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German Pages 356 Year 2016
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 92
Die Ausstrahlung des Aufsichtsauf das Aktienrecht am Beispiel der Corporate Governance von Banken und Versicherungen Zugleich ein Beitrag zur Koordination von Privatund Öffentlichem Recht
Von
Marlen Thaten
Duncker & Humblot · Berlin
MARLEN THATEN
Die Ausstrahlung des Aufsichts- auf das Aktienrecht am Beispiel der Corporate Governance von Banken und Versicherungen
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 92
Die Ausstrahlung des Aufsichtsauf das Aktienrecht am Beispiel der Corporate Governance von Banken und Versicherungen Zugleich ein Beitrag zur Koordination von Privatund Öffentlichem Recht
Von
Marlen Thaten
Duncker & Humblot · Berlin
Die Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.
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© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
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Meiner Familie
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg entstanden. Das Manuskript wurde im Oktober 2013 fertiggestellt. Danach erschienene Literatur und Rechtsprechung wurden bis zum August 2015 berücksichtigt. Wie jedem bewusst sein wird, schreibt sich eine solche Arbeit nicht von allein. Auch ich hätte diese Aufgabe sicherlich nicht ohne all die wohlwollende Unterstützung bewältigen können, die ich von so vielen Seiten erfahren durfte. Dafür möchte ich mich nun bedanken. Allen voran danke ich meinem hoch geschätzten Doktorvater Prof. Dr. Holger Fleischer, LL.M., der mir nicht nur die entscheidende Anregung bei der Auswahl meines Dissertationsthemas gegeben hat, sondern mir auch während meiner Promotionszeit ständiger Ansporn und Inspirationsquelle gewesen ist. Darüber hinaus möchte ich Prof. Dr. Christoph Seibt, LL.M., für die Erstellung des Zweitgutachtens in nahezu rekordverdächtiger Zeit danken. Großer Dank gebührt zudem dem Arbeitskreis Wirtschaft und Recht der Stiftung der deutschen Wissenschaft, der die Arbeit mit einem großzügigen Promotionsstipendium gefördert hat, sowie allen Teilnehmern der Jahrestagung des Arbeitskreises im Jahr 2012, die mir wertvolle Anregungen für die Fortentwicklung meiner Thesen mit auf den Weg gegeben haben, insbesondere Prof. Dr. Katja Langenbucher. Schließlich bedanke ich mich bei der Esche Schünemann Commichau Stiftung, die die Arbeit im Jahr 2016 mit einem Förderpreis auszeichnen wird. Ich bedanke mich außerdem von Herzen bei all meinen Freunden und Weggefährten, die mich während der Zeit der Dissertation begleitet und die alle auf ihre eigene Weise einen Beitrag zum Entstehen der Arbeit geleistet haben. Zuvorderst ist hier Dr. Malte Stübinger zu nennen, der mir während meiner gesamten Promotionszeit nicht nur der beste Bürokollege, sondern zugleich der engste Vertraute und Leidensgenosse gewesen ist und ohne dessen herausragenden Humor, fortwährende Unterstützung und zuversichtlichen Zuspruch in allen Lebenslagen diese Arbeit sicherlich nicht beendet worden wäre. Dafür und für deine Freundschaft danke ich dir, lieber Malte, von ganzem Herzen! Besonders hervorzuheben ist weiterhin Dr. Irmela Sennekamp, die ich – nur einige wenige Bürotüren entfernt – bei allen Höhen und Tiefen des Doktorandenlebens stets mit Humor und Zuversicht in meiner Nähe wissen konnte. Ganz besonders danke ich zudem Caspar Haarmann, Nicolai Krolzik und Julian Udich, die mich bei der Fertigstellung der Arbeit mit wertvollen inhaltlichen Anregungen ebenso wie mit redaktioneller Feinarbeit unermüdlich unterstützt haben.
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Vorwort
Schlussendlich möchte ich meinen Eltern, Edelgard und Dr. Michael Thaten, für ihre Unterstützung, ihr Verständnis und ihren uneingeschränkten Rückhalt danken. Ihnen verdanke ich vieles von der Kraft und Ausdauer, die mir dieses Vorhaben streckenweise abverlangte. Dasselbe gilt für meinen Bruder Dr. Mario Thaten und seine Frau Silvia sowie deren wunderbare Kinder Isabel Sophie und Jonas Maximilian. Ohne meine Familie wäre ich nicht die, die ich heute bin. Ihr ist dieses Buch gewidmet. Hamburg, im August 2015
Marlen Thaten
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Erster Teil Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
27
A. Corporate Governance und deutsches Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. „What’s different about banks?“: Sonderregeln für Finanzinstitute? . . . . . . . . . . . . . . 38 C. Aufsichtsrechtliches Regelungsumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 D. Zusammenfassende Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Zweiter Teil Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
84
A. Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen . . . . . . . . . . 84 B. Das wechselseitige Verhältnis von Normen im Gesamtsystem des Rechts . . . . . . . . . 101 C. Rechtslage in der Bank-Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 D. Rechtslage in der unregulierten Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Dritter Teil Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
156
A. Aufsichtsrecht als Quelle der Rechtsfindung im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 B. Methodische Grenzen der Verallgemeinerung aufsichtsrechtlicher Vorgaben . . . . . . . 168 Vierter Teil Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
191
A. Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
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Inhaltsübersicht
B. Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 C. Outsourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 D. Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 E. Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Grenzen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Erster Teil Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
27
A. Corporate Governance und deutsches Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Einführung in die Corporate-Governance-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Steuerung der Unternehmensführung als Kernthema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Disziplinierung durch Marktmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. „Checks and Balances“ innerhalb der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Vertiefung: Leitmaxime des Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Orientierung am shareholder value . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Orientierung am Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Überschneidungen möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. „What’s different about banks?“: Sonderregeln für Finanzinstitute? . . . . . . . . . . . . . . 38 I. Beeinträchtigung der externen Governance-Mechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Markt für Unternehmensübernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Wettbewerb im Produktmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Marktdisziplin durch Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4. Einfluss der Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Ausrichtung der internen Governance auf die Einlegerinteressen . . . . . . . . . . . . . 42 1. Zielkonflikte zwischen Aktionären und Einlegern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Bedeutung des Einlegerschutzes für Finanzinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Gefährdung der Einlegerinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. Verzerrung der Kontrollanreize durch externe Sicherungen für den Krisenfall . . . 45 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
12
Inhaltsverzeichnis
C. Aufsichtsrechtliches Regelungsumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Die Regulierung von Kreditinstituten nach dem KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Was macht Kreditinstitute besonders? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Besondere volkswirtschaftliche Bedeutung der Finanzintermediation . . . . . 48 b) Besondere Risikoexposition aufgrund des Geschäftsmodells . . . . . . . . . . . . 49 c) Besondere Gefahren bei Krise und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Ziele der Regulierung von Kreditinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Konkrete Vorgaben des Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Marktzugangskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Gegenstände der laufenden Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Säule I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Säule II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 cc) Säule III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 c) Befugnisse der Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 d) Maßnahmen in der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 e) Aktuelle Regulierungsvorhaben: Basel III und CRD IV . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. Exkurs: Europäische Finanzmarktaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Entwicklung der europäischen Finanzmarktregulierung und -aufsicht . . . . . 61 b) Pläne der Europäischen Kommission für eine „Bankenunion“ . . . . . . . . . . . 63 II. Die Regulierung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach dem WpHG . . 64 1. Was macht Wertpapierdienstleister besonders? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Besondere volkswirtschaftliche Bedeutung der Marktintermediation . . . . . . 65 b) Besondere Risikoexposition und systemische Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Besondere Schutzbedürftigkeit von Anlegern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Ziele der Regulierung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . 67 3. Konkrete Vorgaben des Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4. Aktuelles Regulierungsvorhaben: MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 III. Die Regulierung von Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Was macht Versicherungen besonders? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Besondere volkswirtschaftliche Bedeutung der Risikovergemeinschaftung . 70 b) Besondere Risikoexposition aufgrund des Geschäftsmodells . . . . . . . . . . . . 71 c) Besondere Gefahren in Krise und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 d) Besondere Schutzbedürftigkeit der Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Ziele der Regulierung des Versicherungssektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Konkrete Vorgaben des Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Strukturelle Vorgaben an den Betrieb eines Versicherungsunternehmens . . . 76 b) Marktzugangskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Gegenstand der dauernden Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 d) Befugnisse der Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 e) Aktuelles Regulierungsvorhaben: Solvency II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Inhaltsverzeichnis
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D. Zusammenfassende Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Zweiter Teil Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
84
A. Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen . . . . . . . . . . 84 I. Klassische Rollenverteilung zwischen Privat- und Öffentlichem Recht . . . . . . . . . 84 II. Charakteristika der Teilrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Eigenheiten des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Privatautonomie als Leitidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Eingrenzung durch rechtliche Rahmenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) Steuerungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Eigenheiten des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Sonderrecht des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Steuerungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 III. Privat- und Öffentliches Recht als gemeinsamer Fundus der Problembewältigung 92 1. Die Theorie von den wechselseitigen Auffangordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Kombination der Steuerungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Wechselseitige Verzahnung und Beeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 IV. Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht als Beispiel der wechselseitigen Verzahnung von Privat- und Öffentlichem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Zur Eigenständigkeit des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Verschränkung des Aktien- und Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Entstehung eines „Börsengesellschaftsrechts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Zusammenspiel von Aktien- und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 c) Inhaltliche Parallen – Inhaltliche Divergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Verschränkung des Aktien- und Aufsichtsrechts: Entstehung eines Bankgesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 B. Das wechselseitige Verhältnis von Normen im Gesamtsystem des Rechts . . . . . . . . . 101 I. Die Aussagekraft der „Einheit der Rechtsordnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Die Rechtsordnung als System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Die Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4. Folgerungen für die Normenkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 II. Die allgemeinen Kollisionsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Die Regeln im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Lex superior derogat legi inferiori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Lex specialis derogat legi generali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
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Inhaltsverzeichnis c) Lex posterior derogat legi priori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Unzureichende Analysekraft für das vielschichtige Verhältnis von Öffentlichem Recht und Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 III. Neuer Ansatz: Unterscheidung formeller und materieller Normrelationen . . . . . . 109 1. Formelle Normrelationen: Welche Normen sind anwendbar? . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Rechtsfolgenwiderspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Rechtsfolgendivergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Rechtsfolgenidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Materielle Normrelationen: Inhaltliche Verknüpfung von Normen . . . . . . . . . . 112 a) Anknüpfung am Gesetzestext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 aa) Verknüpfung durch Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 bb) Verknüpfung durch Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 cc) Verknüpfung durch Generalklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Einpassung in die Feststellungen zur Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 IV. Beispiele materieller Übereinstimmung zwischen Privat- und Öffentlichem Recht 115 1. Die Harmonisierung von öffentlichem Umwelt- und privatem Nachbarrecht . . 115 a) Querschnittsmaterie Umweltrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Abgleich privat- und öffentlich-rechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 116 c) Beeinflussung des § 906 BGB durch das Öffentliche Recht, … . . . . . . . . . . 118 d) … trotz erheblicher Zieldivergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. § 823 Abs. 1 BGB und die Konkretisierung von Verkehrssicherungspflichten . 120 V. Abschließende Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Inhaltliche Wechselbeziehungen auch zwischen Privat- und Öffentlichem Recht 121 2. Inhaltliche Wechselbeziehungen auch in formell unverbundenen Rechtsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Einfluss des Aufsichtsrechts auf das Recht der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . 124
C. Rechtslage in der Bank-Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I. Tatsächlicher Koordinationsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Analyse formeller und materieller Verknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Formelles Normenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Darstellung anhand ausgewählter Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Gründungs- und Zulassungsprocedere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Kapitalaufbringung und -erhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 cc) Krise und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Analyse der Normrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Kein Anwendungsfall der klassischen lex-specialis-Regel . . . . . . . . . . . 129 bb) Kumulative Anwendbarkeit von Aufsichts- und Aktienrecht . . . . . . . . . 129
Inhaltsverzeichnis
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2. Materielle Normrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Nur wenige terminologische Parallelen, … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 b) … aber wechselseitige Verknüpfung durch Verweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Öffnungsklauseln im Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Öffnungsklauseln im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (1) Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (2) Einhaltung „branchenüblicher Sorgfaltsstandards“ . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 III. Aktien- und Aufsichtsrecht als wechselseitige Auffangordnungen . . . . . . . . . . . . 133 D. Rechtslage in der unregulierten Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Zur Verwandtschaft der aufsichts- und aktienrechtlichen Governance . . . . . . . . . . 135 1. Aufsichtsrechtliche Governance als „funktionales Gesellschaftsrecht“ . . . . . . . 135 a) Bewältigung unternehmensbezogener Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Internationale und europäische Vorprägung des Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . 137 c) Konvergenz der Regelungen innerhalb der Aufsichtssektoren . . . . . . . . . . . . 138 d) Fazit: Aufsichtsrechtliche Governance als „Fortsetzung des Aktienrechts mit anderen Mitteln“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Corporate Governance als legal transplant im Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Austausch von Steuerungsinstrumenten auch andernorts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) §§ 31 ff. WpHG und das Recht des Beratungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 c) Kartellrechtliche Nichtigkeitssanktion ( § 1 GWB a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4. Fazit: Verwandtschaft ja, aber … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 II. Kern des Spezialitätsgedankens: Die Schutzzweckdebatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Schutzzweck der aktienrechtlichen Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Schutzzweck der aufsichtsrechtlichen Governance-Regelungen . . . . . . . . . . . . 144 3. Fazit: Divergierende, aber sich gegenseitig ergänzende Schutzsysteme . . . . . . 145 III. Überschneidung der Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Gleichlauf von equity- und debt-Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Gemeinsames Ziel: Schutz des Unternehmens in seinem Bestand . . . . . . . . . . 147 3. Unternehmensorganisationspflichten als „kleinster gemeinsamer Nenner“ . . . . 149 a) Charakteristika von Unternehmensorganisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Unternehmensorganisationspflichten als Steuerungsinstrument . . . . . . . . . . 150 4. Fazit: Unternehmensorganisationspflichten als Ansatzpunkt zur Herausbildung eines „Allgemeines Teils“ guter Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 IV. Spezialität der Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Aktienrechtliche Durchsetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Aufsichtsrechtliche Durchsetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Fazit: Behördliche Durchsetzung als Eigenheit des Finanzsektors . . . . . . . . . . 154 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
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Inhaltsverzeichnis Dritter Teil Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
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A. Aufsichtsrecht als Quelle der Rechtsfindung im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Übertragung aufsichtsrechtlicher Standards im Wege der Rechtsfortbildung . . . . 156 1. Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Instrumente richterlicher Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3. Ist das Aktienrecht lückenhaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Vorhandener Normenbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Generalklauseln als Lücken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 II. Berücksichtigung aufsichtsrechtlicher Vorgaben bei der Auslegung des AktG . . . 160 1. Zum Vorgang der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Zur Funktion von Rechtserkenntnisquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Bedeutung des Aufsichtsrechts als Rechtserkenntnisquelle . . . . . . . . . . . . . . . . 162 III. Aufsichtsrecht als Steinbruch eines „Allgemeinen Teils“ der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Das äußere und das innere System des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Ordnung durch allgemeine Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Ableitung allgemeiner Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 B. Methodische Grenzen der Verallgemeinerung aufsichtsrechtlicher Vorgaben . . . . . . . 168 I. Verfassungsmäßigkeit der Ausstrahlungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Ausstrahlung: Gleichbehandlung von Ungleichen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Grundrechtliche Berührungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) Die Rechte der Anteilseigner: Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Die Rechte der Unternehmen: Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 c) Ebenso betroffene Grundrechtspositionen: Art. 9 und Art. 2 GG . . . . . . . . . 174 3. Fazit: Die Ausstrahlungswirkung ist verfassungsgemäß, solange … . . . . . . . . . 174 a) … sie nur Verhaltens-, nicht aber Strukturnormen betrifft und … . . . . . . . . 174 b) … die Rechtsdurchsetzung weiterhin privaten Akteuren vorbehalten bleibt . 175 II. Kollision zweier Rechtsordnungen: Relevanz des europarechtlich geprägten Aufsichtsrechts für die Systembildung im nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Integrationstiefe des Aktien- und des Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Mindestharmonisierung im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Trend zur Vollharmonisierung im Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Abstimmung des nationalen und supranationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Keine Überschreitung der Kompetenzgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Europäisches Recht als Bestandteil der deutschen Rechtsordnung . . . . . . . . 179
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III. Zur Bedeutung von Soft-Law-Instrumenten für die Ausstrahlungswirkung . . . . . . 180 1. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Soft Law zur Konkretisierung aufsichts- und aktienrechtlicher Governance . . . 181 a) Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Rundschreiben der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 c) Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Ausstrahlung von Soft Law? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 IV. Hindernisse durch prinzipienbasierte Regulierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Prinzipienbasierter Regelungsansatz des Aufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Folgen für das Regelungsumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Ist prinzipiengeleitetes Recht „ausstrahlungsfähig“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 V. Hindernisse durch kriseninduzierte Regulierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Vierter Teil Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
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A. Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Entwicklung und Normenbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Herausbildung der Wertpapier-Compliance (§ 33 Abs. 1 WpHG) . . . . . . . . 192 b) Entwicklung hin zu einem „weiten“ Compliance-Verständnis (§§ 25a KWG, 64a VAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Anforderungen an die Einrichtung der Compliance-Funktion . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Dreiklang: unabhängig, dauerhaft, wirksam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Innerbetriebliche Einbettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Zur Notwendigkeit eines „Compliance-Beauftragten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Aufgaben der Compliance-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Risikoanalyse und Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 III. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Rechtspflicht zur Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Inhalt der Compliance-Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Risikoanalyse und Organisationsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Mindestpflichtenumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 IV. Ausstrahlungswirkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Gegenüberstellung aufsichts- und aktienrechtlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Einfallstore für eine Ausstrahlung im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
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Inhaltsverzeichnis 3. Ausgangspunkte einer Ausstrahlung im Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a) Irrelevanz von Soft Law Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Uneinheitlichkeit der aufsichtsrechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4. Unterschiedliche Schutzzwecke, … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 5. … aber gemeinsame Zielrichtung der Compliance-Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Vermeidung von Rechtsrisiken zum Schutz des Gesellschaftsvermögens . . . 212 b) Vergleichbare Gefahren für Finanz- und Industriekonzerne . . . . . . . . . . . . . 212 6. Gemeinsame Leitlinien für die Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 V. Zwischenruf: Erkenntnisse für die Debatte um die Ausstrahlungswirkung . . . . . . 215
B. Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 II. Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. „Risiko-Governance“ im Fokus der qualitativen Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Regulatorisches Umfeld: § 25a KWG und § 64a VAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Zielvorgabe: Risikotragfähigkeit laufend sicherstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b) Umsetzung: Risikoidentifizierung, -bewertung, -steuerung, -überwachung . 221 aa) Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 bb) Risikocontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 cc) Interne Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 III. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Entwicklung in zwei Etappen: KonTraG und BilMoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Zielvorgabe: Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen . . . . . . . . . 227 3. Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 IV. Ausstrahlungswirkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Gegenüberstellung aufsichts- und aktienrechtlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Ansatzpunkte für eine Ausstrahlung: §§ 76, 93 oder 91 Abs. 2 AktG? . . . . . . . 231 3. Schutzzweckerwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Erhebliche Schutzzweckdivergenzen zwischen Aufsichts- und Aktienrecht . 232 aa) Insolvenzschutz als gemeinsamer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 bb) Besonderes öffentliches Interesse an Insolvenzschutz im Aufsichtsrecht 233 cc) Risiko als Kern des Geschäftsmodells von Banken und Versicherungen 234 dd) „Risikoappetit“ als zentraler Konflikt zwischen Aktionären und Institutskunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Welche Gemeinsamkeiten verbleiben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4. Positive Ergebnisse der negativen Abgrenzung des Aktien- vom Aufsichtsrecht 237 C. Outsourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
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II. Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Regulatorisches Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Was bedeutet Auslagerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 3. Welche Bereiche dürfen ausgelagert werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Nicht auslagerungsfähige Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b) Wesentliche Bereiche gemäß §§ 25b KWG bzw. 64a Abs. 4 VAG . . . . . . . . 242 c) Insbesondere: Interne Revision, Compliance, Risikomanagement . . . . . . . . 244 d) Bereiche unterhalb der Wesentlichkeitsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 4. Voraussetzungen einer wirksamen Auslagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Auswahl, Einweisung und kontinuierliche Überwachung des Dienstleisters . 245 b) Die Auslagerungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) Sicherung der Eingriffsrechte der Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 d) Erweitertes Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 e) Verantwortung der Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 III. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Möglichkeiten und Grenzen der Auslagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Grenzen durch Gesetz und Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Leitungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 c) Sonstige Aufgaben, insb. Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Rechtliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Sonderfall: Betriebsführungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 IV. Ausstrahlungswirkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 1. Gegenüberstellung der aufsichts- und aktienrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . 253 2. Einheitlichkeit im Aufsichtsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3. Sinn und Zweck von Funktionsauslagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Outsourcing als industrieübergreifendes Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Gleiche Chancen – unterschiedliche Risiken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Sensibilität des Finanzgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Systemische Gefahren des Outsourcings im Finanzsektor . . . . . . . . . . . 257 cc) Abhängigkeit vom Auslagerungsunternehmen und „Ansteckungsgefahr“ 258 4. Schutzzweckdivergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Aktienrecht: Schutz des Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Aufsichtsrecht: Schutz der Institutskunden und des öffentlichen Interesses . 260 c) Gemeinsames Ziel: Gleichwertige Leistungserbringung sichern . . . . . . . . . . 260 5. Gemeinsame Leitlinien für das Outsourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 D. Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
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Inhaltsverzeichnis II. Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Regulatorisches Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2. Qualifikationsanforderungen in der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Aktuelle Rechtslage für Banken und Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Neuerungen im Banken- und Wertpapierdienstleistungsbereich . . . . . . . . . . 267 c) Neuerungen im Versicherungssektor durch Solvency II . . . . . . . . . . . . . . . . 268 3. Einfluss der Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 III. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 1. Qualifikation als notwendige Voraussetzung für jedes Aufsichtsratsmitglied . . 271 a) Gesetz und Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Richterrecht und Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 c) Meinungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 aa) Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 bb) Besondere Anforderungen für Aufsichtsrats- und Ausschussvorsitzende 275 2. Folgen bei Mangel der Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 IV. Ausstrahlungswirkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 1. Gegenüberstellung aufsichts- und aktienrechtlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . 276 2. Ähnliche Regelungen – Gleiche Ziele? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 a) Funktionsfähiger Aufsichtsrat als unersetzlicher Bestandteil guter Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 b) Kompetente Zusammensetzung als notwendige Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 c) Kompetenzprofil abhängig vom konkreten Geschäftsbetrieb . . . . . . . . . . . . 280 d) Qualifikation nicht das einzige Merkmal der Zusammensetzung . . . . . . . . . 281 3. Abweichungen aufgrund des Schutzzwecks? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 4. Gemeinsame Leitlinien für die Arbeit der Mitglieder eines Aufsichtsrats . . . . . 283
E. Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 II. Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 1. Regulatorisches Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 2. Anforderungen in der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 a) Vergütungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 aa) Nachhaltigkeit und Risikoorientierung als Grundprinzipien . . . . . . . . . . 287 bb) Angemessenes Verhältnis fixer und variabler Vergütungsbestandteile . . 288 cc) Variable Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (1) Bemessungsgrundlage und -zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 (2) Nachhaltige Ausrichtung von mind. 50 % der variablen Vergütung . 290 (3) Zahlungsaufschub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (4) Verantwortung für Misserfolg: Malus- und Clawback-Regelungen . 291 dd) Einstellungs- und Abfindungszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
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b) Vergütungs-Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 c) Vergütungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 d) Eingriffsbefugnisse der Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 3. Betroffene Personengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 a) Allgemeine Anforderungen für „Geschäftsleiter und Mitarbeiter“ . . . . . . . . 294 b) Besondere Anforderungen für „Geschäftsleiter und Risikoträger“ . . . . . . . . 295 c) Was gilt für Aufsichtsorgane? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 III. Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 1. Regelungsumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 2. Anforderungen in der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 a) Bestimmung der Vergütungshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 aa) Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 bb) Besondere Regeln für Abfindungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 b) Anforderungen an die Vergütungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 aa) Ausrichtung auf nachhaltige Unternehmensentwicklung . . . . . . . . . . . . 300 bb) Mehrjährige Bemessungsgrundlage der variablen Vergütungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 cc) Zusammensetzung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 c) Festsetzung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 d) Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 e) Nachträgliche Sanktionsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 IV. Ausstrahlungswirkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Gegenüberstellung aufsichts- und aktienrechtlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Stufenverhältnis von Aufsichts- und Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 3. Schutzzweckdivergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 a) Aktienrecht: Schutz des Gesellschaftsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 b) Aufsichtsrecht: Schutz der Einleger und des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4. Höhere Risiken der Vergütungsgestaltung im Finanzsektor . . . . . . . . . . . . . . . . 308 a) Vergütung als notwendiges Werkzeug im Wettbewerb um Managertalente . 308 b) Vergütungsstrukturen im Finanzsektor besonders kurzfristig ausgerichtet . . 309 c) Langfristiges Handeln in Banken aber von besonderer Bedeutung . . . . . . . . 310 5. Positive Ergebnisse der negativen Abgrenzung von Aufsichts- und Aktienrecht 310 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353
Einleitung I. Problemaufriss Was macht gute Unternehmensführung aus? Die Antwort auf diese Frage treibt die deutsche Rechtswissenschaft seit mittlerweile zwei Jahrzehnten um – ein Ende der Debatte ist noch nicht in Sicht.1 Vielmehr fordern die rasante globale Wirtschaftsentwicklung und die damit einhergehenden Krisen und Unternehmensskandale ständig neue Lösungen. Das Gesetz gibt hierfür nur wenige Fingerzeige. So verlangt § 93 AktG vom Vorstand, er möge mit der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ zu Werke gehen. Was aber bedeutet das genau? Zur Ausfüllung dieser Generalklausel hat die Corporate-Governance-Forschung seit ehedem interdisziplinäre und rechtsvergleichende Erkenntnisse in ihre Überlegungen einbezogen. Nun wendet sie ihren Blick dem Aufsichtsrecht zu.2 Denn hier hat sich – parallel zum Aktienrecht – eine zweite Säule von Corporate-GovernanceRegeln herausgebildet, die sehr detaillierte Vorgaben an die Unternehmensführung in Banken, Versicherungen und Wertpapierdienstleistungsfirmen3 bereithält.4 Die Diskussion kreist nun um die Frage, ob und, wenn ja, wie sich die Vorgaben aus KWG, VAG und WpHG verallgemeinern und in das Recht der Aktiengesellschaft übertragen lassen.5 Anders gewendet: Kann das, was für die Deutsche Bank gilt, auch für Siemens, Volkswagen und die Telekom verbindlich sein? Einige Autoren versuchen, ein solches Ergebnis unter Rückgriff auf eine sogenannte „Ausstrahlungs-
1 Umfassend zuletzt Habersack, Gutachten E des 69. Deutschen Juristentages 2012, mit dem Titel „Staatliche und halbstaatliche Eingriffe in die Unternehmensführung“ sowie Bachmann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag 2014, mit dem Titel „Materielles Haftungsrecht und seine Durchsetzung in privaten und öffentlichen Unternehmen“. 2 Jüngst monographisch Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht und Corporate Governance, 2012. Seiner Zeit voraus Hübner, FS 600 Jahre Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Köln, 1988, S. 235 ff. 3 Der Einfachheit halber werden diese drei Sektoren im Folgenden gesammelt als „(Finanz-)Institute“ bezeichnet. Das entspricht zwar nicht dem Verständnis des deutschen Gesetz- (§ 1 Abs. 1b KWG), aber des europäischen Verordnungsgebers, vgl. Artt. 4 Abs. 1 EU (VO) 1093/2010 (EBA-VO), 4 Abs. 1 EU (VO) 1094/2010 (EIOPA-VO), 4 Abs. 1 EU (VO) 1095/2010 (ESMA-VO). 4 Der Fokus der rechtswissenschaftlichen Diskussion liegt z. Zt. auf der Corporate Governance von Banken, s. dazu den Sammelband von Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance von Banken, 2011. 5 Eingehend zuerst Dreher, ZGR 2010, 495 ff.; Weber-Rey, ZGR 2010, 543 ff.; zuletzt Leyens/Schmidt, AG 2013, 533 ff. sowie mit Blick auf das KAGB Kort, AG 2013, 582 ff.
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wirkung“ zu begründen.6 Dabei begegnen sie jedoch mehreren Einwänden, die zunächst die Argumentationsfigur selbst betreffen. Denn die Ausstrahlungswirkung ist nach bisherigem Wissensstand nur eines: eine Leerformel. Um eine anerkannte Figur der juristischen Methodenlehre handelt es sich jedenfalls nicht.7 Noch gewichtiger ist der zweite Einwand, wonach es sich beim Aufsichtsrecht um eine nicht verallgemeinerungsfähige rechtliche Spezialmaterie handele. Tatsächlich tun sich beim Vergleich der beiden Rechtsgebiete ganz erhebliche inhaltliche Unterschiede auf. Das Aktienrecht regelt das Innenleben der Aktiengesellschaft. Das Aufsichtsrecht hingegen ist eine Sondermaterie, die – unabhängig von der Rechtsform – Regeln für den Finanzsektor formuliert, die der besonderen Risikoanfälligkeit der Geschäftsmodelle sowie der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Institute Rechnung tragen. Es überrascht daher nicht, dass die Übertragung aufsichtsrechtlicher Vorgaben auf den § 93 AktG im Wege der Ausstrahlung erhebliche Kritik hervorgerufen hat.8 Die Debatte um die Ausstrahlungswirkung offenbart zugleich den blinden Fleck der deutschen Zivilrechtswissenschaft für solche Fragen, die die Interaktion von Privat- und Öffentlichem Recht betreffen.9 So versteht man Privat- und Öffentliches 6 Beispielhaft Kort, NZG 2008, 81, 82 f.: „Diese sektorspezifischen […] ComplianceVorgaben haben Ausstrahlungswirkung auch auf das Compliance-Management von Unternehmen in anderen, nicht sektorspezifischen Wirtschaftsbereichen, und zwar auch für Unternehmen, die nicht börsennotiert sind.“ Frühe Befürworter Preußner/Zimmermann, AG 2002, 657, 660; Kießling/Kießling, WM 2003, 513, 521; Preußner, NZG 2004, 303, 305; Lorenz, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, 2008, S. 3, 17 f. Auslöser der Debatte war das sog. „Bruderhilfe“-Urteil des VG Frankfurt, WM 2004, 2157, 2160. In eine ähnliche Richtung hatte zuvor bereits das LG Berlin argumentiert, AG 2002, 682. Zuletzt noch einmal ausdrücklich LG München (KfH), ZIP 2010, 2451, 2456: „Die Vorschriften der §§ 91 Abs. 2 AktG und 25a Abs. 1 KWG entsprechen sich in ihrer rechtlichen Bedeutung […].“ 7 Dies betonen auch Dreher, ZGR 2010, 496, 501; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 565. Um eine erste Definition bemühten sich Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 300: „Mit dem Begriff der Ausstrahlungswirkung […] wird in der Rechtswissenschaft ein methodischer Vorgang unterhalb der Analogiebildung beschrieben. Eine bestimmte Norm wird auf einen bestimmten Regelungskomplex zwar nicht analog angewendet, aber sie beeinflusst ihn allein durch ihre Existenz dahingehend, dass Rechtsfragen gleich oder zumindest ähnlich entschieden werden […].“ Aufgegriffen u. a. von Zimmer/Sonneborn, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 1 Rn. 165. Ganz ähnlich Koller, der vom „Transfer eines Rechtsgedankens“ spricht, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, vor § 31 Rn. 3 Fn. 6. 8 Statt vieler Hopt, ZHR 175 (2011) 444, 487: „Anforderungen [des Aufsichtsrechts] diffundieren mittlerweile auch in das allgemeine Gesellschaftsrecht, eine gefährliche Osmose. Die Vorschriften, die für Sektoren unter staatlicher Aufsicht und Unternehmen mit besonderen und gar systemischen Risiken sinnvoll sind, können Unternehmen allgemein überlasten und geradezu lähmen“; zuletzt erneut ders., ZIP 2013, 1793, 1804 u. 1806. 9 Vgl. Bullinger, in: VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 296 f.: „[D]as Zivilrecht wird […] immer noch weitgehend als eine dem Öffentlichen Recht gegenüber nicht nur autonome, sondern antinomische Ordnung verstanden. Das Zivilrecht lebt modellhaft von der Vorstellung, […] es handele sich um eine nicht national gebundene, weltrechtsfähige Ordnung einer als autonom gedachten Erwerbs- und Verkehrsgesellschaft. Für sie sind Interventionen eines Staates in Form seines nationalen Verwaltungsrechts nicht eine Vorgabe, sondern eine
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Recht bisweilen noch ganz traditionell als streng voneinander zu trennende Systeme, gar als Antipoden der Rechtsordnung, deren Inhalte ohne Belang für den jeweils anderen Teil seien.10 Diese Einschätzung könnte nicht weiter von der Realität entfernt liegen, wendet sich der Gesetzgeber seinen Regelungsaufgaben doch immer stärker mit funktionalem Problembewusstsein zu und setzt auf die Instrumente beider Teilrechtsordnungen als „gemeinsame[n] Fundus der Problembewältigung“11. Eine Mischung aus öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Regulierung findet sich daher heute vielerorten, vor allem aber im Bereich des Finanzmarktrechts, wo sich Banken und Versicherungen mit einer komplexen Gemengelage aktien- und aufsichtsrechtlicher Normen konfrontiert sehen. Das erfordert nicht nur ein neues Verständnis vom Verhältnis des Privat- und Öffentlichen Rechts zueinander,12 sondern zugleich einen Mechanismus, der diese Normmassen untereinander koordinieren und eine wechselseitige Abstimmung ermöglichen kann. Es bedarf daher – mit den Worten von Susan Emmenegger – einer „Koordinationsdogmatik“.13 Diesen zwei Aufgaben stellt sich die folgende Arbeit. Sie widmet sich nicht nur dem Phänomen der Ausstrahlungswirkung, sondern bettet diese Frage in eine umfassendere Untersuchung zum Verhältnis des Privatrechts zum Öffentlichen Recht ein. Aufbauend auf den Ausführungen von Emmenegger wird ein Modell zur Koordination von Rechtsnormen entwickelt, das nicht nur ein vertieftes Verständnis der Rechtslage innerhalb einer Bank-Aktiengesellschaft erlaubt, sondern darüber hinaus die Wirkung des Aufsichtsrechts auf die „Normal“-AG untersuchen und so die Hintergründe der Ausstrahlungswirkung aufdecken hilft.
II. Gang der Untersuchung Bisherige Ausführungen zur Ausstrahlungswirkung folgen überwiegend demselben Muster: Sie setzen an einem Einzelproblem, wie beispielsweise dem Risikomanagement, an und erwägen oder verwerfen eine Übertragung aufsichtsrechtlicher Vorgaben anhand dieser konkreten Norm.14 Dieser Vorgehensweise wird hier Störgabe, etwas Fremdes, das man möglichst restriktiv handhabt. […] Nicht Unkenntnis, sondern innere Ablehnung bestimmt hier also das Verständnis“; ähnlich Jarass, in: VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 314. 10 So bereits Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 117: „Für den Willen eines Zivilrechtssatzes aber kann ein öffentlich-rechtliches Verhältnis nie etwas Rechtsähnliches sein“. 11 So Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 261, 265. 12 Grundlegend der Sammelband von Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996. 13 Emmenegger, Bankorganisationsrecht als Koordinationsaufgabe, 2004, S. 3: „Koordinationsdogmatik ist die Summe aller Lehrsätze zur Koordination von öffentlichem und privatem Recht.“ 14 Vgl. zuletzt wieder Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 537 ff.
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nicht gefolgt. Vielmehr untersucht die vorliegende Arbeit zunächst auf einer abstrakten Ebene das Verhältnis von Aufsichts- zu Aktienrecht (Zweiter Teil) und arbeitet sodann Grundlagen und Grenzen einer Ausstrahlung des Aufsichtsrechts heraus (Dritter Teil). Diese abstrakten Erkenntnisse werden im nächsten Schritt auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen heruntergebrochen und präzisiert. Konkret geht es um die Regulierung der Compliance, des Risikomanagements, des Outsourcings, der Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern und der Vergütung (Vierter Teil). Um den Boden hierfür zu bereiten, beginnt die Arbeit mit einem Überblick über die Anforderungen an die Unternehmensführung inner- und außerhalb des Finanzsektors (Erster Teil).
II. Grenzen der Untersuchung Dem Umfang der Untersuchung sind naturgemäß Grenzen gesetzt. Innerhalb des Aufsichtsrechts beschränkt sie sich auf die gesetzlichen Vorgaben des KWG, VAG und WpHG; Regelungen für Pfandbriefbanken, Bausparkassen und Kapitalanlagegesellschaften bleiben außen vor.15 Auch die Rechtslage in öffentlich-rechtlichen Banken und Genossenschaftsbanken wird nicht berücksichtigt.16 Konflikte des Aufsichts- mit dem Aktienkonzernrecht sind ebenfalls nicht Gegenstand dieser Arbeit; die hiermit verbundenen Rechtsfragen sind bereits andernorts vertieft worden.17 Zuletzt beschränkt sich die Untersuchung auf Ausstrahlungswirkungen de lege lata, nicht aber auf die Weiterentwicklung der beiden Rechtsgebiete de lege ferenda. Die hier erarbeiteten Erkenntnisse zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der aufsichts- und der aktienrechtlichen Corporate Governance sollten aber gleichwohl Berücksichtigung in der rechtspolitischen Diskussion finden.
15 Instruktiv dazu Rümker/Winterfeld, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II, § 124 Rn. 53 ff. 16 Dazu jüngst umfassend M. Tieben, Das Drei-Säulen-System des Bankenmarktes als regulierungsrechtliche Steuerungsressource, 2012. 17 Monographisch T. Schneider, Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen und bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen an das Risikomanagement auf Gruppenebene, 2009; Wundenberg, Compliance und die prinzipiengeleitete Aufsicht über Bankengruppen, 2012. Neue Spannungsfelder und Konfliktlagen ergeben sich hier nun vor dem Hintergrund von CRD IV, dazu jüngst Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014) 502, 530 ff.; Tröger, ZHR 177 (2013), 475 ff.; Weber-Rey/Gissing, AG 2014, 884 ff. Aus dem Versicherungsaufsichtsrecht Dreher/Ballmaier, ZGR 2014, 753 ff.
