Herzog die überlegene Macht nichts belfe , ,,und ihr kleiner Haufen müſſe in keiner als der ents wſcheidenden Stunde und nicht ohne Vortheil ſein Leben

,,wagen . Der Herzog werde von Zug nicht auf Art ,,tommen , denn Stunden weit reg dort ein Berg und

, hier der See 100b ) ; der Paß von Zug durch den Wald

138

II, Buch .

Erſtes Kapitel .

,,und durch das ftille Thal an dem Alegeriſee 106 ) levy

,,von faſt gleicher Beſchaffenheit, aber die Gefabr rey „ viel fürger ; bier werde alles auf den Gebrauch der ,, Augenblide anfommen.

Sie spiffen woll , daß die

,,Aabdbe des Morgarten 107) eine natürliche Scanze ,,vorſtelle, über welcher die Altes Matte ſich in eine „nicht unbetråchtliche Ebene ausbreite ; mit dieſer bange „ der Berg Sattel zuſammen ; von dem Sattel herunter ,,könne mehr als eine Sache mit gleichem Glück geſcher

ET

1

„ ben , von dem Berg über die Ulte , Matte auf den ,,Morgarten Anlauf zu nehmen , um den Feind in dern ,,Paß zu erſdređen , ihm in die Seite zu fallen , und ,,ihn zu trennen, oder im Thal dem vorgerůčten Feind win den Rüden zu fallen, oder ihn an allem zu verbin, 1

dern und ihn abzuſchneiden. Alles werde dabarch ,,leichter werden , weil der Feind fie verachte, und weil

,, Vertheidigungskrieg am beſten von denen gefüört

1

,,wird , welde das Land wohl kennen . “ Als der alte Reding dem Vaterland ſeine Pflicht ſo bezahlt , und ibm die landleute gedankt , nachdem ſie, nad alter Sitte der Waldſtette , kniend , Gott , ihren einzigen

Herrn, um Hülfe gebeten, zogen ſie aus, dreyzehnbuns dert Eidgenoſſen , und legten fid) an den Berg Sattel. Es geſchah , daß in dieſen Zeiten großer Parteyung , da bald kein Streit ohne Gewalt geſchlichtet und keine Fehde ohne zahlreiche Verbannung vermieden werden konnte , funfzig Månner aus dem Lande S bwys ver ,

1

Geſchichte der Schweiz.

139

trieben waren 107b). Dieſe , als ihnen die Gefahr der öffentlichen Freyheit ihres Vaterlandes kund wurde , tamen an die landmarfen , um Erlaubniß zu erbalten,

durch mannhafte Vertheidigung des gemeinen Beſten mit jenen auf dem Sattel ſich ihrer Abſtammung wür. dig zu beweiſen . Die Eidgenoſſen , welche für unges ziemend hielten , nm einer Gefahr willen ein Geſek abs

juåndern , wollten ſie nicht inner die Gränzen aufneh , men ; die Funfzig legten ſich außer die Landmarken aut den Morgarten und beidyloßen für das Baterland ihr Leben zu wagen 103).

Die Morgenróthe des funfzehnten Wintermonats in dem dreyzebnbundert funfzehnten Jahr gieng auf , und bald warf die Sonne ibre erſten Stralen auf die Helme und Küraffe der heranziehenden Ritter und edlen Herren ; ſo weit man ſab , glimmerte Speer und fange und war das Heer ; das erſte Keer , ſo weit fich das Ungedenken der Geſchichten erſtredt, welches in die

Waldſtette zu ziehen unternabm. Bon den Schweizern wurde es unter mancherley Gemüthsbewegungen am

Eingang der Landmarken 109) erwartet. Montfort von Lettnang führte die Reiterey in den Paß ; bald wurde

zwiſchen Berg und Waſſer die Straße mit Reiterey an. gefüllt, und ſtanden die Neihen gedrångt. In dieſem Augenblick wurden von den funfzig unter lautem Ges forey viele aufgebäufte große Steine den Morgarten Herabgewälzt, und andere mit großer Leibeskraft in die

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II. Buch . Erſtes Kapitel.

Schaaren geſchleudert. Als die dreyzehnhundert Mann auf dem Berg Sattel die Schüchternheit und Verwirs

rung der Pferde wahrnahmen , ſtårzten fie in guter Ordnung herab und fielen in vollem Lauf dem Feinde in die Seite , zerſchmetterten mit Keulen die Rüſtungen

und brachten mit langen Halbarben 110) Stichwunden oder Hiebe , nach Gelegenbeit bey. Da fiel Graf Rus dolf Habsburgiſchen Stamms zu lauffenburg , es fies len brey Freyberren von Bonſtetten , zwey von Hall. wyl, drey von Urikon, und von Lokenburg vier ; zwey

Geßler wurden erſchlagen , und fandenberg nicht mehr verſchont; von Uri fiel Walther Fürſten Sohn oder Vetter , der Edle von Beroldingen , und Hoſpital, der wider den Willen ſeines eigenen Sohns für die Landess freyheit ſtritt. Es war in dieſem engen Paß bey balb überfrornen Straßen die Reiterey zu allem unbehålflich ,

indeß des Fußvolks langer Zug dieſes kaum vernahm , und viele Pferde aus der ungewohnten Schlacht ers Idroden in den See ſprungen ; bis , als mehr und mehr die Blüthe des Abels fiel in ) , er gewaltig hinter

fich drang , ogne daß die Gegend erlaubte , daß daß Fußvolk ſich öffne. Da wurden viele von ihren Krieges

geſellen zertreten , viele von den Schweizern erſchlas gen ; bis da auch alle Züricher umgekommen an dem Ort, wo ſie geſtanden , und kaum leopold , von einem

landkundigen Mann aus dem Schreden der Schlacht gerettet , vermittelft abgelegener Pfade todblaß und in

1

Geſchichte der Schweiz.

141

tiefer Traurigkeit nach Wintertur floh 112 ) , das ganze Heer von Deſtreich die unordentlichſte Flucht nahm , und inner anderthalb Stunden die Schweizer durch den Muth und Verſtand, womit ſie die Ungeſchidlichkeit

ihrer Feinde nußten , ohne beträchtlichen Verluſt einen vollkommenen Sieg erhielten. Straßberg , von deffen Unternehmung die Zeit und

Stårke zu . Unterwalden kaum bermuthet wurde 13) ,

zog an eben demſelben Tag unverſehens über den Berg Brünig und fiel durch den Wald mit viertauſend Mann in das fand ; von fungeren kam er ohne vielen Widers

ſtand nach Sareln , Sarnen , und bis an die Alpnas cher Bucht im Waldſtettenſee, zu der Zeit als die Mann , ſchaft von Lucern zu landen verſuchte bey Bürgiſtad . Als die Dberwaldner mit ſchneller Botſchaft von Stang

Külfe begehrten , begegnete ifr Eilbote dem , welcher fie nach Stanz um gleichen Beyſtand wider die kucero

ner mahnte . Jede Hälfte des Volks_trachtete auf das fleißigfte mit außerſter Gefahr den Feind aufzubalten , indeß fie eilends aus dem Rande Sdwyk die dreybuns

hundert Unterwaldner zurüđberiefen . Der Ueberbrin . ger dieſer Botſchaft , als er bey Brunnen landete , ver,

nahm , wie glücklich Morgens um neun Uhr der Paß behauptet worden . Denn als weit und breit kein Feind mehr erſchien , war die größere Anzahl der Kriegsmåns

ner , von den fandleuten bewirthet und begleitet , an .

den Waldſtettenſee hinab gekommen . älſobald ſtiegen

Straß: bergs Zug.

142

el II . Buch . Erſtes Stapit .

die Unterwaldner in išre Schiffe ; als aber die Urner

und Sowyßer begehrten , mit ihnen den Feind aus

Unterwalden zu ſdjlagen , entſchuldigten ſich die dreys hundert ( welche , ' wobl wetteifernd , Begierde hatten

diefes allein zu thun) dadurch , daß die landesvorſtes ber nicht geboten hatten , die Eidgenoſſen zu mahnen.

Doch war unmöglich hundert Mann von Schwyz abs zuhalten. Alſo fuhren vierhundert Mann bey gutem Wind mit größter Geſchwindigkeit hinůber , landeten ben Buchs , und dhlugen die Lucerner in übereilte Flucht, alſo daß viele im Waffer umkamen. Das Volk , nach Befreyung des Landes bey Stang , eilte

mit Siegégeſchrey nad Oberwalden. Die Oberwald , ner ſtanden bey Kerus, vernahmen des Udels Verluſt und Flucht , und eilten frob gegen Ulprac); daſelbſt war Straßberg. Was viele gute Feldherren bemerkt

haben , wurde in derſelben Stunde bekräftiget , nåme lich daß die Augen und Ohren' am erſten überwunden werden " +) : Als der Graf Siegsgeldres forte und Fahnen fag , von welchen er wußte , fie waren im

fande Sdwyk geweſen, zweifelte er weder an dem Uns fall Herzog8 leopold , noch daran , was zu thun ihm ſelbſt übrig blieb. Er befahl den Rückzug, und um , ibn zu bedecen, ſudyte er ſelbſt mit Wenigen die Unters

waldner aufzuhalten , bis , da er in die linke Hand beripundet wurde , alle über die Renk rac Winkel auf der Seite nach Lucern floben. Es war an dieſen bers

1

Geſchichte der Schweiz.

143

chiedenen Orten , und in den meiſten Kriegen der Eid. .

genoſſen , die Anzahl der Feinde die ungleido größere ; aber ſie wurde , wie in den Kriegen unſerer Zeit , auß Furcht oder Sonieicheley , aus Unwiſſenheit oder mit Vorſak , auch entſchuldigungsweiſe, von verſchiedenen großer oder geringer angegeben 15). Billig hat in als ten Zeiten Saluſtius , einer der Großen unter den Ges

ſchichtſdreibern , in ner ausfübrlidhern Beldreibung der Geſchichte von Rom folde Zahlen anzugeben uno

terlaſſen 116); endlich fommt am wenigſten auf die Menge der Erſchlagenen an, Siege werden richtig nach ihren Folgen geldtåkt.

Eben alß die Befriyung dieſes Landes den Eidges noſſen berichtet wurde , in demſelbigen Augenblid lan. deten dreybundert Månuer von Schwutz und vierbuns dert Urner ; fie vernahmen den Sieg mit Freuden. Die Funfzig , die vom fande Schwyk vertrieben waren , wurden in das Baterland hergeſtellt. Hierauf beſchloſs ſen die Sdweizer , den Tag dieſer Schlacht jährlich wie einen Apoſteltag zu feyern , weil „ an demſelben

„ der Herr ſein Volk heimgeſucht, gerettet von ſeinen ,,Feinden und ihm den Sieg über ſie gegeben habe ; der ,,Herr der Almåchtige 117) !" Jährlich werden für die Landmånner , welche in den Schlachten des Vaterlans

des ihr leben hingegeben , Meſſen gebalten , und alle ihre Namen , zu Erinnerung ihrer Tugend , vor dem

Volt geleſen.

In derſelben Geſinnung haben die

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II. Buch . Erſtes Kapitel .

Waldſtette fich über gemeinſdzaftliche Rathſchläge oft in dem Rütli verſammelt; auf dem Hügel , wo der Vogt Landenberg wohnte , halten die Unterwaldner ob dem Kernwald ihres fandes Gemeine. So Ioblid

haben vor wenigen Jahren 118) die Jünglinge von gang Unterwalden , in dem Gefühl der alteidgenöffiſchen Zugenden , in Tagen da fie ſich das größte Bergnús gen zu machen gedachten , die Geſchichte der behaup.

teten Freyheit an den Orten, wo fich jedes zugetragen , und in den Sitten und Gebräuchen der alten Zeit , unter freudigem großen Zulauf ihrer Våter und alles Volks vorgeſtellt.

Indeß König Ludwig dieſe Siege mit großem Vers

Bundes,

gnügen vernahm 119) , erneuerten die dren Waldſtette erneuerung der Sowets zer.

zu Brunnen 120 ) den alten ewigen Bund ihrer Eidges noſſenſchaft , nach welchem alle Eidgeaoſſen , obwohl durch Berge und Waffer getrennt, eine einzige Nation, und wie das lager eines für die Freybeit růſtigen Bees

res werden. Sie wiederholten, daß, „ Wer eines Herrn fen, demſelben die ordentlidie Pflicht erzeigen , und „ im nur zu keiner Unbill wider die Waldſtette dienen

wol ; wer ſein Land hingibe , deſien Leib und Gut fer ,,als eineð meineidigen Verråthers den Eidgenoſſen vers „ fallen . Keine Waldſtatt ſoll důrfen ohne der übrigen ,,Nath einen Herrn annehmen ; überbaupt ſoll nie ohne !

„ den gemeinſchaftlichen Nath aller Eidgenoſſen mit ,,Uusländern eine Verpflichtung , und nur nicht eine /

1 1

Geſchichte der Schweigi

145

,,Unterhandlung angefangen und getroffen werden ; Ein. ,, ſtimmung rey nothig , wenn auch nur vertriebenen ,, Mördern 121 ) das Vaterland wieder geöffnet werdent soll. Im übrigen halten ſie und alle ihre Nachfoma ,,men den ewigen Eid , ſtet8 , auf eigene Unkoſten , in „ und außer Landes, wider alle, die an einem aus ibnent „ Gewalt übten oder üben wollten , mit Leib und Gut jedem Nats und Hülfe zu leiſten 122)."

Dieſe Grundlage der Schweizeriſchen Eidgenoffens Tchaft, befeſtiget auf Gerechtigkeit , die größte Ebre

einer Nation, and Friebe, das beſte Glück der Menſch heit , war von den meiſten Staatsverfaſſungen und Bundesvertragen durch äußerſte Einfalt und hobe ilns ſchuld unterſchieden . Eine Vereinigung ſo rein , beilig und ewig als die , deren die erſten Familier våter in bem goldenen Fugendalter der kaum bewobnten Erbe übereinfamen , und welche , ben vieler Verchiedenbeit

in den Formen , die Grundfeſte der Verfaſſung des ganzen menſchlichen Geſchlechte iſt 123).

Eben dieiet

Bund iſt voa den freyen Männern zu Schina , Uri und Unterwalden in dem achtzehnten Jahrhundert in dem Rütli erneuert worden 124 ). Jn wie fern ſpåteré

Eidgenoſſen dieſen Grundvertrag mit ihnen oder unter ſich nicht ganz haben , ' in ſo fern iſt ihre Eidgenoſſens (daft nicht ſo ſtark 125). Daher kommt es , daß die drengen und zugewandten Orte in der einzigen Sache

der öffentlichen Freuheit mit voller Kraft einer Nation $. Müller's Werke. XX,

10

146

II . Buch . Erſtes Kapitel .

Þandelten , weil dieſer Eine Gedanke in allen ihren Bündniſſen lebt. Alſo iſt ein Bund für Friede und

Recht (weil Freyheit nicht berubet auf der Form einer

Volksherrſchaft, noch auf einer Zunftregierung, noch auf der Geſtalt einer Adelsregierung , ſondern darauf, daß Friede und Recht berr[de), dieſer Bund iſt aller Helvetiſchen und Rhätiſchen Völkerſchaften einziges Band , ihr Geſetz, und ihr König ; nicht anders , als da in den großen Jahrhunderten der Hebräiſchen Rich ter , gang Iſrael keinen andern König Batte , als den Gott , welcher über der lade der Geſektafeln thronte. Ausgang Damals wurden die wenigſten Kriege mit aller des Kriegs. Macht eines Fürſten , ſondern faſt febdenweiſe von bes nachbarten Herrſchaften geführt ; und wie die Kriege unſerer Zeit auf des Bolts Unkoſten, zwiſchen Fürſten, ſo wurden dieſe mehr zwiſchen Doikern , oft auf Koſten des Fürſten angefangen und vollendet. Ed lebten die Gewalthaber der Nationen damals von ihren eigenen Gütern und von des Volks freyen Gaben ; wie nun

1

Kriegskunſt, ſo war in den Fehden muntere Leibeskraft das vornehmſte. In dem Amt Glaris , womit König Albrecht Gaſtern vereinigte , war den Herzogen dieſes, das untere Amt , aus ununterbrochener Gewohnheit, zu allem willig ; und weil die Schwyger , nach ihrer Freyheit von Altem ber , - für Bundsverwandte etwa in Gaſtern eingefallen , war ſolche Abneigung zwiſchen Gaſtern und Schwyk , daß weder Gaſtern den Saß -

)

Geſchichte der Schweiz .

.

147

!

zu verbergen wußte , noch die Jünglinge von Schwng den Befehl der Vorſteber wider ſie erwarteten 126). Im

Gegentheil Glaris, das obere Umt , wo die Herzoge zu der Kaſtvogtey ihrer Våter und ihrer neuen Reichs . vogtey, das alte Tſchudiſde Meyeramt von Hartmann von Windegk gekauft batten 17). Se mehr ſie das obes re und unters Amt , jene ihre anvertraute mit dieſer ein

genthümlichen Gewalt , vermengen wollten , deſto ges neigter wurden die Herzen des Bergvolks den Waldſtets ten. So war oft in Kriegen Freundſchaft mit Glas ris 128 ), und in Friedenszeiten Feindſchaft mit Gas ſtern 128 b) . Dieſer Unterſchied , nady weldjem das Bergland Glaris, in uralten Zeiten durch den Reiz der

Freybeit bevölkert , frey iſt bis auf dieſen Tag , und Gaftern , als eine Straße des Handels, von alten Gra.

fen beherrſcht, Jahrhunderte lang noch geborchen muß. te 129 ), zeigt an , daß die Denkungsart , von der das

Glück der Freyheit kommt , gewiſſen Ländern einheia miſch und andern fremde iſt.

In dem Oberland jenſeit Unterwalden verlor fich die Gewalt Ottons von Straßberg ſo , daß er und ſein Sobn, Graf Immer, nicht allein uſpunnen und Balm,

den Raub Eſchenbachs und ſeines Unglücksgenoſſen , ſondern auch die Reichspfandídhaft der Vogtey zu Obers basli und auf der Balg zu Laupen , ja Straßberg die Stammburg , verkaufen mußte 130 ). A18 mit König

Ludwigs Wille der Freyherr Johann von Weißenburg

148

II . Buch. Erſtes Sapitel. !

zu der Feſte Uípunnen die Reichopogtey über das fand

Hasli erwarb , und die Bürgerſchaft von Thua , ibrer Freyheit und ihrem Anſeben gemäß , in der Zuſamt menkunft auf Schmalenpfad in dem Brünig mit uns terwalden Friedens einig ward 131) , bermochte Less pold nicht, wider die Waldſtette durch ſeine Vogteya

leute zu Interladhen 132) etwas zu thun. Sie alſo 30% gen über den Brünig zu Kauf und Verkauf , an den

Thunerſee und in Uedytland , ſichern Weg. Ude Höfe der Herzoge in den Landmarken der Waldi ſtette wurden von König Ludwig für unveräußerliches Eigenthum des Reichs erklärt 133).) Er berubigte das Land Uri über das vermeinte Recht an das Erb aller

unechtgebornen landleute , welches Geßler , als wenn ſoldie Geburt leibeigen madote , ſich als Reidsvogt

1318

hatte geben wollen 134) . König Ludwig beſtåtigte die ganze Freyheit 135). Als Leopold ſah, daß die Schweis

zer ſo wenig nach Eroberung trachteten , als derglei. dhen geſtatten würden , machte er auf ein Jahr Friede,

ſo daß die Unſprüche wegen Zerſtörung der Burgen und aus den erſten Fehden ſtillgeſtellt wurden , und ſie die Einkünfte ſeiner Höfe , wie in der Zeit Kaiſer Heinrichs von Luremburg , ihm abfolgen ließen 130).

Durch dieſen Stilſtand und Graf Werners von Hons berg Bertritt 137) , wurden alle Straßen zum Handel offen. Der Schweizer kriegluftige Jugend übte iøren Muih in des Herzogs Kriegen 138 ). Doch unterhiels

Geſchichte der Schweiz .

149

ten die Vorſteber die Verſchanzungen 139) , es war nicht allezeit ficher über die Wahlſtatt von Morgarten zu ziehen 140) , und Einſideln unterbilt mit Bannbries fen den Samen des Grolls. Der Herzog ſelbſt vers ſprach , das , was den Ueberbringern ſolcher Briefe

von dem Bolt begegnen würde , nicht für Friedends bruch zu halten .

Die Verlångerung dieſes Vertrags wurde von den Die Schweizern angenommen und geſtattet 14' ), bis in dem Schweiger im Reichs. ſechsten Jahr 142) , als nach der Schlacht bey Mübls frieg . derf und König Friedrichs Gefängniß feopold in

ſchwarzem uatróſtbarem Gram 143) wider König Luds wig die Rache erhob , und fudwig die Waldſtette in ſeinen Krieg aufmabute. Zu derſelbigen Zeit verſuchte Leopold um den Preis der Krone , die ſein Bruder ab, legen ſollte, Karln den Vierten, König von Frankreid, zu Geldunterſtüßung oder einem Seerzuge zu bewegen. In dieſer großen Unterhandlung vergaß er die Rache

von Morgarten ſo wenig , daß Karl ihm nichts theus reres urkunden konnte , als die Unterwerfung von

Scwnk , Unterwalden 143b) und ihren Zubehörden , wie auch die Belehnung mit allen Gütern Eberbards

von Kiburg , des Brudermörders . Uber Sdwyk Uns terwalden und ihre Eidgenoſſen , die Urner , (dwurex zu Bekenried ,, nabe beym Rütli , dem Reichspogt, 1

Grafen Johann bon Aarberg , „ dem Reich , ſo lang fie nicht von demſelben verlaffen werden , - in allem

1323

1

150

II. Buch. Erſtes Kapitel.

„ wie ihre Voråltern zugethan zu ſeyn 144) ; " von dem König wurden die Hofe und Gerichte , die die Herzoge bey ibnen hatten , zum andernmal an das Reich gezos

gen 145). Selbſt Glarisland wagte , den Krieg wi. der " bie Schweiz dem Herzog abzuſchlagen und mit Schwyß ein dreyjähriges Bündniß zu machen 140) , weil zu keinen Kriegen als für Kloſtergåter von Setias gen die alte Pflicht ſie verband , und weil ſie jeder Neuerung ungeneigt waren. Der Herzog fandte an die Stelle ihrer ſelbſtgewählten fandammenne Uudlån.

1

der zu Pflegern in ihr fand. Von den benachbarten Grafen von Werbenberg Sargans brachte er einige auf ſeine Seite 145b). Zu dem Krieg der Waldſtette verpflichtete 147) er den Graf Johann von Rapper. ſchwyl, Vormund Graf Werner des jüngern von Hon. berg Herrn der Mart.

Johann , weil die Macht ihm

fehlte , oder weil die Mark des Krieges måde war 148),

ůbte wider die Schweiz keine merkwürdige Waffenthat; Leopold ſelbſt war nur in Ritterkriegen glüdlich , wo einen kleinen Haufen ſein Feuer hinreißen mochte 149). .

Als dieſelbe Heftigkeit , wodurch ſeines Vaters Blutrache zu fürchterlich ward , : bey abnehmendem

Glůck frines Hauſes ibm ſelbſt das feben " abgekürzt , 1326

erneuerte Herzog Ulbrecht , ſein Bruder , den Still. ſtand auf der Grange Grånze der Schweiz. Hierauf thaten

die Waldſtette Kaiſer Ludwigs Römerzug 150) : denn , mitten zwiſchen dem Deſtreichiſden Erbland und Wel .

be

Geſchichte der Schweiz.

151

1

fiſchen Zhålern gegen Italien , war dieſe Völkerſchaft, nach dem unerſchrockenen Muth, wodurdy fie frey blieb, dem Kaiſer auch wider den Papſt ergeben. Als der

1328

Bann über ihn kam , fragten ſie die Prieſter , ob ſie ſingen und lefen , oder aus den Waldſtetten vertrieben werden wollen ? Papſt Johann ſelbſt, als ihm von dieſer Geiſtlichkeit berichtet wurde , ſie habe erſteres

gewählt , urtheilte , „ ihr Verhalten ſey unrecht , aber klug.“ Als in dem ſiebenzehnten Jahr nach Kaiſer Hein. Sie retten

richs Tod und nach der Trennung des Neichs der Zürich. 1330

Span Raiſer Ludwigs vom Hauſe Bayern mit Albrecht und Otto , Herzogen von Deſtreich , durch König Jos

bann von Böheim vertragen wurde , geſchah (wie in Friedenshandlungen der großen Mächte leicht geſchieht), daß Geringern das Ende des Krieges gefährlicher als der Krieg ward. Denn da die Herzoge des ungewohns lich großen Aufwandes ibrer leßten Bewaffnung ſchads los gehalten und får den Kaiſer auf die Zukunft ges wonnen werden ſollten , verpfändete er ihnen die reichs . frenen Städte Rheinfelden , Schaffhauſen , Zürich und S. Gallen 150b) , deſto lieber , weil die erſten drey

Stådte , und Rudolf von Montfort, Bildhof zu Cos ſtanz und Pfleger der Abten S. Gallen , im vorigen Krieg Deftreichiſch gefinaet waren. Es war eine Reichs .

ſtadt Fürſten gleich, eine Fürſtenſtadt ihnen dienſtbar ; wie der Flor der leßtern auf den Zufällen , Einſichten

15 ?

II. Buc . Erſtes Kapitel .

und Leidenſchaften eines Fürſten, ſo beruhete das Wobi der erſtern auf dem Glück des ganzen Neichs und auf ibr ſelbſt. Die Zuricer , als in außerſter Gefahr des Berluftes der Freybeit , voll Gefühls ihrer weit gró.

Bern Würde ſeit mit Berchtold von Züringen Fürſtens macht in ifrer Stadt untergieng; voll des Muthes , mit welchem ihre Viter gegen Schwaben , Regensberg und Deſtreich Zürid, fre » behauptet ; baten die Wald. ftette, mit ihnen zu übwendung ſolden Unglůcs eine

Geſandtſchaft an den Kaiſer zu ſenden . Die Bürger, ſchaft war zu mannhafter Wertheidigung des Vaterlan. des entſchloffen : bey den 9ůnſtern wurde den ganzen Tag , und bey Nacht von armen Soweſtern , welche fie ernábrten 151) , Gott für Erhaltung der Freybeit

angerufen. Die Maloſtette, nicht weniger in Erinnes rung viel guten Berſtändniffes , als in Betrachtung,

daß , wenn Deſtreid Lucern ſchloß , Zürich ihr Markt war ; und bey Berpfändung dieſer unveräußerlich era klärten 152) Stadt für die Sicherheit aller Freyheit be forgt ; fandten mit den Zürichern zu dem Hoflager in Regensburg. Daſclbſt fanden ſie die S, Galler Bürger in gleis cher Furcht und Bewegung des Herzens. Obwohl der Stadt beinfelden unveräußerliche 153) , Freyheit nicht bezweifelt werden konnte, war ſie mehr den Gatern des

Hauſes Habsburg verflochten . Es war auch faſt nicht möglich , daß die Stadt Schaffhauſen ihre Freyheit

(

Gefchichte der Schweiz.

153

rette ; nicht nur weil hier Graf Johann von Habsburg, Kert von Lauffenburg und Rapperſchwyl , als Lands

graf deš Klekgaues 15t) , und auf der andern Seite Eberhard Graf zu Nillenburg , der Herzoge Pfleger in einem Zheil des vordern Landes 155) , faſt bis an

den Thalgrund herrſchten , worin die Stadt liegt 1556) ; ſondern vornehmlich wegen der innern Spaltung des

Convento ulergeiligen und der Bürger mit Übt vann, ſen Im Zhurn 150) , und weil fomohl das Kloſter als

>

der Abel in dem berzoglichen fand viele Güter beſaßen . Als der Kaiſer in Bewilfahrung des Geſuchs der Wald fette für Züridy ibre unwandelbare Zreu , und an S. Gallen des Kloſters Religion und Anſeben ehrte , tam die Stadt Schaffhauſen 157) mit Rheinfelden, mit Breiſach and mit Neuenburg 158 ) (deren berzhafter

Widerſtand unglücklich war) unter die Deftreichilde Oberberrſchaft.

Zu ſelbiger Zeit bewohnten zwar auch vornehme Bürger von Schaffhauſen noch hölzerne Häuſer a) : es erſtreckte ſich aber die Stadt zu Thal b) und Hobe ) über den erſten Umfang , und nahe Steinbrüche begún . ſtigten feſtern Bau d) ; faſt wie jegt war ſie von Weins bergen e) , Wieſen ) , Kornfeldera 8) umgeben ; Gárs ten zierten an den Häuſern tauglicheo h ) oder vor der Stadt zu Anlagen brauchbares fand :). Nicht wurde

perſäumt, die Wieſen zu wäfſera k ); aud Wildnis patte Werth als der Ausrobung fähig ). Nody blusca

1331

154

II. Buch . Erſtes Kapitel.

ten im Wohlſtand viele Nachkommen der freyen Edels mannen , deren Våter mit ifren Peuten die Hofe dieſer

Gaue zu Dörfern und Städtchen gemacht m ), viele , durch deren Zuthun die Stadt erwachſen )") ;; auf Leben faßen die meiſten ; wie um Habsburg, ſo war im Klek . gau ein (gedoppelted) Landchen im Eigen ). Das

gemeine Weſen wurde von einem Schultheißen (beſſen

Amt , des Kloſters Leben, lang im Hauſe Randenburg blieb P) ) , bon deſſelben Unterrichter 9) , von Råtben und Bürgern und nicht ohne die Gemeinde verwal, tet r). Selbſtſtåndigkeit, das größte Kleinod , hatten 1

die Geridhte Nudolfen von Habsburg ) und ihrer uns ermůbeten Wachſamkeit t) zu danken. Uebrigens wur.

den die Rechte durch eine Offnung beurkundet 4) und mit Gemeinſinn gehandhabet : ſo daß Albrecht son Klingenberg , da er einen Knecht erſchlug ) , ſo groß fein Haus war , der ganzen Stadt eine wichtige Ges nugthuung leiſten mußte w). Sold Unglück zu hin. bern , ſuchte man in dieſer alter Zeit ſchon durch Ers ziehung die Sitten zu bilden * ). Menſchlichkeit, für der Stilldarbenden , der unbeilbar Kranken , der Ars

men und Alten Verlaffenheit beſorgt v) , war jenen Men (den , welche überhaupt mit Kraft fühlten, fo wes

nig fremde als der Bun(d , im Gedächtniß der Nach , kommen nicht unterzugeben

.

Dieſe Stadt wurde

um eine unbekannte Geldſumme von Kaiſer Ludewig dem Bayern an das Haus Deſtreich pfandweiſe abges

Geſchichte der Schweiz.

155

treten aa) ; Heinrich von Randet , Ritter , von ſeinen

Våtera Bürger zu Schaffhauſen bb), der Herzoge Vogt ; dieſes Amt blieb ſeinem Geſchlecht cc). Verkehr mit

größern Låndern öffnete fidh dd) ; in guten Zeiten genoß die Stadt der Große des Herrn ee) ; aber gemeiniglich

giengen weit über ihre Steuer ff) feine Bedürfaiſſe, zu deren Erfüllung fie Gut und Blut aufopferte,8s). Indeß der Kaiſer , nach dem Frieden mit Albrecht Ihr erſter

und Otto , Bund mit ihnen idloß , zog das Landban, Zug nach Italien.

ner von Uri mit ſtarker Mannſchaft von Unterwalden

und Schwyz , und zweyhundert wohlbewaffneten Kriegømånnern von Zürich , durch die boben Wildniffe des Gotthard, über die Teufeldbrůđe, durch das Zhal von Urſeren , vorbey die Quellen der Flüffe Licino

und Neuß , über das Gebirg nach Italien , zu ſtreiten in dem Liviner Zhal wider das Landvolk, welchem Az. 30 Viſconti beyſtand. Urſeren , jenſeit der Teufelsbrüc'e hh) , (wober (Urſeren .) Schauer eines tiefen Abgrunded , ungebeurer kablen Felfenwände und vieler Schlag auf Sdlag bod berab,

ſtürzender Waſſerfälle fich vereiniget ), iſt ein Thal , worein ein fteiler Pfad über einen Felſen führte , der nun durchgeſprengt iſt, und wo die ganze Natur gleich .

famn lådoelt; alles iſt grün ; durch die ganze Gegend walt hobes Gras , belebt mit aller Art Blumen ; al. led durchſchlängelt die Reaß ; da iſt Urſeren an der

Matte ein ſchönes Dorf , an den Hügeln weidet Vieh, 1

156

II. Buch . Erftes Kapitel.

über dem Dorf ſteht ein uralter und unverleßbarer Hayn , ihm wider die Schneelauinen zum ficheren Schirm 159) ; das ganze Thal iſt son ftarrer Wildniß

umgeben. Die meiſten Güter dieſer Gegend waren von den Kaiſern dem Abte son Diſentis in Rbåtien pergabet worden ; über die freyen Månner zu Urſeren wurde eine HeidyBoogtey von dem Hauſe Rapperidowy!

verwaltet , nach deffen Übgang von einem Anbånger König Albrechts, Heinrich Freyberrn von Hoſpital 16 ), der auf einem Hügel im Thal über Urferen einen ſtars ten Thurm hatte. Wider dieren ihren Feind batten die Urner, in Kaiſer Ludwigo Krieg, Konrad von Moos nicht ohne Widerſtand und Verluft 161) im Namen

1

1

Ludwigs als Reichsvogt eingeſetzt und behauptet 162). Der Edle von Moos , landmann bey ihnen , gabete reichlich (mit Walther Fürſt und andern ehrbaren Måns nern ) zum Bau ihrer Kirche 163). Es war des Hals Urſeren uraltes Recht, ,,in allen Kriegen friedlich zu

leben und jedermann freyen Paß zu geſtatten;" fonft

(Liviner

: ba ! )

würde dieſe kleine Wölferſchaft aus Armuth nicht bin, dern können , daß Felien und Schnee den Gotthards paß in kurzen Sabren zerſtören 163 ). Um höchſten Ort in Livinen (wo man von den Seen, die dem Weltmeer die cuß und in das Mittelmeer den Ticino fenden , durd) teile krumme Pfade in dren

über einander gelegene ſchmale lange Thåler berab. kommt), bey Airolo, fängt Italien an. Alſogleich ers

1

1

Geſchichte der Soweig.

157

qui&t ein Duft ſanftern Himmels : im ganzen Thal grund und an beyden Bergen , welche der Fuß fürchia

terlicher Gebirge find , herrſcht lebhaftes Grün ; in drey Reiben über einander ſtehen an dem dftlichen Berg

viele kleine Dörfet ; von Baum zu Baum und über die Straße find nach der alten Art Weinſtöde geflochi ten. Mitten in Livinen ſcheint Platifers nadtter Fels den Paß zu ſperren ; der Licino fått ſchäumend mit einem dumpfichten Rauden in einen finſtern Grund ;

Menſchenfleiß bat einen Pfað gebrochen. Der freundi lichere Schauplatz erſcheint bald wieder ; verläßt abeč eben ſo donell. Unter ſolchen Abmedhjelungen leitet über Wiefen , durch Wald und wohlgebaute Fleden ,

der Ticino nach Poleggio , das Ende Livincns. Ja dem fand unter dem Gotthard und hinter Nos

Benrhåtien herrſchte ſeit länger als zweyhundert Sabi ren zwiſden Como und Mailand große Parteyung. In und nach den großen Kriegen der Kaiſer waren fie;

wie nad dem Perfidhen Krieg Atben und Sparta , Hauptſchirmftådte großer Eidgenoſſenſchaften , deren Glieder , nach dem Glück der Parteven , dieſer oder jes ner Stadt beyfielen . Gibellinen und Welfen , Senat und Volt , alte und reiche Regentengeldlechter und große Geſellſdaften ſcharfſinniger oder fühner Parters båupter , erhielten in Städten und fåndern ohne eins terlaß Bewegung durch ihre Beeiferung um die höchſte Gewalt. Ihre Geſchichten , mit alter Kunſt aufges

158

II. Buch .

Erſtes Kapitel.

zeichact, würden beweiſen , daß unſern Vatern in

Staat uad Krieg weder der Geiſt und Nachdruck , noch die blinde Leidenſchaftlichkeit der Griechen gefeblt. (Como).

Alt , rubmvoll , an Volt und Adel , durch die Nas tur und durch jeden Fleiß in Sandbau und Gewerben

reich waren Mailand und Como. Großer , ungemein unternehmend , eines großen Städtebundes gefürchtes tes Haupt war Mailand, Welfijd gefinat: die Nebens bublerin eben ſo blúbend und ftreitbar , Haupt einer wenigſtens gleich großen und weit ftårkern fandidaft , .

hier über Mendriſio und Lugano nach Bellinzona hin , dort in das Rhátiſde Gebirg und am Adda das ſchone, bortreflich gebaute Valtellin a) hinauf über Bormio

an des Fluſſes Quellen und in Puſclav , Gibelliniſch

geſinnt b). Als einſt nach einem Schluſſe der Bürgers meiſter und Gemeinde von Como ein aufgedrungener

Biſchof, der zu Mailand großen Anbang batte , ero mordet wurde ) , erhob ſich zwiſchen beyden Städten ſiebenjähriger Krieg , dem Trojaniſchen oder Vejentinis

1

4

iden an Kübaheit und Unternebmungen wohl zu vers

gleichen. Da vergaß (durch Verblendung des Neides) die benachbarte Inſel an Como die viel verſicherte

1

Zreu d) ; die Bürger son fugano, durch Nedlidikeit zuverläßiger als durch die Befeſtigung ) , bekåmpften in großer Notb die Partey , welche ſich der Martins.

burg bemachtiget '), Gewalt und Verråtherey aus den Porlezziſchen Wafferns) , den Feind an der Landwebre,

i

1

Geſchichte der Schweiz.

159

und wo er durch Umgehung auf boben Caftellen Obers band erhielt h). Stedlich fiel (nicht der Eine feines

Namens) Alderan Quadrio , ein Führer des Volks iji es litten auch die Viſdomini, durch alte Kaiſergunft reid , wegen ihrer Verwandtſchaft mit Como k) ; und nicht falf dem Pagano Beccaria gegen den Pfeil der Treuloſen , daß er oben im Valtellin in großen Gütern

edel gelebt , woblthårig , wie ſein Geidslecht es geblies ben iſt '). Was half die Treu , als alle Gefilde, über die Como damals auf dem Berg fich erhob m ) , mit Schaaren aller fombardiſchen Städte bedeckt n ) , und

von ausländiſcher Kunſt unwiderſtehbar gebauter Zeug an den Mauern erſdien) ! Worauf, nadidem die Co. menjer ihre Koſtbarkeiten und alle Weiber und jungen Leute vor Muthwillen !) und Raub ber Nacht über den See gerettet , feindliche Uebermacht eingebrochen , alle Thürme und Mauern von Grund aus zerſtört und

alle große Häuſer den Flammen übergeben . Aber das Vaterland iſt nicht in Steinen oder Erde , ſondern in den Bürgern . Dieſe Stadt (von ihrem Brunamons do in webinútbigen Liedern vor der 23elt ), auch in

den Koncaliſchen Gefilden vor Kaiſer Friedrich dem Zerſtörer Mailandó beklagt s), gieng in nicht ſehr vies len Jahren berrlid) wieder bervor , und ein großer

Theil der Serrſchaft wurde mit glücklichen Waffen bes bauptet t). Den Kaiſern pflegte ſie Italien 4 ), guten und edlen Rånnern in den obern Zhålern Frey fåtte

160

IL Budy. Erftes Kapitel.

zu öffnen v). Im Nordweſt, wo in Herrlicher fanda daft Mendriſio rubet , in Boberen Zhálern die Burs gen der Luganeſer alte Treu bielten , und in dem Belo lenzer Paß würde lang die ſchwere Hand der Mailáns der gefühlt w). Wie war es in dem zwey und zwans

zigjährigen Krieg , worin frůh der große mailändiſche Feldherr Simon Muralt von focarno ben Gorgonzola die Macht Kaiſer Friedrichs des zweyten , des Göns

ners der Comenſer , gebrochen *) ? Geordnet mar Co. mo , wie Mailand , wie Bern , ſo , daß jede Abtheir lung der Landgerichte dem Benner eines beſtimmten Stadtviertels oder Thors zugeordnet war ») , und Uns terabtheilungen die Verwaltung und Bewaffnung der fand chaft erleidterten 2). Das Kaiſerlidigeſinnte Geſchlecht Ruſca bebauptete gegen die Welfiſden is

tani die bergebrachte Denkungsart , bis, nach dem Uni tergang des ſchrecklichen Eccelino , Filippo della Torre und bald Napoleon rein Neffe die entſchiedenere Ober gemalt über Mailand bekamen aa) , und ihrer Party

aud) in Como zu geben wußten. Die Verdienſte Sio mons von Locarno lohnten ſie mit ſchwerem Gefänge niß bb ) , vertrieben von Como die Ruſca , gogen an !

dem Udba finauf , und brachen die Zellenburg , von

der das Valtellin beißt " ).

Mannigfaltiger Krieg ,

beffen wir im erſten Theil wegen der Unruhen zu Uri und wegen Theilnahme der Biſchofe von Our Meldung

thaten dd ), verwickelte Stadt und fand , bis Ein Zag

1 1

Geſchichte der Sdweis .

161

ben Sachen plöglich eine ganz andere Geſtalt gab. Otto Viſconti, Erzbiſchof zu Mailand , Haupt der Gibellinen , war auf der Flucht aus einer Schlacht mit

vielen Ruſca (die größten hielt Napoleon gefangen ) in die Stadt Somo , von da (wo er ſich nicht ſtark ges

nug fühlte) in des Gotthards Zhåler , in livinen , ges kommen ee) , und hatte, obne Rücficht auf die ſchlechs ten Waffen , auf dem tapfern Hirtenvolte Leute gee worben . Zu ihm der treue Adel am Lauiſer , am fangen See. Alles vertraute er demſelben alterfabr. nen focarniſchen Simon , welchen die Comenſer dem

gefangen baitenden Napoleon abgezwungen ks ). Durch deffen Sinn und Arm erwarb er die Stadt Como , durd, deren Beyſtand ben Deſio entſcheidend geſiegt worden ift.' In dieſen ſchauervollen Tagen , wo der

Kopf des Ebelften von Torre durch die Stådte getra. gen , und in dem finſtern Thurm Baradelo Popoleon nach ſechs langen Jahren von Ungeziefer Herfreſſen , reine Brüder vor Hunger verſdmachten ſab , erbob ſich die Viſcontiſche Macht, auf bundert und ſiebenzig Sabre hh). Nady vieljábrigem ſchweren Kampf (eine frene Stadt war ſchwerer zu erwerben als jetzt ein mů. des Reich ) wurde Como , mit Willen einer , und Un , terdrůdung der andera Partey gleichfallo Viſcontiſch ). Welfiſch wurde einmal Chiavenna, als unter der Stadt

Como Borſteber , Tignaca Paravicini , Bitaniſcher Partey, durch Unterhandlung die Uebergabe der Schlon . Müller's Werkt. XX.

II

162

II. Buch . Erſtes Kapitel.

ſer erkauft wurde 164). Sonſt war in Valtellin dieſe Partey gebrochen , ſeit Peter von Quadrio die Kräfte

des Uvogadro da Mazzo , der mit allem Feuer von Partenfreundſchaft Welfiſch geweſen , , überwand 165). Sie mochten den Ruſca eine Burg in Trůmmer wer, fea 166 ) und durch Noth ſie babin bringen , die Burg auf dem Feld des Bellenzer Paſſes zu verkaufen 167); es mochte im Bergland an der Uddaquelle, hinter der Serra natürlicher Webre , Bormio verſuchen , an Eur

überzugeben 167b) : bald überwog und befeſtigte ſein Haus durch Klugheit und Muth Mattro Viſconti 1676 ), und erwarb in Como die oberſte Madt franchino

Nuſca 167d) ; glücklich , bis er durch den Unternehs mungsgeiſt des großen Can della Scala ſich verfahren ließ , den Untergang ſeiner Nachbaren zu ſuchen . Es geſchab nach nicht vielen Jahren, daß für ihn, die Stadt

und alle landſchaften von Como Friede und Glůď nur unter U330 Viſconti zu finden war 1670). Den Ruſca tröſtete U330 mit Bellinzona über den großen Ver.

luft 167f), und zog mit Macht in Valtellin ; den Flecken Sondrio , neu 1678) und mannigfaltig feft 167h) , glåna zend noch vor kurzem durch Otto'ns Interiortuli Tu, gend 167i) , immer durch den reichen Adel der Capita. ney 167k) , behauptete mit Unerſchütterlid Peit 167l) und

Wachſamkeit 167ın) die Welfiſche Partey. Uzzo Viſconti aber zerſtörte die Mauern.

Hober am Gotthard war livinen , von Alters her ,

1

Geſchichte der Schweiz.

163

mailandiſch , dem Domcapitel unterworfen ; hier wur. den aus Raubſucht oder im Groll einer Febde die Waas

ren im Paß. des Gotthards geſchädiget. Daber mahnte der Vogt von Moos für Urſeren das Land Uri , und Uri die Handeléſtadt Zürich 108). Als die Schweizer das Lhal berabzogen , wideri

fiand weber bey Airolo und Quinto der alten fongoi

bárdiſchen Könige Zhurm , noch wagte der Haupts fleden Faido dieſe Feinde zu beſtehen. Als nahe an Giornico die Banner an die mai ändiſche Hülfe ftießen,

eilte von Como Franchino Ruſca , damals noch Herr, zu vermittelung des Unfalls. Denn in demſelbigen Fabr er(dyrack Italien abermals der Ankunft Königs Jobann von Bibeim , deffen Abſicht unbekannt war.

Darum wurden die Ruſca Gemåbrleiſter des Friedens der Påffe ; zu Como ſchloß den Vertrag der Freyherr Jobann von Attinghauſen , Ritter , faudammann zu

Uri 164). Nachmals erforſdite Anjo Viſconti die boben Paſſe; und erhob des Gotthards Capelle 16gb ). Bald nach dieſem unternahmen die Männer bon zug in Unterwalden die Rettung der Freybeit von Oberhasli : Oberhasli .

ganz Oberlaud war in folgender großen Verwirrung 1332 feindſeliger Parteyen . Von Zhun , einer febr idónen Burg auf einem Oberland : Feljen , wo die Aar den Thunerſee perlaßt , wurden 1. Kiburg . viele Dorfer in den Bergen , am See und in der grů.

nen Ebene big an den Eingang der oberlåndiſchen Thås

164

II. Budy. Érſtes Kapitel.

ler , Burgdorf, Landshut und andere eigene Burgen und Güter in dem obern Aargau , durch Graf Hartı

mann von Riburg beherrſcht, und als er frühzeitig ſtarb , im Otamen Eberhard und Hartmann , ſeiner

unmündigen Söhne, verwaltet. Weil Herzog Leopold wünſchte, ſie ſich genauer zu verbinden , ertheilte er ihnen das Leben der Landgrafſchaft Burgundien itt

1

Oberaargau , welches Graf Heinrich von Buchegt an ihn aufgab 170). Dafür erkannten ſie die Oberberr's (daft oon Deſtreich , zu Wangen und auf andern Gůr tern ihres Eigenthums 171), Thun und Burgdorf war ren unter billigen Zuſagen 172) Betrådhtlich bevölkert und auch ſowobl an Ausbürgern 172b) alß an Gebäu. den erweitert 13) worden ; Schultheißen des Gra: fen 174) und mit ihnen zwölf Rath &Berren 175) richteten und büßten 176) , gemäß den Stadrechten , welche der

Graf ſelbſt nicht übertrat. Seine Kriegsgeſellſchaft und Höfdienerſchaft beſtand aus einem zahlreichen , woblbegåterten alten Udel 177).

Die Gråfin Eliſabeth , Wittwe Hartmanns , ließ dem Senn von Münſigen , einem benachbarten Edlen, zu viele Macht. Graf Hartmann ihr åltefter Sohn, welcher ſeinem Bruder abgeneigt war, berſäumte nichte , unit den Senn zum Freunde zu haben. Sein Bruder, Graf Eberhard , Propſ in Amſoltingen 178 ), Domberr zu Straßberg und Obin , war zu Bologna , in der da.

maligen Gelehrſamkeit ſich zu unterrichten ; ſechszig

1

Geſchichte der Schweiz .

165

Mark Silber waren die Summe ſeines jährlichen Aufs

wanded ; da ſie ihm langſam überſchickt wurden , kam er über das Gebirge zurück , ſein Erbtheil zu fördern , Deffen ſpotteten die Seinigen ; er wurde als ein ſchwa,

cher Jüngling angeſehen. Auf Landshut, einem Schloß, wenige Stunden von Burgdorf in einer wafſerreichen grünen fandſchaft angenehm gelegen , ſchlief er bey Hartmann : in dieſer Nacht wurde er von dieſem Tein nen Bruder , halb nackend gebunden , auf Rochefort .

geſandt.

Rochefort iſt ein Schloß im Welſchneuens

burgiſchen 178b) ; Graf Hartmann war Schwiegerſohn Graf Rudolfs von Welſchneuenburg. In dieſer Bers

laſſenheit mußte Eberhard geſtatten , daß Herzog leo. pold von Deſtreich dieſen Erbftreit entſcheide. Der Herzog urtheilte, daß Hartmann des Landes Herr bleix ben , und Eberhard auf der Burg zu Thun wohnen , aber von zweyhundert Mark (bem Ertrag ſeiner Pfrúna

de) drey Viertheile zu Bezahlung der Schulden des Hauſes , Graf Hartmannen geben ſoll. Dieſes mußte der Gefangene fich gefallen laſſen . Zur Feyer ihres

Verſöhnungstages wurde die Menge des Adels ihrer Herrſchaft nach Thun berufen . Als nad der Mahl, zeit bey dem Feuerbeerd ſowohl der Senn als Graf Hartmann über das Glück ihrer Anſchlåge fich viel zu gute thaten , ſagte dieſer , ,,billig ſollte mein Bru. ,,der zu dem Vertrag einen Vormund haben ;" es

påuchte ihm auf ſeinen geiſtlichen Stand, ſeine Neug

166

II . Buch . Erſtes Kapitel.

beit und jungfråuliche Unſchuld eine geiſtreiche Zweya deutigkeit. Dieſe und andere Worte (da auch Graf Eberhard Freund vieler Dienſtmanne war 179) ) (dies

nen unerträglich , ſo daß endlich einige zu den Sowers tern griffen. Da erhob ſich plötzlich ſchrecklichen Ges tůmmel, indem alle in beftigem Zorn über einander berfielent; underſebens wurde in der finſtern Wendel, treppe des Thurms (es iſt ungewiß , ob durch Gras

fen Eberbard oder durch Jobann von șien Herrn zu Worb , ) Graf Hartmann erſchlagen. Seinen leich . nam warf einer von dem Schloß berab , in der Zeit

als alle Lhuner , durch das große Geſchrey verſam : melt , im Auflauf bewaffnet nach dem Sdloß eilten. Viele floben , andere wurden verwahret , Eberhard

befabl die Zhore zu ſperren , fandte nach Bern 180) und verſprach , der Berner ewiger Bürger zu ſeyn , ein Theil ſeines Gutes 181) und über Thun das Lebenbers

renrecht. Alſo zogen die Berner unverzüglich nach Zhun , und brachten obne Mühe die Stadt unter feis nen Gehorſam . Ihm wurde die Gewalt ſeiner Vors

fahren beſtåtiget; indeffen ſchwur die Stadt , Bern in Kriegen beyzuſtehen 182). Der Graf gab den Bers nern jährlich eine Mark Silber 183 ) ; daraus verfertigs

ten ſie zum Andenken dieſer Dinge eine ſilberne Schale. Darin betrogen ſie ſich, wenn ſie den Grafen für uns fähig bielten , ſein Haus fortzupflanzen ; er hinterließ nach mehr als vierzig Jahren mannhafter und kluger

1

Geſchichte der Schweiz.

167

Herrſchaft, dier Söhne 184) , welche ihm Anaſtaſia

von Signau gebar, eine Erbin der Grafen von Buchegt, welche zu ſeiner Zeit im höchſten Glanz geiſtlicher Würden 185) und vortreflicher Eigenſchaften 186) unters giengen 187). , Die Berner waren keines Landes Herren ; obwohl fie Geld auf die Burg zu faupen gaben , war die Stadt kaupen ganz fren 188) : fie waren aber durch Mannſchaft an vielen Orten ſo ſtark, daß ehmals

auch der Senn nach bitterer Fehde ihr Bürger wurde 189), und vor ihren Waffen der Freyberr von Bremgarten im untergebenden Glüd ſeines alten Stamms Uedtland

verließ 190). Nachdem die Berner mit Kiburg lange Bund und Freundſchaft gehalten 191) , erhob ſich in Graf Eberhards Zeit Miðtrauen und Haß , weil fie zu ſehr ſchienen ſeine Herren zu ſeyn. Den Anlaß nabm Ebers þard um die Zeit , als er mit Bern , dem Burgrecht nach , für Gerhard von Wippingen Biſchof zu Baſel , ihren Bundesfreund , wider den Grafen von Welſch . .

neuenburg ziehen mußte 192), Seit Gerhard von Wippingen wider Hartmann vor

Nidau, Welſchneuenburgiſchen Hauſes, von dem Papſt bey dem Hochſtift behauptet wurde 193) , war Feinds

ſchaft zwiſchen ihm und dieſen Grafen. So wurde von dem Biſchof mehr gefordert oder von den Grafen der Kirche weniger , als Redyt war , geleiſtet. Biſchof

Gerhard loďte aus der Neuſtadt in Rudolfsthal 194) ,

IOS

II. Buch. Erſtes Kapitel.

an die das Szochſtift Anſprüche machte , Bårger durch Freyheiten in die Neuſtadt, welche er felbſt an dem Bielerfee unter Schloßberg ſtiftete 195 ). Nadmals , obs

wobl, nad einer unnützen Bewaffnung 190) , Herzog Leopold in gåtlichem Rechtsgang über die in Zweyſpalt liegenben Orte 197) für den Grafen urtheilte, nahm Ger . þard , als Graf Rudolf zu Nidau die Stadt 198 ) Büren

erwarb 199 ) , Anlaß mit Hülfe der Berner fanderon zu belagern. Landeron 199b) liegt auf der fumpfigen Land, enge zwiſchen dem Bieler und Welſchneuenburger See. Ludwig , des Grafen von Welſchneuenburg Sohn , übers

raſchte den Biſchof und Idlug ihn mit Hinterlaſſung der Waffen in zu übereilte Flucht, als daß Bern und Kiburg von der andern Seite des Ortes ihm zu Hülfe

kommen mochten . Die Rache der unverſchuldeten Uns ebre dieſer vergeblichen Belagerung wolte Bern im Winter nebmen , als das Erdreich um Landeron feſter

war. Damals wußten die Belagerten vermittelft lan, ger Stangen , verſehen mit eiſernen Haken , ſich der Kaße der Berner 200 ) , worin ifr Venner war , zu be måchtigen. In dem Kriegsrecht , welches hieråber zu Bern Offentlid ) gehalten wurde , fand fich Walther ,

vom Hauſe der Senne von Münſigen, des Unfalls Ura fåcher. Kaum daß der Senn enthauptet und nach der Würde ſeines Adeld begraben worden , ergieng von

Bern ein Aufgebot vor fanderon , beydes der Menge der Ausbürger und aller Bundesfreunde zu Oberhasli

Geſchichte der Schweiz.

769

und in den Waldſtetten . Es war zwiſchen den Bernern und Schweizern ein alter Bund 21). Pergeblich ; durch die Schuld Graf Eberhards ; diefer , des Kriegs oder des Aufwandes måde, wandte vor, daß ihm feine Ber. bindung mit Deſtreich nicht geſtatte , neben den Wald. ftetten im Felde zu ſtehen ; das Banner deren von

Thun zog in den Krieg 202). Wohl nicht ohne ſeinen Wil. ten wurde von feiner Sdweſter Catharina , Wittwe Graf Albrechts von Werbenberg , ihr Eigenthum , der Sſelgau , diefes Kriegs Gegend , Graf Rudolfen zu

Nidau , vom feindlichen Hauſe , perkauft 2021). Enda , lich ; auf Gerhards Zod , ſo ſehr das Domcapitel den Erzprieſter Hartung Mönch wünſchte , ernannte der

Papſt an das Hochſtift Baſel Johann bon Chalons, Dieſes in demſelben Jahr, als Graf Rudolf zu Welích. neuenburg an frau Beatrir aus dem Hauſe Vienne ,

Bormúnderin des jungen Furſten von Chalons 203) , für Welſchneuenburg und andere benachbarte Schloſs fer und alle ſeine Zhåler in dem Jura 204) die Huldia gung wiederholte , welche er dem Vater und Großras ter deſſelben zu des Reichs Handen 205) geleiſtet. Bern

enthielt ſich der Kriegsthat. Als durch König Friedrichs Unfälle und König Luda wigs Bannung die öffentliche Ordnung nicht ohne Ges fabr zu ſeyn ſchien, errichteten die Hocteutſchen Ståda

te 200) , die Waldſtette und nebſt Bern auch Eberhard einen Landfriedensbund.' Uber ogne daß zwiſchen Kig

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II . Budy. Erſtes Kapitel .

burg und Bern offenbarer Zweyſpalt vorfiel, entferns ten ſich die Gemůrber ; weil der bürgerliche Sinn der Verſammlung derjenigen , welche der Graf einzeln nicht

ſeines Gleichen glaubte , die ſonſt gewobate Achtung etwa nicht ungern aus den Augen reßte , oder weil der

Graf dieſes ſich vorſtellte. Nachdem Leopold geſtors ben 207), trug Eberbard keine Scheu , zwiſchen den Waldſtetten und Kiburg ſehr genaue Freundſ« aft auf. zurichten 203) , ſo daß er ihnen nicht allein den Paß

über den Brünig , und ſie ihm die Sicherheit ſeiner Herrſchaft gemåbrten , ſondern fie auch an ihren innern Geldhaften ihm meộr Untheil gaben , als für freye Polfer fidher iſt , Fürſten zu erlauben 208b ). Es iſt ein ewiger , auf die Natur gegründeter , Abs ſtand fürſtlicher und republikaniſcher Denkungsart ; ein Fürſt mag aus Rechtichaffenheit oder Klugbeit ſolche Theilnehmung im Anfang nicht mißbrauchen ; wer will

einem Volk , wenn das Benſpiel gegeben iſt, für die Gefahr unter dem Nachfolger Wåbrſchaft leiſten ? Die Waldſtette batten damals keinen Argwobn ; zwiſchen

ihrer und ſeiner Macht war krine große Ungleichbeit. Als hierauf Bern , Baſel , Zürich , S. Gallen und ſechs andere Städte , den Landfriedensbund erneuer ,

ten 2005, geſchah durch den Unwillen der Berner , oder weil die Schweizer an weitläufigen Verbindungen kein Gefallen trugen , daß weber die Waldſtette noch der Graf an dieſem Bund Antheil nahmen. Endlich wandte

Geſchichte der Schweiz.

171

Eberbard fich ganz von Bern , als die Berner vor Dieſenberg lagen für Sobann den Senn , Freyberra ,

ihren Burgrechtsverwandten , an welchen der Herr dies ſer Burg ſeines Bruders (des Kirchberrn von Dieß . bad) Blut ſuchte, welden der Senn unglücklich ers folug. Da ſie den Grafen von Kiburg nicht ſo viel

ehrten , ihm die Vermittlung zu gönnen , ritt er uns muthôvod von ibrem lager nach Freyburg , um Burg. recht baſelbſt anzunehmen 210).

Es war leicht einzuſehen , daß auch ohne Einfluß 2. Syſtem der Ber:

der Herzoge ,

bald weber Freyburg den Bund 211) ,

noch andere mit Bern gutes Perftåndniß unterhalten würden. In der Zerrůttung der Sachen Kaiſer fuds wigs trachtete Bern, unter dem Schein tiefer Ehrfurcht por den Bannſtralen , fidy åber die benachbarten Reichs.

länder zur Fürſtin zu machen. Obwohl die Berner bald nach König Friedrichs Unglück und kurz vor Kos nig Ludwigs Bann von dieſem leßtern erhalten , die Pogtey zu faupen aus der Hand Peters von Thurn , eines Deſtreichiſchgeſinnten Freyberrn , an ihre Stadt Iðfen zu dürfen 212) , unternahmen ſie zweymal , den Freyberrn Jobann von Weißenburg 213) fu pertreiben, weil er , ohne Furcht vor dem Bann, dem Raiſer fuds

wig , welcher ihn zum Reichovogt in Oberhasli ges macht, ſeine Zreu hielt.

Senſeit der ſchon boben Berge dieſes Freyherrn im Niederfibenthal, am Fuße ſanfterer Vorberge der Alg

ner,

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JI. Buch . Erſtes Kapitel .

burg und Bern offenbarer Zweyſpalt vorfiel, entferns ten fich die Gemůrber ; weil der bürgerliche Sinn der Verſammlung derjenigen , welche der Graf einzeln nicht

ſeines Gleichen glaubte , die ſonſt gewohnte Achtung etwa nicht ungern aus den Augen rette , oder weil der Graf dieſes ſich vorſtellte. Nachdem Leopold geſtors

ben 207) , trug Eberhard keine Scheu , zwiſchen den Waldſtetten und Riburg febr genaue Freundſchaft auf.

zurichten 203 ) , ſo daß er ihnen nicht allein den Paß über den Brünig , und ſie iom die Sicherbeit ſeiner

Herrſchaft gewährten , ſondern ſie auch an ibren innern Geſchäften ihm mehr' Antheil gaben , als für freye Vilker fidyer iſt Fürften zu erlauben 208b). Es iſt ein ewiger , auf die Natur gegründeter , Abs ftand fürſtlicher uno republikaniſcher Denkungsart ; ein Fürſt mag aus Rechtſcaffenbeit oder Klugheit ſolche

Theilnehmung im Anfang nicht mißbrauchen ; wer will einem Volk , wenn das Benſpiel gegeben iſt, für die Gefahr unter dem Nadfolger Wåbrſdaft leiſten ? Die -Waldſtette hatten damals keinen Argwohn ; zwiſchen

ihrer und ſeiner Macht war krine große Ungleichbeit. Als hierauf Bern , Baſel , Zürich , S. Gallen und ſechs andere Stådte , den landfriedensbund erneuer ,

ten 2005, geſchah durch den Unwillen der Berner , oder weil die Schweizer an weitläufigen Verbindungen kein Gefallen trugen , daß weder die Waldſtette noch der Graf an dieſem Bund Antheil nahmen. Endlich wandte 1

Geſchichte der Schweiz.

171

Eberhard fich ganz von Bern , als die Berner vor Dieſenberg lagen für Sobann den Senn , Freyberra ,

ihren Burgrechtsverwandten , an welchen der Herr dies ſer Burg reines Bruders (des Kircherrn von Dieß .

bach ) Blut ſuchte , welchen der Senn unglücklich ers ſchlug. Da ſie den Grafen von Kiburg nicht ſo viel

ehrten , ihm die Vermittlung zu gönnen , ritt er uns muthsvoll von ihrem lager nach Freyburg , um Burg. recht daſelbſt anzunehmen 210 ).

Es war leicht einzuſehen , daß auch ohne Einfluß 2. Syſtem der Ber:

der Herzoge , bald weder Freyburg den Bund 211) ,

noch andere mit Bern gutes Berſtåndniß unterhalten würden. In der Zerrůttung der Sachen Kaiſer fuds wigs trachtete Bern, unter dem Schein tiefer Ehrfurcht vor den Bannſtralen, ſich über die benachbarten Reichs . länder zur fürſtin zu machen .

Obwohl die Berner

bald nach König Friedrichs Unglück und kurz vor Kos nig Ludwigs Bann von dieſem lettern erhalten , die Vogter zu faupen aus der Hand Peters von Thurn ,

eines Deſtreichiſchgeſinnten Freyherrn , an ihre Stadt löſen zu dürfen 2:2) , unternahmen ſie zweymal , den Freyherrn Johann von Weißenburg 213) zu vertreiben , weil er , ohne Furcht vor dem Bann, dem Raifer fuds wig , welcher ihn zum Reichsvogt in Oberhasli ger macht, ſeine Treu hielt.

Jenſeit der ſchon boben Berge dieſes Freyherrn im Niederſibenthal, am Fuße ſanfterer Vorberge der Ale

ner.

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II . Buch. Erſtes Kapitel.

pen , lag , auf einem Felſen an der Senſe , Graßburg,

ein Schloß des Reichs , deſſen gewaltige Mauern bis 1

auf dieſen Tag von den Sitten der Bewohner dieſer Einſamkeit einen finſtern Begriff erweden ; die freyen

Månner auf dem benachbarten Guggisberg waren an dieſe Reichsburg pflichtig. U16 Kaiſer Heinrich von

furemburg auf dem Römerzug von Umadeus , Grafen zu Savoyen , viel mehr Dienſte genoß , als derfelbe

ihm ſchuldig war , wieb er ihm viertauſeno Mark Sils ber an , auf Graßburg , Murten und einen Thurm an der Broye im Romaniſchen Lande 214 ). In Kaiſer

Ludwigs Noth nabmen die Berner ( doch daß ihrem Bundesfreund Graf Aymo von Savoyen 215) die Eins künfte blieben) den Landammann von Guggisberg mit ſeinem Bergvolk in ſolches Bündniß , daß (zu einer Zeit, wo von ihnen kein Reichshaupt erkannt wurde) - fie niemand als das Reich vorbehielten 210). Keine

Feindſchaft ließen ſie ungerochen , keine Bürgertreu und Bundverwandtſchaft obne růſtigen Schirm . Sie

verwüſteten und brachen mit gedoppeltem Bergnügen die Burgen Flingen 217) und Ergenkado als Pelích.

neuenburgiſche Stammgåter und weil ſie dem Herrn von Zhurn anvertraut waren. Sie zogen aus unter

per Hauptmannſdjaft Otto'ns von Giſenſtein, den Sos lothurnern in Zerſtörung der Burg Wildenftein ima Sißgau beyzuſtehen 218 ). Sie beleidigten unverholen Das Haus Gregerz, da es durch Sobann von Krams 1

1

Geſchitte der Schweiz.

173

burg , ihren geweſenen Schultheiß , in dem Beſitz der Feſte Vanel mitten im Sanenlande angegriffen wur. de 219). Sie machten ſich auf (der Sdultheiß Werner Müntzer auf einem großen Streitroſſe voran) , ihren Bürger Otto Lombarden 219 b) zu Müllinen im Obers

land von Graf Petern zu Greverz , dem Herrn von Zhurn zu Geſtelen und Herrn Jobann von Weißen.

Burg , die ihn belagerten , zu befreyen 220). Der Herr von Weißenburg , im Niederſibenthal 3. úbers

Eigenthumsherr, Pfandherr zu Uſpunnen , Vogt in haupt: Oberhasli ; der Herr von Zhurn , burd, Eliſabeth von

Eſchenbach Erbherr zu Frutigen 221) ; Graf Peter von Greverz von dem obern Sibenthal 222) , durch weite

Alpenrhåler Binaus bis an das Lauſanniſche 223 ) und Sapovídhe Gebiet ein reicher , ftart befreundetet, ſeis

nein Volt nicht ungütiger Herr ; ein Udel vol angés border Kriegolaft, welcher in ſeiner Verbindung nur durch eigene Ungeſchidlichkeit überwunden werden konnte ( wie auf dem Walliſerzug 224) , als in der Seufzer Wieſe an einem Tage die Blütbe aus ganz Oberland umringet fiel); alle dieſe Herren der Berner Feinde ,

und Graf Eberhard nicht mehr ihr Freund ; dieſer Hers rén Volk in aufblühendem Wohlſtand 225) , und ſchon

der Knechtſchaft måde 226). Auf der andern Seite ein großgeſinnter Senat, und ſeine Hand wider jedermanit, welcher in Einem Bürger das gemeine Weſen der Beta ner antaſtete. Zwer Parteren , weniger um Kaiſer

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II. Buch. Erſtes Kapitel .

oder Papſt, als um Frenheit und Herrſchaft. So war das Oberland , als die Unterwaldner tamen , in der Sache der Månner von Hasli.

Johann von Weißenburg , wobl als er wegen des Raiſers von den Bernern angegriffen wurde , nöthigte das Land Oberhasli zu höhern Steuern im Namen des

Reichs ; welcher Neuerung die Landleuté ungeduldig , bey den Unterwaldnern Klage füprten . Dieſe , nicht gewohnt Unrecht auszuſteben , gaben ihnen Gebór , und machten einen Auſdlag, „ daß auf einen Tag die ,,bon Oberhasli durch die weſtlichen Berge am Briens wzer See gegen Interlachen , fie durch Bergpfade von „ der Seite des engen Thals Habcheren daher ziehen , mund alle zu beſtimmter Zeit vor Uſpunnen , des Freys wherrn Burg , erſcheinen ſollen .“ Die von Hasli ,

böchſtbegierig für ihr fand , eine rühmliche That aus, zuführen , brachen freudig auf, und kamen zu früb , auch nicht unberſebens , auf die Landenge der Burg. Der Freyherr macht ſich auf, allein mit ihnen zu ſtreis

ten. Uchtzehn landmänner wurden erſchlagen , funfo zig der Vornehmſten auf Uſpunnen gefangen gelegt. Sie traurig zurüc in das Thal. Unmuthsvol ſaben ihre Freunde dieſe übereilte Zhat , weil ſie wider des

Raiſers Vogt keinen offenbaren Krieg unternebmen wollten. Ein Jahr, ein zweytes Jahr des Gefängniſſes der Funfzig verfloß , bis endlich Werner , fandam ,

mann zu Oberhasli , von dem uralten 227) ritterſchaft.

1

Geſchichte der Schweiz.

175

lichen 228 ) Geſchlechte Reſti, den Entidoluß nabm , an die Berner zu ſenden .

Dieſe bat er als alte Freunde,

„für die Landleute in & ußerſter Noth ihren tapfera „ Arm zu waffnen ; wenn ſie dieſes thun , fo , berhieß ,, er, ſoll ewig niemand als die Stadt Bern über Hasli

„ di. Bogten haben . “ Zur ſelbigen Zeit ſchirmte der Herr von Weißenburg , wohl im Namen des Kaiſers , in deffen Schuß die Lombarden der Stådte zu ſeyn pflegten 229) , einen fliehenden Lombarden der Stadt Bern , welchem er ſelbſt Geld ſchuldig war. Defto ſchneller beſchloſſen und vollendeten die Berner die Un, ternehmung auf Uſpunnen. Als der Freyberr , nach

dem ſich der lombarde gerettet , ſeine Burg Offnete , wurden die Gefangenen befreyt , und er nahm für die Reichsvogtey ſo viel Geld als er dem König bezahlt batte. Die Berfaſſung von Oberhasli, ,,baß der Blat.

„ bann im Namen des Reichs geübt , für den Schirm mjåbrlich eine Steuer von funfzig Pfund genommen , „ und aus dem Volk ein fandammann erwählt ward 230 ), " iſt nur darin von andern Reidsländern unterſchieden , daß die Männer diefes Landes der Stadt Bern in ih,

ren Kriegen Hülfe leiſten 231). An der Hauptgaſſe der Stadt wurden die Sdilüffel von Wimmis , der feſten

Erbburg des Freyherrn , vor allem Volk ausgehangen ; Johann von Weißenburg wurde mit allen ſeinen Soldfi ſern 232) der Stadt Bern Burger , und nahm Theil an

176

II. Buch .

Erſtes Stapitel.

Verwaltung des gemeinen Weſens. Der Sieg durch Mohlthun chien der fiderſte: in dem zweyten Jahr nach dem Zug in livinen , Waldſtette in eben dem Fahr als einige für Hasli den mißlunges Bund. nen Verſuch thaten , wurde von den Waldſtetten , was von Anbeginn ihrer Eidgenoffenſchaft kein Geſchlecht

Der vier

ifrer Voráltern je gethan , beſchloſſen , in ihren ewis gen Bund ein viertes Ort aufzunehmen . Die Denkungsart König Rudolfs hatte ſein Ges

ichlecht ſo ganz verlaſſen , daß von allem , wodurch ein Fürſt ſeinem Bolt beliebt wird , von den Herzogent das Gegentheil geſchah. Die Lucerner und Glarner , da ſie nach derſelbigen Zeit faſt allgemeinen Gewohne

heit außer Stadtbahn und Landmark zu keinen Kriegen verbunden waren, ' zogen mit ſolchem Fleiß zu der Hero

zoge letter Kriegøthat wider den Kaiſer , daß König Johann von Böheim , der kriegsverſtändigſten Fürſten einer , beſonders der Glarner Waffenrüſtung ſehr beo

wunderte -33). Nach dem Friedensvertrag wurde deč berſprodzene Sold ihnen nicht gegeben. Die Kaufs leute , die Handwerker und alles voll zu Lucern hatte

idon viel daben verloren , daz durch der Herzoge ijnen fremden Krieg das ganze Hirtenland am Waldſtettens ſee und in dem Gotthardpaß feindſelig , die Verſtars

kung und Erweiterung der Thürme und Ringmauer

nothwendig

206

HI. Buch . Zweytes Kapitel.