Erster Teil
Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors A. Corporate Governance und deutsches Aktienrecht I. Einführung in die Corporate-Governance-Forschung Ist von Corporate Governance die Rede, so beschreibt dies – in Übereinstimmung mit dem grundlegenden Cadbury-Report1 – den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen2 für die Leitung und Kontrolle eines Unternehmens.3 Die CorporateGovernance-Forschung analysiert die wechselseitigen Beziehungen zwischen dem Unternehmensmanagement und dessen Bezugsgruppen innerhalb (interne Corporate Governance) und außerhalb der Gesellschaft (externe Corporate Governance) und leitet hieraus Anhaltspunkte für eine „gute Unternehmensführung“4 ab.5 Hiervon verspricht man sich spürbare Verbesserungen für das Unternehmen und die Gesamtwirtschaft.6 So eingängig dies im Ausgangspunkt scheint, so kompliziert ist die 1 Das „Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance“ unter der Leitung von Adrian Cadbury bildete die erste Expertengruppe zu Fragen der Corporate Governance diesseits des Atlantiks. Ihr im Jahr 1992 veröffentlichter Report wurde als sog. Cadbury Code in die listing rules der London Stock Exchange aufgenommen und damit zum Vorbild von Corporate-Governance-Kodizes weltweit, s. Cheffins, in: Wright/Siegel u. a. (Hrsg.), Oxford Handbook of Corporate Governance, S. 46, 57. 2 Die faktische Komponente betonend v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 3, 4. 3 Cadbury Report, Abschnitt 2.5: „Corporate governance is the system by which companies are directed and controlled.“ Daran angelehnt OECD, Principles of CG, 2004, S. 11. Das Begriffsverständnis ist nicht einheitlich; für einen Überblick über die verschiedenen Definitionsversuche s. Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 40 ff. m.w.N. 4 So der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK), Präambel. 5 Für einen ersten Einblick s. Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2009; du Plessis/McConvill/Bagaric, Principles of Contemporary Corporate Governance, 2005. Weiterführend Clarke (Hrsg.), Theories of Corporate Governance. The philosophical foundations of Corporate Governance, 2007. 6 Statt vieler OECD, Principles of CG, S. 11: „The presence of an effective corporate governance system, within an individual company and across an economy as a whole, helps to provide a degree of confidence that is necessary for the proper functioning of a market economy. As a result, the cost of capital is lower and firms are encouraged to use resources more efficiently, thereby underpinning growth.“ Empirisch ist der Zusammenhang von Unternehmenserfolg und Corporate Governance jedoch noch nicht einwandfrei belegt, s. Ludwig,
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
Aufgabe. Corporate Governance beschäftigt mittlerweile Wissenschaftler aller Jurisdiktionen7 und ist nicht nur ein juristisches, sondern auch ein politisches und ökonomisches Thema.8 Die Corporate-Governance-Forschung kann daher bereits auf einen reichen Schatz rechtsvergleichender9 und interdisziplinärer10 Erkenntnisse zurückgreifen. Gleichwohl ist die Kernfrage weiterhin nicht abschließend beantwortet: Was macht gute Unternehmensführung aus? Die Geburt des Corporate-Governance-Dilemmas11 fällt mit der Entstehung der modernen Kapitalgesellschaft zusammen.12 In dem Maße, in dem die Gesellschafter sich stärker auf ihre Rolle als Kapitalgeber zurückzogen, um die Leitung ihres Unternehmens erfahrenen Managern zu überlassen,13 wuchs auch die Gefahr opportunistischen, und damit dem Gesamterfolg der Unternehmung abträglichen,14
Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 83 ff. m.w.N. Am Beispiel des deutschen Corporate Governance Kodex zeigen dies auch Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, 252. 7 Man beachte nur die internationale Verbreitung von Corporte-Governance-Kodizes, aufgelistet vom European Corporate Governance Institute (ECGI, www.ecgi.org). 8 Dies betont auch Nobel, in: Liber Amicorum Guy Horsmans, S. 819. 9 Vgl. u. a. Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, 1998. Rechtsvergleichend auch schon der Band von Feddersen/Hommelhoff/U. H. Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, 1996. Zuletzt Hopt, ZHR 175 (2011), S. 444 ff. 10 Vgl. Kraakman/Armour/Hopt/Kanda/Davies/Enriques/Hansmann/Rock/Hertig, Anatomy of Corporate Law – A Comparative and Functional Approach, 2009; sowie Hommelhoff/ Hopt/v. Werder (Hrsg.), Hdb. CG, 2009; monographisch Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000. 11 So auch die Überschrift bei Williamson, 93 Yale L. J. (1984) 1197, 1198. Zur Geschichte der Corporate Governance s. Cheffins, in: Wright/Siegel u. a. (Hrsg.), Oxford Handbook of Corporate Governance, S. 46 ff. Noch umfassender Frentrop, A History of Corporate Governance 1602 – 2002, 2002/2003. 12 Empirisch nachgezeichnet wurde dies erstmals durch das grundlegende Werk von Berle/ Means, The Modern Corporation and Private Property, 1932. Aufgenommen wurde das Thema von der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung, die das Problem durch die Linse der Prinzipal-Agenten Theorie analysierte, vgl. u. a. Fama, 88 J. Pol. Econ. (1980) 288; Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. (1983) 327; Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976) 305; Williamson, 93 Yale L. J. (1984) 1197, 1199. Einen umfassenden Überblick über die ökonomischen Theorien zur Corporate Governance gibt Ruffner, Ökonomische Grundlagen der Publikumsgesellschaft, S. 127 ff. 13 Vgl. Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 68: „[I]n the corporate system, the ,owner‘ of industrial wealth is left with a mere symbol of ownership while the power, the responsibility and the substance which have been an integral part of ownership in the past are being transferred to a separate group in whose hands lies control.“ Clark identifiziert dies als zweite von insgesamt „vier Stufen des Kapitalismus“, 94 Harv. L. Rev. (1981) 561, 563. 14 Grundlegend zum Konzept des Opportunismus Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, S. 47: „By opportunism I mean self-interest seeking with guile.“; ausführlich S. 47 ff., 64 ff. Diese Gefahr sahen auch schon Berle/Means, The Modern Corporation, S. 277: „The stockholder is therefore left as a matter of law with little more than the loose expectation that a group of men, under a nominal duty to run the enterprise for his benefit […] will actually observe this obligation.“
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Verhaltens auf Seiten der Unternehmensführung.15 Am intensivsten wird die Governance-Frage daher auch heute noch anhand der Aktiengesellschaft diskutiert, in deren Rechtsform diese Entwicklung ihren Höhepunkt gefunden hat.16 Das „Zentrum gesellschaftsrechtlicher Überlegungen“17 und das „Grundproblem“18 der Corporate Governance ist daher die Trennung vom Eigentum an und der Verfügungsgewalt über die Gesellschaft (separation of ownership and control).19
II. Steuerung der Unternehmensführung als Kernthema Der Schlüssel zur Lösung der Corporate-Governance-Problematik liegt somit in der Kontrolle der Geschäftsleitung.20 Eine Überwachung des Managements durch die Anteilseigner fällt aufgrund hoher Agenturkosten21 und dem damit einhergehenden
15 Dazu schon v. Jhering, Der Zweck im Recht, Bd. I, S. 221 f.: „Solange das eigene Interesse am Steuerruder des Rechts sitzt, gibt es sich selber nicht preis, sowie aber das Steuerruder fremden Händen anvertraut wird, ist diese Garantie, welche das eigene Interesse gewährt, hinweg gefallen, und die Gefahr heraufbeschworen, dass der Steuermann den Kurs dahin richte, wohin sein Interesse, nicht das fremde es wünschenswert macht. Die Stellung des Verwalters schliesst eine große Versuchung in sich.“ Die zentrale Frage der CorporateGovernance-Forschung formulierten Jensen/Meckling daher wie folgt: „How does it happen that millions of individuals are willing to turn over a significant fraction of their wealth to organisations run by managers who have so little interest in their welfare?“ J. Fin. Econ. 3 (1976) 310, 330; ebenso Shleifer/Vishny, J. Fin. 52 (1997) 737, 748. 16 Durch das institutionelle Design der Publikumskapitalgesellschaft wird der Konflikt zwischen Aktionärs- und Managementinteressen verschärft. Der Aktionär ist in die Unternehmensführung nur selten eingebunden; gleichzeitig hat das Management einen breiten Entscheidungsspielraum und verfügt über einen erheblichen Wissensvorsprung. Dazu auch Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. (1983) 301, 304; Picot/Dietl, in: Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 306, 320 ff.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 174; Shleifer/Vishny, J. Fin. 52 (1997) 737, 741. 17 So Grundmann, Europ. GesR, § 1 Rn. 6. 18 So Hopt, ZHR 175 (2011) 444, 446. 19 Die erste Beschreibung des Problems stammt aus der Feder von Adam Smith, Wealth of Nations, Book 5 Ch. I Pt. III 1.2, S. 800: „The directors of such companies, however, being the managers rather of other people’s money than of their own, it cannot well be expected, that they should watch over it with the same anxious vigilance with which the partners in a private copartnery frequently watch over their own […] Negligence and profusion, therefore, must always prevail, more or less, in the management of the affairs of such a company.“ 20 Shleifer/Vishny, J. Fin. 52 (1997) 737: „How do the suppliers of finance get managers to return some of the profits to them? How do they make sure that managers do not steal the capital they supply or invest it in bad projects? How do suppliers of finance control managers?“ 21 Dazu schon Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976) 305, 308. Allgemein Bainbridge, Corporation Law and Economics, § 1.5 C, S. 37: „[A]gency-costs are the inevitable consequence of vesting discretion in some other than the residual claimant.“ Ziel der GovernanceArrangements ist es daher, Agenturkosten zu senken, vgl. Armour/Hansmann/Kraakman, in: dies. u. a., Anatomy of Corporate Law, S. 35 ff.; Fischel, 35 Vand. L. Rev. (1982) 1259, 1263.
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Phänomen der rationalen Apathie22 jedoch weitgehend aus.23 Schon früh hat die Corporate-Governance-Forschung aber andere Mechanismen ausgemacht, die das Handeln der Unternehmensführung steuern. Dies sind auf der einen Seite externe Marktkräfte,24 auf der anderen Seite interne Kontrolleure wie der Aufsichtsrat.25 1. Disziplinierung durch Marktmechanismen Erheblichen Einfluss auf die Unternehmensführung übt demnach der Kapitalmarkt aus, an dem börsennotierte Gesellschaften „in Echtzeit“ bewertet werden. Er eröffnet den Anteilseignern die Möglichkeit, den Exit26 über den Markt zu wählen (Wall Street Rule)27, sobald ihre Unzufriedenheit mit dem Unternehmensmanagement wächst. Nicht minder wirkungsvoll ist zudem der Einfluss der Märkte für Führungskräfte sowie für Unternehmenskontrolle,28 ermöglichen sie doch die Ersetzung des Managements im Fall schlechter Unternehmensführung. Das Schmiermittel, das die Funktionsfähigkeit all dieser Märkte erhält, ist Information.29 22 Statt vieler Easterbrook, 9 Del. J. Corp. Law (1984) 540: „When thousands of people hold investment interests in a firm, none has much incentive to oversee the managers. Each investor, rightly thinking that his efforts can do little, will be passive. The investors are scattered, uncoordinated and helpless.“; Fischel, 35 Vand. L. Rev. (1982) 1259, 1277. Aus heutiger Sicht Ruffner, Ökonomische Grundlagen der Publikumsgesellschaft, S. 176. 23 Statt vieler Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 713, 715. Pointiert auch The Economist, „[S]hareholder capitalism suffers from a vacuum of ownership“ v. 26. 06. 2003. Anders kann sich dies im Fall starker Mehrheitsgesellschafter darstellen, die aufgrund ihrer zumeist erheblichen Investitionen in die Gesellschaft gehalten sind, das Management entsprechend zu kontrollieren. Rechtsvergleichend dazu Shleifer/Vishny, J. Fin. 52 (1997), 737, 754 f. Der Konflikt verlagert sich in solchen Fällen auf die Beziehung zwischen Minderheitsund Mehrheitsgesellschafter, s. u.a. Armour/Hansmann/Kraakman, in: dies. u. a., Anatomy of Corporate Law, S. 35, 36. Zum Verhalten institutioneller Investoren s. Fleischer, ZGR 2011, 155, 164 ff.; konkret zum Einfluss von Private Equity Gesellschaften und Hedgefonds Schmidt/ Weiß, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 161, 180 f. 24 Grundlegend Fama, 88 J. Pol. Econ. (1980) 288, 295. In der Rechtswissenschaft u. a. aufgegriffen von Easterbrook, 9 Del. J. Corp. Law (1984) 540. s. dazu die umfangreiche Darstellung und Kritik bei Henne, Information und Corporate Governance, S. 103, 111 ff. 25 Zur supervisory function des Board of Directors schon Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. (1983) 301, 313 f.; zur Rolle des Board als „governance instrument of the stockholders“ auch Williamson, 93 Yale L. J. (1984) 1197, 1210. Ausführlich zur internen und externen Corporate Governance Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 60 ff., 64 ff. 26 Grundlegend Hirschman, Exit, Voice and Loyalty, 1970. 27 So bereits Fischel, 35 Vand. L. Rev. 1259, 1278 (1982): „The ability freely to sell one’s shares, therefore, the so-called ,Wall Street Rule‘, is without question the single most important safeguard to all shareholders that managers will act in their best interest.“ 28 Zu diesen Marktkräften schon Easterbrook, 9 Del. J. Corp. Law (1984) 540, 543; aus heutiger Zeit Lehmann, in: Möllers (Hrsg.), Geltung und Faktizität von Standards, S. 37, 42 ff. 29 Zur Bedeutung der Informationsversorgung für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts Henne, Information und Corporate Governance, S. 228 ff.; aus ökonomischer Sicht Merkt, Unternehmenspublizität, S. 208 ff.; Ruffner, Ökonomische Grundlagen der Publikumsgesellschaft, S. 176 ff.
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Der Gesetzgeber setzt im Kapitalmarktrecht daher auf Transparenz- und Offenlegungsvorschriften, um eben diese Marktkräfte zu effektuieren.30 Auch die Pflicht zur Bilanzierung und Abschlussprüfung ist ein zentraler Baustein dieses „Informationsmodells“. Der gesamte Regelungsbereich wird in hohem Maße vom europäischen Recht vorgeprägt.31 Ein gänzlich anderes Bild ergibt sich indes für die interne Governance. Von den insgesamt 12 geltenden gesellschaftsrechtlichen Richtlinien32 betreffen nur wenige die verbandsinterne Organisationsverfassung.33 2. „Checks and Balances“ innerhalb der Aktiengesellschaft Verbandsintern wird das Corporate-Governance-Gefüge daher noch immer durch die nationalen Anforderungen an die Binnenstruktur der einzelnen Gesellschaftsformen vorgezeichnet.34 In der deutschen Aktiengesellschaft bestimmt das Zusammenspiel von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung das Bild.35 Während der Vorstand die Gesellschaft weisungsunabhängig und in eigener Verantwortung leitet,36 überwacht und berät ihn hierbei der Aufsichtsrat.37 Er beschließt über Be30
Man spricht vom so genannten „Informationsmodell“, monographisch Henne, Information und Corporate Governance, 2011; umfassend Merkt, Unternehmenspublizität, 2001. Dazu auch Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 104 ff. 31 Zur Entwicklung und Bedeutung der europäischen Kapitalmarktgesetzgebung s. Veil, in: ders., Europ. KapMarktR, § 1; Wittig, in: Kümpel/Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rn. 1.59 ff. Ausführlich zur „Corporate Governance in Europa als Mehrebenensystem“ Fleischer, ZGR 2012, 160 ff. 32 Einen Überblick geben Grundmann, Europ. GesR, § 4 II Rn. 106 ff.; Habersack/Verse, Europ. GesR, § 4 Rn. 2. Die Richtlinientexte finden sich bei Lutter/Bayer/Schmidt, Europ. Untern- und KapMarktR, §§ 19 ff. 33 So auch Grundmann/Möslein, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, S. 31, 62 Rn. 33. Die Pläne für eine gemeinsame Struktur- (5.) bzw. Konzernrichtlinie (9.) sind gescheitert, in erster Linie weil man in Fragen der Mitbestimmung keinen Kompromiss erzielen konnte, vgl. Behrens, in: Dauses, Hdb. EU WirtschaftsR, E. III. Rn. 50, 65 ff. Der aktuelle Aktionsplan der Kommission zeigt, dass sich an dieser Stoßrichtung so schnell nichts ändern wird, KOM(2012) 740 endg. Eine Ausnahme hiervon bilden die Empfehlungen der Kommission in Vergütungsfragen sowie zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse, vgl. 2004/913/EG und 2009/385/EG (Vergütung) sowie 2005/162/EG (Aufsichtsrat). Diese sind jedoch nicht verbindlich. Dazu Lutter/Bayer/Schmidt, Europ. Untern- und KapMarktR, § 2 Rn. 14 m.w.N. 34 Weitere Vorgaben folgen aus der Satzung sowie etwaigen Selbstverpflichtungen des Unternehmens. Von außen tragen Börsen und institutionelle Investoren ihr eigenes GovernanceVerständnis an das Unternehmen heran. Zu solcher Standardsetzung durch Private im Governance-Bereich s. Fleischer, ZGR 2012, 160, 191 ff. 35 Zur inneren Ordnung der Aktiengesellschaft K. Schmidt, GesR, § 26 IV, S. 781; § 28, S. 797 ff.; ausführlich auch Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 111 ff. 36 Zur „Leitung“ s. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 4 ff.; Kort, in: GroßKomm AktG, Vor § 76 Rn. 28 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 76 Rn. 4 ff.; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 16 ff. Der Vorstand rückt damit in die Unternehmerfunktion ein, vgl. Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 76 Rn. 4.
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stellung, Vergütung und Abberufung der Vorstandsmitglieder und ist dafür wiederum der Hauptversammlung gegenüber verantwortlich.38 So entsteht ein System gegenseitiger Kontrolle, das in Anlehnung an die staatliche Gewaltenteilung als „system of checks and balances“39 bezeichnet wird und gemäß § 23 Abs. 5 AktG zwingend vorgeschrieben ist.40 Im Mittelpunkt dieses Systems stehen die Sorgfaltspflichten der Unternehmensverwaltung;41 sie bilden gewissermaßen das „Herzstück“ aller Debatten um gute Unternehmensführung. Sie fordern die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ zu wahren und die Gesellschaft „im Unternehmensinteresse“ zu leiten.42 Verstöße hiergegen sind gemäß §§ 93, 116 AktG haftungsbewehrt43 und müssen vom Aufsichtsrat44 oder den Aktionären45 durchgesetzt werden. Die Sorgfaltspflichten sind demnach die „Zügel“, mit deren Hilfe die 37
Der Inhalt dieser Aufgabe ergibt sich spiegelbildlich aus den Anforderungen an den Vorstand, s. Spindler, in: MünchKomm AktG, Vor § 76 Rn. 45. Durch die zukunftsgerichtete Beratungsaufgabe rücken beide Organe in Fragen der Unternehmensführung näher zusammen. Diese Aufwertung innerhalb des Unternehmensgefüges wird mit dem Schlagwort „Professionalisierung des Aufsichtsrates“ treffend umschrieben, vgl. statt vieler Leyens, in: Allmendinger/Dorn, CG nach der Finanzkrise, S. 3, 14. Umfassend zur Entwicklung des Aufsichtsrates Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006; Lutter, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel Bd. II, S. 389 ff. 38 In letzter Zeit werden die Aktionäre immer stärker in die Corporate Governance eingebunden, vgl. die Diskussion um say on pay. Auch die EU Kommission will Aktionäre „aktivieren“, vgl. Grünbuch Finanzinstitute KOM(2010) 284 endg., S. 8 f., 18 f. sowie Grünbuch Europäischer CG Rahmen, KOM(2011) 164/3, S. 13 ff. 39 Vgl. EU Kommission, Grünbuch Finanzinstitute KOM (2010) 284 endg., S. 5. 40 Dazu Fleischer, AcP 204 (2004) 502, 517: „Aus der Gesellschaftsrechtsvergleichung wissen wir, dass die rigide Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG international ein Solitär, aber gewiss kein Edelstein ist.“ 41 Vgl. §§ 76, 93, 111, 116 AktG. 42 Zur ökonomischen Sinnhaftigkeit solch breit gefasster Standards eingehend Ruffner, Ökonomische Grundlagen der Publikumsgesellschaft, S. 211 ff.; kürzer Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 90 ff. 43 Mit einer Beweislastumkehr zu Lasten der Organmitglieder (§ 93 Abs. 2 AktG) und einer 10-jährigen Verjährungsfrist (§ 93 Abs. 6 AktG) ist diese Haftungsvorschrift auch vergleichsweise strikt ausgestaltet. Andererseits gewährt die Business Judgment Rule dem Vorstand einen haftungsrechtlichen safe harbour, s. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG; zuvor BGHZ 135, 244, 253 f. (ARAG/Garmenbeck). Der DJT 2014 hat sich zuletzt der Frage angenommen, ob die materielle Voraussetzungen der Organhaftung und die Mechanismen ihrer Durchsetzung noch sachgemäß sind, s. Bachmann, Gutachten E für den 70. DJT 2014; dazu auch Hopt, ZIP 2013, 1793 ff. 44 BGHZ 135, 244, 253 ff. (ARAG/Garmenbeck). Die Wahrnehmung dieser Aufgabe gestaltet sich für den Aufsichtsrat in der Praxis schwierig: zum einen bezieht er seine Informationen ausschließlich vom Vorstand selbst (§ 90 AktG); zum anderen befürchtet er häufig Reputationsschäden für das Unternehmen. Rein faktisch stehen einer Geltendmachung der Ansprüche zudem die persönlichen Verflechtungen zwischen Leitungs- und Kontrollorgan nicht selten im Weg. Dazu auch Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 713, 714. 45 Kritisch zu § 148 AktG Habersack, Gutachten E für den 69. DJT 2012, E 92 ff. Zweifelnd an der Sinnhaftigkeit der Aktionärsklage generell Bachmann, Gutachten E für den 70. DJT 2014, E 73 ff.
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Unternehmensverwaltung gelenkt wird.46 Sie zu konkretisieren und weiterzuentwickeln ist eine zentrale Aufgabe des Gesellschaftsrechts.47 Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, in wessen Interesse die Unternehmensführung gesteuert werden soll.
III. Vertiefung: Leitmaxime des Verwaltungshandelns Als „aktienrechtliches Jahrhundertproblem“48 gilt die Diskussion darum, ob der Vorstand die Geschicke der Gesellschaft ausschließlich mit Blick auf die Belange der Anteilseigner (shareholder) oder auch auf die anderer Interessengruppen (stakeholder49) zu leiten hat.50 Der Ursprung der Debatte reicht bereits einige Jahrzehnte zurück; seither wurde das Thema von juristischer wie ökonomischer Seite eingehend beleuchtet. Beide Seiten berufen sich im Wesentlichen auf die folgenden Argumente.51 1. Orientierung am shareholder value52 Die ausschließliche Ausrichtung auf die Vermögensinteressen der Anteilseigner wird zum einen durch die Logik des Kapitalmarkts herausgefordert. Um beständig 46
Aus der ökonomischen Perspektive Ruffner, Ökonomische Grundlagen der Publikumsgesellschaft, S. 211: „Wie in anderen relationalen Vertragsbeziehungen kommt der Sorgfaltsund Treuepflicht deshalb die Funktion zu, mögliche Agenturprobleme zwischen Prinzipalen und Agenten zu lösen, die sich nicht im Voraus durch explizite vertragliche Abmachungen regeln lassen.“ 47 Vgl. die umfassenden Kommentierungen zu § 93 AktG von Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 10 ff.; Hopt, in: GroßKomm AktG, § 93 Rn. 72 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 93 Rn. 64 ff.; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 93 Rn. 22 ff. sowie monographisch Thümmel, Persönliche Haftung von Managern, 2008. Eingehend auch Goette, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 713 ff.; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 148 ff. 48 So Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 185, 212. 49 Zum stakeholder Begriff aus ökonomischer Sicht v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/ v. Werder, Hdb. CG, S. 3, 9: „[N]atürliche Personen und Institutionen […], die auf der Grundlage unvollständiger Verträge Transaktionen mit dem Unternehmen durchführen und aus diesem Grund ein (in weiterem Sinne) ökonomisches Interesse am Unternehmensgeschehen haben. […] Zu denken ist namentlich an die Anteilseigner […], die Fremdkapitalgeber […], die Arbeitnehmer […], das Management selbst […], die Lieferanten […], die Allgemeinheit in Form des Staates […], sowie die Kunden […].“ 50 Die Beantwortung dieser Frage wirkt sich nicht nur auf den Vorstand, sondern auch auf den Aufsichtsrat und die Frage nach seiner Besetzung aus, dazu schon Williamson, 93 Yale L. J. (1984) 1197. 51 Für einen rechtsvergleichenden Rundblick über die Debatte s. Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 185, 206 ff.; Hopt, ZHR 175 (2011) 444, 476 ff.; Klöhn, ZGR 2008, 110, 120 ff. 52 Der Begriff geht wohl auf das Werk von Rappaport, Creating Shareholder Value, aus dem Jahr 1986 zurück. Die Ausrichtung auf den shareholder value ist gleichbedeutend mit einer
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neue Anleger anzusprechen, ist eine kontinuierliche Steigerung des Marktwertes erforderlich. Zudem ist ein steigender Börsenkurs die beste Versicherung gegen eine feindliche Übernahme.53 Die Ausrichtung auf den shareholder value ergibt sich für einige aber auch aus der ökonomischen Analyse des Kapitalgesellschaftsrechts. Das Unternehmen sei lediglich ein „nexus of contracts“54 und verfolge daher per se keine eigenen Interessen; es bündele nur die Belange verschiedener Gruppen.55 Innerhalb dieser Gruppen seien die Aktionäre am schutzbedürftigsten, denn sie seien die Risikokapitalgeber, ohne die die gesamte „Veranstaltung“56 Unternehmen nicht stattfinden würde.57 Nach der Investition sei ihr Kapital fest gebunden (sunk costs) und sie befänden sich in einer lock-in-Stituation.58 Daher bräuchte es einen Mechanismus, der sicherstelle, dass ihre Interessen geschützt seien, wolle man überhaupt noch Eigenkapitalgeber für ein Unternehmen gewinnen.59 Die Aktionäre könnten ihre Positionen aber – anders als andere Gruppen – nicht durch vertragliche Regelungen (covenants)60 schützen (§ 23 Abs. 5 AktG), so dass ihr Schutz ausschließlich durch gesellschaftsrechtliche Sorgfaltspflichten vermittelt werden könne.61 Nicht erst seit der Finanzkrise wird die ausschließliche Orientierung am shareholder value jedoch zunehmend in Zweifel gezogen. Insbesondere wird sie dafür Unternehmenspolitik, die in erster Linie an der Maximierung des Eigenkapitalwerts des Unternehmens interessiert ist, vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG § 76 Rn. 29. Vertiefend dazu Mülbert, ZGR 1997, 129, 131 ff. 53 Dazu auch Ulmer, AcP 202 (2002) 143, 145; ausführlich zur Leitmaximendebatte ab S. 155 ff. 54 So u. a. Fama, 88 J. Pol. Econ. (1980) 288, 289; Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976) 305, 311; Williamson, 93 Yale L. J. (1984) 1197, 1199. Einführend zu diesem „contractarian model“ Bainbridge, Corporation Law and Economics, § 1.5 A, S. 27 ff. Kritisch aber Wiedemann, ZGR 2006, 240, 243: „Ein dinglich verfestigtes Sondervermögen läßt sich auch gedanklich nicht durch eine Unzahl von Vertragsabsprachen nachahmen.“ 55 Ruffner, Ökonomische Grundlagen der Publikumsgesellschaft, S. 168: „Fasst man aus der Perspektive des ,nexus of contracts‘ Ansatzes die juristische Person Aktiengesellschaft demnach nur als nützliches Denkmuster auf […] macht es keinen Sinn diesem Vertragsgeflecht unmittelbare Eigeninteressen zuzubilligen, zumal erdachte Rechtskonstruktionen keine Interessen besitzen können.“ 56 So Fleischer, in: Fleischer, Hdb. des Vorstandsrechts, § 1 Rn. 30. 57 So auch Fama/Jensen, 26 J.L. & Econ. (1983) 327, 330: „[T]he common stockholders put up wealth, which is used to purchase assets.“ 58 Williamson, 93 Yale L. J. (1984) 1197, 1210: „Stockholders as a group bear a unique relation to the firm. They are the only voluntary constituency whose relation with the corporation does not come up for a periodic renewal. […] Stockholders […] invest for the life of the firm and their claims are located at the end of the queue should liquidation occur.“ 59 Schmidt/Weiß, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 161, 171: „Herrschaftsrechte für Eigenkapitalgeber können ökonomisch damit erklärt werden, dass sie die Befürchtungen von Eigenkapitalgebern mildern und dadurch die Kapitalbeschaffung erleichtern.“ 60 Dazu jüngst umfassend Bochmann, Covenants und die Verfassung der Aktiengesellschaft, 2012. 61 Ebenso Klöhn, ZGR 2008, 110, 152; Ruffner, Ökonomische Grundlagen der Publikumsgesellschaft, S. 167.
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verantwortlich gemacht, kurzfristiges Denken zu fördern62 und in Verbindung mit aktienbasierter Vergütung Anreize für übertrieben risikoreiches Verhalten von Managern zu setzen.63 Zudem wird die Verkürzung von Managementaufgaben auf die Steigerung des Marktwertes moniert.64 Diese Bedenken aufgreifend wird mittlerweile in zunehmend größerer Zahl ein sog. enlightened shareholder value approach vertreten.65 Hiernach soll den Aktionärsinteressen zwar grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werden; die Belange der stakeholder fänden jedoch insoweit Berücksichtigung, wie das Unternehmen damit seinem Ruf als good corporate citizen gerecht werde.66 2. Orientierung am Unternehmensinteresse Die Rechtslage in Deutschland ist dagegen eindeutig: Vorstand und Aufsichtsrat sind auf das Unternehmensinteresse verpflichtet.67 Hierzu zählen neben den Interessen der Aktionären auch die der Arbeitnehmer sowie das Gemeinwohl, mithin die Belange aller stakeholder Gruppen.68 Hintergrund hierfür ist die Überzeugung, dass die Wertschöpfung innerhalb eines Unternehmens nicht nur von der Finanzierung 62 Vgl. u. a. EU Kommission, Grünbuch Europäischer CG Rahmen, S. 3. Freundlicher Baum, in: Doralt/Kalss, Franz Klein, S. 93, 107: „Kapital ist nicht länger geduldig, sondern in der Suche nach schnelleren und höheren Renditen beweglich und kosmopolitisch geworden.“ 63 Clarke, Theories of Corporate Governance, Einleitung, S. 15: „The changes in executive compensation in the 1990s designed to align executive interests with those of shareholders, provided an irresistible incentive to managers to inflate earnings, even if this was not sustainable, as they could bail out before the inevitable reality confronted the shareholders.“; ebenso Coffee, 89 Cornell L. Rev. 269 (2004). 64 K. Schmidt, GesR § 26 II, S. 768: „[D]ie Handlungspflichten des Vorstands leiten sich nur noch sekundär aus seinen operativen Funktionen in der Branche des Unternehmens her (z. B. möglichst kapitalgünstig möglichst viele möglichst sichere Autoreifen möglichst hoch über dem Einstandspreis zu verkaufen), sondern aus der Attraktivität der Aktien am Kapitalmarkt. […] Richtig scheint, dass Shareholder value […] nicht Selbstzweck, sondern nur Indikator für den Unternehmenserfolg ist.“ 65 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 37 m.w.N.; Klöhn, ZGR 2008, 110 155; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 12; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 74. 66 Fleischer, in: Fleischer, Hdb. des Vorstandsrechts, § 1 Rn. 31; Seibt, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 76 Rn. 12. 67 BVerfGE 14, 263, 282; 34, 103, 112; BGHZ 64, 325, 330; 106, 54, 65; 169, 98, 106. Das hebt mittlerweile auch der DCGK in Ziff. 4.1.1.1 ausdrücklich hervor; international treten die OECD Principles für solch ein Verständnis ein, s. OECD, Principles of CG, 2004, S. 21. In diese Richtung auch schon Berle/Means, The Modern Corporation, S. 355 f.: „[The managers] have placed the community in a position to demand that the modern corporation serve not alone the owners or the control but all society.“ 68 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG § 76 Rn. 27; Hopt, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 3, 5; Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 28; Kort, in: GroßKomm AktG § 76 Rn. 40, 52 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 76 Rn. 15; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 63. Zu den verschiedenen Konzeptionen des Unternehmensinteresses Mülbert, ZGR 1997, 129, 142 f.
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
durch ihre Eigenkapitalgeber abhängt, sondern das Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung aller hieran Beteiligten ist.69 Es liegt daher im Interesse des Unternehmens, dass diese Anstrengungen fortlaufend erbracht werden.70 Dies geschieht jedoch nur, wenn auch stakeholdern ein gewisser Schutz ihrer Interessen zugesichert wird. Das hat schon der historische Gesetzgeber erkannt.71 Auch in der Verfassung findet die Theorie vom Unternehmensinteresse Rückhalt, verlangt doch Art. 14 Abs. 2 GG die Sozialbindung jeglichen Eigentums.72 Im Ergebnis bleibt trotzdem fraglich, ob den stakeholder-Interessen durch die gesetzliche Konzeption tatsächlich gedient ist.73 Denn durch die Ausrichtung auf das Unternehmensinteresse wird in erster Linie der Ermessensspielraum des Vorstands erweitert;74 klare Zielvorgaben lassen sich dem „Unternehmensinteresse“ schließlich 69 Clarke, Theories of Corporate Governance, Einleitung, S. 10 f.: „While management may receive finance from shareholders, they depend on employees to fulfill strategic intentions.“ s. zu dieser Theorie der team production mit ausführlichen Nachweisen Klöhn, ZGR 2008, 110, 139 f. 70 Vgl. Armour/Hansmann/Kraakman, in: dies. u. a., Anatomy of Corporate Law, S. 1, 28: „In general, creditors, workers and customers will consent to deal with a corporation only if they expect to be better off themselves as a result. Consequently, the corporation – and, in particular, its shareholders – has a direct pecuniary interest in making sure that corporate transactions are beneficial, not just to the shareholders, but to all parties who deal with the firm.“ Ähnlich Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 53; Schmidt/Weiß, in: Hommelhoff/Hopt/ v. Werder, Hdb. CG, S. 161, 172. 71 So verpflichtete § 70 Abs. 1 AktG 1937 den Vorstand „das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und de[n] gemeine[n] Nutzen von Volk und Reich“ zu mehren. Zwar wurde diese Formel mit der Reform im Jahr 1965 restlos gestrichen, allerdings nur weil sie sich von selbst verstehe, s. Kropff, AktG, S. 97 f. Instruktiv zum historischen Hintergrund Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 185, 187 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 76 Rn. 1; Mülbert, ZGR 1997, 129, 147 ff.; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 60. Trotz der historischen Einfärbung gilt die Aktienrechtsreform von 1937 als weitgehend apolitisch, s. dazu eingehend Bayer/Engelke, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. I, S. 619 ff. 72 Vgl. BVerfGE 50, 290, 340 (MitBestG). Dazu Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 62: „Wie jeder Eigentümer ist daher auch die die Gesamtheit der Aktionäre personifizierende AG verpflichtet, ihre Rechte so auszuüben, dass durch die Förderung der erwerbswirtschaftlichen Ziele nicht die Interessen der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit beeinträchtigt werden.“ Kritisch aber Mülbert, ZGR 1997, 129, 149 f. 73 Möglichkeiten zur Durchsetzung haben sie jedenfalls nicht, vgl. Ruffner, Ökonomische Grundlagen der Publikumsgesellschaft, S. 168: „Ein Aktienrecht, das einerseits die Interessen der ,Unternehmung an sich‘ zum maßgebenden Gesichtspunkt einer allumfassenden Interessenabwägung erhebt und andererseits keine symmetrischen Klagerechte für Shareholder und Stakeholder kennt, verfehlt letztlich den gesetzlichen Zweck, da es zu einer Aufweichung eines wichtigen Schutzinstruments der Aktionäre führt und umgekehrt auch die Interessen der Stakeholder nicht wirksam sichern kann.“ 74 Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 63: „[D]er Vorstand [soll] die konfligierenden Interessen von Arbeitnehmern, Gläubigern, Aktionären und anderen an dem ,Unternehmen‘ interessierten Gruppen zu einem Ausgleich führen, ohne dass eine Gruppe das Präjudiz hätte.“ Dazu Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 38: „A manager told to serve two masters (a little for equity holders, a little for the community) has been freed of both and is answerable to
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nicht entnehmen.75 Die Vergangenheit zeigt vielmehr, dass zum Schutz bestimmter Interessengruppen in erster Linie konkrete, verbindliche Regeln erforderlich sind: sei es der Kapitalschutz zu Gunsten der Gläubiger, oder die Mitbestimmung zu Gunsten der Arbeitnehmer.76 3. Überschneidungen möglich? Das Ziel dieser Arbeit besteht nicht darin, sich auf die eine oder andere Seite der Debatte zu schlagen. Sie soll jedoch einen Punkt hervorheben, der in dieser Diskussion häufig unterzugehen droht: shareholder und stakeholder sind nicht notwendigerweise Antagonisten.77 Zwar wird ein Vorstand im Laufe des Unternehmenslebens häufig mit Entscheidungen konfrontiert sein, bei denen er die Belange der einen Interessengruppe höher gewichten muss als die der anderen. Genauso sicher wird er aber auch Entscheidungen treffen, die sich für jede Gruppe gleichermaßen positiv auswirken.78 Stakeholder wie shareholder erbringen jeder auf ihre Art Beiträge zum Unternehmenserfolg; die Erhaltung des Unternehmens und seiner Rentabilität ist daher im Interesse aller.79 Ein Gleichlauf der Interessen aller Seiten ist also keinesfalls ausgeschlossen.80
neither.“; ebenso Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG § 76 Rn. 34; Klöhn, ZGR 2008, 110, 146; ähnlich Rappaport, Shareholder Value, S. 8. 75 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG § 76 Rn. 34; Hopt, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 3, 10; Mülbert, ZGR 1997, 129, 166; Spindler, in:MünchKomm AktG, § 76 Rn. 64. Auch das Aktionärsinteresse stellt sich jedoch bei kritischer Betrachtung nicht als eindeutig dar, handelt es sich bei den Aktionären doch im seltensten Fall um eine homogene Gruppe, s. dazu Kort, in: GroßKomm AktG, Vor § 76 Rn. 69; Ruffner, Ökonomische Grundlagen der Publikumsgesellschaft, S. 458 ff. 76 So auch Ulmer, AcP 202 (2002) 143, 158. Andererseits können diese Vorschriften ggf. umgangen werden, so dass eine allgemeine „Auffangpflicht“ wieder an Reiz gewinnt, s. Klöhn, ZGR 2008, 110, 116 f. 77 Ebenso Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S. 38. 78 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 43; Kort, in: FS Hopt Bd. I, S. 983, 992 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 76 Rn. 19. 79 Vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 34; Kort, in: GroßKomm AktG, § 76 Rn. 52; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 69. 80 So auch Fleischer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 185, 203: „vor allem bei einem längerfristigen Zeithorizont“; ebenso Mülbert, ZGR 1997, 129, 139.
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
B. „What’s different about banks?“81: Sonderregeln für Finanzinstitute? Seit der Finanzkrise stellt sich indes verstärkt die Frage, ob diese „traditionelle Sichtweise“ auf die Corporate Governance den besonderen Anforderungen im Finanzsektor Genüge tut.82 Schließlich gilt schlechte Unternehmensführung als mitursächlich für den Zusammenbruch so großer Institute wie Lehmann Brothers oder AIG.83 Im Fokus der Kritik standen insbesondere die Vergütungspraktiken im Finanzsektor, die zur Eingehung übermäßiger Risiken verleitet und die Institute so in Schieflage gebracht haben sollen.84 Bevor die Einzelregelungen zur Corporate Governance in Finanzinstituten eingehend beleuchtet werden, sollen hier zunächst allgemein die Unterschiede zur Governance nicht regulierter85 Unternehmen aufbereitet werden. Die bisherigen Untersuchungen legen ihr Augenmerk vor allem auf die Corporate Governance von Banken,86 weniger auf die Besonderheiten von Versicherungen. Hintergrund hierfür mag sein, dass Banken durch ihre vielfältigen Verflechtungen mit der Realwirtschaft87 größeren Einfluss auf deren Corporate
81 So der Titel des grundlegenden Aufsatzes von Fama, Journal of Monetary Economics 15 (1985) 29 ff. 82 Dazu EU Kommission, Grünbuch zur Corporate Governance in Finanzinstituten, KOM (2010) 284 endg. sowie das Sammelwerk von Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. CG von Banken, 2011. Dagegen im Jahr 2004 noch Hafke, in: FS Hadding, S. 863, 867: „Die Diskussion um Corporate Governance von Banken weckt aus gutem Grund begrenztes Interesse.“ Die Entwicklung der Debatte seit der Asienkrise 1997 zeichnet Mülbert mit umfassenden Nachweisen nach, Corporate Governance of Banks (ECGI Working Paper), S. 5 ff. 83 Diese These ist jedoch nicht unumstritten, vgl. Hopt, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 3, 24: „Obschon diese Schwächen [in der Corporate Governance] eine Rolle spielten, gab es doch andere und wichtigere Ursachen für die Finanzkrise.“ s. auch die empirisch unterlegten Darstellungen bei Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 7 ff. und 27 ff. und Rocholl, ZBB 2012, 388 ff. Vgl. aber EU Kommission, Grünbuch Finanzinstitute KOM (2010) 284 endg. S. 2: „Selbst wenn die Krise nicht unmittelbar der Corporate Governance anzulasten ist, so hat doch das Fehlen wirksamer Kontrollmechanismen wesentlich dazu beigetragen, dass Finanzinstitute überhöhte Risiken eingegangen sind.“ 84 Vgl. statt vieler Bericht der High Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière Report), S. 10. Eingehend zur Vergütungsregulierung seit der Finanzkrise Vierter Teil E., S. 284 ff. 85 „Nicht reguliert“ bedeutet in diesem Zusammenhang „nicht zum Finanzsektor gehörend“. 86 Einen Überblick über den Stand der Debatte geben Mülbert, Corporate Governance of Banks, 2010; Polo, Corporate Governance of Banks (SSRN Research Paper), 2007; Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31 ff. Eine umfassende Literaturübersicht findet sich bei Annoff/Binder, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 777. 87 Dieser Einfluss wurde mitnichten nur positiv beurteilt, wie die Rede von der „Deutschland AG“ belegt. Dazu Gerke/Mager/Förstemann, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 503 ff.
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Governance ausüben88 und es daher umso misslicher ist, wenn ihre eigene Unternehmensführung Defizite aufweist.89 Viele der Besonderheiten der Corporate Governance von Banken gelten jedoch auch für den Rest des Finanzsektors.
I. Beeinträchtigung der externen Governance-Mechanismen Kennzeichnend für den Bankensektor ist zunächst eine erhebliche Beeinträchtigung der Disziplinierungskraft externer Corporate-Governance-Mechanismen. 1. Markt für Unternehmensübernahmen Der Bankensektor teilt sich in Deutschland in drei große Sparten: die privaten Banken, die öffentlichen Banken (Sparkassen, Landesbanken) sowie die Genossenschaftsbanken (Volksbanken-Raiffeisenbanken).90 Während die Privatbanken grundsätzlich nur ihren eigenen Interessen verpflichtet sind, verfolgen öffentliche Banken darüber hinausgehende Ziele, wie die flächendeckende Versorgung mit Krediten.91 Öffentliche Banken dürfen aus diesen Gründen nicht von Privaten übernommen werden, sondern verbleiben stets in Staatshand.92 Anders steht es in den Genossenschaftsbanken. Diese folgen jedoch dem Prinzip „ein Mitglied–eine Stimme“,93 so dass eine Übernahme faktisch unmöglich ist. Diese Bestandsaufnahme zeigt bereits: Für mehr als die Hälfte aller deutschen Banken ist ein Markt für Unternehmensübernahmen nicht existent,94 allein die Geschäftsleiter von Privat88 So auch Hafke, in: FS Hadding, S. 863, 873. Zu dieser sog. „Corporate Governance durch Banken“ schon Hopt, in: Feddersen/Hommelhoff/U. H. Schneider, Corporate Governance, S. 243 ff. sowie Mülbert, Gutachten E für den 61. Deutschen Juristentag 1996. 89 Ebenso Polo, Corporate Governance of Banks, S. 1: „Since banks are among the most important sources not only of finance but also of external governance for firms, the corporate governance of banks is a crucial factor for growth and development.“; Ungureanu, Banks, (SSRN Research Paper), S. 1. 90 Für eine umfassende Aufarbeitung des dreigliedrigen Bankenmarktes in Deutschland siehe monographisch M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 10 ff.; kürzer Höfling, Gutachten F für den 68. DJT 2010, F 24 ff.; Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 32 Rn. 32 ff. Auch im Versicherungssektor ist die Lage ähnlich, s. Homburg, Öffentliches Versicherungswesen, 2004, S. 9. 91 Vgl. M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 17. Zur Regulierung und Aufsicht öffentlichrechtlicher Institute s. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb, § 125 Rn. 13; Rümker/Winterfeld, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 124 Rn. 18 ff. Zur Rolle der öffentlichen Hand im deutschen Bankensektor Weder di Mauro/Haselmann, in: Hopt/ Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 265 ff. 92 Vgl. Köhler, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 245, 259. 93 § 43 Abs. 3 GenG. 94 Vgl. die Grafik bei Köhler, Regulation in the Banking Sector (ZEW Discussion Paper), S. 4 sowie dessen Schlussfolgerung: „This suggests that the three pillar structure [of the German
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
banken haben Unternehmenszusammenschlüsse zu „fürchten“. Tatsächlich ist es zwischen den großen deutschen Universalbanken auch schon zu solchen Zusammenschlüssen gekommen; diese waren jedoch ausnahmslos freundlicher Natur.95 Der Disziplinierungseffekt des Übernahmemarktes auf das Bankenmanagement ist somit jedenfalls eingeschränkt,96 da feindliche Übernahmen schwierig sind.97 2. Wettbewerb im Produktmarkt Erschwerte Wettbewerbsbedingungen existieren zudem im Produktmarkt. Das gilt insbesondere im Retailbereich, da das Einlage- und Kreditgeschäft von den drei großen Bankengruppen mit unterschiedlicher Zielsetzung betrieben wird.98 Diese Unterschiede in der Zielsetzung sind die Wurzel der Sorge um den Wettbewerb im Produktmarkt – bemängelt wird nicht, dass im Bankenmarkt kein Wettbewerb herrsche, sondern dass die Teilnehmer von verschiedenen Ausgangspositionen starteten.99 Da öffentliche Banken eine größere Sicherheit ausstrahlten, würden sich potentielle Bankkunden stärker dorthin gezogen fühlen.100 Die privaten Banken müssten diesen Startnachteil durch höhere Verzinsung der Einlagen bzw. niedrigere Verzinsung von Krediten wettmachen, dies gelänge allerdings nur durch größeren Risikoappetit.101 Die verzerrte Wettbewerbssituation wird für die übergroße RisiBanking Sector] considerably restricts the power of the market for corporate control“, S. 5; ebenso Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 52. 95 Dazu zählt die Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank im Jahr 2010, der Kauf der Dresdner Bank durch die Commerzbank im Jahr 2009 sowie die Übernahme der HypoVereinsbank durch Unicredit im Jahr 2005. Derselbe Befund ergibt sich mit Blick auf ganz Europa, s. Köhler, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 245, 251. 96 Zu weiteren Übernahmehindernissen Köhler, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 245, 257 ff. 97 So auch der Tenor der Untersuchung von Köhler, Regulation in the Banking Sector, S. 5. Eindeutiger noch Hopt, in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, S. 335, 342: „The takeover markets for banks are especially weak and cannot be trusted to be a major disciplining force in bank corporate governance.“ Zur Ursächlichkeit des too big to failPhänomens für das Versagen des Übernahmemarktes jüngst eingehend Roe, 162 U. Pa. L. Rev. 1419, 1428 ff. (2014). 98 Dazu bereits eben, S. 39. 99 Eingehend dazu Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 52. 100 Tatsächlich sind die Einlagen bei den Sparkassen wesentlich höher als bei den Privatbanken: „Die Kundeneinlagen der Institute belaufen sich auf 783 Milliarden Euro, was mehr ist als bei der Deutschen Bank und der Commerzbank zusammen.“ s. Die ZEIT, „Lobbyismus – Die schwarze Macht“ v. 24. 5. 2012. Im Versicherungssektor sieht es dagegen anders aus, dort kommen die öffentlichen Anbieter von Individualversicherungen auf einen Marktanteil von 11, 2 % (Stand 2010), s. Verband der öffentlichen Versicherer, http://www.voev.de. 101 So auch Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 52: „Der Wettbewerb als disziplinierender Faktor und positives Element einer Corporate Governance [wird] in sein Gegenteil verkehrt, denn die Mitglieder der systematisch benachteiligten
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kobereitschaft privater Banken im deutschen Bankensektor also mitverantwortlich gemacht. Sie vermag indes nicht zu erklären, warum auch öffentlich-rechtliche Institute in der Finanzkrise auf staatliche Hilfe angewiesen waren. 3. Marktdisziplin durch Publizität Eine weitere Besonderheit des Bankensektors ist, dass er als besonders undurchsichtig (opaque) gilt.102 Was sich innerhalb eines Finanzinstituts abspielt, ist für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen103 und lähmt damit die Kontrolle durch den Kapitalmarkt.104 Ein Grund hierfür sind die komplexen Gruppenstrukturen von Finanzinstituten.105 Auch mehren sich empirische Belege dafür, dass die Bewertung von immateriellen finanziellen Vermögensgegenständen wesentlich schwieriger ist als die von fassbaren Vermögensgegenständen.106 Das Aufsichtsrecht ist bemüht, dieser Problematik durch besondere Publizitätspflichten entgegenzuwirken.107 Seit der Einführung der Drei-Säulen-Struktur durch Basel II sieht die dritte Säule entsprechende Regeln vor, die über EU-Richtlinien mittlerweile Eingang in das deutsche Recht gefunden haben.108
Bankengruppe wären gezwungen, im Widerspruch zu einer vernünftigen debt-Governance ceteris paribus tendenziell höhere Risiken eingehen, um ihren Startnachteil auszugleichen.“ 102 Vgl. Hopt, in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, S. 337, 345 f.; Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 11; Ungureanu, Banks, S. 3: „[T]he greater opacity in banking makes it very difficult for diffuse debt and equity holders to monitor bank managers“. 103 Köhler, Regulation in the Banking Sector, S. 5: „[I]nformation asymmetries are larger in the banking sector than in other sectors of the economy“. 104 So auch das Ergebnis der High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report, S. x, 50. 105 High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report, S. 52: „The large EU banking groups usually have a complex corporate and legal structure, in some cases including more than thousand different legal entities […].“; ebenso Hopt, in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, S. 337, 345 f. 106 So haben verschiedene empirische Studien gezeigt, dass Ratingagenturen bei Finanzprodukten häufiger verschiedener Meinung sind als bei der Bewertung anderer Produkte vgl. Polo, Corporate Governance of Banks, S. 5 f. m.w.N. Ebenso Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 11: „The quality of bank loans is not readily observable where the quality of assets of industrial firms […] is much more easily discernable by third parties. […] Put differently, even banks themselves find it difficult to assess the riskiness of other banks accurately.“ 107 Eingehend zu den Offenlegungspflichten von Banken Merkt, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 117 ff. 108 Vgl. §§ 26 ff. KWG für Banken sowie §§ 55 ff. VAG für Versicherungen. Auch das HGB sieht mit den §§ 340 ff. und 341 ff. HGB Sonderbilanzierungsregeln für Kreditinstitute und Versicherungen vor.
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4. Einfluss der Aufsichtsbehörde So findet sich letztendlich nur ein starker externer Kontrolleur im Finanzsektor: die staatliche Aufsichtsbehörde. Deren Einfluss auf das Corporate-GovernanceGefüge ist jedoch zweischneidig. Einerseits hält sie die Unternehmensleitung zu strengerer Disziplin an, andererseits kann sie den Kontrollimpetus von Anteilseignern und Gläubigern beeinträchtigen, sofern diese sich aufgrund der staatlichen Aufsicht „in Sicherheit wiegen“109.
II. Ausrichtung der internen Governance auf die Einlegerinteressen Aufgrund dieser starken Beeinträchtigungen der Wirksamkeit externer Kontrollmechanismen, konzentriert sich die Debatte um die Corporate Governance von Banken auf die interne Governance.110 Hier zeichnet sich nun eine Konfliktlinie ab, die in dieser Intensität in der gewöhnlichen Aktiengesellschaft nicht aufbricht: der Interessenkonflikt zwischen den Aktionären und den Einlegern einer Bank. 1. Zielkonflikte zwischen Aktionären und Einlegern Als klassischen Interessenkonflikt in der modernen Kapitalgesellschaft hat die juristische und ökonomische Literatur das Verhältnis der Anteilseigner zum Unternehmensmanagement ausgemacht.111 Neben die Aktionäre tritt jedoch regelmäßig noch eine zweite Interessengruppe, die die Gesellschaft mit Geldmitteln versorgt: die Gläubiger.112 Der manifeste Unterschied zwischen Eigen- und Fremdkapitalgebern liegt in ihrer unterschiedlichen Risikoneigung, die beide Seiten auf das Management zu projizieren suchen.113 Die Gesellschafter erwarten eine Vervielfachung ihres Investments durch die Eingehung unternehmerischer Risiken und sind dementsprechend risikoaffin.114 Im Interesse der Gläubiger liegt es hingegen, das Eingehen von Risiken weitgehend zu vermeiden.115 Denn sie tragen stets das Risiko hoher 109
Vgl. Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 43. So auch Emmenegger, in: Schweizer Bankrechtstag, S. 1, 20; Hopt, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 3, 24; Köhler, Regulation in the Banking Sector, S. 6. 111 Dazu bereits Erster Teil A. I., S. 27 f. 112 Dazu die ausführliche Analyse von Klöhn, ZGR 2008, 110 ff. Gläubigergruppen wie z. B. Arbeitnehmer, die die Gesellschaft mit Sach- nicht aber mit Geldleistungen versorgen, bleiben bei dieser Betrachtung außen vor. 113 So auch Emmenegger, Schweizer Bankrechtstag, S. 1, 22. 114 Vgl. Fama, 88 J. Pol. Econ. (1980) 288, 291; Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. (1983) 327, 329 f. 115 Statt vieler EU Kommission, Grünbuch Finanzinstitute KOM (2010) 284 endg. S. 4. Es handelt sich ebenfalls um eine Form von Prinzipal-Agent-Konflikt s. Armour/Hansmann/ 110
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Verluste, anders als die Eigentümer sind sie aber nicht an der Chance auf einen höheren Gewinn beteiligt.116 Fremdkapitalgeber gelten daher grundsätzlich als risikophob; ihnen ist am langfristigen Unternehmenserfolg gelegen. Grob vereinfacht lässt sich sagen, dass Aktionäre auf den return on investment ausgerichtet sind, während den Gläubigern am return of the investment gelegen ist.117 Die Interessen der Gläubiger werden normalerweise allerdings weniger durch Governance-Vorgaben, sondern durch Kapitalbindungsregeln und das Insolvenzrecht geschützt.118 Diese Schutzlücke können große Gläubiger (concentrated debtholders) mit Hilfe eigens ausgehandelter Vertragsbestimmungen zu schließen suchen.119 Für die Vielzahl vereinzelter, kleiner Gläubigergruppen (diffused debtholders) bleibt dieser Weg aber verschlossen. Ihnen steht keine Möglichkeit offen, ihre Interessen gegenüber dem Unternehmensmanagement durchzusetzen.120 Während diese Rechtslage für die gewöhnliche Aktiengesellschaft hingenommen wird, ist sie für Banken und andere Finanzinstitute nicht tragbar. Denn deren Geschäftsmodell beruht auf der Bereitstellung von Kapital nicht nur durch Aktionäre, sondern in erster Linie durch verschiedenste Kleingläubiger: die Einleger.121
Kraakman, in: dies. u. a., Anatomy of Corporate Law, S. 35, 36: „In our case moral hazard arises out of equity holder/manager versus bondholder conflicts. It is a form of agency problem as the bondholders provide capital but do not control asset risk.“ 116 Hopt, in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, S. 337, 349; Polo, Corporate Governance of Banks, S. 4: „[T]he creditors bear the potential cost, without sharing the potential upside gain.“ Besonders deutlich wird dieses Spannungsverhältnis bei Fragen der Kapitalausstattung: je höher der Fremdkapitalanteil, umso größer ist der Leverage-Effekt für die Aktionäre; gleichzeitig steigen aber die Risiken für die Fremdkapitalgeber. Dazu auch Mestmäcker, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt?, S. 12, 24. 117 So Klöhn, ZGR 2008, 110, 112; ebenso Emmenegger, Schweizer Bankrechtstag, S. 1, 21. Weiter schreibt Klöhn, ZGR 2008, 110, 112 f.: „Die Interessen von Aktionären und Gläubigern konfligieren bei jeder Transaktion, die die Gesellschaft auf Kosten zusätzlichen Risikos profitabler machen soll.“ 118 Zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen im Rahmen des „Unternehmensinteresses“ s. Erster Teil A. III. 2., S. 35 f. 119 So auch die Differenzierung bei Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 601, 605; Klöhn, ZGR 2008, 110, 151 ff. Zu den Einflussmöglichkeiten von „large debtholders“ bzw. „large creditors“ auch Hopt, in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, S. 337, 350 sowie allgemein Shleifer/Vishny, J. Fin. 52 (1997), 737, 757. 120 Dazu auch Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 205 ff. 121 Zu Einlegern als schutzbedürftigster Gläubigergruppe, Bundesministerium für Wirtschaft und Technik, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Krise, S. 12. Dies gilt spiegelbildlich für die Kapitalanleger im Wertpapier- und die Versicherungsnehmer im Versicherungssektor.
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
2. Bedeutung des Einlegerschutzes für Finanzinstitute Die prudentielle Governance122 ist daher in erster Linie auf den Schutz der Einleger ausgerichtet (sog. debt-governance).123 Denn ohne deren ständigen Kapitalzufluss könnten die Banken ihrer Aufgabe als Finanzintermediäre nicht gerecht werden.124 Das gilt im selben Maße für die Versicherungen.125 Prudentielle Governance ist damit zugleich von dem starken öffentlichen Interesse getrieben, die Funktionsfähigkeit des Finanzsektors zu erhalten.126 Der Einlegerschutz ist dafür eine notwendige Voraussetzung.127 Im Bereich der Corporate Governance bedeutet dies eine abweichende Ausrichtung auf die Interessen der Fremdkapital- statt der Eigenkapitalgeber; die equity-governance wird um die debt-governance ergänzt.128 3. Gefährdung der Einlegerinteressen Der Schutz der Einleger ist für Finanzinstitute also von besonderer Bedeutung. Daran schließt sich sogleich die Frage an, inwiefern die Interessen der Einleger überhaupt gefährdet sind. Zunächst einmal steht der Risikoappetit der Aktionäre und der (durch aktienbasierte Vergütung129) in deren Sinne incentivierten Manager ihrem Interesse an einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung entgegen. Für die Finanzkrise ist dies mittlerweile durch mehrere Studien eindringlich belegt. So haben sich aktionärsdominierte Institute als wesentlich krisenanfälliger erwiesen als jene, die stärker auf die Interessen ihrer Einleger ausgerichtet waren.130 Aber nicht nur die 122 So der Titel des Beitrags von Emmenegger, Schweizer Bankrechtstag, S. 1; ebenso Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 40. 123 So auch die Schwerpunktsetzung beim Baseler Ausschuss, Principles for Enhancing Corporate Governance, 2010, S. 5 Rn. 14: „protect the interests of depositors, meet shareholder obligations“; Emmenegger, Schweizer Bankrechtstag, S. 1, 18 f. Ausdrücklich Hopt, in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, S. 337, 351: „[I]t is a rather obvious insight that bank regulation and supervision are more on the side of the debtholders than of the shareholders.“ 124 Zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Banken sogleich vertiefend Erster Teil C. I. 1. a), S. 48 f. 125 Zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Versicherungen s. Erster Teil C. III. 1. a), S. 70 f. 126 Zu den Schutzzwecken des Bankaufsichtsrechts Erster Teil C. I. 2., S. 53. 127 So auch M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 73: „notwendiges Zwischenziel“. 128 So auch Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 57. 129 Zur Verhaltenssteuerung des Managements durch aktienbasierte Vergütung schon Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976) 310, 313; Shleifer/Vishny, J. Fin. 52 (1997), 737, 744 f. Ebenso Jensen, J. Fin. 48 (1993) 831, 864 f.: „The recent trend to pay some board member fees in stock or options is a move in the right direction.“ 130 Vgl. die Studien von Beltratti/Stulz, The Credit Crisis Around the Globe: Why Did Some Banks Perform Better?, 2011; Ferreira/Kershaw/Kirchmaier/Schuster, Shareholder Empowerment and Bank Bailouts, 2012; Gropp/Köhler, Bank Owners or Bank Managers: Who is Keen on Risk? Evidence from the Financial Crisis, 2010.
B. „What’s different about banks?“: Sonderregeln für Finanzinstitute?
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Aktionäre, sondern auch die großen Gläubiger arbeiten im Krisenfall gegen die Einleger. Denn sie können durch ihre Vertragsmacht von einem schwächelnden Institut noch Zugeständnisse erwirken und damit die Insolvenzmasse schmälern.131 Zu guter Letzt leisten auch die Einleger selbst einer adversen Selektion132 im Bankenmarkt Vorschub, da sie „ihr“ Kreditinstitut häufig nach der Höhe der angebotenen Zinsen auswählen und damit tendenziell risikogeneigteren Instituten den Vorzug geben.133 Alle Beteiligten arbeiten also letztlich gegen das übergeordnete Ziel einer einlegerfreundlichen, risikobewussten und nachhaltigen Unternehmensentwicklung.134
III. Verzerrung der Kontrollanreize durch externe Sicherungen für den Krisenfall Dieser Effekt wird noch dadurch verschärft, dass im Fall einer Bankenkrise verschiedene externe Sicherungsmechanismen eingreifen, die die Anreize zur internen und externen Disziplinierung des Bankenmanagements weiter empfindlich beeinflussen. Zunächst ist dies der Einlagensicherungsfonds,135 der das Vermögen der Bankeinleger bis zu einer Höhe von aktuell 100.000 E garantiert.136 Dem Schutz des gesamten Finanzinstituts dient weiter die Zentralbank in ihrer Funktion als lender of last resort. Sie fungiert als „Kreditgeber in der Not“, wenn ein Institut für alle anderen Marktteilnehmer bereits kreditunwürdig geworden ist.137 Auf diesem Wege soll eine sich rasch ausbreitende Ansteckung unter den Banken und eine daraus folgende Krise des gesamten Finanzsystems verhindert werden. Im Ergebnis lässt die 131 Dazu auch Hopt, in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, S. 337, 350: „[Large creditors] may not be the ones to whom debt governance could be entrusted.“ 132 Zur „adversen Selektion“ s. Nicklisch/Petersen, in: Petersen/Towfigh, S. 121 f.; Schäfer/ Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 341 ff. unter Verweis auf Akerlof, 84 Quarterly Journal of Economics (1970) 488. 133 Vgl. Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 39. 134 So auch das Ergebnis bei Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 19: „The overall effect is for banks to take on more risk than a generic firm would do.“ 135 Der Einlagensicherungsfonds wurde nach der Herstatt-Krise in den 70er Jahren zunächst freiwillig von der Branche eingeführt. Seit 1994 schreibt auf europäischer Ebene die Richtlinie 94/19/EG (Einlagensicherungsrichtlinie) einen solchen Fonds verbindlich vor. Die Umsetzung erfolgte 1998 durch das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG), BGBl. 1998 I, S. 1842. Im Rahmen der Diskussion um eine „Bankenunion“ hat die Kommission bereits neue Vorschläge zur Erweiterung des bisherigen Systems vorgelegt, s. dazu Erster Teil C. I. 4. b), S. 63 f. 136 Umfassend zum Thema Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 23a Rn. 16 ff.; ders., in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 133 Rn. 38 ff.; Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 59 ff. 137 Dazu eingehend Höfling, Gutachten F für den 68. DJT 2010, F 20 ff. Zur Bedeutung der Zentralbank generell Löber, in: Kümpel/Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rz. 5.451 ff.
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
Aussicht auf eine fortlaufende Weiterfinanzierung selbst kreditunwürdiger Institute die Risikobereitschaft von Aktionären und Management aber nur weiter steigen (moral hazard)138 und die Kontrollreflexe der stakeholder erlahmen.139 Dasselbe Ergebnis erzielen all jene staatlichen Rettungsprogramme (bail-outs),140 die in der letzten Finanzkrise nahezu überall in Europa141 notwendig geworden sind.142 Die Bedeutung von Rettungssystemen ist damit – kurz gesagt – zwiespältig.143
IV. Zusammenfassung Das Corporate-Governance-Umfeld von Finanzinstituten weist demnach erhebliche Besonderheiten auf: Externe Disziplinierungsmechanismen fallen weitestgehend aus; der Fokus der internen Governance wird um die Einlegerperspektive erweitert (debt-governance).144 Da der Schutz der Einleger zentral für das Bestehen von Finanzinstituten ist, aber durch das Verhalten der beteiligten Akteure fortlaufend unterminiert wird, muss er durch das Aufsichtsrecht sichergestellt werden. Diese „prudentielle“ Corporate Governance wurde über die letzten Jahre zunehmend als 138
Pointiert dazu Polo, Corporate Governance of Banks, S. 6: „Moral hazard comes up when gains accrue to decision-makers while losses are borne by other agents (heads I win, tails you lose).“ 139 Ebenso Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 601, 605; Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 48: „Es überrascht daher nicht, dass in Ländern mit einer großzügigen Einlagensicherung Bankkrisen tendenziell häufiger zu beobachten sind als in Ländern mit eingeschränkten Sicherungsmechanismen.“ 140 Zu den deutschen Finanzmarktstabilisierungsgesetzen s. Winterfeld, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 124a. Zur Entwicklung des Pakets und dessen Vereinbarkeit mit Europarecht Teichmann, in: Allmendinger/Dorn, CG nach der Finanzkrise, S. 41, 54 ff.; zur verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit Langenbucher, ZGR 2010, 75 ff. Für einen Überblick darüber, welche Hilfen an welche Banken in welcher Form geleistet wurden, s. Köhler, Regulation in the Banking Sector, S. 7. 141 FAZ, „Sicherung von Spareinlagen – Immer mehr Staatsgarantien in Europa“, v. 06. 10. 2008. 142 Vgl. die Überschrift bei Bundesministerium für Wirtschaft und Technik, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Krise, S. 32: „Das Problem der Erpressbarkeit des Staates in der Krise“; S. 11: „Die politischen Konsequenzen einer Schädigung vieler Kleinanleger durch einen Bankzusammenbruch könnte kaum eine Regierung überstehen.“ 143 So auch Hopt, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 3, 25: „Einlagensicherung und staatliche Bankenrettung, national wie europäisch, sind zwiespältig. Beide verführen zu Risiko und Trittbrettfahren, sind aber für den Einlegerschutz und bei Systemkrisen unverzichtbar.“; ebenso Köhler, Regulation in the Banking Sector, S. 6. Ähnlich Körnert, ZHR 176 (2012) 96, 123: „Das Dilemma der Bankenaufsicht ist rasch skizziert: Auf der einen Seite will sie die marktwirtschaftlich-disziplinierenden Wirkungen eines Bankenausfalls nicht entkräften. Andererseits gefährden Bankenausfälle die Stabilität des Finanz- und Wirtschaftssystems.“ Von „perverse incentives“ spricht dagegen Polo, Corporate Governance of Banks, S. 7. 144 Dazu auch eingehend Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 16 ff.; Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 43 ff.
C. Aufsichtsrechtliches Regelungsumfeld
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neuer Mosaikstein in das ohnehin schon umfangreiche aufsichtsrechtliche Regelungssystem eingefügt.145
C. Aufsichtsrechtliches Regelungsumfeld Die Corporate-Governance-Anforderungen in KWG, WpHG und VAG sind nur ein kleiner, wenn auch wesentlicher Teil all jener aufsichtsrechtlichen Vorgaben, die den Finanzsektor prägen. Ihre Bedeutung kann daher nur mit Blick auf ihr gesamtes Regelungsumfeld zutreffend erfasst und gewürdigt werden. Zu diesem Zweck folgt auf den nächsten Seiten ein Überblick über Sinn, Zweck und Ausmaß der Regulierung146 von Kreditinstituten (I.), Wertpapierdienstleistungsunternehmen (II.) und Versicherungen (III.).
I. Die Regulierung von Kreditinstituten nach dem KWG Bankgeschäfte unterliegen in Deutschland bereits seit 1934147 – und damit erkennbar als Folge der Weltwirtschaftskrise der späten 20er Jahre – einer strengen Regulierung und Aufsicht.148 Seit den 90er Jahren wird das regulatorische Umfeld nahezu ausschließlich von der Europäischen Union vorgeprägt, die ihrerseits unter dem Eindruck transnational gesetzter Standards agiert, vor allem den als Basel I – III bekannten Empfehlungen des Basler Ausschusses.149 Unter dem Eindruck der sich 145
Hafke hatte der Corporate Governance bereits 2004 weitsichtig eine „Schlüsselrolle“ im Aufsichtsrecht zugesprochen, in: FS Hadding, S. 863, 865. 146 Die Begriffe Regulierung (regulation) und Aufsicht (supervision) sind streng voneinander zu trennen, s. Wundenberg, Compliance, S. 11 f. Auch ist darauf hinzuweisen, dass das Verständnis des Regulierungsbegriffs mitunter stark voneinander abweicht, s. Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 19 Rn. 1 ff. Aus zivilrechtlicher Perspektive Binder, Regulierungsinstrumente, S. 35 ff. 147 RGBl. 1934 I, S. 1205 (KWG). Es enthielt bereits einige zentrale Grundpfeiler der Bankenregulierung (Zulassungserfordernis, Geschäftsleiterkontrolle, u. a.). Eine grundlegende Reform erfolgte erst 1961, s. BGBl. 1961 I, S. 881. Hierbei wurde u. a. die Aufsicht über das Bankengeschäft aus Länderhand an die neugegründete Bundesbehörde BaKred übertragen. Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Entscheidung s. BVerfGE 14, 197. Seit 2002 führt die BaFin die Aufsicht über alle drei Sektoren, s. BGBl. I 2002, S. 1310 (FinDAG). 148 Vgl. auch die Darstellungen bei Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 110 f.; Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 125 Rn. 29 ff.; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 189 ff.; Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 200 ff.; Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 116 ff. Speziell zur Entwicklung der Eigenkapitalanforderungen Körnert, ZHR 176 (2012) 96 ff. 149 Basel I (1988), Basel II (2006), Basel III (2010). Zum Baseler Ausschuss Emmenegger, in: Grote u. a., The Regulation of International Financial Markets, S. 224, 235; Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 32 Rn. 17 ff.; sowie Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/ Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 141 ff. Dazu auch Hopt, in: FS Nobbe, S. 853, 861:
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
seit 2008 entwickelnden Finanzkrise hat die europäische Rechtsetzung im Bankenaufsichtsrecht150 weiter an Schwung gewonnen und die grundlegenden Richtlinien von 2006151 um drei weitere Regelwerke ergänzt.152 1. Was macht Kreditinstitute besonders? Bevor man in die Details des KWG eintaucht, sollte man sich zunächst vergegenwärtigen, auf welchen Gründen die Regulierung von Kreditinstituten beruht. Dies sind zunächst: ihre besondere volkswirtschaftliche Bedeutung als Finanzintermediäre, ihre Risikoanfälligkeit aufgrund eben dieses Geschäftsmodells sowie die systemischen Gefahren, die in Krise und Insolvenz von ihr ausgehen.153 a) Besondere volkswirtschaftliche Bedeutung der Finanzintermediation Neben der Abwicklung des baren und unbaren Zahlungsverkehrs liegt die Bedeutung der Banken in erster Linie in ihrer Funktion als Finanzintermediäre.154 Durch die Entgegennahme von Einlagen auf Bankkonten und die Vergabe von Krediten sind sie in der Lage, die Kapitalüberschüsse der Einen dem Kapitalbedarf der Anderen zuzuführen. Sie übernehmen also Allokationsfunktion.155 Noch bedeutender ist aber „[D]er Basler Ausschuss [hat] eine hohe Autorität aufgrund seiner Internationalität und Professionalität und hat kraft dieser die Bankaufsichtsgesetzgebung in der Europäischen Union […] ganz erheblich beeinflusst […].“ Daneben hat sich in den letzten Jahren zunehmend das von den G20 Staaten eingesetzte Financial Stability Board (FSB) zum bedeutenden Standardsetzer entwickelt, dazu Hüpkes, ECFR 2012, 179, 184 ff. Die zunehmende Bedeutung internationaler Standardsettings ist zuletzt auf dem 68. DJT 2010 kontrovers diskutiert worden, vgl. Höfling, Gutachten F für den 68. DJT 2010, F 33 ff. 150 Zur Entwicklung des europäischen Bankenaufsichtsrechts s. Hübner, in: Dauses, Hdb. EU WirtschaftsR, E.IV.; Kolassa, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb Bd. II, § 135. 151 Richtlinien 2006/48/EG (BankenRiLi) und 2006/49/ EG (KapitaladäquanzRiLi). 152 Richtlinien 2009/111/EC (CRD II), 2010/76/EU (CRD III) und jüngst das CRD IV Paket, bestehend aus Richtlinie 2013/36/EU (CRD IV) sowie EU VO Nr. 575/2013 (CRR). Bachmann sprach diesbzgl. schon 2010 von einem „Regulierungsfeuerwerk“, Referat zum 68. DJT 2010, P13, P14. 153 Zu den Hintergründen der Bankenregulierung Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 204 ff. 154 So auch Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 125 Rn. 15; Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 38 f. Auch wenn sich das Bankgeschäft in praxi mittlerweile weit darüber hinaus entwickelt hat, s. Reckhenrich, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 469, 473: „Das Bankgeschäft ist sehr viel komplexer geworden: Es reicht […] von der Begleitung internationaler Transaktionen über das Management institutioneller oder privater Assets bis hin zum Kapitalmarktgeschäft, etwa in Form von Anleiheemissionen im Auftrag großer, börsennotierter Konzerne. Die Vergabe von Krediten stellt in diesem Portfolio nur noch einen von vielen Bereichen dar.“ 155 Bildlich Höfling, Gutachten F für den 68. DJT 2010, F 9: „Ideen und Kapital [werden] zusammengeführt.“ Aufgrund ihrer Größe und ihres damit einhergehenden Informationsvorsprungs arbeiten sie hierbei transaktionseffizienter als reine Marktmechanismen dies könnten,
C. Aufsichtsrechtliches Regelungsumfeld
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ein weiterer Punkt: bei der Allokation von Kapital übernehmen die Banken zugleich eine sog. Transformationsfunktion.156 So transformieren sie zum Beispiel Fristen, indem sie das Kapital aus kurzfristigen Einlagen mit langfristigen Krediten koppeln (oder vice versa). Damit transformieren sie zugleich Liquidität (Finanzierung illiquider, da langfristiger Kredite mit liquiden kurzfristigen Einlagen) und die räumliche Verfügbarkeit von Kapital sowie die Kapitalstückelungsgrößen (kleine Einlage vs. großer Kredit). Letztendlich und hauptsächlich transformieren sie damit Risiken.157 Hierdurch dienen sie der Realwirtschaft.158 Denn die Möglichkeiten der Kapitalallokation werden um ein vielfaches erweitert, wenn Kreditinstitute alle denkbaren Inkongruenzen zwischen Kapitalgebern und Kapitalnehmern internalisieren und diese Faktoren dann transformieren. Die Banken werden dadurch zum „Herz des Geldkreislaufs [der] Volkswirtschaft“159. Auch nach dem Anschwellen der Finanzmärkte und der Möglichkeit der Unternehmensfinanzierung durch die sog. securitization bleibt die Finanzierung durch Bankkredite bedeutsam, v. a. für den Mittelstand.160 b) Besondere Risikoexposition aufgrund des Geschäftsmodells Diese Transformationsfunktion ist aber zugleich die Achillesferse des Bankgeschäfts, denn auf ihr beruht die Vertrauensabhängigkeit der Institute.161 Das Banks. dazu auch Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 7 ff. 156 Dazu ausführlich Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 4 ff. 157 Burghof, ZfgK 2007, 610, 611: „Eine wichtige Funktion der Kreditinstitute wird in ihrer Befähigung zum Umgang mit Risiken gesehen.“; Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/ Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 15. Ausführlich Bitz, in: FS Hartmut Schmidt, 2006, S. 349 ff. 158 Zum empirischen Zusammenhang zwischen effizientem Bankensektor und hohem Wirtschaftswachstum Weder di Mauro/Haselmann, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 265, 267; High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report, S. 88: „Banks have a pivotal role in providing finance to households and firms. This is particularly the case in Europe where the share of banks in financing companies and households has traditionally been relatively large compared to capital market financing.“ 159 So Noack/Zetzsche, in: FS Hopt, Bd. II, S. 2284; Burghof/Rudolph sprechen von einer „Schlüsselstellung im Finanzsystem“, Bankenaufsicht, S. 1; ähnlich Michaels, Staatsaufsicht, S. 67 sowie Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 17: „Die Bankenregulierung [kann] generell nicht mit der Sicherung der Banken an und für sich begründet werden. […] Vielmehr kommt es auf den Schutz der wohlfahrtssteigernden Funktion von Banken an.“ 160 Vgl. Reckhenrich, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 469, 471. 161 Vgl. M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 55: „Vertrauen ist nicht nur Ressource, sondern Funktionsbedingung des Bankenmarktes“. Ebenso Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 125 Rn. 17; Höfling, Gutachten F für den 68. DJT 2010, F 9; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 208; Möschel, in: FS Stimpel, S. 1065, 1071; Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 23.
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
geschäft beruht nicht auf fassbaren Gütern, sondern allein auf dem Versprechen zukünftiger Zahlungsfähigkeit.162 Dafür muss der Geschäftspartner jedoch auf das Funktionieren der internen Risikotransformation vertrauen können. Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt die noch vor fast zwei Jahrhunderten geltende „Goldene Bankregel“, nach der Transformationsprozesse gerade zu vermeiden waren: „Den Credit, welchen eine Bank geben kann, ohne Gefahr zu laufen, ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können, muß nicht nur im Betrage, sondern auch in der Qualität dem Credite entsprechen, welchen sie genießt. Die Bank kann, wenn sie auf drei Monate Gelder deponiert erhält, ohne Gefahr diese nicht auf sechs Monate ausborgen.“163
Es ist also der Transformationsprozess, der die institutstypische Instabilität in die Bank hineinträgt.164 Er führt dazu, dass die Liquidität der Bank stets hinter den gegen sie gerichteten Forderungen zurückbleibt,165 was im Falle eines bank-runs verheerende Folgen auslösen kann. Der interne Umgang mit Risiken kristallisiert sich so als das zentrale Problem der Geschäftsführung in Banken heraus. Er betrifft die Managementebene genauso wie die ihr nachgelagerten Mitarbeiterebenen. Dem Einleger, dessen Ersparnisse in der Institutskrise besonders gefährdet sind, stehen indes keinerlei Instrumente zur Verfügung, um das Risikoverhalten der Bank zu beeinflussen. Weder hat er als Einzelner die Verhandlungsmacht, seine Position durch individuelle Vertragsbedingungen zu verbessern, noch stehen ihm Kontrollmechanismen zur Verfügung.166 Aushelfen muss daher die Aufsichtsbehörde, soll das Einlagen- und Kreditgeschäft nicht großflächig zum Erliegen kommen.167
162 So auch schon Bumke, Die Verwaltung 41 (2008), 227, 231; Michaels, Staatsaufsicht, S. 64; Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 246; M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 49; Paul, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 93, 95; Röhl, in: Fehling/ Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 10. 163 Hübner, Die Banken, 1854, S. 28 f., zitiert nach Körnert, ZHR 176 (2012) 96, 98 f. 164 So auch High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report, S. 68: „At the same time banking includes elements which make it inherently instable – such as maturity and liquidity transformation, leverage and the existence of systemic risks.“ Ebenso Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 10: „[A] bank’s core business is to accept voluntarily a mismatch in the term structure of its assets and its liabilities. As a corollary, the existence of banks depends crucially on uninterrupted continuous access to liquidity […].“ 165 So auch Ruffner/Stupp, in: FS Kleiner, 1993, S. 395, 403. 166 Vgl. Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 20; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 205 ff.; Michaels, Staatsaufsicht, S. 65; Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 251; Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 29 ff. 167 Vgl. Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 39: „Daraus ergibt sich als plausible Leitlinie für die Ausgestaltung der Bankenaufsicht, dass sie stellvertretend für die Einlegergesamtheit die Banken überwacht.“; Wolf-Wacker, Begründung und Ausgestaltung von Bankenaufsicht, S. 3 f.; in diese Richtung auch Fischer, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 125 Rn. 19.
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c) Besondere Gefahren bei Krise und Insolvenz Die systemischen Gefahren, die von der Krise bereits eines Kreditinstituts ausgehen können,168 gelten so manchem als das „einzig wirklich ernstzunehmende Argument für Bankenregulierung“169. Ausgelöst werden kann eine solche Krise bereits durch das bloße Gerücht, ein Institut könne sein Liquiditätsversprechen nicht mehr einlösen. Dann droht ein plötzlicher Vertrauensverlust170 verbunden mit dem schlagartigen Abzug aller Einlagen. Dieses Phänomen wird als bank-run bezeichnet.171 Ein solcher run ist besonders fatal, da die Banken im Regelfall nicht genügend Liquidität für diesen Fall vorhalten und so der Vertrauensschwund durch medienwirksame Bilder von langen Schlangen vor leeren Geldautomaten noch weiter beschleunigt wird. So kann ein bank-run in kürzester Zeit zur absoluten Zahlungsunfähigkeit und damit zur Insolvenzreife eines Instituts führen.172 Hiernach kommt es häufig zu einer Kettenreaktion, bei der das Misstrauen gegenüber einem Institut auf die Kunden des nächsten übergreift (Homogenitätsannahme)173 und auch dort einen bank-run auslöst; im Ergebnis droht ein Zusammenbruch des gesamten Bankensystems.174 Solchen Entwicklungen sollen die privaten und gesetzlichen Einlagensicherungsfonds vorbeugen helfen.175 168 Dazu Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 208 ff.; Paul, in: Hopt/ Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 93, 95; Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 11; Ruffner/Stupp, in: FS Kleiner, S. 395, 403. 169 So Seifert, zitiert bei Paul, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 93, 94. In diese Richtung auch Möschel, in: FS Stimpel, S. 1065, 1075 f.: „Der rechtfertigende Kern einer Bankenregulierung […] ist mithin in der Externalität zu sehen, daß ein Bankenzusammenbruch sich über einen Dominoeffekt auf das gesamte Gewerbe auswirken kann.“ Ebenso Burghof/ Rudolph, Bankenaufsicht, S. 30; Höfling, Gutachten F für den 68. DJT 2010 F 36; Möschel, in: FS Stimpel, S. 1065, 1073 ff. 170 Dazu Michaels, Staatsaufsicht, S. 64 Fn. 100: „Das dem Kreditwesen entgegengebrachte Vertrauen ist außerordentlich labil.“ 171 Für sich genommen handelt jeder Einleger mit dem Abzug seiner Einlagen rational; in der Masse werden hierdurch aber erhebliche Gefahren für das einzelne Institut ausgelöst, s. Möschel, in: FS Stimpel, S. 1065, 1073 und Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 12 sowie die umfassende, spieltheoretisch unterlegte Erläuterung bei Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 25 ff. 172 Ähnlich auch Noack/Zetzsche, in: FS Hopt, Bd. II S. 2283, 2287. 173 So Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 21: die Kunden „unterstellen dasselbe Risikoprofil“. Auch das BVerfG stellt in einem erst kürzlich ergangenen Beschluss zur Umlagefinanzierung der BaFin gem. § 16 FinDAG explizit die Vertrauensanfälligkeit des Geschäftsmodells und die Gefahr einer Kettenreaktion als besondere charakteristische Merkmale des Sektors heraus, ZIP 2009, 2047, 2049 f. 174 Übersichtliche Darstellung zu (idealtypischen) Ursachenzusammenhängen einer solchen Krise bei Paul, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 93, 95. Diese Überlegungen bestimmten auch schon die Reform des KWG im Jahr 1961, s. Begründung des Wirtschaftsausschusses, abgedruckt bei Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung Rn. 121. 175 Dazu bereits oben Erster Teil B. III., S. 45.