Schåfli, die Biber , Bilgeri , Hämmerli , Müller, Schwarz, Wyß , Brun ) ; eine kleine Anzahl Ges 1

folecyter , deren die wenigſten aus altem Abel waren ,

die meiſten aber ein ebrenbaftes Auskommen dem an, geſtammten Fleiß zu danken hatten , und wohlerfahr, nen Båtern die Kenntniß der Stadt ſchuldig waren , blieb ben dieſer verſtandigen unduldigen Bürgerſchaft

ohne Neid in faſt erblichen Rathswürden 45). Auch waren ſie weit entfernt , ihre altvåteriſche Sitten zu åndern ; fie behielten ifre beſcheidenen Geſchlechtsnas

men , auch wenn ſie Herrſchaften kauften ;, wenn ſie Herren und Ritter wurden , ſchåmten ſie ſich des Kauf. ladens nicht ; deſto mehr wurden ſie geliebt ; eine Stadtregierung berubat auf bürgerlichen Sitten 45b ). Landleute und Auslander kamen vor dieſen Rath , und nahmen von ihm nach ſeiner Einſicht und nach dem

Gejeh der Züricher billige Urtheile 4 ). 4. Schults In dem Nichthauſe an der Brüde 47) , hielt auch heiß ic. der Vogt ſeine Tage , und ſaß der Schultheiß , wel. /

chen die Aebtiſſin wählte , vom Morgen , wenn die Rathsglode ſchlug , bis zu Mittageſſenszeit 48) , über fein Schulbengericht.

Aber bende konnten ohne Beys

ſtand von dem Rath ihre Sprüche nicht vollziehen .

Ueber die Rechtshandel zwiſden Bürgern und Pfaffen , waren von der Stadt und beyden Münſtern drey Chors berren , folchem Geſchäfte alt genug und von genug,

famen Wilz 49) , zu Pfaffenrichtern verordnet 50 ).

Geſchichte der Schweiz.

207

Ate Stärke ſuchten die Bürger in ihrem einſtimmis Geſete für

gen Beſtreben auf einerley Zwed. Darum wollten ſie, ihre Erhals tung. wie ihre Voråltern , in Eine große Gemeine vereiniget bleiben. Obwohl ſie gewiſſen Gewerben 51) Innun, gen ſetzten ( die auch nicht immer verwerflich ſind 52) ),

verordneten fie , „ dem , der eine Zunfi , Meiſterſchaft rober, Geſellſchaft 53) aufrichte, das Haus nieder zu „ reißen und eine Buße von zeba Mart Silber 5+) ab, rozufordern.“ Denn ſie beſorgten , es würde bald jee der ſeine Zunft für ſein Vaterland halten , und fich an

ſeinem Ort von kühnen und liftigen Männern zu allers ley Neuerungen verleiten laffen. Man ſieht aus den Strafen derjenigen , welche mit Kriegsgeråthe 55) die Münſter , Thore , Thürme und öffentlichen Plate 50)

angriffen , wie viele Kühnheit bezábmt werden mußte. Bürger , welche einander befebdeten , mußten beyde von der Stadt weichen 57 ). Die Burger verwachten

ibre wohl unterhaltenen Mauern und wohl verſeheren Zhůrme 58) ; dem Graben gaben ſie Tiefe und Weite 59) ;

fie litten keine neue Vorſtadt 6) , noch am Tbor ein feſtes Haus 6 ). Die Stadt war feft; nicht nur weil die Belagerungskunſt noch nicht ausgebildet worden ,

ſondern vornehmlich durch der Einwohner Muth ; weil der Menſch durch Kunſt aller unbeſtelten Dinge Meia ſter wird , niemand aber als der Tod herzhafte Män . ner bezwingt. Nachdem die ganze größere Stadt oſto wårts dem See und Fluß, burde die Unvorſichtigkeit ( 2)

208

II. Buch. Zweytes Siapitel.

eines Båders , wie in kurzen Sabren viele andere Stådte , berbrannt , wurde berboten , die Backofen mit bölzernen Thüren zu verídließen 63) , und jährlich uns

terſuchten die Vorſteher der Feuerpolicey 64 ), ob die Häuſer mit Wajen oder Ziegeldächern gut genug bes

dedt ſeyn 65). Viele fiengen an von Steinen zu bauen 6) ; es wurde nicht geboten, ſondern empfohlen . Doch ſteht wider allgemeine Gefahr die Sorgfalt billig den Obrigkeiten zu. Privatmánner vergeſſen über ges genwärtigen gewiſſen Unkoſten die ungewiffe ferne Gefahr. (Finang)

Deffentliche Gelder wurden ſchon damals in gerina ger Summe eingefordert , und mit åußerſter Sparſam , keit ausgegeben. Von den Gewerfen ,67) zu Steuern an das Reich waren die Ritter und ihre Sibne 68) ,

die Dienſtmanne und Umtleute der Gotteshäuſer, frey ; die übrigen Bürger gaben dazu , was von dem Rath

nad Schåßung des Vermögens jedem angeſchrieben wurde. Zu der Stadt Bau und Nußen ſteuerten , Wenn ſie Burger waren , auch die vornehmſten Prála.

ten 69). Vom Verbrauch in Weinſchenken 7 '), vom Getreidhandel 7 ) und vom Salz 72) , aus den Müh. len 73) , vom Durchgang , von der Einfuhr und Auss fuhr des Viehs 74) , vieler febensmittel 75) und Fabrika waaren 76 ) , bom Darwågen und Ausmünzen des Gila 7 des 77) und von dem Vermögen abziehender Bürger Jugen und 78) , wurden ordentlide Abgaben genom .

L

Geſchichte der Schweiz

209

men . Es konnte aber vom Verbraud nicht viel bezos gen werden , weil wenig überflüſſig verbraucht wurde , und weil unertråglich und unvernünftig wäre , das Uns entbehrliche zu hoch zu beſchweren 79). Ben Vermos 80 genſteuern 8) , und Berechnung der Bußen 81) (wel. des Zutrauen in freyen Städten gut und weiſe iſt ) wurde dem Wort und Eid geglaubt. Aud die

ſchwådhſten Vorſteber ſind wohl redliche und verſtång dige Hautvåter , und fürchten das Volt : darum find in Republiken die Unvollkommenheiten des Finanzwes

ſens nicht ſo verderblid ) wie in Königreichen ; das Vers derben letterer fångt biemit an ; wenn in Stádten die

Zugend hierin verfällt , ſo ſind ſie dem Untergang nabe.

Die Mórder wurden durch Einziehung des Vermò, für Sicher: Veit an Leib

gens und Berbannung aus dem Vaterland,um allen flor und Schirm , den ſie ihrem Bürgerſiande ſchuldig

waren , gebüßt, ſelbſt wenn ſie einen geåchteten Mann im Burgfrieden 82) umgebracht hatten . Fremde wur.

ben dem Blutgericht übergeben 83). Unvorſegliche Toda ſoláger 84) bezahlten zwanzig Mark, oder halb ſo viel, wenn der Todte nicht nach Bürgerpflicht ein Haus hatte.

Man gab dem Leben eines Bürgers doppelten Werth , weil er auch für andere lebt. Aus den Wohnungen der

Geiſtlichkeit wurden Todſchlåger mit Gewalt abgeholt ; in Bürgerhåuſer wagte ſelbſt kein Rathsberr zu geheng H. Müller’s Werte. XX ;

14

ilo

11. Budy. Zweytes Sapttel.

bis die Auslieferung vom Eigenthümer verfagt wors den 85) ; ihnen war ein Bürgerhaus heiliger als das Saus eines Geiſtlichen . Das Waffentragen war biss weilen verboten , verborgenes bey gedoppelter Stras

fe80); denn baftig entbrannte in damaligen Menſchen Såbjorn über Beleidigungen oder die Rachſucht um Freunde, Wer einen Bürger mit Worten ſchimpfte , wurde , um Selbſtrace vorzukommen , ſogleich ehe er

noch angeklagt wurde , giebůßt 87). Wenn der Zorn des Verurtheilten gegen Richter in Scheltworte auss brad , fo ftanden ſie auf, und legten bis auf Genug. thuung das Amt nieder 88). Durch Stårfe des Ges

fåhls , durch den Eifer ſeiner Freunde , und ſeiner Uns þånger Zahl, war jeder ſchåkbar als Freund, furchibar als Feind, in allem fübn , und frey durch Muth. Wie jeder für ſich , ſo war im Ganzen das Polk. und Gut.

Ueber Erb und Eigen beobachteten fie , daß jeder Mann und Pater bey Leibes Leben in ſeinem Gute Herr fen ; die lebengüter aber 89) , wenn Söhne fehlen,

auch Töchtern gegeben werden 90). Zu Erhaltung des Rufe der Güte ihrer Fabriken fam die Gemeine gewiſ.

fer Satungen überein 91) ; für eine volfreiche Stadt ohne Gebiet ſind Fabriken das Brot. Zum Verkauf der Lebensmittel wurden in der Stadt gewiffe Pláře 92) mit vieler Vorſorge wider Portaufer 93) verordnet. Sie machten auch das Geſetz wegen des Weinbaues , Peinen Halber 94 ) ju vertreiben , ſo lang er die Reber

Serdhichte der Schweiz.

gut warte; ungefälſchten 5 ) landwein 06) zu trinken , und nie bis in die ſpåte Nacht auf den Schenken zu

fiken 97). Sie verſchloſſen endlich die Frauenhåuſer 98 ). Auch geringere Sachen 99 ) wurden an den Richtebrief geſchrieben , weil der Bürger am liebſten hielt was er ſelber fid verordnet. Es war eine gutherzige Vertraulichkeit in den bůrı Sitter. gerlichen Sitten ; der Umgang war båufig , fie pflega ten gern mit einander zu trinken und mit Würfeln oder

im Brete zu ſpielen 100 ). Denn die Freundſchaft bat für unabhångige Seelen undberwindliden Reiz, und fie waren (wie es in jeder Gemeinbeit feyn fod ) in Sirten gleichförmig und einfach. Daber durfte audi

der Vornehmſte nicht über zwanzig Hausfrauen 10t) zu feiner Sodzeit laden 103) und nicht mehr als zwey

Hautboiſten 103), zwey Geiger und ſo viele Sånger dan bey baben.

Náhrlich Mittwoche in den Pfingſtfronfeften brade Religion. ten die Herren und Frauen der Münſter , die Prediger,

Barfüßer und Auguſtiner die Ueberbleibſel der Heiligen auf den Hof unter der Bürger Gezelt, und wurde ein hohes Umt gefalten ; bierauf gab man jedem Orden bier Brote und Siche und ſpendete 104) ein Almoſen. Vier Eimer weißen Wein bekam der Leutprieſter, da . mit an dem Feſte Jobann des Läufer8 (der nie Beint frant) die Angehörigen des Münſters zu erfreuen 101b). Hub dem Preiſe von drey Scheffel Weißen wurde an

213

II. Budh . Biveytes Kapitel.

dem Fronleichnamsfefte ben den Auguſtinern der Cons bent bewirthet 104c). Vier Knechte wurden bereit ges halten, auf die nächſte Heerfahrt in das heilige land 105 ). Pom Nachmittag vor dem grünen Donnerſtage 106) , bis man Sonnabends die Oſtern einläutete , war als

len Juden verboten , an Fenſtern oder auf den Gaffen zu erſcheinen oder in ihren Häuſern Geräuſch 107) zu machen . Auch ſonſt wurden ſie von der Gemeine 108) und von den Rathsrotten 109) zwar beſchirmt 110), aber

doch wurde Mofis Fluch ) durch verachtungsvolle Daniederhaltung , und vom Volk durch mancherley Schalkheit 112 ) gern wahr gemacht. Heimlich waren viele Begharden , Beginen ; Schüler und Laien dem

(von uralter Zeit ber 113) , bielleicht öfters) zu hoch geprieſenen , und übertriebenen , äußerlichen Kirchens dienſt feind. Sie ſelber batten von dem Unendlichen

folde Begriffe 114) , und ſie hatten eine folche Meinung von den hohen Rechten des Wiedergebornen 115 ) , daß durch ihre Unvorſichtigkeit oder ihre Selbſtüberhebung

den Schwachen Anſtoß gegeben wurde. Dawider ſorgte die Obrigkeit 116).

Alle neuen Geburten des Wiked , alle fremden neſinger. Meinungen wurden bey den Zürichern zuerſt bekannt , wegen des Zuſammenfluffes und Aufenthalts vieler Ausländer 117) , wegen der Muße , die der Wohlſtand gab , und wegen der Gewohnheit freundſchaftlichen Umganges. Der Name Rüger $ 18) Maneſe, Ritters, Die Mins

Geſchichte der Schwetz.

313

Bom Rath, deb. Freundes aller , Geringen und Großen , welche das Gute und Schöne liebten 119), bat mit bil ligem Ruhm die Menge des Abels und alle Rotten der gewohnlichen Vorſteber überlebt. Er war aus einem,

vielleicht in Italien , durdo Handelſchaft groß gewor. denen Hauſe 1196), Wo er wohnte, zu Zürich , oder

auf Manegt ſeiner Burg. 120) , hatten die Minneſinger in Vertraulichkeit manchen ſchönen gludſeligen Tag unter einander, Er binterließ eine Sammlung ausges wählter Perſe von mehr als hundert und vierzig Bers

faſſern 121), deren Geſangſeit Heinrich von Beldegť 122), und Walthern von der Vogelweide 123 ) mit boben Eb. ren die Höfe erfreut , oder die Burgbalden im laudlin den Thurgau und im Oberland böhere . Berge als der. alte Parnaſſus 123 b) zu anmuthigen Siben der Muſen umſchuf, ftolze Baronen (wie die Reyer Des Orpheus)

zåhmte oder in Hadloubs 124). Munde zugleich Bürgern von Zürich und großen Prålaten und Freyherren lieb, war 124b ). In dieſem Lande hatte Konrab von Mure 125 ) die

Mythologie und Boner 120) Fabeln geſammelt; unb.

lernte nachmals fütold von Regensberg, bey nächtlis cher Stille im einſamen Burgthurme gebeime Weisheit

von einem freundſchaftlichen Geift 127). Sang, etwa auch hier Wolfram von Eſchenbach wundervolle Abens teuer Wihelms von Dranſe 128) ? und Rudolf Dienſt.

mann von Montfort Wilhelms von Drleans noch dada

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II. Buch . Zweytes Kapttet.

214

nere Måbr 129) ? Der Nibelungen Lied könnte die Leute dhe Ilias werden 130) . Da mochten zerſtreuende Lies der den edlen Schenk von Winterſtetten erquiden , als

er von großem Reidtbum in die åußerfte Dürftig. keit fiel 13') ; den Jacob von Wart , wenn er im unvero ſchuldeten Unglück der Geſänge ſeines Vaters gedad. te 132) ; auch den Hadloub , als die ſtolje fråulein ſeis ner Kunſt 133 ) , ſeiner Liebe und edler Freunde Fürwort

allzu ungnådig war 134). Dieſe , Hanns der Rands ler 1346 ), Kraft und Friedric , Grafen von Lokenburg, der ritterliche Werner von Honberg und Ults Rappers (chwyt 135 ), Hanns von Habsburg Rapperſchwyl 150), von Welſdaeuenburg Ulrich and Rudolf , Albrecht 来了 。

Marſchall von Rapperſchwyl, Stråttlingen , Singens berg , tandenberg , Dellikon , Klingen , Troſtberg und piele anbere Herren und Bärger, ſangen die Liebe, und in ſtrengera fiedern auch den Sittenverfa . Es iſt viele Unmuth and Kühnheit , oft Hobe in its sem gefühlvollen Geſang ; einfaltvoll , edel , oft wolle lautender als unſere, ihre veralterte Sprace. Nicht

an Worten ſind ſie arm , ſondern an beſſerer Kenntniß. In dem blühenden Zeitalter des Hohenſtaufiſchen Geo ſchlechts keimten ſchone Wiſſenſchaften auf ; fie ergoſo ſen unendlichen Reiz , die höchſte Wolluſt , über das

menſchliche Reben. Eine neue Achtung für Bildung des Geiſtes 136b) , Eifer , fie ſelbſt in entfernten fåns dern zu ſuchen 136) , Entidlüffe, das Nothwendige zu

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Geſchichte der Schwely.

SI5

Hauſe zu veranlaſſen 130 d), drangen ſelbſt in Stifte, der Unwiffenheit Wohnung 136 €), wo man ſonſt nur auf das deußerliche (ab 136f) ; aber die Verwirrung des Kaiſers tbums und neuer Ehrgeiz des Habéburgiſchen Fårs ften 137) ſowohl als der Gewerbe , welche in den Ståde ten den Handel ftorte, vertrieb den Geſchmack des Schis nen ; hierauf tam die Scholaſtit, aledaan die theologis ſche Polemit , bis endlich die Seuche der Nachahmung ben Deutſchen Geiſt verfinſterte, und unter ſeinem nas türlichen Schwung zurüđbielt. So bebarreten viele Gegenden der Schweiz in ungelehrter Einfalt , oder

die Gelehrten ſchrieben ohne Rüdſidyt auf das Land , nur für ihres Gleichen . Bis bieber die alte Zärid. In einer der minuthig a

Uebets

ften Gegenden , auf dem Plat des Helvetiſchen Zuria haupt. cum, bey ihren zwey Münſtern, war ſie aus dem Holze in dem Silwald 138 ) nach und nach erbauet worden , und lag zwiſdoen Weide und Aumend 139) , frey und

ficher , wie des ganzen Landed Krone 140) ; an verſtåns digem Fleiß , glüdlichem Handel , Ueberfluß , edotem Bürgerſinn und in dem ſeltenern Ruhm der aufs

geklärteften Stadt , weit über ganz Thurgau und Para gau ; den Herzogen von Deſtreich , dem vornehmſten Landadel , und vom Gottard bis an den Maynſtrom , allen Städten und Låndern durd rubmvolle Bündniſſe und Burgredote verbunden ; ein ſtarkes , exemplari. des , glüdlices , gemeines Weſen.

216

II. Regis

II. Buch. Zweytes Kapitel.

Unter dem Fürſtenthum Eliſabeth von Mazingen ,

mentøver. Uebtiſſin bey dem Frauenmünſter , unter der Propſter, ånderung des Grafen Krafft von Lokenburg , Propſten bey dem 1335 großen Münſter 140b) , in dem Hundert und achtzehnten Fahr nach dem Tod Berchtolds von Zåringen , des .

Jeßten Herrn dieſer Stadt , und nach dem Tod König

Heinrich des Erſten , Stifters der Bürgerſchaften , in Dem dreyhundert neun und neunzigſten Jahr, trug fich zu , daß die Vorſteber der Stadt Zürich , gleich als .

wenn ihre Verſammlung vor Alter die Wadyſamkeit verloren båtte , ſich in Parteyen trennten. Da klag.

ten viele der Schwächern , „ das Wohl des gemeinen ,,Wefens werde hintangefekt , um Eigennuß , Liebe wund Has ; die verburgrechteten Freyherren haben keine ,,Sidherbeit imehr für ihre Edelfike, noch die Bürger. michaft für Ehre, Leib und Gut, noch die Stadt für die

wgemeinen Gelder ; gewaltige Rathbherren geben der w Urmuth ſonódes , oft gar kein Verhör; fie sichten

mbodomůthig , wenn und wie es ihnen gefalle; ſie vero mſchmåben , von den Stadtgeldern Rechnung zu geben , mund fcheuen fich nicht , über Leben des Reichs zuma

,,Schaden edler und ehrwürdiger Herren willkürliche Urtheile zu ſprechen 141)." Vornebmlich bielt Rudolf Brun , ein Mann von ungefähr funfzig Jahren 142), reich 143) , und welcher ſelbſt auch vom Rath war, vie

len Bürgern vor : „Ihre freye Stadt komme unter un

verträgliche Tyranney ; er , welcher ſeine unterdrůd , A

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Gefchichte der Schweiz.

217

„ ten Mitbürger über alles liebe , ſey deswegen der „Rathsherren verhaßt ; ſie aber , die Bürger , vermos argen alles , durch ihre Zahl , ihre Gewerbe, ibren ta . upfern Muth ; fie , welche nichts zu fürchten haben ,

q,allein ſie können Recht und Freyheit noch retten i e,wenn ſie zuſammenhielten , würden ſie beſſer als die vſtolzen reichen Gewalthaber Zürich regieren ; wenn fie entſchloſſen feyn , das Baterland frey zu erhalten

vſo rey er bereit , Ehre , Gut und Leben mit Freuden ..zu ihnen zu reben .“ . Viele , welchen einſt ein Rath 8 berr nicht freundlich begegnet ; oder die , wie er ſelbſte in eine Strafe verurtheilt worden 143b) ; viele , welchen

eine Steuer beſchwerlich geweſen und alſo unnöthig fchien ; viele , welche nicht nad ihrem Sinn , und alſo ungerecht, gerichtet worden ; andere , die nichts von der alten Regierung , vieles von der neuen , Bofften ;

fühne Jünglinge, welchen jede Unternehmung des Uns ternehmens wegen lieb war ; andere , welche das nie gefebene Schauſpiel einer fallenden Obrigkeit erleben wollten ; und wer den Reiz gebeimer Verbindungen

fühlte, alle dieſe traten zu Rudolf Brun. Hievon vera nahmen die Vorſteher nichts ; die Verſchwiegenheit in folcben Fällen iſt ſelbſt ungemein füßer Genuß unſeres Bewußtſeyns .

Die Rotte der erſten vier Monate gieng ab. Als

im Anfang des Man die Gemeine in großer Anzahl auf dem Hof zuſammen kam , eridien die zweyte Rotte

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1

315

II. Buch. Zweytes Kapitel.

und erwartete Beſtätigung. Ein Mann aus dem Bolt aber trat auf , und forderte , „ daß von den Stadtgel.

,,dern ſeit einigen Jahren die Rechnung abgelegt würs

be.“ Da erhoben fich zwey Ritter , Maneffe und von Glaris , Johann Stagel und Johann Schåfli, Herrer dieſer zweyten Rotte, Freunde Rudolf Bruns, und bila

ligten das Begehren des Bürgers. Die übrigen , ers faunt , wußten bey dieſer unvorgeſehenen Verwirrung nichts zu ſagen, als, ,,man gebe mit Neuerungen um ; " fie riefen die andern Rotten zu Hüffe; einige fagten , man müſſe die Urbeber folder Sachen ftrafen ," andere

thaten mancherley Zuſagen .

Zulikt (Brun kannte 1

ibre Sdwide , und , wie ben Anfang einer Unrube es

dem Führer des Volkel zukommt , er vermied allen Schein der Gewaltthätigkeit) wurde ihnen erlaubt , beimzugeben , um über das Geſuch der Gemeine zu Tarbichlagen . Wenige obrigkeitliche Perſonen , welche einen großen Zeil des febens in den Ratbftuben zur bringen, haben genugſame Kenntniß der Gemüther des Volls ; die Erfahrung , ' worauf fie fich bråſten , ben trifft nur Formen. Zu Zürid bielten die Rathaherren 2

dieſen Zufall får boråsergebenden Starm ; fie gedach . ten zu zögern, bis der Eifer des Polks erkalte. Mång

licher Maßregeln waren ſie unfähig. Söre kleinen Künfte betrachteté Brun fechs Wochen lang. Endlich - ließ er unter dem Bolt ausbreiten , die Herren vom Rath ſpotten der Gemeine. Da

Geſchichte der Schweiz.

319

kam auf St. Johann Baptiſten Tag aus allen Gegene den die Menge der Bürger mit großem Lärm ( ſo wollte er es) auf die untere Brücke gelaufen , bey welder auf dem Rathhauſe der ganze Rath verſammelt fag ; zuſehends nahm der Auflauf zu , ſo daß den meiſten

Rathbherren äußerſte Todesfurcht ankam. Seinrich Biber und Johann Müller, zwen Ritter, nebſt Hanno Krieg , erklärten fich für die Bürgerſdaft; acht Räthe von der zweyten Rotte , von der erſten Burfarb von

Hottingen und Hanns Bilgeri, und ficben von der

dritten Rotte , mit ein und zwanzig ihrer Freunde , las Ben auf und floben eilends aus der Stadt, ſo daß dard

bloße Drohungen , zu rechter Zeit angebracht, dit Obrigkeit vertrieben worden. Da ichwur alles Volt ,

die Schuldigen zu beſtrafen ; die Berwaltung übergab es denen von der erſten Rotte.

Nach wenigen Tagen wurde die Gemeine ben den Barfüßern außerordentlich verſammelt , und jeder zu Erzählung aller feiner Klagen ermahnt. Un dieſem Lag wurden alle Fehler , alle Miffbräude der vorigen

langen Verwaltung mit vielen Worten vorgeſtellt. Auf dieſes Verbör giengen die meiſten Stimmen dahin ,

,,bon allen Rotten Rechnung zu fordern ; alle nach ,, Derbienft ihrer haten , zum Erlaß und Schreden ,

,,an Ebré , leib und Gut abzuſtrafen ; die bisherige ,,Form der Verwaltung zu verändern ; Rudolf Brun , dem Ritter , bis auf weitern Schluß , die Vollgewalt

II. Buch. Zweytes Kapitel.

maller Sachen aufzutragen , und hierüber einen Eid an ihn zu ſchwören . “ Da nahm er ſeine Freunde , Rüger Maneffe 144) , Heinrich Biber , Johann von

Hottingen und Jacob Brun , ſich zu Råtben.

Die

vorigen Regenten fuchten ihre Sicherbeit und überließen

Zürich ihrem Feind. Hiedurch machten ſie die ſelbſt. fůchtige Gleichgültigkeit gegen das Vaterland , um welche er fie anklagte , glaubwürdig ; fie verloren ihre

Wårde , weil ſie keine Batten als die , welche das Amt giebt.

- Nach drey Wochen wurden dus acht und dreyBig bertriebenen Råthen und vornehmen Bürgern , durch bie Beſorgniß um ihre Häuſer und Güter , vier und zwanzig bewogen , um ſicheres Geleit und um Verbor .

zu bitten . Sie ſtanden vor dem Bolt ben den Barfüs Bern am erſten Sonntag des Auguſtmonats. Es wird nicht geleſen , daß von ſo vielen langverehrten Vorſter hern einer gewußt babe , die Ehrfurcht und liebe der altbergebrachten Verfaffung zu erweden , aber daß eis mer ſich auf ſein voriges Leben berufen ; ſie ſprachen

als Männer, welche ihre Häufer und Garten zu vera lieren fürchten . Diefes wußte Rudolf Brun ; fie bes

bielten ihre Gåter , dieſe ihre Feſſeln , ſo daß keiner ets was davon veräußern dürfe. Sie wurden gebüßt ; zerſtreuet ; von der Gränze Staliens bis in Elſaß an unterſchiedene Orte verbannt 145) , und nebſt ihren Kids

pern aleb Antheils an der Verwaltung unfähig erklärt.

1

Beſchichte der Schwetz. Sie durften ohne Urlaub Rudolf Bruns tein frembeo

Bürgerrecht annehmen , welcher aus ihnen in den beo ſtimmten Jahren auch nur Einen Tag die Verbannung brady , dem gieng von demſelben Tag die ganze Zeit aufs neue an 140). Die Ausgebliebenen wurden alles Vermögens beraubt , auf ewig verbannt , ' bey Strafe des Lodeo 147). Die alte Verfaſſung der Stadtregies rung von Zürich nahm dieſen Ausgang.

Da verſammelte Rudolf Brun , vollmächtiger Ges Neue Vers walthaber des gemeinen Weſeng von Zåria), die ganze faſſung. Gemeine der Bürger in den leßten Tagen des dreye zehnhundert und fünf und dreyßigſten Jahres 148) ix der Barfüßer Kloſter . Unter ihm fam alles Bolt

überein ber nachfolgenden form neuer Verwaltung 149 ). „ Rudolf Brun , Ritter , mit einem Rath aus Rittern ,

„ Bürgern und auch von den Handwerken , roll als „ Bürgermeiſter auf ſein Lebenlang dieſer Stadt Ober. „ haupt ſeyn. Alle Bürger von zwanzig und mehrere „ Jahren oder unter dieſem Alter , wenn der Bürgers ,,meiſter es erfordert, rollen ſchwören , jährlich zwey . ,,mal dem Bürgermeiſter und Rath , Beyſtand mit

,,Leib und Gut ; in allem , was dem Reich und was „ den Gotteshäuſern unſchädlich iſt, vollkommenen Gen

horſam ; beſonders dem Bürgermeiſter , ſo lang bers felbe lebt. So ſchwore auch der Bürgermeiſter ges „rechtes Gericht , und nach beſtem Vermogen ſeines „ Leiben undGutes wadramen Schirm der Stadt. Et

II. Bud

sweptes Kapitel.

werden alle Ritter und alle ohne Handwert lebende

,,Bürger vereiniget in eine Conſtabel 150) (oder Kriegs. geſellſchaft) und ſollen tragen der Stadt Banner vou Zürich und wartën des Bürgermeifters und gemeinen ,,Weſens in aller Noth. Es ernenne der Bürgermeis wfter jährlich zwey Ritter und Edelknechte, und vier „nach Wohlgefallen, Ritter oder Bürger , zu wablen ,,von den Conſtablern dreyzeon Raihsherren ; ſechs ,, Ritter und ſieben Bürger. Es werden alle Hands ,, werke eingetheilt in dreyzehn Zünfte unter dreyzehn ,, Banner : eine Zunft foll beſtehn aus Meiſter und Ger

feller, deren der erſte durch die meiſten Stimmen der

mletzten beym Eid gewählet werden , und ein Hande wwerksmann, der Stadt alter Bürger und ihr Einwoh . mer , ſeyn ſoll , ein Mann von ehelicher frener Ges ,, burt 151), von Ehre , Gut , Wit und Berdheidenheit.

,,Nach fechs Monaten ſeines Umtes werde von ſeinem

n,oder , wo auf einer Zunft mehrere Handwerke ſind , von einem andern Handwerk ein anderer Zunftges noffe zu ſeinem Nachfolger gewählt. Aller Streit um

m,ſolche Wahlen 152) werde von dem Bürgermeiſter je får „ den Beſten 153) entſchieden . Es leiften alle Zunftmeiſter van den Bürgermeiſter den Eid. Sie, die Rathbherren vivon der Conſtabel, und er , der Bürgermeifter , balo ,,ten den Rath. Wenn Rudolf Brun ſtürbe, und Heins

,,tích Biber , und Rüger Maneffe, beyde Ritter , oder wanag von Hottinger und Jacob der Brun oder ein 1

Geſchichte der Schweiz..

mater derſelben ſeyy nod am Leben, To fou einer dieſer zu ſeinem Nachfolger in dem Bürgermeiſterthum erwavlt ,,werden . Von St. Johann Baptiſten bis zu S. 30. ,, baun des Evangeliſten Tag und von dieſem Feſt bis mauf jenes , davere die Gewalt eines Nathes. Por wjedem dieſer Fefte an dem vierzehnten Tag werden die

,,Meiſterbote 15+) von den Zünften zur Waš! neuer Zunftmeiſter gebalten , und wäbit Rudolf Brun die

fechs Wahlherren und mit ihnen die Rathsherren. ,,Um S. Sovannſen Ubend in der Mitternachtſtunde, wenn zur Mette geläutet wird, alsdann treten die als

,, ten Ratbe von der Berwaltung , der neue Rath mfångt an zu regieren. Es richten die beyden Ris „ the jeder über die Frebel ſeiner Zeit , über Geld und „Ungehorſam jeder Zeit, obne Nachlaſſung der Bufen ,

mohne Miethe nod Gaben ; bey Verſioßung von dent „ Amt und ewiger Perbannung . Es mag auch der ,,Bürgermeiſter , wenn es ihm nothwendig dåudt , jinach ſeinem Wohlgefallen zwey oder brey witzige und „ beſcheidene Månner des nichtregierenden Nathes zu731 Rathſchlagen berufen . Unſchädlid dem durchlauch . vitigften gnädigen Herrn , Kaiſer Ludewig von Nom , ,,und Römiſchem Reid , wurde dieſe Verfaffung für

,, ewige Zeiten angenommen." Sie wurde bekräftiget in dem folgenden Jabr , „Dienſtags nach St. Maria ,, Magdalena ; mit Witen , Siegel und Unterſchrift Eliſabeth , von Gottes Gnaden Uebtiſfin des Gotted.

1936

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224

II. Bud). Zweytes Kapitel.

„ hauſes Zürich, und mit weiſem Rath , mit Unters mſchrift und Siegel des ehrwürdigen Herrn , Grafen, v Krafft von Lokenburg , und aller Chorherren des Cas. piteld zum großen Mänſter."

Die Zünfte des Altherhums , bey den Üthenienſerna Nömern und Franken 155) , waren militäriſche Abtheis lungen . Die Innungen wurden veranſtaltet, als bey

der erſten Theilung der Gewerbe der Handelskreis zu eng war , als daß der Vertrieb nicht båtte geſichert werden müſſen. Zu Zürich war jeder Handwerkemann

áis Bürger in einer Zunft, als Handwerker (da node damals oft Einer mehrere Handwerke trieb) mochte er von mehrern Innungen ſeyn. Zünftig war nur der Mann , in die Innungen kamen auch Weiber 150 ).

Die Zunftmeiſterwahl gieng ungefähr ſo zu 157) , „ daß der abgehende Zunftmeiſter zwey Månner zu fich nahm ; daß jeder Zunftgenoſſe , einer nach dem an bern , unter verſchworner Verſchwiegenheit an einem nabgeſonderten Orte dieſen drey einen Zunftmeiſter „ vorſchlug, und wer die meiſten Stimmen vereinigte, midas Amt bekam . " Der Neugewählte nahm ſechs Zunftgenoſſen ſich zu Rathen ; denn es war ein altes Herkommen im Rath , über ſchwere Sachen etwa bung

dert Bürger zu berufen , um ihren Rathſchlag zu vers, nehmen 138). Es wurden auch wohl von dem Zunfts

meiſter und von den Sechs andere rechs Zunftgenoſa fen , und von dieſen dreyzehn der neue Meiſter geu

Geſchlähte der Schweiz.

225

mahlt 159 ). Meift wurden innereStreitfaden der Hanbo werke von dem Zuaftmeifter und von den Sechs vers tragen oder entſchieden 160 ). Verſammelt wurde jede

Zunft von dem Borfteber, oder fie tam nadi drey Mos naten von felbft zuſammeth Die Mitglieder der ina nungen , die Genoffen der Zünfte , pflegten für ihr ges meines Weſen 161), får ifre Bedürftigen , får able geiten , für Wein 162) , oder für die ewigen Lichter auf dem Altar, den die Zanft ftiftete, zuſammen zu ſteuern . Söre Bewaffnung war unter Aufſicht des Zunftmeis fters 163 ), Bey eines Zanftgenoſſen Trauung oder Beo gråbniß erſchienen fie ſelbſt odet ihre Weiber 16+). Die ganze Bürgerſchaft ftellte wie eine Eidgenoffenſchaft vor , aus "bierzehn Gemeitten , deren jede eine eigens

thümliche Berfaffung , ihre Gerichtsbarkeit, ihre geo meinen Gelder und Waffen hatte. Im Rath wurde jes

des Sandwerk von der Zunftmeiſtern vertreten ; Brun war ihnen günſtig , um über die Conſtablen zu Herra fchen ; dieſe waren die Wohlhabenbften , jene die Gen waltigſten .

Von dem an wurde durch den Einfluß der Hand. Ihr Geiſt. wertomäßigen Denkungsart alles Robe, bas der fanda mann berkaufte , wohlfeil, und alles , was die Hande

werke verarbeiteten , theuer. Nicht immer hinterhielt ein Handwerk die Vertheurung der Arbeit eines an. dern , weil der Berbrauch dod meiſt von den Bemite

telten geſchah. Die Ausfuhr aller Materialien , die 0. Müler's Werte . XX .

15

4.

226

IL Budy. Zweytes Kapitel.

Einfuhr alles Verarbeiteten , und alles Mitwerben fremder Handwerksleute, wurde nach und nach verbos ten. Es geldab in den erſten Tagen der neuen Vers

waltung , daß einige gute oder ſonſt verſtändige Måns ner , aus Liebe des gemeinen Woble , oder um die

neuen Regenten zu prüfen , oder um þaß wider dieſels ben oder Zweyſpalt unter ihnen zu veranlaſſen , um Erlaubniß baten, Brot, Wein, Leder und andere Noths

wendigkeiten in der Stadt oder auf dem fånd frey, von

den beften und wohlfeilſten Verkäufern zu erhandeln. Dieſem Vorſchlag antwortete die Regierung , wer ihn

,,wiederhole, der ſoll fünf Jahre lang aus der Stadt verwieſen und um zehn Marf oder körperlich geſtraft werben 165 ). “

/

Durd Tolde Schranken , durch den Vers

fall des Vermögens und Anſehens der vornehmſten Bürger , wurde , ohne daß die Zünfte es wollten (Eis gennuß iſt kurzſichtig ), der allgemeine Flor aufgebals ten und hintertrieben. Deffen berdienen die gutmeis nenden Zunftfreunde und fleißigen Hausvåter keinen Zadel, ſondern die Conſtablen und Rudolf Brun ; dies ſer überlieferte die Gewalt folgen , die durch Stand und Erziehung zu Privatſorgen beſtimmt waren ; jene waren durch Trägheit ihres Widerſtandes im Anfang dieſer Unruhen würdig , die auf fie falende Uebervors

theilung auszufteben. Ihre Bes Uls Kaiſer fubmig berichtet wurde , „Rathsberren ſtätigung. mbon Zürich ſeyn wegen Verlegung der kaiſerlichen Les

l 1

224

Geſchichte der Schwely.

„benrechte , wegen heimlicher Eide 166) wider ihre Miti ,,bürger und unertråglicher Ungerechtigkeiten vom Va. terland verbannt , und hierauf die Gerichte mit Bora

,,behalt aller kaiſerlichen Macht erneuert 167) worben ," trug er fein Bedenken , dieſe Veränderung zu beſtår tigen 168 ).

Graf Gobann vom Haufe Habsburg , Herr zu Fehde mit Lauffenburg und Rapperſchwyl, welcher von Werner Rapperſchs! wyl

von Honberg , ſeinem Neffen , die Mark bey) Sdwyn

ererbt, und auf langes Anliegen der Herzoge von Deſta reidy 109) ſie nebit Wartenberg bey Baſel von ihnen zu Leben genommen 120 ) , war in Zürich unter der boris

gen Regierung iži) werburgrechtet, und genoß derſely ben freundſchaftlichſte Dienfte. Auf ſie hatte er mehr gerechnet als auf den Willen Rudolf Brung , und als auf die Grundfäße und Waffen ſolcher Senatoren , vont

denen er ſich wohl eher bie Schubriemen auftoſen laſı fen. Alſo nahm er die fliehende Obrigkeit auf ; er

glaubte , dieſe Veränderuug dürfe ihm nicht gleichgüle tig ſeyn, da der Bürgermeiſter bon den Zunftmeiſtern , 1

durch ſie aber von dem Rath , leicht jede Bewilligung zu Unternehmungen wider benachbarte Fürfien erhals ten würde. Die Vertriebenen , jo biele ſich nicht uns terworfen , wobnten zu Räpperſchwyt und auf den rum, liegenden Burgen des Adelor Die , welchen iðré Gus ter genommen worden , pfändeten den Ertrag der lands gåter ihrer Feinde Freunde und Freundinnen in der

226

IL Budy. Zweyted Kapitel.

Einfuhr alles Verarbeiteten ,

und alles Mitwerben

fremder Handwerksleute, wurde nach und nach verbos ten. Es geſchah in den erſten Tagen der neuen Vers waltung , daß einige gute oder ſonſt verſtändige Måns ner , aus Liebe des gemeinen Wohls , oder um die neuen Regenten zu prüfen , oder um Haß wider dieſel.

ben oder Zweyſpalt unter ihnen zu veranlaſſen , um Erlaubniß baten, Brot, Wein, Leder und andere Noth.

wendigkeiten in der Stadt oder auf dem Land frey, son den beften und wohlfeilften Vertåufern zu erhandeln .

Dieſem Vorſchlag antwortete die Regierung , „ wer ihn wiederhole, der ſoll fünf Jahre lang aus der Stadt

verwieſen und um zeba Marf oder körperlich geſtraft werden 165) .

Durch ſolche Schranken , durch den Vers

fall des Vermögens und Anſehens der vornehmſten Bürger , wurde , ohne daß die Zünfte es wollten (Eis

geanuß iſt kurzſichtig ), der allgemeine Flor aufgehala ten und hintertrieben. Deffen verdienen die gutmeis

nenden Zunftfreunde und fleißigen Hausgåter keinen Ladel, ſondern die Conſtablen und Rudolf Brun ; dies fer überlieferte die Gewalt folden , die durch Stand und Erziehung zu Privatſorgen beſtimmt waren ; jene waren durch Trågheit ihres Widerſtandes im Anfang dieſer Unruhen würdig , die auf ſie fallende Ueberbors theilung auszuſtehen . Ihre Bes Als Kaiſer Ludwig berichtet wurde , , Rathbherren ſtátigung. v von Zürich ſeyn wegen Verlegung der kaiſerlichen les

Geſchichte der Schweit.

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„benrechte , wegen beimlicher Eide 166) wider ihre Mita ,,bürger und unertråglicher Ungerechtigkeiten vom Va. „ terland verbannt , und hierauf die Gerichte mit Vora ,,behalt aller kaiſerlichen Macht erneuert 167) worden,"

trug er fein Bedenken , dieſe Veränderung zu beftås tigen 168).

Graf Jobann vom Hauſe Habsburg , Herr zu Fehbe mit Lauffenburg und Rapperſchwyl, welcher von Werner Rapperſche! wyl. von Honberg , ſeinem Neffen , die Mark bey Schwun ererbt, und auf langes Anliegen der Herzoge von Deſta reido 169 ) ſie nebit Wartenberg bey Baſel von ihnen zu Leben genommen 170) , war in Zürich unter der boris gen Regierung 171) Berburgrechtet, und genoß berſela

ben freundſchaftlichſte Dienfte. Uuf fie hatte er mehr gerechnet als auf den Willen Rudolf Bruns , und als auf die Grundfäße und Waffen ſolcher Senatoren , von denen er ſich wohl eher die Sdjubriemen auftofen laſs fen. alſo nahm er die fliehende Obrigkeit auf ;; er glaubte , dieſe Veränderuug důrfe ihm nicht gleichgüle tig ſeyn , da der Bürgermeiſter von den Zunftmeiſtern,

durch ſie aber von dein Rath , leicht jede Bewilligung 2

zu Unternehmungen wider benachbarte Färfien erhals ten würde. Die Vertriebenen , ſo viele fich nicht una terworfen, wobnten zu Rapper(dywyl und auf den yum. liegenden Burger des Adels, Die , welchen iore Gůs Ods ter genommen worden, pfändeten den Ertrag der Panda

gåter ihrer Feinde ; Freunde und Freundingen in der

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1!. Budy. Zweytes Kapitel.

Stadt ftårkten ihren Anhang. Hierauf ergieng das Gerücht 172) , man babe Zürid in Brand ſtecken und biedurch einnehmen wollen : der Bürgermeiſter ließ eis nige Bürger binrichten , und nußte dieſen Anlaß zu Bermehrung ſeiner Macht. Wer zu Zürich wohnen wollte , mußte ihm dowdren , bey Leib und Gut ; wer

ohne ſeine Erlaubniß die Stadt verließ, wurde auf ewig verbannt ; Freunden , Verwandten, Söhnen, war vers' boten , in hoberer Zahl als fünf, nadher als drey 178),

beyſammen zu feyn ; es wurde gefangen , wer nach der Ståubglode 174) fidh ohne Licht auf den Gaſſen finden ließ , und gebüßt , wer nach der Nachglode 175) einem andern ſeitt Haus offnete; wer nicht ben Tag und Nacht auf ein gegebenes Zeichen mit Armbruſt bewaffe net aufbrachy, an leib und Gut geſtraft ; es wurde dem Bürgermeiſter auf jeden Fall die Madt gegeben , Fich aller Pferde zu bedienen 170). 1337

Zu gleicher Zeit erbob fide die Fehde zwiſchen Zů. ridh und Graf Johann , in welcher Brun verwundet wurde 177 ) , und eine andere Febde um Grynau , eine Burg nicht weit von dem Anfang des Züricher Sees,

zwiſchen Diethelm , Sohn Friedrichs , Grafen zu To. tenburg , deſſen Dheim Kraft Propſt am großen Måa, ſter war , und demſelben Grafen von Habsburg 178). Die von Sdwyk waren durch einen Vertrag Graf Diethelmen Nålfe ſchuldig ; mit vereinigter Macht bes chloffen die Zürider, die Sefte . Grynau zugleid von

1

Cerchichte der Schweiz.

249

athen Seiten zu befärmen und einzunehmen . Brun fuhr den See herauf , Rieß au Dietbelm und ſie hielten Mahlzeit in folder zahl , daß der Feind wenig hoffte und ſie nichts fürchteten Graf Jobann ( ein krieglys ftiger , beherzter ,, männlich ſchoner Heerführer ) vermu . thete ihre Sicherheit, und ermunterte feinen kleinen Haufen . „Wenn ſie tapfere Månner ſeyn , ſo kounc „Gott , ſo wohl als oft geringer Zahl, heute ihnen den „Sieg ertheilen .“ Auf dieſes fiel er von dem Buch , berg aus einem Wald herab und åberraſchte den Feind. Ben, dieſem Zufall floben die Züricher mit Verluſt ung

ordentlich in die Schiffe., Dietheim wurde gefangen . Der Bürgermeiſter in Beſorgniß der Wirkung dieſes Unglüds auf die Gemüther , bewog das Volk , Radhe zu ſuchen . Die Züricher wandten füde und landeten , obwohl von Wuth begeiſterte in guter Drdnung; zu gleicher Zeit als ein Harſt von Sdwyk dem Grafen von Zokenburg zuzog. Habsburg fodht unerſchrođen an der Spige ſeines Bolks ; unterlag aber der Menge ; in großer Hoth rief e Alinger , feinen Freund , einen allgemein beliebten jungen Ritter ; der Graf wurde era fchlagen ; bey ihm , nadodem er feine Radhe. genommen , fiel ſein Freund, vergeblichum das Leben bittend. Von den Rapperſchwylern wurden in beftigem Zorn über den Lod. ifres. geliebten Herra , Graf Diethelm in Stů. den zerbauen 179 ), Kaiſer Ludwig und Herzog Albrecht pon Deſtreich vermittelten, daß mit Jobann, Gottfried

239

II. Buch. Zweytes Kapitel.

und Rudolf , den jungen Grafen von Rapperſchwyl , !

Friede gemacht wurde 180). Den Vertriebenen wurden um ihre Pfändungen ſechshundert. Mark Silber aufers

legt ; ihre Gåter gab die Stadt ihnen zurůd . Dieſer Vertrag wurde durch die Erbitterung dieſer unglüdlichen Partey gebrochen ; da wurden ihre Güter wieder einges zogen ; ihre Wohnungen ſollen den Zünften geſchenkt worden ſeyn 181). Shre Sache wurde von vielen vers

laſſene yon andern ergriffen ; viele baten um Frieden oder ergaben fiche Bruno erwale

Alle ihre Fehler bemerkte und nukte der Bürgers meiſter, ſuchte nje ihre Audiohnung , und bandelte in

tung .

allem nie obne Würde. Eine Zhådigung 182) wurde endlich zu Königsfelden durch Friedrich, Herzogen zu Deftreich , und pielę benadybarte Stadte vermittelt. Nichts deſto weniger wurde zu Zürich das Rathbaus von den Bürgern fleißig bewacht; vier Schaarwåchter zogen des Nachts durch die Gaſſen , andere drey lauers ten in beſtimmten Gegenden, zwey wachten auf S. Per ters und auf des großen Münſters Thürmen 183); fie waren alle durch Eid verbunden , Verſåumniſſe anzus

zeigen ; der, welcher um Geld einen Bürger der Wache entließ , wurde mit Berluſt ſeiner Augen 184) bedrohet. Dem Bürgermeiſter wurde eine auserleſene Zahl einzig ibm treuer Knechte 185) zur feibwadhe geſtattet , mit

ſechszig Mart Silber , allein und nach Widkür ſie da. rauß zu beſolden 180). 1

1

Geſchichte der Schweiz.

234

Den Pfaffen , welche vor Sabren wegen des Banns von der Stadt wichen , als er fie vergeblich zurüdberu. fen , ſchmeichelte er nicht. Recht fauden ſie 186b). Auch befahl er den Beginen und Schülern, allen Welt. geiſtlichen und Mönchen mit geziemender Ehre zu bes ' gegnen 187) ; zugleich vertrieb er ohne Bedenken die

$

Pfaffen , welche dem Papſt mehr gehorchten als dem Willen der Stadt 188 ), Billig wollte er auch nicht leis

den ,. daß jemand heimlich von dieſen des Herrn Fron, leichnam empfange 189). Zugleich weil die andern um ihren Geborſam nicht verſchmåbet werden ſollten , ließ, er bekannt machen , daß , wer die leßten Sacramente nicht empfange, deſſen Reichnam in dem Feld vergras ben werden ſoll 190) Den Bundesfreunden feiner Stadt war er ungere Bündnise.. brüdlich treu , und růſtig auf alle, welche ſie beleidig . ten. Er half den Amtleuten von Deftreide , da ſie die

pobe fandenberg brachen , und er zerſtörte mit ihrem Willen die ſtarke Schauenburg 191) , wo ſeine Feinde Rath wider ihn bielten.

Den Städten am Bodenſee

Half er die Burg der Meyer von Altſtetten 102) brechen ,

aus der ihnen Schaden geſchah. Er hielt und erneuerte mit S. Gallen, Coſtanz und Schaffhauſen, mit Biſchof und Stadt Baſel, die porigen Bundvertråge 193). Zu felbiger Zeit wurde auch zu S. Gallen wohl eber kein Ratb gewählt 194) , und von Coſtanz und intertur

die übermächtige 195 ) Obrigkeit vertrieben.

232

( Schafbaua fen )

11. Bach . Zweytes Kapitel.

Schaffhauſen war durch Erhitung der Parteyen

voll Aufruhr und Blut. Shre Wuth ift in Mord aus .

gebrochen 196) , ſo daß gute Bürger den Sturm , ergeben ließen ; man hat einen reichen Mann von Schaffhaus fen , ſeinen Schwager aus Bafel, mitten in der bodo zeitlichen Freude in den Armen der Braut ermorden ges

Rehen , aus Neid um das Heirathgut ; ein anderer hat feinen Knecht, einen Züridher , aus Verdacht eines Lies besperſtåndniffes mit feinem Weibe, meuchelmorderiſdi erſtochett , und bierauf in Stúden zerbauen , um die blutenden Glieder nad und nach in den Rhein zu tra . gen ; ſeine That blieb ungeſtraft , bis Rudolf Brun ,

durch die Kraft ſeines Anſebens , die Regierung vor Schaffhauſea bewog , ihm die Flucht anzuratheu 197), Die Herrſchaft von Deftreich . Po ſchmeichelnd ihr Ans fang war 198 ), wurde von der Stadt Schaffhauſen mit

Mißtrauen 199 ) erduldet ; es war ein großer bodoges finnter Adel und eine leidenſchaftvolle zunehmende Büro gerſchaft in diefer Stadt. Im Unbeginn der neuen Regierungsform der Züri.

cher wurden mit Stådten dieſe Bündniſſe geſchloſſen ; Burgredyte gaben fie den Jobannitern vom Hauſe Was diſchwol 100 ) , und von Biberſtein 203 ) , dem Abt von Pfåvers 202), einem Ritter von Zhengen 203) und Herra

fütold son Krenfingen 204 ). Bon dieſem ift merkwürs dig , daß er den Eid an Rudolf Brun dem Eid an die

Stadt vorzuziehen verſpracy 205 )

Geſchichte der Schweiza

233

Bis bieher die Geſchichte der Manier , wie ein eins Anmerkuna siger unbewaffneter Mang dardo Muth und Kunſt, gene faſt obne Blut und ſchnell , eine jahrhundertalte Regies rung als tyranniſch geſtürzt, und auf einmal für fide Felbſt unerhörte Gewalt und bey dem Volk den body ften Ruhm eines Befreners der Stadt und Vaters der Armen erworben . Er feffelite an ſeine Perſon, die Conſtabler , durch die Würben des Mathes ; die Hands

werke, durch neues Anjeben und ihre Zünfte ; die Zunfts meifter , durch ſeinen Anhang und fein Entſcheidungse recht ſtreitiger. Wablen ; alle alten und jungen , reis dhen und , armene, zufriedenen und mißvergnügtea , burde den höchften Eid : verſchiebene, durch Bewuns derung, viele durch Liebe , viele dardo Dant , viele durch Hoffnung oder Furcht , für je, ihre Verwandte, Freunde oder Nachkommen , vor ſeiner überlegenen les benslånglichen Macht vor ſeinen Anſchlagen und vor Leiner Kühnheit. Er verſäumte nicht wie die meiſten , im Genuß der erzielten Wünſche feine Macht wider åhnliche Haternehmungen zu befeſtigen. Die Bure gerſchaft (weil nichts beweglicher iſt als eine Menge) vertheilte er in Zürfte ; auf der Zunfeen war er ſtart, Diefes würde ihm ſo gut nicht geworden ſeyn , wenn

er die alten wohlhabenden Geſchlechter der Conſtabler in die Zünfte zerſtreut båtte; ſie würden durch Höfe lichkeit und Yufwand viele Handwerker gewonnen har ben , und furchtbare Zunftmeiſter geweſen ſeyn . Die

1

II. Buch. Sweytes Kapitel.

erſten Zunftmeiſter von den Handwerken hatten die Staatskunft , welche man in Schneidersbuden und

auf Schuſterwerkſtätten lernt ; nåmlich , aus den mogo lichſt wohlfeilen Materialien ihre Waare zu verfertia

gen , und ſie ſo theuer als möglich zu verkaufen ; in allem andern leiſteten fie ihrem Schöpfer, dem Bürgers meiſter , ſchuldigen Geborſam . Die Regierungskunft ift keinesweges eine leichtere Wiſſenſchaft als das Hands werk der Schneider ; gleichwohl glaubte kein Schneider

ein guter Hufſchmid , wohl aber ein geſchickter Senator zu ſeyn , denn der Bürgermeiſter machte ihm dieſes

weis ; deſto lieber folgte der Mann allen Meinungen deffelben ; ſie wurden alſo durch das Mehr der Stim . men immer die Portreflichften . So verfielen die alten Ritter und Edlen, die Handwerker kamen auf, und. if. nen gefallen wurde der ſicherſte Weg zur Macht. Eb. ift nicht unwahrſcheinlich , daß die Bewunderung des

Pöbels den Bürgermeiſter wie andere Parteyhåupter bezaubert, und ſeine Seele ohne die edle Hoheit war , mit welcher Timoleon , Solon und Sykurg perſönliche Macht unfterblichem Ruhm aufopferten . Es giebt aber für frene Stådte (deren Dbrigkeit , bey ungeftors tem Genuß hohen Anſebens, zu oft gleichſam ſchluma mernd ihrer Pflicht und Schranken vergißt) gewiſſe beilſame Thaten ,. welche niemand wagt als ein großer Bürger , oder ein großer Böſewicht. Bey, ſolchen Ers (chátterungen eines gemeinen Weſens miſcht fid Gutes $

Geſchichte der Schweiz.

235

pod Bdfeb Der Schadewird, wie in Zürich gefchab, von folgenden Geſchlechtaltern bey neuen Zufällen ger måßiget oder geboben ; das Alerwichtigſte , das Leben

des Geiftes der Bürgerſchaft, wird durch die Bewer gung erneuert und unterhalten, Dritte

Apitely

Gefahr des gemeinen Wefend der Berner.

( 1338 - 1349 )

Vor der Zeit als die Berner aus den Händen der Beſchrefa Freyherren Otto von Granfon und Jobann von Wen bnng von Bern ,

Benburg die Reichspfandſchaften der Vogtey zu kaupen

und Oberbasli ) an das gemeine Weſen 2) kauften , waren ſie ihrer eigenen Freyheit vergnügt, und ſtärkten durch Burgrechte ihr Anſeben in dem benachbarten fand. So hatten ſie wenig zu wertheidigen und viele Pertheidiger , kein land einzubüßen und viel zu gewin . nen. Es iſt beffer , daß eine Stabt viele frene Anges

börige 3 ), als eine große Menge erzwungener Unter. thanen habe ; dieſes macht furchtſam , jenes beberzt. Für die Stadt , für die Ausbürger , wurden aus Nott und Pflicht mit Freude , Wadfamkeit , Eifer und im äußerſten Fall mit höchſter Anſtrengung unaufhörliche Kriege geführt.

Es theilten zwen Sorgen das feben des Abelb , Landbau und Waffen . Vier Gewerbe beſchäftigten die

Hände des Volks , die Båderen, die Fleiſchbank, die

11. Budy.Drittes Kapitel.

Gerberey 4) und Schmiede 5). Einen Handel Batter fie , Zuch . An der Obrigkeit sereboten die Bürger nicht nur die ernſte Gerechtigkeit, ſondern auch der unerfchrode nen befehlshaberifchen Geift; von dem Sdultheiß und Rath wurde nicht unterſucht, ob fie , dem Gefeß nach, die Gemeine der Bürger verſammeln måffene foue dern was für der Stadt Ehre, Nuße und Erhaltung in allen ihren Zeiten und Nöthen jedesmal das Beſte fer ; denn ſie fürchteten von der Bürgerſchaft nichts , auf die auswärtige Macht gieng ihr wachſames Aug ,

auf das Haus Deffreich, auf die großen Baronen . Wider die hielten ſie ihren Rath ; begierig wartete die kriegsa

freudige Jugend , bis , auf den Schluß der Vorſteber des Wolle, der Sturm ergieng und an der Kreuzgafle der Stadt Banner erſchien . Da geldbab unter dem Sdulte

Beiß oder den Veanere in großer Ordnung der Auszug; body ftimnate die Mannſchaft ihre Lieder der vorigen Siege ) , und betrachtete freudig ihre glüdlichen Wafe fen; drohend wankte der bobe' Federbuſch von dem Helm der jungen Ritter. Alles , was furchtloſe Freys beit, getrofter Muth , gutes Kriegsglück , des Vatero landes Wohl, und blühende wallende Jugendkraft an

bohem und frohem Bewußtſeya gewähren , wurde ix Munterkeit ?) von ihnen genofena So war die Stadt Bern ; faſt fo groß als nun 8 ) ,

Boda daß in ihrem Umfang viel Gartenland war ) und

Gefdhidhte det Edwelz.

* 237

eine Gafie von der Judenſchaft bewohnt wurde10) node Holzern und ohne andere II) merkwürdige Zierde alb

des Münſterplages gewaltige Grundmauer 12) ; ben wohnt und beberrſcht von einer Menge adelicher 13) oder dem Adel gleicher 14) , zum Theil bis auf dieſen Tag fortgepflanzter 15) Geſchlechter ; den Kaiſern werth , wenn ſie fie nur erkannte 16 ) ; dem landvolle

lieb ; ſtandhaft in der Mitte ihrer Feinde ; an Zugend , an Grandſåßen und im Glüd ihrer Waffen gleich dem erften freyen Rom 17).

In dem Fahr als Ludwig oon Bayera , Rimiſcher Kaiſer, um die Sache ſeines Banns den großen Reichss

tag zu Frankfurt berſammelte und in Renſe der Rara verein gemacht wurde ; in dem Anbeginn der hunderts jährigen Kriege der Könige von England wider bad Haus von Balois ; in dem bundert ſieben und vierzig .

ften Fahr der Erbauung von Bern : machten die gros Ben Grafen und Freyherren von Uechtland , Aargau und von faſt ganz Kleinburgund einen Anſchlag zu Berſtörung des gemeinen Weſens der Berner. Die Stadt Bern hatte keinen Schirmberrn ; der Kaiſer ſelbſt war Urheber ihrer Noth , nichts geſchab obne feinen volmachtigen Gewaltboten. Von faſt allen ihres Bundesfreunden wurde fie gånzlid verlaſſen . Wenn

Bern damals untergegangen wäre, ſo würde das ganze Land von Bern , von Freyburg , von Solothurn und

andern Stådten , aber eine balbe Million Dolk, in

1333

II. Bud . Drittes Stapitel.

238

ganz andern Zuſtand gekommen ſeyn ; kaum war eine Zeit größerer Gefahr oder von ſo wichtigen Folgen für alle Städte und fånder bes gegenwärtigen Bundes der Schweizeriſchen Eidgenoffen .

DesKriegs ? Es begab ſich , daß Reute Graf Rudolfe zu Nidau, erſteư Ana bom Welſchneuenburgiſchen Spauſe, nach damaliger lab.

Sitte oder aus befonderm Groll 18) , ſolchen Leuten , die Bern beſchirmte, ihre Getreidefubren wegnahmen 19 ).

Graf Rudolf war in den Febben der Großen und in

dem Krieg der Chriſtenheit wider die Unglaubigen 20) ein viel verſuchter Kriegsmann ; die Städtchen Erlad

und Nidau batten von ihm Freyheiten 21), und Maur ern 22 ). Seine Vettern , der alte Graf Rudolf 23) itt der Stadt Neufchatel und Ludwig , deſſelben ſtreitbartë Sohn ; Graf Peter ein erprobter Turnierbeld 24), Herr zu Varberg ; Graf Gerhard, welcher mit Palangin im Sura Williſau in dem Aargau vereinigte 25.) ; das gånze Haus Welſchneuenburg war durch Lehendaft, Vers Wandtſchaft, Kriegsdienſt und andere Verbindungen angefeben bey Hochbürgund, Savoyen 20) , Deftreich 22) und Raiſer Ludwig von Bayern. Det

Zweyte:

Dem Kaiſer brachte zu dieſer Zeit Graf Eberhard bon Kiburg , den Bernern unverſhnlich , eine Klage , daß die Stadt fich weigere die Münze anzunehmen welche er durch des Kaiſers Vergünſtigung idlugt Ludwig , den die Berner aus Vorwand påpſtlichett

Banno , vielleicht aus Ungeduld der Unterthänigkeit , 3

1

1

Seſchichte der Schweizo

239

fich weigerten für ihren Herra zu erkennen , øðrte ihrt gnädig ; ſo daß erbellete, Ludwig ler geneigt Bern zu . ftrafen .

Då berſammelten fich alle Herren vom Welſchneuens Wahre Urs

burgiſchen Stamm , Graf Eberhard von Riburg , Pen Tache. ter von Grenerz der Graf des obern Hirtenlandes 28 ) , und viele edle Herren von Uechtland , Aargau und Welſchland, auf der Burg zu Nidau ; es kamen dahin Geſandte der Stadt Freyburg , ungeachtet ihrer Bånde

mit Bern , mit gemeſſenen ftrengen Befehlen ; Freya burg war unter dem Einfluß der Großen. Dieſe alle würden einig , die umgåhligen Beleidigungen , welche wfie erlitten , haben einen allgemeinen Urſprung . 6 Bera wolle dem Abel die Oberband entreißen und ſie an

idas Volk bringen ; darum ſey vergeblid ), dieſe Stadt

„ von eingelen Unternehmungen abzuhalten ; fie müſſe mit ganzer Macht von Grund aus vertilget werden ." Zu dieſem Ünſdlag, auf den ſie alle ſchwüren , gabeti fie die volmacht, alle Ünſtalten zu treffen , Graf Geri farben bon Valangin , kaiſerlichem Vogt in dieſent

Burgundien 29 .). Zugleich, indeſſen fie ſich růſteten , ſperrten fie gegen Bera Handel und Wandel. Jeder mann , der dieſes bernahm , und fab, daß eine einzige Stadt wider das Anſeben des Römiſchen Kaiſers und wider alle Großen der benachbarten Länder im Gea fechte revn würde , war bol der theilnehmendſten Era wartung.

/

440

II. Bun . Drittes Kapitel.

Bern im Die Stadt Rath , aber auch teine

ſuchte keinen Schirmberta , mas fab blinde Hiße in dem Volk ; bon dem

Ratb, verſammelt unter dem Sdultdeißen Sobann von

Bubenberg dem Alten , würde mit gewohnter Würde

beſchloffen , gerechten Forderangen Genüge zu leiſten , ,,Gewalt mit Gewalt abzutreiben.

Den Herren

wurde eine Unterredung vorgeſchlagen ; zu Burgdorf and aufben wurde ſie gebalten. Zuerſt gebot Graf Gerhard Ger Borſam unter Kaiſer Ludwig , und forderte zu Schade lodhaltung ( für mancherley Koften vergeblicher Mahu

Lagen.

nung) dreybunbert Mart Silber. Graf Eberbard box

Kiburg, der in ſeiner Noth die Oberherrſchaft von Thurt den Bernern gewiſſermaßen überlaffen hatte 29b), ben gebrre , daß dieſes abgethan würde, und bezeugte, daß er den Seinigen nicht ferner erlauben werde, fich 38 Bern zu verburgreichten . Es klagte Graf Rudolf zu Nidau , die Bürgerrechte der Berner verfahren die Un. terthänen zu Ungehorſam ; fo baben ſie brey Måaner feia ner Stadt Erlach zu Bürgern angenommen . Peter, Graf zu Grenerz, begehrte, daß, nachdem Rudolf und Jobann, Brüder, Herren von Weißenburg, die ſein Haus oft mit

großem Aufwand beſdirmt habe, zu Bern Bürger gee worden , fie angehalten werden an das Haus Gregerz ifre Schulden zu bezahlen ; er ſchåßte die Hauptſumme und Gilt auf adottauſend Pfund Berner Münze. Hiers

in wurde der Graf als Burgrechtverwandter von den

Frepburgern unterſtått. Sie ſelbſt fündigten an , der

Geſchichte der Schweiz

241

Kaiſer geſtatte ihnen die Wiederlöſung des Reichspfans des Laupen . Vieles andere wurde angebracht. Hiera auf erklärte die Geſandtſchaft von Bern , ..So bald , Ludwig von Bayern dem heiligen Stuhl verſohnt

„fen , werden fie ihn als Reichshaupt ehren ; die Urs ,,kunde wegen Zhun wollen ſie zurůd geben , wenn der „Graf ſeine Schulden bezable ; aus dieſem Geld wole ,,len ſie die Anſprache des Grafen von Grenerz tilgen ,

„ obſchon über die Wucherzinſe, welche man den Hers „ ren von Weißenburg abforbere, viel zu erinnern

„ Wåre ; da fie Ludwig nicht für ihren Verrn anneha ,,men , balten ſie ſeinen Befehl der Auslbjung von fau. mpen für ungültig ; ſie verwundern fich, daß ihnen „borgeworfen werde , was von Erbauung ihrer Stadt 1 Kaiſer und Könige ihnen öffentlich geſtattet, und was „ die Herren ſelbſt üben , Månner , die nicht leibeigen feyn , zu Schirm , unb nie zu Aufruhr , in ihr Bür. ,,gerrecht'aufzunehmen ; aber niemand werde Friede mund Recht vergeblich begehren ; ſie werden alles dem „Frieden willig aufopfern , ausgenommen das Recht." Dieſes fruchtete nichts ; der Feind nußte die Zeit. Hierauf beriefen die Berner Freyburg auf eine Tag, Tagung nach Blamatt. Sie bofften auf das Angedens ten des gemeinſchaftlichen Stifters und auf die Freunde , ſchaft, worin fie lange Jahre in Friede und Bund zu. ſammengelebt und in vielen Kriegen für einander die

Waffen geführt. Von dieſer Zujammenkunft bradten $. Müller's Werte. XX,

16

II . Budy. Drittes Kapitel.

242

die Dagboten von Bern teine Hoffnung zu Freund. ſchaft nod Friede. Da ſaben ſie , daß die Stadt ver, laſſen war . Deb Feins

Die Nachricht von der Unternehmung des Adels ,

des Rús kam auf Lenzburg an den Jüngling Friedrich , Soba ſtung .

Otto'ns Herzog von Deftreich , der noch in zarten Sabs 1339

ren und im Unterricht Niclauſen von Egensburg , Pfara .

rers zu Baden ( eines wohlgeſitteten ſcharfſinnigen Mannes 30)

durd Fleiß , Vorſicht und freundliche

Sitten 31) allem Volt die Hoffnung eines guten fürs ften gab. Da wurde Graf Heinrich von Fürſtenberg mit hundert Helmen zum Aufbruch befehligt , und den

Umtleuten von Aargau befohlen , das Volk unter die Waffen zu bringen. Sofort bielt Graf Rudolf zu Nidau gegen Handel und Kornmarkt in Bern Raub für Kriegesrecht; zugleich fandte er an alle ſeine Kriegs. geſellen im Elſaß und im fande Schwaben 32). Die Nachricht wurde in die Alpen Savoyens und über den

Jura in das Hochburgund gebracht; die Republik zu Bern , ihre muthigen Ritter, ihre fieghaften Schlach . ten , das Glud ibres Bolke , und ihrer Feinde Adel , Muth und Erfahrenheit waren in allen obern Landen

berühmt. Siebenhundert Herren mit gekrönten Hels men , zwölfhundert volrůſtige 33) Ritter , bey drentaus ſend Moan zu Pferd und über funfzebntauſend 34) Manr, zu Fuß verſammelten fich in den Streit wider Bern . Läglich brachte das Landbolt von ihrem Uns

1

>

Geſchichte der Schweiz.

243

zug , ihren Drobworten und ihrer Macht Bericht in die Stadt ; ganz Burgundien war bewegt , in ſorgſas, men Gedanken 35 ) wer den Bernern zugethan war , .

alles Volk der Großen vol Zuverſicht und bitterm Spott.

Aber der Senat , als Unton bon Blankenburg ,

Rüſtung

Ritter, Vogt von kaupen , um unverzügliche Verſtår, der Bere ner,

kung anhielt , und Sobaan bon Bubenberg den Rath

und alle vornehmen Bürger berief, bedachte, wie nöthig Tey , weder dem Feind noch dem Volk Furcht merken zu laſſen. Daber der Schultheiß von Bubens berg aufſtand , und mit aufgehobener Hand bey Gott und bey den Heiligen ichwur , nju Behauptung der „ Stadt Laupen Gut und Leben aufzuopfern." Sim nach ſchwaren die Herren vom Rath und alle achtba, ren Bürger. Alsdann faßten ſie den Schluß, „ Po ,,ein Vater zwey Söhne babe , deren ſoll einer nach laupen zieben ; ſo foll auch je einer mit greben , wo

,,der Vater geſtorben , aber zwey Brüder ſeyn . " Sechshundert Mann , bald růſtig , zogen aus , unter dem oberſten Befehl deß Altſchultheißen Jobann von Bubenberg des jüngern ; das Banner in der Hand Rudolfe von Mubleren , Bennert ; mit Peter von

Kratigen und Jobannes Neufom , Kriegsråthen , und mit Burkard von Bennwyl , Raftvogt von Rigis. berg 36 ) , Wertmeiſter der Stadt Bern. Sie zogen in die Stadt Laupen zu Anton von Blankenburg , ento

II. Buch . Drittes Kapitel.

344

ſchloffen , wie es ihre Pflicht war , an dieſem Ort aus , zuhalten bis auf den letzten Lropfen Blut. Es war nicht nur um faupen zu thun , fondern daß dem Volt

der Muth nicht falle. Indeſſen ergieng die Fehde, zuerft Graf Gerhards : die Berger traten in keine ferrere Unterhandlung ; fie machten ſich auf, am Übende des Pfingſtfeſts. 36b) , und fandten ihren Harſt vor . Uarberg.

Ben einem

Volk (wie bey einem jeden Mann ), wenn über die åur Berfte Gefahr der Entſchluß einmal genommen iſt, fin det Furdt nicht mehr Plat ; der Geiſt iſt voll berzhafu ter Ueberlegungen , und fieht nichts vor als Sieg, ober einen ruhmwürdigen Tod 37 ). Uuf die Nachricht, daß die Feinde alte Macht eiligſt ſammeln und auf kaupen ziehen , verließ das Volk Aarberg , um nach Bern hins .

auf zu eilen . Des Fein-

El rathſchlagten die Rätße und Bürger åber den

des Vers Entfaß deren zu faupen ; die Feinde aus allen Gegens den floſſen tåglich vor laupen zuſammen ; jede Schaar unter ihrem Graf oder ihrem Baron , wurde mit Freu. dengeſchrey empfangen ; ſie übte'n ritterliche Spiele.

ſtärkung.

418 bereits die Grafen von Balangin ,

von Aars

berg , von Welſchneuenburg, Nidau und Greyerz , mit bundert Helmen Montenach, Fürſtenberg mit aus. erleſenen von Aargau , Johann der Senn von Müns

figen Biſchof zu Baſel 38), Johann Roſfillon Biſchof zu Lauſanne , Philipp von Gaſtons, Biſchof zu Sitten ,

Geſchichte der Schwetz.

245,

und viele andere angekommen waren , ritt in das las ger und von da nad Bern , Jobann von Savonen ,

einziger Sohn fudwigs des zweyten , Freyberrn der Wadt, mit einem Gefolge von hundert Helmen , von feinem Vater geſandt, um den Krieg zu vermitteln.

Dieſer freundſchaftliche Berſuch war fruchtlog ; die Herren aber ſparten keine Kunſt, ihn zu bewegen , „ mit welchem Urm er in geringerm Begleit in Flandern für den König von Frankreich , mit welchem Glücke

„ er in den lombardiſchen Fehden geſtritten 39 ) , mit *,,eben demſelben die Waffen für ſeine Freunde zu fåba ren . “ . Sie ffelen ſeinem Pferd in den Zaum . In dies fer unglüdlichen Stunde vergaß der Herr von Sa. soyen der Befehle ſeines alten Vaters und blieb in dem

{ager. Der Adel ſchlug eine Wagenburg, Zu Bern , als auf den großen Tag , welcher um

Haupta mann der

die ganze Freyheit und alles Glůť der Nachkommen Berner , entſcheiden würde, alles in die Hand eines Feldhaupts manns geſtellt werden ſollte, war Berlegenheit über

deſſelben Wahl. Viele wußten den Krieg der Fehden, großem Krieg fühlte ſich keiner ſtart. Dhne die Uebung der großen Grundſätze beruhet alles auf Zufal oder

Zabl; in einem woblgeordneten Heer find vierzigtau. Rende einem Einzigen gleich , deſſen Eine Seele ſo viele Körper begeiſtert. An den Råtben und Bürgern von Bern iſt jene Verlegenheit rühmlicher als ein Sieg. Bey des Kriegs nicht kundigen Bölfern iſt bald jeder

246

II. Bud. Drittes Kapitel.

Officier durd Fertigkeit in tåglichem Handgriff und ges "

wöhnlichen Uebungen , wo nicht vollends durch den Titel oder durch die Zahl unnig im Krieg derfloffener Fabre to ), in Unſehen , und entſcheidet in allem übers müthig ; weil fold ein Menſch nicht weiß, daß, gleich wie unter allen großen Männern kaum einer wichtia ger , ſo nicht leicht einer ro felten iſt, als ein guter Feldherr 41).

In der Stunde , als der Schultheiß von Bubens berg und ſein großer Senat ritterlicher Kriegshelden an der Spite ihres in ſo vielen Fehden zum Sieg ans geführten tapfern Volts über die Wahl des Feldhaupto manns für den größten Tag ihrer Stadt in ſolcher Uns gewißheit waren , ritt in die Stadt Bern Rudolf Cafts .

lan von Erlad 42) , Ritter , erſtgeborner Sohn 43 ) UL.

richs Caſtlang von Erlach , unter deffen Oberbefehl viele ſich erinnerten , in ihrer Jugend , vor ein und vierzig Jahren am Donnerbåbel über die verbundenen Großen den Sieg davon getragen zu haben, Entſproffen war der Herr von Erlach aus dem Adel , welder zu der Stadt Bern den Grund gelegt

und ſie von Anfang regiert hatte. Er war in dem Al ter 44) , wo die Leibeskraft alle ihre Stårke bat , wo

der Geift ſeine vollkommene Reife befißt. Er liebte die Landwirtſchaft, und hatte viele Güter an verſchies

denen Orten von ſeinem Vater geerbt 45 ) und von dem Schultheißen von Bubenberg 46) und Graf Petern von

Geſchichte der Schweiz

247

Aarberg 47) erkauft. Er war zugleich Dienftmann zu Nidau , Pfleger der jungen Grafen , und Bürger zu Bern. Deswegen , um ſeiner Neigung zu folgen ohne ſeinem fehaberrn treulos zu werden , ſtellte er dem

Grafen vor , daß der Krieg mit Bern ihm zu einem Nachtheile gereiche, deſſen Erſaß er nicht leicht finden dürfte. Der Graf geſtattete ihm , unter ſeinen Mits bürgern zu ſtreiten ; für gleichgültig haltend , wie er ihm ſelbſt ſagte , „von zweyhundert Helmen und bun. edert vierzig 'ibm ergebenen Rittern dieſen Einen ,,Mann zu perlieren ." Darum als er ſich von dem

Grafen beurlaubte , ſprach Erlad zu ihm : „ Ihr ſagt,

„ Herr Graf, ich rey.Ein Mann ; als ein Mann will wid mich zeigen ." Sobald beym Anblic Erladis die Erinnerung des

Gluds am Donnerbühel in allen Gemüthern aufgen wallt , wurde ihm durd allgemeinen Zuruf die Felda

hauptmannſchaft aufgetragen , und überreichte ihm der Schultheiß von Bubenberg der Stadt Banner . Er aber ftand auf und rebete zu der Verſammlung der

Bürger in folgendem Sian : „Sechs Feldfdhlachten habe ich mit gehalten , wo allemal von der gerin. vgern Zahl das größere Heer geſchlagen worden iſt : .gute. Ordnung iſt ein ſicheres Mittel in Schlachten nzu fiegen. Gleichwie die Menge nicht hilft gegen ongeſchidte Anordnung, ſo bilft obne Ordnung die Lap. oferkeit nichts . Ihr von Handwerken , die ihr oft

II. Buch . Drittes Kapitel.

248

„nicht gern gehorcht 48 ) , ihr reyd freye Männer , frey ,,werdet ihr bleiben , aber wenn ihr zu geborden wißt, wwann und wem ihr fodt. Id fürchte den Feind wnicht ; mit Gott und euch will ich den Streit beſtes ben ; wir wollen ihn ausführen , wie zur Zeit meines

m,Baters .

Aber ich will nicht euer Feldhauptmann

uſeyn obne volle Gewalt. Als die Gemeine der Bür, ger von Bern dieſes hörte, that ſie den alten Römern ?

gleichs ; atſobald bob jeder die Hand auf und fchwur bey Gott und bey den Heiligen , in allen Dingen dem Ritter von Erlach obne alten Widerſpruch zu geboro chen , ber Leib und Leben.

In kaupen fielt Bubenberg nebſt Blankenburg , hart genöthet , unerſchütterlich ; manchen Sturm ſchlus gen fie ab ; vergeblich wurden ſie aufgefordert, vergeblich die Mauer erfchüttert mit Boden und Büffeln 49), unters graben durch Arbeiter unterden Kaben, und aus den Bly, den 50) mit gewaltigen Steinen unaufhörlich beſchoſſen. Der Ort liegt an einem Hügel, an deffen Fuß die Senſe in

die Sane fließt; andere Sügel überhoben ihn ; Hoben und

Ebenen waren vollBuſchwerk und Bald ; biß dabin lief von Bern der alte Forſt. Da die Stadt ganz umwallet war, mochte bey Verzug der Szulfe ihr Speifevorrathers

fchöpft werden. Indeß Bern auf das Fleißigſte waffs nete , aus den Landgerichten die Uusbürger fich fama metten , vom untern Sibenthal und aus allen Gegens

den der Mark Weißenau 5I) das Bolt unter Johann

1

Geſchichte der Schweiz.

von Weißenburg fich zum Zuzug aufmachte , und aus den oberſten Zhålern ſowohl der Bogt Cuno von Mitta kenberg als die Mannſchaft von Hasli angog zum Streit, eilte der Freyherr Johann von Kramburg 52) , Altſchultheiß 53) , über den Brünig in die Schweizeris den Waldſtette. Der Bund zwiſchen den Waldſtetten und Bern war Hülfe det erloſchen . Als er nad Unterwalben kam und von bens Schweizer . den landammann das Volk fofort berſammelt wurde ,

trug er vor, indie Freyheit ihrer vormaligen Eidgenoſu refen , der Bürger von Bern , ihrer Freunde , berube auf Einem Tag ; an welchem alle Angehörigen ihres gemeinen Weſens wider die weit überlegene Macht ihrer Feinde eine entſcheidende Schlacht liefern måle wſen .“. Seinem Vortrag antworteten fie, ,,lieber wHerr von Kramburg , echte Freundſchaft beweiſet fich ein der Noth ; gehet nach Bern , laget euren Mitbür. ugern, das Bolt in den Waldſtetten wolle ihnen geia orgen wie es denkt. Eilendo fuhren die Boten über den Waldſtetten See ; eilends berief Jobann bon At.

tinghauſen die Gemeine von Uri, und Weydmann 54) die Månner von Schwyk ; unter den . Månnern von Uri ſtand nod der Zell 55) , in der Gemeine von Schwyk der Altlandammann Werner Stauffader in bobem Alter 50). , Sofort råfteten die Waldſtette neune

bundert muntere Krieger , zogen über den Brünig , die

Xhåler hinab und erſchienen zu .Muri nicht weit von

1

1

248

IÍ, Buch. Drittes Kapitel.

„nicht gern gebordt 48) , ihr feyd freye Männer , fres ,,werdet ihr bleiben , aber wenn ihr zu gehorchen wißt, ,,wann und wem ihr fout.

Ich fürchte den Feind

wnict; mit Gott und euch will ich den Streit beſten when ; wir wollen ihn ausführen , wie zur Zeit meines ,, Vaters . Aber ich will nicht euer Feldhauptmann eyn ohne volle Gewalt. “

Als die Gemeine der Bür.

ger von Bern dieſes hörte, that ſie den alten Römern gleichs ; atſobald bob jeder die Hand auf und fchwur bey Gott und bey den Heitigen , in allen Dingen dem #

Ritter von Erlach ohne alten Widerſpruch zu gebors dhen , ben Leib und Leben.

In faupen biele Bubenberg nebſt Blankenburg , bart gendthet , unerſchütterlich ; manchen Sturm ſchlus

genſie ab ; vergeblich wurden ſie aufgefordert, vergeblich die Mauer erſchüttert mit Boden und Büffeln 49), unters . graben durch Arbeiter unterden Raten, und aus den Bly, den 50 ) mit gewaltigen Steinen unaufhörlich beſchoffen . Der Ort liegt an einem Hüget, an deffen Fuß die Senſe in die Sane fließt ; andere Sügel überhoben ihn ; Hoben und Ebenen waren boll Burdwert und Wald ; bis dabin lief

von Bern der alte Forſt. Da die Stadt ganz umwallet

war, mochte ben Verzug der Sjúlfe ihr Speiſevorrath eks fchöpft werden. Indeß Bern auf das fleißigfte waff. nete , aus den Landgerichten die Ausbürger fica fama nietten , vom untern Sibenthal und aus allen Gegens den der Mark Weißenau 51) 048 Volt unter Johann

Geſchichte der Schweiz.

von Weißenburg fich zum Zuzug aufmachte , und aus den oberſten Zhålern powohl der Vogt Cuno son Nitta kenberg als die Mannſdhaft von Hasli anjog zum ? Streit , eilte der Freyherr Johann von Kramburg 52) .

Altſchultheiß 53) , über den Brünig in die Schweizeris Ichen Waldſtette.

Der Bund zwiſchen dem Waldſtetten und Bern war Hülfe der Soweizer. erloſchen . U18 er nad Unterwalden kam und von bers den fandammann das Volk fofort berſammelt wurde,

#rug er vor, die Freyheit ihrer vormaligen Eidgenoſo defen , der Bürger von Bern , ihrer Freunde, berube mauf Einem Tag ; an welchem alle Angehörigen ihres gemeinen Weſens wider die weit überlegene Macht wibrer Feinde eine entſcheidende Schlacht liefern måle wfent." Seinem Vortrag antworteten fie, ,, fieber mHerr von Kramburg , echte Freundſchaft beweiſet fich min der Noth; gehet nach Bern , laget euren Mitbür. esgern, das Volk in den Waldſtetten wolle ihnen zein ngen wie es denkt. Eilendo fuhren die Boten über den Waldſtetten See ; eilends berief Yohann bon At.

tinghauſen die Gemeine von Uri, und Beydmann 54) die Månner von Schwyk ; unter den. Männern von Uri ftand noch der Zell 57) , in der Gemeine von Sdwyk der Altlandammann Werner Stauffader in

bobem Alter 50). , Sofort rüſteten die Waldſtette neun . bundert muntere Krieger , zogen über den Brünig , die håler hinab und erſchienen zu. Muri nicht weit von

II. Bud. Drittes Stapitel.

250

Bern ; zogen durch die Stadt und lagerten vor dem obern Zhor. Abend vor der

Schlacht

Erlade aber verſammelte den Kriegsrath und berief ifre Hauptleute. Als berathrdlaget wurde , wena das Heer auszieben und auf welche Manier der Streit

geliefert werøen folli, ſprachen die aus den Waldfteto ten , wichnell und bis auf den leßten Tropfen Blut.“ Unter allen Bundesfreunden der Stadt Bern bewieb

niemand als die Solothurner alte Treue ; obwohl beo

drobet von dem Deftreichiſchen Heer , ſandten fie achte zig wohl bewaffnete Männer zu Pferd.. Am zwanzig. ften Lag des Brachmonats lagen die Waldſtette vor Bern. Diebold Baſelwind, 57), Leutprieſter, ermahnte edas Bolk , der Feind fey ftolz auf ſeine Zahl ; Gott uftrafe den Troß und regne den Muth. St. Vincenz und St. Ur8 58) haben den Himmel erworben 59 ) , , weil ſie um eine gerechte Sache ihr feben hingewors ofen. In gerechtem Streit, pie im Streit für ifr ,, land , rey der Sieg ihr , der Bürger ; der Lod fürs ,,Vaterland gewähre den Himmel 6) und wer nicht „ ftirbt, rey von Gotterbalten zur Freybeit und Rubm . “ Mit Gelübden , mit.Almofen und fenerlichen Umgåns gen wurde von Männern und Weibern bey Dag und

Nacht großer Gottesdienſt geleiſtet. Kurz war die Raſt ; um die Mitternachtſtunde gab der Feldhaupt mann das Zeichen des Aufbruchs 6b).

Der Zuge

Bey Mondſchein zogen ſie, neunhundert aus den

|

Serdichte der Schweiz.

251

Waldſtetten boc), drenhundert Mann von Hasli, drey . bundert Mann von Sibenthal , viertauſend Bürger. und Ausbürger von Bern , unter dem Robbanner achte zig Helme von Solothurn 61) , voran der Prieſter Ba.

felmind , in ſeinen Händen des Herrn Fronleichnam . E6 folgte jedem von der Mauer der Blid ſeines Weis bes und ſeiner Kinder , bis bald eine waldidhte uns ebene Gegend alles verbarg 6b ); der Schultheiß von Bubenberg mit einigen der Ulten vom Senat , in uns

ruhiger Aufmerkſamkeit auf jede Warnung der Wach . ten 62) , jede Botſchaft vom Heer , waren beyſammen zu Rath, über jeden Zufall, zu Bewahrung der Stadt. Ade Weiber und Kinder lagen in Erwartung des Abends den ganzen Tag vor den Altåren aller Kirchen und in den Çapellen der großen Geſchlechter, In großer Ordnung zog unter Erlad der Schlacht. Die Stuns

þaufe durch das wohl ausgefundſchaftete Land. Um de vor det Schlacht die Mitttagozeit nahm er ſeine Stellung unweit laus pen (doch daß er von dieſer Stadt nicht geſeben wure de) , auf der Höhe des Bromberges , von der er den Feind überſah , und im Rüden von einem Wald bedeďt

wurde. Da viele Ritter unter mancherley Borwand aus den Schaaren ritten um den Feind anzuſprengen , erhob ſich wie in den alten Kriegen der Griechiſchen Helden erbitternder Wortwechſel mit Spott oder Truß : Jobann von Makenberg , Scultheiß von Freyburg . wollte behaupten , die Berner haben in ihrem Haufen

II. Buch . Drittes Kapitel.

merkleidete Weiber ; da rief Cuno von Rinkenberg , WIhr werdet es heute erfahren."

Mit lauter Stimme

sief ein Mann von Schwyk , „Wir ſind bereit; wer swil , trete Hervor .“ . Hingegen ſprach Graf Rudolf von Nidau zu den ungeduldig barrenden Freyherren und Grafen , „ dieſer Feind wird ſich immer finden taſo wifen .“ Er hatte bey dem Herzog Albrecht von Deſte reich ein Heer Berner mit einem Wald von Stachels

verglichen ; der Herzog (prady, oder Nidauer doch zao get vor keinem Feind; " worauf er fchwur , ,,beut Nie „ bau und nimmer ; Leib und Gut verliere idy , ich wil .

meb aber theuer verkaufen 63).“. So warnte der Bene Her Füliſtorff, aus Freyburg ; als ihm Furcht vorgen worfen wurde, ſagte er , ,, Meiner Stadt Banner will wid aufrecht halten , bis ich ſelbſt falle ; cures Eruges ,,Werdet ibr nicht froh, werden . ". Erled

Erlach , da er viele ungeübte Mannſchaft hatten

Srunda

fåte.

wollte der feindlichen Kriegsmanier keine ſchwerex Wendungen entgegenſeken (die Miliz verwirret fid in folcher Kunſt) ; er trachtete das Bolt möglichſt anzu. feuern , um ſeine Stärke unendlich zu vermehren , und . alle Künſte des Feindes durch Berzhaften Anfall irre zu machen .

In allen Kriegen , deren Führer er war,

pflegte er die Ordnung auf das Genaueſte zu beobach . ten , ſtraks aufzumarſchiren , und nie dem Feind den Rüden zu zeigen. Dieſes war ſeine Manier , und gen 1

Geſchichte der Schweiz

ziemt der Schweizeriſchen Gemüthsart , unſeres fans des Natur und unſern Kriegen 04). Es iſt ein großer , allzu verabräumter Theil der Kriegskunft, ihre wenigen allgemeinen ewigen Grunds. fåße nicht nur (wie geſchieht) auf die verſchiedener Waffen jedes Jahrhunderts einzurichten , ſondern (wie vielleicht von den Römern beſſer geſchah ) ſie nach den Umſtänden jedes Landes und Volks zu Nationalſyſtes men zu bilden 65). Dadurch würden die Könige und Borſteher derjenigen Völker , welche nicht Preuße, nicht Deftreicher und nicht Franzofe ſind , bewogen werden , ihr Kriegsvolk weder in die Preußiſde, nodi 2

in die Deſtreichide, nod in die Franzöfiſche Kriegs

form und Manier zu zwingen , ſondern jedem die ihm eigene zu geben , die natürlichſte , und alſo die wahre. Erlad , ſobald er an den Feind gekommen , orde nete , daß die aus den Waldftetten , von

Anords

Dberbasti , nutty,

von Sibenthal und Solothurn , wie ſie es begehrten , die Reiteren aufhielten , welche bervorzubrechen oder vorbeyzuſprengen und alsdann den Bernern in die

Seite oder von der Höhe in den Rüden zu fallen gen dachte; gegen das Fußvolk , welches in enger geſchloſs fener Ordnung die Berner aufhalten ſollte , ſtand er

ſelbſt. Er wählte zu ſeiner beſondern Abſicht eine ause erleſene Zahl der munterſten Jünglinge aus den Zünfa ten der Gerber und Fleiſder 6). Dieſe entflammte er zur größten Zapferkeit, indem er ihnen zurief: „ W.

II. Budy.

254

Drittes Kapitel.

wfind die fröhlichen Jünglinge , die tåglich zu Berd ngeſchmůďt mit Blumen und Federbüſchen die erſten ,,find an jedem Tanz 66b) ? Heute ſtehet bey euch dic „Ebre der Stadt. Hier Banner , bier Erlad !"

Da

riefen fie mit lauter Stimme , „ Herr, wir wollen bery 1

neud ſtehen ,

traten beropt und umgaben das

Banner Schlacht.

O

Nierauf als das Zeichen geſchab , rannten erſtlich

die chleuderer hinab auf den Feind ; fie thaten jeder

brey Würfe, brachen die Reiben , traten zurůd. Mit

Geraſſel fuhren ſchwere eiſerne Heerwagen 62) hinab in die gebrochene Ordnung ; wütend ftritten von dene felben die Krieger , ihre Wagen konnten ſie nicht wens den. Indeß hielten die Hinterften 68) als Unerfahrne die Wendung der Schleuderer für den Anfang einer Flucht, und floben in den Wald ;, ihre Zhat wurde

bemerkt , beranlaßte Bewegung der Gemüther und

wurde dem Feldhauptmann geſagt : In dieſem Augens blick rief Érlach mit Heiterem zuverſichtvollem Geſicht in die Schaaren : „ Freunde wir ſiegen , die Furchtſas men ſind von uns ;" ſofort, indem auch die Heerwa. gen wirkten , drang er , der Stadt Bern Banner in

ſeiner Hand , mit jenen Jünglingen , dem Kern feines

Heers , unwiderſtehlich måchtig unter das feindliche Fußvolt ein 08b ). Da fiel der Schultheiß bon Mas

tenberg ; da ſank der Stadt Freyburg Banner aus

Füliftorffs ſterbender Hand , er ſtarb.einen edlen Tod

Geſchichte der Schweiz.

255

unter vierzebn Verwandten ; viele andere wurden ere

ſchlagen , vornehmlic ſtritt Freyburg 69). Das Land erlaubte dem Feind keine volle Entwidelung der Schaas ren. Alles umſtåndlichere von der Stellung und Leis

tung dieſer merkwürdigen Waffenthat iſt unbekannt , wie von den meiſten Schlachten , welche nicht von den Feldherren ſelbit beſchrieben , oder dem Geſchichtſchreis ber erzählt worden fiad 7o). Alls endlich aller Widers

ſtand bergeblic ſchien , warf ſich plöglidh das ganze Fußvolt, obrán die aus Welſchland , ob und unter Laupen auf zwer Straßen in unordentliche Flucht 21)

mit Wegwerfung der Waffen. Um vefperzeit 72) eila ten die bon Bern den Sd weigern und Solothurnert

wider die Reiteren zu Hülfe; fie gerieth eben damals in Flucht; fie hatte die Schweizer umgehen wollen , dieſe nach ihrer Gewohnbeit hatten in großer Noth un. zertrennlich gehalten , bis durd die Schleuderer die Pferde berwundet , betäubt , und bierdurd der Feind

verwirrt wurde. Unter den Vorderſten lag Graf Ru. dolf zu Nidau , nach ſeinem Wort ; unfern von ihn wurde Graf Gerhard 73) gefunden ; 'biele bebauertett Fobann von Savoyen (vergeblich erwartete ſein alter Pater 24 ), den einzigen Sohn als Friedensſtifter glors würdig wiederkommen zu ſeben ; einen längen Witts wenſtand 25) bereitete er ſeiner Gemahlin , Margarea tha von Chalons) ; drey Grafen vom Hauſe Greners lagen auf der Wablſtatt, andere cili Grafen unter den

256

II. Buch . Drittes Kapitel.

Zobten . Die Niederlage der Gemeinen 76) war , wie

gewöhnlich, auf der Flucht am größten. Ein Freya berr von Blumenberg , als er hörte wer und welche Menge umgekommen , fagte zu ſeinem Knecht, „Gott fey vor , daß Blumenberg lebe nach dem Tod ſolcher „ Männer," ſprengte mit verhångtem Zügel unter die aus den Waldſtetten , und fand ſeinen Tod. Es lag die ganze Feldmark von Oberwyl und Wyden 77) mit Waffen , Pferden und Leidynamen bedeckt, mit achtzig

gekrönten Selmen , fieben und zwanzig Bannern der Städte und Großen 78 ). Peter von Aarberg flob mit allem Troß das Land hinab. Die Amtleute von Aars

gau 79) und Graf Eberbard, welche zu dem feindlichen Heer zogen , da ſie dieſen Zufall bernahmen , eilten ere atta

ſchrođen theils in ihre Lånder , theils zu Verſtårkurig der Stadt Freyburg. Der Abend.

Als das Volk vom Nachiagen der Feinde fich auf der Wahlſtatt geſammelt, fiel das ganze Heer der Stadt Bern auf die Knie , zum Dank an Gott , weil er Ers lachs Einſicht und ihren Muth geſegnet hatte, wie Er pflegt. Erlac lobte ihren Geborſam ; „ id werde nie ,,bergeffen ," ſagte er , ,,daß ich dieſen Sieg dem Vers ,,trauen meiner Mitbürger ſchuldig bin , und eurem

„ beldenmüthigen Sinn , ſtrenge bandfeſte geliebte ,,Freunde und Nothhelfer aus den Waldſtetten und moon Solothurn ; wenn unſere Nachkommen die Geo

or ( chichte dieſer Solacht hören , ſo werden ſie die gee

Geſchichte der Schweiz.

257

,,genſeitige Freundſchaft über alles achten, gleichwie an ,,dieſem Tag ; in ihren Gefahren und Kriegen werden ,,fie bedenken , welcher Boråltern Kinder fie find." Fndeß wurden von andern die Verwundeten beſorgt; es wurde Geleit ausgerufen für die , welche die Leich . name der Shrigen in die Gruften ihrer Geſchlechter

führen wollen , die übrigen wurden an dem Ort , wo fie gefallen , in große Gruben gebäuft. Als die in .

faupen die freundſchaftlichen Banner ſaben , weinten viele , wie man weint beym Reſen oder Hören großer Zhaten , bie man mit vollbracht haben möchte. Dieſelbe Nacht , wie eß Sitte war , blieb das Der Tag

Kriegsvolk auf dem fieghaft behaupteten Schlachtfeld. nach dem Sieg.

Frůb am folgenden Lag war jeder auf. Voran zog Diebold Baſelwind ; es folgten die erbeuteten Banner , die Waffen und Rüftungen der erſchlagenen Großen ; auf allen Angeſichtern glånzte Sieg , erworben durch

Tugend , welche von unſerm Gemüth abhångt , über Macht, welche das Glück zuwirft. Unter dieſen Ger danken zogen ſie in die Stadt Bern . Erladı , da er den våterlichen Ruhm der Befreyung des gemeinen

Weſens erneuert , legte die Vollgewalt nieder. Die von Bern und aus den Waldſtetten ſchwuren Eidgenoſa

ſenſchaft 80) ; jene gaben dieſen ſiebenhundert und funfo zig Pfund Pfennig 8') und erſetten ihnen den Abgang und Sdyaden an Harniſch und Roffen 82) ; ſie waren , ihrer Heerden unbeſorgt, und ohne Verkommniß um . Müller's Werke. XX ,

17

1

458

II. Buch. Drittes Kapitel.

einigen Sold 83) , Bern zum Berſtand aufgebrochen . Endlich wurde zu Bern verordnet , jährlich dieſen Tag

mit Fahnen , Kreuz und Heiligthum zu begeben , den Armen aber eine Spende auszutheilen , um , nach der weiſen Sitte der Alten , durch das aufgefriſchte Ane .

denken an Erlach und an die Streiter dieſes Kriegs

die Liebe des Vaterlandes zu erneuern und Nacheifer rung ihrer Tugend anzuflammen . Berfolg Die erſte That nach der Schlacht bey faupen war des Kriegs, wider Jordan von Burgiſtein 84) ( leine Burg lag in

den Uechtländiſchen Hügeln), weil er auf ein falſches Ger růcht über die Niederlage der Berner gefroblockt; fie fdyofſen ſchoſſen ibn tod , Burgiſtein brachen ſie 846). 8tb Die Freunde der erſchlagenen Baronen ſudjten Bern auds zuhungern oder durch Streifereren zu ermüden ; die Berner führten in geringen Schaaren zu Widerſtand

und Rache unermüdet kleinen Krieg. Arbeit giebt Kraftgefübl , in dieſem beſteht unſer Höchftes Vergnús 1340

gen. Daber liebten die Sünglinge von Bern die Wafa

fenthat ſo , daß der Friede in der großen Faſtenzeit ih, nen ünerträglich war ; ſie nannten ihn ihr Wochen . bette. U18 der Schultheiß Johann von Bubenberg auszog zur Einnahme Hutwold , eines Kiburgiſden Drtes , brannten die unter dem Roßbanner von ſolo chem Eifer , daß , als der Harſt freyer Fußknechte ans kam, die kleine Stadt ſchon eingenommen war . Hier,

auf zogen fie wódhentlich nach Spiez , welche ftarke !

)

Geſchichte der Schweiz.

259

Burg des Hauſes Stråttlingen in der angenehmſten Gegend an dem Thuner See , der Schultheiß von Bubenberg unlängſt gekauft 84c) und vermittelſf eines Vertrags zu der Stadt Dienſt widmete 84d). Nach

Spiez , weil ringsherum keine Zufuhr geſtattet wurde , brachten ihnen die landleute von Dberbasli und Uns terwalden Korn von den Märkten zu Lucern und jeno

feit der Grimſel oder des Suſten 85). Damit es von ihnen ſicher geſchehe, wurde zwiſchen den Gotteshaus. leuten von Interlachen und fandleuten von Unterwal. ben von den Schweizern eine Uebereinkunft bers mittelt 86)

Auf der andern Seite thaten vierzig Paupener eis

nen Streifzug auf die Freyburger ; eß geſchab , daß der erſtern zwey und zwanzig erſchlagen wurden. Als Erlach dieſes Börte , beſchloß er die Blutrache Sieſer tapfern Månner , auf daß dem Feind der Muth nicht

ſteige. Er hatte eine alles unterwerfende Seelenkraft

und unveränderliches Glüx , alle Bürger folgten ihm ; das Herz des Volks iſt in der Hand großer Månner. Freudig waffnete die Jugend ; niemand wußte , wohitt oder wozu Erlach ſie führen wolle; an dem Rüſtungs ,

tag ließ er die Thore fließen ; bey Nacht brach er auf und gieng über die Senſe'mit einem Noßvannce und mit zwey Fußbannern. In den Wald auf dem

Schönenberg unweit Frenburg ftedte er einen Hinters balt , welchem er verbot eher von ſeiner Stelle zu weia

260

II. Buch. Deittes Kapitel.

Then , als wenn er ſein Schwert ſchwinge; hierauf yog er an die Stadt binab. Vor dem Wald auf dem Berg war eine Pferdeweide ; dieſe loďte acht Månner des Hinterhalts , welde hierauf alſobald von mehrern Feinden umringet wurden ; der Hinterhalt blieb ftil ; denn Erlad , da er die That bernahm , ſagte, ,,Ein paar Pferde waren ibnen lieber als das Wohl un.

nerer Schaar ; deſſen zahle fie der Feind . “ Er ſelbſt, von denen aus der Stadt angefallen , 308 fich zurůd ; fie verfolgten ihn jenſeit des Walds ; plößlich dwung ér fein Sdwert. Grdeß der Hinterhalt in des Feinu des Rücken fiel , wandte fich Erlach , und ſchlug den Feind mit ſolchem Schreden , daß nicht allein mehr als vierbundert 87) Nann erſchlagen wurden , ſondern viele blindlings in den Strom der Sane rannten.

Wenige Tage nachdem er dieſe Rade genommen , zog

1

die Macht von Bern bis an die Stadt Freyburg und

verbrannte die Galtern , Vorburg 88) diſfeit der Sane. Uis durch die brennende Brücke die ganze noch hölzerne Stadt in folche Gefahr kam , daß viele Bornebme auß den obern Thoren flüchteten , wurde durch den Eifer zwey guter Bürger , welche die Brücke abwarfen , Freyburg erhalten.

Indeß Burkard von Ellerbach ,

Deftreichiſcher Vogt , ein guter Kriegsmann , dieſe Stabt verſtärkte, fühlte von Aarberg bis in das Em, menthal 89) , von Straßberg bis an Graßburg , alles feindliche Landvoll die ſchwere unwiderſtehliche Hand

Geſchichte der Schweiz .

266

Berno. Da ſprado das Volk „ Gott iſt Bürger word wden zu Bern ; die Berner ſtifteten eine Meile „Gott, zu Urkund ſeiner Gnade. In denſelbigen Tagen als die Macht vor Thun

lag , wurden ſie durch den Freyherrn von Kramburg eines Unternehmens der Freyburger gewarnt: Elera bad , da er die Belagerung von Zhun vernahm , 30g unerkundiget bis an den Sulgenbach , welcher faſt an

der Stadtmauer von Bern fließt.

Ju dieſer ploklis

chen Gefahr thaten die alten Månner , was in dem

Fahr nad dem Unglüd bey Leuftren die Greiſe der

Lacedåmonier ; in Erinnerung ihrer Jugend bewaffneten fie die zitternden Glieder , und ſchlugen den Feind

von der Stadt , noch ehe von Thun die Mannſchaft wiederkam 1 ). Bald nach dieſem ſchrecten die freun digen Reden des Scharfrichters die Schaaren der feinda

lidhen Ritter vor dem Angriff des Grünbages zu All: mådingen , welcher vierzig Berner bedeckte 90b), Ben ſo verſchiedenem Kriegsglück der Parteyen wurde das gemeine Weſen in ſeinem Aufwand von ſolchen una

terſtüßt , an welche niemand etwas fordern konnte 91 ). : der Feind war in ſolchen Geldnothen , daß die Gray fen vom Haufe Greyerz den Zoll vom Bieb , die Wagę für Butter und Raje 92) und andere wichtige Herre lichaftrechte 93) , an ihr Hirtenvolt verkaufen mußten .

Bey ſo ſtandhaftem Waffenglůd, nach der entſcheią Friede mit: denden Schlacht bey Laupeu , gedachten die Berner allen ,

}

26%

II. Bud.

Dritte Kapitel.

an die Unterwerfung auch nicht eines Dorf& ; ihre Ab . ficht gieng auf eine freye Gemeinheit , im fande ficher durch das Anſehen ihres Muthes. Lånderbeſit iſt den Zufällen unterworfen ; Geiſt und Herz unſer eigen , folgt nicht veränderlichem Glud 94) , und wer die bat , 1341

iſt frey, allezeit, allenthalben. Sobald Königin Agnes zu Königsfelden , und Freyburg ſelbſt, Friebe ſuchte , gab die Stadt Bern in der Zuſammenkunft bey Uebera ſtorf 95) nicht nur Friede , ſondern es wurde zu Vors kommung alles künftigen Spans Veranſtaltung ors dentlichen Rechtsganges getroffen 95b ). Alle ſolche Verordnungen , einfache oder künſtliche, find gut oder mangelhaft , ſo wie die Parteyen Ges rechtigkeit und Eintracht ſcheinbar oder aufrichtig wol.

len. Es iſt , nach der allgemeinen Erfahrung, nicht möglich), Staaten , die nicht wollen , ohne Gewalt zu

Friede zu bringen 90) ; und je fünſtlicher die Rechts .

gånge eingerichtet ſind , um deſto mebr øerrathen ſie eine kranke Eidgenoſſenſchaft, welche von Arzneyen lebt. Rudolf und Jacob , Söhne Rudolfs Grafen zu

Nidau (våterlicher Tapferk.'t nachmals würdige Er. ben 97) ) waren , unmündig ; ibre Anperwandten som Kaufe Welſchneuenburg zu fchwach zu Vertheidigung ihrer Herrſchaft, und ſie trugen billig Scheu , dieſelbe einem ausländiſchen Fürſten anzuvertrauen. Da ben wogen ſie , durch Vermittlung des Biſchofs von Bas

fel Johann Senns von Münſigen , Nudolfen von Ers

Geſchichte der Schweiz.

205

lady , den fie einen ſo frommen als tapfern Ritter wußten , über Nidau und über die verlaſſene Jugend

ihrer Vettern die Vormundſchaft wieder anzunebs men 98). Der Tag bey Laupen iſt glänzend , dieſe Urkund ſeiner Tugend iſt größer ; denn Kriegsglück iſt meiſt bey dem Geſchickteſten, ſolches Vertrauen kommt Keinem als dem Beſten zu. Erladh hat mit vielen Tauſenden gemein , daß er in Schlachten geſiegt, aber ich weiß nicht, ob einem andern Kriegshelden freywile lig, und wie ohne Mißtrauen ſo ohne Neue , die Söhne ex feindlichen Feldherra und Herrſchaften des erſchlagenen anvertrauet worden ſind. Auch bewieſen Peter von

Aarberg und Ludwig von Welſdyneuenburg 99 ) eine

Hoheit und ein Glüc , die wohl dem größten König fehlen, darin, daß fie an Zugend glaubten . Man kann zweifeln , ob es für Bern ein größeres Lob war , daß man wußte , der Senat würde von dem Erlach nichts fordern wider ſeine Pflicht, oder für dieſen , daß man wußte , ſein treues Wort ſen ſein bodyftes Gerek. In der Pflegerſchaft Erlachs wurde der Krieg zwiſchen

Bern und Nidau vertragen ; es blieben Rudolf und Jacob unbekümmert in dem Erb ihres Vaters ; gleich wie die Stadt Bern vor dem Krieg fich erbot , ibre

Leibeigene nicht in Burgrecht aufzunehmen 100) , ro wurde es nach den Siegen im Frieden bekräftiget 101). Aller Krieg war geſtillt, nur daß dreymal wider ausgenom . Greyer; die Febbe erneuert wurde. Nadidem Graf menersGreys .

264

11. Buch Drittes Kapitel.

Peter geſtorben , kam die Verwaltung der Herrſchaft auf denjenigen Peter von Greyerz 102) , mit welchem der Herr von Kramburg um den Thurm Panel geſtrit. ten , und er war durch mancherley . Verbindungen 103) ſo gewaltig im Sibenthal, daß er ohne Bedenken wis

der den Herrn von Weißenburg , Bürger zu Bern , als A

ten Groll übte. Das Land Sibenthal war meiſt im

Schirm der Grafen von Grenerz , aber die Höfe und Schlöſſer im Beſitz der Herren von Bubenberg , von Strettlingen , von Lüdingen , bon Weißenburg und anderer , von deren Voråltern ſie erbauet und anger legt worden . 1346 Laubefe

taldea

1

Graf Peter von Grenerz (mit ifm der Herr von Raron und Peter Herr von Zhurn zu Geſtelen 104) ) 30g auf den von Weißenburg ; deſſelben Febde focht im Namen der Stadt Bern Peter Wendſchaj. Vena her. Wenn man Sibenthal berauffommt, ichießt rechts

hervor die Laubekſtalde 105.), und,verurſachet einen ſteia len engen Paß. Die Mannſchaft hatte ſich zerſtreuet

um Bieb zu erbeuten ; biefür wurde ſie durch die Wafe fen des Feindes bald gehörig beſtraft. Als Peter Wenda idhaz umringt und übermannt wurde , gedachte er nicht feiner eigenen Noth, fondern ſorgte für der Stadt Bans Her , welches die Bürger ſeiner Hand, anvertraut batten.

Als er nach verzweifeltem Widerſtand fank, raffte er durch die lette Lebenskraft fid ,) auf , und ſchleuderte 098 Banner über den Feind binaus . Er ſtarb getroa

Geſchichte der Schweiz.

$ 65

ftet ; von den Bernern wurde das Banner traurig in die Stadt gebracht. Im Sibenthal wurden durdo Zu .

fammenſtimmung der fandleute, welche für ihre Rechte mit Weißenburg hielten 106 ) , Thalgeſetze gemacht fund

ihre Schwadung durch fremdes Recht ftreng verbos ten 107). Sie verordneten , wer den andern fchlager foll ein Pfund büßen , viermal fo viel , wer dett ans

dern dhimpfe , und reche Pfund , wer den andern vor

Gericht Lügen ftrafe 108 ). Jenes erſten wehrt ſich ein Mann , aber wo ift ein Gebiß in den Mund des Zbos .

ren ? Fröhlich bewirthete der Graf die Gefährten ſeis ner glücklichen Waffen , fie übten auf der grünen Ebene vor dem Schloffe Grenerz in Spielen ritterlichen Geift ; nie belohnte er 109) beſſer die frenen Einfälle des gros Ben Chalamala , feines luſtigen Rathes 110 ). Hierauf ließen die Berner fich von ihren Bundes. Sothaut, : freunden zu Freyburg nicht ungern mahnen wider den 1348 Edlen von Grüningen II) , Dienftmann bon Greyer 3

und brachen (eine Burg , obwohl er um Friede bat . Es

iſt ein Wald nicht weit von Grenerz, mit Namen die Sothau ; in dem und in dem Bufdwerk um den Zhurn Zreym lag das Volk des Grafen zerſtreut, als mit über ,

legener Macht Bern und Freyburg auf der Eichenwies fe 112 ). den Grafen ſelbſt überraſchten. Da ſtritt Peter mit angeerbtem Heldenſinn , würdig ſeines uralten Stamms ; doch er würde überniannt worden reyna

Da beſchloffen Clarimbold. ugd Ulrich zugenamt Eie

}

966

II. Buch . Drittes Kapitel .

ſenarm 113) , zwey Månner, feines Volks , den Grafen ibren Fürſten zu befreyen ; ſie bedeckten ion1 ; in einer

engen Gegend ſtellten fie ſich mit großen Schlachta ſchwertern allein wider den Feinu, bis dieſem der Graf mit geſammelter Mannſchaft in die Seite fiel und iba durch Berluſt zum Růdzug nöthigte. Da wuſchen Clarimbold und Eiſenarm vom Feindesblut

ibre ftreitbare Hand ; Peter gab ihnen Freyheiten für ihr ganzes Geſchlecht, ihr Andenken lebt noch in ih, rem Dorf Billars . (ous, Monts 114). (Die Peſt.) 1349

In den Zeiten des außerſten Schreckens aller Natio. men in Europa und Aſien , als , nach fürchterlichen Eiſdütterungen des Erdbodens 115) , durch die uners börte Peſt, welche Jobann Boccacio portreflichſt bes ſchrieben 116) , zu Baſel in kurzer Zeit áber zwölftaus fend Menſchen ſtarben , und in den ganzen Lande, nach

der allgemeinen Schåtzung, der dritte oder vierte Theil des menſchlichen Geſchlechtes untergieng 117) , im Jahr per Wanderung großer Brüderſdaften deren , die ſich felbft geiffelten für die Sünden der Welt 118) , als durch die erhitzte Schwärmerey der Bürger in den meiſten Stådten und auf den benachbarten Schloſſern 119)

urzählige unſchuldige Juden den grauſamſten Lod {itten I120 ) , in demſelben Jahr 121) geldah zu Bern uns ter alle Bárger und Ausbürger das Aufgebot eines aber.

maligen Ausſchuſfes -der munterſten Jugend. Nåms lid , als in dem dreyzehnhundert neun und vierzigſten

Deſchichte der Schwelf.

267

Jahr der Tod mehr und mehr um fidz griff, Potas nach und nach ganze Städte ertóbet ipurden 121 b ) , viele Erbſchaften ohne Anſpruch blieben 122) , und we

der die Prieſter zu Herumtragung der heiligen Sacras mente , noch die Todtengråber zum lekten Dienſt und kaum die geweibete Erde der Gottesäcter zureichte 122 b), ergriffen die Minden verſchiedene Wege. Miele ſuchten durch Undacht und Kaſteyungen Gottes Zorn zu mildern und ihr Leben zu erretten ; andere lebten als wenn ſie in der Ungewißheit iyrer Stunde den Bes:

cher der Lebendmolluſt Borher noch ganz ausleeren wolls ten 123); andere , ſtandhaft und ſich ſelber gleich , übten , ohne betåubendeß Uebermaß weder von Kummer noch

von Genuß , die Geſchäfte des Lebens muntter-und fors genlos. Zu Bern wurde für weiſe gebalten , die Ger

måther zu erheitern und ſie zu beſchäftigen . In ſolo chen Fällen wurden bey den Römern Spiele gehalten; die Berner zogen das Land hinauf in Sibenthal gegen Lauber.

Es bewunderten die Tochter des Landes ifre fchöne Wendſchaz Heldengeſtalt; und dem Venner dåuchte gut , ihren gerochen . Sinn durch die ſtärkſten Gefahle zu ermunterni . Alio kamen , mit Erlaubniß , die Tochter von Sibenthal ,

bierauf tanzte das Kriegsvoll ; es tanzten tauſend Mann , ein ſtreitbarer Harft, und ſpotteten in lautem Geſang der bůßenden Brüder 124) ; ſie ſchwuren in Uma armungen , den Feind nun zu id lagen . Da erſcaltex

468

II . Budy. Drittel Kapitel .

die Zeichen , das Volk lief zum Sturm , und brach die feſte Laubet ; der Venner Wendſchaj wurde gerechen . In vollem lauf und Feuer des Glücks eilten ſie das

Thal hinauf: bald waren fie vor Mannenberg . zerſtöra ten die Burg. Da fie antamen bey den Hbben hinter Zweyſimmen , fandten die fandleute von Sanen eilfera

tige Boten, um alle Genugthuung Friede zu kaufen 124 b). Durch dieſen Zug , auf welchem ſie durch die Kenntniß. des menſchlichen Herzens fiegten , gelangten die Bers ner zur Oberhand im Sibenthal. Um dieſelbe Zeit er . warb Graf Peter Friede einer andern Fehde 125), das

durch daß er den gewaltigen Thurm Banel in dem Sa. nenland brach .

Seine felfenbart gekütteten Mauern

ſtehen bis auf dieſen Lag ; es wachſen Lannen auf ihrer fchwer zugänglichen Höhe 120 ). Ausgang Die große Gefahr des gemeinen Wefens der Bers des Kriegs. ner , gerſtreut ben taupen durch Erlad , endigte in dies ſem berelichen Lauf glücklicher. Thaten wider alle ihre Feinde. Laupen und andere Reichspfandſchaften wura den durch Raifer Karl den Bierten beſtåtiget 127). Freys burg , Solothurn 128 ) , Biel 129)., Wivlisburg und Pea terlingen 130) fuchten und erwarben Bund oder Burga recht bey ihnen ; fie vermittelten die Febden der Wivs lisburger wider den Graf. Ludwig von Welſchneuena

burg 131), und wider die Bieler 132) ; ſie gerglichen den Span der Peterlinger mit Freyburg , nach der Würde letzterer Stadt 133) , obwohl ſie von der andera menja

Geſchichte der Schweiz. -

264

ger beſorgen durften . Dem Grafen von Savoyen ſands ten ſie wider abfallende Herren unter dem Venner Nis colaus von Dießbad dreybundert ftreitbare Månner 134),

als zu Erkenntniß der Freundſchaft, welcher ſie bey ges ringerm Glück von ſeinen Boråltern genoſſen. In den eilf Sabren von dem Anſchlag der Großen zum Unters

gang ihrer Stadt , bis auf den Ausgang der Fehden wider Greyer} , erweiterte ſich das Gebiet von Bern

allein dadurch , daß um zweytauſend achthundert gwey und dreyßig Pfund von dem Freyherrn zu Thorberg das Dorf Habſietten gekauft wurde 135).

Nachdem der Schultheiß Johann von Bubenberg Schickſal Bubens

dieſes Amt in den ſowerſten Zeiten des gemeinen Wes bergs.

fens mit großem Anſeben und unerſchütterter Geiſtego gegenwart mehrmals verwaltet , und nie weder ſich noch die Seinigen oder ſeine Burgen den öffentlichen

Gefahren entzogen , 'brachten ſeine Feinde ſeinen Mite bürgern bey , der Schultheiß von Bubenberg regiere

,mit angeſtammtem Stolz ; er empfange ſie wie ein ,, Fürft und nehme ſich keiner Sache an ohne Geſchenk.10“ Es war und blieb in ſeinem Hauſe die alte Sitte, ohne Partenkunft noch Volksſchmeicheley die mit Hülfe der Vorfahren gegründete Stadt nach dem großen Sinn der Voråltern zu regieren 136). Deſto leichter geſchah, daß Johann von Bubenberg , nach dem Sdical der

vornehmſten Vorſteher in den alten Republiken , mit ſeinen beſten Freunden auf hundert Jahr und einen

270

II. Buch . Drittes Stapitel.

Tag aus der Stadt vertrieben wurde.' Von dem an lebte der Altſchultheiß auf Bubenberg , ſeinem Stamms bauſe ; ſein älteſter Sohn Johann auf den Schloß der neuerworbenen großen Freyherrſchaft Spiez ; Heinrich von Bubenberg empfieng von Franz , Grafen zu Greys erz , das Burgleben von Mannenberg 137). Nach vierzehn Jahren , als der Neid, weniger wady .

fam , die Bürger ihrem Gefühl überließ , wurden ſie durch die Vergleichung ſeiner und folgender Verwal. 3

tungen billiger. Es iſt an der Stadtchronik 138), „ der ,,damalige Schultheiß und Rath habe der Zurückberun.

fung Johanns von Bubenberg unter dem Vorwand widerſtanden , als dürften ermehrte Schlüfte der Bürs

wiger nicht verändert werden , als die Volksanführer „alles zu der Stadt Nußen dienende nach der Handfeſte w Kaiſer Friedricts für geſetzmäßig erklärt , babe der ,,Stadtſchreiber fich geſtellt, als ob er dieſen Artikel „nicht finden könne ; einer vom Polk habe durch eine Handvoll ſchwarzer Kirſchen, die er dem Stadtſchreiber

„pliklich in das Geſicht warf, benſelben dußerſt er. 1

wſchredt, ſo daß ihm die Handfeſte entfiel und von eis , nem Bürger vorgeleſen wurde ; die Menge des Volke, p,welchem der altverehrte Name bon Bubenberg , ober

order vertriebene Schultheiß , oder der Aufwand ſolch n, eines großen Hauſes lieb oder wichtig war , babe den

Schultheiß Konrád von Schwarzenburg zu ehrenvols ,ler Sinbolung um der Stadt Banner angefordert ; dies.

Geſchichte der Schweiz.

271

ofer, nachdem er daſſelbe von dem Fenſter unter das +

Volt berab gereicht, habe an demſelben Tag die Flucht genommen 138 b) . " Johann von Bubenberg , Nitter , Altidultheiß , und Johann , Ulrich und Otto ſeine Sobne , wurdon unter der Stadt Banner von einem

Ausſchuſſe der Bürger unter dem Freudenzuruf des Volks in die Stadt gebracht, und weil der Vater nun

Tehr alt war , Johann ſein Sohn in die Schultheißena würde eingeſett 13 ).

Rudolf Caftlan von Erlach , Ritter , Befrever des

Tod

gemeinen Weſens , lebte bid in ein febr Robes Alter Erlachs.

ſtill in der ünſchuldigen Landluſt auf Richenbach in einer einſamen lieblici) heimiſchen Gegend unweit Bern an der Uare , wo auch ſein Vater gewohnt hatte. Die Schultheißen würde hat er nie verwaltet , in den letzten Kriegen entweder nicht , oder in der Zahl der andern Rittet 140) geſtritten ; weil er ſowohl der Großen Eis ferſucht, als der Volks Wankelmuth kannte 141). Von Eliſabeth Ryd , ſeiner Gemahlin , hatte er zwey Söhne und eine Zodyter. Sein alteſter Sohn Rudolf Beira . thete nachmals Lucia , Lochter Peters von Kraus

thal 142) , Herrn zu Jagiſtorf 143) ; ſein anderer Sohn , Ulrich , beirathete Anna sou Strettlingen , und wurde

durch Wal hern von Kien zum Erben eingeſetzt 144) , Margaretba mit einer Ebeſteuer von achthundert Pfund

beirathete den Edelknecht Jobſt von Nudenz aus Unters walden 145), Die Knechte und Mägde des alten Rit.

I

270

II. Buch.

Drittes Kapitel.

Tag aus der Stadt vertrieben wurde. Von dem ant lebte der Altſdultheiß auf Bubenberg , ſeinem Stamms hauſe ; ſein å !teſter Sohn Johann auf dem Schloß der neuerworbenen großen Freyberrſchaft Spiez ; Heinrich

von Bubenberg empfieng von Franz , Grafen zu Grey erz , das Burgleben von Mannenberg 132).

Nach vierzehn Jahren , als der Neid, weniger wach . fam , die Bürger ihrem Gefühl überließ , wurden ſie

durch die Vergleichung ſeiner und folgender Verwal. tungen billiger. Es iſt an der Stadtchronik 138), ,,der

damalige Schultheiß und Rath habe der Zurüdberus . fung Johanns von Bubenberg unter dem Borwand w widerſtanden , als dürften ermehrte Schlüffe der Bür.

niger nicht verändert werden ; als die Volksanführer ,,alles zu der Stadt Nutzen dienende nach der Handfeſte Kaiſer Friedrichs für geſekmåßig erklärt , habe der ,,Stadtſchreiber ſich geſtellt,. als ob er dieſen Artikel nicht finden könne ; einer vom Volk habe durch eine ,,Sandvoll dwarzer Kirſchen , die er dem Stadtchreiber

pliklich in das Geſicht warf, benſeiben außerſt ero wſchredt, ſo daß ihm die Handfeſte entfiel und bon eis

„ nem Bürger vorgeleſen wurde ; die Menge des Volks, p ,welchem der altverebrte Name von Bubenberg , oder ,,der vertriebene Scultbeiß , oder der Aufwand ſold ,,eines großen Kauſes lieb oder wichtig war , Babe den

Schultheiß Konrad von Schwarzenburg zu ehrenvol. vler Einholung um der Stadt Banner angefordert ; dies

1

Geſchichte der Schweiz,

*71

ofer , nachdem er daſſelbe von dem Fenſter unter das i Volk berab gereicht, habe an demſelben Tag die Flucht genommen 138 ) ." Sobann von Bubenberg , Nitter , Altſdultheiß , und Jobann , Ulrid und Otto ſeine Söhne, wurden unter der Stadt Banner von einem

Ausſchufe der Bürger unter dem Freudenzuruf des Volks in die Stadt gebracht, und weil der Vater nun ſehr alt war , Johann ſein Sohn in die Sdultheißena würde eingeſetzt 139),

Rudolf Caftlán von Erlach, Nitter , Befreyer des

Tod

gemeinen Weſens , lebte bis in ein ſehr bobes Alter Erlachs. ftit in der ünſchuldigen fandluſt auf Richenbad in einer einſamen lieblich heimiſchen Gegend unweit Bern an

der Uare , wo auch ſein Vater gewohnt hatte . Die Schultheißen würde båt er nie verwaltet , in den letzten

Kriegen entweder nicht , oder in der Zahl der andern Ritter 140) geſtritten ; weil er ſowohl der Großen Eie ferſucht, als des Volfs Wankelmuth kannte 14 ). Von Eliſabeth Ryd ſeiner Gemahlin , hatte er zwey Sohne und eine Lodyter . Sein ålteſter Sohn Rudolf Beiras thete nachmals Lucia , Dochter Peters von Krauca

thal 142 ), Herrn zu Jägiſtorf 143); ſein anderer Sohn , Ulrich , beirathete Anna von Strettlingen , und wurde

durd Walbern von Kien zum Erben eingeſetzt 544) , Margaretha mit einer Ebeſteuer von achthundert Pfund beirathete den Edelknecht Jobft von Rudenz aus Unters walden 145 ). Die Knechte und Mägbe des alten Rite

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II. Buch . Drittes Kapitel.

ters Bauten Garten und Feld ; kaum daß eine Magd eine måßige Tafel rüſtete ; fonft war er oft einſam in ſeiner Burg , und nur von ſeinen Hunden bewacht;

ſein Schwert, welches er in den Siegen für das Vaters land führte, hieng auf ſeinem Zimmer an der Wand. So war er an dem Tag , als er beſucht wurde von dem Edlen von Rubenz. Da erhob ſich Wortwechſel

zwiſchen ihnen über die Ebeſteuer , denn der Ebelknecht machte Schulden , Erlach aber war ein ſo ſorgfältiger Hausvater 146) als ein reblidher Mann und ein guter

Feldherr. Damals war er ein grauer , zitternder, hålfo loſer Greis. Da er den Schwiegerſohn mit altem důrs rem Ernſt ermahnte , fab dieſer um ſich , fah daſſelbe

Schwert, entbrannte , ergriff es und gab dem alten 1360 Helden den Lod. Mit Gebeulverfolgten ihn die Hunde in den benachbarten Wald. Als das Gerücht nach Bern

kam , daß Erlach meuchelmörderiſch umgebracht wora den , war niemand von dem Adel und kein guter Bür, ger, der nicht eilte ſeinen Mörder zu ſuchen; er iſt bald nad dieſem eines unbekannten Lodes geſtorben 147).

Erlach hat ein unvergångliches Denkmal in den Ges můthern deren , die den Edelmuth haben , wie er , eie nem gemeinen Weſen zu leben ; in allen großen Gefahren der Schweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft werden die Haupts leute des Polls an Erlach erinnert werden ; und wenst 1

in fernen Sabrhunderten ganz andere Nationen auf

Geſchichte der Schweiz.

273

kommen , wird er neben den großen Griechen und Rd . 1

mern glånzen , ein Held ohne Ladel 148 ). BiertesB Kapitel.

Won dem Uriprung des eigen Bundes der adyt alten Orte Soweizeriſcher Eidgenoſſenſchaft. ( 1350 - 1358 )

Rudolf Brun , Ritter , Bürgermeiſter von Zürich , Verſchwós in dem vierzehnten Jahr ſeiner Verwaltung , ſtand im rung wider Brun , großten Anſehen , dard den Flor , welchen die neue Re.

gierung ſeiner Führung ſchuldig war. Eben derſelbe wurde von vielen äußerſt gebaßt , als ein Mann, durch deffen Unternehmungen Kinder aus dem Hauſe ibrer Ueltern , Påter von ihren Söhnen verbannt, Brüder

und brüderlich liebende Freunde son einander entferut, viele reiche , tapfere Männer , Mitbürger , Nachkom , men alter Vorſteber der Stadt , vom Vaterland vers Sie berabideuten iba , als einen trieben worden ,

Mann 1, der die Wården dem Pöbel gegeben , ſich ſelbſt aber tyranniſche Mast ; gegründet auf Niederträchtigs keit gegen Handwerke und auf ftarre Strenge wider

alle andere , die er hoch büßte , verbannte oder binrichs ten ließ 1). Bon der Zeit (welche alles beilt , gleich . wie ſie auch alles berſdhlimmert) erwarteten ſie , to lang Rudolf Brun lebe , nichts gutes ; Tyrannen ers bålt ſich nicht ohne Tyranney . Dieſer Saden wurde

von den verſtåndigſten die Uneinigkeit, Uaſchlüſſigkeit W. Müller's Werte . XX.

181

274

H. Budy. Viertes Stapitel.

und Schläfrigkeit ihrer Parteý viel mehr als der Bůrà germeiſter angeklagt. Endlich machten ſie einen Unis ſchlag, denſelben zu tódten , und Vaterland, Gut und Ebre durch den Untergang ihres Feindes wieder zu eri

werben , um die vorige Verfaſſung, worunter Zürich aufgeblåbet und undenkliche Zeit beſtanden , herzuſtele len , und nach dem Beyſpiel ihrer Våter zu verwalten. Dieſe Zhat ſchien den alten Geſetzen gemäß ib) , lobo lich und groß; ſie freuten ſich durch jeden Ausgang den langen Unglůđ in Einer Nacht ſein Ziel zu ſetzen . Dieſen Entſchluß der ganzen Widerpart Rudolf Bruns brachten die Vertriebenen 2) vor Grafen Johann von Habsburg zu Rapperſchwyl, und verſprachen, wenn

er ihnen Beyſtand leiſte zu Wiederaufrichtung der Gee ſeke ifrer Stadt , ſo ſollen die Schulden getilget reyri, mit welchen der Graf dem gemeinen Weſen verhaftet war. Der Graf, ein Mann von Kühnbeit (die er ſelbſt gegen die verehrteſten Gotteshäuſer bewieſen ) , nicht reid) , aber thatig 2b) , mochte glauben , daß er ſeinen Bater , von den Zürichern bey Greynau erſchlagen , &

Blutradhe (duldig ſey . Nachdem ſie ſich ſeine Hülfe

verſidyert, berichteten fie des Anſchlag : Beringer don der Hohenlandenberg , deſſen Feinden die neue Regies rung , ohne Urſache von ihm, ſeine Burg zerſtören ges bolfen . Hierauf erwarben ſie den Beytritt des freys

berrn Ulrichs von Bonſtetten 3) , ohne Wiſſen oder wider den Willen ſeines Petters Herrmann von Bong

1

Geſchichte der Schweiz.

275

Hetten, Åbts zu S. Gallen , eines bürgerliebenden Manned , und ſeiner eigenen Mutter ) , welche in

* jebr bobem Alter auf der Burg zu Ufter 5.) mit ſeinen Brüdern ein ftilles Leben führte ; Verwandtſchaft gab

C

ben vertriebenen Geſchlechter u bey ifm ) Zugang ; die Tohmeichelnde Freundſchaft feines Vetter$ 2) des Grao fen von Rapperfchwyt verleitete das Herz des Jünge lings. Por oder nach ihm wurde ſein Vetter 8) Ulrich von Mazingen gewonnen . Hierauf zogen ſie die Mens

ge derjenigen berein , welchen die alte Verfaſſung, oder der Untergang des Bürgermeiſters , oder alles Kühne und Neue lieb war, Es fand ſich kaum Ein Vers

råther in der Zahl von ſiebenhundert 9) Verſchwornen ; Verſchwörungen werden ſeltener der Gemeine einer kleinen Republik, als einer großen Republik oder eis nem Fürſten verrathen. Ein Bürgermeiſter und Rath

wird nicht auf gleiche Weiſe geliebt , wie ein Fürſt; es loďt keine ſo große Belohnung ; und einges pflanzte Ehrfurcht angeſtämmter Majeſtåt fchred't mehrere von Verlegung der geheiligten Perſon eines Fürften .

Úis die Verſchwornen ihr Beginnen auszuführen Die Motos gedachten , ritt in die Stadt Zürich mit großem Gen nacht. 1330 folge der Freyberr Ulrich von Bonſtetten , als um ben dem Frauenmünſter die Stiftsfräulein Anna von Borto ftetten zu beſuchen , in Wabrbeit um die Weber und Qufſdomiede von den Senatorſtablen fin die Werkſtåtte

276

II: Bud. Wiertes Kapitel .

zurüđzufübren. Ben Mitternacht kam als in fchnellen Geſchäften Graf Johann von Habsburg. Der Herr von Hohenlandenberg wurde über die Mauer gezos gen 9b). Gewonnen war der Wächter des Thors ,

nabe bey der Wohnung des Bürgermeiſters ; et ges badyte die Rapperſdowyler einzulaffen . Die Parten tam zuſammen , als zu Ehren dem angekommenen

Graf, in dem Hauſe eines mitverfdwornen Wirthss. Sie wollten den Bürgermeifter , und nach ihm zumal Jobann Müller , Heinrido Biber und Jacob Brun ; bierauf die Mitſchuldigen auf dem Rathbauſe enthaupe

ten ; vom Schređen der Nacht, von ihrer Stårke und von den Rapperſchwylern konnten ſie alles boffen , wenn ſie nicht vergeſſen båtten , daß in großen Unters nebmungen kein Umſtand klein iſt. Ein Bådersjunger Ekenwieſer, ſchlummernd am Ofen des Zimmers, borte Ihren Anſchlag; von keinem wurde er beobachtet, teis ner zweifelte , daß er nicht einer ihrer Diener ſey ; der )

Junge gieng beimlich hinweg und warnte ſeinen Meis fter; der Båder eilte zu Rudolf Brun ; ſchnell der Bürgermeiſter in den Panzer, der Båder an die Sturm, glode ; der Bürgermeiſter barfuß und barſchenkel dem Rathhauſe zu ; ſein Weib , ſeine Kinder , fein Geſinde , wed'ten mit großem Gefdren die benachbarte Gegend .

Als die Verſdwornen dieſes alles hörten, eilten ſie auf den Tod Bruns , begegneten dieſem und erſchlugen

ſeinen Knecht , weil er vorausgieng. Brun rief Pea 1

Geldbiste der Schwetz..

277

termann , ihre foofang, war bald am Rathhauſe, warf ſich hinein , ſtieß den großen Niegel, und rief mit gewaltigem Geldorey und durch die Sturmgloďte die Bürgerſchaft aus dem Schlaf. Indeß hatte ein Mita per(dworner aus dem Hauſe Lokenburg: 10 ) , da er in dieſer Nadt über die limmat fubr, Fid nicht enthal. ten , mit ſeinem Gefährten über die Unternehmung leiſe zu ſprechen ; dieſes hörte der Schiffer 106) Badis, fuhr an die Ede des Detenbadher Gartens, ftrandete, und als der fremde ertrunken , weď'te er die kleine

Stadt, in dem Augenblic da der Sturm erklang , und aus der großen Stadt Rudolf Brun åberlaut rief , die Stadt rey verrathen , fie ſollen ſich nicht fürdya „ ten , fie ſollen die obere Brůđe abwerfen , alſofort, ,, eilen zu dem Rathbauſe." In wenigen Minuten war alles Volk in Saraiſd und Panzer, unter allen Zunfta meiftern eilten die Handwerte mit manderley Waffen ihm zu . Die Nachricht erſchalte im großen Münſter als unter Rudolfen von Wartenſee , ihrem Propft , -

die verſammelten Eborberren den Gottesdienft ihrer Frůbmette bielten ; ſie verließen den Altar , und eilten

bewaffnet an den Streit; unterwegens fiel Rüger Max neffe der Scholaſter 106). Uus den Fenſtern warfen die Weiber Kacheln , Töpfe , Steine. EB. erhob fido aus allen Gaffen das vermiſdte Geldrer der webkla. genden , ermunternden , verzweifelnden .

Die Vers

idwornen bemachtigten fide des Marktes ; Rudolf

278

II. Bud). Viertes Kapitel

Bryn führte an , die Bürgerſchaft folgte ſeiner Stim , me; doch die Gegner hielten feſt, Habsburg hoffte auf ſein Polk. Da fiel Herr Beringer,von der Hohenlanı denberg , es fielen drey Herren von Bonſtetten 100 ) und mit fünf geweſenen Rathsberren 1 ) Herr Ulrich

Bon Mazingen . Ein Mann , der von der Stadt geo gen Zollikon flob , berichtete voreilig dem anziehenden Polk den Verluſt aller Hoffnung; die Napperſchwyler

wandten fich , die Verſchwornen wurden verlaſſen , Zulegt nach. langem Kampf , als bey zunehmçader Noth mancher beimlich vou ifnen wich , oder wider ſic

ftritt um ſich felbft zu retten , ergriffen fie zerftreut jes

der ſeine Flucht; viele Verwundete worden zertreten . Schiffe fanken unter der eindringenden Menge, andere ſprangen von den Mauern , viele wurden in den eng gen unbekannten Gaſſen erſchlagen, Johann von Sabs. burg und Ulrich von Bonftetten wurden in dem Stabte

graben" gefangen 11b). Dieſen Ausgang nahm die Mordnacht, wegen der Unachtſamkeit ihrer Anführer,

und weil im plötzlichen Schreden jeder verzweiflungea. voll wider ſie ſtritt,

Hierauf nachdem ſowohl der Graf als der Freyherr fie geſtraft. in dem Zhurm Wellenberg; welcher im Zürich fee nabe Wie Brun

an der Stadt auf einem felfen liegt , jeder in eincm

beſondern Zimmer verwahret worden , lagen alle Code , ten von des Bürgermeiſtero Miberpart auf den dritten

Tag unbegraben in den Gaſſen , bis die feichname

Geſchichte der Schweh

47)

pon Pferden und Wagen ganz verunftaltet waren 12). Ulsdann wurden ſieben und dreyßig Bürger oder Ang

gehörige der Verſchwornen , unter ihnen verſchiedene aus der Geſchlechten der alten Vorſteber der Stadt

Zürich , entweder enthauptet 13) , oder auf das Rad .

geflochten 13b) , jeder vor ſeinem Haus , auf daß durch den Anblid ihrer langwierigen Pein in der Todese argft jedermann pon andern Anſchlågen wider den Bürgermeiſter abgeſchreckt werde. Soldier Hårte ſcheute er fist nicht, weil er unter dem Volk, that was, er wollte, und das Urtheil der Nachwelt ihm gleichgül, tig war 14). Hierauf am fiebeaten Tag zog er mit

aller Mannſchaft von Zúrio das faad binquf, und belagerte Rapperidwyl. Die von Schaffhauſen ſand, ten bundgemäßen Zuzug. Am dritten Tag , nachdem er die Erhaltung der Frenheiten dieſer Stadt und ihrer :

Einwohner Gat pap feben eidlich verſichert, wurde. fie übergeben und befekt,

Hierin fand, er keine Hinderniß von Gottfried und Anlaß des Rudolf, Brüdern des gefangenen Grafen; ſie begehrs Deſtreimis

ten ſeine Erledigung nicht; ifr Stillſdweigen befrem . dete den Bürgermeiſter, er hatte ſich vorgeſtellt, man werde ihn , um Friede bitten. Endlich drobete er die Perheerung des Landes. Die Königin Agnes zu Kos

nigsfelden , um das fandyolk por dieſem Unglück su bewahren , vermittelte dreymal Stillſtand ; voạ Logo

laſſung der Gefangenen geſchah keine Meldung. It

fden Striegs .

980

II. Budy. Biertes Kapitel,

dieſen Tagen kam die Zeit , als nade den Bundbriefen der Züricher und Deſtreicher die Pfleger des vordein Erblandes den ſechsjährigen Bund erneuern ſollten ; dieſes thaten ſie. Nachdem der lebte Stilſtand ohne

einigen Zufall verfloſſen , gogen die Züricher , Coſtans jer und St. Galler in die Mark : drey Big Mann noe thigten die Befakung auf Attrapperſchwol zur Uebers gabe , untergruben dieſe Burg , verwüſteten die Mark

und Wågi , und nahmen die Leute in Eid an Zürich. Da trug fich zu , daß , angetrieben von den Habsburs giſchen Brüdern 14b) , die Edlen Waldner , angefeſſen zu Sutz in dem Elſaß . Dienſtmanne des gefangenen Grafen " ) , fünf und zwanzig Handelsleuten aus Zůs tich får breytauſend , drer hundert , acht und funfzig

Ducaten 16 ) Waaren wegnabmen ; Bürger von Straße burg und Baſel kauften dieſe Waaren. Da wurden von den Zürichern hundert Perſonen von Baſel und fiebengig von Straßburg , welche nad Unſer Lieben Frauen Stift in den Einſidlen auf die Engelweibe wallfahrteten , bey ihrer Stadt gefangen genommen. Dieſes tam vor die Biſchofe bon Baſel und Straß burg , vor die Råthe dieſer Stådte und von Colmar ,

!

Schlettſtadt , Breiſady und Freyburg in dem Breisgau, Stådte des Elſaſſiſchen Landfriedens 17). Der Bür. germeiſter , ſo lange er nichts fürchtete, war unbieg, fam ; doch die Furcht gånzlicher Zerſtörung des Han. dels auf die Frankfurter Meſſe, nöthigte zu Freyſtels

Oerdichte der Schweiz.

281

tung diefer Pilgrime 17b). Von dem an ſuchte der Bürgermeiſter Friede ; bierum fandte er nach Lauffena burg Herra Hanns am Stad , einen vornehmen Bürs ger von Schaffhauſen . Über die Grafen Gottfried und Rudolf gaben zur Untwort, „ Ihr Vater habe das „leben ſeines Landes den Herzogen yon Deſtreich aufa .getragen , von dem Hauſe Deftreído haben ſie es em.

pfangen ; ſie köngen nichts 1,80g.“ Der Bürgermeiſter , ter alt in großen Geſchäften , Totten verſcheucht, fich nicht

verfügen ohne den Here in Stadtſachen geſchida batte , ſeit er die Rathsa einfallen laſſen , daß jea

mand um entfernten Beyſtand nabe Gefahr veracite.

Nun die große Fehde der Herren des Landes zu Deſta reich durch die Gefängniß,des Barons von Neuhaus geendiget 18) , und Herzog Ulbrecht für innern Frien den unbeſorgt war , brokete den Züridhern die Deſtreia .

diſche Macht.