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
Auch unabhängig von der Reaktion der Einleger birgt der Zusammenbruch eines einzelnen Instituts erhebliche Gefahren für andere Banken, da diese über den Interbankenmarkt miteinander verbunden sind.176 Fällt nur ein Institut aus, so müssen auch die anderen erhebliche Abschreibungen vornehmen, man spricht diesbezüglich vom Dominoeffekt.177 Auch zwischen den Banken schwindet dann das Vertrauen und der Interbankenmarkt trocknet aus.178 Um die Kapitalversorgung der Finanz- und der Realwirtschaft überhaupt aufrecht erhalten zu können, muss in diesen Fällen die Zentralbank oder gar der Staat als lender of last resort einspringen.179 Dies ist der Hintergrund der Diskussion um die Entflechtung sog. systemrelevanter Banken (too big to fail).180 Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Verabschiedung des Restrukturierungsgesetzes für die Sanierung systemrelevanter Banken.181 In Kürze soll eine europaweit verbindliche Lösung folgen,182 die der Komplexität einer Bankenabwicklung gerecht wird (unter anderem durch sog. „living wills“183). Der Marktaustritt von Banken soll so wieder möglich werden.184
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Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 22 ff.: „Schon die Insolvenz einer mittelgroßen, aber stark vernetzten Bank kann Schockwellen auf dem Finanzmarkt auslösen, die die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährden.“; ebenso Wittig, in: Kümpel/Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rz. 1.1.85. BVerfG ZIP 2009, 2047, 2049 Tz. 24: „Charakteristisch für den Finanzmarkt ist, dass Fehlentwicklungen, denen die Aufsicht vorbeugen soll, nicht nur das einzelne Unternehmen, sondern in besonderem Maße den Markt insgesamt betreffen. Es handelt sich um ein vernetztes Marktsystem wechselseitiger Abhängigkeiten, das in besonderem Maß vom Vertrauen der Marktteilnehmer in hinreichende Kontrollmechanismen abhängig ist.“ Dazu Lenz, NVwZ 2010, 29. 177 Dazu Körnert, ZHR 176 (2012) 96, 123: „Bei Dominoeffekten im Bankensystem wird eine markante Reduktion in den finanziellen Existenzbedingungen einer Bank auf eine weitere Bank oder mehrere Banken übertragen, die infolgedessen ausfallen. Das zentrale und systemgefährdende Wesensmerkmal dieses Vorgangs liegt in der Bedrohung, dass der spätere Gesamtschaden deutlich über dem Initialschaden liegt.“; ebenso Neus, in: Luz/Neus/Schaber/ Scharpf/Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 32 ff. 178 So geschehen 2008 nach dem Crash von Lehman Brothers. Issing/Bluhm sprechen bildlich von einem „Infarkt der Märkte für kurzfristige Gelder“, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 77, 79. 179 Zur Rolle der Zentralbank Höfling, Gutachten F für den 68. DJT 2010, F 20 ff. 180 Zur Entflechtungsdebatte s. Zimmer, Gutachten G des 68. DJT 2010, G 25 ff. Dazu Körnert, ZHR 176 (2012) 96, 124 f.: „Große Banken sind nicht nur in der Lage über Dominoeffekte erheblichen Schaden herbeizuführen. Schon für sich allein genommen reicht ihr singulärer Ausfall aus, den gesamtwirtschaftlichen Solidarverbund vor erhebliche bis unlösbare Probleme zu stellen […] notfalls müssen [sie] auch verkleinert werden.“ 181 Dazu Wolfers/Voland, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 315 ff. 182 Vgl. dazu den RiLi-Vorschlag KOM(2012) 280 endg./2 sowie die endgültige Richtlinie 2014/59/EU. 183 Bachmann, Referat beim 68. DJT 2010, P 13, P 27 f.; Zimmer, Gutachten für den 68. DJT 2010, G 50 ff. 184 Pointiert Rubin, 72 Chi.-Kent L. Rev. (1997) 1299, 1324 f.: „[F]or ordinary businesses, insolvency is viewed as a quasi Darwinian mechanism that improves the health of the corporate herd, but for banks it is viewed as a social desaster.“
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2. Ziele der Regulierung von Kreditinstituten Vor diesem Hintergrund erschließen sich die Schutzzwecke des Bankaufsichtsrechts rasch. Ziel ist es, die Stabilität eines Wirtschaftssektors zu erhalten, der volkswirtschaftlich unerlässlich aber gleichzeitig von erheblicher systemischer Instabilität185 geprägt ist.186 Um dies zu erreichen, ist jedes Unternehmen des Finanzsektors auf eine Währung schlechthin angewiesen: das Vertrauen.187 Geht es verloren, drohen verheerende Kettenreaktionen, die nur dann gestoppt werden können, wenn gewährleistet ist, dass die Einlagen der Bankkunden sicher sind.188 Der Schutz der Bankeinlagen ist somit notwendiges Zwischenziel zur Erreichung der Finanzmarktstabilität.189 Der Einleger selbst hat aber weder die hierfür erforderlichen Informationen noch die Möglichkeit, Kontrolle über die Geschehnisse innerhalb der Bank auszuüben.190 Dementsprechend muss ihm das Aufsichtsrecht zu Hilfe eilen.191 Dem deutschen Bankaufsichtsrecht liegt somit eine doppelte Zielkonzeption zu Grunde.192 Um beide Ziele zu erreichen, ist das Aufsichtsrecht auf zwei Parameter 185 Für eine ausführliche Analyse der Instabilität des Bankensektors s. M. Tieben, DreiSäulen-System, S. 42 ff. Allgemein zum Marktversagen als Auslöser für Regulierungsbedürfnisse Picot, zfbf 2009, 655; Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 3 ff. 186 Dazu auch Junker, Gewährleistungsaufsicht, S. 64 ff.; Möschel, in: FS Stimpel, S. 1065, 1070: „Die ,Gesundheit des Bankensystems‘ ist die ganz dominierende Zielrichtung des Bankenaufsichtsrechts“; Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 14 f., der zwischen dem Marktfunktionsschutz durch Kapitalmarktrecht und dem Existenzschutz durch das Institutsaufsichtsrecht unterscheidet. 187 Dazu bereits Fn. 161, S. 49 sowie statt vieler Hopt, in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, S. 337, 338: „Public trust and confidence are the very essence of banking.“ 188 Zu systemischen Gefahren im Bankensektor bereits Fn. 168, S. 51. 189 So auch ausdrücklich M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 73. Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 18: „Mittel zum Zweck“. 190 So bereits Fn. 166, S. 50. Pointiert M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 48: „Proportional zur Größe der Einlage sinkt die Verhandlungsmacht des Einlegers, weil seine wirtschaftliche Bedeutung für die Bank abnimmt. Nicht nur die Vertragsgestaltung liegt damit in der Hand des Instituts, im Massengeschäft reduziert sich die Vertragsfreiheit der Kunden sogar auf seine Vertragsabschlussfreiheit.“ 191 Vgl. Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 601, 605: „Bankenregulierung lässt sich als Substitut für die fehlenden Anreize der Bankengläubiger interpretieren, ihr Schuldnerinstitut sorgfältig zu prüfen und zu monitoren.“ In diese Richtung geht auch der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, S. 5 Rn. 14. Zurückhaltender zeigen sich dagegen der deutsche Gesetzgeber und die Rechtsprechung, die allein von einem institutionellen, nicht aber einem individuellen Einlegerschutz des Bankaufsichtsrechts ausgehen, das soll durch die Formulierung in § 4 Abs. 4 FinDAG klargestellt werden. Der BGH ebenso wie der EuGH haben diese Vorschrift mittlerweile gebilligt, s. BGHZ 162, 49 und EuGH ZIP 2004, 2039. Vor dieser Neuregelung hatte sich der BGH noch wesentlich einlegerfreundlicher gezeigt, s. BGHZ 74, 144 (Wetterstein); 75, 120 (Herstatt). 192 Vgl. auch schon BVerfGE 14, 197, 198 sowie § 6 Abs. 2 KWG. Individual- und Funktionsschutz sind also „zwei Seiten derselben Medaille“, so schon Hopt mit Blick auf die
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ausgerichtet: die Erhaltung der Solvabilität und der Liquidität der Finanzinstitute, also ihrer Schuldendeckungs- und Zahlungsfähigkeit. Das Aufsichtsrecht entpuppt sich somit als „spezielles Insolvenzschutzrecht“193 für Banken. 3. Konkrete Vorgaben des Aufsichtsrechts Die Bankenregulierung richtet sich ausschließlich nach den Vorgaben des KWG,194 das seinerseits in erheblichem Maße von europäischer Rechtsetzung durchwirkt ist.195 Die Vorschriften umspannen die gesamte Lebensdauer des Instituts: von der Zulassung über den normalen Geschäftsbetrieb bis hin zur Krise und Insolvenz. a) Marktzugangskontrolle Wer eine Bank betreiben will, muss hierfür zunächst die Erlaubnis der Aufsichtsbehörde einholen (§ 33 KWG); sie prüft die Einhaltung der wichtigsten gesetzlichen Vorschriften.196 Hierzu zählt unter anderem das sog. „Vier-Augen-Prinzip“, das verlangt, dass Banken mindestens von zwei Geschäftsführern geleitet werden.197 Eine Bank kann somit nicht von einem Einzelhandelskaufmann betrieben werden (§ 2b Abs. 1 KWG). Weitere Beschränkungen der Rechtsformwahl existieren, anders als im Versicherungsaufsichtsrecht,198 dagegen nicht. Von besonderer Bedeutung für die Zulassung ist auch die sog. „Geschäftsleiterkontrolle“. Die GeSchutzziele des Kapitalmarktrechts, ZHR 159 (1995) 135, 159; ders., Kapitalanlegerschutz, S. 334 ff.; davor schon Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 249. Diesen Zweiklang hebt auch die EU-Kommission in ihrem Grünbuch Finanzinstitute hervor, KOM (2010) 284 endg. S. 3. 193 So schon Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 251. 194 In der Praxis müssen Finanzinstitute regelmäßig das KWG ebenso wie das WpHG beachten, da sie sowohl commercial banking als auch investment banking unter einem Dach betreiben (Universalbankensystem). Die Darstellung folgt hier jedoch den vom Gesetzgeber vorgezeichneten Regelungsrahmen. Den Gegensatz zum Universalbankensystem bildet das Trennbankensystem in den USA und GB, s. dazu Möschel, in: FS Stimpel, S. 1065, 1076 ff. Auf Grundlage des Liikanen Reports wird z. Zt. sowohl in der EU als auch in Deutschland die Einführung eines Trennbankensystems diskutiert. 195 Dazu bereits Fn. 150, S. 48 und 152, S. 48. Kritisch zur Komplexität Waigel, in: Grieser/ Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 39, 58.: „Leider entwickelt sich der Bereich des Bankaufsichtsrechts immer mehr zu einer Geheimwissenschaft. Unübersichtliche Normen, die praktischen Umsetzungsschwierigkeiten von EU-Vorgaben und auch ein Stück Geheimniskrämerei führen zu einem bedauernswerten Verlust an Transparenz.“ 196 Dazu ausführlich Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 128 Rn. 10 ff. 197 Zum Vier-Augen Prinzip Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 89 f. sowie Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 255 f. Anders dagegen das Aktienrecht: § 76 Abs. 2 S. 1 AktG lautet „Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen.“ 198 Dazu Erster Teil C. III. 3. a), S. 76.
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schäftsleiter des Instituts199 müssen „zuverlässig“ sein und die „erforderliche fachliche Eignung zur Leitung“ besitzen.200 Diese fachliche Eignung setzt ausreichende theoretische und praktische Kenntnisse in den betreffenden Geschäften sowie Leitungserfahrung voraus.201 Auf der Basis unionsrechtlicher Bestimmungen wurde der Kreis derart kontrollierter Personen beständig erweitert. Zunächst auf die Inhaber wesentlicher Beteiligungen202sowie mittlerweile auch auf die Mitglieder der Aufsichtsorgane. Diese müssen „zuverlässig“ und „sachkundig“ sein.203 b) Gegenstände der laufenden Aufsicht Die laufende Überwachung greift nur in Ausnahmefällen in die Geschäftsabläufe der Bank ein,204 vielmehr stehen Anforderungen an die Finanz- und Organisationsverfassung des Instituts im Mittelpunkt. Der Struktur der Baseler Empfehlungen II und III folgend lassen sich drei große Regelungsbereiche unterscheiden: die quantitativen Anforderungen der Säule I, die qualitativen Anforderungen der Säule II und die Transparenz- und Publizitätspflichten der Säule III.205 aa) Säule I Die quantitativen Anforderungen der Säule I betreffen in erster Linie die Eigenmittelausstattung.206 Diese gelten als „Kernbereich der Bankenregulierung“207 und zeichnen sich durch eine hohe finanzmathematische Komplexität aus.208 Im 199 Eine Legaldefinition findet sich in § 1 Abs. 2 KWG: „[D]iejenigen natürlichen Personen, die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Führung der Geschäfte und zur Vertretung eines Instituts in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft berufen sind.“ 200 Vgl. §§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 4 KWG. Dazu Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 128 Rn. 43 ff. 201 Vgl. § 25c Abs. 1 S. 2 KWG sowie die Vermutung in § 25c Abs. 1 S. 3 KWG. 202 Vgl. §§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 2c Abs. 1a KWG (sog. Anteilseignerkontrolle). 203 Vgl. § 25d Abs. 1 KWG. Ausführlich zum Abgleich aktien- und aufsichtsrechtlicher Anforderungen an die Qualifikation der Aufsichtsorgane Vierter Teil D., S. 262 ff. 204 Dazu auch Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung Rn. 130 ff. Vgl. aber die Regelungen zur Ausreichung von Großkrediten, §§ 13 ff. KWG. Umfassend zu Beschränkungen und Kontrollen des Kreditgeschäfts Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 130. 205 Vgl. den Überblick bei Paul, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 93, 98 ff.; instruktiv auch Binder, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, S. 133, 140 ff. 206 Vgl. § 10 KWG, SolvV. Dazu Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 129; Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 32 Rn. 61 ff. 207 Blaurock, JZ 2012, 226, 230. Instruktiv Rudolph, ZHR 175 (2011), 284 ff. 208 Körnert, ZHR 176 (2012) 96, 121: „Außerordentlich kompliziert und nahezu unüberschaubar“. Vgl. auch den umfassenden Überblick und die Kritik in: Bundesministerium für
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Laufe der letzten Jahrzehnte sind sie kontinuierlich angepasst und verbessert worden.209 Die Eigenmittel sollen der Absicherung des Instituts im Krisenfall dienen und haben damit echte „Pufferfunktion“.210 Der zweite große Teilbereich quantitativer Regulierung betrifft die Liquidität. § 11 Abs. 1 S. 1 KWG fordert eine Anlagestrategie, die jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft der Institute sicherstellt.211 Das ist angesichts des Geschäftsmodells von Banken eine besondere Herausforderung.212 Durch Basel III werden die Anforderungen an das Eigenkapitalund Liquiditätsregime der Institute nochmals tiefgreifend verändert.213 bb) Säule II Säule II widmet sich den Anforderungen an die internen Verfahren des Instituts.214 § 25a KWG215 ist das „Herzstück“ der sog. qualitativen Regulierung216 und stellt Wirtschaft und Technik, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Krise, S. 17 ff. 209 Eingehend zur Entwicklung Körnert, ZHR 176 (2012) 96 ff. 210 Anders als das Grundkapital in der AG, das nur bei der Gründung aufgebracht werden muss und danach von der Gesellschaft zum Wirtschaften genutzt werden kann. Die aufsichtsrechtlichen Vorschriften sind nichtsdestotrotz in gewisser Hinsicht paradox, da die Eigenmittel zwar als Puffer vorhanden sein müssen, aber in der Krise nicht angetastet werden dürfen, dazu auch Blaurock, JZ 2012, 226, 230; Rudolph, in: FS Hopt, Bd. II, S. 2407, 2419. Für einen Überblick über die sonstige grundsätzliche Kritik an den Eigenkapitalvorschriften s. Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 88 ff. 211 § 11 KWG wird durch die LiqV konkretisiert. 212 Dazu bereits Erster Teil C. I. 1. b), S. 49. 213 Dazu Haug, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 133a; Schäfer, ZHR 175 (2011), 319 ff. sowie die High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report, S. 68 ff. mit dem Schluss: „[T]here is scope to consider further additional measures […].“ (S. 72). 214 Instruktiv Wundenberg, Compliance, S. 78 ff. Zu solchen Governance-Fragen hat der Baseler Ausschuss erstmals 1999 in einem separaten Papier zum Thema „Enhancing Corporate Governance in Banking Organisations“ Stellung bezogen. Mittlerweile ist es zweimal erneuert worden (2006 und 2010). Für eine Besprechung des 2006er Papiers s. Hopt, in: FS Nobbe, S. 853 ff.; Mülbert, BKR 2006, 349 ff. Eingehend zur 2010er Version Emmenegger, in: Hopt/ Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 405 ff. 215 Seit 2014 finden sich darüber hinaus Konkretisierungen für die Geschäftsorganisation in den §§ 25b-d KWG. 216 Hinter der „quantitativen“ und „qualitativen“ Regulierung verstecken sich zwei völlig verschiedene Regulierungskonzepte, die mit Hilfe unterschiedlichster Mechanismen die Solvabilität und Liquidität von Finanzinstituten sicherzustellen suchen. Quantitative Regelungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie finanzmathematisch durchwirkte Standards setzen, deren Einhaltung durch die Überprüfung bestimmter Kennzahlen kontrolliert werden kann. Qualitative Regulierung setzt hingegen an den unternehmensinternen Leitungs-, Entscheidungs- und Risikosteuerungsprozessen an. Instruktiv Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 49 ff.; Junker, Gewährleistungsaufsicht, S. 93 ff.; Paul, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 93, 98 ff.; Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, Einführung Rn. 48; Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 47 f.: Wundenberg, Compliance, S. 72 ff.
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Anforderungen an die Compliance, das Outsourcing217 sowie die Vergütung der Geschäftsleiter und Mitarbeiter.218 Im Zentrum stehen jedoch die Vorgaben für das interne Risikomanagement der Institute, die wiederum in den MaRisk (BA), dem Rundschreiben der BaFin, konkretisiert werden.219 So müssen Banken zusätzlich zur internen Revision weitere interne Kontrollverfahren einrichten, mit deren Hilfe sich Risiken umfassend identifizieren, beurteilen, steuern und überwachen lassen. Auf Basis dieser internen Risikomodelle wird unter anderem die nötige Eigenkapitalunterlegung berechnet.220 Relativierend wirkt allein § 25a Abs. 1 S. 4 KWG. Hiernach sind die zu ergreifenden Maßnahmen an Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivität auszurichten (Proportionalitätsgrundsatz). Zusätzlich statuiert § 25a KWG umfassende Dokumentations- und Berichtspflichten institutsintern sowie gegenüber der Behörde.221 Eine zentrale Organisationsvorgabe ist zudem das Prinzip der Funktionentrennung. Im Gesetz nur angedeutet222 wird es durch die MaRisk konkret ausgeformt und fordert die funktionelle und personelle Trennung der operativen Geschäftseinheiten vom unternehmensinternen Kontrollsystem.223
Die Kontrollsysteme greifen also nicht erst von außen ein, sondern sind organisch in das Unternehmensgefüge integriert. Die Gemeinwohlorientierung des Aufsichtsrechts wird so in die Unternehmensstruktur hineingetragen, vgl. Burgi, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KontraG, § 4 Rn. 5 ff.; T. Schneider, Risikomanagement, S. 42; Wundenberg, Compliance, S. 65 und S. 83. 217 Seit der Umsetzung der CRD IV-RiLi im Jahr 2014 ist das Outsorcing mittlerweile in § 25b KWG geregelt. 218 Dazu später ausführlich Vierter Teil, S. 191 ff. Eine Einführung gibt Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 128 Rn. 58 ff. Für die Schaffung eines „Unternehmensverhaltensrechts“ zur Bindung wirtschaftlicher Macht schon 1975 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 217 ff, insb. S. 229. 219 Rundschreiben 10/2012 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 14. 12. 2012. Zur Vorgängerversion Neus, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/ Weber, KWG, Einführung Rn. 165 ff. Zur Rundschreibenpraxis der BaFin s. auch Dritter Teil B. III. 2. b), S. 182 ff. 220 Dazu eingehend Vierter Teil B., S. 216 ff. Dies wird wiederum durch den sog. Supervisory Review Process der BaFin überwacht, vgl. § 6b KWG. 221 Aus Sicht der BaFin verfolgt diese Regelung zwei Zwecke: nicht nur sollen die Berichtspflichten als Teil des institutsinternen Risikomanagements auf die Erhaltung der Solvabilität des Instituts hinwirken, sie erfüllen zugleich eine Informationsaufgabe, die für die effektive Kontrolle unerlässlich ist. Vgl. Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 65; ebenso Wundenberg, Compliance, S. 83. 222 Vgl. §25a Abs. 1 S. 3 Nr. 3 a) KWG. 223 Vgl. MaRisk (BA) BTO Rn. 3.
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cc) Säule III Neben die quantitativen und qualitativen Anforderungen treten mit der dritten Säule umfassende Offenlegungspflichten des Kreditinstituts.224 Sie sollen den Marktteilnehmern ermöglichen, sich ein genaues Bild vom Risikoprofil der Bank zu machen225 und ein wirksames Risikomanagement bei ihrer Anlageentscheidung entsprechend zu honorieren. Neben der staatlichen Aufsicht aktiviert die Säule III damit die Disziplinierungskräfte des Kapitalmarktes zum Zwecke einer effektiven Bankenregulierung.226 Die Notwendigkeit einer solchen Transparenz im Bankensektor hatte 1914 schon Brandeis betont: „Publicity is justly commended as a remedy for social and industrial diseases. Sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman.“227
c) Befugnisse der Aufsichtsbehörde Das Instrumentenarsenal der BaFin ist in den §§ 32 – 51 KWG niedergelegt. Bei besonders schwerwiegenden Rechtsverstößen kann sie die Geschäftszulassung eines Instituts widerrufen;228 in der Praxis stellt die Abberufung von Geschäftsleitern229 oder Mitgliedern des Aufsichtsorgans230 aber regelmäßig das mildere Mittel dar.231 Eine allgemeine Ermächtigungsnorm findet sich zudem in § 6 Abs. 2 KWG. Hiernach hat die Behörde „Missständen entgegenzuwirken, die die den Instituten anvertrauten Vermögenswerte oder die ordnungsgemäße Durchführung der Geschäfte gefährden oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen könnten“.232 Um diese Sanktionsbefugnisse effektiv einsetzen zu können, bedarf es einer Reihe von Informations- und Anzeigepflichten233 sowie 224 Vgl. §§ 26 ff. KWG sowie Teil 5 der SolvV und §§ 340 – 340o HGB. Eingehend zur Transparenz von Banken Merkt, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 117 ff.; zu Banken und Versicherungen Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 270 ff. 225 Paul, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 93, 104. 226 Zur Bedeutung der Offenlegung als Regulierungsinstrument auch High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report, S. xi: „In order to enhance market discipline and win back investor confidence, public disclosure requirements for banks should be enhanced and made more effective so as to improve the quality, comparability and transparency of risk disclosures.“ 227 Brandeis, Other people’s money and how the bankers use it, 1914, S. 92. 228 Dazu Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 128 Rn. 85 ff. 229 Weiter gehen Tätigkeitsverbote Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 128 Rn. 98 ff. 230 Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 128 Rn. 121 ff. 231 Vgl. §§ 35, 36 KWG. Vgl. auch BVerwG WM 2007, 1655 f.: der Abberufung gehen als milderes Mittel die Verwarnung und ihr wiederum Hinweise und Belehrungen voraus. 232 Eine konkrete Anordnungsbefugnis findet sich zudem in § 6 Abs. 3 KWG. 233 Z. B. §§ 13, 13a, 14, 15, 24, 26, 28 KWG. Dazu Thelen-Pischke/Sawahn, Kreditwesen 2012, 64, 66: „Die Herausforderung für die Institute besteht darin, möglichst konsistente
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Auskunftsrechten der BaFin.234 Als äußerstes Mittel der Informationsbeschaffung kann sie, auch ohne besonderen Anlass, eine Sonderprüfung anordnen.235 Damit entfernt sich das Aufsichtsrecht weit vom klassischen Gewerbe- und Ordnungsrecht, das stets das Vorliegen einer konkreten Gefahr zur Voraussetzung des Behördenhandelns erhebt. Die BaFin führt daher im wahrsten Sinne des Wortes eine „Risikoaufsicht“.236 Neben die Befugnisse der BaFin treten neuerdings auch zunehmend strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten.237 d) Maßnahmen in der Krise Die Bankenaufsicht besitzt darüber hinaus weitreichende Befugnisse zur Einleitung protektiver Maßnahmen238 in „besonderen Fällen“239 sowie bei Gefährdungen der Stabilität des Finanzsystems insgesamt.240 Diese umfassen Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenmittelausstattung und Liquidität (§§ 45a KWG), aber auch zur Beseitigung organisatorischer Mängel (§ 45b KWG). Droht die Gefahr einer Insolvenz, so kann die Behörde Anweisungen gegenüber der Geschäftsführung des Instituts erlassen (§ 46 Abs. 1 Nr 1 KWG) und auch die Befugnis zur Stellung des Insolvenzantrags liegt schlussendlich bei ihr.241 In Fällen, in denen die Zahlungsunfähigkeit eines Instituts zugleich die Gesamtwirtschaft bedroht, kann darüber hinaus ein Moratorium verhängt bzw. die Bank- und/oder Börsenschließung veranlasst werden (§§ 47, 48 KWG). Die noch weiterreichenden Maßnahmen der §§ 48a ff. KWG sind als Reaktion auf die Finanzkrise von 2008 mit dem Restrukturierungsgesetz in das Gesetz eingefügt worden und sehen unter anderem die Zwangsauslagerung bestimmter Geschäftsbereiche in „bad banks“ vor (§ 48a KWG).242 Reportings für alle Stakeholder (Aufsicht, Leitungsorgane wie Vorstand, AR) zu erstellen. Dazu bedarf es einheitlicher Prozesse, Systeme, Verfahren und Kontrollen, damit die vollständige, richtige und zeitgerechte Erfassung aller Geschäftsvorfälle gewährleistet werden kann.“ 234 Vgl. §§ 44 ff. KWG. 235 Vgl. § 44 Abs. 1 S. 2 KWG. 236 So Höfling, Gutachten F für den 68. DJT 2010, F 32; ähnlich Fehling, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 20 Rn. 115; Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 87. 237 Vgl. §§ 54a Abs. 1, 2 KWG, der eine Strafbarkeit für Geschäftsleiter für mangelhaftes Risikomanagement etabliert, sofern dieses eine Bestandsgefährdung des Instituts nach sich zieht. Die Regelung ist im Jahr 2014 in Kraft getreten, vgl. BGBl. I 2013, S. 3090. 238 Dazu auch Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 133 Rn. 1 ff.; zum Verhältnis von präventiven und protektiven Maßnahmen Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 39. Umfassend zur Rechtslage von Banken in der Insolvenz Binder, Bankeninsolvenzen, 2005. 239 Vgl. §§ 45 – 48 KWG. 240 Vgl. §§ 48a – 48s KWG. 241 Vgl. § 46b Abs. 1 S. 3 KWG. 242 Dazu ausführlich Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung Rn. 111 ff.; ders., in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 133 Rn. 29; Wolfers/ Voland, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb CG von Banken, S. 315 ff.
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
e) Aktuelle Regulierungsvorhaben: Basel III und CRD IV Seit der Finanzkrise scheint die Reformflut im Aufsichtsrecht kein Ende zu nehmen.243 Der Eigenkapitalrichtlinie aus dem Jahr 2006244 folgten in schneller Taktung die Capital Requirements Directive (CRD) II und III.245 Im Sommer 2013 ist nun das CRD IV Paket verabschiedet worden,246 das seinerseits auf den Vorgaben von Basel III beruht und die Eigenkapitalrichtlinien aus dem Jahr 2006 umfassend ersetzt hat. Die Anforderungen an die Geschäftsführung und ihre Überwachung durch den Aufsichtsrat werden dabei noch stärker als bisher in den Mittelpunkt gerückt.247 Bereits das 2010 veröffentlichte Grünbuch der Kommission zur „Corporate Governance in Finanzinstituten“ ließ eine ähnliche Stoßrichtung erahnen.248 Als nächstes will sich die Kommission der Regulierung des Schattenbankenwesens annehmen.249 4. Exkurs: Europäische Finanzmarktaufsicht Der Einfluss des Staates geht im Bereich der Finanzmarktregulierung also weit über nur punktuelle Eingriffe hinaus.250 Neben den inhaltlichen Sonderregeln für Kreditinstitute ist ihre behördliche Durchsetzung aber mindestens genauso relevant. Im Zuge der europäischen Integration und der Globalisierung der Finanzmärkte werden Finanzgeschäfte zunehmend grenzüberschreitend oder über Zweigniederlassungen in anderen Ländern abgewickelt.251 Solcherlei Geschäfte sind dem Zugriff der nationalen Behörden weitgehend entzogen. Dementsprechend hat sich in den
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Einen Überblick für 2011 geben Thelen-Pischke/Sawahn, Kreditwesen 2012, 64. RiLi 2006/48/EG (BankenRiLi) und RiLi 2006/49/EG (KapitaladäquanzRiLi). 245 RiLi 2009/111/EG (CRD II) sowie 2010/76/EU (CRD III). 246 RiLi 2013/36/EU (CRD IV) sowie EU VO Nr. 575/2013 (CRR). Der deutsche Gesetzgeber hat auch bereits ein Umsetzungsgesetz verabschiedet, BGBl. I 2013, S. 3395. Zum Entwurf des Umsetzungsgesetzes Langenbucher, ZHR 176 (2012) 652 ff. Die Regelungen zur Corporate Governance finden sich nun schwerpunktmäßig in §§ 25a-25d KWG n.F. 247 Vgl. Art. 74 ff. (Interne Kontrollmechanismen), Art. 88 (Governance), Art. 91 (Leitungsorgan) und Art. 92 ff. (Vergütung) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). 248 EU Kommission, Grünbuch Finanzinstitute, KOM(2010) 284 endg., S. 12. 249 Dazu Europäische Kommission, Grünbuch Schattenbankenwesen, KOM (2012) 102 endg. Das unregulierte Schattenbankensystem gilt als einer der Auslöser der Krise, s. Bundesministerium für Wirtschaft und Technik, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Krise, S. 7 f. 250 So auch Höfling, Gutachten F für den 68. DJT 2010, F 11. 251 Dazu bereits 1971 Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 300: „Da die Versicherungsunternehmen auf Grund ihres Wesens (Risikostreuung) zur Geschäftsausweitung tendieren, sollten die rechtlichen Voraussetzungen zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit im Ausland durch internationale Vereinbarungen erleichtert werden.“; ebenso Winter, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 14. 244
C. Aufsichtsrechtliches Regelungsumfeld
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letzten Jahrzehnten neben den nationalen Systemen eine europäische Aufsichtsarchitektur herausgebildet.252 a) Entwicklung der europäischen Finanzmarktregulierung und -aufsicht Als Grundbaustein des einheitlichen Binnenmarkts (Art. 3 Abs. 3 EU) hat die Europäische Union seit jeher einen integrierten Finanzmarkt aufzubauen gesucht.253 Das setzte als Erstes die gegenseitige Anerkennung der in einem Mitgliedsstaat zugelassenen Finanzinstitute sowie die Koordinierung der Aufsichtsarbeit der verschiedenen nationalen Behörden voraus.254 Zugleich machte es eine schrittweise Annäherung des materiellen Aufsichtsrechts nötig, da die einzelnen Staaten ansonsten nicht gewillt gewesen wären, die Zulassung eines Instituts nach ausländischen Regeln auch in ihrem eigenen Markt anzuerkennen.255 Mit der Einführung des sog. Europäischen Passes in den neunziger Jahren wurde dieses System der gegenseitigen Anerkennung und Herkunftslandkontrolle vervollkommnet.256 In den Folgejahren konzentrierte sich die Union vornehmlich auf die fortschreitende inhaltliche Angleichung der Aufsichtsrechte der einzelnen Mitgliedsstaaten.257 Ziel war es, die sog. Aufsichtsarbitrage zu verhindern.258 Heutzutage sind Schätzungen zu Folge über 80 %259 des deutschen Aufsichtsrechts europäischen Ursprungs.260 252
Dazu Hopt, NZG 2009, 1401, 1402: „Aufsicht und Regulierung müssen den Märkten folgen und nicht umgekehrt“; Picot, zfbf 2009, 655, 659: „[J]e größer in einer Branche oder in einem Markt die Bedeutung europäischer und internationaler Handelsbeziehungen und Marktzutritte ist, desto wichtiger wird das Moment der überregionalen Vereinheitlichung.“ 253 Diese Bemühungen reichen zurück bis in die 60er Jahre und lassen sich in verschiedene Phasen unterteilen, s. hierzu eingehend Gruner-Schenk, Harmonisierung des Bankaufsichtsrechts, S. 35 ff.; Hinkel, Niederlassungsfreiheit für Kreditinstitute, S. 86 ff. Zur Entwicklung im Versicherungssektor s. Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 31 Rn. 1 ff. Zur parallelen Entwicklung beider Sektoren s. Schnyder, Europäisches Banken- und Versicherungsrecht, § 1 Rn. 1 ff. 254 Man spricht vom „Prinzip der gegenseitigen Anerkennung“ und der „Heimatlandkontrolle“, vgl. Hübner, in: Dauses, Hdb. Europ. WirtschaftsR, E. IV., Rn. 2. Vgl. dazu die erste und zweite BankrechtskoordinierungsRiLi 77/78/EWG und 89/646/EWG. Im Versicherungssektor fand eine ganze ähnliche Entwicklung statt s. Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 31 Rn. 5. 255 Man spricht vom „Prinzip der Mindestharmonisierung“, vgl. Hübner, in: Dauses, Hdb. Europ. WirtschaftsR, E.IV. Rn. 2; dazu auch U. H. Schneider, in: Bankrechtstag 1993, S. 3, 15: „Es ist offenkundig, daß das Konzept der gegenseitigen Anerkennung nur dann tragfähig ist, wenn durch Harmonisierung ein Minimum an Standards und Vorsichtsmaßregeln geschaffen wird […].“ 256 Vgl. §§ 24a, 53b KWG und §§ 13a ff., 110a ff. VAG. Dazu Gause, in: MünchKomm VVG, Systematische Einführung in das Aufsichtsrecht, Rn. 416; Schelm, in: Kümpel/Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rz. 2.119 ff. 257 Bereits 1993 schreibt dazu U. H. Schneider, in: Bankrechtstag 1993, S. 3, 6: „Für das Aufsichtsrecht ist die Rechtsangleichung nahezu abgeschlossen.“ 258 Dahinter verbirgt sich die gezielte Umgehung der Anforderungen des nationalen Aufsichtsrechts, z. B. durch Sitzverlegung in einen weniger streng regulierten EU-Mitgliedsstaat.
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
Seit der Finanzkrise hat sich jedoch die Erkenntnis durchgesetzt, dass der materiellen Harmonisierung auch ein Mindestgrad an Überwachung auf supranationaler Ebene folgen muss.261 Angestoßen durch den de Larosière-Report262 hat sich die Union eine vollkommen überarbeitete Aufsichtsstruktur gegeben (das sog. „European System of Financial Supervision“ (ESFS)),263 die aus dem sog. European Systemic Risk Board (ESRB)264 und den drei Aufsichtsbehörden für Wertpapierhandel (ESMA), Banken (EBA) und Versicherungen (EIOPA) besteht,265 die sich der Mikroaufsicht annehmen.266 Die drei Aufsichtsbehörden gehen auf die ursprünglich Die Gefahr solcher Arbitrage ist im Finanzsektor besonders groß, da Finanzmarktakteure allein auf juristische, nicht aber auf sonstige Infrastruktur angewiesen sind, s. auch Blaurock, JZ 2012, 226, 229 f.; Hübner, in: Dauses, Hdb. EU WirtschaftsR, E.IV. Rn. 68. Die EU begegnete ihr erstmals mit der RiLi 95/26/EG (BCCI-Folgerichtlinie). 259 Vgl. Hopt, Verhandlungen des 68. DJT 2010, Bd. II/1, P 11 (zum „Wirtschaftsrecht“); Waigel, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 39, 51. Für das Kapitalmarktrecht Seiler/ Kniehase, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II Vor § 104 Rn. 64; für das Bankrecht Hübner, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, E.IV. Rn. 1: „zu einem erheblichen Maß“. 260 Vgl. die Darstellung der Rechtsentwicklung bei Hübner, in: Dauses, Hdb. EU WirtschaftsR, E. IV. Rn. 6 ff., 80 ff.; Kolassa, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 135; sowie die tabellarische Gegenüberstellung bei Schnyder, Europäisches Banken- und Versicherungsrecht, § 2 (bis 2004). 261 So schon 1995 mit Blick auf Finanzkonglomerate Müller, Vereinheitlichung, S. 29: „Eine effektive Aufsicht eines […] zentral gesteuerten Finanzkonglomerats durch Versicherungs-, Bank- und Wertpapieraufseher aus 17 Mitgliedsstaaten ist praktisch nicht durchführbar. Hier wird man sich, Subsidiarität hin, Subsidiarität her, entschließen müssen, eine europäische zentrale Aufsicht über Einheiten ab einer gewissen Größe vorzusehen.“; jüngst Sester, BB 2012 Heft 17, S. I: „Finanzmarktaufsicht und Finanzmarktgerichte“. 262 Bericht der High Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière Report), S. 53 ff. 263 Zusammenfassende Darstellungen bei Baur/Boegl, BKR 2011, 177 ff.; Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung Rn. 159 ff.; Walla, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 6 Rn. 33 ff. Zum Verhältnis der neuen Aufsichtsarchitektur zum Lamfalussy-Verfahren Rötting/Lang, EuZW 2012, 8 ff. 264 Es soll Systemrisiken frühzeitig identifizieren und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen ergreifen; es handelt sich also um eine europäische Makroaufsicht, dazu Issing/Bluhm, in: Hopt/ Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 77, 84. Zur Unterscheidung von Makro- und Mikroaufsicht auch Bach/Nguyen, ZVersWiss 2012, 175, 177 ff.; Bundesministerium für Wirtschaft und Technik, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Krise, S. 37 f. 265 Verordnung (EU) 1093/2010 (EBA); Verordnung (EU) 1094/2010 (EIOPA); Verordnung (EU) 1095/2010 (ESMA). Zur EIOPA s. Arnoldi, in: Bennemann/Oehlenberg/Stahl, Hdb. Solvency II, S. 29 ff.; Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II Rn. 138 ff.; zur ESMA s. Walla, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 6 Rn. 37 ff. Zusammengenommen werden die drei als ESAs (European Supervisory Authorities) bezeichnet. 266 Eine solche Entwicklung wurde lange kritisch beurteilt, vgl. Höfling, Gutachten F für den 68. DJT 2010 F 43 ff. Noch 2007 hielt Winter dies für unwahrscheinlich und potenziell europarechtswidrig, schon eine europäische Versicherungsaufsichtsbehörde sei eine „MegaMammutinstitution“, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 22. Besonders kritisch auch heute noch Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung Rn. 167.