Ihre Stadt war nachy damaligen Waffen feft; für Rapperſchs

die Vertheidigung von Mapperſchwyl wagten ſie nicht, wol zere ftörte was vor zwölf Jahren den Bernern mit Laupen ges

lungen ; die Seele des Ritters von Erladh war nicht in dem Bürgermeiſter. Da er auch die Meinung des ren , welche dieſe Stadt aufgeben wollten, als unvors

fichtig verwarf, 30g er hinauf, bemächtigte ſich ſechs , zig ber vornehmſten Bürger und ſchicte fie nach Zür rich ; diefed ertrugen ſie geduldig , in der Hoffnung , durch dieſe Geiſelſdaft werdé ihre Stadt vor Kriego

1

282

II. Buch . Biertes Kapitel.

noth bewahret werden. Hierauf zerſtörte Rudolf Brun die ſtarke Burg , auf der die alten Grafen von Rape perfchwyl gewohnt batten ; alsdann machte er die ganze , Stadtmauer dem Erdboden gleich ; die Bürger. ertrus , gen es geduldig , in der Hoffnung als offener Ort im. mermåbrende Ruhe zu genießen. Da fie ihre Landess Berren , die Zuflucht auf die Burg , alle Schußwehr und ihre angefebenften Mitbürger verloren , wurde, in

der Ralte des Chriſtmonats , auf Befehl der Bürgere meiſters, qud dieſer Stadt , welche auf Wort und Eid fich ihm übergeben , die gange Bürgerſchaft, mit Weis bern , Kindern , kranten und alten Leuten verjagt , ganz Rapperſchwyl bis auf die lekte Hütte von Grund aus verbrannt. Als dieſe Hadricht in die Stadt Zůs

rich kam , war keinem unter den fechszig Rapper, ſchwylern fein Leben ro theuer , daß er nicht gewagt båtte , auf alle Weiſe zu entfliehen ; fie fanden ihre Weitern und Kinder halb erfroren bey den Biebhúrden

auf dem Feld.

Eine ſo meineidige und grauſame That

berübte der Bürgermeiſter, weil ifm fowohl der Muth fehlte, Rapperſdwyl zu behaupten , als der Verſtand fie unbaltbar zu machen . So lang die Zerſtörung von

Magdeburg das Undenken des Lilly , ſo lang die Vere wüſtung der Pfalz den Ruhm Ludwig des Vierzebnten (dåndet, ſo lang wird auch des Bürgermeiſters That perwünſcht werden von allen den Menſchen , peldhe

Geſchichte der Schweig

983,

bad Elend unſerer Brüder durch unaðthige Kriegos , grånel nicht gern vermeört ſeben . Ju dem fünften Monat nach der Zerſtörung der Zürich in

Stadt Rapperſchwyl, in dem fünf und vierzigſten Jahr den Schwek

nach der Verſchwörung der drey Månner zu Befrenung serbund. 1351 der Waldſtette , in dem Jahr breyzehnbundert ein und

funfzig , wurde durch dieſen Rudolf Brug eine. That .

unternommen , durd welche viele Städte und fanda

ſchaften 19) beynabe fünftebalbhundert Jahre bey der Freybeit geſichert worden, und ohne welche die Sd meia

zeriſche Eidgenoffenſchaft ( ſo groß und heilig ſie durch fid felbft , ſo ſtart ſie war durch den Muth ihrer Bers

theidiger) im Lauf der Zeiten durch Liſt oder Gewalt

båtte müſſen untergeben 20). Bey berannabender Ger fahr des Kriegs wider die Macht von Deftreich ſandte der Bürgermeiſter um Hülfe und Bụnd an die Wald. ſtette der Schweizer, Die Voråltern derſelben hatten vor hundert Jahren 21) eingeſehen , daß ihre Lhåler dieſer Stadt 918 einer Pormauer und eines Marktes bedürfen . Sie, ohue Furcht bevorſtehender Noth , bea

1

ſchloſſen , in Erwägung der Zukunft : gleichwie ſie vor ein und zhanzig Jahren die Beſtätigung der Freyheit von Zürich am kaiſerlichen Hof erbeten ; gleichergeſtalt für das gemeinſchaftliche Wohl ewig mit ihr zuſams 1

menzubalten .

In dieſen Gedanken famen am Ende

des Aprilmonats die Gewaltboten der freyen fandleute von Sdwyk , Uri und Unterwalden und ihrer ewigen

284

II. Bud . Biertes Kapitel

Eidgenoſſen von Lucern in die Stadt Zürich ; bafelbft fiegelten und ſo wuren fie anfangs Mayen am Wala purgistag folgenden Bund ,

„ Wir die Städte und Lånder , Zürich 22) , Lucern , ,,Uri, Schwyß und Unterwalden , find auf ewig,einer getreuen Geſellſchaft übereingetommen , und , fintet „mal der Welt fauf zergebet und alle vergångliche ,,Dinge vergeffen werden , ſo geben wir deffen einander „ dieſes ſchriftliche Zeugniß : Wir alle Eidgenoſſen wob len einander Belfen mit Leib und Out' gegen alle und

auf alle , welche und mit Gewalt an Ebre , Gut und ,,Freyheit Schaden thun , von dem Urſprung der Uare bis an den Ausfluß der Aare, von demſelben bis an die Mündung der Dhur, die Ibar hinauf bis an ihre

Quelle , pon da durch Curmalden das Land hinauf bis Rinkenberg , bio jenſeit des Gotthard8, an den Berg Platifer und an den Grimſel , die Quellen der

21.

✓,Uare. Ed erkennt ein Kath oder eine Gemeine bey „ihren Eiden , ob der Fall der Bundeshülfe vorbanden wift. Alsdann mahren ſie mit Boten oder Briefen „ uns die Stadte bey Rath und Gemeine , und uns die „,lånder bey Ammann und Gemeine oder etwa in un. wſern Kirchen 23) ; abne allen Verzug leiſtet jedes Ort

Hülfe auf eigene Koſten, mit ganzem Ernſt ; nies „mand jou das ablehnen wollen . Sollte ein Ort pldtz . w.lich überfallen werden , ſo machen wir uns alle auf, wobne Mahnung, ohne Verzug , zur Rettung und Ran .

.

1

Geſchichte der Schweiz..

285

..che. Ben ſehr großen Sachen , als da ſind Feldzug „und langer Aufenthalt 24 ) , berſammeln wir eilends

in den Einſidlen eine Lagſazzung wie das am idleus nigſten und am näglichſten geſchehen könne. Wer zu • „ einer Belagerung mabnet , beſtehe die Koſten des „ Zeugs. Dieſen Beyſtand geben und empfangen wir „in vorbeſchriebenem Kreib; würde unſer Eidgenoſſen meiner außer dieſem Kreiſe yon jemand beſchädiget, „welcher alsdann in unſer fand kåme, ſo wollen wir „den gefänglich verhaften bis auf Erſak. Wir bebal. ,,ten vor , alle Rechte des Königs und beiligen Römis

„ Ichen Reichs und alle unſere alten Bünde 24 b) ; neue Bünde mögen wir ſchließen , wie es uns gefällt, aber „ dieſe Eidgenoſſenſchaft werde vorbehalten. Den Bürs orgermeiſter und Rath von Zürich, die Zünfte und Bürs „ ger dieſer Stadt , wollen wir bey ihrer Verfaſſung „ ſchirmen . Sollten wir , die von Zürich , (Gott wende

,,es) mit unſern Eidgenoſſen ſamt oder ſonders in Zweys wſpalt fallea , ſo wollen wir zwey ehrbare Månner zu ,,den Einfideln renden , ſie ſchicken auch zwey ehrbare ,,Månner ; die vier ſollen bey den Heiligen ſchwören , ,,und alsdann durch die meiſten Stimmen in Minne 25) ,,oder nach Redyt unſern Streit entſcheiden ; ftoßen fie

plido , Yo daß die Stimmen gleich ausfallen , ſo era ,,Wåhlen ſie einen Eidgenoſſen zum Obmann ; dem foll „ſeine Obrigkeit befehlen , daß er den Spruch thue. Auf

prdaß dieſer Bund Ulten und Jungen deſto wiſſents

286

11. Budy. Plettes Kapitel.

jlicher rey), 'ift beidhloffen , daß er alle zehn Jahre in dieſen Tagen des Maymonats , oder ſonſt, wenn ,, es begehrt wird , vor und von allen , die über reche

przehn Jahre alt ſind, mit Wort und Schrift und Eid

mernedert und bekräftiget werde. Ihn zu mindern * oder zu mehren , iſt uns erlaubt aber aller Perån .

derung ungeachtet, und wenn er nicht erneuert wärde, bätten wir und ſetzen wir, daß dieſet 'unſer gegenwårs vtige Bund bleibe, ewig , ftet and feſt 20 ) . “ So treu ; bieber , kurz, brüderlich , aus der Fåde

Tapferer freyer Gemüther haben dieſe Månner ihren Bundidwar geleiftet, und midts fidh ſelbſt unter ein ander , ſondern ifren Muth wider die Macht von Defto

"reich gemeſſen . Die Schweizer waren ein gutes reda

"liches Volt ; am größten in großen Gefahren ; mancher übertraf fie an Worten und lift, am Tag der Schlacht

kam keiner ihnen zuvor. Rudolf Brun , der Bürgers "meifter, war in allen Schlichen der Partenbäupter ges lebrt ; verwegen , wo es auf Worte ankam ; bismeilen berzbaft aus Lodesfurcht27) ; überhaupt dus Furdote

famkeit wachſam 28), bart bis zur Unmenſchlichkeit , und niederträchtig bis zur Trealoſigkeit 29); ein furchtbas

rer Mann, weil jeder gefährlich iſt, welcher fich alles ers laubı ; ſonſt ſo vortreflich zu feitung eines Volke , daß zu einem guten Vorſteber ihm nur der Muth fehlte ein sevrſchaffener Mann zu feyn. In ſeinen Schwachheio ten 30) wit in ſeinen guten Eigenſchaften , in einigen

$

Beſchichte der Schweite

289

ſeiner Sdidiale , beſonders in ſeinem Verbältniß zů Der Schweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft, war er dem Aras tus von Sicion åbnlich . In der Zeit als Uratus die

unſchuldige ſtile Eidgenoſſenſchaft von caja durch den Beytritt größerer Stådte erhob , und in auswärtige Verbindungen brachte , war ſie ungefähr ſo alt als die Schweizeriſche 31) , wenn man die Jahre leßteret bon der erſten Probe rechnet, welche ſie bey Morgartei

von ihrer Stårfe gegeben. Die Achåer Hatten einen boukommerern Bund als die Sdweizer 32) ; weil abet der Zeitpunkt ſeines Urſprungs derſelbe war , da die

Stadt Rom ganz Italien unterwarf, and Griechiſche Kriegskunſt lernte , reichte der Uchåiſche Bund bis auf die Zeit ſeines Untergangs , den letzten großen Tag der

alten Gricdent ; án mehr nicht als Hundert fünf und dreyßig Jabre : der Schweizeriſchě Muth mochte der Gewalt benachbarter Fürſten lang das Gleichgewicht halten ; und bis auf dieſen Tag hat weder Deutſchland To wie das alte Italien dienen gelernt, tibda find gewiſſe Höfe in Vernachläſſigung der Sache allgemeiner Sio dherheit Carthago und Macedonien åbnlich 32b ). Naddem die Waldſtette ihre Weiden gegen den Wie die Abt von Einſideln , ibre Freiheit gegen König Albredots Soweijoa inalu ivar

Vigte , igre Påffe wider den Herzog leopold , und ihre Freunde zu kučern und Bern wider ungerechte Gewalt rühmlich bebauptet , lebten ſie wie ein Voll , das kein de gen Feind verdient und keinen Feind fürchtet.

283

II. Buch . Biertes Kapitel.

Half das Anfeben ihres gerechten Bundes zu billigen Vertrågen mit Fremden , und um unter ſich und ihren

großen Geſchlechtern alle Fehden zu vermitteln. Ueber unourſeklidhen Kriegsſchaden 33) und um růđſtåndige Zinſe der Deftreichiſchen Hofe 34) machten ſie Werkommi

niffe. Als Konrad von Googen, ubt in den Einfidela , fortfuhr ſie zu bannen , fiengen die Schmyger Mary quarden von Bedburg, des Klofter Kammerer , und

nach ihm Rudolfen son Zimbern , Conventherrn , und ließen ſie nicht eber los , bis fie ichwuren das fand von dem Bann zu befreyen ; dode hielten ſie es nicht 35). Uber Thüring , Abt bon Diſentis 1, bom edlen Stamm

der Uttinghauſen , vermochte, daß unter Heinrich von Brandis , bem folgenden Abt in den Einſidlen , und unter dem fandammann Konrad von Vberg alles gåtu lidh entſchieden wurde. In dem zweyhundert und vier. zigſten Fahr , ſeit unter dem Abt Gerhard von Froburg der Same der Zweytracht ausgeſtreuet worden , wurde in einer anſehnlichen Verſammlung von Prälaten , Deutſchen Ordens Comthuren , Herren und Geſandten der Städte , Kloſter und Waldſtette , nad ben alten Schriften und nach der Rundidaft alter Männer , dieſe Feindſchaft beygelegt. Hierauf wurde Lodtea und Lebendigen der Bann geöffnet, jo daß jenen gee weibete Erde und glåubiges Gebet und andere Hülfe geſtattet wurde 36). Die Mißhelligkeit, welcheſich zwi. ſchen Schwyt und Uri um ifre Grånzen erhob , warde

Geſchichte der Schweiz

239

von den angeſebenſten Männern 37 ) aus Unterwalden und Lucern auf der Lagjakung in Bekenried alſobald verglichen .

Als zu Schwyt Kydi Nagel nach bitterm Worts SthWpk. wechſel Walthern im lene todidlug , und vor Gericht

viele landleute und Eidgenoffen ſehr für ihn baten , bero mittelten Uri , Unterwalden und Lucern durch eine Ges

ſandtſchaft ihrer Vorſteber 38 ), daß dem Rybí das les ben geſchenkt wurde , und ſein Vater die beſte Wiele zum Pfand gab , ihn ſo einzumauern , daß nach dem Urtheil brey unparteyiſcher Månner Rybí niemand

ſchådlich ſeyn ſoll. Es trugen zu Unterwalden die Edien von Hunwní Unterwals und von Waltersberg nod unblutigen Groll wider dea den. Vogt von Ninkenberg , Bürger von Bern. Die Luſſi bergaßen , daß ihre Våter zu Lucern Feinbe batten 39). Lucern , bon graufer Feuerabrunſt kaum erſte. Lucern.

Bend 39 b), wurde zerrůttet, wenn die Partey der Herzoge einmal überwog 40) , ſonſt regierten in wohlgeordnetem Rath 40b ) , baterlandsliebende Männer 41) , deren edlen Stamm bie Bürgerſchaft, muthvoll gegen Ausländer 42), ohne Eiferſucht fab.

Das Land Uri genoß rubig , der Vortheile des Paffes Uri. ůber den Gotthard , weil der Herr von Moos , lands

mann zu Uri , nicht nur zu Urſeren Vogt blieb 43) , fons dern von Kaiſer Karl dem Vierten die Pfandichaft eis nes Erblehns über die Waarenniederlage, den Zoll und * Müller's Werke . XX.

19

1

290

II. Buch. Wiertes Siapitel.

die Reichsdienſte ++) im Thal zu livinen erwarb. Da.

zu kam , daß zu Bellinzona Franchino Ruſconi fürchs ten mußte , jemanden zu beleidigen ; die Gewaltherrs ſchaft über Como hatten die Viſconti ihm entriſſen , und kaum noch wenige Jahre behielt er zu Bellenz und åber Locarno wankendes Anſehen 45). In dieſen gerechten und glůdlichen Sitten blüheten die Walds ftette. Zürich.

Zwölftauſend vierhundert und ſiebenzig , meiſt freye 40) , Einwohner , lebten zu Zürich in drey und zwanzig hundert und ſiebenzig Haushaltungen , und in bundert vier und zwanzig Haushaltungen der Ausbůra ger am See 47) ; eine durch Muth und mancherley Ges

ſchick wichtige Menge. Es war ein allgemeines Wohlo ſeyn (der wünſchbarſte Zuſtand einer Bürgerſchaft ) , fie batten wenige reiche Månner. Die Hauptſumme alles Gutes der bürgerlichen Geſchlechter in Zürich war uns

ter einer halben Million Pfund 48) ; hiervon ſteuerten ſie über achtzehnbundert Pfund an das gemeine Wes ſen 49 ). In dem Jahr als die Judenſchaft auf ihre eis gene Koſten verbrannt wurde , geſchah Tilgung aller

ihrer Sduldforderungen an die Burger 50). Jedoch , obſchon Brandan Pelleta , der Uftenſer, zum Kas werſch 5:) angenommen , und obſchon von Bürgern auf die öffentlichen Einkünfte 52) Geld geliehen wurde, muß. ten ſie, gedrungen durch die Bedürfniſſe der Stadt und ih.

res Handels , nach wenigen Jahren der Judenſchaft neue

Geſchichte der Schweiz.

291

Schirmbriefe geben 53). Der Handel gieng bis nach Polen , Flandern , Stalien 54). +

Unter ifrem Gebiet

hatten die Züricher erſt noch den Wald an der Sil54b) . Die Bürger waren wohl gebarniſcht; auf den Thürment

ſtand alle Art Kriegsgeråthe mit Armbruſten in großer Zahl und vielen ſchönen Rüftungen 55 ). Ulrich von Bonſtetten und Jobann von Habsburg lagen in dem Wellenberg ; der Graf dichtete ein Pied auf ſeinen Uns ?

fal 56). Die alte Mutter von Bonſtetten war in Bes ångſtigung und großer Furcht 57) ; Gottfried und Rus dolf , Brüder des Grafen , thaten keinen Widerſtand

und begehrten keinen Frieden. In den erſten Tagen des Auguftmonats kam Herr Anfang des zog Albrecht von Deſireich , Soba König Albrechts , Kriegs.

Enkel König Rudolfs , mit großer Dienerſchaft vom innern Land , in die Stadt Brugk auf der Herrſchaft im Eigen. Die Züricher ſchidten eine Geſandtſchaft , ihn zu bewillkommen , und Geſchenke, ihn zu ehren ; der Herzog dankte. Hierauf nach wenigen Tagen vers ' fammelte er alle ſeine Dienſtmanne , Vigte und Amts leute von Thurgau , Aargau , Sundgau, Elfas, Breis. .

gau , vom Schwarzwald und von Sdwaben , in die

Stadt Brugk. Daſelbſt erzählte er vor ihnen , wie treulos , wie unmenſdlich die Züricher an ſeinem Land und an ſeiner Stadt Napperſchwyl gethan ; viel wurde von dem Troß der Schweizer geſprochen ; hoch und ſchmerzlich klagten die Abgevrdneten des Rapperſchwy.

992

liſden Volks.

II. Buch . Viertes Kapitel..

Daber der ganze fandtag , bewegt , .

verſprach , die Züricher zu ftrafen. Da berief der Hers 30g Boten von Zürich , redete ſebr zornig mit ihnen

und forderte die Wiederaufbauung von Alto und Neus rapperſchwyl, Zurückgabe der Mark , Genugthuung , und Schadloshaltung, für ihn und für das Volk. Die Züricher gaben zur Antwort, „ Ade Feindſeligkeiten babe oder Graf angefangen ; darum ren er Nachts in ihre ,, Stadt gekommen ; fie haben alles um ihrer Sichers ,,beit willen thun múffen ; die Forderungen des Herzo,

ges können ſie nicht erfüllen .“ Von dem an rüſtete er das Heer , Zürich ſchidte Geſandte an Raiſer Karl den Vierten , Mahnungen an die Waldſtette. Der

Kaiſer verſprach , ſich um den Frieden zu bemühen ; die Schweizer zogen früh Morgens am dreyzehnten Herbſtmonat mit offenen Bannern in die Stadt. Nach wenigen Stunden fekte der Herzog mit ſechzehas tauſend 58) Mann über die Glatt ; Peine Wohnung nahm er in der Herzogenmůble 59) ; die Macht lag um Derlis kon , Schwamedingen und Affboltera , fie breitete fico aus bis an den Vorgraben der Züricher. Herzog Albrecht von Deſtreich überlebte feit mehres ren Jahren alle ſeine viel raſchern , leidenſchaftlichern Brüder. Pon Statur war er groß and ein Mann von berriſcher Schönbeit 60) ; ſeine Einſicht war bell durch natürliche Weisheit und litterariſche Uebung ſeines Geir ftes 61), Er brachte an das Haus Deſtreid die Grafo

Ceſchichte der Schweiz .

s

293

fchaft Pfirt Sim Sundgau , deren Erbtochter ſeine Ge, mahlin war 62 ), und Kärntheni, auf Abgang der voris .

gen Herren 62b) ; er ſuchte, ohne allen Zwang , dieſem Herzogthum gleiche Ordnungen zu geben , welche die Steyermark bielt 63 ). In Unterhandlungen war er bes

hende, im Ausdruck ſtark, im Ton der Verwaltung måßig , auf dem Richterſtuhl durch Gerechtigkeit ebra würdig 64 ) , Vater der Armuth , Herr feiner ſelbſt 64b). Im Umgang liebte er glimpflichen Scherz, er war gern fröhlich 65 ); dieſer Aufbeiterung bedurfte er. Denn bon dem beſten Lebensalter an , ſchon ſeit ein und zwanzig

Sabren , wurde er von , oft febr beftigen , Gichtſchmers gen geplagt 6) ; hierdurch wurde ſein froher Sinn ges trůbt, ſo daß ben, mißlungenen Anſchlågen Verbruß. und körperlicher Schmerz einander wechſelweiſe reizten. Er war damals drey, und ſechszig Jahre alt. Bald nach ſeiner Ankunft wurde durch Friedrich Richtung . Grafen von Lokenburg ,, durch den Comthur Heerdegen von Rechberg zu Wådiſdryl und Konrab von Berens feld , Geſandten von Baſel , mit leichter Måbe (zu laus

gem Krieg war der Herzog noch nidot gerüftet) vers mittelt , allen Streit gútlich zu entſcheiden . Zu Schiede richtern wählte der Herzog den Graf Immer von Straße berg und Herrn Peter von Stoffeln , des Zeutiden Drdens Comthur za Tannenfels ; son den Zürichern wurde Peter von Balm , Schultheiß der Stadt Bern , und Philipp von Kien , Ritter , erkohren. Sie bewil . }

494

II. Buch . Viertes Kapitel .

lígten , daß das Endurtheil der Königin Agnes überlaſ. fen werde. Die Königin gab vor , fich dankbar zu era innern , daß die Züricher in den Zeiten der Blutrache

ihres Vaters die Zerſtörung der benachbarten Burg des Herrn von Eichenbach nicht nur nicht verhindert , fona dern den Herzogen Markt gegeben.

Die Waldſtette

hielten wenig auf dieſe Worte der Königin. Sie biels ten auch für ſchåndlid , dem Herzoge Geiſel der Hal.

tung des Urtheils zu geben , und mißbilligten , daß die Züricher ſechszehn angeſebene Bürger ohne andere Sis

cherheit als des Feindes Wort in ſolche Geiſelſchaft ſandten ; es war ihnen verdåchtig , daß der Herzog ſich weigerte den Vorbehalt ihrer Bånde und Freyheiten zu unterſchreiben . Von Fürſten, die großer find an Macht als erhaben an Seele , darf ein kleines Volk nicht eher

gleiches Recht erwarten , als nachdem es durch vortref. liche Kriegsthaten ihre Achtung erworben . Mittwochs vor Galli warde zu Königsfelden das Urtheil der Deſtreichiſchen Schiebrichter durch Agnes bekräftiget. In acht und zwanzig langen Artikeln wurden verſchiedene Schranken der Macht in Lucern und auf den Schweizeriſchen Hbfen vernichtet ) , und alle Thaten der Züricher wider die heilhaber der Mords

nacht und alle beſondere Febden oder öffentlichen Feinds ſeligkeiten für Frebel erklärt 68). Nachdem die Wieders

aufbauung der beyden Napperſchwnt, die Rådgabe der Mark und aller Güter des Hauſes'von Bonſtetten ,

Geſchichte der Schwelg .

295

und mancherley Genugthuung und Erſaß befohlen wors den , wurde die foslaffung des Grafen von Habsburg mit andern Anſprachen in ſo zweydeutige und verwickelte Nebensarten berflochten , daß der Same der Zweytracht nicht leicht in einem andern Vertrag ſo reichlich ausgeſtreut

worden iſt. Es vermochten die Angehörigen derſechszehn Geiſeln, daß die Eidgenoſſen dieſes Urtheil zu beſchwören verſprachen ; am tiefſten ſchmerzte fie der Artikel , daß dieſer Eid jährlich wiederholt werden ſolle; eine Bes fledung des Ruhme der Treue ibret Wortes. Ein folches Volt rollte nie tractiren als an dem Tag nach einem Sieg .

Als die Züricher geſchworen und mit Anſuchen um zhre Trúg: bie Loslaſſung der Geiſel dem Herzog eine Urkunde ihn lichkeit. res Eides überſandt, hörte Albrecht ihre Geſandſchaft nicht, ſondern hielt ſie ſehr ungnådig , weil Johann von Habsburg nodh nicht losgelaſſen ſey . Dieſen Voru

wurf börten die Boten mit Verwunderung ; in dem Spruch ſind Artikel über den Elfer von Zug , über den Ebelknecht von Rümlang und andere Privatmänner ,

bes Grafen geſchab keine Erwåbnung. Der Bürgers meiſter hatte dieſen Punkt in den Unterhandlungen uns berührt gelaſſen ; von dieſem Anſchein ſeiner Furchts

famkeit verſuchte der Feind mit Lift und Nachbruck Gebrauch zu machen . Die berzoglichen Räthe gaben

vor , die Sache dieſes Grafen von Habsburg , Vets ters und Lebenmanns ifred Herrn , ſex ſchon beyges

496

11. Buch

Biertes Stapitel.

legt durch den Inbegriff „aller Diener und Angehöri. wgen von Deſtreich . “ In der Zhat gedachten fie nie

den Feindſeligkeiten vorzubeugen ; ſie wollten durch Uns terhandlungen (worin die Sdyweizer von den meiſten übertroffen werden) möglichſt viel gewinnen , und , wenn des Herzogs und ſeiner Freunde Macht råftig fen , Krieg führen . Sie tegten die Geifel in Bande; der Udel ſtreifte auf die Güter und Freunde der Züris der. Die Schweizer , in Unwillen über ſolche lift, in Zorn über die Uebung der Gewalt , glaubten ſich vers ſpottet , und ergriffen die Waffen. Von Trakatenkunft verftanden ſie wenig , die Waffen waren ihre Runft. i Glaris aufs

geboten ;

Unter den Mahnungen , die der Herzog ergeben ließ, war ein Aufgebot, welches er in Glarisland randte. Glaris wurde ſeit undenklichen Zeiten unter dem Obers Ichirm des Reichs verwaltet von der gefürfteten. Aeb,

tiffin zu Setingen Meyer, einem fandammann erwählt

von der Gemeinee und einem Rath angeſehener Mång ner 69). Die Martiniſteuer zu des Reichs Handen ? ),

Zinſe von Gebrauch der Weiden , Felder und Heerden ?!), die Lebenserfenntlichkeiten , die Gerichtsbußen , die Abs

gaben und Fålle der eigenen Leute , wurden in den Kelnhof 72 ) der Fürſtin geliefert oder von den Amtleus ten an fie berechnet. Reiner andern Kriege war das Volt pflichtig , als um Bebauptung ſeines eigenen

Landes zu Handen der Fürſtin. Seit Habsburg die Kaſtvogtey des Kloſters , unter König Albrecht erbliche

Geſchichte der Schweiz.

297

Reichsvogter , bald nad dieſem das Leben der Meyes rey , erwarb , entſtand unter den Glarnern mancherler Mißvergnügen. Erſtlich weil die Herzoge bey Verbins dung des Amtes Glaris mit ihrer Herrſchaft Gaſtern offenbar ſuchten , die Vorrechte der Landleute zu tilgen .

.

(die meiften Fürſten baffen Borrechte ; teine tegierung ſcheint leichter und ordentlicher , als wo alle dienen 23 ) ;

in der That ift nirgend. größere Stille als bey den ſebloſen). Zweytens , weil die Herzoge die Landams mannſdaft aufhoben , und ſtatt eines Mannes vom Bolk , der in einem bölzernen Hauſe in ihrem Lhal

bey ihnen wohnte , ausländiſche Herren zu fandodge ten 74) über fie regten ; die fandvogte ſaßen auf der Burg, zu Nåfels A, umgeben von Kriegsknechten. Drita tens , weil die Herzoge fich, weigerten , die durch einen Zufall verbrannten Urkunden ihrer Freyheiten zu erneur 2

ern , und am taiferlichen Hof und im Kloſter ſolche

Erneuerung zu befördern . Biertens, weil für den freya willigen Zug nach Colmar, den ſie zugleich wie die Lucerner gethan 75) , der verſprochene Sold ausblieb.

(was einem Fürſten geſchieht, wird oft vom Nachfolger vergeſſen , das Andenken der Begegnung eines Volks. }

pflanzt ſich fort mit dem Volk). Die Männer von Glas

riß waren wohlgeſtalte abgebårtete Rriegsmänner mit ſchonen Halbarben 7) ; wåren ſie mit willkürlider Macht beherrſcht worden , ſo würde ihr Thal durdy Fehden und Kriege bald erſchöpft worden seyn , ibre

2981

II . Buch .

Wiertes Stapitel.

Heerden würden wild gelaufen und ihr Pflug verlaſſen geſtanden haben : daber ſo ungrådig der Herzog ( chien , fie, vom Beyfpiel der Schweizer ermuntert , durch ei. genen Muth oder fremden Beyſtand einſt erleichtert und in ihrer Verfaſſung erhalten zu werden hofften .

1

Alſo ohne ihre Freyheiten der Furcht noch der Hoffnung aufzuopfern , blieben ſie freygeſinnt, getroſt, und naks men zu 77). Herr Walther , ein Ritter aus dem alten Rhátiſchen Adel der Stadion 77b) , war damals , wie vor ihm Ludwig fein Vater 78 ) , zu Glaris Landvogt , und herrſchte ftreng. wird

Sweiges riſch,

Die Landleute , ibres Entſchluſſes bey fich gewiß , antworteten auf Herzog Albrechts Gebot. „ Sie fühs

vren die Kriege der Fürſtin von Sekingen , des Landes wFrau , unter ihm , des Kloſters Vogt ; an andern „ Deſtreichiſchen Kriegen ſer nicht ihre Schuldigkeit Ans ,,theil zu nehmen .“ Aus dieſer Antwort fan der Hero zog die Abneigung der meiſten Glarner : damit er im Krieg der Züricher nichts von dieſem Unwillen zu fürchs ten habe , beſchloß er , Kriegsvoll nach Glaris zu fen .

ben. Zugleich gedachte er die son Uri und Schwyk ,

deren Thåler mit Glarisland zuſammenhängen , aus dem letztern zu beunruhigen , um ſie daburch von der

Hülfeleiſtung nach Zürich abzuhalten. Als dieſes kund wurde , unternahmen und vollbrachten die Banner von 1

Uri , Schwyk , Unterwalden und Zürich mit ihrer ges wöhnlichen Geſchwindigkeit, mitten im Wintermonate ,

Geſchichte der Schweiz.

299

die Einnahme des Glarislandes. Dieſelbe geidab mit

einer ſolchen Bereitwilligkeit von Seite der Glarner , daß dem fandvogt nichts übrig blieb , als die Flucht

nach Weſen im Gaſter ; er batte weder gutes Kriegss volk in genugſamer Menge noch beträchtlichen Anhang bey dem Volk 78b). Da dwuren die Glarner den Schweizern Friede ; dieſe jenen , „ dafür zu ſorgen , daß

„ ihnen deßwegea von Herzog Albrecht kein Schaden ers wachſe." Zweyhundert Månner dieſes Zhals , um durch Pertheidigung des gemeinen Weſens der Schweis

zer Antheil zu verdienen an dem ewigen Bund für die alten Freyheiten , zogen mit ihnen zu Beſatzung der Stadt Zürich. Der Feind verwahrte feine Grånzen , das Kriegsvolk ſchien aus einander zu gehen . Aber mitten im Winter verſuchte Walther vor und vetes

Stadion das fand Glaris durch Ueberraſchung zu bes dient 1352

zwingen . Die Alpen waren hoch mit Schnee bebedt ,

ihre Firnen glänzten von mannigfarbigem Eiſe ; das Volk wohnte im Zbal , jeglicher in ſeiner Hütte ben ſeinem Weib, ſeinen Kindern und bey der Heerde. Stas dion zog mit vielem Polk bon Rapperſchwyl, aus

der Mark und von Gaſter , welches eiferſuchtvoll und nad Beute begierig war , die große Straße , wo nords wärts nach dem Gafter Glaris offen iſt. Gegen ihm ſtanden alle Männer von Glaris auf dem Rütifeld , welches zwiſchen Oberurannen und Näfels liegt. Hers

Walther ftritt nach dem Ruhm ſeines Adels , die

300

II. Buch. Viertes Kapitel.

Glarner ſtritten für alles was den Menſchen lieb ift. Nachdem Stadion mit vielen Edlen umgekommen, filob rein Volk ; zwey und zwanzig aus dem Städtchen Weſen wurden von den Glarnern erſchlagen 79 ). Die Sieger brachen die Burg zu Nåfeld, zogen beim , als die ohne alle Hülfe ihr Vaterland behauptet hatten , und baten die Schweizer um Aufnahme in den ewigen Bund.

ewigen Bund.

Ade Drte der Eidgenoffen waren eine Geſellſchaft entſchloſſeaer Verfechter der älteſten: Nechte der Menſchs beit , welche nichts als ihre Freyheit hatten , und nichts

als, die Waffen übten. Alles wurde in dieſem Geiſt beurtheilt , regiert und erhalten . Dadurch behauptes

ten die Eidgenoſſen ber fremden Mächten den bisweis

len furchtbaren und allezeit großen Ruhm eines,kriego erfahrnen wollpoſtirten Heers , deffen, jedes. Drt wie ein cantonnirendes Glied, warą Da dieſe tapfern Måns . ner nicht Olaris. wollten , ſondern die Glarner , und, keiner daran dachte , Glaristand. alb. Eroberung zu

beherrſchen , gaben ſie ihnen gern den ewigen Bund. ,, Es bebalte," ſdmuren fie, „ der Herjog ſowohl , als „ die gefürftete Webtiffin alle rechtmäßige Herrſchaft „ und ihre Einkünfte , dat land ſeine Freybeiten. Wir ,,vou Zürich , Uri, Schwyk und Unterwalden wollen ,,die von Glaris daber, behaupten ; wir die landleute von Glaris wollen ſtets , ohne Widerrede , ohne Ges .

,,fåhrde , zu unſern Eidgenoſſen halten ; wenn ſie es

1

Geſchichte der Schweiz .

301

,,begebren , ſo wollen wir auch in die Bünde treten ,

„ die ſie mit andern haben und machen . Damit keine „Ungerechtigkeit noch um Kteinigkeiten Kriegsgefahr „ aus dieſem Bund entftebe , ſo find wir , die Glar.

,,ner , übereingelommen , und verſprechen , daß, wenn „ eine unſerer Klagen den Eidgenoſſen unbillig ſchiene, ,,wir fie fallen laſſen und von ihr abfteben wollen . ,,23enn einer von uns , fandleuten zu Glaris , wider

„unſere Eidgenoſſen odereineß ihrer Drte würbe oder „ handelte, ſo ſollen die gewöhnlichen Richter in uar w jerm Land richten zu ſeinem leib ; ſein Gut iſt allen

,,Eidgenoſſen verfallen. Sollte Glaris mit Eidgenoſ. wiſen , ſamt oder ſonders, in Unwille gerathen , ſo fou

,,er an beſtimmten Dingſtetten 80 ) von Schiebrichtern 'nin Minne oder nach den Rechten verglichen werden. „ Wir alle halten alſo ewig treu zuſammen . Dar

qrum wollen die Glarner keine Herrſchaft und kein „ Volk , wider den Willen ihrer Eidgenoſſen , in Band ,,aufnehmen ." So wenig die Schweizer von den Glar.

nern mehr als getreue Freundſchaft fordertea , ſo wenig Scheu trugen dieſe, in dem Bund gewiſſe Rechte aufzus geben, welche eine mådhtige Partey mißbrauchen konnte. Es iſt in den Bünden der alten Schweizer , wie in

ifren Thaten überhaupt , merkwürdig , daß unwer fentliche Umſtånde ibr Auge nie von dem Gedanken der

Freyheit verrůdten ; dem opferten fie alles auf. Nan turwit lehrte fie, was im aufgeklärteſten Jahrhuns

302

II. Buch . Biertes Kapitel.

dert viele vergeſſen , daß in Führung aller Geſchäfte keine Sache von ſo unendlicher Wichtigkeit iſt als Eins beit im Plan. Schlacht bey Låts wyl. 1351

Indeß die Unterthanen und Freunde des Herzogs ihre Macht ſammelten , wurden die Züricher beunruhi. get von Kriegsknedyten aus Baſel, Straßburg und vom Breisgauiſchen Freyburg , welche bey den kleis nern Bådern vor der Stadt Baden lagen 80b). Rus dolf Brun , Ritter , Bürgermeiſter, mit ungefähr an. derthalbtauſend Mann 81) unternahm , dieſe Soldaten vor ihrer Verſtärkung zu züchtigen . Er fand ſie von allen ſeinen Bewegungen wohl unterrichtet, und gerů. ftet ihn zu empfangen. Fadeß der Bürgermeiſter die Limmat hinab , unb radhdem er unweit von der Stil. le 8-) die Burg Freudenau gebrochen , an der Reuß wieder hinauf bis Birmenſtorff 83) gog , und ſich auf Låtwyl wandte, bereiteten ihm ſeine Feinde bey ans

brechender Nacht einen unvorhergeſehenen Zufall. Die Herrſchaft Baden beſteht aus vielen kleinen Thålern ;

ſie ſind anmuthig von Hügeln umfrånzt, von den Flüſs ſen kimmat, Reuß und, Aare und von vielen Bächen durdidhnitten ; Wälder beſchatten die Ufer. Ein wachs

ſamer , des Landes kundiger Befehlshaber , von allem früh genug unterrichtet, kann (bey ſo vieler Geleger , heit) leicht eine gute Stellung wählen. Über der Bür. gerineiſter erfuhr nichts von Burkard von Ellerbach , dem angeſehenſten Feldherrn des feindlichen Heers,

Geſchichte der Schweiz.

303

welcher mit ſtarker Mannſchaft von Fußknechten und vielem reiſigen Zeug unausgekundſchaftet von den Quel. len der Etſch bis in dieſe Gegend gekommen. Die Bes fakung von Baden wurde hiedurch zu einem Schlachta

baufen von viertauſend Mann 83 b). Diejes vernaba men die Zürider bey Tåtwyl unweit Baden , eine

Stunde zuvor ehe ſie zwiſchen den Hügeln umgeben und niedergemacht werden ſollten .

Der Bürgermeiſter wurde in dieſen Umſtånden tods Brun ſorgt

blaß , im Angeſicht, in Geberden , am allermeiſten in für ſich. ſeinem Gemůth , verwirrt ; er ſprach zu ſeinem Dies ner : „Unſer Zuſtand , guter Freund , gefällt mir ganz „ und gar nicht ;

- ich darf es dir kaum ſagen al. ,,len Umſtänden gemåß - es kommt wohl nicht Eis ,,her lebendig davon. — Am Leben liegt mir wenig , -

ich würde von Herzen gern mit allen unſern lieben ,,Mitbürgern umkommen , aber - alsdann

du

„,weißt es + iſt es um die ganze Stadt Zürich ges. ,,than - ohne alle Rettung. Wer wird uth eins

ſprechen ? Wer wird Anordnungen machen ? .... ,,Was mich betrift, ich rathe dir wenn du -

denkſt wie ich – mit Gottes Hülf

laß did 8 ja

Zů wnicht merken - wir wollen mit einander nach Zü. „ rich . “ Hierauf kam der Bürgermeiſter unverſehrt. auf ſein Landgut Schönenwerd in der Ebene bey Schlies

ren. Der Bannerherr Stuki und Rüger Maneſſe ſuch, ten ihn , doch nicht lang ; Maneſſe ſprengte an die

304

II. Budy. Viertes Kapitel.

Spitze des erſchrođenen Volks , und redete in folgens dem Sinn. „ Liebe Mitbürger , der Feind iſt bier , ,,dreymal ſo ſtart als wir ſind. Unſer Vaterland iſt heute in eure Hand geſtellt; alles berubet auf eurer

„ Unerſchrockenheit und Geſchidlichkeit. Wir ſind aber

w nicht verlaſſen. Ganz Zürich ift in Bewegung , unı „ſere Mitbürger eilen zu Hülfe, die Schweizer ziehen „ beran. Ihrentwegen ; ſie zu leiten ; haben die Kriegos

„ råthe den Herrn Bürgermeiſter , wegen ſeiner großen „ Kenntniß der Gegend , ihnen entgegen geſendet, und „ indeß mir den Oberbefehl vertraut. Auf ; der Feind wift nabe ; ſtreitet als Månner ; Krieg gefellen , laßt

„ uns Zürich retten , ihr und ich ." So ſprach mit entſchloſſenem Angeſicht Rüger Maneffe, gab die for fung ,Hie Sanct Felix ! 84)" und erwartete den Feind. von allen Seiten erſchien Ellerbach , von allen Maneſſe ſiegt.

Seiten fand er wohlgeſchloſſene Neiben beberzter Mån, ner . Man ſagt , Maneffe babe an den Ort , wo ſeine Reiterey anfiel, viele erbeutete Stuten geſtellt , wela des den Pferden die Schlachtwuth und ihren Reitern die Gemalt über ſie genommen. Er bebauptete mit

weniger als funfzebnhundert Mana , wider meør ald biertauſend bis in die Nacht ein drevſtändiges Treffen :

da ſtritt ein Holzhalb und Rouſt , lo, daß Zürich ihnen das Bürgerredet idenkte , und viele Nachfolger des A

Bürgermeiſters von dieſen beyden Geſchlechtern ente

( proffen ſind 85),

Uls Zeit und Arbeit endlich alle

Geſchichte der Schweiz.

305

Kräfte des kleinen Haufend erſchöpften , erſchallte auf den Höhen lautes Geſchrey „ Hie Zürich , bie Sanct felir . “ Den Nuf erwiederte Maneſſe und ermutin terte das Volk; da flog der Feind. Hundert und fünfo zig verbürgerrechtete fandleute von den Dörfern Wols rau , Richtif dwyl, Wådifchwyl und Pfäffikon , welche nichts von der Schlacht wußten , tamen über die Hos

ben , das Heer zu verſtårken ; ſie vernahmen und vera ftanden das Feldgeſchrey , und ffelen; gemäß ihrer Lapferkeit, auf den Feind herunter , zur Zeit als nach Untergang der Sonne jeder fab und hörte , was er fürchtete und hoffte. Maneſſe; durch Geiſtesgegens

wart , erhielt über vier Fünftheile 80) feines Volks ; den Feind ſchlug er bis an die Mauer von Badeng lagerte auf der Wahlſtatt. Morgens um acht Uhr brad er auf , nado Zürich zu ziehen ; vor der kleinern Stadt begrab er die Codten ; alsbann ſteckte er von

dem Nathhauſe ſechs erſiegte Banner aus 861). Der Bürgermeiſter , über dieſen Sieg ſehr erſchroke ten , wurde von dem Volk , welches der Stadt Ban.

ner mit Gewalt nahm , von ſeinem landgut mit gros Bem Gepränge nach Zürich geführt, und in dein Bürs germeiſterthum auf Lebenslang beſtåtiget. Er hatte ausgeſtreut : „ einige von den Großen haben wider die Zünfte berſchworen ; ſie wollen ehrliche Handwerker

junter die alte gråuliche Tyranney und in die tiefe „Verachtung zurådſtürzen ; darum haben ſie ihm den *. Müller's Werte. XX ;

20

306

II. Buch

Biertes Stapitel.

,,Zod geſchworen , und haben die Fredheit , vorzuges ,,ben , er ſey geflohen .“ Wohl größere Männer ba.

ben nicht in jedem Augenblick einer Schlacht Verachs tung des Todes gezeigt (ehe ſie ſich ſelbſt geſagt, Helo denmuth ſey nothwendig) ; wenn man aber dieſen Mann , wie er ſich in ſeinem Bürgermeiſterthum von

Sahr zu Jahr mehr zu erkennen gab , aufmerkſam beo trachtet, ſo verſchwindet faſt alle Neigung , ſeine nies

drige Seite durch Menſchlichkeiten beſſerer Månner zu beſchönen . Der Pobel , deffen Stimme die Stimme Gottes genannt wird , nahm ſeine Vorſpiegelung an ; ſeine Macht wurde erhalten. Rüger Maneſſe aber ges noß des Bewußtſeyus , welches kein Volt geben oder nehmen kann. Hundert ein und ſiebenzig Jahre wall. fahrtete jährlich von jeder Feuerſtåtte ein Mann (e8 zogen überhaupt bey anderthalbtauſend Menſchen ) von

Zürich in die Einſideln , wegen des Gelübdeo , wel dhes die Züricher bey der Nachricht von dieſer Gefahr ihres Volks gethan 87).

Im Frühling ehe der Herzog růſtig war , zogen die bey Küße Schweizer in den Aargau und verbrannten auf Einen nacht, Lag Beronmünſter und ſieben Dörfer. Mehr als taus ſend Deſtreicher zogen auf die Landenge zwiſchen dem Zuger und Waldſtetten See , beraubten und verbranns Cine That

ten Küſnacht 88 ). Als ihr Haufe mit Raub belaſtet

beim zog , verſuchten zwey und vierzig Soweizer durch plokliden Anfall die Beute zu retten ; ſieben,

Geſchichte der Soweis.

307

zehn wurden erſchlagen , fünf und zwanzig verfochten die leichname und Waffen ; fie blickten ſo ſtolz auf tauſend Feinde , daß dieſer Uebermuth ſie rettete ; die Deftreider , denen er unglaublich ſchien , hielten ihn für Kriegsliſt; ſie eilten abzuziehen , ehe ein verborgen

ner Haufe in den gefährlichen Gegenden zwiſchen Los rez und Reuß mit Vortheil hervorbreche, und Volk und Raub in Gefahr bringe.

Es war Sitte 89) int

den Waldſtetten , daß wer vor dem Feind flob , vom Leben zum Tod gebracht wurde und ſeine Nachkoma men bis in das dritte Geſchlecht erlos machte 90). Wo kein Fürſt iſt, muß das Gefeß Kriegszucht unters Balten ; in allen Kriegen iſt Flucht ſchåndlich , aber ſelbſtherrſchende Völker verlieren durch Muthloſigkeit alles ; vielleicht haben dieſe Alten Blut berſchwendet, .

aber ihr Schlachthaufe ftritt fo , daß durch den Trote ifrer Lodesverachtung Unůberwindlichkeit, öffentliche Freyheit, glüdliches Leben und ruhmvoller Name era kämpft worden ſind. Der Verluſt bey Küßnacht wur. de durch Zerſtörung von Habsburg auf dem Felſen Rothenflue an dem Waldſtettenſee gérochen . Als die Waldſtette in Zürich lagen , waren die Zug. >

Yandleute von Schwyß durch eine fandung der Zuger

bey Art gewarnet worden , wie viele Gefahr aus die, fer Stadt (einem feften und befekten Waffenplat am Eingangl ihrer Paſſe) ihrem Land in Abweſenheit ſein ner Mannſaft entſtehen könnte. Zug war in ſehr

fos

II. Budy. iertes Kapitel.

niten Zeiten unter den Grafen von Lenzburg oder uns ter den Voråltern derſelben in einem fruchtbaren Lande angelegt worden 90b ) : fie iſt auf dieſer Seite des Ges

birges einer der åußerſten , mit Mauern , Lhůrmen und Graben befeſtigter Drte ; die Gegend an vielen Drten offen ; die Hügel wurden von Freyherren bes berridt; viele Höfe waren dem Einfideln (den , andere dem fucerner Stift , oder Beronmünſter , oder dem

Züricſchen Frauenmünſter , oder den Kloſtern Cape pel , Muri , Frauenthal vergabet. Verwaltet wurde das Herrſchaftliche von einem Ammann coc), die Stadt von einem Schultheißen . Durch Landbau kam die

Stadt und umliegende Landſchaft in Aufnahme; da berbürgerredytete ſich vornehmer Adel zu Zug 91) ; um den Kreis der Mauern und vor der Stadt am Seeges ftade wurden Häuſer gebauet 92 ). Die landleute und Bürger“ waren in Sitten und Rechten anfangs einans

der gleid , und unter dem Dorfit der Grafen und Herren in ein gemeines Weſen verbunden . 18 die

Eiferſucht , welche zwiſchen den Freyherren und Bürs gern war , nach und nad fidh legte , entſtand fie zwie ( chen dem Landmann und Bürger ; die Waldſtette

wurden von den fandleuten als ihres gleichen mehr als von den Bürgern geliebt. Als die Schweizer die Einnabme dieſer Gegend beſchloſſen , gehorchte dem Herzog alles umliegende land , ſo daß wabrſcheinlich war , er würde Zug leicht behaupten , oder ohne Mühe

Geſchichte der Schweiz. •

300

wieder erobern. Darum war auch ſeine Befakung ausländiſder , vornehmlich Straßburgiſcher , Schützen To gering an Zahl, daß man wohl ſab , er fürchte keia men Angriff ; zu Beunrubigung der Benachbarten war fie ftark genug . Bey dem Anzug bes Polls der Waldſtette fteler wird Sie fandleute um Zug demſelben bey ; ſechshundert Schweizes riſch .

Mann von Zürich , zweytauſend von den vier Wald, ftetten zogen vor die Stadt. Sie bezeugten , „fie geo ,,denken weber den Herzog reiner Herrſchaft , noch die

wZuger der bisherigen Verfaffung zu berauben ; fie wwollen Friede dieſer Grånze ; die Eröffnung der ,,Stadt werde ihr ſo uüßlich ſeyn als ihuen ſelbſt ; ,,wenn fie ſich nicht ergeben wolle , ſo fou fie alles fürchten von der Gewalt ihrer Waffen . “ Die Stadt, ohne genugſamen Munboorrath , ohne Zweifel durdy Partenen in ſich ſelbſt getrennt 93), begehrte und ers warb kurzen Stilftand. Hierauf ſandte ſie Herrmanna einen der vornehmſten Bürger , ſo eilfertig an den Herzog, daß er in ſehr kurzer Zeit in Königsfelden ben ihm ankam; die „ Bürger von Zug , ihm ges

etreu , nun in großer Gefahr , bitten , er wolle fie: „ nicht verlaffen , ſondern ihnen ſchleunige Hülfe thun ; mſintemal die Waldſtette hart und unaufhörlich auf fie „ dringen .“ Herrmann brachte die große Sache ſeines Waterlandet mit größter Gemüthsbewegung vor ; der

Herzog fab ihn mit höhniſcher Berachtung , Hörte ihn

II. Buc. Piertes Kapitel.

310

kaum , ſprach mit einem Falkenier ; dieſe Gleichgåltig . keit erregte die ſchmerzlichſte Betrübniß in der Seele Herrmanns , er verſchwieg ſie nicht. Endlich ſagte der Herzog , „ Er ſoll nur geben ; man werde alles bald wieder erobern .“ Als die Zuger dieſes hörten , wurden die Banner der Eidgenoſſen in die Stadt ges laſſen . Von dieſen wurden dem Rath aus dreyzehn Bürgern neun Mann aus jeder åußern Gemeine zuges ordnet und ein Ammann vorgeſetzt. Dieſe, und die Eidgenoſſen , mit beſtåtigendem Vorbehalt aller Herrs ſchaft und Einkünfte des Herzogs , ſchwaren den ewis gen Bund für Freyheit und Recht 94). Deſtreich, waffnet.

Albredyt, anſtatt um Glarisland oder Zug mit

fchweren Unkoſten zweifelhaften Krieg zu führen , hatte den großern Gedanken , vermittelſt einer außerordente lich ſtarken Heerfabrt aller Macht ſeiner Bundesfreuns

de und geſammten Erblande , durch Unterwerfung der Züricher die ganze Schweizeriſche Eidgenoſſenſchaft iß. ter Kraft und ihres Rubms zu berauben. Zu dem Ende legte er auf den Ertrag der Güter und Heerden atter Orden der Geiſtlichkeit, aller Pfarrer und in Defte reich angeſeffenen Ausländer außerordentliche und hobe Steuer 95). Denn da durch die verhaßten Thaten ſeis

nes Vaters , König Albrechts, der Adel und alle lands ftånde gedemüthiget worden , bediente , ſich der Herzog ihrer Geduld, um bald allgemeine Vermögenſteuern 96), bald unerhörte Kopfgelder 92) auszuſchreiben , Von .

Geſchichte der Schweiz.

311

derſelben Zeit an wurden die Abgaben gåufiger. Die alten Fürften lebten von ihren Gütern und von den Gaben der Völker ; im Uebrigen war jeder ſicher bey Leib und Gut. Jemehr das Anfehen des Abeis fiel, deſto Sfter wurden die Nationen um Bezahlung der

Soldaten ihrer Beherrſcher zu für ſie gleichgültigen Unternehmungen genothiget , ungewohnte Wuflagen zu bezahlen : mehr und mehr wurde der Fürſt ſo unum.

ſchränkt über alles Eigenthum , als mit Erhaltung des Flors menſchlicher Geſellſchaft kaum beſtehen kann ; endlich wurde jeder Staat wie ein Pacht, und kam uns

ſer Sahrhundert , in welchem die Wege und Mittel Geld in das fand und som land in die fürſtliche Caſſe zu bringen , das Meiſterſtůd der Staatskunſt ſcheinen . In den Zeiten der erſten Herzoge von Deftreich , von welchen dieſe Kriege wider die Schweizer gefåórt wors den ſind , waren folche Unternehmungen darin wohls

feil , daß keine Feldartillerie, und wenig und nicht ſehr koſtbarer Belagerungszeug mitgeführt wurde ; der Sold war vor , und beſonders nach der großen Peſt in dem dreyzehnhundert neun und vierzigſten Jahr 98) , viel boher als nun 99 ). Die wachſende Volksmenge in den meiſten Europäiſchen Ländern macht nun die Were bung leichter, beſonders weil der geringſte fandmana zu unſerer Zeit Bedürfniſſe kennt , welche der Hof Herzog Albrechts nicht abndete 100). Wenn man auf

der einen Seite den boven Sold bedenkt , welcher aber

312

H. Buc.

Vierte Stapitel.

die faſt einzige Ausgabe der damaligen Kriegscaffen war ; auf der andern Seite den kaum glaublichen Auf wand, unſrer nunmehrigen Rüſtungen , wodurch mehe als durch alle Eroberungen und Friedenstraktaten das gemeine Weſen der Europåer eine verånderte Geſtalt

belommen ; ſo muß nicht vergeſſen werden , daß die Hauptſumme des umlaufenden Geldes in den gefittes ten Staaten aufs wenigſte zehnfach geſtiegen iſt 101). Wer hiebey den nicht lebhaften Arbeitfleiß , den im

vierzehnten Jahrhundert in dieſen Gegenden weniger wachſenben als abnehmenden Sandel, und wie ſcheu die unbefeſtigte Fürſtenmacht mit ihrer Unterthanen Geld Roch ſeyn mußte , wer dieſes erwägt , wird finden , daß die Heerfahrten ben ſo håufigen Febden darum ſo kurz und viel feltner waren , weil der Kriegsaufwand Hers

zog Albrechten ſo beſchwerlich und ſeinem Volk nodi berderblicher war , als unſeren Zeiten die Kriege der Mächte. Eben auch daber wurden Eroberungen ſchon damals ſchwerer. Wenn das allgemeine Staatenſyſtem zu unſerer Zeit etwas mehr Feſtigkeit hat , ſo kommt

fie weniger von dem Verhältniſſe der Staatseinnahme zum Kriegsaufwand , als von dem , doch nicht bloß darauf beruhenden , gegenſeitigen Verhältnis einiger vornehmen Mächte , welche fo wenig alles Böſe thun , und legt

ſich vor

das in ihrer Gewalt ſteht ,, als alles Gate Idib ). Der Herzog erhielt Beyſtand von dem Kurfürſten zu. Brandenburg , Ludwig , Sohn Kaifer Lydwigs. VOR

Geſchichte der Schweiz.

313

Bayern , (mit welchem er wegen des Streits über das Zürich.

Herzogthum Kärnthen ſich auf zehn Jahre bertrug . und für ihre Kinder einen Heirathsvertrag machte 101c)) pon dem ganzen Hauſe. Welſchneuenburg, vom Hauſe Montfort, von den Grafen von Wirtemberg , Dettins, gen , Fürſtenberg , Thierſtein und Nellenburg, Ebers Þarb. oon Riburg , Burgdorf, Baden , Hochberg , den Herzogen von Urslingen 102), und von Zek , von fünf Biſchöfen , von ſechs und zwanzig vornehmen Grafen , der Burggraf zuNürnberg, des faiſers und ſein Freund, war an Macht damals in der Zahl anderer:; mit benden Freyburg, mit Baſel, Straßburg, und Schafhauſen zog.ibm bandsgemäß zu die Mannſchaft von Bern.102b ),

Erlach , Bubenberg, Weißenburg und ihr Bolk som fangenberg , von Frutigen , kaupen und Hadli mit ihren Bundgenoſſen von Peterlingen , von Murten 102cy und von Solothurn 103) ; dreyßigtauſend Mann zu gabe 1

viertauſend Speerreiter 104) . Bey ihm waren Rudolf

und Friedrich, ſeine Söhne, in zarten Jahren ſich Kriegs zu gewöhnen.1046). Der Herzog vertraute den oberſten Befehl dem Grafen Eberhard von Wirtemberg 105 ), Su der dritten Woche nach dem Zuger. Bund legte er fide

vor Zürich ; ſein Lager verſette er von der Glatt auf

die Höhen bey Höngg ; die Züricher bewachten Zürich, die Eidgenoſſen lagen an der Schanze an dem Zürich berg 105b). Die Deſtreicher ſchlugen in einem Wald eine Brüde

314

II. Buch. Viertes Kapitel.

über die Limmat , aber die Belagerten brachen dieſe Nachts vermittelft eines Floßes, welchen ſie den Strom Doch der Feind fand eine

berab rinnen ließen.

Furth , und fandte auf die Fütterung in die Gegend um Frieſenberg zwiſchen Limmat und Sil : ein Uusfall der Lucerner brachte dieſe Partey in Gefahr : als das Lager ob Höngg dieſes bemerkte , eilten breytauſend

Pferde durch die Furth ; von dieſen wurden die Lucerner abgeſchnitten und flohen mit Verluſt nach der Sil. Das Kriegsvolk litt Mangel an Proviant , weil , obu fchon viel gutes fand offen lag, an trockener Füttes rung Mangel war , die grüne ſchlecht unterſtüßt wurs I

de. Die überlegene Volksmenge hatte geringen Erfolg ; folche Heere waren vielköpfige Ungeheuer im Kampf mit Helden ; keiner Sache kamen ſie überein als der Vers ſchleuderung der Lebensmittel. Jeder von ihnen würde

mit gleichen Waffen faſt jeden heutigen Soldat in Los desnoth gebracht haben ; ihr Heer würden unſere Heere aus Barmherzigkeit vielleicht verſchonen . Der Kurfürſt

von Brandenburg fab ein , daß dieſe unbehålfliche Haus fen wider die Schweizeriſche Eintracht und Beharrlich , keit nichts vermochten . Er bot ſeine Vermittlung an ,

dein Herzog als Freund , bey den Schweizern durch gwey vertraute Råthe als Sohn König Ludwigs , wels dem ſie getreu geweſen und der ifr Freund war. Die Schweizer bey Anbruch des folgenden Tages, nachdem ſie ihre Porſdlåge ihm übergeben , fanden die Gegend

Geſchichte der Schweiz.

315

leer ; nur ftand nod das Lager der Berner , welche

fold einen Abzug für ungeziemend hielten ; fie brachen auf bey Tage , ihnen lag wenig an dem Sieg des Hers zogs über Zürich .

Im Anfang des Herbſtmonats verſammelten ſich Friede. zu Lucern bey, dem Kurfürſt von Brandenburg Geſandte

beyber Parteyen. Der Friede wurde folgendermaßen geſchloſſen : „ losgelaſſen werden alle Gefangene , qua rådgegeben alle eroberte oder in Pfand genommene „,Güter von beiden Seiten 105 ) ., Lucern , Schwyt „ und Unterwalden leiſten , was der Herzog an Rechten

„ und Gülten bey ihnen beſitzt und bezieht ; Zug und ,,Glaris leiſten ihm rechtmäßigen Gehorſam , und er

„iſt ihr guter Freund. Fürbaßhin machen die Eids genoſſen keine Bünde mit Deftreichiſchen Städten und

,, ländern , Zürich und Lucern geben keinen Deſtreichia „ ſchen fandleuten Bürgerrecht. Graf Johann wird ,, in Freyheit geſetzt; er und Rudolf und Gottfried mfchwören den Zürichern Freundſchaft und Amneſtie ; „ dazu wollen fie auch die Mark und Rapperſchwyl manweiſen ; Pogt , Rath und Bürger von Lauffenburg dworen , dem Graf nie zu helfen wider dieſen Eib ;

,,wenn er den übertritt , ſo leiſtet Herzog Albrecht den „Zürichern wider ihn Beyſtand. Es werden alle Bunda ,,verträge , Freyheiten , Herkommen und Rechte sorbes kalten .“. Sowohl die Schweizer als Herzog Albrecht urkundeten dem Kurfürſt von Brandenburg die Annaj,

M. Duch . Viertes Kapitet.

BI6

me dieſes Friedens. Nachdem dieſe Verſicherungen aus . geſtellt worden , wurde der Graf aus mehr als dritte

Halbjährigen Gefängniß befreyt; hierauf die rechszehn Geiſel zurückgeſandt. Von dem Graf. nahmen die Züria, cher keinen Erſatz des Aufwandes , von jedem Geiſel mahm der Herzog neun Gulben für den Monat 100 ) . Herr Ulrich von Bonſtetten war vor einem Jahr in

Freyheit gefekt worden , aus Uchtung für die Bitte ſeis ner adotzigjährigen Mutter Frau Anna von Seon und

auf das Fürwort Herrmanns von Bonſtetten , Abts. von St. Gallen , Anne von Bonſtetten bey dem Fraus enmünfter, und ſeiner Brüder. So groß war der Flor

feines Hauſes , daß, obldon er alle Unkoſten abtrug , der Herzog in eben dieſem Jahr von den Bonſtetten auf die Stadt Winterthur Geld nahm. Bon dieſema Ulrid

und von Adelbeid. Maneſſe, Tochter des Ritters , wele cher bey Tåtwyl den Sieg erhalten , ſtammen die Bong ſtetten bis auf dieſen Tag. Dieſes Ende nahm der Krieg , welcher aus Veranlaſſung der Mordnacht. .

entſtanden , welchen Rudolf Brun zuerſt grauſam , nach . mals feigherzig , führte , worin: ber Herzog bey den,

Unterhandlungen ſchlechte Würde bewies and mit gros Ber Uaftalt eine unnuke Heerfahrt vollbrachte , die

Schweizer aber durch ihr Betragen auf dem Rütifeld .. bey Låtwyl und Küßnacht, durdy ihre Gerechtigkeit in den Bündniſſen und ihre Mäßigung im Frieden , una tadelhaftes Angedenken auf dieNachwelt gebracht haben,

Geſchichte der Schweig.

317

Es war in dem Winter dieſes ruimvollen Jahrs , Bern in

daß die Geſandten der Männer von Uri , Sdwyk und den ewiger Unterwalden, welche zu kaupen den Bernern Beyftand

geleiſtet in Rettung ihres gemeinen Weſens von den großen Baronen, und ihre Eidgenoſſen die Züricher und Lucerner, mit Geſandten der Stadt Bern zu Lucern eine

Lagſakung hielten, und (um zu verhindern, daß Bern ferner , wie vorigen Sommer , geringeren Bündniſſes wegen , wider fie, ob wohl ungern, gu Feld liegen måſte )

deu Bernern ihren ewigen Bund gaben 107). „ Es wers ,,den die dren Waldftåtte, Uri, Schwyk und Unterwalı „ den , wo, wann und wie ſie es begehren mögen, und bedür . fen, durch die Berner verfochten ; gleicher Weiſe von der „Waldſtetten Bern , die Bürger dieſer Stadt , und alles „ was an Leben , Pfand und Eigenthum Berniſd ift. ,,Eb ziehen die aus den Waldſtetten über den Berg Brů . 1

nig und in das Thal nad Unterſeen ohne Entgeld : „ iſt es nicht genug , daß ihre Mannſchaft ſich zeige, ſo „rúten fie vor , und wird jedem durch die Berner ein

,,Groſchen Tournoid bezahlt. Allgemeine Kriege werdert , aufgemeineKoſten geführt ; im Aargau wird nichts bes

„jahlt, es mag dabin gemabnt haben wer will 108) nichts wird bezahlt, wenn ein Theil den Krieg im Oberland „ fübrt, und es zieht der andere Theil unten im Land auf beffen Feind 109). Wir von Bern verſprechen , den Zů.

,,tidhern und Lucernern , auf die Mahnung unſerer geu ,,meinſdaftlichen Eidgenoſſen , Hülfe zu leiſten , Wix

Bund. 1353

318

II. Budy. Viertes Kapitel.

„ von Zürich und von Lucern verſchreiben und geloben mit

, guter Treu und gelehrten Eiden , ſollte Bern anges vigriffen werden, und Mahnung an die Waldſtette erges when laſſen , ſo wollen wir , wenn uns dieſe mahnen , ,,denen von Bern , als unſern beſondern guten alten

Freunden , zu Troſt und Hülfe , unverzüglich in eiges inen Koſten zuziehen ; gleicher Geſtalt werden die Ber. iner uns auch thun. Iſt ein Span zwiſchen den Walde

oſtetten und Bern , ſo taget 110) man im Kienholz 1 ). „ Wenn der Klåger von Bern iſt, ſo wählt er in ,,des beklagten Waldſtatt einen Obmann von ſechszeben ; dieſe werden ihmernannt von dem Landammann ; wenn ,,kein Landammann iſt, ſo werden die ſech Szeben ifm

,,von der Gemeine vorgeſchlagen. So ſetzt hierauf jes vode Parter zwey Schiedrichter ; dieſe fünf richten auf gelebrten Eid nach Minne und Recht. Sit der Klås ger aus den Waldſtetten , ſo erwählt er einen Raths, wherrn der Sadt Bern zum Obmann . Dieſer Band

wift , mit Vorbehalt älterer Bünde , geſchloſſen , für ,, alle unſere Nachkonimen , auf ewig. " Streit über Der Herzog , nachdem er Johanna von Pfirt, feine den Sina Gemahlin beſtattet, und um ſie getrauert 112) , begehrte des Fries an die Bürger von Zug und an die fandleute von Glaris , dens .

bey der neuen Huldigung den Schweizerbund abzuſchwd. biedurch würden die alten Freyheiten , welche er deſto mehr baßte, ohne Hülfe ſeiner Willkür unterwors

ren ,

fen worden ſeyn . Die Völkerſchaften derſelben Zeit ,

Geſchichte der Schweiz .

319

als ihre Erhaltung noch von eigenen Waffen abhieng , machten unter fich Bündniffe , wenn ſie von dem Lan,

desherrn ſchlecht beſchirmt oder unterdrůdt wurden : dies je Sitte hatte das Gotteshaus zu Sekingen den Mån. nern , welche ſich in Glarisland angebaut, nie verboten ; Zug hatte der Herzog verlaſſen. Denn obwohl reich an Leben und Erblanden , war er nicht ſo ſtark als der Herr

eines ungetrennten Staates ; die Lage ſeiner Herrſchafo ten brachte es nicht mit , es fehlte ein ſtebendes Heer. Die Eidgenoſſen ließen den Zugern und Glarnern ſagen , nder ewige Bund fey in dem Friedensvertrag nicht ans ngetaſtet worden .“ Alſo antworteten ſie dem Herzog , fie wollen ihm , nach den Rechten wie es der

„ Friede ſagt, Geborſam ſchwören.“ Der Herzog bers warf dieſen Eid. Um Pfingſten zog er mit ſiebenhün dert Pferden zu dem Kaiſer nach Weitra ; bey dieſer Uns terrebung 113) und am Reichstage zu Worms klagte er bey den Fürſten über Zürich und alle Eidgenoffen , durch welche fein Volk ermuntert werde , ſeine Regierung zu berwirren. Die Teutſchen , eine Nation , welche nie als durch fich felbft bezwungen worden113b) , und welche in Spanien , Frankreich, England und Stalien , den Låndern, die ſie erobert, lang frey gelebt, hatte im Va.

terlande das Foch des Fränkiſchen Stamms ertragen ; unter und neben den Königen berwalteten einige Große die Macht, welche anderwärts die Gemeine aller freyen

Månner mehr theilte ; aus dieſer Niedrigkeit erhog

1353

320

II. Buch . Viertes Kapitel

ben einige Kaiſer aus Furcht vor den Großen die Búra ger ; ſie wurden aber des Kaiſerthums beraubt von den

geiſtlichen und weltlichen Fürften ; damals war um Vorzug und Gleichheit ein innerer Kampf zwiſden Städten und Herren , durd welden bey Ausländern das Anſehen des Reichs berdunkelt wurde. Der Hers zog fand Gehör , Tbeilnehmung und Benſtandezuſagen ; die Sdweizer , Zuger und Glarner hatten ihre Rechte nur von der Natur 114 ).

Als der Kaiſer in den obern fanden umherzogtr4b), fandten ihm die Schweizer nach Zürid 115) ihre Botſchaft mit allen Urkunden des ewigen Bundes . Aus der Uns terſuchung derſelben erbellete , wie nothwendig und uns ſchuldig diefe Eidgenoſſenſchaft war ; des Herzogs rechtmäßige Gewalt wurde durch dieſelbe nicht vers febrt : hievon , rieth ihnen der Kaiſer , nad Deftreich

wiederholte ſchriftliche Verſicherung zu ſenden 116). Dieſes thaten die Soweizer , der Herzog antwortes te nidt. In der Zbat konnte ihr Streit nicht mit Wors

ten geboben werden ; es war nicht ſowohl um geringe Hofredyte zu thun , als um die Schranken der fürſtlia chen Macht , worüber auch ein weiſer Fürſt und ein gutes Volt nach Erziebung , Rang und Lebensart Bets (dbieden denken ; es wird entſchieden , gemåß dem Ges brauch , den der Klågſte und Herzhafteſte von den Umi

ftånden macht.

Albrecht wollte den Schweigerbuns

321

Geſchichte der Schweiz.

entfråften , um dieſe Gegend nad und nad zu unters werfen .

Zuerſt legte er auf ſein Bolt eine noch hårtere Steuer Deſtreld

als wohl je zuvor ; und nahm gehen Procente von waffnet. dem Ertrag aller Weinberge 117) ; deſto höher waren

damals eingele Auflagen , weil ſie nach derſelben Zeit Einfalt in allerley Betrieb , nicht mannigfaltig ſeya konnten . Hierauf mahnte er alle reichen und vortreflichen Mitter und Herren der inpern Erblande 118 ), und ließ ein

Gebot ausgeben , daß alle Mannſchaft in den vorbert Landen auf das dreyzehnbundert (vier und funfzigſtë Fahr kriegørůſtig ſey . Er mahate und warb ſo drinta gend und machtig im ganzen Reich der Deutſchen , daß dafür gehalten wurde , ſeine übricht fen" wenigeć die Einnahme der Schweizeriſchen Übåler, als die Darſtellung des vollen Glanzed der Deſtreichiſchen Macht vor den Augen des Reichs 119).