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für das Lamfalussy-Verfahren267 eingesetzten Ausschüsse CESR, CEBS und CEIOPS zurück. Sie erfüllen nur in wenigen Bereichen genuin europäische Aufsichtsaufgaben.268 In erster Linie sollen sie das Auftreten der nationalen Aufsichtsbehörden koordinieren.269 Das gesamte System ist somit von einer starken Schonung mitgliedsstaatlicher Kompetenzen geprägt.270 Es „ersetzt daher in keiner Weise die nationalen Aufsichtsstrukturen, sondern verdichtet und verstärkt im Wesentlichen lediglich die bisherige informelle Kooperation durch forcierte Koordination und Informationsbefugnisse. […] Es ist ein Überbau, der sich erst noch beweisen muss.“271 b) Pläne der Europäischen Kommission für eine „Bankenunion“ Parallel hierzu entwickelt sich derzeit eine zweite Aufsichtsarchitektur für Banken im Euroraum, seit aufgrund der europäischen Schuldenkrise die Pläne für eine „Bankenunion“ immer stärker vorangetrieben werden.272 Ursprünglich sahen die Vorschläge der Kommission hierfür unter anderem die Schaffung eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus („single supervisory mechanism“, SSM), eines verbesserten Restrukturierungs- und Abwicklungssystem zur Vermeidung künftiger Bankenrettungen273 („single resolution mechanism“, SRM) und gestärkte, miteinander verknüpfte Einlagensicherungssysteme der einzelnen Mitgliedsstaaten vor.274 Sowohl der einheitliche Aufsichts- als auch der Abwicklungsmechanismus sind
267 Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte (Lamfalussy Bericht), S. 19 ff. Eine detaillierte Darstellung des Rechtssetzungsprozesses findet sich bei Walla, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 2 Rn. 23 ff.; Weber-Rey/ Baltzer, in: Hdb. CG für Banken, S. 431, 439 ff. 268 Z. B. die Aufsicht der ESMA über Ratingagenturen sowie die Eingriffsbefugnisse im Krisenfall gem. Artt. 18 der EBA und ESMA VO. Der Vorschlag der Kommission zur MiFiR sieht weitere direkte Kompetenzen vor, Art. 31 MiFiR-E, KOM (2011) 652 endg. Zur Vereinbarkeit direkter Kompetenzen mit dem Europarecht Rötting/Lang, EuZW 2012, 8, 12. 269 Vgl. Artt. 1 Abs. 5 UA 2 Verordnung (EU) 1093/2010 (EBA); 1 Abs. 6 UA 2 Verordnung (EU) 1094/2010 (EIOPA); 1 Abs. 5 UA 2 Verordnung (EU) 1095/2010 (ESMA). 270 So statt vieler Hopt, NZG 2009, 1401, 1405; Wittig, in: Kümpel/Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rz. 1.91: „bleibt der Schwerpunkt der laufenden Beaufsichtigung bei den nationalen Aufsichtsbehörden“. 271 So Heun, JZ 2012, 235, 239. 272 Vgl. Europäische Kommission, IP/12/953: „Eine bloße Koordinierung der nationalen Bankenaufsicht ist für den Euroraum keine Option mehr“. Eine vergleichbare Entwicklung im Bereich der Versicherungsaufsicht ist auf Basis der jetzigen Rechtslage übrigens nicht denkbar, s. Art. 127 Abs. 6 AEUV. 273 Mittlerweile umgesetzt mit der RiLi 2014/59/EU (Sanierungs- und AbwicklungsRiLi). Zur Problematik schon Hopt, NZG 2009, 1401, 1402: „Today banks act globally, but die nationally.“ 274 Dazu Europäische Kommission, Auf dem Weg zu einer Bankenunion, Memo/12/656, S. 1.
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
mittlerweile beschlossene Sache.275 Diese Aufgaben werden durch die europäische Zentralbank wahrgenommen. Hierdurch soll eine „rigorose und unabhängige Beaufsichtigung des EU-Bankensektors ermöglich[t]“276 und auf diesem Wege das verlorene Vertrauen in den europäischen Finanzsektor wiederhergestellt werden.277 Dies erfordert eine enge Abstimmung der EZB mit den Aufsichtsbehörden der 19 Euro-Mitgliedsstaaten sowie der EBA, die ihrerseits für die gesamte Union zuständig ist.278 Die EZB übt die direkte Aufsicht jedoch nicht über alle Banken des Euroraums, sondern nur über „bedeutende“ Institute mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Mrd. Euro aus.279 Sie hat ihre Arbeit im November 2014 aufgenommen.
II. Die Regulierung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach dem WpHG Die Wertpapieraufsicht ist mit Abstand der jüngste der drei Aufsichtssektoren und geht auf die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993 zurück.280 Hierdurch sollte ein level playing field für Kreditinstitute und Wertpapierhäuser innerhalb des Binnenmarktes geschaffen werden.281 Mittlerweile wurden die Anforderungen an 275 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 (SSM) und Verordnung (EU) Nr. 806/2014 (SRM). 276 Europäische Kommission, Auf dem Weg zu einer Bankenunion, Memo/12/656, S. 2. 277 Politischer Hintergrund hierfür ist die anhaltende Euro- und Staatsschuldenkrise. Um einzelne Mitgliedsländer von der Last der Rettung ihrer nationalen Banken zu befreien, soll der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) in Zukunft Geld nicht nur an Staaten, sondern an Banken direkt verleihen dürfen. Dafür muss aber im Gegenzug eine einheitliche Bankenaufsicht für den Euroraum gesichert sein, s. Europäische Kommission, Auf dem Weg zu einer Bankenunion, Memo/12/656, S. 2: „Dadurch wird das notwendige Vertrauen zwischen den Mitgliedsstaaten geschaffen, das eine Voraussetzung für den Rückgriff auf gemeinsame Rettungsschirme ist, vor allem bei einer direkten Rekapitalisierung von Banken durch den ESM.“ 278 Europäische Kommission, Memo/12/662, S. 8: „The role of EBA will be preserved. It will continue developing the single rulebook applicable to all 27 Member States and enhance convergence of supervisory practices across the whole Union.“ 279 Vgl. Art. 6 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 (SSM) sowie Art. 43 ff. der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 (SSM-Rahmenverordnung). 280 RiLi 93/22/EWG, umgesetzt durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz (FFG), BGBl. 1994 I, S. 1749; in Kraft ab 01. 01. 1995. Eine erste Empfehlung in diese Richtung war bereits 1977 durch die Europäische Kommission ergangen (77/534/EWG). Zur Harmonisierung des europäischen Wertpapiergeschäfts s. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung Rn. 30 ff.; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 bis 37a, Rn. 2 ff.; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 3 f. Ausführlich auch Gruner-Schenk, Harmonisierung des Bankaufsichtsrechts, S. 239 ff. 281 RiLi 93/6/EWG, Präambel: „In einem gemeinsamen Binnenmarkt im Finanzsektor treten Institute, ob sie nun Wertpapierfirmen oder Kreditinstitute sind, in direkten Wettbewerb miteinander. Es ist daher wünschenswert, die Gleichbehandlung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen zu erreichen.“; dazu Gruner-Schenk, Harmonisierung des Bankaufsichtsrechts, S. 239 ff.; Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 32 Rn. 12.
C. Aufsichtsrechtliches Regelungsumfeld
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Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch die MiFID282 entscheidend weiterentwickelt und durch die Kapitaladäquanzrichtlinie aus dem Jahr 2006 in Fragen der Eigenmittelausstattung an die Vorschriften für Kreditinstitute herangeführt.283 Dennoch verbleiben gewisse Unterschiede in der Regulierung, die auf die Besonderheiten des Wertpapiergeschäfts zurückzuführen sind. 1. Was macht Wertpapierdienstleister besonders? a) Besondere volkswirtschaftliche Bedeutung der Marktintermediation Der Kapitalmarkt ermöglicht es Unternehmen, sich durch die Ausgabe von Wertpapieren zu finanzieren. Seit den neunziger Jahren ist diese sog. securitization zum zweiten Stützpfeiler der Unternehmensfinanzierung neben der Kreditfinanzierung herangewachsen.284 Um diese Kapitalquelle anzuzapfen, sind die Emittenten allerdings auf die Hilfe von Finanzinstituten angewiesen. Diese besorgen die Emission neuer Papiere und deren Platzierung am Markt. Auf der anderen Seite beraten sie professionelle Investoren und Kleinanleger beim Kauf eben dieser Wertpapiere. Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind somit in erster Linie Marktintermediäre.285 b) Besondere Risikoexposition und systemische Gefahren Beschränkten sich die Institute ausschließlich auf die Beratung und Vermögensverwaltung ihrer Kunden, so entstünden für sie hieraus keine besonderen Gefahren. In vielerlei Fällen sind sie jedoch selbst in erheblichem Maße den Risiken von Marktschwankungen ausgesetzt.286 Dies gilt insbesondere für den großen Bereich 282
RiLi 2004/39/EG; umgesetzt durch das FRUG, BGBl. 2007 I, S. 1330. RiLi 2006/49/EG, Erwägungsgrund 12: „Um das Finanzsystem der Gemeinschaft zu stärken und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ist es zweckmäßig, gemeinsame Basisstandards für Eigenmittel festzulegen.“ 284 So auch Bröcker, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 6, A. II., Rn. 11; Höhns, Aufsicht über Finanzdienstleister, S. 34. Vgl. auch die eingehende empirische Darstellung bei Rudolf, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 1 Rn. 31 ff. 285 So Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 7; Junker, Gewährleistungsaufsicht, S. 66. Dieses sog. Effektengeschäft bildet aber schon lange nicht mehr die alleinige Geschäftsrealität in den Instituten ab, s. High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report, S. 3: „In particular for large institutions, the relative weight of banking activities has shifted from deposit taking, lending, securities underwriting, and trust services towards dealer and market-making activities, brokerage services, and own account trading.“ 286 Ruffner/Stupp, in: FS Kleiner, 1993, S. 395, 403: „Investmentfirmen halten aus verschiedenen Motiven, wie etwa als underwriter im Emissionsgeschäft oder als Market Maker an den Aktienmärkten, eigene Handelspositionen. Diese Bestände sind Preis- bzw. Marktrisiken 283
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
des Eigenhandels.287 Hier tritt das Institut als Käufer bzw. Verkäufer von verschiedensten Finanzinstrumenten selbst in Erscheinung. In diesem Bereich finden die nach der letzten Finanzkrise so häufig beklagten „Spekulationsgeschäfte“ an Terminbörsen und auf anderen Märkten statt. Die Krisenauslöser, namentlich SubprimeDerivate und Credit Default Swaps288 wurden auf eben diesen Kanälen zwischen den einzelnen Instituten gehandelt. Die Finanzkrise hat damit zugleich die systemische Bedeutung des Investment Banking bestätigt: wenn die Wertpapierdienstleistungsinstitute nicht ohnehin Teil einer größeren Bank sind, so sind sie jedenfalls auf unüberschaubar vielen Kanälen mit anderen Instituten verflochten. Fällt dann eines dieser Institute aus, so kann dies nachhaltige Auswirkungen auf die Bilanzen aller anderen haben.289 c) Besondere Schutzbedürftigkeit von Anlegern Der Wertpapieranleger ist vergleichsweise hohen Risiken ausgesetzt.290 Denn durch den Erwerb von Wertpapieren investiert er unmittelbar in ein Unternehmen und trägt damit auch das volle Ausfallrisiko dieser Anlage.291 Vollkommen anders ergeht es dem Einleger, der die Wirtschaft allein mittelbar durch seine Bank finanziert, die diese Risiken streut und transformiert.292 Der Anleger ist ob dieses Risikos im besonderen Maße auf eine ordnungsgemäße Beratung durch den Wertpapierdienstleister angewiesen.293 Zwischen beiden Seiten besteht indes ein immenses Informationsgefälle, denn der Anleger wird wegen seiner mangelnden ausgesetzt. Extrem hohe Preisschwankungen […] können hohe Bewertungsverluste verursachen.“ 287 Vgl. § 1 Abs. 1a Nr. 4 KWG. 288 Zur Entwicklung der Finanzkrise instruktiv Hellwig, Gutachten E des 68. DJT 2010, E 9 ff.; Rudolph, ZGR 2010, 1 ff. sowie High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report, S. 4 ff. 289 Vgl. Ruffner/Stupp, in: FS Kleiner, 1993, S. 395, 404. Dazu auch schon Erster Teil C. I. 1. c), S. 51. 290 Grundlegend zu den typischen Anlegerrisiken, Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 83 – 146. Zu den Unterschieden im Anleger- und Kreditnehmerschutz auch Emmerich, in: FS Möschel, S. 945 ff., allerdings allein mit Blick auf zivilrechtliche Haftungsinstrumente. 291 Hopt bezeichnet dies als „Risiko der Substanzerhaltung“, Kapitalanlegerschutz, S. 83. Dieses Risiko trifft grundsätzlich auch den Einleger, im Fall der Insolvenz einer Bank ist er jedoch durch den Einlagensicherungsfonds jedenfalls bis zu einer gewissen Höhe geschützt. 292 Dazu Erster Teil C. I. 1. a), S. 48 f. 293 So auch M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 53: „Aufgrund des besonderen Verlustrisikos und dem fehlenden Kontakt des Anlegers zum Emittenten kommt der (virtuellen) Aufklärungs- und Beratungsleistung der Bank hier eine deutlich stärkere Bedeutung als beim Commercial Banking zu.“ Eingehend zum Informationsrisiko des Anlegers schon Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 88 ff.; ebenso G. Roth, in: FS Horn, S. 835, 840; Ruffner/Stupp, in: FS Kleiner, 1993, S. 395, 406: „Informationen spielen im Wertschriftengeschäft eine zentrale Rolle, zumal die Haupttätigkeit der Erbringer zahlreicher Finanzdienstleistungen in der Verarbeitung von Informationen besteht.“
C. Aufsichtsrechtliches Regelungsumfeld
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fachlichen Kenntnisse regelmäßig nicht in der Lage sein, die Qualität des ihm angebotenen Produkts zu überprüfen. Er muss daher auf den Rat seines Gegenüber vertrauen294 und darauf setzen, dass dieser seinen Informationsvorsprung nicht zu seinem Nachteil ausnutzt.295 Eigene Möglichkeiten der Kontrolle hat er nicht,296 so dass er auf den Schutz durch das Recht angewiesen ist.297 2. Ziele der Regulierung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen Im Vergleich zum KWG hat der Gesetzgeber mit den §§ 31 ff. WpHG also verstärkt den Schutz der Anleger in den Mittelpunkt gerückt.298 Diese müssen über die Risiken einer Kapitalanlage umfassend informiert und beraten werden, um eine sachgerechte Anlageentscheidung zu ermöglichen und zugleich die Gefahren des over-optimism299 einzudämmen. Die Wissens- und Kontrolldefizite des Anlegers durch Schutzvorschriften auszugleichen, ist zugleich wichtig, um die volkswirtschaftliche Funktion der Wertpapierdiensthäuser als „Finanzierungsbeschaffer“ für Unternehmen am Kapitalmarkt zu bewahren.300 In der Regulierung von Wert-
294 Zum Vertrauensproblem des Institutskunden eingehend M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 54 ff. 295 Dazu auch Ruffner/Stupp, in: FS Kleiner, 1993, S. 395, 408. Ausführlich zur zivilrechtlichen Rechtsprechung zu diesem Themenkreis Emmerich, in: MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2012, § 311 Rn. 112 ff. Existiert dieses Vertrauen nicht mehr, wirkt sich dies wiederum auf die Funktionsfähigkeit des Marktes insgesamt aus, s. Bundesministerium für Wirtschaft und Technik, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Krise, S. 12. 296 Hopt spricht diesbzgl. von der „wirtschaftlichen Übermacht“ der Bank, die zur „fachlichen Übermacht“ hinzutritt, Kapitalanlegerschutz, S. 9. 297 Das Recht bietet dementsprechend abgestuften Schutz nach der Professionalität der Kunden, vgl. § 31a WpHG. Die Liikanen Gruppe sieht aber nichtsdestotrotz noch Nachholbedarf, sie konstatiert einen „lack of focus on consumer protection in financial regulation and supervision“, High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector, Final Report, S. 94. 298 Dazu schon Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 334 ff. § 4 Abs. 1 WpHG scheint zwar auf einen Vorrang des Funktionsschutzes hinzudeuten; die europäische MiFID-Richtlinie (2004/ 39/EG) betont hingegen ebenfalls den Anlegerschutz, vgl. Überschrift unter Titel II, Abschnitt 2. der RiLi: „Bestimmungen zum Anlegerschutz“. Auch in der Literatur wird der Anlegerschutz hervorgehoben, s. Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 bis 37a, Rn. 53: „Die Verhaltensregeln (i.e.S.) stellen schon ihrem Wortlaut nach den einzelnen Kapitalanleger und Wertpapierkunden ganz in den Mittelpunkt.“ sowie Bröcker, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 6 A. II. Rn. 91: „Anlegerschutz ist eine zentrale Rechtsidee des Kapitalmarktrechts“. 299 Allgemein dazu Englerth, in: Petersen/Towfigh, Ökonomische Methoden im Recht, S. 182 ff. Vgl. auch schon Smith, Wealth of Nations, Book 1 Ch. 10 Part I, S. 124: „The chance of gain is by every man more or less over-valued, and the chance of loss is by most men undervalued […].“; speziell zur „over-confidence“ am Kapitalmarkt Veil, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 8 Rn. 23. 300 So auch Höhns, Aufsicht über Finanzdienstleister, S. 53.
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
papierdienstleistungsunternehmen gehen Individual- und Funktionsschutz daher Hand in Hand.301 3. Konkrete Vorgaben des Aufsichtsrechts Wertpapierdienstleistungsunternehmen unterliegen gemäß § 1 Abs. 3d S. 2 KWG grundsätzlich denselben Regeln wie Kreditinstitute.302 Die zusätzlichen Anforderungen gemäß §§ 31 ff. WpHG ergeben sich aus ihrer darüber hinausgehenden Funktion als Marktintermediäre. Die dort niedergelegten Pflichten erstrecken sich in zwei Richtungen.303 Sie betreffen zunächst den Bereich der Anlageberatung (§§ 31 ff. WpHG)304, sind also transaktionsbezogen. Die §§ 33 – 34a WpHG stellen darüber hinaus unternehmensbezogene Anforderungen an die interne Organisation auf, die nach dem Gesetzeswortlaut noch über die Anforderungen des § 25a KWG hinausreichen sollen.305 § 33 WpHG wird von der BaFin regelmäßig in einem Rundschreiben, der MaComp, konkretisiert.306 Die Einhaltung der §§ 31 ff. WpHG wird – neben der allgemeinen Missstandsaufsicht durch die BaFin (§ 4 Abs. 1 S. 3 WpHG) – jedes Jahr gesondert geprüft (§ 36 WpHG).
301 So auch RiLi 2004/39/EG (MiFiD), Erwägungsgrund 44. Grundlegend Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 50 f.; ebenso Fuchs, in: ders., WpHG, Vor §§ 31 bis 37a Rn. 51; Höhns, Aufsicht über Finanzdienstleister, S. 59; Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 24; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 11; Veil, in: ders., Europ. KapMarktR, § 2 Rn. 77. Zu Individual- und Funktionsschutz als zwei Seiten derselben Medaille bereits Fn. 192, S. 53. 302 § 1 Abs. 3d S. 2 KWG. Dazu Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG § 1 Rn. 120; Weber/Seifert, in: Luz/Neus/Schaber/Scharpf/Schneider/Weber, KWG, § 1 Rn. 36. Ausnahmen finden sich in § 2 KWG. Zum Verhältnis von WpHG und KWG s. Junker, Gewährleistungsaufsicht, S. 59 f., konkret S. 60: „Um diese in ihrer Kompliziertheit schwer zu überbietende Regelung auf eine einfache Formel zu bringen, kann folgendes festgestellt werden: Nicht alle Institute im Sinne von § 1 Abs. 1 b, 53 Abs. 1 S. 1 KWG sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen, aber alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind Institute im Sinne von § 1 Abs. 1b, 53 Abs. 1 S. 1 KWG und unterliegen damit auch der Aufsicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes.“ 303 Zu dieser Unterscheidung auch Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankRHdb. Bd. II, § 109 Rn. 7; Höhns, Aufsicht über Finanzdienstleister, S. 193 ff., 197 ff. 304 Dazu Hannöver, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 110. 305 Dazu Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 109. Der Gesetzeswortlaut ist jedenfalls redundant, da das KWG auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen ohnehin Anwendung findet, s. auch Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 5. 306 Rundschreiben 4/2010 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen v. 07. 06. 2010 in der Neufassung vom 30. 11. 2012.
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4. Aktuelles Regulierungsvorhaben: MiFID II Das „Grundgesetz des europäischen Sekundärmarktrechts“307, die MiFID, geht mit einigen grundlegenden Veränderungen nun ebenfalls in die zweite Richtliniengeneration. So sieht die MiFID II-Richtlinie308 neben diversen Änderungen im allgemeinen Kapitalmarktrecht auch erweiterte Pflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen vor.309 Aus dem Bereich der Corporate Governance ist hier besonders die Einführung einer „Geschäftsleiterkontrolle“ zu nennen, die in dieser Form bisher allein aus dem Bank- und Versicherungsaufsichtsrecht bekannt war.310
III. Die Regulierung von Versicherungen Seit seiner Entstehung im Jahr 1901311 galt das Versicherungsaufsichtsrecht lange Zeit als der „weitentwickelste Zweig der Wirtschaftsaufsicht“312 in Deutschland. In den letzten beiden Dekaden ist es jedoch zusehends vom Recht der Bankenaufsicht überholt und, man möchte fast sagen, vor sich hergetrieben worden. Die aktuell auf europäischer Ebene voranschreitenden Änderungen durch Solvency II313 lassen denn auch enge Parallelen zum Basel II-Regelwerk erkennen.314 Die Richtlinie ist zudem vollharmonisierend angelegt,315 womit die vollständige Integration des europäischen Versicherungsbinnenmarktes endgültig besiegelt sein dürfte.316 307
So Grundmann, Europ. GesR, § 4 Rn. 122. Vgl. RiLi 2014/65/EU (MiFiD II) sowie die dazugehörige Verordnung (EU) Nr. 600/ 2014 (MiFiR). 309 Zu dem Vorschlag ausführlich Veil/Lerch, WM 2012, 1557 ff. (Teil I) und 1605 ff. (Teil II). 310 Art. 9 Abs. 1 der RiLi 2014/65/EU (MiFiD II). Zum Vorschlag schon Veil/Lerch, WM 2012, 1557. 311 RGBl. 1901 I, S. 139; in Kraft ab 01. 01. 1902. Ausführlich zur Historie Kaulbach/ Pohlmann, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Vor § 1 Rn. 18 ff.; Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 5 ff.; Langheid, in: MünchKomm VVG, Systematische Einführung in das Aufsichtsrecht Rn. 4 ff.; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 179 ff. 312 So Kraus, Versicherungsaufsichtsrecht, 1971, S. 6; Stein, Wirtschaftsaufsicht, 1967, S. 22. 313 Dazu sogleich Erster Teil C. III. 3. e), S. 79 f. Vor der Solvency II-Richtlinie waren bereits drei Richtliniengenerationen ergangen, s. den Überblick bei Kaulbach/Pohlmann, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Vor § 1 Rn. 21 ff.; Langheid, in: MünchKomm VVG, Systematische Einführung in das Aufsichtsrecht, Rn. 46; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 184 ff.; Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 31 Rn. 4 ff. 314 Zur Entwicklung des europäischen Versicherungsaufsichtrechts s. Langheid, in: MünchKomm VVG, Systematische Einführung ins Aufsichtsrecht, Rn. 34 ff.; Schnyder, Europäisches Banken- und Versicherungsrecht, 2005. 315 Dazu umfassend Dreher/Lange, VersR 2011, S. 825 ff.; ebenso Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II Rn. 5; Lüttringhaus, EuZW 2011, S. 822; Sehrbrock/ Gal, Corporate Finance law 2012, 140, 142. Richtigerweise müsste man eigentlich von Ma308
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1. Was macht Versicherungen besonders? Die gesonderte Regulierung der Versicherungen beruht – so wie im Bereich der Kreditinstitute – auf deren volkswirtschaftlicher Bedeutung, deren besonderer Risikoexposition aufgrund ihres Geschäftsmodells sowie den systemischen Gefahren im Krisenfall. Hinzu kommt die besondere Schutzbedürftigkeit der Versicherungsnehmer.317 a) Besondere volkswirtschaftliche Bedeutung der Risikovergemeinschaftung Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Versicherungen kann schwerlich unterschätzt werden. Zunächst einmal fungieren sie als Finanzintermediäre, indem sie das Kapital der Versicherten entgegennehmen und als Großinvestoren den verschiedensten Unternehmen zuführen.318 Sie werden aus diesem Grund – ebenso wie Banken – als „Kapitalsammelstellen“ bezeichnet.319 Über diese Finanzierungsrolle hinaus folgt ihre herausragende Bedeutung aber aus ihrem Geschäftsmodell: der Risikovergemeinschaftung.320 Es greift die Erfahrungstatsache auf, dass die Realisierung eines bestimmten Risikos zwar vielen droht, aber nur wenige trifft.321 Die Versicherung dieses Risikos ermöglicht dem Einzelnen seine sog. Liquiditätspräferenz zu senken, d. h. weniger Bargeld für den Schadensfall zu „horten“ und es stattdessen in den Wirtschaftskreislauf fließen zu lassen.322 Die Vorsorge des Einximalharmonisierung sprechen, da ein „gold plating“ der Richtlinienvorschriften durch einzelne Mitgliedsstaaten gerade nicht mehr stattfinden soll, vgl. Wandt/Sehrbrock, in: Dreher/ Wandt, Solvency II in der Rechtsanwendung, S. 1, 4 f. 316 Lüttringhaus, EuZW 2011, 822, 828: „Mit der Vollharmonisierung durch Solvency II erreicht die mikroprudentielle Versicherungsaufsicht in EU und EWR einen bedeutenden Meilenstein.“ 317 Dazu auch ausführlich Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 212 ff. 318 So schon Michaels, Staatsaufsicht, 1967, S. 20: „[M]an kann wohl mit Recht behaupten, dass in Deutschland – wie in allen anderen Industrienationen – die Aufnahmebereitschaft und Funktionstüchtigkeit des Kapitalmarkts sehr weitgehend von der Versicherungswirtschaft abhängt und insbesondere der Markt für festverzinsliche Werte ohne die Versicherung in seiner heutigen Bedeutung kaum denkbar wäre“; ebenso Bach/Nguyen, ZVersWiss 2012, 175, 181: „Versicherungsunternehmen zählen neben Kreditinstituten zu den beiden Prototypen des Finanzintermediärs.“ 319 So schon Voigt, VersArch 1955, 89, 103; jüngst Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 550. 320 Vgl. Michaels, Staatsaufsicht, S. 16: „Grundlage des Versicherungsgedankens überhaupt ist, das Risiko des Einzelnen durch Zusammenstellung einer möglichst großen Risikogemeinschaft zu verringern“; Sinn, ZVersWiss 1988, 1, 13: „Das Bedürfnis nach Sicherheit ist eines der fundamentalen Kennzeichen der menschlichen Präferenzen und die Existenz des Versicherungssektors leitet sich aus der Aufgabe ab, es zu befriedigen.“ 321 Dazu Voigt, VersArch 1955, 89, 91: die Aufgabe der Versicherung sei „die kollektive Deckung eines von zufälligen Ereignissen abhängigen individuellen Vermögensbedarfs“. 322 Dazu schon Michaels, Staatsaufsicht, S. 16; Voigt, VersArch 1955, 89, 92 f. Jüngst Bach/ Nguyen, ZVersWiss 2012, 175, 183: „Durch die planmäßige und gesteuerte Organisation von Risikokollektiven sowie den Einsatz weiterer risikopolitischer Instrumente bewirkt der Ver-
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zelnen reduziert sich dann auf die Prämienzahlung. Was auf der Ebene des Individuums gilt, gilt ebenso für Unternehmen – die Versicherbarkeit bestimmter Risiken ermöglicht es ihnen, Produktionskosten zu senken und so mehr Kapital für Investitionen und Innovationen freizuhalten.323 Auch wird der Spielraum für unternehmerische Risiken größer.324 Zu Recht wird daher der wirtschaftliche und vermögensrechtliche Freiraum betont, der durch die Versicherungsleistung geschaffen wird.325 Die gesamte Volkswirtschaft ist also auf ein funktionierendes Versicherungswesen angewiesen.326 b) Besondere Risikoexposition aufgrund des Geschäftsmodells Ähnlich wie bei Banken bedingt dieses Geschäftsmodell jedoch eine erhöhte Risikoexposition des Unternehmens, denn das Geschäft der Versicherungen liegt gerade in der Übernahme und Verteilung von Risiken.327 Unsicherheit erwächst nun daraus, dass nicht vorhersehbar ist, zu welchem Zeitpunkt328 und in welchem Umfang329 ein Versicherungsfall eintreten wird.330 Die Liquiditätsplanung ist daher von großer Bedeutung.331 Denn für den Versicherungsnehmer hat die Zahlungsfähigkeit des Versicherers im Schadensfall höchste Priorität. Häufig handelt es sich um erhebliche Summen, die bei Nichtauszahlung existenzgefährdende Risiken für den
sicherer, dass der versicherte Gesamtschaden bei gleichem Sicherheitsniveau günstiger getragen werden kann als im Fall der Selbsttragung der Risiken. Hierin liegt die identitätsstiftende Leistung der Institution Versicherung. Aus ihr resultuiert ein volkswirtschaftlicher Effizienzgewinn.“ 323 Dazu schon Sinn, ZVersWiss 1988, 1, 15; jüngst Bach/Nguyen, ZVersWiss 2012, 175, 183. 324 Laut Sinn und Meyer handele es sich um ein moral hazard im positiven Sinne, s. Sinn, ZVersWiss 1988, 1, 24; Meyer, ZVersWiss 1989, 191, 196. 325 So ausdrücklich Winter, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 57. 326 Vgl. Sinn, ZVersWiss 1988, 1, 19: „Ohne ein funktionierendes Versicherungswesen oder ähnliche Risikokonsolidierungsmechanismen könnte die moderne Industriegesellschaft nicht existieren.“ 327 Dazu Bach/Nguyen, ZVersWiss 2012, 175, 183: „Neben dem reinen Risikotransfer besteht die originäre Leistung von Versicherungsunternehmen jedoch in der spezifischen Transformation, der sog. Risikotransformation.“ 328 Auch der EuGH betont den „besonderen Charakter der Leistung des Versicherers, die von künftigen Ereignissen abhänge, deren Eintritt oder jedenfalls Moment des Eintritts zur Zeit des Vertragsschlusses noch ungewiss sei“, NJW 1987, 572, 574 (Kommission/BRD). 329 Das gilt in erster Linie für die Kranken- und Schadensversicherungen, dazu auch Ohler, ZVersWiss 2012, 431, 439. 330 Das klassische Versicherungsgeschäft birgt daher die größten Gefahren auf der Passivseite der Bilanz. Banken stehen hingegen – auch ohne Wertpapiergeschäft – sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite ihrer Bilanz unter Druck (Werthaltigkeit der eigenen Forderungen; fortlaufende Versorgung mit Kapital). 331 Dazu auch Ohler, ZVersWiss 2012, 431, 435 f.
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Einzelnen mit sich bringen können.332 Hierin liegt die Quelle der Vertrauensanfälligkeit und damit zugleich die Ursache der institutsinhärenten Instabilität der Versicherungsunternehmen. c) Besondere Gefahren in Krise und Insolvenz Auch für Versicherungsunternehmen ist das Vertrauen ihrer Kunden also das „Fundament“ ihrer Geschäftstätigkeit.333 Die systemischen Gefahren sind allerdings etwas anders gelagert als im Bankensektor.334 So lässt sich ein insurance-run schwerer lostreten als ein bank-run: Einlagen können schließlich jederzeit abgezogen, Versicherungen müssen hingegen gekündigt werden.335 Ein flächendeckender Liquiditätsabzug durch die Versicherungsnehmer ist daher wenig wahrscheinlich. Dennoch bestehen Ansteckungsgefahren zweierlei Art: zum einen sind Versicherungen durch ihre umfangreiche Anlage in Wertpapieren und Finanzinstrumenten direkt von Marktpreisschwankungen betroffen und müssen ggf. Abschreibungen in großer Höhe vornehmen.336 Zum anderen sind sie bei der Einbindung in ein Finanzkonglomerat337 den Risiken durch andere Gruppenunternehmen mittelbar mit ausgesetzt.338 Konsequenterweise bestehen daher auch im Versicherungssektor spezielle Regime für den Fall der Sanierung und Liquidation339 sowie Sicherungssysteme für den Insolvenzfall.340 Auch die Finanzmarktstabilisierungsgesetze der 332
So auch Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 550. So Präve, VW 2007, 1380, 1384. Vgl. auch schon die Begr. zum VAG 1901: „[D]er Versicherungsbetrieb [ist] mehr als irgendein anderer Wirtschaftszweig auf das Vertrauen der Bevölkerung angewiesen […].“, abgedruckt in BAV, Motive zum VAG, S. 24. Auch der EuGH betont, es handele sich beim Versicherungsmarkt um einen „besonders sensible[n] Bereich“, NJW 1987, 572, 574 (Kommission/BRD). 334 Dazu auch Bach/Nguyen, ZVersWiss 2012, 175, 186 ff.; Winter, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 19. Vgl. EIOPA-VO (1094/2010), Erwägungsgrund 14: „Alle Arten von Finanzintermediären, -märkten und -infrastrukturen können potenziell in gewissem Maße systemrelevant sein.“ 335 Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 213; Ohler, ZVersWiss 2012, 431, 433 f. 336 Ohler, ZVersWiss 2012, 431, 434: „Den eigentümlichen Risiken der Finanzmärkte sind Versicherungsunternehmen allerdings auf der Aktivseite der Bilanz ausgesetzt, wenn und soweit sie in Finanzinstrumente investiert haben.“; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 550. 337 Ein Finanzkonglomerat ist eine Unternehmensgruppe, der mindestens ein Unternehmen der Versicherungsbranche sowie ein Unternehmen der Bank- oder Wertpapierbranche angehört, § 1 Abs. 20 Nr. 3 KWG. 338 Ohler, ZVersWiss 2012, 431, 439: „Nach Auffassung der internationalen Aufsichtsgremien führt allein die Komplexität einer solchen Unternehmensgruppe zu einer Steigerung des systemischen Risikos.“ 339 RiLi 2001/17/EG. 340 Verwiesen sei auf die auf freiwilliger Basis errichteten Systeme „Protektor“ für den Lebensversicherungs- und „Medikator“ für den Krankenversicherungsbereich. Diese übernehmen im Insolvenzfall die Versicherungsverträge und führen sie fort. Dazu Steffen, in: Steffen/Nickel-Waninger/Stöhr, Versicherungsaufsicht im europäischen Wandel, S. 7, 14: 333
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letzten Krise galten ausdrücklich für Versicherungsunternehmen;341 der Gesetzgeber hat damit die von solchen Unternehmen ausgehenden systemischen Risiken explizit anerkannt. Anders als die Banken, scheinen jedoch die deutschen Versicherer die Finanzkrise bisher weitgehend unversehrt überstanden zu haben.342 d) Besondere Schutzbedürftigkeit der Versicherungsnehmer Versicherungsnehmer gelten aus verschiedenen Gründen als noch schutzbedürftiger als An- bzw. Einleger. Das beruht auf drei Erwägungen: Zunächst einmal ist die Möglichkeit zur Versicherung für den Einzelnen von immenser sozialer Bedeutung, sie verschafft ihm „wirtschaftlichen [und] vermögensrechtlichen Freiraum“343. Gleichzeitig ist er dem Versicherungsunternehmen aber strukturell weit unterlegen344, sieht sich mit hochkomplexen Produkten345 und undurchsichtigen Risikostrategien346 konfrontiert.347 Mangels eigener Verhandlungsmacht348 ist er zudem nicht in der Lage, seine Schutzbelange gegenüber dem Versicherer eigenständig wahrzunehmen.349 Dieser Schutz muss daher durch den Staat geleistet werden.350 Darüber hinaus ist die Lage des Versicherten im Versicherungsfall be„Ausschlaggebend für diese deutsche Lösung war, dass gerade Lebens- und Krankenversicherung eine wichtige soziale Bedeutung haben und Versicherungsnehmer im Not- und Krankheitsfall nicht ohne funktionierenden Versicherungsschutz dastehen sollen.“ 341 Vgl. §§ 2 Abs. 1 S. 2 FmStFG, 1 S. 1 FMStBG; hierauf hinweisend Ohler, ZVersWiss 2012, 431, 441. 342 Ohler, ZVersWiss 2012, 431: „Hort der Stabilität“. International gilt das jedoch nicht, man denke an den amerikanischen Versicherer AIG. 343 So Winter, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 57. 344 Ebenso Winter, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 58. 345 Dazu auch Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 213: „Versicherungsprodukte, die aufgrund ihrer Ausgestaltung intransparent für den Versicherungsnehmer und daher einem für den Wettbewerb notwendigen Vergleich kaum zugänglich sind.“ 346 EuGH NJW 1987, 572, 574 (Kommission/BRD) Tz. 30: „Ebenso kann der Versicherungsnehmer im allgemeinen nur äußerst schwer beurteilen, ob ihm die voraussichtliche Entwicklung der finanziellen Situation des Versicherers und die Versicherungsbedingungen, die ihm dieser meistens vorschreibt, eine ausreichende Garantie dafür bieten, daß er im Versicherungsfall entschädigt wird.“ 347 So schon die Begründung zum VAG im Jahr 1901, in: BAV, Motive zum VAG, S. 24: „[S]elbst der sorgsame und verständige Bürger [ist] ohne Hülfe von anderer Seite zu eigener zuverlässiger Beurtheilung der Anstalten, denen er sich anvertrauen muß, regelmäßig nicht im Stande […].“ 348 Ebenso BVerfGE 114, 73, 95: „Die Vertragsbedingungen der Lebensversicherer sind auch heute praktisch nicht verhandelbar.“ 349 Aus diesen Gründen existiert neben dem Aufsichtsrecht auch ein spezielles Versicherungsvertragsrecht. Dazu Hübner, in: Dauses, Hdb. EU WirtschaftsR, E.IV. Rn. 68: „[E]ine vergleichbare Rolle spielen rechtliche und Vertragsbedingungen wahrscheinlich in keinem anderen Wirtschaftsbereich“. 350 BVerfGE 114, 73, 97: „Angesichts der fehlenden Möglichkeiten der Versicherungsnehmer, ihre Belange zum Schutz der auch von der Eigentumsgarantie umfassten rechtlichen
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sonders prekär. Gerade bei Lebens- oder Schadensversicherungen wird es häufig zu einer finanziellen Abhängigkeit von der Leistung des Versicherers kommen, die unter Umständen existenzgefährdende Ausmaße annehmen kann.351 Dies ist umso misslicher, da es sich bei Versicherungen um ein „Massenphänomen“352 handelt. Dazu vermerkte der Gesetzgeber bereits 1901: „Bei langfristigen Versicherungen, namentlich bei der Lebensversicherung, vertraut der Versicherungsnehmer für seine Lebenszeit oder für Jahrzehnte seine oft nur unter den empfindlichsten Entbehrungen erzielten Ersparnisse der Anstalt in der Zuversicht an, dass redlich dem Versicherungszweck entsprechend damit geschaltet wird. Der Staat hat ein lebhaftes Interesse daran, dieses Vertrauen […] zu schützen.“353
2. Ziele der Regulierung des Versicherungssektors Oberstes Ziel der Versicherungsregulierung ist daher seit jeher der Schutz der Versicherungsnehmer.354 Wenn auch das BVerwG dem stets mäßigend entgegenzuwirken suchte,355 so hat sich diese Zielkonzeption in der Wahrnehmung der Positionen selbst und eigenständig effektiv zu verfolgen, trifft den Gesetzgeber ein Schutzauftrag aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.“ Ebenso Winter, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 59. Fehling spricht diesbzgl. von der „grundrechtlichen und sozialstaatlichen Schutzbedürftigkeit des Bürgers“ in: Liber Amicorum Gerrit Winter, S. 171, 174. 351 So EuGH, NJW 1987, 572, 574 (Kommission/BRD) Tz. 30: „Der Versicherte, der nach einem Schadensfall keine Entschädigung erhält, kann sich in einer sehr schwierigen Lage befinden.“ 352 EuGH NJW 1987, 572, 574 (Kommission/BRD). 353 Begr. zum VAG 1901, abgedruckt in: BAV, Motive zum VAG, S. 24 f. Ebenso BVerfGE 114, 1, 36 f.: „Lebensversicherungsverträge zielen auf die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz und in diesem Rahmen schwerpunktmäßig auf die Alterssicherung. Den Versicherungsunternehmen wird durch die Prämienzahlungen Vermögen anvertraut, das in ihr Eigentum übergeht und über dessen Nutzung sie in eigener unternehmerischer Verantwortung zu entscheiden haben, dessen Erträge aber größtenteils zur Absicherung der wirtschaftlichen Existenz der Versicherten gedacht sind.“ 354 Vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 3, 81 Abs. 1 S. 2 VAG. So auch Höhns, Aufsicht über Finanzdienstleister, S. 52; Kaulbach/Pohlmann, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Vor § 1 Rn. 5; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 215; Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 29; R. Schmidt/Präve, in: Prölss, VAG, Vorbem. Rn. 56; Winter, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 56: „zentraler und übergreifender Zweck“. Zum bereits Jahrzehnte währenden Theorienstreit um die Zielrichtung der Versicherungsaufsicht Winter, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 51 ff.; allgemein Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 219 ff. Dem Referentenentwurf zur 10. VAG-Novelle zu Folge, soll der neue § 1 Abs. 1 VAG-E lauten: „Dieses Gesetz dient dem Schutz der Versicherten, insbesondere vor den Solvenzrisiken der Versicherungsunternehmen und vor Missständen.“ s. RegE BT-Drucks. 17/ 9342, S. 11; dazu Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 18. 355 BVerwGE 61, 59, 64: „Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen hat bei Anwendung des § 8 VAG nicht darüber zu wachen, daß – positiv – die Interessen der Versicherten die denkbar beste oder auch nur eine möglichst gute Berücksichtigung erfahren. Die Versicherungsaufsicht hat – negativ – eine unangemessene Benachteiligung der Belange der Versicherten zu verhüten.“
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Aufsichtsbehörde doch lange Zeit als die einzig bestimmende durchgesetzt.356 Mittlerweile tritt auch in der behördlichen Wahrnehmung neben den Schutz der Versicherungsnehmer zunehmend der Schutz des Versicherungswesens an sich (Funktionsschutz).357 Erwägungen hierzu finden sich bereits in den Motiven zum VAG aus dem Jahr 1901. Betont wird schon dort die „erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung“358 des Versicherungsgewerbes. Mit der Solvency II-Richtlinie359 wird nun flankierend der Gedanke der Systemstabilität eingeführt (Art. 28),360 der Schwerpunkt liegt jedoch auch in diesem Regelwerk auf der Wahrung der Interessen der Versicherungsnehmer (Art. 27).361 3. Konkrete Vorgaben des Aufsichtsrechts Die Versicherungsaufsicht richtet sich ausschließlich nach den Vorgaben des VAG.362 Mitunter betreiben Versicherungen zwar Geschäfte, die als Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen auch in den Anwendungsbereich der Banken- und Wertpapierregulierung fallen würden, weder KWG noch WpHG finden hierauf jedoch Anwendung.363 Der Korridor für solche Geschäfte aus „beiden Welten“ ist 356 Vgl. die Beiträge in den Sammelbänden von Rohrbeck (Hrsg.), Fünfzig Jahre materielle Versicherungsaufsicht, 1955 und Müller (Hrsg.), 100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, 2001. Damit positionierte sich die Versicherungsaufsicht deutlich anders als die Bankenaufsicht, s. Bürkle, WM 2005, 1496, 1500: „Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht verfolgen somit ähnliche Zwecke, aber mit spiegelbildlich umgekehrten Schwerpunkten.“ 357 Vgl. BVerfGE 114, 73, 100 f.: „Die aufsichtliche Tätigkeit orientiert sich […] an den Belangen der Versicherten in ihrer Gesamtheit und an der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens […].“ Dazu Fehling, in: Liber Amicorum Winter, S. 171, 176; Kaulbach/ Pohlmann, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Vor § 1 Rn. 5. 358 Begr. VAG, in: BAV, Motive zum VAG, S. 24. 359 Richtlinie 2009/138/EG. Dazu eingehend Erster Teil C. III. 3. e), S. 79 f. 360 Kritisch Kaulbach/Pohlmann, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Vor § 1 Rn. 6: „Je mehr man statt dessen die Integrität des Finanzsystems als eigenständiges Aufsichtsziel begreift, desto mehr verpflichtet man die Aufsicht auf letztlich nicht Fassbares und setzt die Aufsichtsbehörde und ihre Bediensteten tagespolitischer Beliebigkeit aus.“ 361 Vgl. auch Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II Rn. 7, Rn. 8: Solvency II „bestätigt, dass im Versicherungsaufsichtsrecht weiterhin eine primär personale Schutzrichtung gilt, während im Bankensektor vor allem die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens im Vordergrund steht.“ Ausführlich zu den Richtlinienzielen Wandt/Sehrbrock, ZVersWiss 2011, 193, 196 ff. 362 Anders als das KWG gibt das VAG keine explizite Definition des Versicherungsgeschäfts vor, diese wurde durch die Rechtsprechung herausgearbeitet. Grundlegend BVerwGE 3, 220, 221: „Ein Versicherungsvertrag liegt vor, wenn der Versicherer ein Risiko übernimmt, [d. h.] wenn er gegen Entgelt eine bestimmte Leistung für den Fall des Eintritts eines ungewissen Ereignisses übernimmt, wobei dieses Risiko auf eine Mehrzahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen verteilt wird, und der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zahl beruhende Kalkulation zugrunde liegt.“ s. dazu Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 1 Rn. 4 ff.; Präve, in: Prölss, VAG, § 1 Rn. 28 ff. 363 Vgl. auch §§ 2 Abs. 1 Nr. 4 KWG, 2a Abs. 1 Nr. 4 WpHG.