N18 der Kaiſer um das Oſterfeſt zum zweyten Mal Anfang nach Zürich kam , bet er , ſeiner Würde gemäß , beyi des Reichs's

den Partenen ſeinen Richterſpruch an . Von dem Hefe kriegs. 1354 30g , welcher nichts verlieren konnte (da ihm nietpatid ‫ܗ‬ etwas zu nehmen ſuchte ), wurde derſelbe ohne ܳPorbes

balt angenommen ; von den Eidgenofien wurden ihre ewigen und beiligen Bünde audbedungen. Se mebr die. ſer Vorbehalt gemißbilliget wurde , deſto aufinerkjamet

hielten ſie darob. Hierüber wurde der Kaiſer Durch Ungea duld hingeriſſen zu erklären 2, vihr Bund ſey ungültig i Hi Nüller's Werke. XX ;

21

222

II. Budy. Viertes Kapitel.

,, Reichsglieder dürfen ſich ohne das Reichskaupt nicht ,,mit einander verbinden ; fie ſollen fich inner zwey Las ogen entſchließen , ob fie in allem dem angebotenen „Spruch gehorchen wollen.“ Da giengen die Gewalto H

boten der Schweizer zu Rath , welches Uebel das gros Bere rey : der Zorn des Kaiſers oder die Auflöſung des Bundes. Nachdem fie mit Ernſt alles erwogen ; da

der kaiſerliche Hof, alle Diener und Råthe des Hers 3098 von Deſtreich und alle Bürger und Landleute , welche aus den Thålern und Orten der Schweiz an.

weſend waren , mit åußerſter Aufmerkſamkeit ihren Ents

ſchluß abwarteten ; ſchickten ſie den Bürgermeiſter zur /

beſtimmten Zeit im Namen ihrer ganzen Eidgenoſſenſchaft von Städten und Låndern an des Kaiſers Majeſtát, mit folgenden Worten : ,, fie ſeyn einfåltige Leute und ,,verſtehen ſich nicht auf die Rechte ; was aber beidwos , ren ſey , das wollen fie balten 120 ) . " Sofort ergiengen Mahnungsboten in alle Fürſtenthümer der Bundesfreuns de oon Deſtreich , in die Erblande Karlb des Vierten, die Pfalz am Rhein, die Mark Brandenburg und an alle Herren und Städte zu Frankenland und Schwaben ,

Deutſchland bewegte ſide ; nach und nach. Jadeß thaten die Schweizer dem Herzog den Un trag eines Auskaufs der Hofrechte und Gewalt , welche er in ifrem fand batte ; ſie wollten dem Kaiſer die Sdås Bung derſelben anvertrauen. Der Kaiſer ſelbſt wollte

fie an das Reid kaufen , um , ohne Zweifel (wie er

Geſchichte der Schweiz.

pflegte), fie in kurzem vortheilhaft an die Eidgenoſſen zu veråußern. Der Herzog , in der Hoffnung , dieſe

tapferenMänner,den Gotthardpaß und dieſe ganze wicha tige Grånze 121) jú unterwerfen , wollte die Vorſchläge nicht hören. ) Äusgebenden Brachmonāts tekamen die Schweizer aus der Stadt Regensburg eine Kriegsåna

kündigung 122) des Kaiſers , um daß das Recht , wele ched er ihnen ſprechen wollte und welches der Herzog angenommen , von ihnen verſchmåbet worden ſey ." Nad

wenigen Tagen gieng die Macht von Deftreich über dent Fluß Glatt , Grånze der Grafſchaft Kiburg.

Graf Jobann von Habsburg zu Rapperſchwnl, wohl Rapperſchs wyl andeſta begåtert, aber immer geldbedürftig 123), hérrichte unan, reid .

ſebalich ben den traurigen Hütten über den Schutthaus fen der Städte und Soldifer , welche der Bürgermeis fter ihm gebrochent; er erklärte , daß er bey dieſem Krieg

ftiaſitzen wolle. Dieſes that er nicht ohne Wiſſen und Willen des Herzogs von Deſtreich, welcher beimlid fo viel, mit ihm handelte, daß der Graf (hulflos in dem frůbett Ruin feines Glåds) ihm die Herrſchaft Rapperſwil verkaufte, und mit ſeinen Brüdern , Gottfried und Rui i dolf , das väterliche Erb theilte 124 ). Ben ber Dåmi

merung ; Abends am zweyten Äuguſimonát, brachett aus dem Pager an der Glatt Deftreichiſche Schaaren auf; fie zogen Zürid) vorbey das fand hinauf die gani že Nacht ; frůb Morgens geſchah durch den Grafett

bie Uebergabe von Rapperſchwil.

Da ichwur alles

324

II. Buch . Wiertes Kapitel.

>

Bolt an Deftreid . Eilends und mit baarem Aufwan .

be wurden die Mauern , die Burg , die Stadt ( wie fie von der Burg in breiten Gaſſen ſich nach dem See ers ftreďt) ſchön und feſt hergeſtellt. Hiedurch wurde die Wadfahrt in die Einſidlen , der Weg des Handels uno alle Berbindung der Glarner , Züricher und Schwy,

zer dem Willen des Herzogs unterworfen ; als Graf zu Kfburg und Rapperſchwyl umgab er Zürich. Alſo indeß Albrecht die Stadt von der Glatt ber bee

drobete , zogen rechstauſend Mann aus Rapperſchwyt wider die Verſchanzung bey Obermeila , ſchlugen die Beſaßung ſo , daß von dreyhunbert kaum der ſechste Mann übrig blieb , und brachten die Schanze in ihre Gewalt. Sie verwüſteten von Grund aus die Obſtgarten

und vortreflichen Weinberge 125) , und verheerten mit Feuer und Schwert alle benachbarten Ufer. Reichss

In der dritten Woche nach dieſen Geſchichten erſchien

krieg. der Kaiſer mit großem Volk von Böheim , Rudolf Kurs fürft von der Pfalz , faſt ungern Kurfürſt Ludwig von

Brandenburg , Johann der Senn von Münſigen Bis fchof zu Baſel , Johann von Windegť 126 ) Biſchof zu Coſtanz, Ulrich von Metſch Biſchof zu Cur, die Bis faydfe von Bamberg , von Würzburg und von Freya fingen , der Deftreichiſche Feldherr Graf Eberhard son Wirtemberg , der gefangen geweſene Johann und ſeine Brüder von Habsburg , viele Grafen 126b) und Herren , die Ausſchüſſe drey and zwanzig benadobarter Ståde

Geſchichte der Schweiz.

325

te 127). Dieſe alle zogen åber die Glatt, fließen zu deni Herzog, und lagerten vor Zürich in derGegend Hirslanden , an demKåferbergundauf der Spannweide 127.b ), mit groa

Bem Getümmel, des Landes Verheerung und ganzlicher Berachtung des Feindes : denn viertauſend Eidgenoſſen wurden von eben ſo viel berittenen Helmen und von mehr als vierzigtauſend andern Reitern und Fußkhechten 128) bes lagert. Aus der Stadt geſchaben viele Ausfälle, weil ſie

nichts mebr fårchteten als Erſchlaffang eigener Wachſama keit, und weil viele die Gelegenheit ſuchten, ihre Betaanta fchafteabey dem Feind.von des Kriegs Urſprung zu untera richten. Durch dieſe Unterredungen wurden die Gemüther der Deutſchen mit nachdenklichen Betrachtungen erfült: Sie waren als in einen Reichsgeſchäfte wider una

getreue Aufruhr zu Feld gemahnt worden : aber eine ' langwierige und koſtbare Belagerung ſollte nicht nur dieſe blůbende. Stadt einem Fürften unterwerfen , fona dern feſtſetzen , daß die Stände des Reichs das Recht nicht haben fich zu verbinden. Die Städte Batten teia anderes Mittel wider die Uebermacht benachbarter

Großen , Deutſchland behauptet ſeine Verfaffung nur

durd Bündniffe 128b ). Vornehme Bürger pop Zürich zerſtreuten ſich unter manderley Borwaad in das las

ger , und erzählten . „ On wie geringem Anfang , wdurch wie ſdnellen Fortgang, die Grafen von Habso „ burg mit furchtbarer Kütubeit in unaufhörlichen Una uternehmungen zu ſo großer Macht gekommen.y rent

II. Bud . Viertes Stapltel.

$ 20

„ nirgend und niemand beſſer bekannt , als in dieſem

„ land, ihnen ; dieſe Grafen haben in mehr nicht als neune .zig Jahren (vor nicht längerer Zeit habe des Herzogs Großvater von Zürich Sold genommen ). Kiburg , Bas

den , lenzburg , die Landgrafſchaft Burgund , Lucern , .

„Freyburg , Aarburg , Pfirt und Rapperſchwyl , Bes ,,ronmånſter , Einſidlen , Cekingen, mit Glaris , viel „ im Elſaß , vieles in Sdwaben , Burgau , Deſtreich , ordie Steyer undWindiſche Mark, Krain und Kårnthen .und allenthalben weit größere Gewalt als ihre Vors

,,Weſez erworben und behauptet ; wie viele bedrobet ,

o,wie viele angegriffen ! ſogar die Alpenhirten ! Warum „ die Fürſten fie dem Herzog, der unerſåttlichen Herrſchs .gier von Habsburg , aufopfern wollen , warum die „ Stådte ?“, und auf einem hohen Thurm erſchien des

Heiligen Römiſchen Reichs, ſchwarzer Adler in golde nem Felde , das Reiche banner , welches Zürich, zum Zeichen von Treu und Reichsfreybeit, an dieſem Ort fliegen ließ. In demſelben Augenblid erſchienen die

Geſandten, der: Eidgenoſſen , viele Herren und Vorſtes Þer der. Stådte , mit großer Bewegung an dem Geo zelt KaiſerKarls , und begehrten Friede für die Schweiz. Auf der andern . Seite widerſtand aus allen Kråfo ten der alte Herzog von Deſtreich . Der Kaiſer that

endlich dieſe Erklårung , „ Er halte für unſchidlid , daß ein Kaiſer wider den Willen der meiſten Stans de des Reichs Bólker des Reichs mit Krieg überziehe ;

Geſchichte der Schwels.

323

bida. die Leutſchen den Schweizeriſchen Vorbehalt, ewis „ ger Bünde zu billigen, ſcheinen , fo rey ihm nichts übrig ,

als das Urtheil zu ſprechen .“. Den folgenden Tag ,

brach das ganze Reichsbeer, zu dem Abmarſch auf 129) ; ſo eilfertig und unordentlich , daß niemand weiß , wer die erſten, wer die letzten geweſen. Die gewöhnliche Uns bebülflichkeit und Unordnung wurde durch Rangſtreit

vermehrt ; niemand wußte , ob dem Herzog , des Kriegs Urfächer ,, oder ben Böhmen , dem eigenen Volt des Kaiſers , oder nach der alten Sitte St. Georgenſdildo, Banner in den Händen des Biſchoff von Coſtanz, der Vorſtreit gebühre. Dieſer Krieg (es iſt nur faſt unges reimt, eine ſolche Reiſe 130),Krieg zu,nennen) wurde wie die meiſten åbnlichen Unternehmungen des geſammten Reichs mit erſtaunlichem Glanz und Gepränge untere, nommen , kraftlos geführt und hörte von ſelbſt auf. In dem folgenden Jahr, ftreiften die Deſtreicher und Das Land . will nicht Schweizer, mit wechſelweiſem Glúď , mit beiderſeitiger mehr krien Abmattung und Erſchöpfung, nadh der Art folcher Kriegss gen . manier, Graf Eberhard von Riburg Offrete den Eids 1355 4

genoſſen die Märkteſeiner Herrſdaft 131). Als Ulbrecht ſah, daß das Land muthloß wurde, warb er funfzehn hundert leichte Reiter bey fudwig dem Großen , Kós nig von Ungarn 131 b) . Dieſe Miliz , welche im höchſten Alterthum in den aſiatiſchen Gefilden entſprungen 132) ift in Europa , auf beiden Seiten des Berges Krapat bortreflich 133) , als die unverſehens zugleich aller Orten , .

928

II. Buch. Wiertes Stapitel.

1

freitet, in die Flucht fliegt , und im Fließen ſiegt, uns aufhaltbar durch Strome , unbezwingbar burde Mans gel , unüberwindlid wo ſie nicht Stand, balten muß . Der Landvogt Albrecht von Buchheim vertheilte ſie um

* Zürich im Kreiſe, auf Rapperſchwyl, Bremgarten , Baden , Regensberg und Wintertur . Sie nach ihrer

Art wolte plündern ; aber Züridy,batte ſtarke Mauern, die Schweizer wobnten im Geburg. Alſo wurden von ben, Ungarn etwa felbft Deſtreichiſche Dörfer geplündert ; fje ſchlagen die Bauern , brand{chakten die Herren , ern. teten , berbſteten , raubten Bieb von den Weiden ., und

Mebl von der Mühle , und, vollendeten des Landes Elend,133b ) ! Ganz Thurgau und Aargau, die Unedlen und, Edlen !, die Reichen und. Armen , mit vereinigtem Gear måth , eilten , mit oder ohne den Herzog ihren Herrn ,, Friede zu machen , ebe ſie alle vertilget wurden . Dess

wegen mußte der Herzog fich entſchließen , zu Regend, burg vor dem Kaiſer zu genehmigen , daß die ewigen, Bünde in Richterſpruch vorbehalten würden . Berſuch ,

Hierauf ( andte Karl der Vierte eine Vorſchrift an ,

die Schweiz zer zu tren: nen ,

die Schweizer , wie ſie ſich zu erklären haben , um den , Herzog , zu . berubigen . Sie wurde von Rathen aus.

Deſtreich nicht auf eine. Lagſagung der Eidgenoſſen ſondern in jedes der Orte gebracht. Rudolf Brun berief einige Rathsherren und unterſchrieb, im Namen feiner Stadt. Von ihm zogen die Geſandten , vera

gaügt, nach Zug und Lucern. Die Zuger beobada

Geſchichte der Schweig

429

teten ihre Geberden und Worte, welde vor Schweizern

febr zu verſtellen , die Deftreichiſchen Råthe für unnüge Anſtrengung ihrer Staatsflugheit hielten. Darüber tamen die Zuger auf ftarke Vermuthung, ein bintera liſtiges Wort in dem kaiſerlichen Spruch möchte den emigen Bund in Gefahr gebrast haben . Deſſeu (and, ten fie Warnung an den fandammann von Schwyk .. Alſobald. ſchrieben die von Schwyt nach Lucerü , Uri

und Unterwalden , auf daß der Spruch nirgendwo „ unterſchrieben und eilends an allen Orten Geſandte

pernannt werden , auf eine Tagſakung der ganzen , meEidgenoſſenſdiaft in der Stadt Zürich .“ . Nachdem die Boten ſich daſelbft verſammelt, begehrten die von Schwyk , dag geleſen würde, was Zürich unterſchries. ben hatte. , land , Leute, Städte, Schloſſer und ,,Gerichte , unſere oder der unſrigen " (Herzog Albrecht, rebet in dieſem Brief 134) ) , deren ſie ober ihre Eide

negenoſſen ſich dieſes Krieges wegen unterzogen haben, medie laſſen fie. lebig und los" (die Herzoglichen dena teten dieſe Worte auf die Vernichtung des Bundes , per Zager und Glarner ); „ Wenn Eidgenoſſen ſich deffen ,,weigern , gegen ſolche Eidgenoſſen verbinden ſich die

Zürider uns zum Beyſtand. Ader Streit um die Rechte des Hauſes Deſtreid in feinen Städten und in vleinen Waldfetter wird entſchieden. zu . Uzrade Joder Unterſeen von einem Verhörer , welcher kein Eids

ngenoſſe fey : der Berhörer wird gewählt von dresy

S3

II. Buch. Viertes Kapitel.

„ Deſtreichern und von eben ſo vielen Zürichern ober.

„durch dasiloos von dieſen oder jenen. Wir , Herzog „,Albrecht , verbeißen bey unſerer Ebre , den Zürichern

,,beyzuſtehen , wenn fie jemand um dieſe Sachen ben „ kümmern wollte. Die Bünde , die Frenheiten und. „ Rechte find:vorbehalten ; doch ſoll kein. Bund mit wibren Eidgenoſſen die Züricher an Erfüllung dieſer ,,Urtikel verhindern. Alle Ungehorſamen fallen in der

,,kaiſerlichen Majeftåt Ungnade.“ . Da ftanden alle Eidgenoſſen auf, in größter Ungeduld und Beſtürzung, ernſtlichſt betheuernd. „ Wenn der Kaiſer in jenen ,, dunkeln Worten auf ihre Bünde zu Zug und Glaris,

,,beute, ſo habe er ſie betrogen . Sie wollen das durch , „ aus nicht annehmen . Was das beiße, in feinen , „ Waldſtetten ? ob je ein Kaiſer, fie erobert? ob ſie. ,, Knechte ſeyn ? ob nicht, ihre Voråltern in voller. ,, Freyheit als freye Männer aus freyem. Willen den ,,Schirm des Reichs angenommen ? Sind wir des Hers, 30g8 Waldſtette ? Er hat Güter bey uns

die wir

2

wihm lafen! ; aber wir ſind frey, wir erkennen kein , ,,Geſetz als unſer, eigenes , das für jedermann , får ,,Knechte und Frene , gleich iſt. Wir trauen freunde

,,lich unſern Eidgenoſſen , denen von Zürich : aber weiß

wwegen werden wir Eidgenoſſen einander nicht gleich gee oſchåbt ? Warum ſoll über unſer. Eigenthum in punſern Thålern ein Richter urtheilen , den die Zůs

e richer ohne uns mit Deſtreich über unſere Sachen

Geſchichte der Schweiz.

331

,,verordnen wollen ? Iſt nicht unſere Eidgenoſſenſchaft, wunſer aller Wohl und Ehre , oor nicht mehr als ,,bier Sabren in dem ewigen Bund allen fünftigen ,,und ausländiſchen Verpflichtungen vorgezogen wors

den ? Wie könnte der Bund ſonſt ewig reyn !“ Sie ſpraden ſo voll Zorn , vol Wehmuth. Hierauf gab der Bürgermeiſter zur Antwort : „ Un dieſem Verſes ,, ben ſey er ganz unſchuldig ; wie die Deftreichiſchen ,, Geſandten gekommen , haben fie fehr geeilt, weil ſie

„ in vielen, andern großen und wichtigen Geſchäften

„ begriffen geweſen ; da habe er dieſe. Herren nicht wollen aufhalten ܽ,‫ ܕ‬darum habe er ohne allen Args „wohn , wie er pflege, ſo treulich unterſchrieben ; ,,man (müſſe das beſte. Boffen ; man fjol ſuchen um „des lieben Friedend willen etwa einen gåtlichen Weg mausfindig , zu machen ; man könnte an den Kaiſer „ ſchiden und ihm freundlich vortragen und erläutern , Was für eine Bewandtniß die Sachen haben ; die

,,Stadt, könne freylich nicht wohl das geſchriebene mungeſchrieben, machen , daß ſoul, aber der Freunde, ſchaft nicht ſchaden , man wolle freundeidgenöfliſch muſammenhalten ." Endlichtamen die Eidgenoſſen übers ein, ſogleich einen fåufer an denKaiſer zu (diden,und eine

Erläuterung vonihm zu begehren. Der Kaiſer warim Lans de Måfrea ; er verſprach die Briefe zu ſuchen . Die Eidges noſſen warteten, ungeduldig auf ſeine Antwort bis in das folgende Jahr in dem Heumonat 135 ).

.

H. Buch. Biertes Kapitel.

350

2956

Unmuthsvol wartetea fie ; feſt entſchloffen obzus fiegen in Güte oder durch Waffen ; und indeß macha ten die von Zürid mit Albrechten von Buchbeim eis

nen neuen Deſterreichiſchen Bund 136) , für wechſelweis jen Beyſtand, in weit größerm Kreis ,als der im ewia gen Bund beſtimmte : nämlich bis an die Rhone , das Gebirg Jura , die Grafſchaft Hoch burgund , bis in den Wasgau nad in das Kinzinger Zhal, nach Rothwyl, an den Arlenberg und an den Septmer in

Curwalden. Dem kandvogt von Deftreich überlies Ben ſie zu entfeheiden , wenn der Fall (duldiger Hülfa bortomume. Zwar machten ſie einen Porbehalt ihrer Eidgenoffen ; aber nachdem ſie vor fünf Jahren den. ewigen Bund allen künftigen Berpflichtungen vorzus. zieben geſchworen , batten ſie vor einem Jahr untera ſchrieben , daß dieſelbe Verpflichtung an den Herzog. dem ewigen Bund vorgebe.

Wo in einer Eidgenoffenſchaft vieler Städte und Pånder die Gedanken der einen auf die Waffen , andes

ser auf den Landbau und anderer. auf Kaufmannſchaft gerichtet ſind , folgt bey widerftreitenden Privatvortheis len gemeiniglich jeder feinem Nußen , wie damals die. Züricher beſonders wegen des Handels. Bündniffe gen foloffen haben mögen , wie dieſed. Billig båtte in der Schweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft tein Ort ohne die, meiſten Stimmen der Tagſakung einen Bund machen dürfen. Handelsgewinn iſt weit uater dem Nuken alle

!

Geſchichte der Schwelf.

333

gemeiner Vorſorge für die Aufrechthaltung des Buns des : die Könige bedürfen Gelb , um ihre Soldaten zu bezahlen ; die Schweizer ftreiten für ihr Vaterland ,

und bedürfen allein die Nahrung. Die Abſchaffung oder die Gemeinmachung aller Privatbündniſſe würde vielen ſchwer fallen ; wenn aber die Eidgenoſſenſchaft in ausländiſchen Geſchäften mit Würde und Nachdrud handeln wil , ſo iſt aoch viel wichtiger nun , als in

Zeiten Nudolf Bruns , daß alle Orte fich vereinigen , in allen Sachen eine einige Nation zu ſeyn 137). Ein Staat wie ein Privatmann , wenn er unabhängig feyn will , muß dieſem edlen Gedanken manches bea

fchwerliche Spfer geliebter Neigungen und Privatvors

>

theile bringen ; wer dieſes nicht will oder nicht kann , kommt um die Freyheit , weil er ſie nicht verdient , oder zu ſchwad dazu iſt 137 b ).

Endlich that Kaiſer Karl der Vierte folgende klärung: Die Schweizer ſolen Zug und Glaris malo bundverwandte Orte betrachten , oder ſeine ..gnade und ſeinen Krieg zu erwarten haben .“

Err durch nie Schwunn perettelt. Un Da

bielten die Eidgenoſſen eine Tagſaßung in der Stadt Lucern. In dieſer großen und allgemeinen Angelegens heit blieb Zürich neutral. Sdwyk aber ſprachy, matt fou den Spruch verwerfen; die Folgen überlaſſen ſie ,,Gott und ifrem rechten Arm . " Lucern , Uri und Uns terwalden milderten Schwyk . Deſſen kamen ſie überu ein , „ daß der Spruch nicht möge angenommen wera

330

I956

H. Buch . Wiertes Sapitel.

Unmuthsvoll warteten fie ; feft entſchloffen obzus

fiegen in Güte oder durch Waffen ; und indeß macha ten die von Zürich mit Albrechten von Buchheim eia nen neuen Deſterreichiſchen Bund 136 ), für wechſelweia jen Beyftand , in weit großerm Kreis als der im ew in

gen Bund beſtimmte : nämlich bis an die Roone ,

das Gebirg Jura , die Grafſchaft Hochburgund , bis in den Wasgau und in das Kinzinger Zbal, nach Rothwyl , an den Artenberg und an den Septmer in

Curwalden . Dem kandvogt von Deftreid überlies Ben ſie zu entſcheiden , wenn der Fall (duldiger Hülfa borkomme. Zwar machten fie einen Vorbehalt ihrer

Eidgenoſſen ; aber nachdem ſie vor fünf Jahren den. ewigen Bund allen künftigen Berpflichtungen vorzu . ziehen geſchworen , batten fie vor einem Jahr unters

ſdrieben , daß dieſelbe Verpflichtung an den Herzog . dem ewigen Bund vorgebe. Wo in einer Eidgenoſſenſchaft vieler Städte und Rånder die Gebanken ber einen auf die Waffen , andes

rer auf den Landbau und anderer. auf Kaufmannſchaft gerichtet ſind , folgt bey widerftreitenden Privatvortheis len gemeiniglich jeder ſeinem Nußen , wie damals die Züricher beſonders wegen des Handels. Bündniffe gea fchloffen haben mögen , wie dieſes Billig båtte in der Schweizeriſchen Eidgenoffenſchaft kein Drt ogae. die. meiſten Stimmen der Laglazung einen Bund machen. dürfen . Handelsgewinn ift weit unter dem Nugen alla

1

Geſchichte der Sdwels.

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gemeiner Vorſorge für die Aufrechthaltung des Buns des : die Könige bedürfen Gelb , um ihre Soldaten zu bezahlen ; die Schweizer ftreiten für ihr Vaterland , und bedürfen allein die Nahrung. Die Abſchaffung oder die Gemeinmachung aller Privatbåndnifſe würde vielen ſchwer' fallen ; wenn aber die Eidgenoſſenſchaft in ausländiſchen Geſchäften mit Würde und Nachbrud handeln will, ſo iſt noch viel wichtiger nun , alb in Zeiten Rudolf Bruns , daß alle Orte ſich vereinigen , in allen Sachen eine einige Nation zu ſeyn 137). Ein Staat wie ein Privatmann , wenn er unabhängig feyn will , muß dieſem edlen Gedanken manches bea fchwerliche Spfer geliebtér Neigungen und Privatvors theile bringen ; wer dieſes nicht will oder nicht tann ,. kommt um die Freybeit , weil er ſie nicht verdient , oder zu dwad dazu ift 137 b ).

Endlich that Kaiſer Karl der Vierte folgende Err durch klärung : „ Die Schweizer ſollen Zug und Glaris nie Schwnn pereitelt . als bundverwandte Orte betrachten , oder feine Un . ..gaade und ſeinen Krieg zu erwarten Baben.“ Da hielten die Eidgenoſſen eine Tagjatung in der Stadt Lucern. In dieſer großen und allgemeinen Angelegens beit blieb Zürich neutral. Schwyz aber ſprach, „ mat „ſoll den Spruc serwerfen ; die Folgen überlaſſen ſie „ Gott und ifrem rechten Arm ." Lucern , Uri und Uns

terwalden milderten Schwyz. Deſſen kamen ſie übers ein , „ daß der Spruch nicht möge angenommen wera

$ 34

11. Buch. Viertes Kapitel.

,,den , bis nach Weglaffung des Ausdrud's in ſeinen

„Waldſtetten und Bekräftigung des Bundes deren „ von Glaris und von Zug.“ Als Albrecht von Buch . beim , der benachbarten Gegend Deſtreichiſcher Bogt ; von den Zugern und Glarnern den Huldigungseid fors derte , gaben ſie zur Antwort : „ Wenn ' der Herzog den Bund beſtätige oder die Eidgenoſſen denſelben „aufgeben , po werden ſie wiſſen , wie ſie ſchwören „ mnaffen .“ Da bedrobete fie der Herr von Budheim , und ſie faßten Furcht. Als dieſes zu Schwok kurð wurde , marhte die Gemeine folgenden Schluß ; wnies vmand wiſſe was der Herzog thun werde , wohl aber „ wiffen ſie, daß den Zugern und Glarnern ewiger ,,Bund geſchworen ſey ; ben wollen ſie bebaupten , o,mit allen Eidgenoſſen , über allein." Hierauf ſandten ſie nach Lucern , Uri und Unterwalden , und mähnten fie; dieſe Orte dienen langſamer., Vorſicht vor und Geſchwindigkeit nach dem Entſchluß iſt währe Klugheit. Alſo eilten die von Schwyk , madoten ſich auf unter dem Landbanner ihrer Våter , zogen in

Glaris und nach Zug , nahmen dieſe Orte zu ihren und aller Eidgenoſſen Handen ein , empfiengen den Eid , leifteten einen Gegeneid , berſtärkten fie, und nach dieſer Zhat begaben ſie ſich in ihr fand , obné Furdt, friebe.

Wohlgemuth , nach der Art guter Kriegsmanner. Der Herr von Buchheim , als er fab , daß weber bie Liſt etwas fruchteten noch Gewalt etwas erzwangs

Gefchichte der Schweiz.

336

· war ſtil . Da wurde durd viele Ståbte und Herren ,

vornehmlich durch Peter Freyherrn von Thorberg , eis nen der vornehmſten Pfleger des vordern Erblandes , Waffenftiuftand vermittelt. Herzog Albrecht unterlag mehr und mehr ſeiner Gicht. Als Geſandte von Zürich mit Herrn Albrecht von Buchheim

nad Wien 305

gen 138) , verbot Rudolf , des Herzogs ålteſter Sohn , daß vor ſeinem Vater des Zuſtandes der Schweizeris Ichen Geſchäfte gedacht würde ; Unmuth , Schmerz und Ungeduld machten ſeit leben mehr und mehr ,

andern und ihm , zur Laft. Von des Kaiſers Geſande ten an dem Deſtreichiſchen Hof börten ſie , der Kaiſer babe dem Herzog nicht abſchlagen wollen , jenen eis ,,nen ernſten Brief zu ſchreiben . " In dem ſiebenzigſten 1358

Gabr ſeines Alters , nach Ermordung ſeines Vaters in dem funfzigſten Sabr , ftarb Herzog Albrecht; for fort wurden ſeine Råthe bon der Berwaltung ents fernt 139 ).

Rudolf Brun möchte bedauernswürdig ſcheinen , Die leßtext daß , nachdem er ſeiner, um die Zerſtörung von Raps Zeiten R. Bruns.

perfdwyl verbaßten , verlaffenen und bedrobeten Stadt

von den Schweizeriſchen Eidgendſten einen Bund ewia ger Vertheidigung erworben , er jene åbelaufgenoma mene Unterſchrift und jenen unzeitigen Bund mit Defte reid nod erlebt.

Aber er ſelbſt bat beimlich den

Herzogen gefchworen , „ ihnen und ihren Umtleuten „ lebenslänglid) zu dienen ; mit Worten und Werken

II. Buch. Piertes Kapitel.

$34

„ ,den , bis nach Weglaſſung des Ausdruds in ſeinen „Waldſtetten und Bekräftigung des Bundes deren .

,,von Glaris und von Zug." A18 Albredt von Buch . beim , der benadybarten Gegend Deſtreichiſcher Vogt , von den Zugern und Glarnern den Huldigungseid for.

derte , gaben ſie zur Antwort : „ Wenn ' der Herzog den Bund beſtåtige oder die Eidgenoſſen denſelben , aufgeben , ſo werden ſie wiffen , wie ſie ſchwören ,,müffen .“ Da bedrohete fie der Herr von Budheim ,

und ſie faßten Furcht. Als dieſes zu Schwyk kuno wurde , machte die Gemeine folgenden Schluß ; „ nies ,mand wiſſe was der Herzog than werdè , wohl aber „ wiſſen ſie, daß den Zugern und Glarnern emiger „ Bund geſchworen ſey ; den wollen ſie behaupten, ,,mit allen Eidgenoſſen, oder allein." Hierauf ſandten ſie nach Lucern , Uri und Unterwalden , und mähnten fie; dieſe Orte ſchienen langſamer. Vorſicht vor

und Geſchwindigkeit nach dem Entſchluß iſt wahre Klugheit.

Alſo eilten die von Schwyz, machten ſich

auf unter dem Landbanner ihrer Våter , zogen in

Glaris und nach Zug , nahmen dieſe Orte zu ihren und aller Eidgenoſſen Handen ein , empfiengen den Eid , reifteten einen Gegeneid , berſtårkten fie , und nach dieſer Zhat begaben ſie ſich in ihr fand , ohne Furcht, Sriebe.

woblgemuth , nach der Urt guter Kriegsmanner. Der Herr von Buchheim , als er ſab , daß weder bie Liſt etwas fruchteten noch Gewalt etwas erzwangs

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Geſchichte der Schweiz.

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war ſtil. Da wurde durch viele Städte und Herren , vornehmlich durch Peter Freyherrn von Thorberg , eis nen der vornehmſten Pfleger des vordern Erblandes , Waffenſtilftand vermittelt. Herzog Albrecht unterlag

mehr und mehr ſeiner Sicht. Als Geſandte von Zürich mit Herrn Albrecht von Buchheim nach Wien 30s gen 138 ) , verbot Rudolf , des Herzogs åltefter Sohn , daß vor ſeinem Vater des Zuſtandes der Schweizeris ( chen Geſchäfte gedacht würde ; Unmuth , Schmerz und Ungeduld machten ſeint feben mehr und mehr andern und ihm , zur Laft. Bon des Kaiſers Geſands ten an dem Deſtreichiſchen Hof börten ſie, „ der Kaiſer „ babe dem Herzog nicht abſchlagen wollen , jenen eis mnen eraften Brief zu ſchreiben . " In dem ſiebenzigſten 1358 Sabr feines Alters , nach Ermordung ſeines Vaters

in dem funfzigſten Sabr , ſtarb Herzog Albrecht; for fort wurden ſeine Råthe von der Verwaltung ents fernt 139 ).

Rudolf Brun möchte bebauerndwürdig ſcheinen , Die lekteve daß , nachdem er ſeiner, um die Zerſtörung von Raps Zeiten R. Bruns. perſdwyl verhaßten , verlaſſenen und bedrobeten Stadt von den Schweizeriſchen Eidgenoſſen einen Bund ewia ger Vertheidigung erworben , er jene åbelaufgenoma mene Unterſchrift und jenen ungeitigen Bund mit Defta reich noch erlebt.

Aber er ſelbſt hat heimlich den

Herzogen geſchworen , ,, ihnen und ihren Amtleutert plebenslånglid ) zu dienen ; mit Worten und Werken

336

Wierte Kapitel .

II. Buch .

3, ihren Schaden zu wenden und ihren Vortheil zu bei mfördern ; ihnen wieder måaniglich Wahrheit und gute ,, Lreu zu leiſten ; zwar nicht wider den Kaiſer oder

1,wider Zürich noch wider die Eidgenoffen, doch mit „ Vorbehalt , ſich nicht abhalten zu laſſen , durch die i,Eidgenoſſenſchaft, von Beförderung jenes kaiſerlichen Spruchs ; dem Hauſe Deſtreich nach ſeinem beftert ,, Verftande zu rathen , und alles zu berichweigen . " Dieſes Verſprach der Bürgermeiſter um ein Leibgeding son hundert Gulben und um tauſend Gulden , die ihnt

inner zehn Jahren son der Martiniſteuer des Landes Glaris bezahlt werden ſollen , um einen Plaß im gem

Beimen Ratb von Deſtreich und um der Herzoge Schirm 140). Ungefähr ein Jahr, nachdem er von ſeiner

Denkungsart auch dieſe Urkunde aufgerichtet, ftarb er 141); ein Mann , dem die Nachwelt , wegen vieler Geſchid . lichkeit und glücklichen Führung der Geſchäfte ſeiner Stadt bey würdigern Månnern eine Stelle eingeräumt haben würde, wenn er nicht aus niederträchtiger Ehru ſucht Stadtcredit mabrem Ruhm vorgezogen båtte 142). Man weiß , wobin er die vorige Regierung , die Geſchlechter der alten Vorfteher , an welden Tod er biele ſeiner Mitbürger gebracht, wie frech er zu Raps

perſchwyl war , wie feige bey Låtwyl , und wie er die Schweizer , nachdem er ſie in gefährliche Kriege vermis delt, um Geld verrathen ; und man weiß nicht, ob er darch

bieſe ſeine Zbaten etwas mehr erworben , als derſelben

1

Gerdichte der Sdweiz.

337

innern Vorwurf und Nachruf. So unbedeutend wurde er in ſeinen legten Sabren ; daß viele ſein Todesjahr nicht finden können , und es um funfzehn Sabre weiter

binausgefekt haben 143): in demſelben Fall würde der Bürgermeiſter noch erlebt haben , wie ſeine Söhnte und nächſte Angebrige wegen abſcheulicher Verbrechen von Zürich und aus der ganzen Eidgenoſſenſchaft vertrieben wurden 144 ).

Reding in den Zeiten der Schlacht bey Morgarten ; und Erlach ben Laupen, retteten in entſcheidenden Stuni

den jeder ſein Volk. Daß die allgemeine Freyheit fichern feſten Fuß bekam , daß der Schweizeriſche Heli denmuth allen Stånden des Reichs dargeſtellt wurde ; beſonders daß auf der vier Waldſtette Bund eine Eidi genoſſenſchaft von acht Orten und auf dieſe in ſpåtern Zeiten die gegenwärtige Verfaſſung der Schweiz ges gründet worden , das geſchah durch die Unternehmuná gen Nudolf Bruns. Man findet ſo ſelten bey dent Ruhm des widtigſten Mannes in der Hiſtorie den Ruhm des beſten Mannes , und ſo oft entſtehen die

größten Dinge aus unvorhergeſehenen Urſacheu , auf daß die Nationen gewahr werden , die Wage ibres

Glücks werde nicht gehalten von ſterblicher Hand. Dieſer Gedanke bringt frömmelnde Trågheit um Freyheit und Sieg 145) , berblendet barbariſche Völker åber die Urs fachen ihres Verfaus 140), und begeiſtert große Måna her und verſtändige Nationen 147) , mit alles erbellens $; Müller's Werfe. XX

338

II . Buch . Fünftes Kapitel.

der Geiſtesgegenwart in ihren Ratbichlågen und mit alles überwindender Zuverſicht in Ausführung derſelben . fåaftes  a pite I. Beſchreibung der Geſchichten und Sitten der Schweizeris fchen Sirgenoſſenſchaft und der umliegenden Ferr: ſchaften und Städte in den Zeiten des Thorbergts ſchen Friedens.

( 1358 – 1385.) 1. Lage des Bundes.

Die drey Waldſtette , Schwyz, Uri und Unters walden , deren Bund aus den ålteſten Zeiten des ges meinſchaftlichen Urſprung & abftammt, oder aufgerich.

tet wurde , ebe fie ihre Gedanken ſchriftlich verzeichs nen und ibre Urkund bewabren lernten ; fie , die wahre alte Schweiz , wo das Rütli iſt , welche den Streit

bey Morgarten that , und ihren ewigen Bund allen andern Orten gab , fie nur find Eidgenoffen mit al, len ; mit Lucern , welche Stadt ſie von Unterdrůdung retteten ; mit Bern , der fir in åußerſter Gefahr frey, willige Hülfe getban ; Zürich , der fie in Verlaffenheit fich angenonmen ; Zug und Glaris , welche ſie erobert, auf daß ihre Einwohner ewig frenje Månner und ihre Freunde ſeyn möchten . Es war keine Verbindung .

der Glarner mit Lucern ; kein unmittelbarer Bundvers trag zwiſchen Berr , Zürich und Lucern , keine Bers

pflichtung der Berner mit Glaris noch Zug ; die drep Waldſtette waren (und blieben) der alles zuſammen ,

Geſchichte der Schweiz.

339

baltende E & ftein. Der allgemeine Geift war die Freye beit ; nur für deren Behauptung war die Schweizeris ſche Eidgenoſſenſchaft bis auf unſere Tage wie Eine Macht ; in jedem Ort bermochte die höchſte Gewalt ,

was iór nach der Verfaſſung zukam , jeder Bürger

und fanbmann ſo viel er durfte nach dem Herkoms men der Våter und nach den Gereken der Natur.

Die Männer bon üri , Schwyt und Unterwalden und ihre Eidgenoſſen die Lucernar geben ewigen Butt

Geriau .

einer Hirtengemeine ) an itrem gemeinſchaftlichen

See , genant Gerſau. fn ſehr alten Zeiten weideten die Gerfauer das Vieh auf des Kloſters Muri Weiden 2)

am Rigi , einem boben , doch zahmen Berg . Wenn er vom Schnee bedeckt wurde , zogen die meiſten an

den Waldſtettenſee Berab in hålzerne Kütten , weldje fie bey S. Marcellus Kirche auf dem vom Berg Ber.

abgeſpülten wenigen Erdreich aufgebaut hatten. Sie

kamen vom Hauſe Habsburg 3) pfandweiſe an die Freyberren von Ramſtein , von dieſen unter die Eds len von M008 , fandmänner zu Uri. Sie warteten

ihres Vieht und famen endlich zu bergnüglichem Auds kommen ; da machten ſie dieſen Bund 4) , um deffelben ficher zu fenti.

Wiggis , ein Ort an gleichem Ufer des Waldſteta tenfees , nur in einer mildern Gegend , war wie Gers fau , vor Alters einem Kloſter , dem Stift Pfävers ,

zugethan , aber , ( nicht ohne Gefahr , von König U16.

1

840

II. Buch . Sanftet Kapitel.

recht 5) an die Frenherren von Ramſtein , von dice fen aber den Herren von Hertenſtein zu Fueern vers pfåndet worden ; der Waldſtette Band mit Gerſau laut .

tete nicht weniger auf die von Wåggis. Allein es trug fich zu , daß dieſer Ort von den Eigenthümern

der Stadt lucern verkauft wurde ). In dieſen Zeis ten mochten freiheitliebende Månner fidh leicht von der Hand eines Herrn , aber nie aus der Gewalt ei. ner Stadt lostaufen .

Die Gerſauer , durch Wåggis gewarnt , als die nicht gern den Benachbarten dienen wollten , ſparten mit åußerſtem Fleiß den Ertrag der Heerden 7 ), laur erten auf Gelegenheit, und nad sebn Sabren , da fie mehr erworben als ihr eingezogenes einförmiges les ben forderte ; nahm jeder von dem Geld , welches die

fleißigen Våter langſam erſpart, und ſie kauften von Peter und Fohann , Edlen von M008 , und won Ug. nes , ibrer Schweſter , (deren Vater Schultheiß zu Lucern und nadmalá ben Sembad erſchlagen ward)

die boben und niedern Gerichte , Twing und Babn Grundzinſe und Zehnten 8). Da der ewige Bund ſo getreu an Gerſau als an Bern gebalten worden , ro genießen fie nun ſeit vierhundert Jahren unumſchrånkte

Frenbeit und unveränderte Demokratie '). Die Gemeine,

welde aug kaum zwanzig - Häuſern, endlich zu faſt fünfthalbhundert Mann gedieben , wablt einen Lands

ammann und neun Richter , deren jeder um große

Geſchichte der Schweiz.

$ 41

Sachen einen andern oder zwey zu fidh nimmt. Dine Erinnerung eines ehemaligen , obne Argwohn eines

künfrigen Gochs , birten ro) fie ihr Vieh , bauen das land und haben Urbeitfleiß aufkommen laffen ; ſo leo ben die Gerſauer mit natürlichem Vergnügen von

ihrer måßigen Arbeit , frey , fider , unbeneidet , für viele beneidenswürdig,

An dem entgegenliegenden Ufer des Waldſtetten Hergiswyl. fees liegt unten an dem Berg Fracmont Hergiswyl , altes Eigenthum der Herren von fittau , eines uara

gauiſden udelt. Nachdem die Einwohner nach und nad Gut geſpart, kauften fie alle Macht und Rechte

der Herren ibres Artes , und begaben fich ju Uns .

termalden in unauflösliche Geſellſchaft als eine Uers tene ) der Gegend unter dem Kernwald. Im Wintel einer kleinen Bucht lag der Freybers Hipnad .

ren von Wolhauſen eigenes Gut Alpnach. Die Alp. nacher kauften vor Gericht an der Straße vor dem

Schloß Wollbaufen von Margaretba von Straßberg, ihrer Erbfrau , um breyhundert Pfund alle Herren.

rechte an ibr Dorf 12) , und find bis auf dieſen Tag ein großer Kirchgang 3 ) freyer Landleute zu Unters walden ob dem Fernwald.

So traten viele kleine

Eidgenoffenſchaften zuſammen , um in ihrer Eintracht

Stårke zu finden , mider die Ungerechtigkeit gewalto übender Menſchen .

342 Die Walda

ſtette.

II. Buch

fünftes Kapitel.

Die vornehmſten landleute in Uri waren die les

benträger der Leute und Güter , welche von den Stifs

tern dem Kloſter Wettingen pergabet worden : im Frühling und Serbſt (4) bielten des Kloſters Vigte ihre . Gerichte. Als der Werth vormals übereinges kommener Summen durch veränderten Münzfuß vers mindert wurde 5 ) , der Preis der gewöhnlichen Mahle

zeiten ſtieg 10) , und bey den Amtleuten wegen verviel. fältigter fandesgeſchäfte viel mehr Zuſammenkünfte 17) gehalten werden mußten ; geſchab unter dem Abt Albs recht von Mengen , daß die Landleute um eine große Geldſumme 18) fich von dieſen Dienſtbarkeiten und Pflichten loskauften. Von dem an ſtehen ſie mit ganz Uri in ungetrenntem Gemeinweſen. Bom lande

Glaris zog die Aebtiſfin von Selingen alles Einkom. men ſo ridtig , daß die Bürgen , welche ſie nach Schließung des Bundes verlangt , balo losgeſprochen

wurden 19) ; alles wurde in jedem Tagwan :o) durch gute Ordnung erleichtert 21). Aber das mußte die Uebtiſfin verſprechen , je im vierten , Jahr perſönlid , 等

oder in waýrem 22) Notöfall durch Gewaltboten , in

Glaris zwölf ehrbare angeſeffene fandmånner zu ſen Ben , welche nach des Landes Herkommen und nach den Ueberlieferungen der Våter Gerichte Balten ſollen ; ſonſt gaben ihr die Glarner die Einkünfte nicht 23). Gottfried Müller'n , einem fRitter aus Zürich 24) , .

pertrauten die Herzoge 25) die Vogter dieſes Landes 36 ).

Geſchichte der Schweiz .

343

Egloff, einen Ritter vom Hauſe Ems , tad ihm Vogt zu Glaris 27) , erwarben die Eidgenoſſen durch Ger rechtigkeit ſich zum Freund. Als er zu Schwyß wer gen einer Schuldforderung des landammanns Stål.

zing angebalten , und nicht ohne Hinterlage von tau. ſend Gulden losgelaſſen wurde , gaben die Landleute dieſes Geld ihm ſogleich zurück , als gezeigt wurde , daß der fandammann wider dieſen Ausländer unges

recht geweſen 28),

Nur daß zu Uri der leßte Atting,

bauſen 20 ) mit Schild und Helm begra " en wurbe ; fonft

waren die Waldſtette zunehmenden Woblſtandes frob. Privatgemalt litten ſie nicht, und wollten fie auch

nicht åben ; dieſe Geſinnung bewieſen ſie in zwey Ges ſchåften, Bruno Brun, Propſt bey dem großen Münſter von Der Pfafa

Zürich, und ſein Bruder Herdegen Brun , Söhne des fenbrief. Bürgermeiſters, trugen Haß wider den Schultheiß von Gundoldingen zu facern. Als dieſer , ein Mann von !

Muth , mit einem feiner Freunde Fobann in der Aue, auf das uralte Freubenfeſt einer Kirchweihe 3o) nach Zürich ritt , wurde er nicht weit von der Stadt von

des Propſts Freunden , an Zabl zehn 31), angeſprengt, niedergeworfen und gefangen genommen 32). Hierin thaten ſie nach Sitte der Zeit 32 b). Auf dieſe Nachs richt brachen alle Bürger von Zürich zu Fuß und Pferd aus der Stadt und ſuchten dergeblich . Ben

Schultņeiß zu befreyen.

Die Regierung , der Ger

344

II. Buch. Fünftes Kapitel.

fchäfte überdrüßig , dem Anhang Bruns ergeben oder vor demſelben furchtſam , ergriff keine Maßregeln. Da verſammelte ſich bey dem großen Münſter, wer zu Zů. rich über ſechszehn Jahre alt war. Dieſe Gemeine

drobete ſo ſchwer, daß der Schultheiß losgelaffen wur» de : in allen wichtigen Sachen , worin der Bürgermei. ſter und Rath Verzögerung ſuchen , gab ſie den Zunft. meiſtern fichere Proviſionalmacht; und ſie fam übers ein , daß die Befehle des großen Rathes nur von der Gemeine beym großen Münſter , nicht von dem täglis den Rath , veråndert werden dürfen. Als nach Er.

ſchütterung der altgewohnten Regierung und bey Vers ånderung der Grundſäge die Rathbherren aus Furcht oder aus Unwiſſenheit nicht oder ſchlecht regierten , er . $

Bob ſich das Anſehen des großen Rathes der Zweys hundert 33 ). !

Allein der Propft Bruno Brun , ftolz auf Macht und Würde , verſchmåbete die Gerichte der Bürger von

Zürich . Da verſammelten ſich zu denen von Zürich die Eidgenoſſen von den Waldſtetten , Zug und Lucern , und gaben den Pfaffenbrief 34). Sie tamen überein , ,,wider alle fremde geiſtliche und weltliche Gewalt und

,,wider alle Privatmadht, ihre Gefeße zu behaupten. „ Alle Edlen und Unedlen , Pfaffen und Raien , Anges

„ börige der Deſtreichiſchen Herrſchaft 35) , wurdea , ro. lang fie in der Schweiz wohnen , durch einen Eid ,

erhoch über alle Eide, verbunden, der Eidgenoſſen Ehre,

Geſchichte der Schweiz.

346

,,und Nußen zu befördern. Ade Eigengewalt, alle

„Macht ausländiſcher Gerichte und alle hinterliftige „ Uebertragung eines Rechtshandels (etwa an einen mådhtigern Mann ) verboten fie. Zumal wurde aller ,,canoniſche Proceß um weltliche Sachen und alle An.

„klage eidgenöffiſcher Männer vor andern als vor ihren „ eigenen Richtern der Cleriſey Boch unterſagt. Sie ,,berordneten , wenn ein Pfaff dieſes Gefek breche , „ demſelben Pfaff allen Genuß der menſchlichen Geſell.

„ Ichaft, Nahrung , Bekleidung , Wohnung , Herberge , ,, Sandel , Wandel und Schirm der Gefeße zu verfas ogen . Sie gewähreten , daß von der ſtåubenden Brů, „ de 36) bis nach Zürich alle Straßen gegen alle Sei.

,,ten ihres kandes jedem offen und ſicher ſeyn ſollen , ,,und niemand obne Urlaub ſeiner Obrigkeit auf einen

„laufen dürfe, um denſelben zu bepfänden. “ Dieſer Pfaffenbrief, die Proteftation der Schweizeriſchen Freyheit wider den Mißbraud des Anſehens der Cles

riſen (welcher ihre Gemüther verunwilligte und ihr ger meines Weſep verwirrte), enthalt in ſeiner Einfalt und Kürze die Hauptfumme ſowohl ihrer Freyheit als ih . rer Staatswirthſchaft : erftere ; daß allen gleiches ors dentliches Recht wiederfahre , ſo daß der Bürger und

Landmann fide vor nichts hüten müffe , als vor Ueber. tretung des Geſekes, die Richter nur vor Verfälſchung deſſelben : lektere ; daß jeder ficher ſein Gut baue, und aus treuem Schuß der Påffe einiger Handelsgewinn

340

II. Buch . Fünftes Kapitel .

gezogen werbe. Denn überbaupt waren fie, nach der

alten Verfaſſung der ganzen menſchlichen Geſellſchaft und nach dem Geiſt der ewigen runde , vergnügt mit freyem Genuß das Wenigen , das die Natur braucht und allentbalben giebt , und mit Waffenbülfe wider

ihre Feinde. Standbafte Bebarrung in alter Mäßig. keit , und Vervollkommnung der Waffen , iſt in vers ſtandigen Republiken die Summe der Regierungs. .

+

kunſt,

Von den Zürichern wurde der Propft Bruno Brun im Hauſe mit allen Helfern ſeines Frevels , von der Stadt vers R.Bruns.) bannt , und beichloffen , wenn er wieder komme , über ihn als einen verſchuldeten Mann zu richten, Int nåchften Sabr nach dieſer Zhat geſchab , daß 1371 durch Eberhard Brun , Ritter und Rathsberrn der

( Nemelis

Stadt Zürich , der Edelknecht Jobann am Ståg aus dem fand Uri , ſeiner Mutter Brudersſohn ., ein Súngs ling , wegen eines Erbſtreits, mit Rath und im Beya feyn ſeiner Muhme, durch derſelben zwey Knechte und Jungfrauen , meuchelmörderiſch in dem Zürichſee ers trånkt wurde. Die Regierung der Stadt ſowjeg, aus

Parteylichkeit , oder Furcht, oder weil das Uebermaß des Uebeld bisweilen Quelle des Guten wird. Nicht

aber ſchwiegen die Männer von Uri ; fie bielten einen Landtag über Blut und Leben , mit altgewobnter Fever

unter freyem Himmel ; da denn bey großem Zulauf des Polko nach abgepórter Kund(daft und eingenoms

1

Geſchichte her Schweiz.

347

menem Rath , Eberhard Brun, deſſelben Mutter, und alle Gebülfen ſeiner That vom Land Uri , und , aus allen Städten und Ländern der Schweizeriſchen Eids

genoſſenſchaft als Mörder bey Lebensſtrafe ewiglich vers ſtoßen wurden. Nachdem Gottfried Müller, Vogt vom Reich , die Obrigkeit von Zürich mehrmals ges

mahnt , unterſuchte ſie die Zhat im dritten Monat ; es fand ſich , daß die Theilhaber mit allem Permogen

und ihrem Leben dem Römiſchen Reich verfallen ſeyn 37). Dieſen Fall nahm das Glück der Angehörigen Rudolf Brune.

In aưen Oberlanden , vom Gotthard bis Greyerz , Das Rins

lebte die größte Freyheitsliebe, um ſo mehr, da viele das kenbergis ſche Ges für halten 38) , fie ſeyn vom Stamm der alten Schweis Tchäfte. zer und frey von Mitternacht ber in dieſes Land ges (Oberland) zogen , wo ſie bey Ueberfluß geſunder Nahrung unter gelinder Herrſchaft 39) faſt unzugånglich wohnten. Des fto begieriger bedienten fidh die Männer von Sanen des Anlaffes der Noth ihrer Herren , der Grafen zu Greyerz , und kauften faſt volle Freyheit 40 ). Unwila

lig leiſtete dem Herrn von Lüdingen die Gemeine von St. Stephan den gezwungenen Dienſt 41). Eben ſo wenig herrſchte über Frutigen Anton von Zhurn mit freyer Gewalt 42). Grindelwald , Lauterbrunnen , als les Land hinter dem Kloſter ' Interladen , gehorchte zwangsweiſe dem Propſt 43). Aber die von Brieng und ihre Benachbarten vor Dóchadli und bis an Uns

348

II. Buch. Fünftes Kapitel.

terwalden waren dem Vogt auf Rinkenberg am ftands þafteſten widerſpenſtig. Das fand baßte ſeine Macht von der Zeit an , als Sobann von Rinkenberg , unter Kaiſer Ludewigs Bers

günſtigung , Reichsgüter , welche 3 Eigenthum vers kauft waren , feiner Vogtey untermarf 44). Die Edlen von Hunwyl und von Waltersburg , mit erblichen

Burgen zu Unterwalden angereſſen , trugen Groll wie der Philipp , Sobn Johanns von Rinkenberg , und ers

mabuten rein Volk zu Erlangung der Freyheit , mit Perſprechen , ihm aus Unterwalden beyzufteben. Da ſandten die von Brienz ihre Vorſteher an die landdges meine zu Unterwalden : durd Bordub ibrer Patro ,

nen und als Nachbaren bekamen fie Zutritt , und res deten zu dem Volk : ,,ibnen , einem gerechten tapfern

,,Bolt , welches den Bogt von Landenberg nicht erdula det babe , klagen fie , bedrängte gute Nachbaren , die hochmüthige Ungerechtigkeit ibres Bogtes auf Rintens berg ; fie bitten die freyen Männer von Unterwalden, vibnen zu helfen , wie Hyre eigenen Båter fich wider ifremden Troß geholfen , ſo wollen aud fie die Brien. orger denen von Unterwalden allezeit helfen , und mit

wibnen dieffeit wie jenſeit des Berge Brünig leben wie „ nur Ein Volk ; fie bitten , ihnen das Landrecht anges ,,deiben zu laffen .“ Da ftanden die alten und anges ſebenften Månner des Landes Unterwalden vor dem Volt , und ſprachen : „ die Leute deften von Rinken ,

Ceſchichte der Schweij.

349

jjberg , welcher Bärger zu Bern Teyy, rollen ihn bey n ſeinen Obern zu Bern anklagen ; ſie mögen keine Uns ritertbanen ihrem Herrn abtrünnig maden , am wes

enigſten einem Bürger von Bern."

Doch die jungen

und gemeinen tandleute waren durdo mancherley Bor.

ſpiegelungen gewonnen ; ſo ergieng, zwar mit weniu gen Stimmen , das Mehr , Boten über den Brůs nig zu ſenden , auf daß die Brienzer in das Landrecht schwören 45) . Von den Bernern wurden wechſelweiſe die Rechté (Bern und der Herrſchaft , wo der Baron ihr Mitbürger war 46 ) , Zbun )

und in Tbålern , deren Herren fie haßten , die Freybeia ten der fandleuté +2) behauptet. Wo man nichts von

ihnen hoffté , von den Waldſtetten entlegen war , oder gegen Uebermacht ein Gleichgewicht ſuchte , fand man bey den Thunern Bürgerrecht 48) und Gunſt. Wenn Zbun von großen Bürgern klug und mit feſtem Sind

regiert worden wåre , oder die Großen dem drobenden Fortgang der Macht von Bern durch Staatskunſt båt:

ten begegnen, wollen ; Thun konnte eine Hauptſtadt aller obern Zhåler werden .

Die Stadt Bern ſchrieb an das land Unterwalden ; denn die Brienzer verſagten dem Vogt von Ninkena berg Dienſte und Pflichten ; vielleicht aus falidem Wabn , jeder Herr revs ein Tyrann , und keine Verfaf. ſung frey , als ferrenloſes leben ; ein unduldiges

Bolt wird von liftigen Anführern mit redlidſcheinen .

1

350

II. Buch. Fünftes Kap'tel .

den Worten leicht verführt. In Unterwalden fragten die Feinde des Bogtes von Rinkenberg, ,, ob die lands,

vogemeine nicht von Ulters 'her die Freyheit habe , ,, landleute aufzunehmen , und nb in dem ewigen Bund alle alten Rechte nid )t vorbehalten worden . “ Das durch erhielten ſie , doch mit nur fünf Stimmen , daß

den Bernern zu Behauptung der Verbindung mit Brienz ein Rechtsgang vorgeſchlagen wurde 49). Huns wyl und Waltersberg betrogen die landsgemeine ; eine folche Verpflichtung init einem ausländiſchen Volk iſt ein Bund , und allen künftigen Bünden gebt derjenige | ewige Bund vor , nach welchem kein Eidgenoffe den andern antaſtet an Rechten oder Macht. Aber oft werden Völker , indem ſie glauben , ſich ſelbſt zu res

gieren , von Parteybäuptern beherrſcht , die ſich von Leidenſchaften zu allem bemeiſtern laſſen : wenn Wis derſtand fie erbittert oder Nadgeben ſie ermuntert ,

fo kommen die beſten Eidgenoſſenſchaften hiedurch an den Rand ihres Untergangs. Dieſes verhinderten die Berner mit großer Weisheit. Von dem Rechtegang machten ſie keinen Gebrauch ; nach dem ewigen Burd follte der Vogt von Ninkenberg den Obmann unter ſechszehn Unterwaldnern wählen ; dieſe fedis zehn würı

den durch die Gewalt ſeiner Feinde aus der Zahl ihres Unbangs vorgeſchlagen worden ſeytt. Doch enthieltent

fich die Berner der Waffen ; Eidgenoſien müſſen ciran , der vieles vergeben , dem Stårkfton ift Nachgeben ami

Geſchichte der Schweiz.

351

ficherften. Sie baten Uri und Schwyt um Vermitts lung und warteten bis in das funfzehnte Jabr , auf daß durch die Zeit Waltersberg und Sunwyl ihren Haß oder ihre Madyt verlieren. Uuf ſo lange Mäßigung bewieſen ſie Entſchloſſens beit 50). Sie ſandten folgende Botſchaft in die Orte

Shwytz und Uri , „ die Stadt Bern wolle die aufrůbs „ riſchen Unterthanen Herrn Peters von Rinkenberg , „ ihres Bürgers , wie ſie ſoldes dieſem ſchuldig rey), ,,ohne fernern Aufichub durch die Waffen zum Gebor,

„ſam bringen ; fie bitte ihre Eidgenopfen zu Uri und ,,Sdyk , die Unterwaldner abzubalten ,

damit ſie

„ nicht Aufrührern belfen wider ewige Eidgenoffen ; dies fes würde ihnen leid feyn , bie Züchtigung der Brien. mjer ſey beldloffent.“ Da mabnten die Sdwyker

und Urner obné allen Verzug Zürich und Lucern auf eine Tagjakung ; von dieſer wurden Geſandte geſchidt, welche die landsgemeine zu Unterwalden mit aller

Kraft erdiger Bündé auf das allerbringendſte mahnten, dem Vogt von Ninkenberg das Volk ſeiner Herrſchaft nicht vorzuenthalten , ſondern zu thun , was die Bers ner ; Eidgenopfen ihr aler , fo bereitwillig foon ſo lang erwarteten. Dieſen Vortrag börté das Voll mit gros

Ber Aufmerkſamkeit. Sobann von Waltersberg war zur felbigen Zeit landammann , und Heinrich von Hunwyl , noch voll des erblichen Grous , Anführer eis

nes großen Anbangs. Die mehreren Stimmen ents

1

352

II . Buch. Fünfte Kapitel.

ſchieden auf den folgenden Schluß : ,,die kandleute wvon Unterwalden wollen als gute Eidgenoſſen dert

„ Bund mit Bern halten , und geben das Landrecht gen „ gen Brienz auf ; das bitten fie , die Brienzer um udaſſelbe nicht zu ftrafen . “

Von dem an wurde jede Beſtrafung eines Briena jers von den Anführern der Partey als eine Rache wer gen des Landrechts verleumdet. Walther von Huns wyl , Jobann von Waltersberg der fungere und Wal.

ter von Dettikon , Edelknecht, hielten den Unterwaldi nern vor,, įdieſes unglückſelige Volk rey von ihnen, von viſeinen Freunden , welchen es am beſten vertrauete, it

,,die Hände ſeines Tyrannen überliefert worden ; dico wſer ſpotte nun deren von Unterwalden : “ Hierdurch, durch die Klagen der Brienzer ; durch derſelben Bes zeugung von den Thunern , wurden die Gemůther mit Reue ; Zorn und Mitleiden erfüllt : in dieſen Tagen 1

wurde die Erneuerung des Landrechts vorgetragen ; und angenommen 51 ) .

Peter von Rinkenberg , ein

Mann von gåtigem Herzen und voll Zuverſicht auf den Eindruck der Billigkeit bey allen Menſchen , hielt für das Beſte, alle Sachen zu Unterwalden ſelbſt zu erklären , gieng über den Brünig und wollte an die

Landsgemeine feine Nede anfangen ; da erhoben ſeine Feinde plötzliches Getümmel , wie geſchieht wenn in der Verſammlung eines Volks alle auf einmal mit lauter Stimme reden , und mit großem Gefdrey und

1

H

Geſchichte der Schweiz.

353

mancherley Geberden drohen , da ichåbte der Freya *

þerr fich glücklich, auf Rinkenberg zuråd zu kommen, da er ſelbſt das fandrecht beſchworen ; von dein an leis ſtete ihm niemand weder Dienſt noch Zins. Da wurs den die Brienzer von den Bernern mit Feuer und Schwert gezwungen , von ihrem Ungehorſam und von dem Landrecht abzulaſſen. Bald nach dieſem , als eines Morgens der Freyhert aus dem Sdloß kam , um in einem benachbarten ſchon

nen See 52) zu fiſchen , wurde er überfallen , gefangen in das kand Unterwalden geführt , Johann rein Sohn

vertrieben , die Burg eingenommen , geplündert , aus. gebrannt , und Brienz beſetzt. Alles dieſes thaten Hunmyl und Waltersberg ohne den Befehl ibres Moiko Da kamen die von Bern zu Waſſer und zů fand mit aller ihrer Madyt; nachdem ſie mit Gewalt

an das Land geſtiegen , und ohne Mühe die Bauerſai me 53) geſchlagen , führten ſie die Kühnften fort , veri jagten die abrigen und nahmen alles ein ; da flogen verwundet auch Unterwaldner. Solche Unternehmuna gen geziemen den Vorſtebern eines großen Landes , weil , wenn ſie furchtſam ſcheinen , die Begierden der Unrubigen ſofort verwegen werden. Hunwnlund Waltersberg bewogen die Unterwaldner , alle Eidges

noſſen zu mabnen ; die Eidgenoſien verſammelten ſich zu einer Tagſakung.

Zwiſchen Völkerſchaften , welche ſich von Partesi 5. Müller's Werke. XX .

23

354

II . Buch. Fünftes Kapitel.

båuptern hinreißen laſſen , kommt eine Eidgenoſſens Ichaft leicht in die äußerſte Gefahr. Dieſe zu vermeis den (weil der Einfluß der Parteyhåupter allgemein und unausweichlich iſt) ſollten alle Orte der Schweiz

ein Geſek machen , daß derjenige , wer er rey , welcher bey der höchſten Gewalt jeden Ortes eines Kriegs wis der die Eidgenoſſen ratbend erwåbnen würde , ehe diere

traurige Notbroendigkeit von vier Fünftheilen ſowohl des engern als des größern Rathes an demſelben Ort erkannt worden , ohne Unterſuchung alſobald hingerich . tet werden ſoll 54). An dem Tag der Eidgenoſſen erſchien von Bern

der Schultheiß Ulrich von Bubenberg , ſie zu Richtern anrufend , ,,ob nicht Bürger der Stadt Bern an leib ,,und Gut angegriffen und beſchadiget worden ?" A18 Berchtold von Zuben und Jobann Spielmann , lands 2

ammanne und Gewaltboten deren von Unterwalden , den eidgenöſſiſchen Ausſpruch zu ebren verſprochen , geſchah er ſo , „ daß Peter von Rinkenberg alſobald in Freyheit gereßt werde , und alles , was er eingebüßt babe, zurůdbekomme; daß die von Unterwalden uns ,,verzüglich auf ewig dieſem Landrecht entſagen , und maiemals Landrechte mit ſolchen ſchließen , welche als

,, Pfand , Leben oder Eigen der Stadt oder den Bürs

,,gern von Bern geboren ; daß die von Brienz ibrem „ Herrn gehorchen und ohne einigen Abbruch alle Zinſe, nicht aur der künftigen ſondern auch der vorigen Fahs

7

Geſchichte der Schweiz.

re , abliefern ſollen ."

355

Die Menge zu Unterwalden era

wartete mit einer zutrauensvollen Begierde das Ura theil der Eidgenoſſen : als kund wurde , daß die drey Edlen ſie zu einer ungerechten Zhat verführt, erwachte

ihr Zorn. Da kam das ganze Volt von ob und unter dem Kernwald haufenweiſe aus allen Uertenen und Kirdgången zuſammen mitten in dem Land auf den Plaß der allgemeinen Verſammlungen zu Wieſerlen : da machten die Månner von Unterwalden folgendes Gefeß : „Sobann von Waltersberg, Walther oon Hun. „ wyl und Walther von Tettikon haben das Land in ,,Schande und Schaden gebradot; ro rollen ſie dann ,

„fie ſelbſt und alle ihre Nachkommen 55) ewiglich , alı ,,ler Aemter , Gerichte und Råthe entfekt und unfähig feyn . Ob jemand ihre Strafe abzuthun oder zu mile

„ dern verſuchte, der verliere ſelbſt al ſein Vera

„ mögen , werde ehrlos und rechtlog, und roll får ,,keinen fandmann zu Unterwalden gehalten werden ."

Ungerecht ſeyn , ſchien ein Schimpf; die Waldſtette übten teine Privatgemalt und wollten ſie auch nicht leiden.

Ben den Zürichern lebte , nach den ſchweren Kries Zürich. gen und gefährlichern Friedenshandlungen unter dem Bürgermeiſter Brun ,1

zur Zeit ſeines Nachfolgers

Rüger Maneſſe der Geiſt , welchen frene Stådte im. mer haben ſollten . Von den beſondern Abſichten und ( Freyheis

Neigungen Kaiſer Karls des Vierten machten ſie ſo ten)

II. Buch . Fünfte8 Kapitel.

356

guten Gebrauch , daß er die (aus alten Zeiten berges brachte ) Oberherrſchaft über den See bis an die Kurs

den , gegen Napperſchwul über , durch eine Urkunde befeſtigte 56). Auch beſtåtigte er das Recht mit bes nachbarten Herren Burgrechtezu ſchließen 57 ). Er ger ftattete den Zürichern , im Kreis von dren Meilen Reichstehen zu leiben 58 ), und nicht nur gab er dem

Propſt auf ſeinen Dörfern Blutbann, ſondern verordnete cin Landgericht oder Hofgericht in dieſe Stadt 59 ), wie die vorigen Kaiſer über fehr weite Kreiſe wenigen Stådu ten zu derſelben großem Vortheil gegeben hatten. Rudolf Serr von Aarburg , und wen die Kaiſer 1

nad ihm zum Hofrichter gaben , ſchlug das Gericht auf, in dem Ring ſowohl der Herren vom Ritters ſtande, als zwölf ihm von der Stadt ( ie für fechs Mos nate) zugegebenen Bürger 6 ). Sie erklärten durch die meiſten Stimmen Räuber , Mörber , Mordbren ner und Ungehorſame in die Ucht und Aberacht ; biers über hielten zwey Richter das Achtbuch ; eben dieu ſes Gericht modyte den , der ihm gehorchte , wieder aus der Acht ſchreiben 6 ). Von eben demſelben wurs de über Blut gerichtet 62); ſonſt pflegte bierum der Bürs

germeiſter im Namen des gemeinen Weſens den Reidzsvogt zu mabren 63 ). Zürich (dien ſowohl den Römern als den Teutſchen Königen , welche das Reich Stalien eingenommen , für die Abgaben und Gerichs te der natürliche Mittelpunct benachbarter Lånder 04) : 1

8

Geſchichte der Schweiz.

357

dode zu fefter Gründung und Ausbreitung ſeines Anſen bend tam dieſes Hofgericht zu ſpåte auf ; die Schweizes riſchen und andere Obrigkeiten der umliegenden Städte waren durch die Freyheiten der vorigen Kajſer ſchon zu unabhängig 65 ). 1

Reichsleben kauften die Züricher in der benachbarten (Erwer: Gegend von dem Ritter Gottfried Müller 66) aus ges bungen . )

meinem Stadtgut und aus den bereitwilligen Steua ern aller Bürger. 67) , und ſie erwarben Pfandſchaften , auf welche das Haus Deftreid Geld nahm 8 ). Auf

eine ſo untadelfafte Urt legten, ſie den Grund ihrer Herrſchaft in dem Land. Sie fuhren fort in der Sitte ihrer Våter und ſtårt: ( Bürgeta

ten ſich durch Mitbürger,. Diethelm Blaarer , Vogt rechte ..) auf Sberg , machte darum Bürgerrecht. 69 mit ihnen , weil , ob ſchon er ihre Stadt beleidiget , ſie ihm wia

der Bürger aus alten Geidlechtern Gerechtigkeit wiei derfahren ließen 70 ). Sie mabaten ihre Eidgenoſſea die Lucerner auf einen Rechtstag zum Schutz des Rita

fers Gottfried von Hünenberg 71), durch deſſen Búrs gerrecht St. Andreas ben Cham , eine Deſtreichiſche Burg , dem land unſchådlich war. Es iſt merkwürs

dig , daß Hünenberg, den Zürichern verſchrieb , wenn per gemahnt werde von den Deſtreichiſchen Pflegerne

vrlo wolle er das Bürgerrecht aufgeben , aber in mbierzehn

Zagen wolle er daſſelbe erneuern 22 )."

Tauſend Gulden gaben zwey Brüder del Monte

358

II. Buch. Fünftes Kapitel.

Lombarden , um dieſes Bürgerrecht; ſo viele Fördes rung der Geſchåfte und ſo gewiſſe Sicherheit bofftea fie diefſeit und jenſeit 73 ) der Alpen von den Boten und Briefen und von dem Anſehen des Banners bon

Zürich 24). Der Junker von Schönenwerd blieb ihr

Bürger , weil ihm die Burg ſeiner Våter zurůdgeges ben worden 75 ).

Als Nicolaus von Richenburg 76)

I

in den erſten Jahren der großen Trennung des påpſto

lichen Stubls an dem Hobſtift Coftanz wider Man. gold von Brandis kaum ſich zu bebaupten wußte , trat er , nebſt Coſtanz und Klingenau 77) zu Zürich in

ſolch ein lebenslängliches Bürgerrecht, aus welchem fein Zutrauen zu dieſer Stadt bervorleuchtete 78). Dieſe Uchtung für Zürich berubete auf der Gewohns heit und Neigung der tapfern Månner , welche unter den ſieben Hauptleuten des gemeinen Weſens 79 ) den Bannern jeder Stadt 80 ) folgten , dem Vaterland leib und Gut aufzuopfern. ( Polit , Ges

Die Verfaffung erhielt mehr Freyheit und Nachs

ſebe. )

druď , jene durch die Einſchränkung der bürgermeiſter's lichen Gewalt , legtere durch die Vergrößerung der Zunftmeiſter. Es wurde nicht mehr an den Bürgers meiſter ein vorzüglicher Eid geleiſtet ; bey der Wahl der dreyzebn Rathsherren von den Conſtabeln verlor

er von ſeiner Macht in ſo fern , daß dieſe Wahl von Zunftmeiſtern und Rathsherren ohne ihn gerdbeben

mochte. Ueber zweyſpåltige Zunftmeiſterwahlen , wele

}

Geſchichte der Schweiz .

dhe Rudolf Brun entſchieden , wurde das Urtheil dem , Rath aufgetragen .

Den Zunftmeiſtern wurde um

alle wichtigen Sachen mit vielen oder wenigen Rathea herren Schlüſſe zu faſſen geſtattet 81). Von dem Einfluß, der neuen Regierung zeugte die .