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ohnehin schmal, da Versicherungen gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 VAG dem Verbot versicherungsfremder Geschäfte unterliegen.364 Auch in vielen anderen Fragen sind sie in ein wesentlich strengeres Regulierungskorsett eingebunden als die Banken. a) Strukturelle Vorgaben an den Betrieb eines Versicherungsunternehmens Das VAG stellt zunächst wesentlich strengere Anforderungen an den Betrieb eines Versicherungsunternehmens. Es geht zwar ebenfalls von einem „Vier-Augen-Prinzip“ in der Geschäftsleitung aus,365 schränkt dann aber die Wahl der Gesellschaftsform durch den Rechtsformzwang nach § 7 VAG weiter erheblich ein. Eine private Versicherung darf demnach nur als AG, SE oder VVaG betrieben werden. Zusätzlich zum Rechtsformzwang gilt in der Versicherung das Gebot der Spartentrennung: Lebensversicherungen dürfen hiernach nur separat vertrieben werden,366 um nicht etwaigen Gefahren durch die Risiken der anderen Spartengeschäfte ausgesetzt zu sein.367 Das steht in scharfem Kontrast zum Universalbankensystem.368 In der Praxis führt das Gebot der Spartentrennung zu einer zunehmenden Konzernbildung im Versicherungssektor, um den Kunden gleichwohl alle Versicherungsprodukte aus einer Hand anbieten zu können.369 b) Marktzugangskontrolle Ein Versicherungsunternehmen bedarf ebenso einer Zulassung wie ein Kreditinstitut (§§ 5, 8 VAG). Neben den bereits genannten Voraussetzungen müssen zwei zentrale Anforderungen erfüllt werden. So müssen sowohl Geschäftsleiter als auch 364 Hiernach dürfen nur Versicherungsgeschäfte und solche, die in unmittelbarem Zusammenhang damit stehen, betrieben werden. s. dazu Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/ Pohlmann, VAG, § 7 Rn. 17 ff.; Präve, in: Prölss, VAG, § 7 Rn. 11 ff. 365 Vgl. §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 7a VAG. 366 Vgl. §§ 8 Abs. 1a, 6 Abs. 2, 4 VAG. Dasselbe gilt für die substitutive Krankenversicherung. Zum Gebot der Spartentrennung Hübner, in: Dauses, Hdb. EU WirtschaftsR, E.IV. Rn. 89; Langheid, in: MünchKomm VVG, Systematische Einführung ins Aufsichtsrecht, Rn. 20; ausführlich Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 31 Rn. 60 ff. Ein Überblick über die verschiedenen Versicherungssparten findet sich in Anlage A des VAG (z. Zt. sind es 25 Sparten). Auf europäischer Ebene findet sich das Gebot der Spartentrennung in Art. 73 Abs. 1 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II). 367 Zum Zweck der Spartentrennung Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 8 Rn. 64: „Damit soll die Lebensversicherung wegen ihrer besonderen sozialen Bedeutung von den Risiken des Betriebs anderer Sparten, die der Gesetzgeber für höher hält, freigehalten werden.“; Präve, in: Prölss, VAG, § 8 Rn. 46 ff. 368 Obwohl auch dort die Überlegungen zur Schaffung eines Trennbankensystems intensiviert werden, s. Fn. 194, S. 54. 369 Hübner, in: FS der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Uni Köln, 1988, S. 235, 239 f.; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 245; Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 32 Rn. 61.
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Aufsichtsratsmitglieder die entsprechende Erfahrung bzw. Sachkenntnis für ihre Aufgabe nachweisen.370 Zudem wird der Geschäftsplan eingehend daraufhin kontrolliert, ob er die Angelegenheiten der Versicherten hinreichend wahrt und die dauernde Erfüllbarkeit ihrer Forderungen sicherstellt.371 Gesonderte Anforderungen sieht das Gesetz zudem für den Betrieb von Rückversicherungsunternehmen vor (§§ 119 ff. VAG).372 c) Gegenstand der dauernden Aufsicht Nach der Marktzugangskontrolle dauert die Überwachung des Versicherungsunternehmens über dessen gesamte Lebensspanne hinweg an.373 Das Gesetz unterscheidet zwischen der Rechts- und der Finanzaufsicht. Erstere betrifft die ordnungsgemäße Durchführung des Geschäftsbetriebs mit besonderem Blick auf die Wahrung der Rechte der Versicherungsnehmer, wie sie sich aus ihrem Versicherungsverhältnis ergeben.374 Bis zum Jahr 1994 umfasste dies auch die Kontrolle der von den Versicherungen verwendeten AGB (AVB); mittlerweile ist die Beurteilung solcher Fragen allerdings allein dem Zivilrecht zugewiesen.375 Dieser historische Hintergrund hilft jedoch, die stark verbraucherschützende Prägung der Versicherungsaufsichtsbehörden nachzuvollziehen. Mit der Zurückdrängung dieser Art von Tarifkontrolle steht nun primär die Finanzaufsicht im Mittelpunkt der Kontrolleurstätigkeit.376 Sie widmet sich den Fragen der Solvabilität und Liquidität des Instituts und soll die „dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen“ sicherstellen.377 In einem wesentlich strengeren Rahmen als bei den
370 Vgl. §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 5, 7a VAG. Ähnliches gilt gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VAG auch für die Inhaber bedeutender Beteiligungen. 371 Vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VAG. 372 Es handelt sich hierbei um ein verhältnismäßig junges Phänomen, erst 2002 wurde überhaupt eine Aufsicht über Rückversicherungsunternehmen eingeführt. Grund der bis dahin andauernden aufsichtsrechtlichen Privilegierung war, dass die Versicherungsnehmer von Rückversicherungen selbst professionelle Versicherungen sind, dazu Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 31 Rn. 40 ff. 373 Dazu Fehling, in: Liber Amicorum Gerrit Winter, 2007, S. 171, 179: „Dauer-Überwachungsrechtsverhältnis“; Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 32: „Damit erstreckt sich die Aufsichtstätigkeit auf den Kern privaten Wirtschaftens, das Finanzmarktaufsichtsrecht errichtet ein zwischen staatlichen und privaten Akteuren vielfältig verwobenes Regulierungsgebäude.“ 374 Vgl. § 81 Abs. 1 S. 4 VAG. 375 Zur Vorabgenehmigung der Versicherungsbedingungen Winter, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 63 ff. 376 Dazu Bähr, VW 2001, 2016 ff.; Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 31 Rn. 100; Winter, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 81. Knauth/Schubert sprechen von einem „Paradigmenwechsel“, VW 2003, 902. 377 Vgl. § 81 Abs. 1 S. 5 VAG.
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Banken werden hier nicht nur Regeln für die Kapitalausstattung aufgestellt,378 sondern auch explizite Vorschriften zur Kapitalanlage gemacht.379 Sie sind von besonderer Bedeutung, um die jederzeitige Erfüllbarkeit plötzlich und unerwartet fälliger Forderungen zu gewährleisten.380 Mit § 64a VAG hat die 9. VAG Novelle erstmalig auch Instrumente qualitativer Regulierung381 in den Korpus des Versicherungsaufsichtsrechts eingefügt.382 Ähnlich wie seine „Schwestervorschrift“, der § 25a KWG, stellt er detaillierte Anforderungen an die unternehmensinterne Compliance, das Outsourcing, die Vergütung und ganz besonders das Risikomanagement. Die Umsetzung von Solvency II wird in der Zukunft noch geringfügige Anpassungen der Vorschrift erfordern.383 d) Befugnisse der Aufsichtsbehörde So wie im Bankaufsichtsrecht steht der Aufsichtsbehörde ein umfassendes Arsenal an Kontroll- und Sanktionsbefugnissen zur Verfügung.384 Besonders schwerwiegend ist die nachträgliche Möglichkeit zur Entziehung der Geschäftserlaubnis (§ 87 Abs. 1 VAG); als milderes Mittel erfolgt in der Praxis aber zumeist die Abberufung der Geschäftsleiter oder Aufsichtsräte (§ 87 Abs. 6 VAG). Weitreichende Anordnungsbefugnisse ergeben sich zudem aus § 81 Abs. 2 VAG, der „allgemeinen Missstandsaufsicht“.385 Um eine hinreichende Informationsgrundlage der Behörde 378 Vgl. § 53c VAG, KapAusstV. Zu den Solvenzanforderungen nach Solvency II Dreher, ZVersWiss 2012, 381 ff. Für einen Vergleich kredit- und versicherungsaufsichtsrechtlicher Eigenmittelanforderungen Ohler, ZVersWiss 2012, 431, 435. 379 Vgl. §§ 54 – 54d VAG, AnlV. Zum Beispiel § 54 Abs. 1 VAG: „[S]o anzulegen, dass möglichst große Sicherheit und Rentabilität bei jederzeitiger Liquidität des Versicherungsunternehmens unter Wahrung angemessener Mischung und Streuung erreicht wird.“ 380 Dazu auch Hübner, in: Dauses, Hdb. EU WirtschaftsR, E.IV. Rn. 112. 381 Dazu bereits oben Fn. 216, S. 56. 382 Präve erkennt hierin eine „Neujustierung des Aufsichtsrechts insgesamt“, VW 2007, 1380. 383 Vgl. den Vorschlag für eine 10. VAG-Novelle, RegE BT-Drucks. 17/9342, dazu Grote/ Schaaf, VersR 2012, 17; speziell zu den Governance-Anforderungen Louven/Rapke, VersR 2012, 257. 384 Vgl. §§ 81 ff. VAG. Dazu Dreher, ZVersWiss, Supplement Jahrestagung 2006, 375, 407 ff.; Krämer, in: Bähr, Hdb. Versicherungsaufsichtsrecht, § 10 Rn. 102 ff. 385 Hieraus ist lange Zeit das Gebot einer materiellen Versicherungsaufsicht abgeleitet worden, die die Behörde auch dann schon zum Eingreifen ermächtigt, wenn noch keine Gesetze verletzt worden sind. Dieses Verständnis ist spätestens vor dem Hintergrund der fortschreitenden europäischen Integration nicht mehr haltbar. § 81 Abs. 2 VAG ist daher europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass er ein Engreifen allein bei Gesetzesverstoß erlaubt (sog. Legalaufsicht). Ausführlich dazu Bähr, VW 2001, 2016, 2017 f.; Bürkle, in: Dreher/Wandt, Solvency II in der Rechtsanwendung, S. 191 ff.; Dreher/Lange, VersR 2011, 825, 831 f.; Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 31 Rn. 27 f.; Winter, Versicherungsaufsichtsrecht, S. 67 ff. sowie 615 ff. Zur Unterscheidung der verschiedenen Aufsichtsformen Bähr, VW 2001, 2016 f.
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zu sichern, sieht das VAG zudem ein feinmaschiges Netz an Prüfungsbefugnissen (§ 83 VAG) und Anzeigepflichten vor.386 Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das Teilnahmerecht der BaFin bei den Aufsichtsratssitzungen der beaufsichtigten Unternehmen.387 Unter bestimmten Voraussetzungen kann sie zudem einen Sonderbeauftragten einsetzen, dem die Befugnisse der Organe des Versicherungsunternehmens ganz oder teilweise übertragen werden können (§ 83a VAG).388 Droht eine Insolvenz, kann die Behörde zudem Maßnahmen gemäß §§ 81b, 89 VAG ergreifen. Ihr Einfluss auf den Wirtschaftssektor ist dementsprechend enorm. e) Aktuelles Regulierungsvorhaben: Solvency II Seit mittlerweile über zehn Jahren389 – und damit unabhängig von der letzten Finanzkrise – wird auf europäischer Ebene an dem neuesten Regelwerk für die Regulierung von Versicherungen gefeilt: der Solvency II-Richtlinie.390 Sie führt insgesamt 13 Richtlinien391 zu einem einheitlichen Regelwerk zusammen und sorgt im selben Zug für eine „grundlegende Umgestaltung des Versicherungsaufsichtsrechts“392. Konzeptionell übernimmt Solvency II die Drei-Säulen-Struktur der Baseler Eigenkapitalakkorde II und III393 und setzt damit ebenfalls auf eine in erster Linie risikoorientierte Regulierung.394 Die erste Säule konkretisiert die quantitativen Anforderungen und die zu ihrer Deckung erforderlichen Eigenmittel.395 Die Richtlinie verfolgt dabei einen ZweiSchwellen-Ansatz, der zwischen dem absoluten Mindestkapital (MCR) und dem 386
Für eine Liste der umfangreichen Genehmigungs- und Anzeigepflichten s. Dreher/ Wandt (Hrsg.), Solvency II in der Rechtsanwendung, S. 97 ff. 387 Vgl. § 83 Abs. 1 Nr. 5, 6 VAG. 388 Dazu auch Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 283 f. 389 Dazu Sehrbrock/Gal, Corporate Finance law 2012, 140, 140 f. 390 RiLi 2009/138/EG. Dazu ausführlich Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II; Oehlenberg/Stahl/Bennemann, in: dies., Hdb. Solvency II, S. 3 ff.; Schwintowski, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, S. 177, 185 ff. 391 Vgl. Art. 310 der RiLi 2009/138/EG. Konkret dazu Lüttringhaus, EuZW 2011, S. 822 Fn. 7. Überblick über die bisher ergangenen Richtlinien im Bereich der Versicherungsaufsicht bei Kaulbach/Pohlmann, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Vor § 1 Rn. 21 ff.; R. Schmidt/Präve, in: Prölss, VAG, Vorbem. Rn. 29 ff. 392 So Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II Rn. 1. 393 Vgl. Dreher, VersR 2008, 998, 1000; Lüttringhaus, EuZW 2011, 822, 823: Die DreiSäulen-Struktur sei das „Herzstück der neuen risikobasierten Regulierung“. 394 Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II Rn. 20; Dreher, ZVersWiss 2012, 381, 411 f.; Sehrbrock/Gal, Corporate Finance law 2012, 140: „Angestrebt wird ein System, das risikobezogener, für Verbraucher transparenter und – durch die verstärkte Setzung prinzipienbasierten Rechts – in der Anwendung flexibler ist als das bisherige Regelwerk.“ 395 Ausführlich Bürkle, WM 2012, 878 ff.; Dreher, ZVersWiss 2012, 381 ff.; Lüttringhaus, EuZW 2011, 822, 824 ff.; Oehlenberg/Stahl/Bennemann, in: dies., Hdb. Solvency II, S. 3, 12 ff.; Sehrbrock/Gal, Corporate Finance law 2012, 140, 142 ff.
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
darüber hinaus wünschenswerten Zielkapital (SCR) unterscheidet.396 Die zweite Säule formuliert ausführliche Anforderungen an die Governance der Institute.397 Zentrale Aufgabe ist die Etablierung eines vierteiligen Governance-Systems bestehend aus Risikomanagement, Compliance, Revision und einer versicherungsmathematischen Funktion (Artt. 44 – 48). Zusätzlich werden die Anforderungen an das Outsourcing konkretisiert (Art. 49). Die dritte Säule statuiert Informationspflichten gegenüber der Behörde (Art. 35)398 sowie gegenüber der Öffentlichkeit. Zur Information der Versicherungsnehmer und zur Erhaltung der Marktdisziplin ist jährlich ein „Solvency and Financial Condition Report“ zu veröffentlichen (Artt. 51 – 55).399 Mit der Säule II hat nun auch im europäischen Versicherungsaufsichtsrecht die qualitative Regulierung Einzug gehalten.400 Gerade im Bereich des Risikomanagements weist sie weitreichende Wechselwirkungen mit der Säule I auf, da hierdurch Einfluss auf die dort geforderten Zielsolvenzkapitalanforderungen (SCR) genommen werden kann.401 Ein weiteres Kennzeichen der qualitativen Regulierung ist die prinzipienbasierte Rechtssetzung, die auf eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe402 setzt und so einen Teil der Verantwortung für die Ausgestaltung der internen Governance-Systeme in die Hand der Unternehmen legt (Grundsatz der Methodenfreiheit).403 Das bringt jedoch auch eine gewisse Rechtsunsicherheit mit sich.404 Weitere Klärung erhofft man sich daher von den Durchführungsverordnungen der Kommission auf Ebene 2 des Lamfalussy-Verfahrens.405 396
Dazu Dreher, ZVersWiss 2012, 381, 385 ff.; Lüttringhaus, EuZW 2011, 822, 825 ff. Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II Rn. 70 ff.; Louven/ Raapke, VersR 2012, 257; Lüttringhaus, EuZW 2011, 856 f.; Meyer, in: Bennemann/Oehlenberg/Stahl, Hdb. Solvency II, S. 87 ff. 398 Ausführlich Hasse, in: Dreher/Wandt, Solvency II in der Rechtsanwendung, S. 61 ff. 399 Ausführlich Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt, Solvency II in der Rechtsanwendung, S. 129 ff. Jedenfalls den Versicherungsnehmern wäre mit solch einem komplexen Informationswerk aber wohl kaum geholfen, s. zu Recht Dreher/Schaaf, a.a.O., S. 172; Lüttringhaus, EuZW 2011, 856, 858. 400 Dazu Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II Rn. 20; Steffen, in: Steffen/Nickel-Waninger/Stöhr, Versicherungsaufsicht im europäischen Wandel, S. 7, 10: „Paradigmenwechsel“. 401 Dazu Dreher, VersR 2008, 998, 1001; Lüttringhaus, EuZW 2011, 856, 860. 402 Statt vieler Art. 41 Abs. 1 S. 2: „Dieses System umfasst zumindest eine angemessene transparente Organisationsstruktur mit einer klaren Zuweisung und angemessenen Trennung der Zuständigkeiten und ein wirksames System zur Gewährleistung der Übermittlung von Informationen.“ (Hervorhebungen hinzugefügt). 403 Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II Rn. 14 ff. Ausführlich zur prinzipienbasierten Regulierung Dritter Teil B. IV., S. 184 ff. 404 So auch Hasse, in: Dreher/Wandt, Solvency II in der Rechtsanwendung, S. 61, 95: „EU Kommission und Bundesregierung wären gut beraten, auf eine größere ,Operationalisierung‘ der Vorgaben zu achten.“ 405 Dazu Wandt/Sehrbrock, in: Dreher/Wandt, Solvency II in der Rechtsanwendung, S. 1, 10 ff. 397
D. Zusammenfassende Gegenüberstellung
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Ursprünglich sollte das neue Regime bereits ab Januar 2013 in Kraft treten;406 auf europäischer Ebene wird aber immer noch um verschiedene Details gerungen.407 Derzeit hat man sich auf den 01. 01. 2016 als neuen Zeitpunkt des Inkrafttretens geeinigt.408 Für die deutsche Versicherungswirtschaft dürfte dies indes nur von wenig Belang sein, da der Gesetzgeber den Neuerungen durch Solvency II bereits mit der 9. VAG Novelle vorgegriffen hatte (§ 64a VAG). Hiernach dürfte nur noch verhältnismäßig wenig Anpassungsbedarf im deutschen Recht bestehen.409
D. Zusammenfassende Gegenüberstellung Beim Abgleich der Anforderungen an die Unternehmensführung inner- und außerhalb des Finanzsektors ergeben sich die folgenden zentralen Gemeinsamkeiten und Unterschiede: 1. Equity- vs. Debt-Governance Fragen interner Corporate Governance werden in der unregulierten Aktiengesellschaft auch heute noch in erster Linie durch die Linse der Prinzipal-AgentenTheorie analysiert. Im Mittelpunkt steht dabei das Verhältnis der Aktionäre als „Eigentümer“ zum Vorstand als „Leiter“ der Gesellschaft (separation of ownership and control). Schlagwortartig wird dies als equity-governance bezeichnet. Anders stellt sich die Lage im Aufsichtsrecht dar. Dort liegt der Fokus stärker auf dem Schutz der Institutskunden (also der Einleger, Anleger oder Versicherungsnehmer), auf deren Versorgung mit Kapital die Finanzinstitute angewiesen sind, um ihrer Funktion als Finanzintermediäre gerecht werden zu können. Schlagwortartig wird dies als debt-governance bezeichnet. Corporate Governance im Finanzsektor lässt sich daher nicht allein auf den Konflikt zwischen Aktionären und Management um die richtige Unternehmensleitung verkürzen. Trotzdem sind die Themenkreise verwandt, handelt doch die Unternehmensleitung in beiden Fällen als „manager of other people’s money“410. Diese Zieldivergenzen schlagen sich im Schutzzweck der aktien- und aufsichtsrechtlichen Vorgaben nieder. Das Aktienrecht ist ganz auf den Verband ausgerichtet und fordert von Vorstand und Aufsichtsrat die Verwaltung im „Unternehmensinteresse“. Das Aufsichtsrecht verfolgt hingegen verbandsexterne Zwecke 406
Vgl. Art. 311 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II). Dazu Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II Rn. 23 ff.; Oehlenberg/Stahl/Bennemann, in: dies., Hdb. Solvency II, S. 3, 25 ff. 408 Vgl. RiLi 2013/58/EU. 409 Hierzu bereits Fn. 383, S. 78. 410 So Adam Smith mit Blick auf die Direktoren einer Aktiengesellschaft und Louis Brandeis mit Blick auf die Banker, s. Smith, Wealth of Nations, Book 5 Ch. I Pt. III 1.2, S. 800 sowie Brandeis, Other people’s money and how the bankers use it, 1914. 407
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1. Teil: Unternehmensführung innerhalb und außerhalb des Finanzsektors
wie den Schutz des Finanzsektors, für den wiederum der Schutz der Institutskunden eine notwendige Voraussetzung ist. Dieser Schutzauftrag wird durch die BaFin wahrgenommen, welche die Einhaltung des Aufsichtsrechts überwacht und Verstöße sanktioniert. Im Bereich unregulierter Aktiengesellschaften ist die Sanktionierung interner Governance-Verstöße hingegen den anderen Gesellschaftsorganen überantwortet. 2. Standardsetting auf transnationaler und untergesetzlicher Ebene Beiden Rechtsbereichen gemeinsam ist die zunehmende Bedeutung internationaler Standardsetzer, deren Empfehlungen die europäische und deutsche Gesetzgebung in immer erheblicherem Maße vorformen. Im Aufsichtsrecht ist dieser Prozess besonders weit vorangeschritten, wie der Einfluss insbesondere des Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht erkennen lässt. Auf untergesetzlicher Ebene spielt sich eine ähnliche Entwicklung ab; auch hier werden verschiedenste Formen von Expertengremien eingesetzt, um den Gesetzestext auf rechtlich unverbindliche, aber faktisch höchst bedeutsame Art und Weise zu konkretisieren. Dies geschieht für börsennotierte Gesellschaften durch den DCGK und für den regulierten Sektor durch die zahlreichen Rundschreiben der BaFin. 3. Europäischer vs. deutscher Gesetzgeber Erhebliche Unterschiede zeigen sich bei der europarechtlichen Durchwirkung von Aufsichts- und Aktienrecht. Die Integration des Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen ist bereits weit vorangeschritten; mit MiFID II und Solvency II werden erstmals vollharmonisierende Richtlinien das Aufsichtsrecht europaweit einheitlich determinieren. Ein ganz anderes Bild ergibt sich im Aktienrecht. Während die EU umfassende Integrationsbemühungen im Bereich der externen Corporate Governance vorweisen kann, wird im Bereich interner Governance weiterhin auf den „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ gesetzt. Meldet sich die Union in Fragen interner Governance überhaupt zu Wort, dann nicht durch verbindliche Vorgaben, sondern Empfehlungen der Kommission. 4. Kriseninduzierte Normentwicklung Eine Gemeinsamkeit beider Rechtsbereiche ist ihre vornehmlich kriseninduzierte Weiterentwicklung. Das gilt gerade im Bereich des Aufsichtsrechts nicht nur für die normativen Vorgaben, sondern auch für die Weiterentwicklung der Aufsichtsarchitektur. Bemerkenswert ist zudem, dass kriseninduzierte Neuregelungen für Banken häufig auch in den Versicherungssektor herüberschwappen, obwohl dieser sich bislang als krisenresistenter erwiesen hat.
D. Zusammenfassende Gegenüberstellung
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5. Regelbasierte vs. prinzipienorientierte Normenstruktur Mit der Einführung qualitativer Regulierungsinstrumente hat die sog. „prinzipienbasierte Regelsetzung“ Einzug in das deutsche Aufsichtsrecht gehalten.411 Diese operiert mit weit gefassten Zielvorgaben anstelle von kleinteiligen Handlungsanweisungen und verspricht den Unternehmen damit größere Flexibilität bei der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Vorgaben (Grundsatz der Methodenfreiheit). In der Praxis zeigt sich, dass der auf der gesetzlichen Ebene eingeräumte Handlungsspielraum häufig durch nachträglich erlassene Konkretisierungen von Seiten der Aufsichtsbehörde wieder beschnitten wird. Allenfalls kann man im europäischen und deutschen Rechtsraum daher von einer „formellen Prinzipienorientierung“ sprechen. Das Aktienrecht ist hingegen regelbasiert. 6. Ausblick In der Corporate-Governance-Forschung zeigt sich ein Trend zur fortwährenden Aufsplittung von Governance-Fragen in verschiedene Teilbereiche.412 Neben die „allgemeine“ Corporate Governance treten Überlegungen zur Governance von Banken und Versicherungen. Andere Untersuchungen widmen sich der Corporate Governance in öffentlichen Unternehmen, Familienunternehmen oder Non-ProfitOrganisationen. Diese Arbeit ist jedoch anders angelegt. Sie sucht nach dem gemeinsamen Kern all dieser Überlegungen.413 Daher widmet sie sich im nächsten Teil der Frage, ob die Erkenntnisse des Aufsichtsrechts trotz ihrer Abweichungen von der herkömmlichen Governance beim Verständnis des Aktienrechts behilflich sein können.
411
Dazu noch eingehend Dritter Teil B. IV., S. 184 ff. So auch Hopt, in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, S. 337, 343: „There is a clear trend toward sector-specific corporate governance and governance codes.“ 413 Und folgt damit der Aufforderung von Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 56, S. 453 f.: „Zentrale Aufgabe könnte und müsste die Einheit der Rechtsordnung […] für die Rechtswissenschaft sein. […] Doch die Wissenschaft hat sich dieser Aufgabe keineswegs angenommen. Sie verzichtet mehr und mehr auf Konzepte, mit denen die Einheit der Rechtsordnung gedacht werden könnte und löst sich in Spezialdisziplinen auf. Sie hat sich von der Dynamik allen Spezialistentums mitreißen lassen, das die Bedeutung des eigenen Fachs betont und übergreifende Zusammenhänge vernachlässigt.“ 412
Zweiter Teil
Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht A. Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen I. Klassische Rollenverteilung zwischen Privatund Öffentlichem Recht Es ist eine kontinentaleuropäische Eigenheit, die zwei großen Rechtskreise des privaten und öffentlichen Rechts als streng voneinander getrennte Ordnungen zu verstehen.1 Sie folgt einem Radbruch’schen Ausspruch, nach dem das Verhältnis von Privat- und Öffentlichem Recht zueinander den Charakter einer Rechtsordnung offenbart2 und damit den Bedeutungsgehalt, den diese der „Gesellschaft“ und dem „Staat“ beimisst. Schlagwortartig wird häufig die „Freiheit des Einzelnen“ hier dem „staatlich verordneten Zwang“ dort gegenübergestellt. Andersherum betont man gern den Schutz des „Gemeinwohls“ an Stelle des „Egoismus“ des Individuums.3 Für die rechtspolitische Diskussion ist diese strenge Unterscheidung von großem Belang, werden so doch die Territorien staatlicher und privater Verantwortung immer wieder aufs Neue gegeneinander abgesteckt. Für Rechtsetzer ebenso wie Rechtsanwender ist eine solch plakative Gegenüberstellung der beiden Rechtskreise jedoch wenig hilfreich.4 1 Vgl. Grimm, Das Öffentliche Recht vor der Frage nach seiner Identität, 2012, S. 57: „[D]ie Einteilung des Rechts in öffentliches und nichtöffentliches ist dem Recht nicht a priori mitgegeben. Sie ist vielmehr eine Sichtweise auf das Recht, für die es historische Gründe, aber keine Notwendigkeit gibt.“ Zur historischen Entwicklung s. Bullinger, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 239 ff.; Landwehr, in: K. Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts, S. 31, 41 ff.; Stolleis, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 41, 45 ff. Instruktiv auch Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 53 S. 418 ff. 2 Radbruch, Rechtsphilosophie, 1956, S. 228: „Der Charakter einer Rechtsordnung drückt sich durch nichts so deutlich aus wie durch das Verhältnis, in das sie öffentliches und privates Recht zueinander stellt, und durch die Weise, wie sie die Rechtsverhältnisse zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht aufteilt.“, zitiert nach Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 7, 15. 3 Vgl. die Darstellung bei Bydlinski, AcP 194 (1994), 319, 322; Grimm, Das Öffentliche Recht vor der Frage nach seiner Identität, 2012, S. 20; Jarass, VVDStRl Bd. 50 (1991), S. 238, 240; Stolleis, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 41, 44. 4 Kelsen bezeichnet sie daher zu Recht als „ideologisch“, Reine Rechtslehre 1960, S. 285 ff. Auch Jarass meint, das Thema sei „mit plakativen Charakterisierungen nicht zu bewältigen“, s. VVDStRl Bd. 50 (1991), S. 238, 241.
A. Öffentliches Recht und Privatrecht
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Für den Gesetzgeber lassen sich dieser strengen Zweiteilung schließlich noch keine weiterführenden Hinweise für die Regelung eines konkreten Lebenssachverhalts entnehmen.5 Und auch auf Seiten der Rechtsanwender wird die Trennung von Öffentlichem und Privatrecht heute vornehmlich als rein technische Abgrenzung verstanden, die vor allem die Bestimmung des einschlägigen Rechtsweges erleichtert.6 Die hierzu formulierten Theorien,7 die mitunter bis zum römischen Recht zurückreichen,8 geben jedoch nur in Ansätzen den materiellen Gehalt der Unterscheidung wieder und bilden die Interaktion beider Rechtsbereiche nur ungenügend ab.9 Das ist misslich, da in vielerlei Rechtsbereichen mittlerweile weitreichende Überschneidungen zwischen Privat- und Öffentlichem Recht dominieren.10 Beispiele hierfür sind das Finanzmarktrecht,11 aber auch das Umwelt- und Nachbarrecht sowie das Arbeitsrecht.12 Entgegen mancher Befürchtung droht in diesen Rechtsbereichen weder eine Vermengung beider Materien zu einem übergreifenden „Gemeinrecht“13 noch die endgültige „Publifizierung des bürgerlichen Rechts“.14 Viel5
Bullinger, FS Rittner 1991, S. 69, 74: „Sobald man also die allgemeinen Grundsätze des Privatrechts und die allgemeinen Grundsätze des öffentlichen Rechts verließ und sich der konkreten Ordnung einzelner Lebensbereiche zuwandte, erwies sich die Zweiteilungslehre als nur von begrenzter Aussagekraft.“ 6 Vgl. §§ 13 GVG, 40 VwGO. Dazu auch Stolleis, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 239, 249. 7 Instruktiv Burgi, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 19 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 52, S. 420 ff. 8 So beruft sich die sogenannte Interessentheorie auf die folgende Digestenstelle des Ulpian, Dig. I. 1.1 § 2: „Publicum ius est quod ad statum rei Romanae spectat, privatum qoud ad singulorum utilitatem: sunt enim quaedam publice utilia, quaedam privatim.“ 9 Auf den Punkt Grimm, Das Öffentliche Recht vor der Frage nach seiner Identität, 2012, S. 52: „Keine der umlaufenden Abgrenzungstheorien wird der Lage Herr.“; kritisch auch Bullinger, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 239, 249. 10 So schon 1959 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 34, S. 227: „Was die Theorie begrifflich sondert, ist im Leben […] vielfach verwoben.“; zuletzt Grimm, Das Öffentliche Recht vor der Frage nach seiner Identität, 2012, S. 52: „Rechtliche Hybridformen treten immer häufiger auf. Rechtsnormen, die sowohl auf öffentlich-rechtliche wie auf privatrechtliche Rechtsverhältnisse anwendbar sind, und Verweisungen zwischen den Rechtsgebieten nehmen zu.“ 11 Dazu Blaurock JZ 2012, 226, 234: „Die alten Fächergrenzen sind dabei überholt. […] Die Grenzen zwischen Privatrecht und Öffentlichem Recht, die in den einzelnen Ländern ohnehin unterschiedlich verlaufen, sind bereits im nationalen Regulierungsrecht weitgehend aufgelöst. Im internationalen Bereich gilt dies in noch stärkerem Maße.“ 12 Weitere Beispiele bei Burgi, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 11; Stolleis, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 41, 44. 13 Der letzte große Versuch in diese Richtung stammt von Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968. 14 So Hedemann zitiert bei Jarass, VVDStRl Bd. 50 (1991), S. 238, 240. Dazu Letzterer, S. 241: „Die Gefahr, dass das Privatrecht zu einer Randerscheinung wird, wie das bei Privatrechtlern gelegentlich anklingt, besteht nicht. Aber als Trendaussage ist sie zutreffend. Das ist umso bemerkenswerter, als noch um die Jahrhundertwende die Emanzipation des Verwal-
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
mehr zeichnen sich diese Regelungskomplexe dadurch aus, dass sich der Gesetzgeber ihren Inhalten mit funktionalem Problembewusstsein und nicht nach der Logik strikter Zweiteilung zugewendet hat.15 Zunehmend begreift er Privat- und Öffentliches Recht als „gemeinsame[n] Fundus der Problembewältigung“16. Ein bedeutender Treiber dieser Entwicklung ist vor allem die zunehmend internationale und europäische Standard- und Rechtsetzung,17 die sich den Sachproblemen unabhängig vom Teilrechtsgebiet zuwendet.18 Sei es durch transnationales soft law oder bindende Vorgaben aus Brüssel – der Rechtssetzungsprozess in Deutschland ist hiervon nicht unbeeinflusst geblieben.19 Es zeichnet sich also ein Verständniswandel ab, bei dem Öffentliches Recht und Privatrecht zunehmend als komplementäre Elemente bei der Lösung komplexer Sachprobleme erkannt werden.20 Vertreter der Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft21 haben dies bereits in den tungsrechts vom Privatrecht das Thema war. Den Selbststand des Verwaltungsrechts gegenüber dem sehr viel älteren Privatrecht herzustellen und zu sichern, war für Otto Mayer eine zentrale Aufgabe der Verwaltungsrechtswissenschaft.“ 15 Dazu allgemein K. Schmidt, in: ders. (Hrsg.), Vielfalt des Rechts, S. 9, 12: „Rechtsmaterien können prinzipiell auf zweierlei Weise gegliedert werden: entweder nach Lebenssachverhalten oder nach abstrakt juristischen Kategorien. Sprechen wir vom ,Baurecht‘, vom ,Umweltrecht‘ oder ,Medizinrecht‘, so grenzen wir Lebensbereiche ab […]. Sprechen wir vom ,Privatrecht‘ und vom ,Öffentlichen Recht‘, so arbeiten wir mit geordneten juristischen Kategorien, dürfen uns aber nicht wundern, wenn wir die Lebensbereiche segmentieren.“ 16 So Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 261, 265. 17 So auch Bullinger, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 239, 241; Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 22; Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 261, 264; Kübler, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann, Auffangordnungen, S. 225; T. Möllers, FS Buchner, S. 649, 650. Burgi betont den häufig „rechtsregimeunabhängige[n] Ansatz“ in Brüssel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 30 f. 18 So auch Jarass, in: VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 315: „Die Frage der Abgrenzung und Zuordnung von privatem und öffentlichem Recht ist daher im EG-Recht sehr viel weniger gravierend als innerstaatlich.“; s. auch Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 53 S. 422 f., § 56 S. 454: „Der EuGH judiziert nicht über Öffentliches oder Privatrecht, sondern nur über Gemeinschaftsrecht.“ 19 Resümierend Stolleis, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 43: „Man ist sich im Wesentlichen einig, daß die differenzierte moderne Industriegesellschaft mit ihren Verflechtungen von Staat, staatsnahen Organisationen und Wirtschaft im Innern, mit ihren europarechtlichen und internationalen Vernetzungen, mit der Dichotomie von öffentlichem und privaten Recht nicht mehr angemessen beschrieben werden kann.“ 20 Vgl. Grundmann, in: FS Hopt 2010, Bd. I S. 61, 65: „Längst wird die Gleichung dispositives Recht und Privatautonomie im Privatrecht und zwingendes Recht und hoheitliche Anordnung im öffentlichen Recht nicht einmal mehr im Grundsatz anerkannt. In der Tat gehen Privat-, und vor allem Vertrags- und Gesellschaftsrecht hier, und Verwaltungsrecht häufig ineinander über.“; H. P. Schneider, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 297: „[E]s geht gar nicht darum, wer hier letzten Endes wem etwas vorgibt, sondern nur um die Frage einer sach- und funktionsgerechten Arbeitsteilung innerhalb einer nach Problem- und Lebensbereichen, auch nach Sanktionsformen gegliederten Rechtsordnung.“
A. Öffentliches Recht und Privatrecht
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neunziger Jahren für eine steuerungswissenschaftliche Untersuchung zum Anlass genommen und so die Theorie vom Öffentlichen Recht und Privatrecht als wechselseitigen Auffangordnungen entwickelt.22
II. Charakteristika der Teilrechtsordnungen Um diesem neuen Verständnis auf die Spur zu kommen, ist es zunächst erforderlich, einen Blick auf die Charakteristika der einzelnen Teilrechtsordnungen zu werfen. Vor diesem Hintergrund wird das Potenzial des Zusammenspiels beider Seiten erkennbar.23 1. Eigenheiten des Privatrechts a) Privatautonomie als Leitidee Der Charakter des Privatrechts wird häufig auf einen Begriff kondensiert: die Privatautonomie.24 Sie beschreibt die Freiheit des Einzelnen, in Interaktion mit anderen zu treten sowie die Ziele und Mittel hierfür zu bestimmen.25 Sie fußt auf dem Gedanken, dass ein optimaler Interessenausgleich nur durch die Betroffenen selbst ausgehandelt werden kann.26 Mit anderen Worten: Privatautonomie bedeutet, dass Rechtsfolgen allein aufgrund des Willens der betroffenen Personen eintreten.27 So 21 Dieser neue Ansatz geht auf die Beiträge von insgesamt zehn von Wolfgang HoffmannRiem und Eberhard Schmidt-Aßmann in den Jahren 1991 bis 2003 veranstalteten Tagungen zurück. Mittlerweile sind sie in dem dreibändigen Werk zu den „Grundlagen des Verwaltungsrechts“ zusammengefasst worden. Einführend Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 1. 22 Siehe dazu den Sammelband Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996. 23 So auch die Vorgehensweise bei Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 17 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Wechelseitige Auffangordnungen, S. 7, 16 ff. 24 Vgl. statt vieler Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 52, S. 420: „Das Privatrecht stellt den rechtlichen Rahmen für die Verwirklichung der keiner weiteren Begründung bedürftigen Entscheidungen der als frei und gleich gedachten Einzelnen bereit. Es gilt der Grundsatz der Privatautonomie.“ Ausführlich Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 147 ff. und passim. 25 Grigoleit, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 51, 54: „Tatsächlich bedeutet Privatautonomie – und muss Privatautonomie bedeuten! –, dass die Regelung der Interaktion von Individuen deren Willkür überantwortet wird.“ (unter Verweis auf Kant, Metaphysik der Sitten, 1797/1798). 26 Und sich dies wiederum positiv auf die Gesamtwohlfahrt auswirkt, s. Burgi, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 13. 27 Grigoleit spricht insofern von der „individuelle[n] Willkür als Rechtsquelle“, in: Jestaedt/ Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 51, 55. Trute sieht hierin eine „Ordnung der spontanen Selbstorganisation“, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 167, 173.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
beruht die Legitimation eines beidseitigen Vertrags auf eben dieser inneren Richtigkeitsgewähr. Dasselbe gilt für die Funktionsfähigkeit des Marktes, der das Aggregat aller Einzeltransaktionen ist.28 Der Konsens ist in einer durch das Privatrecht geprägten Ordnung der oberste Konfliktlösungsmechanismus.29 b) Eingrenzung durch rechtliche Rahmenordnung Die Privatautonomie hat aber auch Grenzen. Das Privatrecht gibt daher zugleich den Rahmen vor, in dem sie ausgeübt werden kann.30 Dies zeigt sich im Bürgerlichen Recht bereits, wenn man den Blick weg vom zweiten Buch des BGB und hin zum Familienrecht (mit seinen Unterhaltspflichten) oder dem Erbrecht (mit dem Pflichtteilsrecht) wendet. Das Konsensualprinzip ist hier nicht mehr zu erkennen. Aber auch im Recht vertraglicher Schuldverhältnisse wird die Handlungsfreiheit des Einzelnen durch AGB-Kontrolle, Verbraucher-, Mieter- und Antidiskriminierungsschutz zunehmend eingeschränkt.31 Die Durchsetzung überindividueller Belange zu Lasten der Privatautonomie ist aber kein Sonderfall, sondern dem Zivilrechtssystem inhärent.32 So soll das Herzstück des Bürgerlichen Rechts, die Rechtsgeschäftslehre, nicht nur dem Willen des Einzelnen zur Verwirklichung verhelfen, sondern zugleich den Verkehrsschutz sichern.33 Denn dieser ist die zwingende Voraussetzung für die funktionierende Ausübung der Privatautonomie aller Individuen.34 Dafür müssen die
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Dazu Bydlinski, AcP 194 (1994) 319, 325. Grundlegend Böhm, der die Rede von der Privatrechtsgesellschaft prägte, ORDO 17 (1966), S. 75 ff. Zuletzt dazu der Sammelband von Riesenhuber (Hrsg.), Privatrechtsgesellschaft, 2007. 30 So schon Böhm, ORDO 17 (1966), S. 102; aktuell Grundmann, FS Hopt, Bd. I 2010, S. 61, 72 ff.; Kirchner, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 63, 74; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 7, 17; Wagner, AcP 206 (2006) 352, 432. 31 Dazu Grigoleit, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 51, 60 ff. 32 So auch Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 30 f.: „Hat sich nämlich der Gesetzgeber für eine ,Privatrechtsordnung‘ entschieden […] so besteht der Zwang zur positiven Bewertung einer Reihe von ,immanenten Dauerfragen‘. Teils müssen Regeln betreffend den rechtsgeschäftlichen Verkehr aufgestellt werden […] teils muß Vorsorge getroffen werden für den Fall der ,Verkehrsstörung‘ (wie sie z. B. durch Irrtum, Drohung, Verzug, Erfüllungsverweigerung usw. begründet wird).“; ebenso zuletzt Grigoleit, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 51, 57. 33 So schon Böhm, ORDO 17 (1966), S. 75, 89: „Die Nötigung für jeden Menschen, sein individuelles Planen und Verhalten auf die Pläne anderer und auf die gesellschaftlichen Daten abzustimmen, ist in der gesellschaftlichen Situation selbst gegeben: wer sich unter Gleichberechtigten bewegt und […] auf seinesgleichen angewiesen ist, der muß sich an die Gesellschaft anpassen.“ Dazu auch Wagner unter der Überschrift „Die Armut der Privatautonomie als Privatrechtsprinzip“, AcP 206 (2006), 352, 423. 34 Mit anderen Beispielen Grigoleit, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 51, 60 (sachenrechtliche Formenstrenge, gesellschaftsrechtlicher Typenzwang). Allgemein Böhm, ORDO 17 (1966) S. 75, 86: „Ohne Obrigkeit kann auch die Privatrechtsgesellschaft 29
A. Öffentliches Recht und Privatrecht
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Belange des Einzelnen gegebenenfalls zurückstehen. Das Privatrecht ist also mehr als nur ein Instrument zur Ermöglichung privater Ordnung. Es begrenzt und umrahmt diese notwendigerweise.35 Das Zusammenspiel privater Rechtssetzung und staatlicher Vorgaben ist für das Privatrecht also schlichtweg konstituierend.36 c) Steuerungsinstrumente Wie bewältigt das Privatrecht seine Aufgaben? Zunächst stellt es dem Rechtsverkehr die Institute des Vertrages und des Eigentums als Grundlagen eines funktionierenden Rechtsverkehrs zur Verfügung.37 Hieraus ergeben sich Ansprüche auf die Einhaltung vertraglicher Pflichten und die Unterlassung schädigender Handlungen. Bleiben sie unbeachtet, tritt an ihre Stelle die Pflicht zum Schadenersatz.38 In der Sache bleibt durch die weitgehend dispositiven Normen viel Raum für die privatautonome Gestaltung der Rechtsbeziehungen. Das dispositive Recht fungiert als „Reservevertragsordnung“39, die aus ökonomischer Perspektive der Einsparung von Transaktionskosten und somit der Steigerung der Marktaktivität dient. Das Privatrecht hat somit in weiten Teilen Dienstleistungsfunktion.40 Dies gilt im Ergebnis sogar für das zwingende Recht, sobald man den Blick einmal weg von der Vertragsgestaltung und hin zu dessen Durchsetzung wendet.41 Denn ob die Parteien die ihnen zustehenden Ansprüche letztendlich gegeneinander geltend machen, ist ihnen nicht auskommen […]. Das bloße Funktionieren ihres eigenen Kreislaufs bedarf einer Wartung, die sich nicht aus sich selbst heraus bewerkstelligen kann.“ 35 Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 34: „Viele Bestimmungen verhalten sich zu anderen so, daß mit einer bestimmten Regelung Situationen heraufbeschworen sind, die den Gesetzgeber zu weiteren Normierungen zwingen, damit nicht Unzuträglichkeiten, Unbilligkeiten, Ungerechtigkeiten, Unklarheiten oder Streitigkeiten entstehen […].“ 36 Dieses Verständnis liegt auch der Verfassung zu Grunde. So schreibt Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG die Sozialbindung des Eigentums ausdrücklich fest; dasselbe gilt gem. BVerfGE 8, 274, 328 auch für die Vertragsfreiheit. Grundlegend ist zudem das Lüth-Urteil, BVerfGE 7, 198, 204 ff., das die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte für das Zivilrecht festschrieb, Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 5 Rn. 189 ff. 37 So auch Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 7, 16. Zur Institutsgarantie des Eigentums s. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 11 ff. 38 Vgl. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 425: „Privatrecht erscheint dabei als System von Anreizen, das das Verhalten der Individuen in teils subtilster Weise zu steuern vermag“. 39 So Grundmann, in: FS Hopt 2010 Bd. I S. 61, 86; zur „Erleichterung der Willkürentfaltung durch positives Recht“ auch Grigoleit, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 51, 59. 40 So ausdrücklich Bydlinski, AcP 194 (1994), 319, 343; ähnlich Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, s. 426 f. Zu dispositivem und zwingendem Recht im Gesellschaftsrecht Binder, Regulierungsinstrumente, S. 64 ff. und als Regelungsinstrument allgemein, S. 77 ff. und 151 ff. 41 Dazu Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 34 f.: „[D]as subjektive Privarecht ist ohne die vom Zivilprozeßrecht eröffneten Verfolgungs- und Vollstreckungsmöglichkeiten ein Schwert ohne Schneide […].“
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
überlassen; wo kein Kläger, da kein Richter.42 Die Rechtsordnung nimmt in diesen Fragen also eine weniger effektive Durchsetzung ihrer Vorstellungen zu Gunsten der Privatautonomie in Kauf.43 2. Eigenheiten des Öffentlichen Rechts a) Sonderrecht des Staates Das öffentliche Recht ist das Sonderrecht des Staates und determiniert das Handeln all seiner Vertreter.44 Es unterteilt sich in verschiedene Einzelgebiete, die die Funktionsweise des Staatswesens regeln aber auch bestimmte Vorgaben an das Verhalten der Bürger formulieren. Diese Verhaltensvorgaben dienen den Interessen des Gemeinwohls, seien es polizeirechtliche Regelungen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder steuerrechtliche Verpflichtungen zum Schutz des Staatshaushalts. Sie gelten unabhängig vom Willen der Betroffenen ex lege. Ihre Legitimation speist sich also nicht aus dem Konsens, sondern aus der Gemeinwohlorientierung.45 Zunehmend adressiert das Öffentliche Recht in Gestalt des Verwaltungsrechts Regelungskonflikte, die nicht ausschließlich das Verhältnis des Bürgers zum Staat betreffen, sondern auch den Ausgleich von Privatinteressen mit in den Blick nehmen, solange dies nur im öffentlichen Interesse liegt.46 Das gilt zum Beispiel für den Wettbewerbsschutz durch Kartellrecht, den Immissionschutz durch Umweltrecht oder eben den Schutz der Institutskunden durch Aufsichtsrecht.
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Darauf hinweisend auch Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 78; Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 17; Grigoleit, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 51, 56; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 27. 43 Dazu auch Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 7, 17 f. Aus der Debatte um den privaten und öffentlichen Umweltschutz Konrad, in: FS Münchener Juristische Gesellschaft, S. 133, 140: „Aus der Sicht des wünschbaren Umweltschutzes ist es jedenfalls ein Nachteil, daß der immissionsbetroffene Gläubiger die Verletzung seiner Rechte ignorieren, von ihrer Durchsetzung beliebig absehen, sie zum Vertragsgegenstand machen und sich um Geld abkaufen lassen kann. Weitergehend noch ist seine Dispositionsfreiheit im Schadensersatzrecht; das Gesetz überläßt es seinem Gutdünken, statt Naturalrestitution Geldersatz zu verlangen“. Auf die Unterschiede zwischen privater und hoheitlicher Normdurchsetzung weist auch Binder hin, Regulierungsinstrumente, S. 228 f.; zu ihren Funktionsvoraussetzungen s. S. 232 ff. 44 Dazu Burgi, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 7 m.w.N. 45 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 7, 20: „Staatliche Herrschaft ist rechtfertigungsbedürftige Herrschaft. Sie kann einseitig Rechtsfolgen festlegen, muss sich aber mit einem besonderen Gemeinwohlbezug ihrer Entscheidungen legitimieren.“ Hinzu kommt der Fakt, dass die Gesetze in einer repräsentativen Demokratie durch gewählte Volksvertreter in einem förmlichen Verfahren verabschiedet worden sind. 46 So Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 7, 19; Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 167, 172.
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b) Steuerungsinstrumente Hauptinstrumente des Öffentlichen Rechts sind das Gesetz und der Verwaltungsakt. Das Gesetz als abstrakt-generelles Medium dient der Grobsteuerung des menschlichen Verhaltens. Eine Feinsteuerung im Einzelfall erfolgt durch das Eingreifen der Verwaltung, die zur Ermittlung von Amts wegen verpflichtet ist.47 Anders als dem Privatrecht ist dem Öffentlichen Recht also an der effektiven Durchsetzung seiner Pflichten gelegen.48 Aufgrund des Informationsgefälles zwischen Behörde und Bürgern ist dabei jedoch mitunter ein gewisses Vollzugsdefizit zu beklagen.49 Zunehmend hat deswegen eine Verkopplung öffentlicher Überwachungsstrukturen mit privaten Organisationsmustern stattgefunden. So wird zum Beispiel mit Hilfe von Unternehmensbeauftragten ein Teil der Überwachungstätigkeit in das Überwachungssubjekt hineinverlagert.50 Auch das sogenannte informelle Verwaltungshandeln nimmt zu.51 Hierbei sucht die Behörde außerhalb des Rahmens gesetzlicher Handlungsinstrumente eine nicht rechtsverbindliche, aber durch ihre Sachnähe überzeugende Lösung mit den Regulierten gemeinsam.52 Ein Grund hierfür ist die Notwendigkeit, das Wissen und die Informationen der Normadressaten in den Regulierungsprozess mit einfließen zu lassen.53 3. Zwischenergebnis Diese knappe Gegenüberstellung hat die charakteristischen Eigenheiten beider Teilrechtsordnungen, aber auch deren zunehmende Relativierung offengelegt. So ist das Privatrecht keinesfalls nur dem Interesse des Einzelnen verpflichtet, sondern verfolgt zugleich überindividuelle Ziele. Das Öffentliche Recht wendet sich nicht mehr ausschließlich dem Verhältnis Staat-Bürger zu, sondern schaltet sich dort aktiv in den Ausgleich von Individualinteressen ein, wo ansonsten ein Marktversagen 47 Vgl. § 24 BVwVfG als Grundlage für alle Bundesbehörden, also auch für die BaFin (§§ 1, 2 BVwVfG). Im Strafrecht gilt §§ 160 Abs. 2, 163 StPO für Staatsanwaltschaft und Polizei; im Steuerverfahren § 88 AO. Auch vor Gericht gilt der Amtermittlungsgrundsatz, vgl. die Verwaltungs- (§ 86 Abs. 1 VWGO), Finanz- (§ 76 Abs. 1 FGO) und Sozialgerichtsbarkeit (§103 SGG) sowie für den Strafprozess §§ 155 Abs. 2, 244 Abs. 2 StPO. 48 So auch Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 60; Kirchner, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 63. 49 Dazu auch Wagner, AcP 206 (2006), 352, 441. Zu Informationsproblemen bei der hoheitlichen Rechtsdurchsetzung eingehend Binder, Regulierungsinstrumente, S. 243 ff. 50 Ausführlich zur Rechtsstellung eines Unternehmensbeauftragten Rittner/Dreher, Europ. WirtschaftsR, § 12 Rn. 33 ff. Umfassender Überblick über die verschiedenen Erscheinungsformen bei Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 41 ff., 118 ff., 283 ff. 51 Ausführlich zu informellem Verwaltungshandeln Fehling, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. II, § 38. 52 Hierzu zählen unter anderem die Rundschreiben der BaFin, ausführlich dazu Dritter Teil B. III. 2. b), S. 182 f. 53 Eingehend zu den Vorteilen des informellen Verwaltungshandeln Fehling, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. II, § 38 Rn. 43 ff.
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droht.54 Gleichzeitig richtet sich das Verwaltungsrecht auf eine stärker konsensual geprägte Regelfindung aus und adaptiert damit privatrechtliche Instrumente.55 Im Kern zielen Privatrecht und Öffentliches Recht aber weiterhin auf unterschiedliche Dinge. Dem Öffentlichen Recht ist an der möglichst effektiven Durchsetzung der von ihm gesetzten Ziele gelegen. Im Privatrecht gilt dagegen die effiziente Regelfindung als Optimum. Hierfür wird das Individuum zum Rechts- und Entscheidungsträger erhoben,56 also wirtschaftliche Verantwortung vom Staat auf den Einzelnen übertragen.57 Eine indirekte Verhaltenssteuerung erfolgt durch Haftungsvorschriften,58 deren Durchsetzung aber letztendlich von Privatpersonen abhängt.59 Kennzeichend für das Privatrecht ist daher der Effizienz-, für das Öffentliche Recht hingegen der Effektivitätsgedanke.60
III. Privat- und Öffentliches Recht als gemeinsamer Fundus der Problembewältigung 1. Die Theorie von den wechselseitigen Auffangordnungen Privat- und Öffentliches Recht zeichnen sich also durch bestimmte Kerncharakteristika aus, die trotz fortschreitender Annäherung beider Seiten bisher unverändert geblieben sind. Diese Gegensätze lösen sich nicht auf und sollen auch nicht 54
Zur Begründungsbedürftigkeit staatlicher Eingriffe in den Markt schon Böhm, ORDO 17 (1966), S. 75, 147; zum Marktversagen als Auslöser für Regulierungstätigkeit Picot, zfbf 2009, 655. 55 Vgl. §§ 54 ff. VwVfG. Dazu auch Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 20 f.; Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 167, 174 f. 56 So Bydlinski, AcP 194 (1994) 319, 344. 57 Bullinger sieht hierin eine „bewusste Dezentralisierung wirtschaftlicher Verantwortung und wirtschaftlichen Risikos“ in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 239, 243. 58 Kirchner, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, S. 63, 70: „[D]ie privatrechtliche Regulierung [zielt] auf eine Beeinflussung des Kalküls der Handelnden durch Verschiebung ihrer Kostenrelationen […].“ Die verhaltenssteuernde Wirkung des Privatrechts war unter Zivilrechtlern lange Zeit unpopulär, ist aber mittlerweile weitgehend anerkannt, s. Wagner, AcP 206 (2006) 352, 422 ff. und passim. 59 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 7, 18: „Wo Interessen sich nicht artikulieren oder wo ein Rechtssubjekt an der Verfolgung und Durchsetzung seiner Belange nicht interessiert ist, greifen die [privatrechtlichen] Instrumente nicht. Zur planmäßigen Verfolgung weiterreichender administrativer Zwecke lassen sie sich nicht einsetzen.“; ebenso Wagner, AcP 206 (2006) 352, 437. 60 Ebenso Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 31 und 60; Kirchner, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 63. Zur Klärung der Begrifflichkeiten s. Fleischer, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel, S. 9, 12 ff. Der Effektivitätsgedanke steht demnach für die Eignung zur Verwirklichung des vorgegebenen gesetzgeberischen Ziels (S. 13), der Gedanke der Effizienz dafür, dass „die in einer Volkswirtschaft vorhandenen Ressourcen in die wirtschaftlich sinnvollste Verwendungsrichtung gelenkt werden“ (S. 14).
A. Öffentliches Recht und Privatrecht
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aufgelöst werden. Angesichts der stetig zunehmenden Komplexität der vom Gesetzgeber zu lösenden Sachprobleme ist es allerdings an der Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, inwieweit die Steuerungsinstrumente beider Seiten gemeinsam zur Lösung schwieriger Regelungsprobleme herangezogen werden können.61 In diese Richtung geht ein Modell, das die Verzahnung beider Teilrechtsordnungen mit dem Bild von den „wechselseitigen Auffangordnungen“ zu beschreiben versucht. Den Urhebern dieser Idee zufolge soll sie „an die unterschiedlichen Steuerungsleistungen beider Teilrechtsordnungen an[knüpfen] und frag[en], wie sich Regelungsbedürfnisse, die im Rahmen der einen Teilrechtsordnung nicht ausreichend befriedigt werden können, durch Rückgriff auf Gestaltungselemente der anderen […] erfüllen und in diesem Sinne ,auffangen‘ lassen“62. Hintergrund ist das von Otto v. Gierke geprägte Verständnis beider Teilordnungen als „Kinder einer Mutter“63, die zwar „strukturell gegensätzlich[e], aber sich ergänzend[e] Teilsysteme einer ganzheitlichen Rechtsordnung“64 sind. 2. Kombination der Steuerungsinstrumente Nach diesem Verständnis nehmen Öffentliches Recht und Privatrecht letztendlich dieselbe Steuerungsaufgabe65 wahr und unterscheiden sich allein in der Wahl der Instrumente.66 Als Beispiel sei hierfür auf die Diskussion vor der Einführung des AGBG verwiesen: Strittig waren damals weniger die Normen in der Sache, sondern die Frage, ob ihre Prüfung ex ante durch eine Behörde oder ex post in einem Zivilgerichtsverfahren vorgenommen werden sollte.67 Wie allseits bekannt, entschied sich der Gesetzgeber für eine Verankerung im Zivilrecht, eröffnete aber mit dem UKlaG (sicherheitshalber?) eine überindividuelle Möglichkeit der Rechtsdurch61 Dazu Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 52, S. 426: „Damit ist an Stelle der Abgrenzung die Verzahnung der Rechtsgebiete zum Thema geworden.“ 62 So Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, in: dies., Auffangordnungen, Vorwort, S. 6. 63 So v. Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 1889, S. 44 f. zitiert bei Burgi, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 1. 64 So Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, in: dies., Auffangordnungen, Vorwort, S. 6. 65 Zum Steuerungsgedanken s. Jestaedt, in: Engel/Schön, Das Proprium der Rechtswissenschaft, S. 241, 259 ff.; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 18 ff.; Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 1 Rn. 17 ff. Zum Steuerungsgedanken als Mittel der Ordnungsbildung im Recht Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 262 ff. Diese „Steuerungsperspektive“ findet mittlerweile auch im Zivilrecht immer mehr Anhänger, s. zuletzt Binder, Regulierungsinstrumente, S. 24 ff. 66 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 7, 12: „Gemeinsamer Auftrag – differenzierte Steuerungsleistung“; Wagner, AcP 206 (2006) 352, 432. Auch Grundmann betont, Privat- und Öffentliches Recht stünden „häufig letzlich nur für unterschiedliche Durchsetzungsformen“, FS Hopt Bd. I, S. 61, 66. Schon 1959 Enneccerus/ Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 34, S. 227: „Ferner kann die Rechtsordnung den gleichen Zweck vielfach durch Anordnung privater oder öffentlicher Pflichten erreichen.“ 67 Dazu Schlosser, in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu §§ 305 ff., Rn. 7 m.w.N.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
setzung.68 So verstanden, besteht die eigentliche Aufgabe des Gesetzgebers nicht nur darin, inhaltliche Problemlösungen zu entwickeln, sondern zugleich „den Einsatz aller Teilrechtsordnungen so zu steuern, daß ein möglichst gutes Ergebnis herauskommt.“69 Einige Autoren sind gar der Meinung, dass es in Zeiten hochkomplexer Regelungsfelder nicht nur wünschenswert, sondern geradezu notwendig sei, den optimalen Instrumentenmix zu finden.70 Bestes Anschauungsmaterial hierfür bietet das Umweltrecht, das mit seinen Vorschriften zum Handel von Emissionszertifikaten erkennbar auf Marktmechanismen setzt. Auch ansonsten ist es „durchzogen von hybriden Steuerungsinstrumenten, die traditionell privatrechtliche mit herkömmlich öffentlich-rechtlichen Regelungsmustern mischen […] in dem Bestreben, ein Maximum an praktischem Umweltschutz zu einem Minimum an Kosten zu erreichen“71. 3. Wechselseitige Verzahnung und Beeinflussung Welche Formen das Miteinander von Öffentlichem und Privatrecht annehmen kann, ist Gegenstand der von Hoffmann-Riem und Schmidt-Aßmann angeregten Untersuchungen.72 Sie benennen verschiedene Funktionen, die beide Rechtsordnungen füreinander erfüllen können. Da ist zunächst die sog. Auffangfunktion, innerhalb derer die eine Ordnung die Defizite der anderen aufzufangen und auszu68 So auch schon die Vorgängervorschriften §§ 13 ff. AGBG. Für bestimmte Wirtschaftsbereiche, wie z. B. im Versicherungsvertragsrecht wurde indes eine behördliche Kontrolle angeordnet, s. Basedow, MünchKomm BGB, Vorbem. §§ 305 ff., Rn. 7. Im Versicherungssektor wurde sie allerdings 1994 unter dem Druck des Europarechts wieder abgeschafft. 69 So Wagner, AcP 206 (2006), 352, 432. Vgl. auch Bydlinski, AcP 194 (1994), 319, 328: „Rechtspolitisch ist das bestmögliche Austarieren staatlicher und individueller Aktivitäten selbstverständlich eine immer wieder neugestellte, nie beendete Aufgabe, deren Lösung vielfache konkrete Entscheidungen erfordert.“ Aus dem Kapitalgesellschaftsrecht zuletzt Binder, Regulierungsinstrumente, S. 25: „Für gegenwärtige und künftige Reformprobleme verschieben sich die Problemschwerpunkte zusehends: Während über die jeweiligen Regulierungsziele grundsätzlich oft Einigkeit besteht […] liegen die Schwierigkeiten nicht zuletzt bei der Entscheidung zwischen hoheitlicher Steuerung einerseits und privaten Steuerungsinstrumenten andererseits.“ 70 Dazu Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 80: „In der hochdifferenzierten Lebens-, Wirtschafts- und Gemeinschaftsordnung der Gegenwart sind Freiheit, soziale Sicherung, Rechtsstaatlichkeit, demokratische Willensbildung und andere Zielsetzungen wohl eher gefährdet als gesichert, wenn starre Dichotomien wie die von öffentlichem Recht und Privatrecht das rechtswissenschaftliche Denken bestimmen.“; ähnlich Röhl/Röhl zum Regulierungsrecht: „Die Aufgaben, die sich für die Bearbeitung dieses Gebietes stellen, können durch eine Trennung der Teildisziplinen nur behindert werden.“, Allgemeine Rechtslehre, § 52, S. 427. 71 So Wagner, AcP 206 (2006), 352, 435. Dazu ausführlich Zweiter Teil B. IV. 1., S. 115 ff. 72 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 7, 9: „Die Idee der Auffangordnung setzt einen Gegenakzent zu allen Segmentierungstendenzen der juristischen Systembildung und fragt nach Verbindungen und Austauschbeziehungen zwischen den beiden Teilrechtsordnungen.“; zur wechselseitigen Verzahnung auch Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 52, S. 427 ff.
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gleichen versucht.73 So verhilft bspw. § 823 Abs. 2 BGB öffentlich-rechtlichen Schutzvorschriften zu einer effektiveren Durchsetzung, da neben die behördliche Verfolgung zugleich die privatrechtliche Haftung „geschaltet“ wird.74 Die Privatrechtsordnung fängt an dieser Stelle also etwaige Vollzugsdefizite des öffentlichen Rechts auf.75 Darüber hinaus findet sich eine sog. Entlastungsfunktion überall dort, wo die eine Teilrechtsordnung ausdrücklich auf die andere verweist und damit auf eine eigene Regelung zur Klärung der Sachfrage verzichtet.76 Ein Beispiel hierfür findet sich in § 62 VwVfG für den öffentlich-rechtlichen Vertrag. Umgekehrt greift aber auch das Privatrecht an diversen Stellen auf öffentlich-rechtliche Vorgaben zurück, sei es im Rahmen des Nachbarrechts (§ 906 Abs. 1 S. 3 BGB) oder aber bei der Konturierung der deliktsrechtlichen Verkehrspflichten.77 Aber nicht nur das Miteinander der beiden Rechtskreise, sondern auch ihre wechselseitige Beeinflussung ist Thema der Studien zu den „wechselseitigen Auffangordnungen“. So finden sich im Öffentlichen Recht zunehmend Regelungsmuster und Handlungsformen, die ursprünglich dem Privatrecht entstammen.78 Prägnantes Beispiel hierfür ist der öffentlich-rechtliche Vertrag, der das Konsensprinzip an die Stelle des einseitigen Verwaltungsaktes setzt. Hierzu zählt weiter die Figur des „Unternehmensbeauftragten“, die sich unter anderem im Arbeits-, Umwelt- und Datenschutzrecht findet.79 Letztendlich handelt es sich bei einem solchen Beauftragten um ein „hybrides Steuerungsinstrument“, ist er doch gleichzeitig Arbeitnehmer und externer Beobachter.80 73
Dazu bereits oben Zweiter Teil A. III. 1., S. 92. Aus zivilrechtlicher Sicht Engel, JZ 1995, 213 unter dem Titel „Zivilrecht als Fortsetzung des Wirtschaftsrechts mit anderen Mitteln“. 75 Hoffmann-Riem bezeichnet dies als „arbeitsteiligen Vollzug“, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 261, 279 f. Dazu auch Jarass, VVDStRL Bd. 50 (1991), S. 239, 256; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 445 ff. Gegen diesen Trend spricht sich Ipsen aus, der stattdessen eine Vervollkommnung des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes fordert, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 311. 76 Vgl. Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 128 ff. Dazu auch Trute, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 167, 180, der von „wechselseitiger Anknüpfung“ spricht. 77 Vertiefend Zweiter Teil B. IV. 2., S. 120. Dazu bereits Trute, der insoweit von einer „Ergänzungsfunktion“ spricht, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 167, 183 ff. 78 Vgl. Burgi, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 77 f. Zur Übertragbarkeit zivilrechtlicher Wertungen ins Öffentliche Recht schon 1959 Enneccerus/ Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 34, S. 237 ff. 79 Dazu bereits Fn. 50, S. 91. Aus öffentlich-rechtlicher Sicht auch Eifert, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 19 Rn. 104 ff. 80 Ob auch der Compliance-Beauftragte des Aufsichtsrechts hierzu zu zählen ist, ist umstritten; dafür u. a. Veil, WM 2008, 1093, 1097; dagegen Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 386: Der Compliance-Beauftragte sei keine „Außenstelle der BaFin“ (Fn. 63); Schaaf, Risikomanagement und Compliance im Versicherungsunternehmen, S. 147 f. Eine umfassende Darstellung findet sich bei Lösler, WM 2008, 1098. Im Verwaltungsrecht ordnet man sowohl den 74
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
Die strenge Zweiteilung zwischen dem Öffentlichen und dem Privatrecht hat damit den Charakter eines rechtsgrundsätzlichen Gegensatzes verloren.81 Das Bestreben nach einer trennscharfen Abgrenzung entspricht mit den Worten von Stolleis „einem Sternenlicht, das auch dann noch unterwegs ist, wenn seine Quelle längst erloschen ist.“82 Richtigerweise muss es heute darum gehen, die Elemente beider Teilbereiche zur Erreichung eines möglichst optimalen Regelungsergebnisses zusammenzuführen und dadurch das Regulierungsniveau insgesamt zu verbessern.83
IV. Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht als Beispiel der wechselseitigen Verzahnung von Privat- und Öffentlichem Recht 1. Zur Eigenständigkeit des Gesellschaftsrechts „Das Gesellschaftsrecht war einst ein Solitär in der Rechtslandschaft. Es stand nur für sich selbst. Und bei einer solchen Position nicht fernliegend war der Grat zwischen Stolz auf das schöne Terrain einerseits und Hybris über die eigene Stellung in der Rechtsordnung andererseits oft schmal. Und doch: tempora mutantur.“84 Mittlerweile wird das Innenleben einer Gesellschaft kaum noch ausschließlich durch das Gesellschaftsrecht determiniert; vielmehr wird es durch öffentliche-rechtliche Vorgaben unterschiedlichster couleur ergänzt und die Verrechtlichung der Unternehmensorganisation so vorangetrieben.85 Zu denken ist zum Beispiel an das Mitbestimmungs- oder auch das Datenschutzrecht, das Umwelt- und das Produktsicherheitsrecht. Im Finanzsektor gilt das Aufsichtsrecht sowie Sonderregeln zur Compliance-Beauftragten wie auch den Verantwortlichen Aktuar des VAG dieser Kategorie zu s. Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 19 Rn. 104. 81 So Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 24. 82 Stolleis, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 41, 59. 83 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 7, 36: „Auffangvorgänge müssen so organisiert werden, daß die beteiligten Teilrechtsordnungen die ihnen typischen Steuerungsvorteile optimal zur Geltung bringen können.“; ähnlich Wagner, AcP 206 (2006) 352, 432: „Die eigentliche Aufgabe besteht darin, den Einsatz aller […] Teilrechtsordnungen so zu steuern, daß ein möglichst gutes Ergebnis herauskommt.“ Welche Vorgaben bei der Wahl der Steuerungsinstrumente bestehen, zeigt Burgi auf, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 56 ff. 84 So Dreher, ZGR 2010, 496, 497. 85 So auch Bumke, Die Verwaltung 41 (2008), 227, 242: „Die detaillierten öffentlichrechtlichen Anforderungen zwängen die Unternehmen in ein enges Korsett von Verhaltenspflichten […].“ Kritisch Großfeld, der unter der Zwischenüberschrift „Abstieg des Gesellschaftsrechts“ das folgende Gedicht zitiert, NZG 2005, 1, 2: „Ein Zwieback liegt im Regen und wird weicher, mit tausend Händen vom Gewitter weich geklopft. Er wird dem Boden und der Erde immer gleicher mit jedem Tropfen, der vom grauen Himmel tropft. Des Zwiebackbäckers Kunst, sie war vergebens. Dem Walten der Natur entgeht man nicht. Ja, zum Verständnis der Gesetze unsres Lebens genügt ein weicher Zwieback als Gedicht.“
A. Öffentliches Recht und Privatrecht
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Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.86 All diese Regeln greifen auf die eine oder andere Weise in die Unternehmensorganisation ein und legen sich wie eine zweite Haut über die durch das Gesellschaftsrecht vorgeformte Unternehmensverfassung.87 Insbesondere dem Aktienrecht ist eine solche Überlagerung durch öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht unbekannt, sieht sich doch jede börsennotierte AG zugleich mit den Anforderungen des Kapitalmarktrechts konfrontiert. 2. Verschränkung des Aktien- und Kapitalmarktrechts a) Entstehung eines „Börsengesellschaftsrechts“ Die Belebung der Kapitalmärkte in Kontinentaleuropa und der damit einhergehende Wandel der Unternehmensfinanzierung hat die Schaffung eines eigenständigen Kapitalmarktrechts herausgefordert.88 Seither sehen sich börsennotierte Gesellschaften mit einer Gemengelage aktien- und öffentlich-rechtlicher Vorschriften konfrontiert, die teils ähnliche Themen betreffen, aber mitunter unterschiedliche Zwecke verfolgen.89 Diverse Autoren sprechen diesbezüglich bereits von einem „Börsengesellschaftsrecht“90. Die Unterscheidung zwischen börsen- und nicht börsennotierten Gesellschaften erzeugt einen Schnitt, der quer durch das AktG reicht;91 sie ist aber mittlerweile vom Gesetzgeber und vom DCGK übernommen worden.92 Stetig vertieft wird sie durch den Einfluss des europäischen Gesetzgebers, dessen Wirken sich ohnehin primär auf die börsennotierte Gesellschaft beschränkt.93 86 Für eine umfassende Darstellung öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Unternehmensorganisationspflichten, s. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2. Aufl. 2011. 87 Zur Überlagerung des Gesellschaftsrechts durch Öffentliches Recht schon U. H. Schneider, DB 1993, 1909 ff.; jüngst Armbrüster, KSzW 2013, S. 10 ff. 88 Zur Entstehung des Kapitalmarktrechts Hopt, ZHR 140 (1976), 201 ff.; ZHR 141 (1977), 389 ff. 89 Zum Verhältnis des Aktien- zum Kapitalmarktrecht Baum, in: Doralt/Kalss, Franz Klein, S. 93, 108 ff.; Fleischer, ZIP 2006, 451 ff.; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 98 ff. 90 Vgl. u. a. Fleischer, ZIP 2006, 451, 454; Grundmann, in: FS Hopt Bd. I, S. 61, 63; Leyens, JZ 2007, 1061; Nobel, in: Liber Amicorum Guy Horsmans, S. 819; sowie den Untertitel der Arbeit von Henne, Information und Corporate Governance, 2011. Dazu auch Spindler, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2008, Vor § 76 Rn. 63: „Beide Bereiche bedingen einander. Nicht zuletzt schafft das (Kapital-)Gesellschaftsrecht den instituionellen Rahmen, in welchem sich der Kapitalmarkt bewegt. Daher können Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht kaum mehr voneinander getrennt werden, sondern sind als zusammenhängende Materien zu begreifen.“ 91 Fleischer spricht diesbzgl. vom „Auseinanderdriften der aktienrechtlichen Kodifikation“, ZIP 2006, 451, 455. 92 Vgl. die Legaldefinition der börsennotierten Gesellschaft in § 3 Abs. 2 AktG. Die Regelungen des DCGK sind ausschließlich auf börsennotierte Gesellschaften gemünzt, s. Präambel. Nur für sie gilt auch § 161 AktG. 93 Dazu bereits Erster Teil A. II. 1., S. 30 f.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
b) Zusammenspiel von Aktien- und Kapitalmarktrecht Zwar kann das Verhältnis des Aktien- und Kapitalmarktrechts hier nicht umfassend untersucht werden;94 einige wechselseitige Verflechtungen sollen jedoch exemplarisch vorgestellt werden. Diese beginnen bereits bei den grundlegenden Begrifflichkeiten: So enthält § 3 Abs. 2 AktG zwar eine eigenständige Definition der börsennotierten Gesellschaft, diese lehnt sich aber weitgehend an das Verständnis des Kapitalmarktrechts an.95 Darüber hinaus sind Aktien- und Kapitalmarktrecht geradezu ein Musterbeispiel für sich wechselseitige auffangende Ordnungen: Bemerkenswert ist insoweit die Verknüpfung der kapitalmarktrechtlichen Offenlegungsvorschriften mit der Rechtsfolge des aktienrechtlichen Stimmrechtsverlustes.96 Hier greift das Öffentliche Recht bewusst auf ein Instrument des Privatrechts zur Durchsetzung seiner Ziele zurück, um so die Überwachung durch die Aufsichtsbehörde zu ergänzen.97 Dieselbe Verknüpfung findet sich in §§ 35, 59 WpÜG. Es handelt sich um ein besonders starkes Beispiel der Verkopplung beider Rechtsgebiete.98 Umstritten ist, ob sich aus der Verletzung kapitalmarktrechtlicher Veröffentlichungspflichten auch zivilrechtliche Schadenersatzansprüche der Anleger ableiten lassen.99 Würde man dem folgen, so würde die behördliche Rechtsdurchsetzung durch ein zweites zivilrechtrechtliches Steuerungsinstrument ergänzt. Eine solche „Arbeitsteilung“ findet sich im Bereich der Prospekthaftung seit jeher.100 Mit dem KapMuG hat der Gesetzgeber die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zudem zusätzlich erleichtert, um die Aktionäre auf diesem Wege als „Mitkontrolleure“ des Emittentenhandelns zu gewinnen.101 Auch in der entgegengesetzten Richtung finden sich Beispiele einer wechselseitigen Interaktion von Kapitalmarkt- und Aktienrecht. So nimmt § 35 WpÜG als Instrument der Konzerneingangskontrolle eine bis dato genuin gesellschafts-
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Eingehend aber Fleischer, ZIP 2006, 451 ff. Vgl. §§ 2 Abs. 5 WpHG, 2 Abs. 7 WpÜG. So auch Doralt/Diregger, in: MünchKomm AktG § 3 Rn. 37. Parallelen bestehen auch zur handelsrechtlichen Definition der kapitalmarktorientierten Gesellschaft in § 264d HGB. 96 Vgl. §§ 21, 28 WpHG. 97 Leyens spricht von einem „Zusammenspiel interner verbandsrechtlicher und externer marktrechtlicher Kontrollmechanismen.“, in: Allmendinger/Dorn, CG nach der Finanzkrise, S. 3, 26. 98 So auch Fleischer, ZIP 2006, 451, 457. 99 Vgl. die Nachweise bei Fleischer, ZIP 2006, 451, 457. 100 Dazu auch Merkt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 683, 693. Instruktiv zur Prospekthaftung Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rz. 15.186 ff. Ende 2011 wurden die §§ 44 ff. a.F. aufgehoben und inhaltsgleich in die §§ 22 ff. WpPG aufgenommen. 101 So auch Baum, in: Doralt/Kalss, Franz Klein, S. 93, 103: „Privaten Klagen soll künftig – neben den klassischen hoheitlichen Instrumenten des Verwaltungs-, Ordnungswidrigkeitenund Strafrechts – eine wesentliche Rolle bei der Durchsetzung von Marktordnungsrecht zukommen.“ 95
A. Öffentliches Recht und Privatrecht
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rechtliche Funktion wahr.102 Er entlastet damit das kodifizierte Konzernrecht der §§ 311 ff. AktG.103 c) Inhaltliche Parallen – Inhaltliche Divergenzen Über solch funktionale Verschränkungen hinaus, wird dem Kapitalmarktrecht aber auch ein materieller Einfluss auf die aktienrechtliche Ordnung zugeschrieben.104 So hat es zum Beispiel ein gewandeltes Verständnis der Rolle des Aktionärs befördert. Der Aktionär einer börsennotierten Aktiengesellschaft wird heute weniger als „Gesellschafter“ denn als „Kapitalanleger“ verstanden.105 Der Blickwinkel verändert sich damit und schwenkt von einer mitgliedschaftlichen zu einer rein monetären Betrachtung.106 Auch im Konzernrecht hat das Kapitalmarktrecht Spuren hinterlassen: So können kapitalmarktrechtliche Informationspflichten etwa ungeschriebene Mitwirkungspflichten innerhalb eines Unternehmensverbundes begründen.107 Andersherum lassen bestimmte kapitalmarktrechtliche Vorschriften eine große inhaltliche Nähe zu aktienrechtlichen Vorgaben erkennen.108 Wo aber zwei Rechtsbereiche aufeinandertreffen, da zeigen sich Übereinstimmungen ebenso wie Spannungen. Bekanntester Streitpunkt ist sicherlich das Verhältnis von kapitalmarktrechtlicher Informationshaftung und aktienrechtlichem Kapitalerhaltungsgrundsatz.109 Erheblichen Koordinierungsbedarf löste auch die Pflicht zur Ad-Hoc-Publizität kursrelevanter Informationen gemäß § 15 Abs. 1 WpHG aus, die sich nicht friktionslos mit den Entscheidungsprozessen in Vorstand und Aufsichtsrat in Übereinstimmung bringen ließ. Zur Auflösung dieser Normspannungen wird auf die Möglichkeit der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG 102
Zu den gesellschaftsrechtlichen Mitteln der Konzerneingangskontrolle Raiser/Veil, KapGesR, § 52, S. 675 ff. Zur Funktion des § 35 WpÜG Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, § 35 WpÜG Rn. 8 m.w.N. 103 So auch Fleischer, ZIP 2006, 451, 457. 104 Dazu K. Schmidt, GesR, § 26, S. 769: „Das Kapitalmarktrecht hält auch sonst das Aktienrecht in Bewegung. Zu konstatieren ist insgesamt, daß nahezu alle wesentlichen rechtstatsächlichen und rechtspolitischen Impulse für Aktienrechtswirklichkeit und Aktienrecht von der Hinwendung des Denkens zum Geschehen auf internationalen Kapitalmärkten herrühren.“ Zur kapitalmarktorientierten Gesetzesauslegung für börsennotierte Gesellschaften Spindler, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2008, Vor § 76 Rn. 68 ff. 105 Grundlegend Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979. Später Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996 sowie Kalss, Anlegerinteressen, Der Anleger im Handlungsdreieck von Vertrag, Verband und Markt, 2001. 106 Dazu aus verfassungsrechtlicher Sicht Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, S. 1009, 1018 f. 107 Vgl. Fleischer, ZIP 2006, 451, 457 m.w.N. 108 So Fleischer, ZIP 2006, 451, 457 mit Blick auf § 15a Abs. 3 WpHG und § 89 Abs. 3 AktG. 109 Für das deutsche Recht höchstrichterlich zu Gunsten der Kapitalmarkthaftung entschieden, s. BGH ZIP 2005, 1270, 1272 ff. (EM.TV). So nun auch der EuGH, EuZW 2014, 223. Dazu bereits Fleischer/Schneider/Thaten, NZG 2012, 801 ff.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
zurückgegriffen.110 Der kurze Überblick zeigt: An materiellen Berührungspunkten von Aktien- und Kapitalmarktrecht mangelt es nicht. Sichtbar wird also ein klassisches Beispiel nicht nur für das Zusammenwirken, sondern auch für die wechselseitige Beeinflussung von Öffentlichem und Privatrecht. 111 3. Verschränkung des Aktien- und Aufsichtsrechts: Entstehung eines Bankgesellschaftsrechts Während die Verknüpfung des Aktien- und Kapitalmarktrechts zum „Börsengesellschaftsrecht“ in der Literatur große Beachtung gefunden hat, ist die zunehmende Verschränkung des Aktien- und des Aufsichtsrechts zu einem „Bankgesellschaftsrecht“112 bisher auf vergleichsweise wenig Widerhall gestoßen.113 Dabei sind die Überschneidungen in der Praxis nicht geringer. Schließlich ist die Aktiengesellschaft die am häufigsten gewählte Rechtsform des privaten Bank- und Versicherungssektors.114 Finanzinstitute sehen sich daher ebenfalls mit einer komplexen Gemengelage privat- und öffentlich-rechtlicher Vorschriften konfrontiert. Das Interaktionspotenzial zwischen diesen beiden Bereichen ist sogar ungleich höher, ist doch das Aufsichtsrecht – ebenso wie das Aktienrecht – institutionell statt transaktionell ausgelegt.