Schårfung der Aufwandsgeſeße Nicht nur weil der gemeine . Mann zu baſſen pflegt, was er nicht im Stand iſt nach juabmen : dieſe Gefeße fino in freyent Stådten faſt überall ſtreng, ſo wohl wo bey einem armen Bolt die Freyheit beginnt , als wo reiche Måns

ner die Klugheit haben , die Begierden ihrer Mitbür. ger durch beleidigende Darſtellung von Glanz nicht rege zu machen . Wenn in Låndern , wo bürgerliche .

Gleichheit eingeführt iſt , auch große Einſichten und hou he Tugenden popular reyn, müſſen , ſo kann nur ein ſchlechter Menſch für ein Opfer halten , daß er in der Kleidung bürgerlich, reyn, muß ; Auguftus. Cåſar und Coſimo de Medici baben ihre Mitbürger hierin geehrt. Bey den Zürichern , zeigte ſich in den erſten Zeiten ( Sitten des, ewigen Bundes, der acht Orte (ohne Zweifel aus gefeße,),

Anlaß der fürſtlichen Hoflager und Heerfahrten ), die ſeit König Albrecht veränderte Kleidungsart. Ans fangs trugen, die meiſten Menſchen 82 ) das Haupt gegen die Witterung , unbededt; nur bezeichneten

Staatsmůžen obrigkeitliche Majeftåt. lange Haare, welche nur die Weiber in foden fråuſelten , hiengen , wild und frey von den Schultern ; die Weiber durd,

360

HF. Buch. Fünftes Kapitel.

flochten ſie mit Blumentrånzen und Bändern 83 ). Ein Wambs mit Aermeln bedeckte den Körper ; ein Rock ohne Aermel reichte , zumal den Weibern , weit bere

ab , und war von lettern mit einem Gürtel gebunden. Beiden Gefdhlechtern bieng ein Mantel von dem Nús

den. Viele oder die meiſten Månner trugen Hoſen, wenigſtens im Winter 84) ; andern reichte das Duch der Stiefeln 85). ſo weit unter den Rock hinauf. Sous

be trug jeder ohne Kunſt nach ſeinem Fuß. Aber das malo wurden die Haare zum erſten gekämmt 85 b ) ; am Wambs machten ſie den linken Aermel von anderem

Zuch , deſſen Farbe auch ein Parteyzeichen wurde 80) : eben denſelben zierten ſie mit Silber und Seide oder mit berunterhångenden Franſeg 87) : fie fiicten auf ein Bruſtlappchen ( faſt wie nun Orden getragen wers

den ) von Seide. oder Silberfaden gewiſſe Zeichen der Partenen oder geliebte. Namen oder beſondere Dienſts gelübde , ober biengen Bilder vor die Bruſt , oder ums wunden dieſelbe mit ſeidenen Banden 88), Die Müketi

der Weiber glänzten von Seide , Silber , Gold und Kleinodien ; die nächſte Pracht war die des Gürtels., der ihr vielfarbiges Kleid umwund ; unten endigte es in mancherley koſtbareFranſen89), Schuhe mit aufwärts gekrümmten Schnåbeln und mit einem Ring an einem Fußzeben 90 ) , waren Muthwille der Eitelkeit. Juner

drey Big Jahren tamen mannigfarbige Feidene Zierben pon den edlen Herren unter die Schaar ihrer Bei

!

Geſchichte der Schweiz

361

bienten 91 ) ; das oben weite Wambs mit einer Kapur ze 92) wurde von Bürgern , vom fandmann und vom Hirten im Geburg,angenommen. Vornehmlich zwey Dinge årgerten ſtrenge Freunde alter Sitten : erftlich , daß der Wambs , welcher bey den Alten febr weit

geweſen , unten ſo eng und anliegend wurde , das

man ohne Hülfe ihn nicht anziehen konnte , oben mit einer überſdlagenden Kapuze weit genug , daß auch, ein Tbeil der Bruſt entbloßt geſehen werden mocha

te 93) ; zweytens wurde der Mannsrock ſo kurz , das er kaum den Hintern decte 94) , um vielfarbige Hoſen deſto mehr in die Augen fallen zu machen 954). Wi. der dieſe Neuerungen gaben die von Zürich ſolche Gey

feße, wodurch ſie nicht unterdrückt, aber verſpåtet wurden .

Sie machten aud Verordnungen über die zu vera,

ſchwenderiſchen Gaſtmale bey Eheverlobniffen96) ; über die Morgengabe, welche der junge Gatte Morgens, nach der Brautnacht verſicherte ;, über den Mißbrauch, des Tanzens ( fie wollten daß nur bey der geiſtlichen

Perlobung einer Nonne , oder bey Verbeirathungen, getanzt,werde 92 )) ; wider den ungöthigen Aufwand bey Geſandtſchaften 98 ),, und wieder die Begangeng ſchaft folder Frauen , welche fich gern bey großen

Opfern einfanden , um vorübergehende Jünglinge liebe lid zu grüßen 99). Dieſe Zeiten ſind nicht genug mit: allen Umſtånden in unſerem Andenken , daß wir ſagens

á

1

360

IF. Buch . Fünfte8 Rapttel.

flochten ſie mit Blumenfrånzen und Båndern 83 ). Ein Wambe mit Aermeln bedeckte den Körper ; ein Nock ,1

ohne Aermel reichte, zumal den Weibern , weit bers ab , und war von leßtern mit einem Gürtel gebunden, Beiden Geld)lechtern hieng ein Mantel von dem Rús 1

den . Viele oder die meiſten Månner trugen Hoſen ., wenigſtens im Winter 84) ;

andern reichte das Duch

der Stiefeln 85). ſo weit unter den Rock hinauf. Schus

be trug jeder obae Kunſt nad ſeinem Fuß. Aber das mals wurden die Haare zum erſten gekämmt 85.b); am Mambo machten ſie den linken Aermel von anderem

Luch , deſſen Farbe auch ein Partenzeichen wurde 80 ) ; eben denſelben zierten ſie mit Silber und Seide oder mit berunterhångenden Franſen 87) : fie ftigten auf

ein Bruſtlappchen ( faſt wie nun Orden getragen wers den ). von Seide. oder Silberfaden gewiſſe Zeichen der Parteyen oder geliebte. Namen oder beſondere Dienſts gelübde , oder hiengen Bilder vor die Bruſt, oder ums wunden dieſelbe mit ſeidenen Banden 88). Die Müßen

der Weiber glänzten von Seide , Silber , Gold und Kleinodien ; die nächſte Pracht war die des Gürtels , der ihr vielfarbiges Kleid umwund ; unten endigte es in mancherley koſtbare Franſen89), Schuhe mit aufwärts gekrümmten Schnåbeln und mit einem Ring an einem Fußzeben 90 ) , waren Muthwille der Eitelkeit. Juner drey Big Jahren tamen mannigfarbige ſeidene Zierden

pon den , edlen, Herren unter die Schaar ihrer Bes

1

Geſchichte der Schweiz .

361

dienten 91 ) ; bas oben weite Wambe mit einer Kapur

ge 92) wurde von Bürgern , bom fandmann und vom Hirten im Geburg, angenommen . Vornehmlich zwer ,

Dinge årgerten ſtrenge Freunde alter Sitten : erftlich , daß der Wambe , welcher bey den Alten ſehr weit

geweſen , unten (o eng und anliegend wurde , daß,

man opae Hülfe ihn nicht anziehen konnte, oben mit einer überſolagenden Kapuze weit genug , daß auch ein Tbeil der Bruſt entbloßt geſehen werden moch ,

te 93 ) ; zweytens wurde der Mannsrof ſo kurz , daß er kaum den Hintern deckte 94) , um vielfarbige Hoſen deſto mehr in die Augen fallen zu machen 95!). Wis der dieſe Neuerungen gaben die von Zürich ſolche Gex Feke, wodurch ſie nicht unterdrückt, aber verſpätet wurden

Sie machten auch Verordnungen über die zu vera, schwenderiſchen Gaſtmale bey Eheverløbniffen ,6 ) ; über die Morgengabe , welche der junge Gatte Morgens, nach der Brautnacht verſicherte ; über den Mißbrauch, des Tanzens ( ſie wollten daß nur bey der geiſtlichen, Verlobung einer Nonne , oder bey Verheirathangen , getanzt,werde 97 ) ) ; wider den ungöthigen Aufwand bey Geſandtſchaften 98 ) ,. und wieder die Begangeng ſchaft folder Frauen , welche fich gern bey großen Opfern einfanden , um vorübergehende Jünglinge liebe lich zu grüßen 99 ). Dieſe Zeiten ſind nicht genag mit allen Umſtänden in unſerem Andenken , daß wir ſagers

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II. Budh. Fünftes Kapitel.

tonaten , ob der ( gegen ſich ſelbſt ſonſt nicht ſtrenge) Held Maneſſe und ſein Rath , wenn ſie über das Lan . zen und ſolche Dinge rathſchlagten , dem Volk nicht zu viel verboten , und in ihrer Sorgfalt für Sittſamo, keit und Ernſt vergaßen , daß ein frohliches Bolt leich .

ter zu regieren und beheader in allem iſt , als eine finſtere Bürgerſchaft. Gefeßgeber ſollten vergnügte. Augenblicke des Lebens, ohne Noth nicht vermindern . Die Künſte der grüßenden Frauen ſind von den Punci ten , welche, obſchon ſie nicht verhindert werden köns

nen , verboten werden müſſen, 100 ) ; was in Geheim geſchehen muß , geſchieht ſeltener , bleibt manchen uns

bekannt, und iſt vielen unzugånglich. Die Zahl der Bürger fiel um den -achten Theil 101 ) ; vielleicht wurde durch das Uneben der Zünfte fremdem

Fleiß der Zugang. Ichwer rob) , und nicht jedem Einbeis miſchen, das Aufkommen leicht. Von vierhundert neun und dreyßig ſtieg , in ſiebengebn Jahren der Privats reichthum. bis fünfhundert, acht, und ſiebenzigtaufend, Pfund 102). Aber es iſt ſchwer, folche Summen zu

ſchåben ; ihr Werth beruhet auf den Marktpreiſen und , auf dem Laglohn , welche nirgend , vollſtändig , uma ſtåndlich und ſicher genug aufgezeichnet, und verglio, chen worden ſind. Die Regierung (durch den ſchwes

ren Kriegsſold genöthiget 103 ) ) nahm ferner von Bůra gern 104) auf die Einkünfte der Stadt, oder auch bey den

Juden Darlebne. "Dieſe Gültbriefe der Bürger wur:

Geſchichte der Schweiz.

363

den Grundſtüden gleich gerechnet ; welches überhaupt nicht unbillig ſcheint : auf dieſen pflegen jene zu ſtes hen , oft baben reiche Männer keine liegenden Güter. Dem Privatwohlſtand, in ſo fern der Speditionshans del nebſt einigen Fabriken dazu beytrug , war nicht

leicht eine Freyheit wichtiger , als da König Wences, laf die Züricher der mehr und mehr ſteigenden Geo leite und Rheinzode enthob. 105 ). So blůbete Zürid ,

1

in Sitten und Glúd, in den vier und zwanzig meiſt 1

friedfamen Jahren , da Růger Manelſe, der Held von Låtwyl , bis in ein Febr hobes Alter die bürgermeis fterliche Würde verwaltete. Die unmittelbare Reichsſtadt 100 ) Bern genoß wie Bern.

die Züricher der Denkungsart Kaiſer Karls , welcher ( Freyheis ten ) allezeit bereit war , zu ſeinem eigenen Genuß, und feines Hauſes Vortheil , die Rechte des Reichs zu veråußern , beſonders wenn es mit einigem Anſtand geſcheben konnte. Als er mit vornehmem Gefolge 107) zu und von dem, in Avignon befindlichen , påpftlis chen Hof zog und nach Bern kam , in dem Schulte heißenamt Herrn Johann von Bubenberg des jůns gern 108 ) , wurden ſowohl auf ſeinen würdigen Ems pfang 109 ) als auf ſeine Bewirthung die damals große 1

Summe von dreytauſend Pfund verwendet. Bern war fdhon aus dem ſeiner Geſinnungen ficher , 'weil er die

Stadt in einer Streitſache wider Matthias von Sigo nau gegen eine unbefugte 110) Achterklärung des Roths

II. Buch. Fünftes Kapitel .

364

wyliſchen Hofgerichtes ( dhirmte III ). Für ſolche Auf nahme geſtattete er 112 ) den Bernern , im Kreiſe von

fechs Meilen die verpfändeten Einkünfte und Güter des Meichs einzulöſen , es mußten denn Burgen oder Serrſchaften feyn 113 ). Großere Rechte gab er ihnen .

zu Straßburg auf ſeiner Heimreiſe ; nåmlich die Freye beit , wider alle ihre Feinde und wider die , welcha folche beſchützen , die Waffen zu gebrauchen 114 ) , und in einem Kreiſe von drey Meilen den Blutbann 115) zu åben . Daher gehören des Reichs Leute um Grasburg

mit. Blutgericht und Appellationen zu der Stadt Bern bis auf dieſen Tag 116).

Unverfallene117 ) Reichslehen

ertheilte Jobann von Bubenberg, des Reichs freyer Mann 118) , und wer nach ihm Schultheiß war 119).

Dazu , daß auch er dieſe Freybeiten beſtätigte 120) , that König Wenceslaf, ,, daß keines Herrn eigener Mann ,,ein Erbtheil haben möge in der Stadt Bera 121 ); “ um die Fudenſteuer verſprach er den Worten des Rathes

zu glauben 122') ; die Juden zinſeten jährlich an Chriſti Geburtsfeſt jeder . einen Gulden in die königliche Kam. 1

mer 123). ( Gebietes

Kaum baß , durch den Sieg bey Raupen und Kai.

qunahme)

kr Karls Beſtåtigungsbrief, die Berner in den Reichs. pfandſchaften Oberhasli und kaupen befeſtiget waren , fo: verpfändete iğnen Graf Peter , aus dem Hauſe Welſchneuenburg ſein Recht und Antheil an der Burg

und Herrſchaft Aarberg . Sie loften ganz Uarberg von

Gedichte der Schweiz.

865

den übrigen Genoffen , von Rudolf zu Nidau und von deſſelben Schweſtern Verena zu Thierſtein und Unna zu Kiburg 124 ). Graf Peter , der Stadt Bern als

Freund und Feind wohl bekannt , ein tapferer Mann , ſoll die letzten Jahre traurig und einſam vor der Stadt, worin er geberrſcht , in einem abgeſonderten Hauſe berlebt baben , fiech an der Plage des Auslakes 125). Ueber folche Herrſchaften pflegten die Venner ſolde

Rathsherren 126) oder Bürger vorzuſchlagen , welche genug Muße , Muth und Einſicht hatten , um derſelu ben Burgvogte und Schultheißen zu ſeyn. Aus die. fem Urſprung entſtanden die landvogteyen , welche von den Bürgern zu Bern , aus deren Vater Steuer

die Herrſchaften gekauft worden ſind , gemäß der Bers faſſung einer jeden Gegend verwaltet werden. Das fand iſt um nichts weniger frey ; dennt, da nur mag

willkürliche Gewalt geübt werden , wo der Fürſt durdy cigene Waffen behauptet wird ; hingegen iſt Freyheit , wo der Fürſt nur ſeines Volts Waffen hat: jener tkut was er will, dieſer ſo viel er darf.

Sonſt auch kaufte Bern von dem Freyherrn Thüs ( Bündniſo ring von Brandis 127) und von dem Kloſter zu Fries re.) nisberg 128) ungefähr zwölf Dórfer ; und ſtärkte fich durch Burgredte mit Wolfhard Freyherrn zu Braga dis 129 ) und Marquard von Bubenberg , Deutſchen Ordens Comthur in dem Hauſe Sumiswald 130 ). Mit

Freyburg , wurde durch Erläuterungen das Burgrecht

1

366

II . Buch. Fünftes Kapitel .

geſtårkt 131) , mit Solothurn und Biel ewige132) , mit Solothurn ſo enge Bûnde geſchloffen , daß das Reich nur zum Schein vorbehalten worden 133). Uber als

Johann der Sean von Münſigen Biſchof zu Baſel, der Stadt Bern Freund , nach langem verdienftvollen Biss thum ſtarb , mißfiel ſeinem Nachfolger , Johann von Pienne aus einem ſehr alten Hochburgundiſchen

Stamm , daß der ſonſt zehnjährige Bund ſeiner Stadt Biel mit Bern ewig ſeyn ſollte.

Hundert Jahre mochten verfloſſen ſeyn , ſeit Biel, krieg) der Zeffenberg und andere benachbarte Gegenden

(Bieler:

durch geiſtliche Herren aus dem Hauſe Welſchneuens

burg an das Hochftift Baſel kamen. Die militäriſche Gewalt wurde ihren Vettern , den Grafen zu Nidau , gelaſſen ) 134) oder den Bannern zwey aufblühender Stådte zugetheilt : mit Biel zog Pieterlen , Meinis,

berg und ganz Arguel 135) , der Teffenberg mit Neus ftatt 130). Sonſt war die Gewalt auf dem Berg dem Nidauiſchen Vogt und biſchöflichen Meyer gemein ; doch ſo , daß die Steuern 137) , die Bußen 138) , ja die

erlegten Båren 139) und wilden Schweine 140) getheilte wurden , der Graf zu Nidau aber den Berg nicht ohne den Biſchof 141) beſteuern mochte; daß das Landgericht auch ohne den Grafen befekt werden konnte 142); daß zu Nidau das Bergvolk die Brücke zoufren brauchte, aber jeder , welcher ein Rindvieh oder ein Pferd hielt ,

alle ſieben Sabre zu Unterhaltung der Brüde ein Bret

Geſchichte der Sởweiz.

367

liefern mußte. Drey Månner auf dem Berg waren, Erbſchöffen 143): fie gaben dem Vogt und Meyer eine Mahlzeit , ſonſt waren fie frey , nur zur Burgbut pflichtig , wenn die Banner auszogen 144); in ihrem Hauſe war ein Unglüdlicher vier und zwanzig Stuna den lang vor Blutrade po ficher als zu Biel auf der

Burg 145). Herrſchaft Dieb (wie löſen 147),

In der ganzen Verwaltung wurde die eine von der andern gemildert 140). Einem es billig iſt ) mochte ſein Gut ſein Leben Faſt ſo waren die Rechte des Hofes zu

Sufingen 148 ). In Biel ſtieg die bürgerliche Regierung , durch

Kühnheit und Glück , ſo hoch , daß der vorige Biſchof bald nachgeben mußte 149) , bald als gegen ſeines Glei, chen mit ihr vor Schiebrichtern ſtand. Es war ein

ſo unbåndiger Sinn in den damaligen Bürgerſchaften , daß mehr als Ein ſtrenges Geſeß dafür ſorgte , auf daß doch Rathsberren und Stadtſchreiber nicht ſogar in der Gerichtſtube fügen geſtraft und beſchimpft wür. den ; daß keiner dem andern in das Haus gebe um ihn zu ſchelten ; daß keiner an der Thürſchwelle ſeines

Feindes übernachte, keiner die Gloden låute um Aufs lauf zu erregen , und kein Bürger die (bey ſo geſtalten Sachen wenig angenehme) Rathsſtelle ausſchlage. Sie hatten einen Ratb , welcher nach den Monaten ſeines Amtes einen andern Rath wählte ; dieſer ſchwur dem

biſch flichen Meyer ; ſo ſchwar auch der Meyer ſowohl

368

II. Buch. Fünftes Kapitel.

Hem Rath als der Gemeine 150 ). Dieſe Stadt war int

ewigen Bünden mit Bern , Freyburg 151) und Murs ten 152) , und in ſolchen Burgrechten mit Graf Rudolf

zu Nidau 158) und mit Herrn Wilhelm von Granſon 154), daß ihre Oberband ſichtbar war . Dein Grafen koſtete das Burgrecht Wundert Pfund Pfennige 155) ; dem Herrn

son Granſon half die Stadt nur in ſolchen Kriegen , welche er nicht ohne ihren Rath unternahm 156 ) und auf ſeine Koſten 152).

in eben dieſer Verbindung Wilhelms war die Neus ſtatt am Schloßberg , ſonſt in ewigem Burgrecht 158) , mit Erlach , einer Welfdneuenburgiſden kleinen Stadt an dem andern Seeufer ; in allem wie Biel , nur fchwacher. So war das Nugerol 159) zur Zeit, als Jobant

von Bienne , Biſchof zu Baſel , nach Biel kam , und forderte , die Bürger ſollen dem ewigen Bund mit Bern entſagen . Hierwider beriefen ſie fich mit großer

Entſchloſſenheit auf ihre Rechte und auf das funfzehna jährige Stillſchweigen des vorigen Biſdoft. Johann von Vienne , unkundig ſowohl dieſer verworrenen Vera

faſſung als der Gewalt Berns , befremdet und erzúrnt beym Widerſtand ſeines Volks , legte die vornehmſten

Bürger gefangen auf die Burg. Es iſt aber in der Handfeſte , daß niemand in das Haus eines Bürgers pon Biel mit Gewalt bereingeben darf 160); wilfurlis

shes Gefängniß war in allen Stadtrechten verboten:

Geſchichte der Schweiz.

369

Als dieſe Maßregeln bekannt wurden , mahnte Biel die Stadt Bern ; ſogleich fandte Bern an die Eidgenoſs ſen ; ſie machten ſich auf , ohne Verzug , neunhundert aus den Waldſtetten und die Macht von Bern. Als

das Gerücht ihres Aufbruchs vor den Biſchof tam , ſandte er , hingeriffen von Wuth , alle ſeine Mann , ſchaft auf die Plünderung der Stadt Biel. Sie ges

ſchab , durch Ueberraſchung, nicht ohne Blut. Alb. dann befall er , Biel zu verbrennen 161) ; der Jammer des untergebenden Vaterlandes erſchallte in die Ges

wölbe der Gefangenen auf der Burg.

Der Biſchof

mit allen ſeinen Dienern machte ſich auf, eilte und kam auf Schloßberg ob Neuſtatt. Als die Berner ans kamen , ſaben ſie von Biel den rauchenden Schutt und alles Volk bey der Aſche in ſehr großer Kålte 162) und aller nothwendigen Dinge Mangel. Nachdem fie die

anziehenden Eidgenoſſen zurüdgemahnt , unternahmen und volbrachten ſie die Eroberung und Schleifung der biſchöflichen Burg mit Befreyung der gefangenen Bürger. Aber wider Neuſtatt vermochten die Bana ner , fo bereitwillig ſie zehn Tage der Kålte troßten , wegen ihrer feſten lage ohne Zeug nichts auszurichten . Daſelbſt verloren ſie Heinrich Zigerli, einen angeſehenen Bürger von Bern , woſelbſt er in einem großen 163) ,

und, nach der Alten Art , mit vielem Hausgeråthe koſte bar berſebenen Hauſe wohnte 164), Sobald der Winter ſich milderte 165), zog der Geo *. Müler's Werke. XX, 24

$ 70

II. Buch. Fünftes Kapitel.

walthaufe von Bern auf die Rache der Bieler in S. Imersthal zu Arguel. Unweit vom Urſprung der Birs iſt ein Felſentbor , von der Natur geöffnet , ers weitert von den Helvetiern zur Zeit als Aventicum

ſtand, zu Gemeinſchaft mit Raurachenland 16 ). Auf der Weſtſeite des felfen wurde von den Bernern Ars

guel verbrannt ; auf dem Felien hatte der Biſchof ein Bollwerk; jenſeits im Thal Graufelden zogen die So. lothurner zu Verſtårkung der Berner über den Berg bey Malrein ; von da führt ein enger Weg zwiſchen boben Felſen auf Münſter; daſelbſt lag des Biſchofs Macht. U18 Fobann von Vienne zu der Landesa rettung auszog , und bey Malrein von den Heben die Berſtärkung des Feindes erſchien , waren die Berner

noch aufgehalten durch den unerwartet feurigen Wis derſtand aus dem Bouwerk über dem Felſenthor. Dle Solothurner ftritten in großer Notb. Allein die Mannſaft von Bern (Venner Riedburg 167) vors

an) erſtieg und öffnete das Bollwerk.

Als die Flies

benden den Bildbof der Annåberung warnten , filoh Fo. Þann ; er wurde von den Solotburnern verfolgt; uns ter ihnen und Bern büßte das fand um den Fåbjorn

ſeines Herrn wider Biel. Dieſe Kriege wurden ohne gelehrte politiſche noch

militari de Plane mit allem Feuer entflammter Volkss leidenſchaften zu beyderſeitigem Verderben geführt. Als der Bildhof mit aller Macht ( ſo zuverſichtvoll, daß

Geſchichte der Schweiz.

371 er böhniſch drobete den Wald Bremgarten bey Bernt umzubauen) an die Ufer der Aare zog , wurde er auf, gehalten bey Olten , durch anſchwellende Waffer , und von ſeinem Dienſtmann Graf Rudolf zu Nidau , der Y

von dieſem unverſtåndigen Krieg Verbeerung ſeines Lan des beſorgte 167b ). Aus eben dieſer Abſicht vermittels ten alle benachbarten Städte und Herren , daß es bey dem fchon geſchebenen Uebel blieb ; die Stadt Bern , weil ſie , wider die Kriegsrechte , Kirchen berwůs

ftet 168 ) , verurtheilten ſie zu einem Erfaß von drey. Bigtauſend Gulden. Das ganze Einkommen dieſer Stadt , aus dem Weinumgeld , aus den 30tlen , der Nußung der Aare und aller andern Finanz war das mals um ein geringes her als zweytauſend Pfund 169) : .

und dieſe Summe für den gewöhnlichen Aufwand (ohne den vielen Wein , der den häufig ankommenden Herrs ſchaften geſchenkt wurde 170)) kaum zureichend 121). Alſo

würden die Schiedrichter auf dem Tag zu Balftal bile liger gefordert, oder die Vorſteher der Stadt ifren Spruch verworfen haben , wenn jene nicht båtten wola

len Bern demüthigen , dieſe vielleicht ihre Mitbürger 172 ). Denn die alte Verfaſſung von Bern (als dem (Geiſt der Schultheiß und Rath jayrlich an Oſtern " zweyhundert Negies angeſebene Bürger zugegeben wurden 173) und meiſtens rung . ) die Sachen , wodurch die Stadt und alle Nachkoms men verpflichtet werden ſollten , vor der ganzen Ges

meine geſchaben 134)) dieſe Verfaſſung wankte ; durch

372

II. Bud. Fünftes Kapitel.

den Ehrgeiz beſonderer Geſellſchaften 175) , Ueberſpanı nung des obrigkeitlichen Anſehns und Parteyung der edlen und achtbaren Geſchlechter 175b). Denn in den Fabren als Jobann von Babenberg vertrieben war ,

als die Regierung die ſtandhafte Begierde der Zünfte nach einer Veränderung der Verfafung 176) fab , vers ordnete ſie einen Dſtraciſmus , barin vårter als der Attiſche , daß auf dem Argwohn von wenigen fünf.

jåbrige Verbannung ſtand 177). Die Regierung nahm von ihren eigenen Mitgliedern den Eid , alle ſchädlich . ſcheinenden Sachen den Heimlichern 178) , dem Schulte

Beiß oder den Råtben zu hinterbringen. Denn ſo ſehr beſorgte ſie Gefahr von beimlichen Anſchlägen 179) und Berſammlungen 180 ) , daß , wer fidh nach der zweyten Feuerglođe ohne Licht in den Gaſſen finden ließ , auf Monare friſt verwieſen wurde 181) , und niemand ohne Erlaubniß geharniſdt in der Stadt ſeyn durfte 182). In Fällen pidzlichen Aufruhrs batte der Sdultheiß dictatoriſche Gewalt 183). Nach dieſem waren die von Bubenberg bergeſtellt worden. Uber nad dem Spruch der Schiedrichter auf dem Tag zu Balſtal fiel mit dem Glúc in Gerdaften die Ehrfurcht der Obrigkeit , ſo daß Geſellſchaften auf .

laufsweiſe zuſammenkamen . Der Rath , und wer una ter den Zweybunderten ſeine Verwaltung vornebmlich

billigte, verſammelte ſich bey den Predigermönchen 184 ), und hielt mit hundert Gebarniſchten den benachbars

.

Geſchichte der Schweiz. .

373

ten Spital befeßt. Ehe die Unzufriedenheit in Ges walt ausbrade , wurde für gut gehalten die Murrens den zu ſchreden . Alſo auf die Spur einer angeſpons

nenen Verſchwörung , zu deren Ausführung der Zhurms wächter bey S. Vincenzen Münſter auf den Ruf des verabredeten fooſungwortes 185) den Sturm ſchlagen follte , wurde dieſer gefoltert und bekannte. Indeß

viele , weil ſie ſchuldig waren , oder weil ſie die Obers band ihrer Feinde merkten , von der Stadt wis chen , andere aus Ueberzeugung oder Vorſorge ihrer Freyheit beraubt wurden , gieng der Thurmwächter zum Tod. Ehe er hingerichtet wurde , erhob er ſeine Stimme und ſchwur bey Gott , vor den er treten ſoll , und bey dem lebten Gericht aller menſchlichen

Dinge , daß er aus Zwang der Folter die Unwahrheit bekannt habe und unſchuldig rey . Nachdem dieſer bingerichtet worden , bekam einer von Dießbad 180 ) nebſt anbern angeſehenen Bürgern von geringerm Nas

men 187) Befehl , die Stadt Bern zu verlaſſen . Die bodiedlen und die achtbaren Bürger vereinigten ſich 187b ).

.

Daß die Zünfte dieſer Stadt nicht, wie zu Zürich, die höchſte Gewalt in ihre Hand brachten , kam nicht

von ſo gewaltſamen Anſtalten , wodurch eine berzhafte Bürgerſchaft eher zu aller Kühabeit angeflammt wird ; ſondern am allermeiſten von dem großen Rath , ohne welchen die Vorſteber nichts widtiges thaten. Der große Rath iſt eine Mittelmacht wider unmaßige Ges

374

II. Buch. Fünftes Kapitel.

walt , wodurch der Bürger gegen die Digarchie des Rathes , der Senat gegen die Odlokratie 188) des Bolks bewahret worden.

Dem Biſdof wurde an den drey Bigtauſend Guls den laum der zehnte Theil bezahlt , weil die Regies rung (da fie billig nicht mehr geben wollte ) nicht ungern ſagte, fie dürfe nicht , aus Furcht vor dem Volk 189) . So idloß Johann von Vienne den unbebachtſamen

Krieg , worin er anfangs das Andenken ſeines Nas mens geſchåndet, hierauf die Verwüſtung ſeines fans des nicht hindern können , und endlich genöthiget worden 1, faſt alle Stiftsgüter zu verpfänden 190),

(Sitten ) So ſehr zu Bern der Udel im Stechen und Rens nen und überhaupt mehr als in vielen andern Ståd.

ten an feinen Sitten hervorleuchtete 191) , lo ftreng wurden faſt alle Spieltiſche verboten 192) ; gleich vå. terlich und weiſe , wenn die Regierung den Familiens wohlſtand erwog , wodurch von dem Staat manche

Gefahr abgewendet wird , oder wenn ihre Abfidt war , die Geſchåfte mit ſolchen Spielen zu wechſeln , wodurch die Griechen und Römer ſtart wurden zu

aller Arbeit , allen Freuden des Lebens. Vielleicht aus Mißtrauen gegen zahlreiche Zuſammenkünfte 193) verboten fie , zu Troſtmålern ben Begräbniſſen mehr als zehn Gåſte zu bitten, Löfler , einen Mann von Bremgarten , welcher ein Freygeiſt war 194 ), ließen ſie nach dem geiftlichen Recht,

/

375

Geſchichte der Schweiz.

welches den Ungläubigen einen Vorſchmad des bollis ſchen Feuers geben wollte, auf die Mahnung des bis ſchöflich Lauſanniſchen Officials verbrennen. Als er mit großer Feyer auf den Richtplaß geführt wurde , fagte føfler zu dem Scharfrichter , guter Freund , es iſt nicht volz genug da ; ſo gelaſſen ſtarb er 195) ; er war nicht in dem Unglauben , welcher die Seele abs ſpannt und entnervt, ſondern in einem (wenn ja uns

richtigen ) Glauben , welcher ſehr über die Sinnligkeit erhob,

Bern , gegen Zürich genommen , war durch die

Die

Lage in einem offnen Land unter vielen Herren , ges Schweiz überhaupt. waltiger an Herrſchaft, und kriegriſcher durch den Geiſt ſeiner Stifter. 196 ) ; die Verfaſſung von Zürich begüns .

ftigte mebr die Entwidlung des Geiſtes aller Klaffen des Volks in Künſten und Sitten des Friedens ; dieſe

Bürgerſchaft mochte ſich ſittſamer 197) bilden , zu Bera waren die Regenten großer ; ſo wurde jene eine viele leicht vollkommnere Stadt , Bern eilte empor in den Rang einer ſtarten vollkommenen Republik. Lucern war unter beyden , ohne eigene Schuld ; aber der edlen Geſinnung , womit ihre Bürger willig Leib und Gut 198) für das Vaterland gaben , ließ die Habsburs

giſche Macht weder eine ganz freye Verfaſſung noch viele Ausbreitung zu. Zug und Glaris ertrugen ohne Unwille die Herrſchaft, ſeit ſie dieſelbe nicht zu ſehr fürchten mußten. In den Waldſtetten war ein ſtilles

376

II. Buch . Fünftes Kapitel .

unveränderliches Hirtenleben , für Freyheit und Freuns

II.

de 1986) allezeit růſtig. Die acht Orte der Schweizeris Ichen Eidgenollen waren ſo in den Jahren des Zbor. bergiſchen Friedens. Der gefürſtete Abt von S. Gallen berrſchte in eis

Benachbars nem weitläuftigen fand , welches dem Kloſter als eine te. 1. S. Wüſte vergabet worden , und unter dem geiſtlichen Gallen . Stab zu ſolchem Fior aufgewachſen war , daß es ent, weder übermürbig oder für alte und natürliche Rechte kuhn zu werden anfieng. Weber die bey dem Stift entſtandene Stadt , noch die um Appenzel angebauten Ländchen 199) wollten ſoviel Gehorſam leiſten , als er

willtürlid, fordern mochte. Die Stadt , reich genug , um dem ust in Geldnoth beyzuſtehen 200) , durch ver, .

burgrechtete Semperleute 201 ) und andere freye Måns ner ſtarf, war , mit Ausnahme gewöhnlicher Dienſte und Steuern an ihn 202) , in ihren vier Kreuzen dem Neich verbunden 203). Gleidergeſtalt, in ſofern das

Bergland nicht wegen eigener Güter und Leute dem Abt pflichtig war , diente es zu Handen des

Reichs dem Freyherrn Ulrich von Königsel 204 ) und Graf Albrechten von Werdenberg 205) , welchen die Vogten und Steuer 206) durch Kaiſer Ludwig aus Bayern verpfändet worden. Die ſtarke Bergfeſte Clanx bey Appenzell wurde von dem Abt , nicht ohne Bürg, fchaft, einem fichern Mann zur Wartung vertraut 20%).

Roſenburg war der Freyherren von Rochach 208);

Geſchichte der Schweiz.

377

dieſen wurde ſie von den Gielen zu Glattburg , drey Brüdern , um Anſpruch einer Geldſchuld , überras

Tohungsweiſe abgenommen. Aber dieſer Zufall verdroß den Burgvogt, einen Landmann von alter Zreu , der des unrechten Gutes wider ſeinen Willen wartete, und

als er die Gielen allein ſah , ſchlug er ſie tod ; er ſelbſt

unterlag der großen Leibesſtårke ihres Knechts , wenn ihm nicht ſeine Tochter ein Meſſer gereicht båtte. Hierauf warf er freudig die Feinde feines Herrn von

der Mauer , und wartete der Burg bis auf ſeine Uns kunft 209). Aber die Stadt S. Gallen , das Volk von Appena Herrmanın

zell und alle Gotteshausleute , welche in den unglücklis dhen Zeiten Abt Wilhelms von Montfort , unter der Barten Herrſchaft Heinrich von Ramſtein und unter

der ſchwachen Verwaltung Abt Hildebolds von Werbo ſtein , Ehrfurcht und Liebe (die wahren Stůßen aller , vornehmlich der geiſtlichen Herrſchaft ) faſt vergaßen , gehorchten willig und ohne alle Zerwürfniß dem Abt Herrmann von Bonſtetten 210) wegen ſeiner Milde. So tapfer und Kriegsverſtändig Herrmann ſich zeigte , .

als er in Fehden die Gnade Raiſer Ludwigs verdient 211),

ſo klug als er durch frühzeitige Dienſte Kaiſer Karl den Vierten , im Anfang des noch unbefeſtigten Throns , ſich zum Freunde erwarb 212 ) , ſo billig war er auch ; fo ohne Mißtrauen 213) ; fo bereitwillig zu allem , was gemeiner Nußen ſeyn konntę 214) , und nur für ſeine 2

von Bons

ſtetten .

378

II. Buch . Fünftes Kapitel .

eigene Bereicherung unbeſorgt 215). Nachdem er fida die Stadt S. Gallen durch eine Freyheit für ihren Spi. tal 216 ), und Appenzell durch die Erlaubniß eines lands rechts mit Schwyk und Glarid 217) , noch verbunden , ſtarb Abt Herrmann von Bonſtetten . Bey ſeinem Begråbniß erhielt er die beredteſte fobrede eines Für. ſten , unverſtellte Zbrånen ſeines Bolle 218) ; er blieb

in ſoldem Gedächtniß , daß in den Streitigkeiten mit ſeinem Nachfolger die Stadt immer nur ſeyn wollte wie unter Bonſtetten 219). Georg von U18 abt Georg von Wildenftein vielmehr fürften Wildens ebrte , als Bürgern und fandleuten geneigt war ; als Mein. der Herzog von Zet , einer der vornehmſten Deftreichis fchen fandpfleger , in ſeinen Sachen das meiſte vers mochte 220 ) ; erhob ſich im Kloſter und im ganzen Sande bald mancherley Span. Zwar verbot Karl der Vierte , daß die Stadt Mönche wider den Abt 221) ſchirme, und Appenzel mußte allen fremden fands rechten und Bündniffen , ſo lang Abt Georg lebe , eidlich entfagen 222). Es iſt aber das Verhältniß der Stadt und des Stifte S. Gallen in Vergleichung jener Verhältniffe des Biſchofe zu Baſel zu feiner 1

Stadt Biel , noch um ſo viel ſchwerer nach uns veränderlichen Geſetzen zu beſtimmen , um ſo viel die

Eiferſucht und Unvertråglichkeit größer ſind, went zwey ganz verſchiedene Regierungen , und Menſchen pon ganz perſdiedenen Sitten , im Umfang der gleis

Geſchichte der Schweiz.

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chen Mauern 223) beyſammen leben müſſen ; ein bers riſchdenkender Prälat , sou Errinnerung , wie gewal. tig ſeine Vorfahren in der Wüſte geherrſcht, und eine auf Reichsfreyheit und erworbene Rechte deſto wadhfa. mere Bürgerſchaft vol Gefühl ihrer ſelbſt. Doch A

machten damals die Bürgermeiſter, Ammann , Rath und Bürger der Stadt S. Gallen mit Georg von Wildenſtein den Vertrag : ,, wie er ferners den Stadts wrath ernennen und einen ihm beliebigen ehrbaren

Mann zum Ammann ſeken möge ; wie über Erb und ,,Eigen vor den Gerichten dieſes lettern 224) und um „Lebenſachen auf des Kloſters Pfalz nach altem Hers ,,kommen das Recht walten ſoll, und um Dienſte und ,,Steuern dem Abt und ihnen Bonſtettens Verwals ,,tung Regel ſey 425 ). " Nachdem die Herren des fans

des gelernt , ihm 220 ) und Deſtreich 227) Gehorſam zu

leiſten , regierte Georg nach den Schranken ſeiner Ges walt, nicht ohne Nußen für die Abten 228 ). Die fånds den Appenzell, Hundmyl , Tåffen und Urnåld traten

durd Porſchub der Stadt S. Gallen in die Verbins dung wider alle unrechtmäßig ſcheinende Gewalt, welche von zwey und drey Big Reichsſtädten und von den Fürs ften zu Bayern , Pfalz und Baden aufgerichtet wurde. Dieſe vier Låndchen wählten jährlich dreyzehn Pfleger åber des Landes Nothdurft , beſonders die Geſchåfte des Bundes ; eben dieſelben machten die Eintheilung 2

der Sandſteuer nach den Kopfen. Da die Wahl des

II. Buch . Fünftes Kapitel.

380

Ammanns und Gerichtet, da Erſtattung, felbft rács ſtåndiger ubgaben (in ſo weit ſie rechtmäßig waren) dem Abt vorbehalten wurde (der Bund gewåbrete nur die Verfaſſung ) , ſo wurde von Georg in ſeinem letzten Jahr dieſeß zugelaſſen 229) : um kleine Sachen wollte auch das Haus Deſtreich den Bund nicht beleis digen 23). Cuno von

Abt Cuno von Stauffen , beffen Hohe Geſtalt und

Stauffen . ſtarker Bau den Herrn verkündigte , welcher gütige Sitten für niedrig hielt , wollte erſt dann auf die Freys, heiten der Stadt ſoworen , wenn fie ihm gebuldiget

babe ; die Heirath iner Uppenzetterin mit einem Búrs ger von S. Gallen verbot er der Braut , bey Verluſt ihres Vermogens 23 ). Rechte, welche ein Fürſt vor

der Huloigung berdwórt, find Grundgeſebe ; die, welche er nachmals beſtåtiget , ſcheinen ſeiner Gnade

unterworfen. Es iſt eine Unvollkommenheit geiſtlicher Sürſtenthümer , daß der Nachfolger oft in der Verfaſı fung des fandes fremde iſt. Suno verburgrechtete fich zu lindau , damit auch er bey den Städten etwas vermöge; ſonſt hielt er fich ganz an Deſtreich. Indeß er fich von allen kaiſerlichen Hofgerichten losſprechen ļieß 232) , gab er zu , daß Herzog leopold oder ſein Rath , wie der Kaiſer ſelbſt , in ſeinen Sachen richten möge 233). Als er , bey Ertheilung des Rechtes vers

pfändete Reichsvogteyen zu löfen 234) , verſprada , daß nie zum Nadtheil des Herzogs geübt werden ſoll,

5

Geſchichte der Schweiz.

ŽST

ſo war deutlich , daß er damit nur auf Königsel 235 ) und Werdenberg 236) ziele. Dieſe Geſinnungen waren bon ihm bekannt , als er durch Porſchub der Stadt finbau bey der Vereinigung der Stådte am See und

nachmals auf dein Bundestag zu Ulm S. Gallen und Appenzell verklagte. Ueber das Vermögen der Braut aus Appenzel verordnete der Bund nach Billigkeit und nach fandes Recht 237), und befahl der Stadt S. Gallen , fie ſoll, nach Beſtätigung der Verfaſ ſung , ihm ſchwören , wie ein Mann ſeinem Herrn , Treue und Schirm 238), Aber Cuno mußte bafür dem

hinterliſtigen Bürgerrecht mit kindau und namentlich dem Schiru der Herrſchaft Deftreichs entſagen 239).

Dem Herrn von' Ramíchwag (der ſowohl um die Feſte

Blatten im Rheinthal ſein Dienſtmann als auf gewiſſe Zeit ein Diener Grafen Rudolfs zu Feldkirc) von Montfort war ) wurde befohlen , daß , wenn Rudolf ibn wider den Grafen von Werdenberg , Vogt bon S. Galien , mabne , er nichts thun roll ohne den groí

Ben Rath von Coſtanz 240). Es war eine gerechte Denkungsart in den verbundenen Stådten ; fie verurs theilten eben ſowohl die S. Galler, wenn ſie idulbis

ge Lebenderkenntlichkeit verſagten 241) , als den Ubt, wenn er zu viel forderte 242) ; in dunkeln Sachen folg . ten ſie dem Herkommen der nådsſten Stadt 243).

Es giebt wohl keine natürlichern 244 ) , keine zum Boſen unbehůlflichern 245) , keine ben zweckmäßigen

382

II. Buch . Fünftes Kapitel .

Geſetzen ſo ſtarken 240) Verfaſſungen als Eidgenoffens ſchaften , überhaupt. 2. Nhåtien. Im boben Rhåtien blieb des Volks Freyheit in den Sur. obgemeldeten Gränzen 247). Mit großer Mühe bes hauptete der Biſchof zu Cur durch die geheiligte Würs de und erworbene Landmacht einige Uebung derjenigen Obwaltung , welche die alten Kaiſer ſeinen Vorfabren

über das land von dem Septmer bis an die larts quart 248) vertraut hatten. Papſt Johann der ein und zwanzigſte gab dem Bistóum einen Vorſteber von ers probter Entſchloſſenheit, Ulrich vom Hauſe der Schults heiße von Lenzburg , der ſid) nicht geſcheut, in Mainz als ſector der Auguſtiner auf der Kanzel wider fudo

wig von Bayern den Bann auszuſprédien 249). Nach ſolcher Probe der Treue verſuchte Biſchof Ulrich den Papſt dem Kaiſer zu verſöhnen ; und nicht ſo abges neigt fand er den Hof zu Avignon , als unterjocht von dem Königshauſe, das über Frankreich und Neapolis herrſchte 249b). Ihm Som úbergab Herzog Ulbrecht von

Deſtreich die Führung der Geſchäfte in den vordern Erbland bey Leben ſeines Neffen Herzogs Friedrich 250).

von ihm wurde Rietberg 250 b) und Hohenjuvalta, von Biſchof Peter , einem Böhmiſchen Herrn , Karls des Vierten Canzler , die Burg Hohentrum& 251) , viele andere Schloſſer wurden von Biſchof Jobann , Hers

zog Albrechts Canzler , aus demſelbigen Hauſe der Soultheiße von Lenzburg , um adottauſend Ducaten

Geſchichte der Schweiz.

383

dem Hochſtift erkauft 252). Souft reichsneten 253) mit freyer Macht 254) Grafen von Werbenberg , der Frey. berr von Razůns , der Vogt von Metſch 254b) , der Herr von Belmonte , Zwanziger von Remus 255) und andere Gewaltherren des Landes und Volks .

Rudolf Graf zu Werdenberg Herr von Sargans , Werdens Erbe des großen Barons Johann Donat von Baz , berg. tam in Zerwürfniß mit ſeinem Vetter , Heinrid Frey,

berrn von Razůng , über dem Erb der Edlen von Freyberg : "zu dieſer Sebbe ftand ibm bey , fein Brus

der Graf Hartmann , eben wie fie um Wartenſtein den Krieg wider Pfåvers mit verbundenen Waffen geführt 250 ) ; auch balf ihm der Ebelknecht von Ehren,

fels. Dem Feind ſtand bey ſein vertrauter Freund

Freyberro.. gewaltigen Zhurms zu Rietberg . Sie ſtießen zuſammen in Tomiliaſca , dem Dhal des hins tern Rheins , in der Vigthumey des Herrn von Plans ta 257). Der Streit wurde wegen der Nacht nicht

ausgefochten ; doch ſchien , mit vielem Verluſt, Rús dolf zu gewinnen , Razung und Rietberg fielen in ſeine Hand , als der Feindes Diener , des fandes kundig , den Grafen Hartmann , ſeinen Bruder , welcher ihm

zu Hülfe zog , überfielen und ſich ſeiner bemächtigten , Ehrenfeld aber von allen ſeinen Gütern vertrieben. Da geſchab durch Vermittlung Abt Hermanns von Pfåvers und Hartmann Meyers von Windegk , daß

der Herr von Razůns Freyberg behauptete. Der Krieg

)

II. Buch . Fünftes Kapitel.

384

war in ſeinem eigenen Land geführt worden , beffett er kundig war.

von einer andern Fehde , worin eben dieſer Graf Rudolf ſeinen Muth wider Ulrich Walther , Freyberrn

von Belmont verſchwendet , blieb lang im Gebirg die durch der Zeiten fauf verdunkelte Sage : wie er mit Feuer und Schwert von Montaun her eingedrungen , an der fandwehre bey der Hauptkirche von fugacz tapfera Widerſtand von Weibern fand 258) , bierauf

Belmont , im Lugnez , bey den alten Nýátiern ſeinem Volk , über den ſichern Feind den långſtgeſuchten Vora theil erſeben 259) , alle die , welche zu Eur im Kreuz. gang der Prediger liegen , und viele andere edle Herren erſchlagen , und Graf Rudolfen mit den Uebrigen 260 ) gefangen genommen . Sn denſelbigen Jahren wird von dem langen Kun , einem Vornehmen aus den

Waldſtetten , geſchrieben , wie er mit gewaltigen Kriegégeſellen aus dem Hochgebirge verheerend nach Khåtien gekommen, ohue daß von Veranlaſſung, Tha. ten und Folgen andere Spur ſen , als bey Davinaſca erſtaunlidye Gebeine 251).

So ſehr Graf Rudolf , wie alle Montfort , vom Glück verfolgt wurde oder in Berblendung der Leis denſchaften auf ſein Verderben losarbeitete, wurde er

doch als Erbe von Vaz und ritterlicher Held in Rhảo tien gefürchtet und von den Viſconti geehrt. Als er bon Galeazzo Biſconti, Herrn der Stadt Mailand ,

Geſchichte der Schweiz.

335

mit ſehr geringem Gefolge zurůdkam , und ben Cams podolcino unter Räuber fiel, die auf ibn idoffen, flog ſein hartgeſporntes Pferd ſo ſchnell mit ihm davon , daß er im Zurüdſeben durch einen Stoß an einem Baum

tod blieb 262). Galeazzo nahm ſeine Nache; zwölf Männer on Plurs , dem beſten Fleden der benach . barten Gegend, hielt er ſo lang in Gefängniß und Marter, bis die Räuber gefangen wurden ; dieſe opferte er der Blutrache , für ſich nahm er von den Plurſern

11

Geld .

Valtellin , jeßt geordnet 262b), ganz Chiavenna , 3. Italia:

von welcher Herrſchaft Plurs die ſchönſte Zierde war 263); niſche Sas chen : Poſchiavo , ein fo angenehmes als wegen des Paſſes von Mailand nach Tyrol wichtiges land ; dieſe Gegena

den 2, Bormio , geſund und fruchtbar , und Bellinzona der große Paß, waren unter den Viſconti, welche jene åber das Hochſtift Cur eroberten , in dem Krieg , dert Graf Ulrich von Metſch , deffelben Vogt , wider des

Biſchofs Willen geführt 204); Belenz wurde dem Hauſe Nuſca entriffen , da eß nach Azjo Viſconti's Tod Gei danken der Selbſtftåndigkeit wagte 264b). Der lange See, durch die Locarneſer oft unſicher , war durch ihre

Unterwerfung berubiget 264C ). Endlich wurde aud das anmuthige Chal Blegno der Herrſchaft zuger wandt 264d), Sierauf als die Partey Papſt Gregors des Eilften und beſonders Markgraf Nicolaus von Eſte

zu Ferrara , unter dem Vorgeben Toſcana zu bewah. Oy Müller's Werke. XX,

25

386

s l II . Buch . Fünfte Kapite .

ren und in der Lombarden die Freyheit herzuſtellen, den Untergang der Macht Galeazzo Viſconti und Barnaba feines Bruders beſchloſſen , wollte Friedrich Biſchof zu Cur dieſen Anlaß außen 265); aber zu eignem Vers derben 266 ). Die Biſconti erbielten vorhin von den acht Orten

der Schweizeriſchen Eidgenoſſen und von der Stadt Solothurn , daß der kriegsluftigen Jugend erlaubt wurde über das Gebirg zu ziehen, den Staat von Maio

land behaupten zu belfen . Dieſe breytauſend Mann baben vielleicht zuerſt in den Staliäniſchen Kriegen den Rubm der Schweizeriſchen Waffen bekannt ges macht 267). In dem ſpätern Krieg bemůbete fich Gres gorius , dem Viſconti dieſe Kraft zu nehmen 268). Star lien konnte ihr Vaterland nåhren ; der Feldbau hat enge

Grånzen in der Schweiz, und Volt iſt genug, weil das Hirtenleben wenige Hände erfordert. Als zur felbigen Zeit noch vieles brach oder verwüſtet lag , oder unter fremder Herrſchaft war , führte ſie die Gemüthsneis gung darauf , durch die Waffen ihre Nahrung zu ſus dhen . So blůbete im Alterthum faft nur dieſe Kunſt, weil geglaubt wurde , das Gemüth werde durd Ges winnbetrieb erniebriget .

Es iſt wahr : Neben dem Landbau kennt ein freyes Volt nichts ålteres , natürlicheres , befferes , als die

Fåbrung der Waffen . Der Frenheit Muth und ſtolzer Genuß ; das Geheimniß ihrer Verbindung mit genauem

1

Geſchichte der Schweiz.

387

Gehorſam ; ein, zu des ganzen Lebens Glůď unendlich widtiger, gefabrderachtender Sinn ; eine gewiſſe, Månı nern geziemende , Sitteneinfalt; aller Nußen , welcher dem Staat , alle Glückſeligkeit, welche für jeden aus der Gewohnbeit vertrauten Beyſammenlebens mit brů .

derlichgeſinnten Männern entſteht ; Heldengeduld unter der Arbeit ; nad der Arbeit ſorgloſe Rube ; was iſt edo les im Leben , was iſt großes in der Hiſtorie, das ein

freyes militäriſches Volk nicht babe ? Es wird von ſein ner Obrigkeit in Ehren gebalten : es beſteht in eigner Kraft ; und es trennt mit Sdwertes Gewalt Gewebe der auswårtigen Staatslift und der inlånbilden Tyran ney. Gern giebt ibm das Handelsvoll Gold,um ſein

Eiſen ; kein Königreich beſteht ohne Waffen ; ſolch eine Nation iſt am långſten Herr ihrer ſelbſt und über ihre Herren ; ſie iſt frey von (des Lebens Marter ) der Furcht. Wo Wallis nicht vermittelft Urſeren in einigem 4. Wallis,

Zuſammenhang mit Nhätien war , lag es zwiſchen zwey febr oft wider einander kriegführenden Staaten ; Mais land und Savoyen. In der Verfaſſung war das land Oberwallis dem alten Bådtien gleich ; ſo wie die eilf Båotarchen keine erhebliche Sache unternehmen durften, obre" den Willen des Ratbes jeder Stadt , ſo iſt aus

unbekanntem Alterthum in Oberwallis ein fanbrath 269), der nichts Großes thut ohne die ſieben Zehnten 270) , worein das Land getbeilt ift. Sitten, die einzige Stadt, war Zbeben gleid), wie es war , ehe Philolaus die

388

II. Buch. Fünftes Kapitel.

roben Gemüther durch milde Geſéße belånftigte. Els nen Borzug hatte das gemeine Wefen der Walliſer ;

des Biſchofs von Sitten heilſame Macht 270b) , welche ihm von den alten Kaiſern , wie dem Biſchof zu Eur , anvertraut worben war : dadurch geſchah , daß nie eitt Landeshauptmann 271) zur Lyranney gelangte , node gwiſchen Sitten und Viſp (einem bald gleich wichtigen und alten Drt 272) ) verderbliche Feindſchaft, wie gwir iden Theben und Platåen , ausbrady. .

Die Stabt Sitten wurde von ihren Bürgermeiſtern

und Råthen gemaß den Gefeßen regiert , welche die Gemeine der Bürger mit voller Gewalt fich felbft

gab 273). Niemand mochte um Erb und Eigen von des Biſchofs Gericht 274) ohne ehrbare bürgerliche Rich ter 275) , niemand ohne Beyſtand 276 ) auf Gerücht und Argwohn 277) oder bermittelft willfurlichen Mißbraucht der Folter 278 ) gerichtet mod verartheilt werden. Syns dike 279) wachten über die Erhaltung der Ordnung und

Stadt , und nach dem Gefeß durfte unrechtmäßiger ) jedermann widerſtehen . Zwey Syndike, Gewalt 280) jeder mit einem Einkommen von vier Pfund, verwalter

ten die Sache der großen Gemeine zu Viſp 281 ); doch war daſelbſt weniger Gleichheit, wegen des Abels body, můtbiger Macht, und weil auf der Hüpfburg die Grao fen Blandra noch herrſchten 282 ). Man fekte ordente liche Schreiber zu Urkunde bürgerlicher Handluno

gen 282 b). Kriege 283) wurden von dem Landrath nach

1

Geſchichte der Sdyweiz.

389

dein Willen der Zehnte beſchloſſen . Die Verſammlun . gen des Landrathes waren auf Majoria ( der Meyers burg) des Biſchofs Wohnung 284). Wiſdard von Las

velli zu Gradez, Biſchof zu Sitten , kaufte das Erbs lehen der Meyerey aus der Hand Berchtolds von Greyin 285) , Unter allen Großen blůbete Frenberr Unton von Anton von

Thurn zu Geſtelenburg , durch Adel , Anbang* und Churr. Menge der Gåter. Dieſer warf bey Raiſer Karls Aufenthalt in Bern den Handdub vor den Kaiſer ,

anzuzeigen , daß er in gerechtem Zweykampf behaupten wolle, Bern übervortheile ihn im fande zu Frutigen 286) ;

den Handſdub nahm Cuno von Rinkenberg auf ; der Kaiſer verhinderte den Zwenkampf. Wiſdard von Das velli ſtand ſowohl dem Bisthum alß dem gemeinen Weſen zu Wallis. in ſehr ſchweren Zeiten 287) , bis ia das drey und dreyßigſte Jahr vor ; mit vieler fiebe des Bolts und mit ſolchem Zutrauen der Nachbaru , daß er über Unterwallis, des Grafen von Savoyen Statta balter 288) war . Als er in grauem Alter auf Seyon , einer Burg binter Sitten auf einem ſehr boben Felſen ,

mit ſeinem Caplan Gottesdienſt pflegte, tamen Leute von dem Sohn feiner. Sdhweſter , Herrn Unton von Zhurn, mit welchem er um Rechte ober Gåter der Menerey in Zweyipalt war. Alb der Biſchof fid weis gerte , dieſe Anſprüche zu ehren , erbitterten ſich die

Gemåther ; endlich fieten fie ihn an , riſſen iba , Gott 2

390

II. Buch . Fünftes Karitel .

und Men (den vergeblich flebend , fort , und ftürzten ihn von der Burg die Felfen herunter in die Liefe tod 288 b) . Als die Nachricht von dieſer Zhat in die Stadt Sitten kam , und bald in ganz Wallis alle Ges

můther bewegte , trennten ſich von der Meinung des fandes Peter Freyberr von Raron , Heinrich rein Brus der , der Graf Blandra und verſchiedene der Großen, als wenn Parteyung fenn dürfte , wo Natur und Vas

terland redet. Gombs , Brieg , leuk , Siders und Sitten , fünf Zehnte von fiebon , machten ſich auf , .

ichwuren die Rache der That , fiengen an und brachen die Burg zu Gradez. An der Brüde bey St. Leone bard, als das Volk hinaufzog wider die Burg zu Ayent,

und der Udel ihm begegnete, erhielt es einen vollen Sieg. Judeß unterſtüßte Amadeus zu Savoyen , welcher als der grüne Graf berühmt iſt 289) , mit Bewaffnung der vornehmſten Dienſtmanne feines benad barten fans des 290), daß Edward von Savoyen , Prinz von Achaja 291) , an dao Hodſtift Sitten erwählt wurde, Die Banner der Blutrade, obidon der Freyherr von Thurn Geſtelenburg Savoyen verkaufte , belagerten dieſe Feſte lang , und brachen ſie ohne Scheu . Da fiel das fotíderthal zwiſchen Geſtelen und Frutigen von ihm ab ; die Bande der Leibeigenſchaft, unter welchen die fdtider ſeiner Widfür dienſtbar waren 292) , wurs

den in erträgliche Steuern verwandelt , und Kaſtlane mit Gerichten und Policey angeordnet 293).

1

Geſchichte der Schweiz .

394 1

Mit ſo vielem Schein der Gerechtigkeit fie alles bies

fes,gethan , ebenſo tapfer behaupteten die Walliſer. ibren Krieg wider Thüriny von Brandis . Dieſer Frey , herr , ftark im Sibenthal durch ſeine Mutter von Weis.

Benburg 294) , führte ſeine Mannſchaft für den Freyherrn von Zhurn wider die fandleute von Wallis , vielleicht weil ſein Herz Entſchuldigungen für ſeinen Freund fand,

oder weil ißm hart ſchien , im åußerſten Unglück , wes gen eines Verbrechend ſeiner Leute, ihn zu verlaſſen . Herr Thüring fand geſchidten Widerſtand , und wurde zu Wallis erfdlagen 295 ) ; die Sibenthaler bedienten fich zu Sicherung des Rüdzuges des Vortheils der Håben. In den Tagen dieſes Unfalls mag eine feind.

liche Parten , welche die große Dorfſchaft 290 ) an der fent zu hinterft in Oberfibenthal zu plündern unters ftand , bey den Weibern für Gut und Kinder die Herz.

Baftigkeit gefunden haben 297) , welche noch in Panda ſagen berühmt iſt. Anton von Zhurn zog aus dem Land und lebte als einer der bornehmſten Råthe an

dem Hof des Grafen zu Savoyen 298 ). Dieſer, der grüne Graf , einer der größten Fürſten, ſeines Hauſes, vermittelte durch ſeine Klugheit ſowohl den großen Krieg der Genueſer und Venetianer als viele andere Fehden 299) , und wußte zu vermeiden , daß, da er die Savoyſdhe Macht glüdlider als viele ſeiner Vors

fahren vergrößerte und befeſtigte, keine gefährliche Eix ferſucht wider ihn entſtand. In Wallis tebauptete er,

F. Buch. Fünftes Kapitel.

392

den Biſchof Edward , Pringen vor Uchaja , deſſen Bers waltung dem Land misfiel 300) , burdh fein Anſehen

obte Waffen. Der Krieg in diefem Zhal war koftbar und mühſam , der Sieg nicht gewiß und nach der Lage der Italianiſchen Geſchäfte vielleicht für Savoyen da. malo nicht ſo nützlich als gefährlich , weil die Erobes rung ſo widhtiger Påffe den Johann Galeazzo Viſconti, Herrn von Mailand 300 b) , nothwendig beunruhigen mußte. Der Gedanke, fich der Eiferſucht beyder Mädyte

zum Beſten des Landes zu bedienen , entgieng den Håuptern des Volks von Wallis nicht; nur waren fie

von der täglich ſich åndernden Lage der auswärtigen

Geſchäfte nicht unterrichtet genug , um die günſtigſten Zug Amas

Augenblice zu wählen 301) . Sobald Amadeus, der grüne Graf, an der Peſt ges

Reus VII. ftorben , ergriff Oberwallis die Waffen , vertrieb den Biſchof Edward , ließ von der Majoria , von Türbelen

und Baleria die Mailändiſche Fahne weben 302), ben måd tigte ſich der Savoyſchen Herrſchaft in Unterwals lis, und fiel ia Chablais ein. Dem Fortgang dieſer Waffen widerſetzte ſich du Vernay:,. Marſchall von San voyen , Pontverra mit Fußvolk , am freudigſten der Freyherr von Thurn mit ſo viel ſchwerer Kavallerie, als ihm zuſammen zu bringen möglich war . Die Wals liſer zogen fich zurůⓇ ; Ardon wurde eingenommen , Chamoſon ergab ſich . Umadeus der Siebente, in Waffen erzogen , auf den Turnieren unter dem Namen .

Geſchichte der Schweiz,

393

des rothen Grafen berühmt, Idhon ein ſtreitbarer Held , und begierig den Ruhm ſeiner angebenden Herrſchaft auf einmal feſt zu ſeben , fandte eileads Aufgebote an diejenigen Herren von Hochburguud , you der Wadt, .

von Dauphine und Piemont, welche er als die Tapfer. ften und Kligſten oder als die Eifrigſten in Bewers bung um ſeine Guuft kannte. Zugleich erwarb er durch Herrn Humbert von Colombier zu Vuillerens, kandı

vogt in der Wadt, auf einer Zuſammenkunft in Murs ten 303) , daß der ewige Bund , welden Bern mit feis nem Vater geſchloſſen 304) , von den Råthen und der Gemeine 305) unter dem Schultheißen Otto von Bus þenberg nicht allein erneuert , ſondern in den Hochſtifs ten Lauſanne, Sitten und Genf ihm noch långerer 300 ) Beyſtand verſprochen wurde 307 ). Hierauf sogen taus ſend Mann von Bern in das Oberlander Gebirg an die Panomarken von Wallis ..

Es eilten über den Berns

harbsberg mit vielem Bolt von Piemont Amadeus

und Ludwig von Sappyen , Prinzen von Morea , des. Biſchofs Neffen 308) ; der tapfere Coligny d’Andelot 308. an mit Mannſchaft von Burgund; Heinrich vonMonts, faucon , Graf zu Mümpelgard , mit allen ftreitbaren Männern von Echallens und Arbe ; Graf Rudolf zu Greyerz, dem Hauſe Savoyen mit Leben und von mes gen ſeiner Gemahlin 309 ) verwandt ; Wilhelm von

Granfon und Aubonne, des Vertrauens eingedenk, wel. ches der grüne Graf ihm bis in die lebten Stunden bex

:

i

II. Budy. Fünftes Kapitel.

394

wieś 310) ; Nicod vom alten Stamm Blonay 311 ) , las farra , des Monts , Eſtavayel, der Landvogt Colomo bier , alle zogen in das Land Wallis. Der Baron von 1

Granfon ertheilte dem Grafen von Savoyen die Ritter.

würde ; der Graf gab fie ſeinem jüngera Vetter von Morea und Heinrich von Montfaucon.

Sie kamen unaufgehalten , vorbey den Ort , wo Caſars Feldberr Galba den Veragern kaum widerſtand ; weil die beſte Mannſchaft aus den obern Zehnten , auf Warnung aus dem Oberland , die Grånze auf Gandek wider das Volk der Berner mit großer Mühe kaum bes. þauptete. Sene legten die untern Gegenden wüſte, fie eroberten Sitten ; ihrem Feuer , durch das Glück ents flammt, war weder Majoria zu feſt noch Türbelen hoch genug. Dieſes große Unglück (die Feinde ſuchten einer vor dem andern zu glänzen ) bemog die Walliſer zum Frieden ; und nicht allein bewilligten fieWiedereinfeßung. des Biſchofs , ſondern entſagten auch , zu Schadlods haltung für die Geſtelenburg, aller Herrſchaft in dem ,

.

.

Land unter Gondis 312) ; da fie zum Erfaß der febr

boch 313) angeſetten Kriegskoſten zu arm waren , vers ſprachen ſie, Seyon , Gerſtenberg , Majoria und Ges ſtelen dem Grafen zu verpfänden . Ein ſolches Volt , wenn ſeine unüberlegte. Hiße , durch das erſte Glüd geſchmeichelt , nachmals übermåchtiget wird , kennt im Schreden , der es unterwirft , weder Anſtand noch

Maße. Es vergaß , wie faſt unmöglich dein Grafen

Geſchichte der Schweiz .

395

cin langer Krieg und beſonders die Behauptung dieſe Landes war. Die Würde , woran einem freyen Bole ſo ſehr viel gelegen iſt , würde erhalten worden ſeyn ,

wenn ſie alle Sachen im Thal verlaffen und ſich auf die Berge begeben båtten . Die untern Zehnten ſchloſſen dieſen Frieden wider den Willen der obern Zehnten, und perſprachen knieend vor dem Grafen zu Savoyen , ihm wider leştere beyzuſteben 314). Die Bewegangen

in Montferrat, im Anfang der Verwaltung Theodor Paläologus des Zweyten , machten , daß Graf Amas deur die Fortſetzung dieſes Kriegs Grafen Rudolf zu Greyerg, auftrug . Dieſer , welcher mit beſonderm Glúd die Herrſchafs ten Dron , Montſalvans und nachmals Aubonne zu ſeio

nen Erbgůtern vereinigte , 30g durch die weitläuftigen Thåler feines Volfs , den großen Waſſerfall der Sane vorbey , durch die beſchneyten boben Bergpfade über .

den Sanetid , nach Walis , nahm zu fich die von

Amadeus hinterlaſſenen Soldaten , riß die von Siders, feuk und andere mit fort , und lagerte bey Viſp , in die obern Thaler zu ziehen 314b). In der Nacht gieng durch Veranſtaltung des Landbolks Feuer auf in den Scheunen , wo die Savoyer ( chliefen;; in demſelben Augenblick wurden ſie von dem Landeshauptmann Per ter von Raron mit aller Macht aus den obern Zehra

ten mit gewöhnlichem und großem Erfolg überraſcht 314C). Aus dieſer plößlichen Gefahr wurde Rudolf durch viere

1388

996

11. Budy. ' Sünfte Kapitel.

7

bundert Mann von Sanen, welche die Rbobanbråte entſchloffen und geſchickt behaupteten, kaum gerettet 315).

Fn vollem Lauf rannten die Sieger dem Grafen von Blandra in die Hüpfchburg ; fie fiel 315b ). Indeß die Stadt Sitten wieder aufgebaut wurde , blieb in den Alpen Krieg zwiſchen den Hirtea 316); Rache nahm der Feind an den unſchuldigen Kindern des Landeshaupts manns 316b). Der Biſchof, dem Land unertråglidh , wurde , als der Biſchof zu Bellan und Erzbiſchof zu Tarentaiſe ftarb , von dem ichiſmatiſchen Papſt Cles meng von Genf in dieſe Würden verfekt; das Hoch . ſtift Wallis gab er Humberten von Billens , einem

Neffen des Grafen von Greyerz 316 c ). 3. Die Wadt .

In dem ganzen lande Wadt 317) , in den Romas

niſch redenden Städten und Herrſchaften Helvetiens 318 ), #urbe die Savoyide Macht (vor Bundert Jahren durd

die Waffen Graf Peters gegründet , nachmals durdy König Rudolf und beſonders die Theilungen der Prins zen in ihrem Fortgang aufgehalten ) vereiniget und über alle andere Herrſchaft erboben , durch die Klugheit ,

womit Amadeus der gråne Graf fich zweymal günſtiger Zeiten bediente. Shre Wer:

einigung.

Sobald Ludwig von Savoyen , Freyherr der Wadt, in der Schlacht bey faupen ſeinen einzigen Sohn vers torent , ordnete er teftamentweife an die Menge der

Gotteshäuſer in ſeinem kand Vergabungen an Geld 319 ), nud ernannte feine Tochter Catharina als Erbin ſeiner

Geſchichte der Edweis.

397

Herrſchaft , ſowohl in der Wabt, alssan Bugey und Val Romey 320). Nach dieſem berlebte er ſein Ulter in den Kriegen , und ſtritt als dery, nidts mehr im Leben lieb.iſt ;. fo für Philipp den Sechsten zu öftern Mar

len 321) , beſonders in der unglüdlichen Schlacht ben Crecy , von der auch den König. Jobann von Baheim weder Blindheit noch Alter abhielt. Er åberlebte Agjo Viſconti ſeinen Schwiegerſohn, und farb kurz vor dem

Lod 322) Rudolfs Grafen von Eů , zweyten Gemahls der Catharina , zur Zeit als auch der grüne Graf noch in zarter Jugend war 3-3 ). Da erhob ſich , wie unter idwacher Verwaltung leicht , " mancherley Ungehore

Fam 324 ) und Mißtrauen 325 ) in dem ganzen land. Alſo eilten Iſabella von Chalons Peine Wittwe; und ihre Tochter Catharina , der Stadt Moudon ihre Freys beiten zu beſtätigen 326 ). Einmüthig mit' Franz von Montfaucon , Biſchof zu fauſanne, und nicht ohne Amadeus , machten ſie , beſonders gegen widerſpen, ftige Unterthanen, mit Bern und Freyburg zehnjähris gen Bund 327). . Wilhelm de la Baume zu übergement, ein reicher Herr in der Wadt 328) , war durch ſeine Weisheit ſo angeſehen , daß die Stånde Savoyens ibn dem grünen Grafen zum Vormunde gaben. Catharina wurbe dem Grafen Wilhelm von Namur gebeirathet 329) :

aber in den damaligen unaufhörlichen Febden war faſt unmöglich , zugleich die Wadt und Namur zu regieren. uljo nad ſieben Sabren erwarb der grüne Graf durd

398

II. Buch. Fünftes Stapitel.

Herra Wilhelm de la Baume, daß die Wadt , Bugey und Bal Romen 'an Savoyen verkauft wurden 330 ). Der Paß les Clés , welchem bor Zeiten die Welſd .

neuenburgiſchen Straßen vorgezogen worden , war von Herrn Ludwig und ſchon von ſeinem Vater 331) , fo ficher gehalten , und ſo billig verwaltet worden ,

daß der gemeinſte Handelsmeg zwiſchen Stalien und Frankreich durch dieſe Herrſchaft gieng 332).

Die übrigen von Graf Peter eingenommenen Serra fchaften , welche durch Beatrir , deſſelben Tochter , an das Haus der Dauphins erbten , batte der grüne Graf

ben folgendem Anlaß vereiniget : Hugo von Anthon , Dbeim des damaligen Grafen von Genf 333) , dem Hauſe Savoyen von Jugend auf unverſöhnlicher Feind 333b) , war in denſelben Herrſchaften 334) Statt. balter des Dauphin Humbert. Einft als eine Schaar Savoniſcher Krieger aus Genf zog , befahl Hugo reis nem Neffen Peter 335) , fie zu ſchlagen . Fene , welche fidh keiner Feindſeligkeit verſaben , wurden leidt über,

radt ; nachdem Chateau , Renaud , ihr Hauptmann , umgekommen , flob die Mannſchaft in die Stadt Nio

on. Um dieſen Frebel wurde Hugo durch den grün nen Grafen von Ger ( wo er wohnte ) ' vertrieben, Hierauf gewann eben dieſer Graf einen ſolchen Sieg , daß von den Edlen der feindlichen Partey keiner war, *

der nicht erſchlagen oder gefangen wurde. In dem Kriege , welchen der Daupbin (ein febr leidenſchaftlin

Geſchichte der Schweiz.

399

cher-Mann ) mehr mit Erbitterung als wahrem Nach , drud unternahm , half auch die Stadt Freyburg und Graf Rudolf zu Nidau zu Zerſtörung ſeiner Stamm , burg la Lour du Pin. So ſehr des Dauphins. Ger můth aufbrannte , lo bald fant ſein Feuer in untbås

tige Schwermuth nieder : ſein vornehmſtes land hatte er bereits den Königen von Frankreich übergeben . Endlich vermittelte das Parlament son Paris , daß er ſowohl die von Graf Peter angeerbten Herrſchafa ten , als die Lebensberrlichkeit åber die Grafen von Genf336) , an Savoyen übergab 332). In dieſen Ges. ldpåften wurde der Graf zu Savoyen von den Könis gen von Frankreich begünſtiget, wegen des Beyſtands, welchen er mit Nidau , Blonay., Goumoens 338) und andern kriegserfabrnen tapfern Männern ihnen wider die Engländer that 339 ).

Bey Kaiſer Karl dem Vierten Balf ihm die wichtige

Lage ſeiner Herrſchaft auf der Straße Staliens , und Neidsvicaz riat.

Karls Freygebigkeit mit Neidsrechten , die ihm gleid .

gültig waren , zu Erwerbung oder Erneuerung des Reichsvicariates , wodurch ſeine Macht über alle ans dere Herrſchaft erhoben wurde . Zuerſt erhielt er , daß alle Stådte und Herren feines Landes in Appellatio ,

nen von ihm ( mie ſonſt von dem Kaiſer ) das Ende urtheil empfangen ſollen 340 ). Zweytens ; als der Rain ſer von dem påpftlichen Hof zu Avignon nach Chamı

bery , der Hauptſtadt Savoyens , kam , befahl ders

400

II. Budy. Fünftes Kapitel.

felbe allen Prälaten , Eblen und Stadten der zwolf Erzſtifte und Bidthümer dieſes und benachbarter Lån. der 341 ) , inner zwey Monaten dem Grafen zu Sas boyen die Reid Suldigung zu leiften und alle taiſerlis

che Gewalt341b) mit Regalien und hohen Gerichten in demſelben ' zu erkennen 342 ). Auch beſtätigte er ihm nicht nur alle reine Herrſchaften , ſondern die Geltende

machung auch derjenigen Rechte, von welchen ſogar fer Name deraltert fey 343 ). Nicht unrecht begleitete

ihn der grüne Graf in das Kloſter St. Moriten zu Wallis und identre ihm das geheiligte Haupt König

Sigmunds von Burgund , 'welcher durch ſeine Unbeſon . nenheit vor mehr als achthundert Jahren ſein Reich

verbarb und ſein Leben einbüßte 344). Genf.

Wilhelm von Marcoſſay , Biſchof zu Genf, welo cher die Stadtmauer berftellte und mit vielen Thür. men 345) ſtart befeſtigte , war entſchloffen , diejenige

Reichsunmittelbarkeit ſeines Sürſtenthums in Genf, welche Ardutius gegen Berchtold von Zåringen zut Zeit Raiſer Friedrichs Barbarofía behauptete , unben ſchadiget auf ſeine Nachfolger zu bringen . Dbſchon Ulemand , fein Vorweſer , weder zu Genf noch beym

Zhurm zu Bevay von dem Kaiſer mehr als münde lichen Vorbehalt ſeiner alten Rechte erworben 346 ); fo wiederholt und groß war doch die Klage der vornebma ften Prälaten des Arelatenfiſchen Reichs 347) , daß der Kaiſer nidt anders konnte , als die Uebung des Vicaa

1

401

Geſchichte der Schweiz.

riates endlich widerrufen 348) , und beſonders dem Bis ( chof Wilhelm bie althergebrachte Gewaltbeſtåtigen 349) . Aber der grüne Graf wußte ſebr wohl , daß dem Kaiſer zu Bebauptung dieſes Urtheils Neigung und Macht

fehlte , ſo daß er nicht unterließ , an Orten , wo er der ſtårtſte war , das Bicariat , als unwiderruflich , zu üben. Hiezu bediente er fid in Genf mit um ſo

viel beſſerm Glúd der ſeinem Hauſe ergebenen Partey , weil der Biſchof, als in offenbarem Bruch , alle vont Hauſe Savoyen erworbenen Rechte ibm abnehmen wolle te. Endlich wurden die Sachen dieſer Stadt mit Hints

anſerung der Vicariatsbulle auf den Fuß hergeſtellt , wie fie unter des Grafen Großvater und durch den Vertrag Biſdoff Aymo geweſen 350 ). Dieſes geſchah durch Vermittlung Papſtes Gregorius des Eilften 851) , als der Graf denjenigen Bund wider die Viſconti mit ihm und andern Mächten bloß , zu welchem wir gen

ſeben haben , daß auch die Eidgenoſſen eingeladen worden:

Alſo entſagte Amadeus einer feinen Vorfahren uns bekannten Gewaltübung über. Genf , welche er ohne Beleidigung der ganzen Kirche nicht bebaupten konnte ,

um größere Dinge auf der Seite Italiens. Hingegen iſt kein Zweifel, daß nado Ermordung Biſdof& Wis ( chard von Labelli in den Sachen des Hochſtifts zu Sitten das Reichsvicariat ihm und ſeinem Nachfolger Vorwand war, Aymo von Coffonay , von Gottes 1. Müller's Werte . XX.

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II. Buch. Fünftes Kapitel.

felbe allen Prälaten ', Eblen und Städten der zwölf Erzſtifte und Bidthåmer diefes und benachbarter låna der 341 ); inner zwen Monaten dem Grafen zu Sa. boyen die Reichshuldigung zu leiften und alle kaiſerlis

che Gewalt 341b) mit Regalian und hohen Gerichten in demſelben ' zu erkennen 342 ). Auch beſtätigte er ihm nicht nur alle ſeine Herrſchaften , ſondern die Geltende

madung auch derjenigen Rechte, von welchen ſogar

Ber Namé veraltert fesy 343 ). Nicht unrecht begleitete ihn der grüne Graf in das Kloſter St. Moritzen zu Wallis und dentre ihm das geheiligte Haupt König

Sigmunds von Burgund , 'welcher durch ſeine Unbeſona nenheit vor mehr als achtbunbert Sabren Tein Reich

Genf.

verðarb und fein Leben einbüßte344). Wilhelm von Marcoſſay , Bildhof zu Genf, wele cher die Stadtmauer Berftellte und mit vielen Lhůrs

men 345) ſtark befeſtigte , war entſchloffen , diejenige Reichsunmittelbarkeit ſeines Fürſtenthums in Genf, welche Arbutius gegen Berchtold von Zåringen zur Zeit Kaiſer Friedrichs Barbaroffa behauptete , unbes fchadiget auf ſeine Nachfolger zu bringen. Dbfchon Alemand , fein Borweſer , weder zu Genf noch beym

Zhurm zu Vevay von dem Kaiſer mehr als můnd, 1

lichen Vorbebalt ſeiner alten Rechte erworben 346 ) ; fo wiederholt und groß war doch die Klage der vornehme

ften Prälaten des Arelatenfiſchen Reich8 342) , daß der Kaiſer nidyt anders konnte , als die Uebung des Vicar

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Geſchichte der Schweiz:

riateß endlich widerrufen 348) , und beſonders dem Bis Tchof Wilhelm bie althergebradote Gewalt beſtåtigen 349 ).

Aber der gråne Graf wußte ſehr wohl , daß dem Kaiſer zu Behauptung dieſes Urtheils Neigung und Madt fehlte , ſo daß er nicht unterließ , an Orten , wo er der ſtårkſte war , das Bicariat, alb unwiderruflich ,

zu üben. Hiezu bediente er ſich in Genf mit um ſo biel befferm Glúd der ſeinem Hauſe ergebenen Partey , weil der Biſchof, als in offenbarem Bruch , alle vom Hauſe Savoyen erworbenen Rechte ihm abnehmen wolle te. Eablid wurden die Sachen dieſer Stadt mit Hinta

anlegung der Vicariatsbulle auf den Fuß hergeſtellt, wie ſie unter des Grafen Großvater uud durch den

Vertrag Biſchofs Aymo geweſen 350 ). Dieſes geſchal durch Vermittlung Papſtes Gregorius des Eilften 851) ; als der Graf denjenigen Bund wider die Viſconti mit ihm und andern Måchten idloß , zu welchem wir ges ſeben baben , daß auch die Eidgenoſſen eingeladen worden:

Ulſo entſagte Amadeus einer ſeinen Vorfahren uns bekannten Gewaltübung über Genf , welche er ohne 1

Beleidigung der ganzen Kirche nicht bebaupten konnte,

um größere Dinge auf der Seite Italiens, Hingegen iſt kein Zweifel , daß nádi Ermordung Biſchofs Wis chard von Labelli in den Sachen des Hochſtifts zu

Sitten das Reichsvicariat ihm und ſeinem Nachfolger Vorwand war,

Uymo von Coffonay , vou Gottes

1. Müller's Werke. XX.

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II. Bud . Fünftes Kapitel.

und von des apoſtoliſchen Stubls Gnaden 352) Biſchof zu lauſanne, in der Geſinnung ſeiner Vorfahren , welche den Savoyſchen Schirm für nothwendig hiels ten 353 ) , geſtattete gern , und mit Willen ſowohl der Bürger als des Capiteld , daß die lekten Appellatios

nen von dem Grafen entſchieden würden : der Graf beſtåtigte die Frenheiten der Einwohner der Burg und Stadt und aller ehrbaren Männer zu Lauſanne und in dem Zbal zu futri 354) , die Gerichte der Meyer und

Caſtlane, des Oberrichters 355) und Biſchofs , und vers ſprach , ſie ohne einigen Vorbehalt zu ſchirmen 356). Als Reichsvicarius 352) entſchied ſein Sohn Amadeus der Siebente , in dem Streit zwiſchen den Domherren

und Bürgern um die Steuer zu den Stadtmauern , als die Bürger das Capitel an ſeinen Viehheerden pfans beten 358) , in folcher Erbitterung , daß kaum die Håu. 1

fer der Domherren vom Savoyidhen Wapen for Se.

walt beſchirnt wurden 359). Denn die Bürger achtes ten die geiſtlichen Strafen ſo wenig , daß , als das

Snterdict ob fauſanne lag, Laien in weißen Rođen Pros cefſionen hielten mit kleinen Rüben , welche von ihnen

für das hodowürdige Sacrament ausgegeben wurden 36 ). Aber der Graf befahl dem Landvogt Humbert von Colom. bier in der Wadt und ſeinem Statthalter zu fauſanne, die Ungehorſamen an Leib und Gut anzugreifen 361). Verfaſſung Die öffentliche Verfaſſung , ſowohl der Stadt Lau. Lauſanne. (anne 362) als der bildjöflichen Höfe Wivlisburg , Bulle

1

Geſchichte der Schweiz.

403

und Courtille 363), war feſtgeſetzt worden auf dem Landi tag 364) , welchen die Geiſtlichen , Edlen und Bürger nach der alten Manier von Burgund jährlich vier Tage

lang 365) zu halten pflegten . Det Biſchof würde von dem Domcapitel gewählt 300) ; ausgenommen wenn der Papſt hierin ungerekmåßige Gewalt åbte 367) , welche (wenn ſie ohne Mißbraud den Zeiten gemåß verwalo tet worden ware) dem Vorſteßer der ganzen Hierarchie nicht båtte verſagt werden ſollen. Der Kaiſer gab dem Biſchof die Regalien , das iſt, Gewalt über die gros Ben Straßen , womit alle Zölle verbunden ſind 368) , Markt und biebey Münzrecht, Maß und Gewicht , alle Hochwålder 369) und bohen Bußen -370). Dafår war Unſer Lieben Frauen Stift pflichtig für den Kaiſer zu beten 371), und ihn zu bewirthen , wenn er in deſs felben Sachen , auf ſein Begehren , in dieſe Stadt kam 372 ). Sonſt geborchten die Bürger dem Biſchof in aller königlichen Gewalt 373) , wie ſie vor Alters

war : deswegen thaten fie ſeinen Krieg ohne Willen der Gemeine 374) auf eigene Gefahr 375) und Koſten lån. ger nicht als Einen Lag 370); fie bezahlten den Aufe

wand ſeines Gefolges 377) , nur wenn er auf Mahs nung 378) oder auf Rathſchluß der vornehmſten Bůr. ger 379) an den königlichen Hof zog. Sie hatten kein Ges retz als den übereingekommenen bekanntgemachten Lande

tagsidluß 380 ), kein Stadtrecht ohne ihren Willen 381). Die vollziebende Gewalt war außer der Stadt Lauſanne

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II. Bud. Fünftes Kapitel.

und von des apoſtoliſchen Stuhls Gnaden 352) Biſchof zu lauſanne, in der Geſinnung ſeiner Vorfahren , welche den Savoyſchen Schirm für nothwendig hiels ten 353 ) , geſtattete gern , und mit Willen ſowohl der Bürger als des Capiteld , daß die letzten Appellatios nen von dem Grafen entſchieden würden : der Graf

beſtåtigte die Freyheiten der Einwohner der Burg und Stadt und aller ehrbaren Männer zu fauſanne und in dem Ebal zu futri 35+) , die Gerichte der Meyer und Caſtlane, des Oberrichter8 355) und Biſchofs , und vers

ſprach , ſie ohne einigen Vorbehalt zu ſchirmen 356 ). Als Reichsvicarius 352) entſchied ſein Sohn Amadeus

der Siebente , in dem Streit zwiſchen den Domberren und Bürgern um die Steuer zu den Stadtmauern , als die Bürger das Capitel an ſeinen Viehbeerden pfåns deten 358 ) , in ſolcher Erbitterung , daß kaum die Håu. fer der Domherren vom Savoyſchen Wapen vor Ger

walt beſchirrnt wurden 359). Denn die Bürger achtes ten die geiſtlichen Strafen ſo wenig , daß , als das Interdict ob lauſanne lag, Laien in weißen Röcken Pro. ceffionen hielten mit kleinen Rüben , welche von ihnen für das bocowürdige Sacrament ausgegeben wurden 36 ). Aber der Graf befahl dem Landvogt Humbert von Coloma bier in der Wadt und ſeinem Statthalter zu fauſanne ,

die Ungehorſamen an Leib und Gut anzugreifen 361). Die öffentliche Verfaſſung, ſowohl der Stadt laus Lauſanne. (anne 362) als der biſdjöflichen Höfe Wivlisburg , Bulle Berfaffung

Gefdichte der Schweiz.

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und Courtille 363) , war feſtgeſetzt worden auf dem Lands tag 364), welchen die Geiſtlichen ; Edlen und Bürger

nach der alten Manier von Burgund jährlich vier Lage lang 365) zu halten pflegten. Der Bildhof warde von

dem Domcapitel gewählt 360) ; ausgenommen wenn der Papſt hierin ungeſekmåßige Gewalt übte 367), welche (wenn ſie ohne Mißbraud den Zeiten gemäß berwal.

tet worden wåre) dem Vorſteher der ganzen Hierarchie nicht båtté verſagt werden ſollen. Der Kaiſer gab dem Biſchof die Regalien , das iſt, Gewalt über die gros Ben Straßen , womit alle 30de verbunden ſind 368) , !

Markt und bieber Münzrecht, Maß und Gewicht , alle Hochwalder 369) und Bohen Bußen-370). Dafür war Unſer Lieben Frauen Stift pflichtig für den Kaiſer zu beten 371) , und ihn zu bewirthen , wenn er in deſs felben Sachen , auf ſein Begehren , in dieſe Stadt kam 372). Sonſt geborchten die Bürger dem Biſchof in aller königlichen Gewalt 373) , wie ſie vor Alters war : deswegen thaten fie ſeinen Krieg obne Willen

der Gemeine 324) auf eigene Gefahr 375 ) und Koſten lån. ger nicht als Einen Tag 376 ); ſie bezahlten den Aufe wand reines Gefolges 377) , nur wenn er auf Mahs nung 378) oder auf Rathſchluß der vornehmſten Bür. ger 379) an den königlichen Hof zog. Sie hatten kein Ges reß als der übereingekommenen bekanntgemachten Lands tagsſchluß 380 ) , kein Stadtrecht ohne ibren Willen 381). Die vollziebende Gewalt war außer der Stadt fauſanne

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II. Buch. Fünftes Kapitel.

den Meyern , in der Stadt einern Truchfeß -382) , it Blutbangsfållen dem Webel 383 ) vertraut. Aber ſolche große Sachen kamen vor des Biſchofs großen Laiens Bof 384) aus allen drey Stånden ; ſo wenig iemand

ohne Gericht gefangen 'gelegt wurde 385 ), ſo war auch verboten , ohne dieſen Hof einen Zweykampf 386 ) oder Criminalprozeß anzuordnen 38 ) , oder jemand auf die

Folter zu bringen 388 ). Zu ſolchen Dingen waren die Einwohner der Burg 389 ) des Biſchofs beſonderſten Råtbe ; welche nichts abhalten modete auf feine Mah. nung zu ihm zu geben 390). Siefür waren ihre Woba nungen ldberfrey 391) ; die Märkte , die Offentlichen Buden 392) , die Wirthshäuſer waren bey ifnen. Gefeße der Die übrigen Städte der Wadt blůbeten in den Wadt, Freyheiten , welche der grüne . Graf mit weiſer grey gebigkeit ihnen ertheilte , und , wo ſie nicht aufges ſchrieben worden 393), oder wo ſie verbrannten 394 ) , ohne Widerſpruch erneuerte. Sie wußten bon keiner willkürlichen Steuerforderung 395 ), von keiner Erh8 bung des Zinſes der berrſchaftlichen Ofen, Mühlen 396) 毒

und Fleiſchbänke 397). Für den Tell, welchem die eis

genen Leute unterworfen waren , wurde jährlich vor der Gemeine eine beſtimmte Summe bezablt 398). Ses

dem war fein Gut ſo ganz eigen , daß ein Vater feid nem Sobn mehr nicht geben mußte 399) , als ein Brot und einen weißen Stab 400 ). Es war beſtimmt , wie

viele Lage die Halbardiere 401) und Schügen den

Geſchichte der Schweiz.

405

Krieg ifres Herrn thua mußten , und er machte von den Blyden 402) der Städte nicht ohne ihren Witten Gebrauch . Die Städte wurden unter einem Obers beamten 403) von ibren Råthen øerwaltet. Keiner , der nicht Berbreder war , modhte ohne Willen der

Bürger gefangen werden 404 ); keiner verlor das Leben als in gerichtlichem Zweykampf oder nach öffentlichem Urtheil 405). Mörder und Verråther wurden geban. gen , Räuber enthauptet 406) ; jedem Schimpfwort . !

( auf daß die Veranlaffungen der Selbſtrache feltener

würden) war ſeine Buße beſtimmt 407 ). Ehebrud, koſtete fedezig Schilling 408 ) ; Gartendiebe, wenn ſie nidyt bes

zablen konnten , mußten fich entſchließen mit naden. dem Leib von einem Ende der Stadt an das andere

zu laufen 409). Der grüne Graf hinderte Peterlingen und Murten , ſeine Stådte , nicht, unter fich 410) und mit andern 411) Bündniſſe zu ſchließen , worin fie ihn vorbehielten . Das ganze Bolt der Wadt war in ein

gemeines Weſen verbunden 412) : obſchon ſeit Abgang der uralten Verfaſſung und im Verfall der Kaiſers macht eine große Menge Herren entſtand , gleidwohl

2

blieb ( in Gegenden, wo gleichſam die Natur burde die

Lage des Landes verſchiedene Unterthanen berief ein einzis ge® Polk zu ſeyn ) eine Art von ſtandhafter Eidgenoſſens

ſchaft 48). Amadeus, im Anfang der Bebauptung des Vicariates , verſicherte, daß der neue Oberappella . tionsrath, in der Hauptſtadt Chambery niemals in ſeis

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II. Buch . Fünftes Kapitel.

den Menera , in der Stadt einem Trudieß 382) , in Blutbangsfållen dem Webel 383) vertraut. Uber ſolche große Sachen kamen vor des Biſchofs großen Laiens Bof 384) aus allen drey Stånden ; ſo wenig iemand

ohne Gericht gefangen gelegt wurde 385), ſo war auch verboten , obne dieſen Hof einen Zweykampf 386 ) oder Criminalprozeß anzuordnen 387) , oder jemand auf die

Folter zu bringen 388 ). Zu folden Dingen waren die Einwohner der Burg 389) des Biſchofs beſonderſten Råtbe , welche nichts abhalten modute auf feine Mah. nung zu ihm zu geben 39 ). Siefür waren ihre Woha nungen løberfrey 391) ; die Märkte , die öffentlichen Buden 392) , die Wirthshäuſer waren bey ihnen. Gefeße der Wadt,

Die übrigen Städte der Wadt blüheten in den Freyheiten ; welche der grüne . Graf mit weiſer frey

gebigkeit ihnen ertheilte , und , wo ſie nicht aufges ſchrieben worden 393), oder wo ſie verbrannten 394) ,

ohne Widerſpruch erneuerte. Sie wußten bon keiner willkürlichen Steuerforderung 395) , von keiner Erho bung des Zinſes der Herrſchaftlichen Ofen, Mühlen 390) und Fleiſchbänke 397). Für den Tell, welchem die ein genen Leute unterworfen waren , wurde jährlich von der Gemeine eine beſtimmte Summe bezahlt 398 ); ses dem war fein Gut ſo ganz eigen , daß ein Vater feio nem Sobn mehr nicht geben mußte 399) , als ein Brot und einen weißen Stab 400 ). Es war beſtimmt, wie viele Lage die Halbardiere 401) und Schüßen den

Geſchichte der Schweiz.

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Krieg ihres Herrn thua mußten , und er machte von den Blyden 402 ) der Städte nicht ohne ihren Willen * Gebrauch. Die Städte wurden unter ſeinem Obers beamten 403 ) von ihren Råthen verwaltet. Keiner , der nicht Verbrecher war , modhte obne Willen der

Bürger gefangen werden 404 ); keiner verlor das Leben als in gerichtlichem Zweykampf oder nach Offentlichem Urtheil 405). Mörder und Verråther wurden geban. gen , Räuber enthauptet 406) ; jedem Schimpfwort. ( auf daß die Beranlaffungen der Selbftrace feltener

würden) war ſeine Buße beſtimmt 407). Ehebrud koſtete ſedhezig Schilling 408) ; Gartenbiebe, wenn ſie nicht bes

zahlen konnten , mußten fich entſchließen mit naden . bem Leib bon einem Ende der Stadt an das andere

zu laufen 409 ). Der grüne Graf hinderte Peterlinger und Murten , ſeine Ståbte , nicht, unter fidh 410 ) und mit andera 411) Bündniſſe zu ſchließen , worin fie ihn vorbehielten . Das ganze Bolt der Wadt war in ein

gemeines Weſen verbunden 412) : obldon feit Abgang der uralten Verfaffung und im Verfall der Kaiſers macht eine große Menge Herren entſtand, gleichwohl blieb ( in Gegenben, wo gleichſam die Natur burde die Lage des Landes verſchiedene Unterthanen berief ein einzis ge® Polk zu ſeya ) eine Art von ftandbafter Eidgenoſſens

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ſchaft 43). Amadeus , im Anfang der Bebauptung des Vicariates , verſicherte, daß der neue Oberappella. tionsrath in der Hauptſtadt Chambery niemals in ſeis

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II. Buch . Fünftes Kapitel.

men Urtheilen die althergebrachten Gewohnheiten der Wadt übertreten ſoll 454). Dieſe Verwaltung verbreis tete ihren Einfluß in Stådte und Gegenden , welche

nicht unmittelbar unter ihm waren ; ſein Beyſpiel bes wog andere Herren , fie durch Freyheiten empor zu bringen 455) , und ., wie er 416 ), für Gewinn zu halten , ihren Unterthanen gewiſſe Bedürfriffe auf eigene Kos ften zu erleichtern 417). Deslandes Uus zwey Urſachen blühete in dieſem Land unter Zuſtand. - fürſtlicher Oberherrſchaft in den unruhigen Zeiten des Mittelalters eine ſehr große Menge , zwar überhaupt weniger als jeßt bevölkerter , Städte und Hauptfles den . Erſtlich, weil die Verfaſſung dem Fårſten will, kürliche Unternehmungen und viele landſdådliche Bers

ordnungen in der Zhat kaum zuließ ; zweytens , weil auch bey Hofe der Adel des Landes in Anſeben ſtand.

Meiſt aus demſelben. 418) wählte der grüne Graf den Landvogt der Wadt 419). Sonſt auch war der bers dienſtvolle Wilhelm de la Baume groß in dem fürfts lichen Rath 420); Wilhelm von Granſon ,. 'Des Hals. bandes Ritter 420b) , in allen Kriegen vom Rhodan bis an die Ufer der Griechiſchen Meere 421) B' out dem

Grafen unzertrennlich , rubmvoll in Waffen , geſchidt in Chådigungen 422 ) , in der Wadt ein ſorgfältiger 423), billiger Verwalter feines Erbgutes , anſehnlich ben Königen 424), und ein beſonders geliebter Mitbürger pes gemeinen Weſeng der Berner 425) ; brey Bettern ,

Gefdichte der Schweiz.

40Z

Johann von Granfon zu Pedmes , Hugo von Gran. ſon und Ludwig von Cofſonay zu Berchier 426), dren von Montfaucon 427) und viele andere Baronen , Rits

ter und Edle , glänzend in Waffenthaten , oder groß durch des Fürſten Vertrauen . So war die Wadt uns

ter dem grånen Grafen. In Sitten , in Geſeken att mete noch der Geiſt , welchen die Burgundionen und Franken in das Land brachten , und in welchem , zu Paris unter dem Urenkel Chlodwigs verſammelt 428 ) , fie die Verfaſſung feſtſeßten ; ben fo håufigem Wechſel der obwaltenden Landesherrſchaft 429) wurden die Bere

håltniſſe des Volfs , weniger als man glaubt , derån dert. Ganz Europa war frey , ſo lang die Fürſten in Ermangelung eigenthümlicher Kriegsmacht nichts thun durften, ohne den Willen oder die Zulaſſung ihrer geiſts lichen und weltlichen Herren und Bürger , berſammelt auf den Landtagen jedes Volks. In dem Gebirg Sura floß die Savoniche und Hochburgundiſche Oberherrſchaft in oft ungewiſſen 430 ) Grånzmarken zuſammen . Auch dienten dieſelben Hers ren von Montfaucon und von Granſon den Fürſten von Savoyen und mit andera Herrſchaften zu Hoch, burgund ; ſo daß Gerhard von Montfaucon , Stifter von Echallens in der Wadt , mit fünf und zwanzig . und Wilhelm von Granfon mit faſt eben ſo vielen

volrůſtigen Kriegsmånnern 431), in den Krieg des Königs von Frankreich 432) gemahnt wurde.

408 6. Neuſchas tel.

II. Buch . Fünfte Kapitel.

Das Haus Neufchatel regierte von den Gränzen der Freyperrſchaft Granfon den See berab , an dem Bieler See , bis weit in Aargau , und bis in die Wald,

ſtette der Schweizer. Die Burgen zu Neufchatel und an der Zil mit verſchiedenen Thålern und Gegenben des Sura 433) , Reichmannlehen , wurden durch die

Vergünſtigung des Herrn , des Fürſten von Chalons , in Weiberleben verwandelt 434). Gorgier , eine an dem See ſchön gelegene Burg , hatten ſie von dem Herrn der Wadt 434 b) ; Balangin noch von den Grafen zu

Mümpelgard 435) ; Nidau , ſonſt mit Aarberg'von Sa. poyen angeſprochen 436 ) , war nebit andern Gütern um den Bieler See gewiffermaßen Leben der Biſchöfe

zu Baſel 437) ; Zebuten hatten ſie von dem Hodſtift Lauſanne 438) , von andern geiſtlichen Herren geringere Güter +59). Sie erbten durch eine Tochter von Fros burg die Feſte Bipp 40), den Buchsgau 441) und bere

mittelſt eines Lebenbriefs von dem Hochftift Baſel die kleine Stadt Diten. Johann , deſſen Vater Gerhard,

bey Laupen erſchlagen wurde , beherrſchte von der Har ſenburg die Herrſchaft Williſau . ' Sie hatten von Defta reich die große Pfandſchaft Wolhauſen ; Alpnad in Unterwalden hat von ihnen 442) die Freyheit erkauft.

Sie denkten dem Lande Schwyz achtzehn Erbfälle ihrer eigenen Leute daſelbſt , als eine Tochter dieſes

Hauſer 443 ) , Wittwe eines Markgrafen zu Baden ,

purch das Anſehen der Männer von Schwyk 'wider

Geſchichte der Schweiz.

400

die Erben ihres Gemahls beſchirmt wurde. Aber der

Glanz des Welſchneuenburgiſchen Hauſes wurde vers onnkelt, weil alle dieſe Güter unter Burgundiſchem 444), nicht unter Saliſchem 445) Erbrecht waren. Dadurch gefchat (wie ſelbſt im Haufe der Sochburgundiſchen Grafen 440) ) , daß wenn ein Zweig bis auf Zichter ausftarb, ſein Theil aus dem Stamm kam , und end.

lich nur Ein Zweig mit faſt keiner Herrſchaft übrig blieb 447 ). Doch in dieſer Zeit , als Imer , der leşte Oraf zu Straßberg , ftarb , erbte , was von ſeinen meiſt veräußerten Gütern übrig war, durch ſeine Schwea !

fter an ſeinen Better Graf Rudolfen zu Nidau 448). Bald nad Smern farb Ludwig , der leßte Graf zu Welſchneuenburg , deſſen einziger Sohn im Krieg umu gekommen 449). Da fein unechter Enkel Gerhard 450). To wenig , als Walther ſein eigener unechter Sohn 451), lebensfåhig war , tam die Herrſchaft Welſchneuenburg auf Iſabella , ſeine ålteſte Tochter , Gemahlin deffelą ben Grafen Nadolf zu Nidau , Erben von Froburg und Straßberg. Neben ihm berubete der Mannsſtamm

von Welſchneuenburg auf Jobann von Valangin 451b), und auf Peter, Sohn deffen, welcher Aarberg verkaufte . Er ſelbſt, Rudolf, leuchtete unter Kriegehelden hervor ,

würdig bes ben Paupen erſchlagenen Vaters und Rus dolfd von Erlach, welcherihn erzog; dem Volk gnädig 452). In den benachbarten Ländern des Hochſtifts Bar 8. Biſchof u.9. Stadi fel war nichts merkwürdiger als die Betractung der Baſel .

416

II. Buch . Fünftes Kapitel.

Verſchiedenheit einer guten Republik und eines wohl regierten Fürſtenthums. Das Bisthum war anders

unter Jobann dem Senn von Münſigen , anders uns ter Jobann von Bienne und mer von Ramſtein 452b ) ; die Bürgerſchaft von Baſel war vor und nach dem außerordentlichften Unfal fido felbft gleich . Fürftliche

Macht hat oft ſchnellwirkende erborgte vorübergehende Kraft ; eine Gemeine hat ihre Kraft in fich ſelbſt ,

viel ſtandhafter im Guten , unheilbarer im Böſen. Es iſt wahr , daß auch ein Polk ſeine Kindheit , ſein Jugendfeuer , ſeine Mannstraft und ſein abnehmendes

Alter bat ; aber die Folge der Zeiten einer Nation iſt um ſo langſamer , um ſo viel eine ganze Stadt in den vielfältigen Abtheilungen der obrigkeitlichen Gewalt ſchwerer zu verderben iſt, als ein Menſch 453 ). Tauſend Jahre ungefåbr , nachdem die alte Rans radiſche Auguſta untergegangen 454) ; als der Senn von Münſigen in dem rechs und zwanzigſten Jahr 7

Biſchof zu Baſel war ; bald nach den Zeiten des gro .

Ben Lodes , von dem wir geſehen , daß er nach fürch. terlichen Erdbeben ſich in einem großen Theil der das .mals bekannten Welt geoffenbaret 455) ; in dem drey, zeba fundert ſechs und funfzigſten Fahr , an dem achts zehnten Weinmonat, um zehn Uhr in der Nacht 455b), verfiel in wenigen Minuten durch zehn ſchnell fol. gende Erdſtoße ganz Baſel 456) , die größte Stadt im Umfang Helvetiens , beynahe alle Münſter und Kirs

Geſchichte der Schweiz.

411

chen 450b) , die Höfe der Großen , die oft behaupteten feften Ringmauern ; breyhundert Menſchen 457) bers

darben in den Trůmmern des einſtürzenden Vaterlans des ; Feuer erhob fich bey S. Albans Schutt , fraß

acht Lage lang unldſchbar, bis , da es binausfuhr zu S. Johannsthor , die Materie fehlte 458). Somes

felwaſſer quoll aus der Erde 458b). Felſen des Blas wens , Grundveſte der Schlöſſer, zerſprangen ; in dies fer Nacht brachen vier und achtzig Burgen . 159) der Grafen und Herren in beyden Hochſtiftern Coſtanz

und Baſel 460 ) ; weit und breit erzitterte das Jura ,

Gebirg ; Wålder ſind in die Liefe verſunken 460b ). Da erinnerte einer in dem Rath won Deſtreich ,

„Herzog Albrecht" (welcher eine Sache wider Baſel hatte 460 c)) , „ könne, da die Natur ihm die Stadt ,, Offae, nun ohne Widerſtand ſie einnehmen : " der ,,Herzog ſprach , ,,da fey Gott vor , daß Albrecht von Deſtreich die tode , welche der göttliche Arm ver .

.

wundet 460 d )" , und befahl vierhundert Männern vom Schwarzwald , eilends hinzuziehen , um auf ſeine Ros ften den Bürgern den Ort reinigen zu belfen , wo ihr Vaterland geſtanden 461). Dbſchon einige an einem andern Platz bauen wollten 462) , beidhloß mit Rath

dereri von Straßburg und anderer freundſchaftlichen Städte das Mehr der Bürgerſchaft , getroſt an den Orten ferners zu wohnen , wo bis auf dieſen Zufall die langen Geſchlechtfolgen ihrer Påter. Nach wenigen Jab.

1

/

II. Buch .

412

Fünftes Kapitel.

ren ( lo fleißig bauten und befeſtigten fie 462b )) war die Stadt gegen ihre Feinde ſo ſtart wie vor Alter8 463 )

und unerſchrocken zum Ungriff 464); ſie konnte Belages rungszeug ſelbſt dem Herzog von Deftreich leiben 465). Denn der Nachdrucť der damaligen bürgerlichen Sitten iſt aus vielen Beyſpielen bekannt. In dem adotzehnten Jahr nachdem die Baſeler den påpftlichen Legat in den Rhein geſtürzt und umgebracht, kam

Karl der Vierte , im Anfang ſeiner Verwaltung , nach Baſel , welche Stadt um die Treu Baiſer Ludwigs von Bayern unter dem Bann lag. Sie ließen ihm

ſagen , , alsdann wollen fie ibn aufnehmen , wenn die ,,Stadt von dem Bann ledig ſey ." Karl fandte Mars quard von Randegl , Dompropft von Bamberg , ihs

nen zu erklären , die Abſolution for offen für die, welche ihm geborgen , und welche ſchwören , ſo wes , nig den für Kaiſer zu halten , welchen der Papſt nicht beſtåtige, als für Papſt einen ſolchen , welcher „ von dem Kaiſer dem rechtmäßigen Papſt entgegen .

..gefeßt würde.

Da fandten die Bafeler den Bürs

germeiſter Konrad von Berenfels , Ritter , nebſt Kons rad Mond (einem naben Berwandten desjenigen Rits terø , welcher an der Seite Königs Johann , Baters des Kaiſers , im vorigen jabr bey Crecy), umges kommen 466 )) , folgenden Auftrag an den Biſchof zu Bamberg in der Kaiſers Gegenwart auszurichten ,

,,Wiffet, Herr von Bamberg , von wegen der Bürger

$

. : Geſchichte der Schweiz.

413

vozu Baſel : daß wir den ſeligen Kaiſer nicht für eis mnen Reker balten , und ohne Rücficht auf den Papft

wfür Kaiſer aanebmea , wen die meiſten Kurfürſten mens geben. Den Rechten des Reichs wollen wir keinen Ubbruch thun. Im übrigen wen ihr uns wabſolviret, ro werden die Thore aufgethan werden.“ Da begehrte der Biſchof mit Rath und Willen des påpſtlichen Gewaltboten , ,, fie ſollen um die Abſolus stion doch bitten .“ Da wandte ſich der Bürgermeis fter zu dem begleitenden Ausſchuß der Bürgerſchaft , mit folgenden Worten , „ Bevollmächtiget ihr uns ; vum die Abſolution zu bitten ?“ Auf, derſelben Ben

willigung nahm er die Abſolution , und Kaiſer Karl gog in die Stadt

Funfzehn Jahre nach dem Erdbeben wurde der Paß über den Hauenſtein , welcher ein Arm des Fura

iſt, bey der Clauſe zu Falkenſtein unſicher ; biezu beri fand ſich zum Nachtbeil der Kaufleuté Hemmana von Bedburg 467) mit Johann Graf zu Thierſtein

und mit Burkard Senn von Münſigen , Erben der Grafen zu Buchegt. Die Ritter waren , wie in Gaſts freybeit und hobem Sian , fo darin den Emirs der gies

beaden Araber gleich , daß Straßenraub edel ſchien 468). ( Uud Graf Gottfried von Habsburg warf den Brůs dern Scheitler vom Land Uri zu Lauffenburg ihr Kaufs maandgut nieder.

Die Scheitler mit einem Harſt

von Schmonk und Uri nahmen den Grafen des Nachts

414

II. Buch . Fünftes Kapitel.

im Kloſter Einſidlen gefangen , und nöthigten ihn zur Gerechtigkeit 469) ). 418 bey dem Rođen 470 ) zu Fal. tenſtein Kaufleute an acht Centner Safran geplundert wurden , machte Baſel einen Bund mit Rudolf, Gras fen zu Nidau , welchem wegen der Landgrafſchaft im Buchsgau die Geleite zułamen 471). Die Burg wurde eingenommen ; den Bechburg, Budjegt , Zbierftein und

Konrad von Eptingen gaben ſie in dié Verwahrung des Gráfen ; die Söldner hielten ſie får nåblich zu enthaupten , um zu warnen , daß , wer ſich zu ſolchem

Dienſt brauchen laſſe, es thue auf Lebensgefahr. . Der ganze öffentliche und privat Woblſtand in Baſel berubete vornehmlich auf dem Handel ; die Hauptquellen des , zu großen Uusgaben woblangeo wendeten , Einkommens waren in dem Reichthum der Bürger , aus welchem ſie dem Vaterland åußerſt freys gebig waren 472) , und in dem Zoll , welchen ſie von dem Biſchof an die Stadt löften. So Blühend Jos

hann der Senn durch weiſe Verwaltung das Hochs ſtift auf ſeine Nachfolger brachte , ſo ſebr verdarb ſeine

Sachen Fobann von Vienne durch unklugen Stoljo Jener , als der letzte Graf zu Froburg ſtarb , nußte die Lehnrechte des Hochſtifts über den Sißgau ; eine Landgrafſchaft , in fruchtbaren und anmuthigen Hů. geln von dem Jura bis an den Rheinſtrom 473), wicha tig wegen des Paffis im untern Hauenſtein 474). Der Biſchof ertheilte fie Jobann , eben dem Grafen von

Geſchichte der Schweiz.

413

Habsburg , welcher in Zürich gefangen geweſen , zu ,

lebenslånglichem Genuß, und Simon Grafen zu Zhiers 1

ſtein žu erblichem Weiberleha 475 ) : dem Hochſtift bes bielt er vor , in und um Lieftal und an andern Orten

bis an das Blutgerichte zu bereken ; Olten bergab er nicht. Johann von Vienne (dem nicht genügte , daß er wegen des Kriegs , den er durch Zerſtörung ſeiner Stadt -Biel veranlaßt und worin ihm Arguel und Månfterthal verwüſtet wurden , die Stadt Diten , zou und Münze zu Baſel 476 ) und viel anderes verpfån, den mußte) erhob wider die Stadt Baſel eine Febbe ,

worin er wider fie Hülfe nabmi bon leopold Herzog zu Deftreich . Nachdem die Badler Bruntrut ibm vers

brannt , mußte er Kleinbaſel , nur durch den Rheins ſtrom von der größern Stadt getrennt , um die Koſten der Hülfe dem Herzog übergeben 477). Dieſes wichtigen Erwerbes hielt feopold fich nicht verſichert, bis die großere Stadt , welcher er ldſungsrecht verſchrieb 478 ) ; ihm rubigen Beſik bewilligte. Bald nach dieſem bielt feopold zu Kleinbaſel eine Faſtnachtluſt , wie vor hundert und neun Sabren ſein

Uråltervater König Rudolf , mit faſt gleichem Aus, gang. Die , im Guten und Böſen , unmäßigen Rits ter ließen in der Ausgelaſſenheit ihrer Luft beleidigen:

dem Udelſtolz zu freve Gewalt. Plötzlich ſprengten vom Wein erhitte Sjerren ohne alle Vorſicht über die Brüden durd die große Stadt auf den Münſterplatz , 1

II . Buch . Fünftes Kapitel.

416

und rannten ibr Tournier , ſo daß Bürger von Pfere

den , und von Splittern der brechenden langen vers legt wurden , andere Anlaß bekamen , an ifren Weis

bern und an ibren Töchtern empfindlichere Beleidiguns gen zu beſorgen. Plötzlich entbrannte der Zorn des Volks. Kaum daß der Herzog entronnen 479) , und Egen von Fürſtenberg , den ſie beſonders baßten 480) , in gleiche Flucht fortgeriſſen ; drey wurden in dem Hoi fe der Herren von Eptingen erſtochen ; båtte nidot Pes ter von Lauffen , Oberſtzunftmeiſter , geeilt , von eis nem boben Ort mit lauter Stimme zu warnen , daß bey Leib und Gut niemand umgebracht werde , die Bollowuth würde weder Montfaucon zu Mümpels noch gard nod Rudolfen zu Habsburg lauffenburg , node

Markgraf Nudolfen zu Baden Hochberg , nod die beyden von Zollern geſchont haben. Als der Auflauf ſtill ward und ſogleich die Gefangenen losgelaſſen wors den , beſchloß die Obrigkeit mit Uebereinſtimmung als ler verſtändigen Bürger , durch einiges Geld 481 ) und ſtrenges Recht an denen, durch deren Zhat oder Schuld

jemand umgekommen , die Rache abzuwenden , welche der Herzog und alle benachbarte Großen der Stadt

und ifrem Handel drobeten.

Einige wurden binges

richtet ; an anderen Baſel ſo gerochen , daß , auf alto rėmiſd , die Feinde Bürger wurden 481 b ). Über das

genieine Weſen gewann , daß je für fechs Monatezebni ddle Herren and ſo viele Bürger , unter dem wedſels

1

Geſchichte der Schweij.

417

weiſen Vorſit des Bürgermeiſters und Oberſtzunftmeia ſters 482)) , zu Richtern aler . Zweytracht unter Edlen

und Bürgern angeordnet wurden. Weislich, nannten fie dieſes Gericht Freyheitskammer; die wahre Freya beit iſt wo friebe und Recht 483). Bald nach dieſent kamen auch Zunftmeiſter in den Rath , und von der Zünften rechs und dreißig zu den Rathmannen der edi len Stuben 483b). Sobann von Bienne ſcheute ſich nicht, Graf Sigs

munden von Thierſtein auf vffner Straße feindlich ani zufallen . Da vereinigte ſich wider ihn die Stadt Bas fel mit Herzog Leopold. Er war in dieſer Fehde ſo unglüdlich , daß er auch Bruntrut Heinrich von Monta faucon , Grafen zu Mümpelgard , berpfänden mußte ;

Baſel und Herzog Leopold eroberten Lieſtal über ihn 4834) In ſolchen Unruhen entfråftete ſich das Hochſtift , bis in dem Schiſmá des påpftlichen Stuhls nach der kuri

Ben Berwaltung Johanns von Budiegt die biſchofliche Würde nicht ohne Spaltung 484) auf Smern bon Rams

ſtein kamt, den , durch deſſen Genehmigung oder Geldi noth Gerſau zur Unabhängigkeit und Weggis an Lucerni gekommen. Er befidtigte ohne Widerſpruch die Verä faſſung der Stadt. Biel 485). Er vertheilte das bohë

land Frenberg , einen damals namenloſen finſterni Wald , vielen Teutſchen und Burgundiſchen Leuten ; welche er durch den Reiz eigenthümlicher Gerichte und großer Freybeit in dieſe Wüſte des Hochſtifts lods Di Müller's Werke. XX ;

1

418

Il . Buch. Fünftes Kapitel.

te 486). Wenn die Erde den Menſchen zu Beooſterung und Nußung übergeben iſt , ſo verdient um die Vers

anſtaltung dieſer Völkerſchaft Biſdof Imer größeres fob als mancher Prälat , welcher in blühendern Zeis ten als gewaltigerer Biſchof geherrſcht. 10. Vorder: Bon Elſaß bis an die Gränge von Ungarn war oſtreich).

Rein Land , worin die Söhne Herzog Albrechts nicht entweder in voller Gewalt oder in großem Anſehen

waren.. Gleichwie ſie zu Erwerbung der Pfandidaft Kleinbaſel fich der Verwirrung Biſdofs Jobann von Vienne bedienten , mit gleicher Aufmerkſamkeit tauften

fie von ihren allezeit geldnöthigen 487 ) Vettern , den Grafen zu Kiburg ( iþren Dienſtmannen um die Lands grafſchaft Burgund 488) ), Rehnsherrlichkeit über Burgs

dorf , Dhun und Oltigen 489) : ſie wollten hierin den So wie Herzog Albrecht von ſeinem Rath , Biſchof Ulrich von fenze

benachbarten Stådten vorkommen.

burg , die Feſte Marſdlins und das Erbſdenkenamt bey dem Hochſtift Cur erhielt , ſo nußte leopold ſein Sohn (in Zeiten da er felbft in Gelbgoth (dien ) die

Unordnungen im Hauſe Montfort , und erwarb die Grafſchaft Feldkirch und Herrſchaft Pludenz 490 ) : um das Pfand einer Burg wurde Johann von Werdeno

berg mit au ſeinen fanden zu Curwalden und in dem Thurgaue (ein Diener 491). Als die Burger von freye burg im Breisgau mit ihren Freunden von Breiſach ,

Neuenburg und Baſel, in dem gerechten Krieg wider

1

Geſchichte der Schweiz.

419

die Anmaßungen ihres Vogtes Graf Egen von Für.

ftenberg , durch eine Folge ihrer Unvorſichtigkeit und Erfdrođenheit bey Endingen gånzlich geſchlagen wors den 491b) , bekam Deſtreid vermittelſt eines Darlehns,

wodurch die Stadt fich loskaufte , eine noch viel uns ůberwindlichere Gewalt über dieſelbe 492). Dod iſt keine Ausbreitung der Herrſchaft fo merks Tirol.

würdig 493 ), als wie Rudolf , Albrechts Erſtgeborner , auf einmal , faft obne Krieg , das Land Tirol (neun und zwanzig woblbewohnte Dhåler , eben ſo viele Städte und Marktfleden , über vierthalbhundert Burgen und faſt neunbundert Fleden oder Dörfer ) an das

Haus Deftreich gebracht 494). Margaretha Maultaſch, des Landes Tirol Erbgråfin , ſehr båßlich von Geſtalt und an Seele , als die den wildeften Leidenſchaften

obne Anſtand noch MåBigung diente , gedachte nach dem Tod ihres einzigen Sohns dieſes fand ihrem Schwager , Herzog Stephan von Bayern , zu überge.

ben. Aber es begab ſich , daß in den Tagen , als die Gråfin dieſes thun wollte , Herzog Stephan vielen edo

len Frauen auf einem fröhlichen Hoflager in Heidels berg zu feyn verſprochen : Darum bat er die Gråfin , dieſes Geſchäft auf ſeine Rückunft zu verſchieben 495 ). Als Herzog Rudolf dieſes hörte ; ſogleich , obſchon er oft trant , und obwohl die Straßen durch die Sabrs.

zeit ſebr verdorben waren , eilte er , mit wenigem aus.

erleſenen Gefolge 496) durch den Schnee der Gebirge

1

420

II. Buch .

Fünftes Kapitel,

ohne Verzug nach Tirol. Rudolf war in dem fünf und zwanzigſten Jahr ſeines Alters 497) , vor allen ans

dern Fürſten derſelben Zeit geiſtreich , woblredend , eins ſchmeichelnd. Alſo erwarb er , ſowohl von der erzůrns ten Gråfin als von der Verſammlung der fandſtånde , auf dem Tag zu Botzen , daß das erbliche Eigenthum des Landes Tirol ibm und ſeinen Erbfolgern vom Hauſe Deſtreich übergeben und ſogleich die Regierung

ihm aufgetragen wurde. Hierauf wußte er der Magas retha Maultaſch (bereu Unbeſtand ihm bekannt war)

pou ſeiner Begierbe ſie ſtets zu ſehen , von der Wärme feiner Dankbarkeit , von der Anbetung , in der er ſein Leben mit ihr zubringen möchte , von den Luftbarkeis ten der Stadt Wien , ſeiner Hofhaltung , welche bes

ſonders groß und prächtig war , und von der Unge. 1

duld , womit alle reine Diener und ganz Deſtreich die

große Frau zu ſeben verlangen , ſo viel zu ſagen 493 ), daß die Gräfin mit ihm nach Wien zog , woſelbft ſie nachmals geſtorben iſt. Die Land:

ſtådte.

In Verwaltung ihrer Stådte hatten die Herzoge

die Grundfäße des grünen Grafen : Beodlkerung und Flor ; wie auch die republikaniſchen Regierungen thun müſſen , wenn ſie dem Vorwurf ausweichen wollen ,

fie ſorgen weniger für das Land als für ſich.

Der

freye Ort 499 ) Surſee , dem das Martrecht in ſeinem

Friedkreiſe ſchon von König Ulbrecht verurkundet war 500) , genoß , nach dem großen Brand , wovon

Geſchichte der Schwety.

492

Surſee verdarb , von den Herzogen- Rudolf 501) und Leopold 502 ) Jahre lang 503 ) altgewohnte Freygebig. keit 504). Als Zofingen , eine vom Hauſe Froburg ers worbene Stadt 505 ) , in Zeiten , da ein fandkrieg beo

forgt wurde, mit Verwahrung und Rüſtung 500 ) befons

dern Eifer für das Haus Deſtreich zeigte, verbriefte. ihr der Herzog Rudolf, als des Landes Herr 507), viele Freyheiten und alte Gewohnheiten ; „daß das Leben

des Todſchlågers von den Freunden der Ermordeten, eabhangen folul 508) , und einer , welcher den andern ,

„ auf laſterhafte Art bey ſeinem Weib finde, ihm thun ,,moge was er will 509).“"

So gab Leopold , als . er nad dem ewigen Bunde der Glarner die Stadt Wes

fen im niedern Amt Glaris emporbringen wollte , dies ſem Ort einen jährlichen Rath 510), ein Erbrecht 511 )

und andere bey Leib und Gut fichernde Vorrechte 512 ). In der Zeit als König Wenceslaf that, was Leopold wollte , erhielt er für dieſe Stådte die Unabhängigkeit ihrer Gerichte 513 ). Dod war böherer Muth in den Edlen und Bür. 11. Schaffs. gern der Stadt Schaffhauſen, der Herzoge Pfandſchaft hauſen

vom Reich . Die Männer vom Hegau und Kletgau 514), welche unter Graf Rudolfen von Habsburg , Landgraf

zu Klekgau , und unter dem . Hegauiſchen Landrichter Wolfram zu. Nellenburg 515 ) auf den Lagen in Mas dad 516 ) oder zu Rokerlobe 517 ) oder zu Rheinau an

der Halden , gemäß alter Zeutſchen Sreyheit igre j

422

II. Buch . Fanftes Kapitel.

Landgerichte beſetzten , und ſich zu Schaffhauſen , in des Landes Mittelpunct , verburgredyteten , brachten in dieſe Stabt eine andere Denkungsart als Fürſtens ftådte haben dürfen . Dazu kam , daß indeß die gro. Ben Geſchlechter durch die Gütertheilungen genöthiget wurden, bürgerlicher lebensart nåber zu kommen, dem Bolt , ſowohl der Stadt als der benachbarten Gegens

den 518) , unter dem ſanften Stab friedſamer Prälds ten ,

Freyheit gleichſam Sitte ward .

Muth war

nicht einem einzelnen Stand eigenthümlich , ſondern

allgemeine Tugend einer Zeit , wo bey geringen Bes dürfniſſen jeder in fich Kraft fühlte zu allem : großer war der Muth bey den Schaffhauſern , die nur Wafs fen und fandbau übten , als in Stådten , wo figender

Fleiß dem Volk ſtillere lebensart gab 518b). Dadurch bekamen fie früher als die von S. Gallen und völlis ger 519) die Oberband über den Abt ihres Kloſters. Durch die Nåberung der Geldledter entſtand (wie

zu Rom durch die Heirathmiſchung der Patricier und

Plebejer ) , daß die Verwaltung des gemeinen Weſens aus der Hand weniger Familien 520 ) anfangs einer größern Anzahl übergeben wurde , und mehr und mebr an die Burger kam . Senes erſte trug fich zu , bald nachdem die tapferſten Edlen und Bürger 521) die Geo fabr . der Unternehmung wider die Råuberburg Emas tingen mit einander getheilt , in Zeiten großer Notb , als von dem Brand im Spital 522) die ganze Stadt

Geſchichte der Schweiz.

423

in Aſche fank 523 ), und nicht ohne allgemeine Bereitwillig .. teit 524) feſter 525 ) und ſchöner hergeſtellt werden konnte : ( obwohl durch das Wachsthum der benachbarten fand. ſtådte 526 ) die Nußung ſowohl des Durchgangs der Waas ren als der nothwendigen kandung ob den Waſſerfallen

zunahm, war dieſes noch Privatleba 527), keine Hülfe. des gemeinen Weſens 528) ). Damals , unter dem Ans ſeben Leopoldo , Herzogs zu Deſtreid , wurden dem Rath von Zwolf , welcher bey dem Schultheiß über alle Sachen urtheilte , worüber kein öffentliches Geo richt verſammelt wurde 529), zwey, andere Råthe von Edlen und Bürgern beygeordnet 530). Schaffhauſen ſtieg durch den Gedanken unabhängiger Freyheit über die eigenen Städte der Deſtreichiſchen Fürſten ema por 530b). Die Kühnheit, großer Fehden zu Uusbreitung der Herrſchaft hatte ſie nicht; vielleicht weil die Stife ter aus Gewohnheit, mittelmäßigen Glüds nicht nach großen Dingen trachteten ; oder weil über dem lango ſamen Emporſtreben zur Freyheit andere Gedanken bintangelegt wurden ; auch weil die Deftreichiſche

Macht und ihr Anhang die Stadt umgab ; und vora nehmlich weil in ihrem alten Senat keine Männer was

ren , welche den thatigen Geiſt ihrer. Bürgerſchaft von innerlichen Unruhen auf die Bergrößerung des Paters landes zu richten wußten. Durch die Freyheitsliebe.

zeigte ſie ſich würdig der alten Bünde mit benachbarten

424

II. Buch . Fünftes Kapitel.

Städten , welchen ſie aber durch den Einfluß der Hers joge fremd ward . Die Städte Schaffhauſen , Baſel, Solothurn 531) , 12. Die Seiten fauſanne , Sitten und S. Gallen wudhfen alſo auf alle

überhaupt. Weiſe zur Freyheit auf; das fand Appenzell gehorchte .

kaum noch . Des Abts von S. Gallen , der Biſchöfe zu Eur , Sitten , fauſanne, Genf und Baſel gebeiligte Madht, in weltlicher Herrſchaft, nach der Gemühtss art jedes Prålaten , mehr oder weniger glücklich, wars

de in ibrer Grundfefte erſchüttert, weniger durch die Anmaßungen als durch die Spaltung des påpftlichen Stuhls . Milde Stiftungen für Urme 532) und Krans ke 533) wurden gemacht; gegen Klöſter die Großen aus 1

Geldnoth immer kühner.534) ; die Bauern aber weigers ten ſich der ungerechten Pflichten , woja die Dienſte

Þarkeit Vorwand war 535). Ueberhaupt hatte die Kirs che wider ſich , ſowohl den Unglauben , welcher in Star lien ihr ſchon troßte 536) , als die myſtiſde Andadot, weldbe, da fie in Kloſtern fich nie lang 537 ) oder nur

hin und wieder bey Nonnen 538) erhielt, bey frommer Laien, gemein wurde 539). Der Kirche Macht war am großten , wo die reuigften: Sünder ; alſo entgieng ihr nicht weniger der , welcher mit Kafterungen den Him, mel ohne ſie verdienen wollte , alb der , welcher aus .

Verachtung dieſes vergånglichen Körpers weder das Gute noch das Böſe, wozu er gebraucht wird , für þetrachtungswürdig hielt. Es wankte die alternde

1

1

Gerdichte der Schweiz .

425

Macht son Montfort, son Welſchneuenburg und ana dern großenBaronen zwiſchen der aufblühenden Schweia zeriſchen Freybett und wachſenden Herrſchaft Deftreichs und Savoyens. Die Fürſten von Savoyen und Deſts

reid regierten weitläuftige Lånder mit mebr oder wenia ger Nachdruck , je nachdem einer das Volk mit gem

fdicterer Miſdung von Standhaftigkeit und Milde , die Großen mit Fürſtenwürde und Ritterrupm , und

fich ſelbft, bey ſo ſchwerer Verwaltung , mit ungeftor , terer Geiſtesruhe bebetrichte. In dieſem Zuſtand was ren die Sachen der benachbarten Städte und Herre ſchaften , in den Jahren , als die acht Drte der Schweiz dea Thorbergiſchen Frieden bieltett. Als Herzog Albrecht von Deftreid , Soba König III. Fortſ. Albrechts , Entel Rudolfs von Habsburg , mit gleis der Geſch, Eher 096

. dhem Recht von einigen der Lahme, von andern derRudolf

Weiſe genannt, ſeines Alters in dem ſiebenzigſten Sabre farb , war von ſeinen vier Söhnen Rudolf , der dels tefte, allein volljábrig. 549 ). Erzogen war derſelbe unter. Aufſicht Graf Ulrichs von Schaumberg , eines Mang nes , weit erhaben über die Religion ſeiner Zeiten . Er hielt ,,unfern Geiſt für einen Funken der uteobelea

benden Gottheit , welcher frey , groß , boch , wie ein „ Gott , ſich dieſes Puncts von Materie, den er uun,

obeſeelt, bedienen mag , bis der Körper , ſein unglei ocher Gefährte, unwürdig långer ſeine Hülle zu ſeyn ,

munfähig , iba 84 feffeln , ſchwindet, perfåült, fich aufs

1358

426

II. Buch . Fünftes Stapitel.

,, loſt ; worauf der Geiſt, wie in feinem Weſen unzers „ ſtörbar, ſo nicht weniger unerreichbar von vergånglis ,, chen Folgen ſeines Lebens in der irdiſchen Welt 541) , wfidh zurüdſenkt in die unendliche Gottheit , von deren ,,Einem Gedanken dieſe ganze Darſtellung fidtbarer „ Formen 542) eine einzige Fulguration 543) iſt.“ Uber in ſofern man den Zeitgenoffen eines außerordentlichen

Mannes von demſelben glauben darf, muß Graf Ulrich vergeſſen haben, daß beſonders in dieſem Syſtem (nach welchem die in Graben ihrer Höhe unendlich von eins ander abſtehenden Seelen unſerer Brüder doch eben ſo , viele Leußerungen der unendlichen Wirkſamkeit Eines göttlichen Gedankens bleiben ) dem erhabenſten Geiſt

auch der beſte Menſch zu ſeyn geziemt; ſondern er brauchte feine Gewalt , Benachbarten vieles abzudrån, gen , und um zu dem Bau der Städte Efferding und, Pewrbach den Leuten ſeiner Herrſchaft Barte. Frohna,

dienfte aufzubůrden 543 b). Aber wir wiffen dieſes nur durd die Geiſtlichkeit, welche fåmtlich vom Papſt bis

zum Leutprieſter Graf Ulrich nicht nurmit ſeinem Spott belud, 544 ) , fondern , wo er konnte , zu Steuern zwang 545 ) und um viele milde Gaben der bußfertigen Sterbenden brachte 546 ). Vielleicht hielt er får gut, ſeine in Anbetung ſchlummernden Zeitgenoffen durch Wiß und Muth ein wenig zu ſchüttern. In dieſen Geſinnungen erzog er den Prinzen, Rue dolf, der Kaiſerlichen Pfalz Erzherzog , des heiligen

Geſchichte der Schweiz.

427

Römiſchen Reichs Erziågermeiſter 547), der ganzen Deftreichiſchen Herrſchaft mit kaiſerlicher Gewalt ober .

fter Landesherr ( io nannte er ſich 548) ) , der Erfte , welcher auf dem alten Habsburgiſchen Gut in Aargau den Glanz fürſtlicher Majeſtåt gezuigt 549) , und wels der das Tyrol erwarb, verdiente, daß er in den Chros niken ſowohl der Geiſtreiche als der Stifter 550 ) gea

nannt wird ; ein Fürſt, welder alles neu machen wollte. Er erfand neue Buchſtabenfiguren , deren er ſich zum Aufſchreiben geheimer Geſchäfte bediente 551).

Viele

milde Stiftungen , die ſein Vater that in hohen Alter, bey zunehmenden Gichtſchmerzen und berannabendem

Tod , vernichtete er ; viele Reliquien , zur Verehrung des Volks ausgeſtellt, nahm er hinweg. Den großen Bau S. Stephan Münſters zu Wien vollendete er in der Pracht, welche, nach damaliger Manier, der Haupts kirche einer großen Reſidenz, und worin die erzherzog.

liche Gruft ſeyn ſollte, würdig ſchien 552 ). Vornehm . lich begabte und begünſtigte er die Univerſitåt 553) . Er wollte das Hochſtift Paſſau nad Wien verlegen 554) ;

ſowohl um der Hauptſtadt noch größern Glanz zu ges ben , als um über den Biſchof zu gebieten. Der Erza berzog ſagte : „Ich will in meinem Land ſelber Papſt 1

ofeya , " und bedauerte nichts mehr als die Blindheit anderer Fürſten , „ ſonſt follte die Prieſtermaďt bald „ ein Ende nebmen . “ Soon wurde von den Bayriſchen

Höfen ſeine Denkungsart angenommen 555 ).

Wenn

428

H. Buch. Fünftes Kapitel.

dieſer Fürſt, welcher nur ſechs und zwanzig Jahre ge lebt , långer fortgewirkt båtte , und in die bald folgens den Zeiten des großen Schisma gekommen wåre , ſo konnte ſich zutragen , daß eine viel frůbere , nicht ſo theologiſche , und mehr politiſche Kirchenreformation geſchab ; welche der allgemeinen Freyheit nicht zutråg. lid geweſen ſeyn dürfte. Die faien mochten es nicht frob werden , daß der Erzherzog in dem Krieg wider

Bayern zur Behauptung Tirols von der Geiſtlichkeit fiebenzigtauſend Wiener Pfund nahm 556) : Er verviels

fältigte die Auflagen auch der Bürgerſtandes 552).

Es

ift nicht gewiß , daß er über die verderblichen Leidens

tichaften anderer Fürſten ſo erhaben war , als åber die ramalige Andachtsform ; åußerſt wenige Fürſten geben die Gefeße fich ſelbſt, welche die meiſten von der Gote tesfurcht anzunehmen bedürfen .

Auf ſeiner erſten Reiſe in die vordern Erblande, mit Katharina Karls des Vierten Tochter, ſeiner Gea

mahlin , bediente fich Rudolf des unaufhörlichen Gelde mangels der Grafen von Habsburg Lauffenburg , und kaufte von Graf Gottfried Ultrapperíchwyt, die Mark und. Wågi , zwiſchen dem Zürichſee und Schwyß 558 ). Damals ſchlug er durch die Hand vieler geſchidten Meiſter die mehr als adotzebnkundert Schub lango

Bråde bey Rapperſchwyl über den See 559) , als wollte er den Pilgrimen die Wallfahrt nad Einſidlen erleich trn ; in der That brachte er dieſe Waffer in ſeine Gas

Geſchichte der Schweig. walt , welche zwiſchen Deutſchland und Stalien ein Handelsweg waren. Eine Zeitlang blieb der Erzher .

.308 zu Dieffenbofen 559b). Zu Zofingen hielt er jenen großen Hof.

Uber aus der Verbindung mit Ludwig

von Anjou , König von Hungarn , wider Kaiſer Kart den Vierten , wurde ein Landkrieg beſorgt, in welchen

der Kaiſer gegen ſeinen Schwiegerſohn auch die Schwein zer mahnen würde.

Schon ichloß Karl einen Bund mit Zürich , woritt er nicht nur die Waldſtette und Bern , ſondern auch

Bug und Glaris (deren ewigen Band er ſonſt vermors fen) vorzubehalten geſtattete 56 ): er verſpracy, wenn Rapperſdwyl erobert werde; niemand als den Zürichert dieſe Stadt vom Reich zu lehn zu geben 561). Die

geſchwächte Partey des Bürgermeiſters Rudolf Brunt war durch ſeinen Tod gefallen , und es wurde dafür gehalten , daß die Brüde zu Rapperſchwyl nicht anges

legt werden könne , ohne Nachtheil der althergebracha ten 562 ) Beherrſchung dieſer Waffer durdo Zürich . We nige Tage vor dieſem Bund ſtiftete der Raiſer eine Ver .

bindung der umliegenden Reichsſtådte 563) • Zürich durch die Eide gezwungen , mußte Deſtreich vorbehal. ten ; doch kamen ſie überein , wenn eine Unterneh.

,,mung der Herzoge dem Ummann und Natb von Pful. lendorf ( einer unparteyiſden 564) Reichsſtadt) für

» Zürich beleidigend ſceine , ſo ſollen die Städte wides

1368

128

H. Buch . Fünftes Kapitel.

dieſer Fürft , welcher nur ſechs und zwanzig Jahre gee Kebt, långer fortgewirkt håtte , und in die bald folgens den Zeiten des großen Schisma gekommen wäre ,

ro

konnte ſich zutragen , daß eine viel frühere, nicht ſo theologiſche , und mehr politiſche Kirchenreformation, geldab ; welche der allgemeinen Freyheit nicht zutråg.

lich geweſen ſeyn dürfte. Die faien mochten es nicht frob werden , daß der Erzherzog in dem Krieg wider Bayern zur Behauptung Tirols von der Geiſtlichkeit

fiebenzigtauſend Wiener Pfund nahm 556) : Er verviels fältigte die Auflagen auch der Bürgerſtandes 557). Es ift nicht gewiß , daß er über die verberblichen Leidens

lichaften anderer Fürſten ſo erhaben war , als über die ramalige Andachtsform ; åußerſt wenige Fürſten geben. die Gefeße fich felbft, welche die meiſten von der Gota tesfurcht anzunebmen bedürfen .

Auf ſeiner erſten Reiſe in die vordern Erblande , mit Katharina Karls des Vierten Tochter , ſeiner Ger mahlin , bediente fid Rudolf des unaufhörlichen Gelde

mangels der Grafen von Habsburg Lauffenburg , und kaufte von Graf Gottfried Ultrapperfchwyt, die Mark und Wågi , zwiſchen dem Zürichſee und Schwy 558 ). Damals ſchlug, er durch die Hand vieler geldidten Meiſter die mehr als adotzebnhundert Schub lango

Brüde bey Rapperſchwyl über den See 559 ), als wollte er den Pilgrimen die Wallfahrt nad Einſidlen erleich .

terni in der That brachte er dieſe Waffer in ſeine Gas

Geſchichte der Schwelf.

429

walt , welche zwiſchen Deutſchland und Italien ein Handelsweg waren. Eine Zeitlang blieb der Erzher,

30g zu Dieffenbofen 550b ). Zu Zofingen hielt er jenen großen Hof. Aber aus der Verbindung mit Ludwig von Anjou , König von Hungarn , wider Kaiſer Kart

den Vierten , wurde ein Landkrieg beſorgt, in welchen

der Kaiſer gegen ſeinen Schwiegerſohn auch die Schwein jer mabnen würde.

Schon chloß Karl einen Bund mit Zürich, woritt er nicht nur die Waldſtette und Bern , ſondern auch

Zug und Glaris (deren ewigen Bund er ſonſt verwors

fen) vorzubehalten geſtattete 560) : er verſprach, wenn Napperſchwyl erobert werde, niemand als den Züricherri dieſe Stadt vom Reich zu fehn zu geben 561). Die geſchwächte Partey des Bürgermeiſters Rudolf Brun war durch ſeinen Tod gefallen , und es wurde dafür

gebalten , daß die Brüde zu Rapperſdwyl nicht anges legt werden könne , ohne Nachtheil der althergebrachs ten 562) Beberridung dieſer Waffer durd Zürich. We. nige Tage vor dieſem Bund ſtiftete der Raiſer eine Ver .

bindung der umliegenden Reichsſtädte 563) • Zürich . durch die Eide gezwungen , mußte Deſtreid vorbehal. ten ; doch kamen ſie überein , wenn eine Unterneh. ,,mung der Herzoge dem Ammann und Ratb von Pful.

„lendorf ( einer unparteniſchen 564) Reichsſtadt) für Zürich beleidigend deine , ſo ſollen die Städte wider

1368

430

II. Buch . Fünftes Kapitel.

,, Deftreich für die Züricher auszieben , und kein Borbes „balt mehr gelten ."

Da ſeşte der Erzherzog über alle obern fande jos bann vom Hauſe der Schultheiße von Lenzburg 565 ), Biſchof zu Gurk , ſeinen Canzlar , einen Mann von

( erprobtem Dienfteifer und mannigfaltiger Geſchidlich . keit in großen Geſchäften , zum vollmächtigen Lands vogt 56 ). Einen beſſera Miniſter konnte er nicht wähs len , als einen Mann ohne angeerbte Macht , nur durd Tugend und Einſicht groß. Diefer erneuerte mit Schwyß den Thorbergiſchen Frieden. Er ſchloß mit allen benachbarten Großen , mit Baſel und mit eilf Reichsftådten von Elſaß 567) , einen Band wider

die großen Rotten 568 ) , welche nach dem lekten Eng. liſchen Krieg die Franzöſiſchen Provinzen durchſtreife ten , und alle benachbarte Lånder bedrobeten. Dieſer Bund verpflidytete nicht nur zu gemeiner Bertheidis

gung , ſondern auch , daß dieſe gethan werde obne die damals gewöhnliche Unordnung der kriegenden Schaas ren. Dieſer fanboogt erkaufte von den Grafen zu Kiburg jene Lehnsherrſchaft über Thun , Burgdorf und Ditingen 569).

1364

Über die drey größten Perſonen im Erzhauſe ſtars ben ; zuerſt, auf einer Jagdluſt , Herzog Friedrid , der nåch ſte nach dem Erzherzog , ein rechszehnjähriger Jüngling, von Verſtand ein Mann 570). Hierauf zu Königsfelden in dem vier und achtzigſten Jahr ihres

Geſchichte der Schweiz.

431

Alters , die Königin Agnes von Ungarn ; weiland un. menſchlich in der Blutrache um ihren Vater ; ſonſt in

Fürſtenklugbeit und innerer Kraft groß. Von jener Weifſagung des Bruders von Offeringen wider ihr Stift 57 ) , fab ſie den Anfang der Erfüllung in den lekten Kriegen , als die Schweizer dieſe Gegenden deb Aargaues verwüſteten 572). Da ſie die leßte Delung

empfangen , ſagte ſie zu den Jungfrauen : „ Ießt iſt walle Unlauterkeit abgewaſchen von dem Spiegel meis ner Seele ,“ und ſtarb , ſtark im Glauben wie in bem ganzen Ton ihres Lebens 573). Der Erzherzog

ftarb zu .Mailand, pldklich , an Fieber, oder Gift 574 ). 1365 Albrecht und Leopold ſeine Brüder waren , dieſer Albrecht u.

in dem vierzehaten 575) , jezer in dem ſechszehnten Jahr Leopold. feines Alters ; der åltere , von ftillem Gemüth , vers gnügte fich , zu Wien Vorleſungen berühmter Profeſa ſoren zu bören , und beluſtigte ſich in den Gårten zu Laremburg Pflanzungen anzulegen und fremde Thiere zu ſammeln 576 ). Leopolo war in allem feuriger ; als Ritter ohne Zadel 577), in Staatsgeſchåften oft vorfidh

tiger, als von ſeiner leidenſchaftlichen Seele zu erwara ten war. Graf Rudolf zu Nidau war zu Schwaben und

Elſaß der Herzoge Vogt 527b). Uneinigkeiten des Hofges findes bewogen die Brüder von einander zu ziehen 578).

Das innere land verwaltete Herzog Ulbrecht ; Vargau , Kiburg , Elſaß und alle Herrſchaften zu Schwaben blieben ſeinem Bruder ; Tirol batten fie gemein ,

432

II. Buch. Fünftes Kapitel.

So lang dergleichen Theilungen das gerneine Recht waren , entſtand kein anderer Nachtheil für einen fürs

ſten , als daß ihm nicht ſo leicht war , ſeine Nachbar Tein zu unterdrücken ; das Erſtgeburtrecht ( wenn das Reid je nach einem feſten Syſtem regiert worden wåre)

durfte keinem , oder mußte auf einmal allen Häuſern gegeben werden

In dem Jahr als der Erzherzog ſtarb , berweigers ten die Züricher Herrn Peter von Thorberg die bor zehn Jahren Werbeißene Erneuerung jener den Eibges

noſſen mißfålligen Deftreichiſchen Richtung 579) . Dent fie ſprachen : „ die Herzoge krånken durch die Brüđe inju Rapperſchwyl ibré altgewohnte Herrſchaft über dieſe „ Waſſer ; fie ſchädigen ihren Münzkreis durch die Hers bunterſebung ihres Geldes und Errichtung neuer Månzo vftåtte 580) ; ſie legen auf ihre Ausbürger ungewöhnı sliche Steuern ; ſie serhindern zu Rapperſdywyl den Vertrieb ihrer Kornhåndler , Schuſter und Gerber ;

fie unterdrücken die Appellationen der niedern Gen richte an den Rath;" noch viel anderes 581) wands ten fie vor , um die Erneuerung dieſes Vertrags nicht abzuſchlagen , ſondern ihr auszuweichen . In der That war deſſelben einſeitige Annahme das Werk der uns treuen Lift Rudolf Bruns , und nie ein Irrthum obet ein Fehler der Stadt Zürich . Snde ſtieg in allen oberteutſchen Landen mehr und Određent , Indeß .

0. Cervold. 1365

mehr die Furcht vor dem Cervola 582 ), einem Haupta 1

Geſchichte der Schweiz.

433

mann fühner Jugend aus vielen Viikern , welche uns ter den fiegreiden Bannern des Prinzen Edwards von Wales die Schlacht bey Poitiers gewonnen , und

einzig den Krieg liebte. Karl der Fünfte, König von Frankreich , hörte auf zu ſchlagen , und ſiegte ohne .

Gefahr durch die Zeit ; kein Fårft war ſo reich noch

To fühn , die Schaaren , als Grundfeſten der Macht, auf einen beſtåndigen Fuß zu beſolden . Sie irrten in großen Motten unter den Völkern umber ; wie im Alterthum nach dem Peloponneſi chen Krieg ſolche Ges ſellſchaften 583) , welche nur den Waffen lebten , ifre Kunſt und ihren Muth Königen , Dyrannen und

Ståbten zu jedem Gebrauc darboten , bis Konig Phis lipp zu Unterdrůđung der griechiſchen Freyheit einen fteten Kriegsfuß aufbrachte. Arnold von Cervola , vom Adel des Perigord , Ritter , Kammerherr von

Frankreich, Statthalter in Berry und Nivernois , Phi. lipps ( von Burgund) Rath und Gevatter , nachdem er bey Poitiers tapfer geſtritten , und nicht hatte hins

dern können , daß der König und Prinz Philipp get fangen worden , folgte , wie man ſprad , dem Rath. ſchlag des Kardinals von Perigord und erf bien , det

Erzprieſter von Verny genannt 583b) , an der Spike bon oft zwanzigtauſend Mann , welche Menge audy zu gedoppelter Zahl ſtieg. Die Landleute in Provence retteten ſich durch Abſchneidung der Lebensmittel 583 ). Es bewirthete und beſchenkte ihn ehrerbietig (bang for # Müler's Weste. XX.

1

28

434

II. Bud. Fünftes Stapitel,

feinen Thaten) Papft Innocentius der Sechste 583d ) , welcher hierauf eine Kreuzfahrt predigen ließ , um den Ungeftum der wandernden Notten auf die Domaniſden ' Zürken zu wenden 584). Vergeblich . Endlich führte Cervola in Hochburgund eine Febde des Grafen von Blamont ; kaum wurde durch den Sieg Johanns von

Vienne , Hauptmanns der Stadt Beſançon , dieſe große Stadt vor ſeinem gewalttbåtigen Arm gerets

tet 585 ), als vierzigtauſend ſolche Kreuzfahrer , welchen die Reichsfürften die Påffe- nicht öffneten , ohne ans dern Grundlaß noch Plan , als vermittelft ihrer Waf.

fen zu leben , und in den Waffen zu ſterben 586 ) , aus der Gegend von Trier in die obern Lande zogen.

Aus der Wašgauiſchen Bergen überfielen fie El. faß , taubend als in aller Dinge Mangel 586 ). Shrer Annäherung erſchraďt die nach dem Erdbeben kaum

wieder aufgebaute Stadt Baſel, von deren gebroches nen Ringmauern der große Shutt noch an vielen Drten die Graben füüte; fie bát bey den Schweizern um Hülfe 586c). Nach wenigen Tagen zog über den Hauenſtein der Kriegsbaufe 587) von Solotburn und

Bern , funfzehrbundert Mann ; da fie in der Vorſtadt empfangen wurden , ſprach der Hauptmann der Bera

ner : ,,Sintemal wir geſandt worden , alles für eudi zu magen , biderbe gute Freunde und Eidgenoffen 588) , oro ſtellet uns an den Ort , wo die größte Gefahr jeyn wird.“ Piele weinten den folgenden Tag beym

Geſchichte der Schweiz.

435

Anzug der Schaar von den Waldſtetten , von Zürich, Zug und Glaris , dreytauſend außerleſener Krieger , ohne Bund mit Baſel, růſtig in der Noth für ſie zu ſtreiten. Cervola , welcher zu den Rotten gekommen , da er dieſes börté 589) , nicht unkundig wie ſtark und arm dieſes Volk und Land ; wandte den Zug und übers .

fiel Met 590 ).

Nach Herſtellung des guten Verſtändniſfes Kaiſer Karls des Vierten mit Deſtreich ; neun Jahre nachs dem er die Verbindung der Zuger und Glarner zu den Schweizern genehmiget ; ließ er , mit Hintanſeßung alles Ånſtands, doch noch eine Mahnung wider dies ſen Bund ergeben 597). Der Thorbergiſche Friede

1371

wurde ſonſt meiſt alle dren Jahre erneuert 592). Schabe

aus Privatfeindſchaft wurde aus des Urhebers Bers mogen gutgethan ; der ganz arme mußte ihn am Leib abverdienen. Friedenstage wurden mitten im Lande

zu Lucern geleiſtet, mit ſicherm Geleit für jeden , der ) nicht wider einen Lucerner in Dodfeindſchaft ſtand 593). Indeß machte Viridis Visconti Herzog Leopold ihren Landestheia it ? Gemahl zum Vater von drey 594) Söhnen und son "lung, 1375

to bieten Zöchtern , da kaum Beatrix Burggräfin zu ſo Nürnberg 595 ) dem Herzog Albrecht einen einzigen Sohn gebar. Sener , durch Rittertugend , blühend ,

war begierig nach der ganzen Deſtreichiſchen Macht; Albrecht von ungetreuen Räthen umgeben 590). In

dieſen Umſtänden geſchah die Landestheilung, wodurch

456

II. Bude. Fünftes Kapitel.

der åltefte Bruber , Herzog Albrecht , nur Wien mit dem fande Diſtreid bepielt 597). Strieg des

Eben damals erhob Ingelram , dieſes Namens des Siebente , Herr von Coucy und Graf zu Soiſſons 598), wider Ulbredt und feopold , Herzoge von Deftreich , eine große Fehde um die Heirathfteuer Frau Kathas rina ſeiner Mutter , åltefter Tochter jenes erften Leos pold , welcher bey Morgarten wider die Schweizer ftritt 598b). Sie wurde ſeinem Vater zu einer Zeit gegeben , als Deftreich und Frankreich in enge Vers .

Coucy,

bindung traten 599) ; Aargau und Elſaß waren ift verſchrieben . Der Herr von Couch war von einem

alten und berühmten Adel , an Herrſchaften reich ; feit Haus half mehrmals den alten Herzogen der Nori mandie, aus billiger Beſorgniß , nach ibrem Fall modo ten die Könige von Frankreich mit unaufbaltbaret Macht unumdrånkt Berrſchen ; in eben dieſer Geſing

nung freute er ſich des Fortgangs der Waffen Kids nig Edward des Dritten von England ; er hatte Iſas bella eine Tochter deffelben geheirathet. Um ſo leich

ter erwarb Couch den Beyftand vieler Engliſchen Kriegebelden , welche in des Königs abgelebtem ul. ter , da auch der Prinz von Wales körperlicher Era

fcopfung unterlag , unwillig rubeten. Sie kannten ihn aus den Staliäniſchen Fehden 599h). Zu dieſen vortreflichen Rittern , von welchen die Menge ſeiner

Schaaren Engländer genannt worden 6oo), warb der

Geſchichte der Schwelg.

437

Herr von Coucy in den Provinzen Ludwigs von Mes dheln , Grafen zu Flandern und Hochburgund 6or) und Herzogo Jobann von fothringen 602) (des Königs und ſeiner Freunde) viele Atarke Krieg drotten , pereinigte ſich mit dem Reſt von Cervola's Geſellſchaft 602 b ) und machte ein Heer von mehr als vierzigtauſend Mann.

Sie zogen durch Mümpelgard auf Sundgau , auf EL Taß über die Zaberns Steig 602c). Die erſten Anführer , von den Deftreichiſchen fand.

pflegern um den Zweck ihrer Ankunft befragt , ſollen geantwortet haben 603): „ Wir forderu fechozigtauſend 1 !Gulden , ſedhezig Hengſte zum Streit und po viel goldene Kleider.“ Shnen folgte der junge Coney felbſt mit funfzehnburdert Helmen , vor vielen andera (wie in dem ganzen Lauf ſeines Lebens) durch eigenen

Rittermuth glänzend.

Sevan ap Eynion ap Grifo

fitb war ben ihm 604), ein hochgeſinnter trotziger Held, Enkel der Heerführer , unter welchen vor neunhundert Sahren die alten Britannier über Trangian , eryri 605 )

vor den Angelſachſen in die Thåler von Wales ente floben, gevaa batte König Edwarden nie gefürchtet; wider den ſchwarzen Prinzen hatte er Heinrich von Tranftamara bey dem Zbron Caſtiliens behauptet; zu Land und See ein furchtbarer Name. Neber ihn

glänzte der große Hauptmann von Frant ; ein andes ' rer Sevan von Belcaib ; Saluer ein Graf aus Bres

tagne ; fundert Olene , Ritter vom Deutigen Reich ;

II. Buch . Fünftes Kapitel .

438

hundert vornehme , muthvolle Anführer , son deren edlen Stamm auch der Name ibren Feinden unbes kannt war.

Das Heer zog in fünf und zwanzig Haus fen 605b) , vor andern that ſich die Schaar rechstaus

fend wohlgerüſteter Engländer bervor , ſchimmernd von vergoldeten Helmen und hohen eiſernen Gugelhůten 006 ), mit Narniich und Beingewand wohl verwahrt , wohl beritten 607) , geziert mit langen ſchönen Kleidern und filbernem Geſchirr 68) in koſtbaren Zeiten. Es war ibre Art , nichts zu verwüſten ; dem Bauer nahmen fie nidits als Brot und ein 68b) ; wer fie ehrte , ſo

daß er bey ihnen um Geleit anſuchte , dem gaben ſie es gern , und hielten es treu 6cs ) ; der Muthwille ih, rer jungen Krieger an Weibern und an den Töchtern

wurde beklagt oºd) ; über des Geſindels Gewalt, Mord und Raub, bielten ſie jedem nach ſtrengem Kriegsredot

Gerichi; von Manne zucht und Ordnung erwarteten fie Siderheit auf ihren Zügen und Glück in offenem Treffen wider die feindliche Macht. Wider dieſen Feind marb der Herzog Leopold an

die Eidgenoſſen um Beyſtand. Er ſtårfte die Feſten ſeines landes ; indeß hielten die Schweizer einen Tag. Da ſprachen die Boten der Männer von Schwyt : ,, Ibuen důnte nicht gut , ihr Voll aufzuopfern , um dem Herzog , von dem fie nie Gutes genoſſen , das ,,land Aargau zu bewahren wider den Coucy , von „Welchem ſie niemals beleidiget worden. Sie wollen

1 1 1

1

Geſchichte der Schweiz.

>

439

,,dem Krieg zuſchauen ; des Ueberwinders , wenn er zu weit gebe , getrauen ſie ſich zu erwehren. Sie

,,wollen , und mabnen , in der Kraft ihrer ewigen ,,Bünde , die von Uri , die von Unterwalden und von lucern , an dieſen Sachen kein Theil zu nehmen ."

Da erklärten die Boten der Züricher und Berner , „ der ,, Krieg im Aargau bedrobe ihr offenes land ; im Ges ,,birg möge man den Feind erwarten ; ſie müſſen ihm ,, begegnen ; Aargau , ihre Vormauer , wollen ſie dem ,, Herzog bewahren helfen .“ Da verlängerte der Hers 30g auf eilf Jahre der Thorbergiſchen Frieden 609). Defto eber ließen die von Sdwyk die Stådte Zürid und Bern (10) bey ihrem Borſak , von der Aare bis an die Ufer des Rheins landwehr zu thun 611) ; unun,

terſtůßt, aber ungehindert , waffnete beſonders Bern. Kluger würden die Eidgenoſſen die Vormauer eines jes

den Ortes als gemeinſchaftlich betrachtet , und mit einander bebauptet haben , die Grundfefte des Anſes

bens ihrer Waffen war einträchtiger Entſchluß zu Fries de und Krieg.

Von dem ganzen Land Elſaß allgemeine Flucht in

Stådte und Schloffer. In Breiſach lag der Herzog mit ſeinem Schwager dem, jungen Grafen Eberbarb $

von Wirtemberg ; berſchloſſen , aus Furdt vor der überlegenen Zahl, den fremden und rubmvollen Waf

fen des feindlichen Heers 611b). 416 er fab , daß er

nicht widerſtehen modote , legte er das Land wüſte , um 2

1

1

449

H. Budy. Fünftes Kapitel.

bie Feinde auszubungern 611c). Da zog der Coucy um S. Katbarinen Tag das Land hinauf gegen Baſel. Drey Tage lang ſab man von den Mauern den Zug feiner Macht. Ja dieſer Zeit ergieng des Herzogs Aufgebot an alle Mannſchaft feines bandes zu Tburo gau und Hargau , und ſeine Mahnung an die Zäris cher und an Bern. Zu dem Banner der Stadt Zürich ftieß, unverwebrt von Sdwng, ein Ausíduß der fun

cerner. Sie giengen åber die Waffer , und kamen bis 1

nad Sur in dem Aargauer Gefilde. Bern zog zu

Herrn Peter von Zborberg , der bordern Erblande Pfleger, und kam nad Herzogenbuchſee. Als aber die Nachricht gebracht wurde , wie der Anſchlag der 2

Behauptung des Paffes im obern Hauenſtein von der Landed Herren , von den Grafen zu Kiburg und Nie

dau , durch ſchnelle Flucht aufgegeben worden 612), und Herr Ingelram von Coucy Sißgau hinauf und

nach Zerſtörung der Deftreichiſchen Pfandfchaft Wale lenburg ohne allen Widerſtand und mit Berſtärkung 612b) åber die Höhen durch die Clauſen unter Faltenſtein und bey Balſtal bervor bis an die Aare gelommen ,

da ließ Aargau iu unerhörter Beſtürzung die Waffen fallen ; aus allen Dörfern war eilende Flucht; vergeb. lid mahnte der Herzog dringendft in die Waffene So verbrannte er dann alle Kornfelder , alle Wiefen und fruchtbaren Bäume, und , nachdem der Herr von

Lhorberg die Hülføpdiker beurlaubet , floh der Fürft

1

Geſchichte der Schweiz.

441

verzweiflungsvoll. Fndeß zogen die Feinde Solothurn vorbey , und nahmen ihr erftes Lager in allen Dörfern, welche zwiſchen Båren und Siten auf benden Seiten

der Aare in großer Anzahl zerſtreut liegen . Zu Büren fab fie Rudolf, Graf zu Nibau, deffen Kindheit , als er in der Schlacht bey Laupen ſeinen Vater verlor ,

durch den Ritter von Erlach gepfleget worden , Erbs herr beynabe alles Reidythums von Welſchncuenburg 613), Landgraf in dem Buchsgau , und ein bewährter Held in den Kriegen ſowohl der Könige vom Stamm Va. lois als der Grafen von Savoyen . Als diefer die Feinde zu fdhauen , feinen Syelm auffob , wurde er todo geſchoffen , der letzte regierende Herr von feinem als ten Geſchlecht. Coucy felbft legte fich in das Kloſter zu S. Urban . Das Kriegsvolk, durd Proviantman , gel gedrungen , brach die Burgen 614 ), durchzog, plán, derte und brandfdhakte das ganze land vom Neufcha . teller Jura 614b) bis an die Schweizeriſchen Berge und bio an die Grånzmarken von Zürich 615). Dieſe fån. der någren taum ifre Einwohner. Damals entſtand

eine Hungersnoth und ſolche Eródung , daß kleine Städte kaum vor den Wölfen ficher waren 616 ).

Ganz oben im Aargau , in den Bergen ,i die fich ( Båtti”

vom Gebirg der Waldftette niedriger und niedriger in bola) die Gefilde Berunterlaſſen , liegen zwey Gegenden , vor Alters an die Burg Wollhauſon pflichtig , Rußwoy!, pas dußere Umt, und Entlibuch , das innere Amt, an den

442

II. Buch. Fünftes Kapitel.

Landmarken der Unterwaldner, dat laad eines beſonders groß und ſchon gewachſenen, muntern und herzbaften Hirs tenvolts, welches viele alte Freybeiten hat. Wollhauſen lag wild und ſtark unfern von Vereinigung der Sigger und Emme. Von dieſen Frigherren kain das Land an das Haus Deſtreich ; von dem trug Peter von Thorberg dat Entlibuch zu Pfand 017). Unter allen Unterthanen der Herzoge waren die Entlibucher das einzige Bolt,

welches die Verbeerung ſeiner Güter durch den Mutó verbinderte, mit welchem es dem Feind entgegen gieng. Dieſe Entſchloffenheit entflammte die Lucerner und Uns terwaldner ; das bochgemutbete Bolt dieſer Lånder ers

trug ſchon ſonſt unwillig den feindlichen Troß , aber die Obrigkeit ſuchte es zu ftillen . Die Stadt Lucern

war verſchloſſen ; viele Jünglinge ſprungen von der Mauer , und ſammelten ſich bey den Entlibuchern ; tåglich kam aus Unterwalden eine Anzahl kriegluftiger Jünglinge 618). Eine feindliche Partey von dreytaw, ſend Mann ſtreifte von Williſau ber ſicher in das åus Bere Amt : ſechshundert Månner , denen das Land bes

kannt war, überraſchten fie im Båttisholz wo der Engs lånderhubel 619 ) iſt, und ſchlugen ſie nicht obne tapferat Widerſtand und eigenen Berluſt aus dem Land. Mit ſolchem Glück wurde den Entlibuchern ihr Muth bes lohnt. Sie ſprengten mit Engliſchen Pferden , fiego prangend in erbeuteten Waffen , nadh ihrem Land hins

auf. Einer der Herren , welche indeß auf den Schloí.

Geſchichte der Schweiz.

443

ſern pon Furcht und Neid gepeiniget wurden 620 ), Peufs te bey dieſem Anblic : ,, 0 edler Herr von edlem Blut ,

„ wie daß ein Bauer deine Rüftung trågt !" she ants ,,wortete einer von Entlibuc), Junker , das iſt ſo geo .

I ,,kommen ‫ ;ܪܐ‬wir haben edles Blut und Pferdblut heute ,,unter einander gegoffen . '

Zu Bern wollten viele Rathsherrn , wie der Hers (Jns und 30g , die umliegende Gegend verwüſten. Dieſes vers Fraus brunnen . ) hinderte Hanns Rieder , ein Bürger , durch månnliches Zureben , als der auch ein Gut batte , und mit einem

Zaun tapferer Kriegsgeſellen die Feinde davon abhal. ten wollte. Bauern und Bürger traten überall nach

Muth und Verſtand in Berathiqlagung ; in Zeiten der Noth fault alles andere Anſehen .

Sie ſahen ,

daß

der Feind ben zunehmendem Proviantmangel genöthi. get ſeyn würde auf ihre Koſten zu leben ; alſo hielten ſie für gut ihn zu entfernen , oder ihn Ehrfurcht gegen das gemeine Weſen zu lebren. Von Dorf zu Dorf unterrichteten ſie einander von allen Bewegungen ,

machten Anſchlåge, und vollführten dieſelben mit vers einigter Kraft. Hiezu bedienten ſie ſich finſterer Nächs te , wenn viele vor wenigen erſchreden , des Vortheils

der Waſſer, der Moråſte, Hügel und Wälder , ja der Fahrszeit , weil die Winterkålte am Fuß der Alpen .

ihnen gewohnt , und Fremden kaum ertråglich war.

Abends am Chriſttag wurde eine Notte des Herrn von Frant , welcher zu Gottftatt lag 621) , vom Harſt

444

II. Budy. Fünftes Kapitel.

son Bern und von dem landvolt aus laupen , Aar. berg und Nidau , bey Jas 622 ) mit großem Geldbrey åberfallen , und geſchlagen 623). Un S. Johann des

Evangeliſten Feſt 623b) , als die Bürger von Bern bey Nacht ta ftrenger Kålte aufgebrochen 623 ) , und Herr Sepan ap Eynion ap Griffith in der Ebene zwiſchen Bern und Solothurn im Kloſter zu Fraubrunnen dreys taufend Pferdé batie , wedren ſie iyn zwen Stunden vor Tag mit ploklicem åberlautem Gelderen . Der

Streit war beſonders bart im Kreuzgang ; Herr Jedan funkelte von wilder Kriegswuth ; ihm zur Seite ftritt Belcaib : et fielen viele Ritter ; auch Hanns Rieder mit mehrern Bernern. Uber das Kloſter gerieth in Flammen ; alá Rauch den Streit verhädte , und achte

hundert Engländer 623d) erſchlagen worden 624) , begab fit ( vichi ungerochen ) Herr Sevan in die Fludt. Hierauf zogen die Berner, idrer von Beute, worunter dren Banner , zurück in ihre Stadt , und ſangen den ftolzen Geſang ibrer That 625). 1376

Herr Ingetram , von Kålte und Hunger gedrådt, als dieſe furchtbaren Frinde fide wider ihn mehrten ,

30g über den Kauenſtein in das mildere Elſaß zuråd . obſchon die großen Rotten durch einen Kriegsrath 626) ordentlich befelchnet wurden , dodo berubete, aus Mans gel gehöriger Mannszucht und eines wohlbedachten Plans , Unterhalt und Glüd täglich und ftändlich auf Zufällen . Der Herr von Coucy war ein tapferer

Geſchichte der Schweiz.

1

445

Mann , in den größten Stanisgeſchäften von berühmo ter Klugheit , und edelmůrbig , faſt mehr als man von menſchlicher Schwachbeit fordern zu dürfen glaubt 627).

chan

Aber zu einem Feldherrn , welcher den damaliger febe lern des Kriegsweſens abbelfen ſollte , wurde nebſt ein

M

ner außerordentlichen Gemüthsbeſchaffenheit ein Reid thum ſeltener Kenntniſſe erfordert. Mit größerm Kriegsvolk als Alerander nad uſten geführt, erwarb

e

inn

Coucy Büren und Nidau ; nach zwölf Jabren erſt ; als dieſes Leopolos gleichnamiger Sohn mit einer ani

ret

dern Karbarina , Tochter von Burgund , in Dijon das

prårige Beylager bielt 627b). Us er den Beſit kaum angetreten , wurden fie ibm , wie wir Teben werden ,

ran

entriffen. Er ſelbſt, Held noch ben Nikopolis , fiel in die Gefangenſchaft Bajeſſidy und ſtarb in ufen 627'c ). Nachdem Rudolf zu Búren erſchoſſen worden , fiel Der Kibats o to án Flabella , ſeine Wittwe , Erbtochter der Graficaft giſche DWIE

wold

Neufchatel, die Herrſchaft Erlach als ihre Morgen. Krieg. (Las

gral

ge der Gras

gabe. Nidau , Straßberg oder Büren , von Aarberg fen ) das übrige 628 ) , tam dard Unna feine Schweſter an e

Appl

ichel

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andy

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Hartmann den Dritten , Grafen von Kiburg , ifren Gemahl , welchem fie fünf Sáhne und zwey Todter geboren ; Bipp und Froburg an Graf Simon von Thierſtein , Gemahl Verena der andern Schweſter ;

Honberg an Jobann Grafen von Habsburg Herrn zu, Lauffenburg , Halbbruder des leßten Grafen zu Nis dau 628b), Denn ſeine Mutter , nachdem ſein water ,

apo !

1

124446

II. Buch . Fünftes Kapitel.

ihr erſter Gemahl , bey faupen umgekommen , batte fich dem Grafen von Habsburg bermählt , von wel

chem wir wiffen , daß er bey den Zúrichern gefangen gelegen , dem Vater dieſes Jobann. Da ſandte Johann von Vienne , Biſchof zu Baſel, den Grafen von Thierſtein und Kiburg Fehde , weil fie das lehn der Herrſchaft Nidau nicht von dem Kodas ſtift empfiengen . Sie verglichen endlich , daß von jes

der Seite eine gleiche .Zahl in offenem redlichen Kampf 1

die Sache entſcheiden möge: In der Ebene bey dem Nidauiſchen Dorfe Schwadernau 629) ſtießen ſie zus ſammen , für die Grafen fechs und funfzig Deutſche, eben fo viele Welſche für Biſchof Johann von Viens ne ; fie ſtiegen von den Pferden ; zwey Stunden ſtritt jede Partey erbitterungsvoll ; als des Biſchofs Neffe gefangen worden , blieb den Deutſchen die Oberhand ,

1

1

Nidau dem Grafen von Kiburg in vollem Eigenthum. Er tilgte auch die Savoyſchen Anſprüche, wohl das dard daß Erlach den Fürſten von Savoyen übergeben wurde 630).

Bald nach dieſen Begebenheiten farb Graf Hartă

1377

mann der Dritte von Kiburg 630 b).

Das Haus Ris

burg wurde ſeit mehr als hundert Jahren durch ſehr große Geldſchulden immer ſchwerer gedrůdt 630c); bes ſonders weil die großen Baronen , deren Altvordern 1

das land mit Arbeit und Einfalt angebaut und lang

berwaltet , leben wollten wie Herzoge von Oeſtreich

1

Geſchichte der Schweiz .

oder Fürſten der Lombardey. Durch den Verfall ibrer

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alten Sitten und ihres Reichthums kam die Oberband

23

an die Bürger , bis auch dieſe durch ſolche Fehler zu ihrem Untergang reifen . Wegen dieſer Noth hatte

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Hartmann die vornehmſte Machtübung eines Landesa

:1

berrn , den Blutbann , in der Stadt und in den Zien lern 631 ) von Thun an die Bürger 632) veräußert, Thun felbft , in dem Jahr als der Herr von Coucy aud in

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ſeinem Land Krieg führte, an die Berner verpfändet (33 ). Der Senat entlehntë biezu von den Bürgern. Bern erwarb die Ueberbleibſel der berrſchaftlichen Güter und

Rechte ; den Thunern , mit welchen die Berner ſonſt 3

1

ſchon in Verbindung waren 634), blieben ihre Freyheis ten , der Erwerb ihrer wachſamen Vorſteher 634 b ). Graf Rudolf, Hartmanns erſtgeborner Sohn, geſchid . ter zu kübnen Chaten , als zu Herſtellung feines Glůds

ber

1

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durch einen Plan, verkaufte Rudolfen Siegfried, einem Erlacher ; Bürger zu Solothurn , Altreu , Seljad und Bettlach 035) , und nabm vom Herzog Peopold acht und vierzig tauſend Gulden um Nibau und Büren 636). Dieſe Herrſchaften , deren Kaufſchilling ihm von den Freyburgern gelieben wurde , übergab Deftreich nach

1379

dieſem Pfandweiſe Herrn Ingelram für die Ebeſteuer Katharina ſeiner Mutter ; dieſer åbernahm , durch Zus ſåker der Burgen zu båten 637).

Graf Rudolf erwarb , durd Vermittlung des Hers Morðnadet 3058 und ausdieſem Geld , von dem Grafen zu Zbiera thurn, pon Solos

**

448

II. Bach . Fünftes Kapiter.

ftein die Pfandſchaft Bipp 638) , ein ſtarkes Bergſdhloß

meis

am Fura unweit Solotburn , und von ſeiner lands

grafſchaft nur durch den Strom der Aare getrennt. Ein glänzenderes Glüd ſuchte er in den Kriegen der Lombarder , und ftritt, 'nach ſeinem eigentbümlichen Ritterfina , würdig des Vohen Stamms ; aber er tam 1

1384

wieder in das Baterland bine Geld . Bey lo widers

wärtigem Glück entwarf Graf Rudolf den Gedanken , in Einer Nacht ſich der freyen Reichsſtadt Solothurn zu bemächtigent, den Bernera Varberg abzunehmet

m2 i de

und mit Vernichtung der Pfandbriefe Zbun , die Stadt ſeiner Våter , wieder in ſeine Gewalt zu bringen : eine



in dem Land , wo er geweſen war , oft mit Erfolg bers

ſuchte Unternehmung , von welder Graf Rudolf Hoffen modhte , ihre Ungerechtigkeit werde über dem Glanz des Ausgangs vergeffen werden. Man glaubt , er habe nicht ohne Vorwiſſen Herzog Leopolds dieſen Entſoluß gefaßt 639). An das gemeine Weſen der Solothurnet hatte er Anſprüche wegen einiger Dörfer. 2

Ulfo trat er in Verſtändniß mit Hanns am Stein, S. Urſus Münſter 640) , burda deffen Chords in der Mauer war , in die Stadt ge

Hierauf machte er mit Herrn Dio auſe Neufchatel in Hochburgund 641) 1 : ,,in der Nacht auf S. Martinstag 1

jundert Lanzen vor Solothurn reyn

ain

; ein Drittheil alles Su

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449

Geſchichte der Schweiz.

mites , welches man in der Stadt finden werde , und

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mein Drittheil der Gefangenen ſey der Knechte, als ihr Babil

elld ; das übrige wollen ſie theilen ; hierauf ſoll der

1,Graf Herrn Diebold fünftauſend Gulden bezahlen ; ,,dafür ſoll Rudolf Herr von Solothurn ſeyn , und úmlig ,,von ſeinem Bundsgenoffen zwanzig langen haben , ſo „ lang er ihr bedürfe zu Hülfe und Bedeckung; den ,,Sold verſichere er dieſen von der Beute , welche ſie im Gironel „ Verfolg des Kriegs mit einander machen werden .“ In. Solo I deſſen wurde bey dem Chorherrn ein Vorrath von abzuneh Seil en bereitet ; fie gedachten die Vorſteber der Stadt Nike unvermerkt gefangen zu nehmen ; darum wurden um Dringen: den Klopfel der Sturmglocke Lidher gewunden. Die

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it Erfahr Rudolph

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Nacht, welche der Stadt Solothurn die von der Klugbeit vieler Voråltern gegründete und wohlbehaup. F

tete Freyheit foften ſollte, kam beran , unverratben ; .

đubt, al

von den Burgen der umliegenden Gegend ſammelte iefen Cat ſich die beſtimmte Anzahl der Krieger. er Solid Um die Mitternachtsſtunde wurde die Wacht an dem

Fer. s

Dann ami Peit aufger ufen 643) : Hangs Rott, ein Bauer von Rus ), durg mið berg, unterrichtet vom Unſchlag, der Großen , hatte in die Su "

er mit Here

1382

Eichthor von einer unbekannten Stimme mit Heftigi 1o. Now ,

durch Nebenpfade geeilt , ihn der Stadt anzuſagen . Seine Worte wurden beſtåtiget als der Stadt Knechte

Hochbar auf Befehl Herrn Matthias von Attreu , Sơultheißen,

uf S. MN die Sturmglocke zieben wollten . Indeß dieſe von deri rn Solothu Tüdern losgebunden wurde , und von allen Zhůrment il Dritihe at imüller's Werke. XX . 29

H. Bude .

449

Fünfte Kapitel.

bie Feinde audzubungern 611 ). Da zog der Coucy um S. Katharinen Tag das Land hinauf gegen Baſel. Drey Zage lang fab man von den Mauern den Zug feiner adot. In dieſer Zeit ergieng des Herzogs

Aufgebot an alle Mannſchaft feines Landes zu Thur. gau und Hargau , und ſeine Mahnung an die Zäris

der und an Bern . Zu dem Banner der Stadt Zürich ftieß, underwehrt von Sdwnt, ein Audiduß der fun cerner. Sie giengen åber die Waffer , und kamen bis

nado Sur in dem Aargauer Gefilde. Bern 30g ju Herrn Peter von Zborberg , der vordern Erblande

Pfleger, und kam nach Herzogenbuchſee. Als aber die Nachricht gebracht wurde , wie der Anſchlag der Behauptung des Paſſes im obern Hauenftein von des Landes Herren I, von den Grafen zu Kiburg und Nin dau , durch ſchnelle Flucht aufgegeben worden 612 ) , und Herr Ingelram von Coucy Sißgau hinauf und nad Zerſtörung der Deftreichiſchen Pfandfchaft Wal

lenburg ohne allen Widerſtand und mit Verſtärkung 612b) über die Höhen durch die Clauſen unter Faltenſtein und bey Balſtal bervor bis an die Aare gekommen ,

da ließ Aargau in unerhörter Beſtürzung die Waffen faten ; aus allen Dörfern war eilende Flucht; vergebs lidh mahnte der Herzog dringendft in die Waffene So verbrannte er dann alle Kornfelder , alle Wieſen

und fruchtbaren Bäume , und , nachdem der Herr von Dhorberg die Sülfsvölker beurlaubet , flob der Fürft 1

Gedichte der Schweiz.

441

verzweiflungsvoll. Padeß zogen die Feinde Solothurn vorbey , und nahmen ihr erftes Lager in allen Dörfern, welche zwiſchen Båren und Siten auf benden Seiten der Aare in großer Anzahl zerſtreut liegen . Zu Büren fab fie Rudolf, Graf zu Nidau , Defſen Kindheit , als er in der Schladyt bey Laupen feinen Pater verlor ,

durch den Ritter von Erlach gepfleget worden , Erba berr beynabe alles Reidhthums von Welſchncuenburg 613), 2

Landgraf in dem Buchsgau , und ein bewährter Held in den Kriegen ſowohl der Könige vom Stamm Va . lois als der Grafen von Savoyen . Als diefer die Seinde zu fchauen , feinen Spelm auffob , wurde er todo

geldoffen , der letzte regierende Sperr von feinem ale ten Geſchlecht. Coucy felbft legte rich in das Kloſter zu S. Urban. Das Kriegsvoll , durd Proviantman .

gel gedrungen , brach die Burgen 614), durchzog, plån. derte und brandſchatte das ganze Land vom Neufchao teller Jura 614b) bis an die Schweizeriſchen Berge und bis an die Grånzmarken von Zürich 615). Dieſe Lån. der nåbren taum ifre Einwohner. Damals entſtand eine Hungersnoth und ſolche Eróbung , daß kleine

Stådte kaum vor den Wölfen ficher waren 616 ). Ganz oben im Aargau , in den Bergen , die fich (Båttill vom Gebirg der Waldſtette niedriger und niedriger in hola) die Gefilde herunterlaſſen , liegen zwey Gegenden , vor Alters an die Burg Wodhauſon pflichtig , Rußryl , das Xußere Amt, und Entlibuch, das innere Amt, an den

442

II. Buch . Fünftes Kapitel.

Landmarken der Unterwaldner, dad fand eines beſonders groß und ſchon gemachſenen , muntern und berzbaften Hirs tenvolke, welches viele alte Freybeiten hat. Wollhauſen

lag wild und ſtark unfern von Vereinigung der Sigger und Emme. Von dieſen Frayberren tain das Land an das Haus Deftreich ; von dem trug Peter von Thorberg das

Entlibuch zu Pfand 01?). Vater allen Unterthanen der Herzoge waren die Entlibucher das einzige Volk, welches die Berbeerung ſeiner Gåter durch den Muth verbinderte, mit welchem es dem Feind entgegen gieng.

Dieſe Entſchloffenheit entflammte die Lucerner und Uns terwaldner ; das bodgemutbete Volt dieſer Lånder ers

2

trug ſchon ſonſt unwillig den feindlichen Troß , aber die Obrigkeit ſuchte es zu ſtillen. Die Stadt Lucern war verſchloſſen ; viele Jünglinge ſprungen von der Mauer , und fammelten fich bey den Entlibuchern ; १

tåglich kam aus Unterwalden eine Anzahl kriegluſtiger

Jünglinge 018). Eine feindliche Partey von dreytaus fend Mann ſtreifte von Williſau ber ſicher in das åus Bere Amt : Techshundert Månner , denen das Land bes kannt war, überraſchten fie im Båttisholz wo der Engs

lånderhubel 619) iſt, und ſchlugen ſie nicht ohne tapfern Widerſtand und eigenen Verluſt aus dem Land. Mit ſolchem Glück wurde den Entlibuchern ihr Muth bes lohnt. Sie ſprengten mit Engliſchen Pferden , ſiege

prangend in erbeuteten Waffen , nach ihrem Land hins

auf. Einer der Herren , welche indeß auf den Schloſ.

Geſchichte der Schweiz.

443

fern von Furcht und Neid gepeiniget wurden 620), Peufz te bey dieſem Anblic : ,, edler Herr øon edlem Blut , ,,wie daß ein Bauer deine Rüftung trågt!" Ihm ants ,,wortete einer son Entlibuc), Junker , das iſt ſo ges „ kommen ; wir haben edles Blut und Pferdblut heute unter einander gegoſſen . " Zu Bern wollten viele Rathsherrn , wie der Hers (Ins und

zog , die umliegende Gegend verwüſten . Dieſes vers Fraus brunnen . ) hinderte Hanns Rieder , ein Bürger , durch månnliches Zureben , als der auch ein Gut Batte , und mit einem

Zaun tapferer Kriegsgeſellen die Feinde davon abhal, ten wollte. Bauern und Bürger traten überall nach Muth und Verſtand in Berathſchlagung ; in Zeiten der Noth fåült alles andere Anſehen. Sie ſahen , daß der Feind ben zunehmendem Proviantmangel genöthis get ſeyn würde auf ihre Koſten zu leben ; alſo hielten ſie für gut ihn zu entfernen , oder ihn Ehrfurcht gegen das gemeine Weſen zu lehren. Von Dorf zu Dorf unterrichteten ſie einander von allen Bewegungen ,

machten Anſchlåge, und vollführten dieſelben mit vers einigter Kraft. Hiezu bedienten ſie ſich finſterer Nådh . te , wenn viele vor wenigen erſchreden , des Vortheils

der Waſſer , der Moråſte, Hügel und Wälder , ja der Jahrozeit, weil die Winterkålte am Fuß der Alpen ihnen gewohnt , und fremden kaum ertråglich war. Ubends am Chriſttag wurde eine Notte des Herrn

von Frant , welcher zu Gottſtatt lag 621 ), vom Harſt

>

II. Buch. Fünftes Kapitel.

von Bern und von dem Landbolt aus faupen , Alar.

berg und Nidau , ben Jug 622 ) mit großem Oeldren åberfallen , und geſchlagen 623). Un S. Johann deb Evangeliften Feſt 623b ) , als die Bürger von Bern bey Nacht ta ftrenger Kålte aufgebrochen 623 ) , und Herr Sedan ap Eynion ap Griffito in der Ebene zwiſdoen Bern und Solothurn im Kloſter zu Fraubrunnea dreys taufend Pferde batie , wedten fie ion zwey Stunden vor Tag mit ploklidem åberlautem Gefdrey.

Der

Streit war beſonders bart im Kreuzgang ; Herr Jevan funtelté pon wilder Kriegsmuih ; ihm zur Seite ftritt Velcaib : es fielen viele Mitter ; auch Hanns Nieder mit mehrern Bernern. Uber das Kloſter gerieth in Flammen ; als Rauch den Streit verbådte , und achto

bundert Englander 623d ) erſchlagen worden 624) , begab fit ( vidhi ungerochen ) Herr Jeban in die fladt. Hierauf zogen die Berner, ſchwer von Beute, worunter dren Banner , jurůd in ibre Stadt , und ſangen den ſtolzen Geſang ibrer That 625). 1376

Herr Ingetram , von Kålte und Hunger gedrůdt, als dieſe furchtbaren Feinde fide wider ihn mehrten , zog über den Hauenſtein in das mildere Elſaß zuråd . Obidon die großen Rotten durch einen Kriegsrath ( 20 ) ordentlich befelchnet wurden , dodo berubete, aus Mans

gel gehöriger Mannszucht und eines wohlbedachten Plans , Unterhalt und Glüd tåglich und ſtändlich auf

Zufållen.

Der Herr von Coucy war ein tapferer

Geſchichte der Schweiz. !

445

Mann , in den größten Staatsgeſchäften bon berühm. ter Klugheit, und edelmůrbig , faſt mehr als man von menídlicher Sdwachbeit fordern zu dürfen glaubt 627). Aber zu einem Feldherrn, welcher den damaligen feb. lern des Kriegsweſens abbelfen ſollte , wurde nebſt ein ner außerordentlichen Gemåtbebeſchaffenbeit ein Reid thum ſeltener Kenntniſſe erfordert. Mit großerm

Kriegsvolk als Ülerander nach Aſien geführt, erwarb Couch Büren und Nidau ; nad zwölf Jabren erſt als dieſes Leopolos gleichnamiger Sohn mit einer ani bern Karbarina , Tochter von Burgund , in Dijon das

pråorige Beylager hielt 627b ). Als er den Befik taum angetreten , warben fie ibm , wie wir Teben werden ,

entriffen. Ér ſelbſt, Held noch ben Nikopolis , fiet

in die Gefangenſchaft Bajeſfid's und ſtarb in Afien 627c). Nachdem Rudolf zu Búren erſchoſſen worden , fiel Der Kibate 4

an Flabella , ſeine Wittwe , Erbtochter der Grafidaft giſche

Neufchatel, die Herrſchaft Erlach als ihre Morgen . Krieg. (las se der Gras gabe. Nidau , Straßberg oder Büren, von Uarberg fen ) das übrige 628 ) , tam durch Unna feine Schweſter an Hartmann den Dritten , Grafen von Kiburg , ihren

Gemahl , weldem fie fünf Söhne und zwey Todter geboren ; Bipp und Froburg an Graf Simon von 1

Thierſtein , Gemahl Verena der andern Schweſter ; Honberg an Johann Grafen von Habsburg Herrn zu

Lauffenburg , Salbbruder des leßten Grafen zu Nis dau 628b). Denn ſeine Mutter , nachdem ſein Pater ,

II. Buch . Fünftes Stapitel .

14446

ihr erſter Gemahl , bey Laupen umgekommen , Batte fich dem Grafen von Habsburg vermåhlt , von wele chem wir wiſſen , daß er bey den Zürichern gefanger gelegen , dem Vater dieſes Jobann.

Da fandte Jobann von Vienne , Biſchof zu Baſel, den Grafen von Thierſtein und Kiburg Febde , weil ſie das fehn der Herrſchaft Nidau nicht von dem Hodos ſtift empfiengen . Sie verglichen endlich , daß von je

der Seite eine gleiche Zahl in offenem redlichen Kampf die Sache entidheiden moge. In der Ebene bey dem

Nidauiſchen Dorfe Schwadernau 629) fließen ſie zu. ſammen , für die Grafen rechs und funfzig Deutſche, eben ſo viele Welſche für Biſchof Johann von Viens ne ; ſie ſtiegen von den Pferden ; zwey Stunden ftritt

jede Partey erbitterurgsvoll; als des Biſchofs Neffe gefangen worden , blieb den Deutſchen die Oberband, Nidau dem Grafen von Kiburg in vollem Eigenthum. Er tilgte auch die Savoyidhen Anſprüche , wohl das durch daß Erlach den Fürſten von Savoyen übergeben wurde 630 ).

Bald nach dieſen Begebenheiten ſtarb Graf Kartó

1377

mann der Dritte von Kiburg 630 b).

Das Haus Ris

burg wurde ſeit mehr als hundert Jahren durch ſehr große Geldſchulden immer ſchwerer gedrückt 630c); bes ſonders weil die großen Baronen , deren Altvordert 1

das land mit Arbeit und Einfalt angebaut und lang

berwaltet , leben wollten wie Herzoge von Deſtreich

Geſchichte der Schweiz.

oder Fürſten der Lombarden. Durch den Verfall ihrer alten Sitten und ihres Reichthums tam die Oberhand an die Burger , bis and dieſe durch ſolche Fehler zu

ifrem Untergang reifen. Wegen dieſer Noth batte nachtübung eines Landesa Hartmann die berrn , den Blutbann , in der Stadt und in den Zien

lern 631 ) von Thun an die Bürger 632) veräußert, Thun ſelbſt , in dem Jahr als der Herr von Coucy auch in ſeinem fand Krieg führte, an die Berner verpfändet 633). Der Senat entlebute biezu von den Bürgern. Bern erwarb die Ueberbleibſel ber herrſchaftliden Güter und

Rechte ; den Thunern , mit welchen die Berner fonft ſchon in Verbindung waren 634), blieben ihre Freyheia ten , der Erwerb ihrer wachſamen Vorſteher 634 b ).

Graf Rudolf, Hartmanns erſtgeborner Sohn, geſchid . ter zu kühnen Zbaten, als zu Herſtellung ſeines Glůďs durch einen Plan, verkaufte Rudolfen Siegfrieb, einem Erlacher , Bürger zu Solothurn , Altreu , Selſady und Bettlac 635) , und nafm vom Herzog leopold acht und .

vierzig tauſend Gulden um Nidau und Büren 636). Dieſe Herrſchaften , deren Kaufſdilling ihm von den Freyburgern gelieben wurde , übergab Deſtreich nach dieſem Pfandweiſe Herrn Ingelram für die Ebeſteuer

1379

Katharina reiner Mutter ; dieſer åbernahm , durch Zui

låter der Burgen zu húten 637). Graf Rudolf erwarb , durch Vermittlung des Hers Mordnacht

30g8 und aus dieſem Geld, von dem Grafen zu Zbiera thurn. pon Colos

448

II . Buch . Fünftes Kapitel.

ftein die Pfandſchaft Bipp 638) , ein ſtarkes Bergſchloß am Fura unweit Solothurn , und von ſeiner Lands

graffdhaft nur durch den Strom der Uare getrennt. Ein glänzenderes Glüd ſuchte er in den Kriegen der Lombarden , und ftritt, nach ſeinem eigenthůmlidhen

Ritterfinn , würdig det boben Stamms ; aber er tam 1381

wieder in das Baterland due Geld .

Bey lo widers

wärtigem Glüd entwarf Graf Rudolf den Gedanken , in Einer Nacht ſich der freyen Reichsſtadt Solothurn

zu bemächtigen , ben Bernern Aarberg abzunehmet und mit Vernichtung der Pfandbriefe Zbun , die Stadt ſeiner Våter , wieder in ſeine Gewalt zu bringen : eine in dem Land , wo er geweſen war , oft mit Erfolg bers

ſuchte Unternehmung , von welcher Graf Rubolf Hoffen mochte , ibre Ungerechtigkeit werde über dem Glanz des

Ausgangs vergeffen werden. Man glaubt, er babe nicht ohne Vorwiſſen Herzog Leopolds diefen Entídluß gefaßt 639). An das gemeine Weſen der Solothurner

hatte er Anſprüche wegen einiger Dörfer. Alſo trat er in Verftåndniß mit Hanns am Stein, Chorberrn bey S. Urſus Münſter 640 ) , burde deffen Haus , welches an der Mauer war , in die Stadt gen laſſen zu werden. Hierauf machte er mit Herrn Dies bold , von dem Hauſe Neufchatel in Hochburgund 641),

einen Vertrag 642) : „ in der Nacht auf S. Martinstag ſoll jeder mit hundert fanzen vor Solothurn reyn ,

mum die Stadt einzunehmen ; ein Drittheil alles Gu.

Geſchichte der Schweif.

449

tes , welches man in der Stadt finden werbe , und

mein Drittheil der Gefangenen ſey der Knechte, als ihr

cold ; das übrige wollen ſie tbeilen ; hierauf ſoll der „ Graf Herrn Diebold fünftauſend Gulden bezahlen , ,, dafür ſoul Rudolf Herr von Solothurn ſeyn, und ,,von ſeinem Bundógenoſſen zwanzig langen Baben , ſo

„ lang er ihr bedürfe , žu Hülfe und Bedeđung ; den ,,Sold verſidere er dieſen von der Beute , welche ſie im „ Berfolg des Kriegs mit einander machen werden .“ Ja. I deſſen wurde bey dem Chorherrn ein Vorratb von Seil en bereitet ; fie gedachten die Vorſteber der Stadt

unvermerkt gefangen zu nebmen ; darum wurden um den Klopfel der Sturmglocke Lůdher gewunden. Die Nacht, welche der Stadt Solothurn die von der

Klugheit vieler Voråltern gegründete und wohlbehaup. tete Freyheit koſten ſollte , kam beran , unverrathen ; von den Burgen der umliegenden Gegend ſammelte ſich die beſtimmte Anzahl der Krieger. Um die Mitternachtsſtunde wurde die Wacht an dem

1382

Eichthor von einer unbekannten Stimnie mit Heftigi 10. Nos,. teit aufgerufen 643.): Hangs Nott, ein Bauer von Nuts

misberg, unterrichtet vom Unſchlag, der Großen, hatte durdy Nebenpfadé geeilt , ihn der Stadt anzuſagen . Seine Worte wurden beſtåtiget als der Stadt Knechte auf Befehl Herrn Matthias von Utreu , Schultheiben ,

die Sturmglode zieben wollten . Indeß dieſe von der Tüdern losgebunden wurde , und von allen Thürmert i Müller's Werke. XX .

29

450

II. Buch . Fünftes Kapitel .

die Notbzeichen ergiengen , wurde der Chorbert Hauns

am Stein gefangen genommen , und mit großem Gen fdrey durd die Gaſſen jedermann vom Schlaf geweckt. In welder Beſtürzung , begeiſtert von unvorher gerebe.

ner Erſcheinung der größten Gefahr, die ganze Bürgers idhaft voll Zorn und Mutt auf die Ringmauern Graf Rudolf , mutbooll , weil er fab , daß er nicht als die Gefahr und Schmach des Friede

tännte.

bruchs erwarb , verbeerte und verbrannte alle benad . barten Garten und Hofe, und ließ alle Leute , die

er antraf . an die Bäume benken . Auf dieſes borte er , wider Thun und Aarberg rey durch die wachlas men Vorſteber und durch die Zreu des Volts un .

möglich , ſeinen Anſchlag auszuführen 644 ). Der Chors herr Hanns am Stein , von dem Bildhof zu laufans nę , Wido von Prangins , geiftlicher Würde entſetzt , wurde zu Solothurn gevierttheilt. Das Capitel wurs de wegen gebeimen Verſtändniſſes oder ſtrafbarett Verſchweigens um den großen Zehenten zu Selíach gebůßt ; und mehr als hundert und achtzig Jahre ems 1

pfiengen alle Bürger von dem Ratbbauſe eine Spend

aus demſelben 645). Es wurde verordpet . jährlich ſoll dem ålteſten der Nachkommen Hannſen Rott von Rus misberg ein Rock von der Stadtfarbe 646 ) gegeben .

werden.

Zum Gedächtniß dieſer Dinge wurde die

Hiſtorie der vorgehabten Mordnadt åber S. Urſen Münſters Portal in eine Aufſchrift gegoſſen 647).

il

Geſchichte der Schweiz.

451

Den folgenden Tag , am eilften des Wintermos nats , wurden von den Solothurnern bie Berner , ifre

Mitbürger , denen fie in der Noth um kaupen Hülfe

gethan , gemahnt um ihre Rache. Die Berger machs ten ſich auf und bemåchtigten ſich der völligen Herre Ichaft über Thun 647b ). Hierauf weil Graf Rudolf um au ſein fand 648 ) ein Dienſtmann von Deftreid

war , bielten fie zu Lucern einen Tag , welder sort der ganzen Schweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft an Hera zog Leopold Geſandte ſchickte , um zu wiſſen , welo ..chen Antheil er nehme an der Unternehmung und

* n,an dem Schidral des Grafen .“

Der Herzog anta

wortetete, ,,was Graf Rudolf ohne ihn angefangen , mbafür möge derſelbe leiden ; er wolle den Krieg det

,,Schweizer nicht hindern ." Vielleicht boffte der Herzog auf die Kriegswiſſens (gage des fchaft Rudolfs , und auf die Erbitterung aller Dienſte Herzogs) manne von Kiburg wider Bürger, welche ihnen gleidy .

feyn wollten : oder Bandelte er darum nicht planmå. Big nach den vorigen Abſichten ſeines Hauſes , weil

feine Staatskunft in auswärtigen Geſchäften überá haupt auf einen zu weitlåuftigen und unzuſammens hangenden Plan angelegt war ? Dazu war keopold : an ſeiner Geſundheit geſchwächt, verliebt 049) und oba ne Geld 650). Sonſt war Herzog Leopold in Zha. ten kühn , und an Ehren und Macht groß. Vom

lekten eines Zweiges der Montfort , von jenem Rus

432

II. Buch . Fünftes stapitel.

dolf , welcher den Feldkirchern Freyheiten gað und manche öffentliche Freude geſtiftet 651) , erwarb er die

Herrſchaft Feldkirch ; Graf Albrecht von Werbenberg , ſchwad und der Febden måde 652), verkaufte ihm Plus denz, den Heiligenberg , die Oberherrſchaft von Sars

gans ; der König Wenceslaf regte ihn über ganz Ober , und Niederſchwaben , über Augsburg und Gien ,

gen , zum Landvogt von dem Reich 653) ; ihm ergab fich Trieſte ; Venedig war froh wider Franceſco Cars rara den åltern um die Abtretung der Mark von

Zrevigi ſeine Freundſchaft zu kaufen 654) ; König fuds wig der Große von Ungara und Polen , war geneigt Hedwig ſeine Tochter und Polen Wilhelm'en , ſeinem Sobn ; zu hinterlaſſen . Als Ludwig ſtarb , war das Königreich Ungarn in innerlichen Uaruben und soll Furcht vor den Osmaniſden Türken ; Polen erhob

fidh kaum und mußte noch die Teutſchen Ritter fårch . ten ; die Bóheimiſche Madt vernachläßigte der König

Wenceslaf ; Herzog Philipp der Erſte zu Burgund war den Reichsgeſchåften fremd und, in großen Schuls den ohne großen Geiſt. Dem Hauſe Deftreich fehlte, außer dem durch Zheilung ſchwachen Bayern , wenig

zu ununterbrochener Herrſchaft von der Ungariſchen Mark bis an die Landſchaften des Hauſes Burgund ; kleine Fürften die Reibe feiner Staaten trenn.

ten , wurde von den Geiſtlichen der alte Reichthum unſdådlich verzehrt , Weltliche berdarben , durd, åble Y

.

Geſchichte der Schweiz .

453

Verwaltung , durch unaufhörliche Febben ererbte und, gehåufte Schulden ; der Tugendhafteſte ftritt ritterlich für andere , nichtsfürſtlich für fich felber; die beſten Stådte begnügten fich der Selbſtvertheidigung. So war der Staat Leopolds. Die Dienſtmannen Graf Rudolfs búteten jeder

feiner Burg. Er ſelbſt war in folchem Geldmangel, daß er nebſt Berchtold , ſeinem Bruder , dem Judea Moſes von Kleinbaſel um ein Darlehn bon hundert

Gulden Bürgſchaft anweiſen , und verſprechen mußte , fich ihm perſönlicy za ftellen 655). Da er von den Solothurnern und von allen Eidgenoffen bedrobet und von dem Herzog verlaſſen war , wurde Rudolf Frank und ſtarb . Der verglichene Stilſtand nahm ein Ende ; So. lothurn und Bern griffen zu den Waffen ; der Ausa

ichuß der Eidgenoſſen rüſtete ſich ; von den Grafen ſelbſt geſchah die erfte Kriegsthat. Hemmann von Bechs burg , ein woblverſuchter Krieger 656) , Erbe der Seus

ne von Münſigen durch Eliſabeth feine Gemahlin. fehdete Kiburg um die Feſte Buchegt , die ſie ihm

vorenthielten 657 ).

Als Berchtold und Hartmann ,

des Deutſchen Ordens. Ritter, Graf Rudolfs Brús

der , dieſes börten , verbrannten ſie die Burg und naha men die Flucht.

Auf dieſes. 658) machten die Berner

Hinterhalt auf den Schnabel von Grünenberg , und als die Knechte um Holz vpn der Burg berabgiengelig

1383

II. Buch . Fünftes Kapitel.

454

brang der Vortrab in das Thor , der Harſt ihm nady, und brach den Schnabel 659)..

Dann fiel Schwans

den ; bald Schweinsberg 660). Wo aus altbewohne tem fand 661) Frieſenberg Herrn Peters von Matts ſtetten emporſtieg, half nichts , daß Petermann der

Thorberger 662) dem Kraft von Burgiſtein (welcher fich ergeben wollte ) beftig widerreote ; der Feind brad die Burg , nachdem er dieſe zwery Ritter von

den Mauern geworfen. Da machte ſich auf Graf Berchtold von Kiburg , Rudolfs Dheim , mit ihm fein Volk die Burgdorfer , die er zolfrey und in its rer Stadt und über deren Ullmend 663) freyer ges

macht; er nahm zu ſich Simon und Hanns Grafen von Zhierſtein 064). Wo Rötenbach auf der Hobe eis nes engen Thals vorn an einem Hayn der alten Hels vetier liegt , gedachte er einzufallen ; da zog das Volt

berab an den Zaun , der des Zhalb Eingang vers ſchanzte, brach hervor und ſchlug die Feinde 665). Burkarb von Sumiswald , als er dieſes borte , ver.

zweifelte an Behauptung der Fefte Rütt 666 ) zu Trachs ſelwald , und verburgrechtete ſich mit ihr zu den Bers nern ,

Da 30g das Kriegsvolk herab zum Sturm

von Diten ,

einer uralten 667) Stadt an der Aare ,

von dem Hochſtift Baſel ein Reben des Hauſes Fro.

burg , hierauf Rudolfe zu Nidau , 'endlich deren von Kiburg. Von dieſer Belagerung wurden ſie durd To

Qußerordentliche Regengůſſe abgehalten , daß man

Gefchichte der Schweiz.

455

fprad , ,, Graf Berchtold habe durch Sprüche einer , ,,Unfoldin die Wafferkammern des Himmels eröffnet. " Hierauf mußte Peter von Rormoos den Bernern

ſchwören , daß Grimmenſtein feine Burg ihnen offen feyn ſou. Endlich ergieng von Bern an die Waldſtette Mah: Belages

nung auf Burgdorf , des Hauſes Kiburg vornehmſte rung Burg:

Stadt. Sie zogen aus , die drey Orte mit all ihrer borf. Macht, und von ihnen gemabut, alle Mannſchaft von Lucern , von Zürich vierhundert 68) , zweyhundert Mann von Zug und gleich viele Glarner ; fie, und

ganz Bern , der Zuzug von Welſchneuenburg , die Hülfe Amadeus des Grafen von Savoyen 669) ; mehr als funfzehntauſend Mann , mit Blyden , Armbruſten und Büchſen 670 ), um S. Markus Lag , im April. Sechs Wochen lang wurde die Stadt Burgdorf un, aufhörlich gendthet , bis Berchtold ( in Erwartung der Hülfe ſo vieler Kriegsgeſellen , mit welchen er und Graf Rudolf gelebt und geſtritten) durch den Schultheißen , die Råthe und Bürger der belagerten Stadt einen dreywöchigen Stilftand ſchloß 671) , wähs rend welchem die Beſakung nicht verſtärkt werde , und nach deſſen Verfluß Burgdorf geöffnet werden ſoll; es komme denn Hülfe für ſie zum Streit. In dieſen Tagen warf , dem Vertrag zuwider 672) , Graf Heinrich zu Tettnang von Montfort 672b) , ungefahr

zwengundert Reiter in die Stadt , und (welches der

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II. Buch. Fünftes Kapitel .

Zuſage des Herzogs zuwider ſchier 673) ) , ed zogen dreyzehnbundert Mann durch den Deftreichiſchen Aars gau , und lagerten drev Armbruſticüffe bon

dem

Heere der Eidgenoffen . Dieſe Mannſchaft , von deo ren Zug Herzog Leopold nichts wiſſen wollte , erbot keine Entſcheidung durch offenen Streit ; aber Graf Berchtold wandte vor , die Gewalt Heinrich

von

Montfort bindere ihn , vertragsgemäß Burgdorf zu öffnen ; die Eidgenoffen , zornig der Lift , wurden durch den Mangel vieler notwendigen Sachen zum Abzug bewogen. Hnruhe zu Deſſen ungeachtet war , ben ſo vielem Waffenglůc !

.

Bern .

und wegen der Armuth , von der die Grafen an Uns terhaltung des Hülføvolte verhindert wurden , die Oberhand får Bern entſchieden ; das Bolt von Bern

zog bochgemuth wider in ſeine Stadt. In denſelbis gen Jahren war durch die freybeitſchmålernden Ger ſeke der nächſtvergangenen Zeit 674) eine Partey wenis ger Familien in dem Rath emporgekommen , welche im Vertrauen auf die Zahl ihrer Glieder und auf die lange Geduld der Mitbürger verſäumte dieſe zu eh. ren , ſich in allen Aemtern eine ſelbſtbeſtehende Obero macht glaubte , und veralterte Gefeße als Formen

verachtete. Darlehne zu Erwerbung der Herrſchaft über Thun , als einige arme Bürger fie zurüdbegehrs ten , wurden ſtolz innebehalten ; ſo daß in andera

fållen die Bürger nichts mehr gaben , und große

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Geſchichte der Schweige

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Gummen bey Ausländern auf zehn Procente Zins ger nommen werden mußten 675). Auch wurde von vies len (wobt ohne Beweis , doch nicht ohne Schein ) dan

für gebalten , der Kiburgiſche Krieg wurde mit Eros berung der Stadt Burgdorf geſchloffen worden feyn ,

wenn keine Dienſtmannen des Grafen Rathsberreu zu Bern wären . Dieſe Herren , wenn die Meinung der Bürgerſchaft in ihren Augen gehörigen Wertb gehabt båtte , wurden von dieſen Geſchäften (hey welcher

Teine weiſe Republik verdächtige Baſallen leidet 670 ) ) ſich ſelbſt entfernt haben . Šo wenig dieſe unvorſichtigen Borſteber des gea

meinen Weſeas von Bern die Liebe der Bürgerſchaft

batten , ſo beſcheiden zeigte fich dieſe in Uebung ihrer Macht. Alle Bürger , von Geſellſchaften und Handa werken , verſammelten fich um faſtnacht an dem ges

wöhnlichen Ort bey den Predigern ; gleichwie nach der Handfeſte weiland Kaiſer Friedrichs die Vorſteber dies ſer Stadt jährlich mit gemeinem Rath geſekt und alſo,

abgeändert werden mögen , ſo entſetzten die Bürger alle unbeliebten Rathsberren ; bis Herr Otto von Bus

benberg, Ebelknecht, Schultheiß , mit vier andern als lein åbrig blieb 676b ). Niemand wurde an leib nod

Gut geſchmåbet 62z) ; vierzehn tage nach dieſer une gewöhnlichen Begebeabeit kamen Schultheiß., Rath and Gemeine 678 ) nachfolgender Berordnung überein : ,,Sie alle , Obrigkeit und Bürgerſchaft , wollen 349

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II. Buch. Fünftes Kapitel.

ſammenleben als Brüder wie ibre Altvordern von je „ ber. Das geſchebene rou niemand råden ; wer das thate, und es würde ihm durch zwey Zeugen erwies olen , ein ſolcher , von dem Rath und aus den Zwen. ,,bundert geſchieden , falle in die Hände der Gemeine ,

von ihm zu richten um leib und Gut nach der Ges „ meine Mebr.

Man fou feinem fein Gut nebmen

,, obne Sduld 679). Jåbrlich ſoll man die guten Aem.

ter gemäß der Handfeſte åndern , es wollten denn ,,Rath und Gemeine einen Amtsmann beſtåtigen 680) . Fåbrlich ſoll man den balben Rath , oder des Ras

,,thes mehrern Zheil åndern 681). Såfrlich ſollen die ,,Venner und welche bey ihnen fiken 682) von den

Handwerken der Stadt zweyhundert ehrbare Måns ,,her zu einem gemeinen großen Rath ohne Gefährde „noch Widerrede erwählen 083) ; wenn man die Nåthe

..ſo erkoſen , ſo ſoll man dieſelben am folgenden Tag oor die Gemeine ſtellen , ob fie der gefallen oder ,,nicht, und ſie ſollen ſowdren vor der Gemeine , als

„ les zu thun wie bisher , und wie auf dem Rodel .fteben wird 684). In keinem Sabr ſollen zwey Brús ,, der zugleidh an dem Rath fißen (85). Kein Dienſts pmann des Grafen von Kiburg oder eines andern

gefremden Herrn ſoul an den Kath gewählt werden

p.mogen 686). Je zu Oſtern wenn man den Schult. ,,beiß und großen Rath 687) erwählt , fou dieſer Brief geleſen und beſchworen werden 688 ), Mehren und

Geſchichte der Schweiz .

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,,mindern möge man denſelben. Sie ſchwören dars ,,auf zu Gott mit gelebrten leiblichen Eiden ; dadurch mbinden ſie ſich ſelbſt und ihre Nachkommenſchaft 089). “ Nichts deſtoweniger fiel das Gefeß der jährlichen Aenderung einer Hälfte des Rathed ; wie auch das

Gefeß der Unwahlfähigkeit aller deren , welche nicht vergefelſchaftete Bürger waren , in den großen Rath . Der Zufall , den die Vorſteher ſeit mehr als breyßig Sahren durch unbürgerliche Maßregeln fich ſelbſt zus

bereitet 689b) , warnte fie, ſo, daß die Bürger ( zufries den ſich von den Beſten bürgerlich regieren zu laſſen ). an die jåhrliche Aenderung nicht mehr dachten , und . nicht um die Namen der Zweyhunderte bekümmert

waren , ſondern daß die Gewalt in den Händen der geſchidteſten ſey. Die übrigen Anſtalten dieſer Ver. ordnung wurden beobachtet , ſelbſt als die Urkunde in Vergeſſenheit kam. Gute Gefeße ſind natürliche Fols gen des Zuſtands der Geſchäfte , und werden von vers nünftigen Obrigkeiten als Grundſätze noch eher gebalo ten als befohlen. Wie denn viele Städte pollſtåndi.

gere und ſcharfſinnigere Geſetzbücher haben , als die Stadt Bern ; keine batte ein glüdlicheres Volt : Þurch die Staatsgrundſätze, welche ſie ſich ſelbſt vorgeſchries ben , war dieſe Regierung viel beffer , als man nach

bloßer Kenntniß des Geſetzbuchs denken mochte 690), Darum , wenn gut ſeyn mehr iſt , als gut ſcheinen B

ADO

II. Bud . Sünftes Kapitel

verdient ihr großer Charakter der politiſchen Metaphy , fik anderer vorgejogen zu werden . Des Kriegs Ausgang ,

Berchtold aber , ein Sohn des alten Grafen Ebera bard , und Ego , Hartmann und Berchtold ſeine Nefa fen 9 ) , da ſie bey dem Sperzog ihrem Lehnsherrn vergeblich um Beyſtand gebeten , warben cuf das alı kerernfliche an die Eidgenoſſen , auf daß die Waffen der Berner und Solothurner von ihnen abgewendet würden. So warb auch eifrigſt Herr Otto von Bus benberg , daß das Haus Kiburg die Stadt Burgdorf

an die Berner verkaufe, ſo wollen ſie die Kriegsios ften tragen und ſeine übrigen Schulben bezahlen. Dieſe

Unterhandlung ( åußerſt ſchwer ; ſo leor gieng den Grad fen der Verluſt ihrer Hauptſtadt und fürſtlichen Woh . nung an das Herz) wurde durch Vermittlung der

Eidgenoſſen gemäß dem Willen der Berner entſchiea den. Alſo an dem ſiebenten April in dem dreyzehns bundert vier und achtzigſten Fahr eröffneten Schults beiß , Råthe und Bürger von Burgdorf dem Schult heiß , den Råthen und Bärgern von Bern die vor

dem gemeinſchaftlichen Stifter , Herzog Berchtold von Zåringen , gegründeten Chore. Da verließen die Gras fen ihre Burg , weiland aufgebauet von uralten kans desberren in den Fahrhunderten ritterlicher Abenteus er 692 ). Dazu übergaben fie Thun und ihr frenes

Amt am Grießenberg 692b) eigenthåmlich an Bern. Dag unweit entlegene Schloß Landshut und die Ues

Geſchichte der Schweiz.

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Bung deß landgräflichen Amtes blieb ihnen damals 693 ). Den Schaden am Reben vergüteten fie dem Herzog durch Abtretung der Herrſchaft Bipp. Die Berner

übernahmen den Sold ihrer Eidgenoſſen , die Scan denvergütung an die Stadt Solothurn , in allem fien ben und drenBigtaufend und achthunbert Gulden 694 )

zu bezahlen . Die Eidgenoſſen leiſteten Friedens . Ges wåbr 695). Hierauf beſtätigten die Berger den Bür. gern von Lhun und Burgdorf alle erworbenen Frey. heiten 696 ) , mit Ermunterung , ..fich des neuen Herrn rzu freuen , der unmittelbar dem Reich und ſonſt nies ,,mand verbunden fey 697). Die Sachen der Brüder Albrecht und Leopold , Herzoge zu Deſtreich , waren in einer ſolchen Verwira

rung , daß Leopold ſowohl Trevigi als die umliegende Mark dem Franceſco Carrara berkaufte , und ſelbſt

Kiburg an Donat , Grafen zu Tokenburg , verpfano dete. Albrecht aber , da er kaum die Bürger vont Wien zu meiſtern vermochte , machte durch neue Aufs

lagen das fand son fich abwendig 698 ). . Dieſen un. ſchätzbaren Augenblic , daldas Haus Deſtreid ihren Fortgang zulaffen mußte , nußten die Berner . Die Kauffumme für Burgdorf und alle andern Offentlichert

Schulden 698b) bezahlten inner zebn Jahren die Räthe und Bürger 699 ) , in edler Begeiſterung für die Aus. breitung der Herrſchaft, vermittelſt einer außerordenta lich hohen Vermögenſteuer , die ſie fid ſelbſt auflege

462 II. Buch. Fünftes Kapitel. Geſchichte der Schweiz. ten , ſo daß jeder zehn Jahre lang den vierzigften ſeis

nes Vermögens gab. Die Grafen von Kiburg wur. den Bürger von Bern 700).

Der Kiburgiſche Krieg , durch den Anſchlag wider Solothurn veranlaſſet, nahm dieſes Ende. Der Thoru

bergiſche Friebę war noch nicht gebrochen worden.