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Dazu auch Spindler, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2008, Vor § 76 Rn. 71. Fleischer, ZIP 2006, 451, 458: „Kapitalmarktrecht ist fernerhin Querschnittsrecht, welches die hergebrachte Wandtafelsystematik von Zivilrecht und öffentlichem Recht überwindet […].“ 112 So Langenbucher, ZHR 176 (2012) 652, 666; dies aufgreifend Binder, ZGR 2013, 760, 764; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 541. Allgemeiner könnte man auch von einem „Institutsgesellschaftsrecht“ sprechen. Eine ähnliche Wortschöpfung findet sich bei Wundenberg, Compliance, S. 10: „Aufsichtsgesellschaftsrecht“. 113 Darauf hinweisend auch Grundmann, in: FS Hopt 2010 Bd. I S. 61, 86. Ganz anders dagegen in der Schweiz, wo Emmenegger bereits 2004 eine umfassende Arbeit zu diesem Thema vorgelegt hat, s. dies., Bankorganisationsrecht. 1993 hatte dort bereits Nobel auf die „Verzahnung“ der beiden Bereiche aufmerksam gemacht, FS Kleiner, 1993, S. 169, 181. 114 Die ersten „Aktiengesellschaften“ in der Form wie sie uns heute geläufig ist, waren die St. Georgsbank in Genua und die Ambrosiusbank in Mailand, s. K. Schmidt, GesR § 26 S. 759. Ausführlich zur Geschichte der Aktiengesellschaft Cordes/Jahntz, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel Bd. I, S. 1 ff. 111
B. Wechselseitiges Verhältnis von Normen im Gesamtsystem des Rechts
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B. Das wechselseitige Verhältnis von Normen im Gesamtsystem des Rechts Wo sich zwei Rechtsbereiche überschneiden, entsteht Koordinations- und Abstimmungsbedarf.115 Die herkömmlichen Instrumente der Methodenlehre sind dieser Aufgabe – wie gleich zu zeigen sein wird – nicht in jeder Hinsicht gewachsen (I. und II.). Nötig wird also eine neue Herangehensweise, die dem „amorphen Chaos“116 sich gegenseitig überlappender Normen Herr wird117 und es ermöglicht, Öffentliches und Privatrecht auf inhaltliche Wechselwirkungen hin zu untersuchen (III.).
I. Die Aussagekraft der „Einheit der Rechtsordnung“ Auf der Suche nach Instrumenten zur Ordnung von Rechtsnormen begegnet man rasch dem Topos der Einheit der Rechtsordnung. Er beruht auf der Annahme, dass einzelne Rechtssätze Teil eines größeren, innerlich zusammengehörigen Systems sind und vor diesem Hintergrund verstanden werden müssen. Lassen sich der Einheit der Rechtsordnung aber auch Ordnungsprinzipien für die Koordination von Öffentlichem Recht und Privatrecht entnehmen? 1. Die Rechtsordnung als System Das Grundverständnis von einem in sich konsistenten und kohärenten System des Rechts118 liegt jeder rechtswissenschaftlichen Arbeit zu Grunde.119 Danach stehen 115
Fleischer, ZIP 2006, 451, 456: „Wo immer sich zwei Rechtsgebiete überlappen, gibt es Regelungsredundanzen, Zieldivergenzen, Funktionsäquivalenzen, Norminterdependenzen, Mitwirkungsingerenzen und Wertungsinterferenzen, in einem Wort: Abstimmungsbedarf.“ 116 So Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 87, die auf Luhmann verweist, Rechtssoziologie, S. 331: „Zusammenhangslosigkeit großer Normmengen, die zu unüberblickbaren Haufen zusammengeschoben werden.“ 117 Darauf hinweisend auch Schröder, VVDStRL Bd. 50 (1991), S. 196, 201: „Sind doch die Beziehungen zwischen dem Verwaltungsrecht und dem Zivil- und Strafrecht dichter denn je, produzieren aber gerade dadurch vielfache, noch nicht bewältigte Kollisionen.“ 118 Zu den verschiedenen Vorstellungen vom Recht als „System“ Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 23 ff. Gegen den Systemgedanken wandte sich v. a. Viehweg mit seinem Konzept des topischen Rechtsdenkens, instruktiv Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 54, S. 441. Auf einen Rückgriff auf die Systemtheorie Luhmanns wird in dieser Arbeit weitgehend verzichtet (dazu aber einführend Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 55, S. 444 ff.). Für die Rechtsanwendung selbst ist sie auch wenig relevant, vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 22 Rn. 751a; kritisch dazu auch K. Schmidt, in: ders. (Hrsg.), Vielfalt des Rechts, S. 9, 28. Für den Abgleich des Rechts mit anderen Nachbarwissenschaften (d. h. weiteren Systemen) scheint sie jedoch fruchtbringend, s. Jestaedt, in: Engel/Schön, Proprium der Rechtswissenschaft, S. 241, 272 f. 119 So auch Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 24.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
Normen nicht nur isoliert für sich selbst, sondern sind Teil eines Regelungsabschnitts, der wiederum Teil eines Gesetzes ist, das Teil eines Rechtsbereichs ist, der Teil der Gesamtrechtsordnung ist.120 Kurz: Alles ist verbunden.121 Schon Savigny betonte den „inneren Zusammenhang, welcher alle Rechtsinstitute und Rechtsregeln zu einer großen Einheit verknüpft.“122 Dieser innere Kern hält alle geschriebenen Rechtsnormen und die hinter ihnen stehenden ungeschriebenen Prinzipien zusammen. Aber nicht nur der Gedanke der Einheit, sondern auch der Gedanke der Ordnung bestimmen das Verständnis der Rechtsordnung als System.123 Damit ist eine „rational erfaßbare ,innere‘, d. h. von der Sache her begründete Folgerichtigkeit gemeint.“124 Die einzelnen „Elementarteilchen“ des Rechts gehören demnach nicht nur alle zusammen, sie sind auch in einem inneren Sachzusammenhang einander zugeordnet. Zudem ist das Rechtssystem nicht „statisch“, sondern „offen“, d. h. es entwickelt sich beständig fort.125 2. Die Einheit der Rechtsordnung Eng angelehnt an die Idee vom Recht als System ist der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung.126 Hierbei handelt es sich um eine in der Diskussion häufig verwendete, zugleich aber sehr unbestimmte, wenig griffige Figur,127 die den Rechtsanwender zu undifferenzierten Verallgemeinerungen zu verleiten droht.128 Sie darf 120 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 4 Rn. 139: „Rechtsordnungen sind keine unverbunden angehäuften Einzelnormen nach Art eines Sandhaufens.“; § 22 Rn. 745: „Keine Rechtsnorm steht für sich allein.“ 121 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 22, S. 189: „Normen sind also die Elementarteilchen des Rechts.“ 122 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, 1840, S. 214, zitiert bei Raisch, Methoden, S. 148. 123 Grundlegend Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 11 ff. 124 Canaris, Systemdenken, S. 12. Dazu auch Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 1: „Jeder große und komplexe ,Stoff‘ […] bedarf der gliedernden Ordnung.“ 125 Dazu Canaris, Systemdenken, 61 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 314 ff.; ebenso Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 21 f. Zur Zukunftsoffenheit des Rechtssystems auch P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten, S. 30: „Jede Rechtsordnung will in die Zukunft wirken, Entwicklungen lenken, Freiheitsinitiativen koordinieren und sich selbst weiterentwickeln.“ 126 Grundlegend Engisch, Einheit der Rechtsordnung, 1935. Instruktiv Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 37 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 56, S. 451 ff. 127 Vgl. die mitunter scharfe Kritik von Seiten der Staatsrechtslehrer Häberle, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 303: „Oft genug hat diese Schablone den Zugang zu den differenzierten Strukturen und Funktionen der Teilrechtsordnungen verdeckt.“ sowie Thieme, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 304: „Das ist eine Leerformel, die […] nicht nützt.“ 128 Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust, S. 145: „Voreilige Schlüsse aus Einheit und ,Systemgerechtigkeit‘ der Rechtsordnung zeugen oft von einem undifferenzierten Begriffsdenken und sind ihrerseits systemwidrig.“
B. Wechselseitiges Verhältnis von Normen im Gesamtsystem des Rechts
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daher nur mit Bedacht eingesetzt werden, um nicht die Eigengesetzlichkeiten einzelner Teilrechtsgebiete zu überspielen. Das Rechtssystem einer hoch entwickelten Gesellschaft verlangt nicht nur nach Einheitlichkeit, sondern auch nach einer „adäquate[n] Komplexität“129, um die Realität hinreichend abbilden zu können. Das Recht muss sich daher – trotz des Einheitsgebots – in immer kleinere Zweige verästeln, die sich immer speziellerer Fragen annehmen.130 Das entspricht auch dem Gestaltungsauftrag des Gesetzgebers aus Art. 3 GG.131 Abhängig von ihrer jeweiligen Zielkonzeption folgen alle Teilbereiche des Rechts daher bestimmten Eigengesetzlichkeiten, die verloren gingen, versuchte man, sie unter Berufung auf die Einheit der Rechtsordnung pauschal zu vermengen.132 Im Ergebnis wäre dies der Leistungsfähigkeit des Rechts im Ganzen abträglich.133 Was bleibt dann aber von der „Einheit der Rechtsordnung“ übrig? Die wohl überwiegende Meinung versteht hierunter das Gebot der Widerspruchsfreiheit der gesamten Ordnung.134 Alle Teile des Rechtssystems müssen daher nicht nur für sich genommen sinnvoll sein, sondern sich auch widerspruchsfrei ins Gesamtsystem einpassen.
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So Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974, S. 23. P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten, S. 8: „[D]ie Auffächerung und Differenzierung der Einzelaussagen ist Errungenschaft eines um Einzelfallgerechtigkeit und Situationsnähe bemühten Rechtsstaates.“ 131 Schröder spricht von „verfassungsrechtlich notwendige[n] Wertungsdifferenzen“ VVDStRL Bd. 50 (1991), S. 196, 206. 132 Dazu Jarass, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 316: „[Die Einheit der Rechtsordnung] bedeutet sicherlich nicht, dass wir alle Teilrechtssysteme über einen Kamm scheren können und sollen. Sie haben spezifische Rationalitäten, die voneinander abweichen können, weil sie verschiedene Ziele zu erreichen haben.“; Schröder, VVDStRL Bd. 50 (1991), S. 196, 205 f.: „Angesicht unterschiedlicher Aufgaben der Teilrechtsordnungen, […] erweist sich der Einheitstopos als viel zu pauschaler Maßstab […].“ 133 Jarass, VVDStRL Bd. 50 (1991), S. 239, 257 f.: „Die Bildung von Subsystemen erlaubt eine Spezialisierung und damit prinzipiell eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit. […] [Eine Überschreitung von Systemgrenzen] impliziert tendenziell eine Entspezialisierung und damit eine Reduzierung der Leistungsfähigkeit.“ 134 Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 67 f.: „Welche Bedeutung hat das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung für die Rechtsdogmatik? […] Vermeide nach Möglichkeit Widersprüche!“; P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten, S. 8: „Die Einheit und Geschlossenheit der Rechtsordnung zeigt sich nicht darin, daß jeder einzelne Rechtssatz für die gesamte Rechtsordnung steht; die einende und friedensstiftende Kraft einer Rechtsordnung stützt sich vielmehr nur auf die Widerspruchsfreiheit der Einzelaussagen der Rechtsordnung.“; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 36. Deutlich BVerfG NJW 1998, 2341, 2342: „Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet alle rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, daß den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen.“. 130
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
3. Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung Die Widerspruchsfreiheit ist somit eines der zentralen Prinzipien unserer Rechtsordnung.135 In ihrer einfachsten Form zwingt sie den Gesetzgeber, dasselbe Verhalten nicht gleichzeitig zu ge- und zu verbieten, d. h. also Normwidersprüche zu vermeiden.136 Schließlich darf der Bürger nicht vor eine rechtlich unauflösbare Aufgabe gestellt werden; das ergibt sich bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip.137 Neben solchen Normwidersprüchen existiert noch eine zweite Kategorie: die sog. Wertungswidersprüche. Dahinter verbirgt sich in erster Linie der Gedanke der wertungsmäßigen Gleichbehandlung zweier gleichgelagerter Sachverhalte.138 Obwohl die Beseitigung solcher Wertungswidersprüche wünschenswert ist,139 ist sie nicht zwangsläufig geboten.140 Verbindliche Vorgaben ergeben sich aus dem Prinzip der Widerspruchsfreiheit also nur für den Fall eines Normwiderspruchs – dieser muss stets beseitigt werden.141 Die Aufgabe ist größer, als sie auf den ersten Blick scheint, entwickelt sich das Recht doch beständig fort,142 während sich der Blick des Gesetzgebers immer weiter zu verengen scheint.143 Es obliegt daher in erster Linie Rechtsprechung und Rechts135
Vgl. Jarass, VVDStRL Bd. 50 (1991), S. 238, 260 m.w.N. Zum Normenwiderspruch eingehend Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 39 ff. 137 Dazu Ossenbühl, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 302: „Letztlich steckt dahinter eine existentielle verfassungsrechtliche Frage, nämlich die, ob der Staat gegenüber dem Bürger mit mehreren Zungen sprechen darf“. Drastischer noch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 22 Rn. 775: „Normwidersprüche gefährden in der Tat die Sicherheit und die Glaubwürdigkeit des Rechts.“ Vgl. auch P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten, S. 8: „Rechtsetzende Gewalt behält Autorität nur bei schlüssigen Anordnungen.“ 138 Eingehend dazu Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 51 ff.; Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 59 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 155. Mit Blick auf das Verhältnis von Privatrecht zu Öffentlichem Recht auch Burgi, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 39 f. 139 Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 77: „Durch die Beseitigung von Wertungswidersprüchen wird der innere Zusammenhalt der Rechtsordnung erhöht.“ 140 Vgl. Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 63; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 155 f. Strenger aber Canaris, Systemdenken, S. 116: „[D]erartige Widersprüche stellen eine Verletzung des Gleichheitsgebots dar, und an dieses sind der Gesetzgeber wie der Richter gebunden. Der Jurist hat daher sein gesamtes methodologisches Arsenal einzusetzen, um der Gefahr von Wertungswidersprüchen […] entgegen zu wirken […].“; ebenso P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten, S. 38. 141 Statt vieler Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 18, S. 154: „Eine Norm kann nicht zugleich gelten und nicht gelten. Von zwei sich widersprechenden Normen ist notwendig (mindestens) eine ungültig.“ 142 Dazu Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 67: „[D]ie Dynamik des Rechts ist der Keim von Widersprüchen. Zugleich aber auch das Stimulans juristischer Arbeit und Leistung!“; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 6 Rn. 270: aus den Rechtsquellen „sprudeln unaufhörlich neue Rechtsnormen hervor.“ 143 Emmenegger spricht vom „Privat-, Straf-, Steuer-, Sozial-, Umwelt- und Polizeigesetzgeber, u.v.m.“, Bankorganisationsrecht, S. 87. 136
B. Wechselseitiges Verhältnis von Normen im Gesamtsystem des Rechts
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wissenschaft, Ordnung zu stiften.144 Dafür stehen ihr zwei Instrumente zur Verfügung: die widerspruchsauflösende Auslegung145 oder – wo dies nicht möglich ist – die Derogation einer der beiden Normen unter Rückgriff auf die allgemeinen Kollisionsregeln.146 4. Folgerungen für die Normenkoordination Welche Lehren lassen sich aus diesen Überlegungen für die Koordination von Rechtsnormen ziehen? Eine Norm steht nie nur für sich allein, sondern sie ist eingebettet in ein Gesamtsystem. Dieses System endet nicht an den Grenzen des jeweiligen Gesetzbuches, sondern umspannt alle geschriebenen und ungeschriebenen Rechtssätze. Innerhalb dieses Systems gilt das Gebot der Widerspruchsfreiheit. Es fordert eine kohärente Abstimmung aller Normen innerhalb der gesamten Rechtsordnung.147 Die Kohärenz im Ganzen darf aber nicht zu Lasten der Systemstimmigkeit innerhalb der Teilrechtsordnungen gehen, vielmehr muss die „normative Spezifität“148 der Einzelmaterien erhalten bleiben. Auch innerhalb der Subsysteme des Rechts muss daher auf die Wahrung der Wiederspruchsfreiheit hingearbeitet werden. Die „Koordinationsdogmatik“, die hier gesucht wird, muss mithin eine konfliktfreie Abstimmung von Rechtsnormen im Gesamt- und in den Teilsystemen des Rechts gewährleisten.149
144 Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 83: „[W]as die Rechtsordnung implicite birgt, wird von der Rechtserkenntnis explicite entwickelt.“; Grimm, Das Öffentliche Recht vor der Frage nach seiner Identität, 2012, S. 48: „Einheit trägt der Jurist durch Interpretation in den aufgrund seiner Entstehungsbedingungen disparaten Rechtsstoff hinein.“; Larenz, Methodenlehre, S. 167: „Soweit die Rechtsordnung […] in ihren Grundgedanken und maßgeblichen Wertentscheidungen Übereinstimmungen aufweist, hat die Rechtswissenschaft diese Übereinstimmung sichtbar zu machen und die Konsequenzen daraus zu ziehen […].“; K. Schmidt spricht von einem „dialektische[n] Prozeß, als ständiges Bemühen, Auseinanderstrebendes zusammenzuhalten“, in: ders. (Hrsg.), Vielfalt des Rechts, S. 9, 28. Dazu auch Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, § 4 Rn. 145: „Die Wertungseinheit wird meist erst durch den Rechtsanwender hergestellt. Die Vorstellung eines einheitlichen Wertungsplans des Gesetzgebers ist eine ideale Wunschvision.“ 145 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 18, S. 155: „Es besteht eine immanente Tendenz, eine Auslegung zu wählen, durch die offene Widersprüche vermieden werden.“ Als nur „scheinbare“ Widersprüche bezeichnet dies dagegen Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 48. 146 So auch Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 18, S. 156. 147 Zum Begriff der Kohärenz s. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 54, S. 443 f. 148 So die Formulierung bei Bydlinski, der darunter die „eigenständigen, für umfassendere Normgruppen inhaltlich grundlegenden Wertungsgedanken“ versteht, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 18 und 23 ff. 149 So Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 53.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
II. Die allgemeinen Kollisionsregeln Die allgemeinen Kollisionsregeln sind das Instrument der Methodenlehre zur Auflösung von Normwidersprüchen.150 Sie klären, welche Norm der anderen im Konfliktfall zu weichen hat (Derogation).151 Dafür orientieren sie sich an drei Kriterien: dem Rang (lex superior), der Sachnähe (lex specialis) und der Aktualität von Normen (lex posterior).152 1. Die Regeln im Einzelnen a) Lex superior derogat legi inferiori Nach der lex-superior-Regel ist im Falle einer Normkollision stets derjenigen Norm der Vorrang einzuräumen, die auf der höheren Hierarchiestufe angesiedelt ist.153 Das ergibt sich aus dem Stufenbau der Rechtsordnung.154 Für das Verhältnis des Öffentlichen Rechts zum Privatrecht ergibt sich hieraus zunächst der Vorrang des Verfassungsrechts, der sich zum Beispiel in der grundrechtskonformen Auslegung von Verträgen widerspiegelt.155 Die lex-superior-Regel dient der Sicherung des Rangs der höheren Norm;156 eine denklogische Notwendigkeit ist sie nicht. Gleichwohl ist sie regelmäßig die „stärkste“ unter den Konkurrenzregeln – weder eine speziellere, noch jüngere Norm kann sich gegenüber einer ranghöheren durchsetzen.157
150 Ihre Rechtsnatur ist interessanterweise bis heute ungeklärt, s. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust, S. 158. Dazu aber auch Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 75, S. 585: „Diese Regeln sind so allgemein und grundlegend, dass sie auch ohne ausdrückliche Anordnung in Verfassung oder Gesetz gelten.“ 151 Ausführlich Kelsen, Allgemeine Theorie, S. 84 ff. Derogation sei das „Aufheben der Geltung einer […] Norm durch eine andere Norm“ (S. 85). 152 Dazu einführend Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 87 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 75, S. 585 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 22 Rn. 770 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 30 ff. Aus der Rechtsprechung BVerfG NJW 1998, 2341, 2342: „Welche der einen Widerspruch begründenden Regelungen zu weichen hat, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Rang, der Zeitenfolge und der Spezialität der Regelungen.“ Diese Regeln gelten allerdings nur, sofern der Gesetzgeber nicht selbst eine Anordnung zur Auflösung des Konflikts getroffen hat. 153 Ausdrücklich findet sich dieser Gedanke z. B. in Art. 31 GG. 154 Grundlegend Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 228 ff.; aufbauend auf den Arbeiten von A. Merkl. Einführend Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 36, S. 305 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 6 Rn. 272 f. 155 Grundlegend BVerfGE 7, 198, 204 ff. (Lüth). 156 So Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust, S. 163. 157 Statt vieler Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 22 Rn. 773.
B. Wechselseitiges Verhältnis von Normen im Gesamtsystem des Rechts
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b) Lex specialis derogat legi generali Anders stellt sich dies beim Spezialitätsgrundsatz dar, denn dieser beruht im Kern auf einem logischen Schluss.158 Eine speziellere Vorschrift muss hiernach Vorrang vor der Allgemeineren haben, da sie im umgekehrten Fall immer ihres Anwendungsbereiches beraubt wäre. Dieses klassische Verständnis des Spezialitätsgrundsatzes baut auf der Annahme auf, dass die speziellere Norm stets alle Tatbestandsmerkmale der allgemeineren in sich aufnimmt und diese mit zusätzlichen Voraussetzungen anreichert.159 Schulbeispiel hierfür sind die einfache und die qualifizierte Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 StGB.160 Wer eine qualifizierte Körperverletzung im Sinne des § 224 StGB begeht, ist immer auch nach § 223 StGB strafbar. Damit § 224 StGB nicht obsolet wird, muss der Vorschrift also der Vorrang vor § 223 StGB eingeräumt werden. Solche Normenverhältnisse finden sich in der Realität jedoch selten, vielmehr tendieren Normen überwiegend dazu, sich lediglich partiell zu überschneiden,161 d. h. nicht immer, sondern nur in bestimmten Konstellationen auf denselben Sachverhalt Anwendung zu finden. Hier trägt die eingangs genannte Logik nicht mehr.162 So ist zum Beispiel die Fahrzeughalterhaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG in der Sache „spezieller“ als die allgemeine deliktsrechtliche Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB. Sie würde jedoch nicht obsolet, würde man ihr nicht den Vorrang vor dem Deliktsrecht einräumen. Denn § 7 StVG statuiert von § 823 Abs. 1 BGB abweichende, abgesenkte Haftungsvoraussetzungen. Anders gewendet: Nicht immer, wenn § 7 StVG einschlägig ist, gilt das auch für § 823 Abs. 1 BGB. Im Ergebnis können beide Normen daher unproblematisch nebeneinander Anwendung finden; um eine lex specialis im klassischen Sinne handelt es sich nicht.
§ 823 Abs. 1 BGB
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Vom Halter verschuldeter Unfall
§ 7 StVG
So auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 88 f. Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 88; Wank, Auslegung von Gesetzen, § 13 S. 100; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 31. 160 Dazu u. a. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 31. 161 Darauf hinweisend auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 89; Kramer, Methodenlehre, S. 108 f.; kurz Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 31. Im Ergebnis auch schon Kelsen, Allgemeine Theorie, der von der Existenz „partieller“ Normenkonflikte ausgeht, S. 99 f. 162 Allgemein dazu Kramer, Methodenlehre, S. 108: „Der Spezialitätsgrundsatz ist so gebräuchlich, dass er oft als geradezu evident, als Ausdruck ,juristischer Logik‘ (die in Wirklichkeit regelmäßig Pseudologik ist) hingenommen und nicht weiter hinterfragt wird. Nüchtern betrachtet versteht er sich keineswegs von selbst.“ 159
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
c) Lex posterior derogat legi priori Auch der lex-posterior-Satz ist keine denklogisch zwingende Regel.163 In früheren Zeiten fand sie sich sogar umgekehrt – hiernach war das alte stets das „gute Recht“.164 Heutzutage trägt die lex-posterior-Regelung der Dynamik der Rechtsordnung Rechnung, indem sie auf die zeitliche Rangfolge der Gesetze abstellt.165 Eine Derogationswirkung wird hier jedoch nur dann anzunehmen sein, wenn sich diese Intention dem jüngeren Gesetz eindeutig entnehmen lässt.166 Auch muss es sich um ranggleiche und nicht etwa speziellere Normen handeln.167 2. Unzureichende Analysekraft für das vielschichtige Verhältnis von Öffentlichem Recht und Privatrecht Diese drei Kollisionsregeln erweisen sich jedoch als unzureichend, will man dem vielschichtigen Verhältnis von Öffentlichem Recht und Privatrecht auf die Spur kommen.168 Problematisch ist zunächst die Fixierung auf den Normenwiderspruch,169 denn so wird der Anwendungsbereich der Regeln unnötig auf Fragen der Derogation begrenzt.170 Wie das Beispiel von §§ 7 StVG, 823 BGB gezeigt hat, 163 Vgl. u. a. Kelsen, Allgemeine Theorie, S. 102 f.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 33; abw. Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust, S. 161 f. 164 Vgl. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 75, S. 585; darauf hinweisend auch Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 22 Rn. 772 unter Verweis auf A. Merkl, Die Lehre von der Rechtskraft, 1923, S. 228 ff. 165 So Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 162. 166 Vgl. Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 48; Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust, S. 170; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 33; wohl auch Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, § 22 Rn. 772. 167 Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 92; unentschieden Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 49. 168 So auch Jarass, in: Aussprache VVDStRL Bd. 50 (1991), S. 275, 315: „Sieht man sich die Konflikte zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht näher an, und überlegt man, wie sie sich auflösen lassen, dann ist in den meisten Fällen mit den gängigen Kollisionsregeln ,höherrangiges/niederrangiges Recht‘ oder ,lex specialis/lex generalis‘ nicht viel zu bewegen.“ Kritisch auch Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 47: „Es ist aber zu beachten, dass all diese Regeln nur bedingte Geltung besitzen, ihrem Sinne nach nicht hinreichend aufgeklärt, in der Anwendung kompliziert sind, daß sie außerdem miteinander in Kollision geraten können und schließlich – was das wichtigste ist – doch nur eine lückenhafte Lösung des Problems bieten.“ Allgemein Raisch, Methoden, S. 148: „Vor allgemeinen Regeln, wie Normkonkurrenzen zu lösen sind, ist zu warnen.“ 169 So schon allgemein Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 18, S. 154: „Das Verbot von Normwidersprüchen führt aber nicht sehr weit. Es ist ähnlich trivial wie der juristische Subsumtionsschluss.“; § 56, S. 452: „Die größte Bedeutung gewinnt die Einheit der Rechtsordnung als Postulat, als Forderung also, die Einheit auch dort herzustellen, wo sie nicht schon aus der Logik der Normen gewährleistet ist.“ 170 Vgl. z. B. die Darstellung bei Kelsen, Allgemeine Theorie, S. 99 ff.; offener dagegen Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 60, S. 650; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 30. Kritisch wie hier Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 93.
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können Normen aber formell auch in anderen Verhältnissen zueinander stehen, zum Beispiel nebeneinander anwendbar sein (Normkonkurrenz). Auf einer zweiten Ebenen lässt sich dann weiter fragen, ob § 7 StVG nicht in materieller Hinsicht eine Regel statuiert, die eine inhaltliche Ausnahme, d. h. also eine Sonderregel, gegenüber § 823 Abs. 1 BGB darstellt. Zur Beantwortung dieser Frage kann man indessen nicht mehr auf den Spezialitätsgrundsatz im klassischen Sinne zurückgreifen, sondern muss die beiden Normen unter teleologischen Gesichtspunkten analysieren,171 letztendlich also auslegen.172 Diese beiden Ebenen von formeller und materieller Normrelation werden häufig vermischt, wenn in Literatur und Rechtsprechung davon die Rede ist, eine Norm sei spezieller als die andere. Darin liegt auch die Achillesferse der Debatte um das Verhältnis von Aufsichts- und Aktienrecht. Denn so wie §§ 7 StVG, 823 Abs. 1 BGB stehen Aktien- und Aufsichtsrecht in einem Verhältnis sich gegenseitig überschneidender Rechtskreise zueinander. Das Aktienrecht findet auf Banken und auf Nicht-Banken Anwendung, so wie das Aufsichtsrecht auf Aktiengesellschaften und Nicht-Aktiengesellschaften Anwendung findet. Mit einem bloßen Verweis auf die „Spezialität“ des einen Rechtsgebiets für das andere kann die Frage nach deren Normenverhältnis daher also offensichtlich nicht geklärt werden.
Aufsichtsrecht
Bank-AG
Aktienrecht
III. Neuer Ansatz: Unterscheidung formeller und materieller Normrelationen Die Unterscheidung zwischen formeller und materieller Normrelation hat – auch wenn sie in der Sache rasch einzuleuchten vermag – bisher keinen prominenten Platz in der deutschen Methodenlehre gefunden. Zwar klingt sie bereits im grundlegenden
171 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 32: „Erhebliche Schwierigkeiten bereitet die Lösung des Konkurrenzproblems oft dann, wenn verschiedene gesetzliche Tatbestände nicht im Verhältnis des engeren zum weiteren Begriff zueinander stehen, sondern sich zueinander wie zwei sich überschneidende Rechtskreise verhalten. Dann läßt sich das Konkurrenzproblem nicht nach dem Grundsatz logischer Spezialität, sondern oft nur mit Hilfe teleologischer Erwägungen lösen.“; im Ergebnis auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 22 Rn. 770; Röhl/ Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 75, S. 585: „Erst aus dem Inhalt der Norm ergibt sich, welche als lex specialis anzusehen ist.“ 172 So auch Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 91; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 60, S. 351: „Manche stellen daher den Satz auf, die lex specialis gehe der lex generalis vor. Allein eine feste Regel, ja selbst eine Vermutung, darf hier […] nicht aufgestellt werden. Vielmehr handelt es sich um eine (oft recht schwierige) Frage der Auslegung […].“
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Werk zur Einheit der Rechtsordnung von Engisch an;173 die gängigen Lehrbücher der Methodenlehre schweigen sich dazu jedoch weitgehend aus.174 Die grundlegende Arbeit von Emmenegger hat diese Differenzierung aber aufgegriffen und zum Zweck der Analyse des schweizerischen Bankorganisationsrechts detailliert ausgearbeitet.175 Sie unterscheidet zwischen der formellen Normrelation, mit der sie die Anwendbarkeit zweier Normen nebeneinander untersucht, und der materiellen Normrelation, mit der sie deren inhaltliche Wechselbezüglichkeit analysiert. Diese Unterscheidung ist weniger eine Abweichung, denn eine Ergänzung des klassischen Repertoires der Methodenlehre. Sie erweitert den Blick und integriert gleichzeitig die herkömmlichen Kollisionsregeln in ihr Modell. Auf Emmeneggers differenzierter Analyse bauen daher die folgenden Überlegungen auf. 1. Formelle Normrelationen: Welche Normen sind anwendbar? Sobald zwei Rechtsnormen auf denselben Sachverhalt Anwendung finden, muss zunächst das formelle Verhältnis zwischen ihnen bestimmt werden.176 Verdrängt die eine Norm die andere oder bleiben sie nebeneinander bestehen?177 Für den Fall, dass sie nebeneinander bestehen bleiben – finden sie dann kumulative oder alternative Anwendung? Wie Normen zueinander in Beziehung zu setzen sind, ist in erster Linie davon abhängig, wie die Rechtsfolgen der einzelnen Normen zueinander stehen. Hier sind drei verschiedene Konstellationen zu unterscheiden: der Rechtsfolgenwiderspruch, die Rechtsfolgendivergenz und die Rechtsfolgenidentität. a) Rechtsfolgenwiderspruch Beim Rechtsfolgenwiderspruch handelt es sich um den klassischen Fall der Normenkollision. Als Beispiel wird häufig der Konflikt zwischen dem Tötungsverbot des § 212 StGB und einem Schießbefehl für Soldaten angeführt. Nicht eine der beiden Normen kann erfüllt werden, ohne notwendigerweise die andere zu verletzten.178 Beseitigt werden kann diese Kollision allein durch Derogation einer der 173 Engisch unterscheidet zwischen der Verträglichkeit zweier Normen und ihren „inhaltlichen Beziehungen“, Einheit der Rechtsordnung, S. 29. 174 Interessanterweise findet sie sich jedoch in der Ausbildungsliteratur an vereinzelten Stellen s. Wank, Auslegung von Gesetzen, § 13, S. 100 f. 175 Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 87 ff. 176 Eingehend Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 94 ff. Dies gilt jedoch nur, falls nicht bereits eine ausdrückliche Zuordnung durch den Gesetzgeber vorgenommen wurde. An der Schnittstelle von Öffentlichem Recht und Privatrecht finden sich hierfür häufiger Beispiele, s. z. B. §§ 14 BImSchG, 75 Abs. 2 BVwVfG. Diese werden als „privatrechtsgestaltende Normen des öffentlichen Rechts“ bezeichnet, s. Roth, in: Staudinger BGB § 906 Rn. 19. 177 Engisch unterscheidet zwischen „verträglichen“ und „unverträglichen Rechtsnormen“, Einheit der Rechtsordnung, S. 29. 178 So auch Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 53; Kelsen, Allgemeine Theorie, S. 99: „notwendiger- oder möglicherweise“; ähnlich Canaris, Systemdenken, S. 117.
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beiden Vorgaben.179 Hierbei ist zwischen zwei Formen der Derogation zu unterscheiden: der punktuellen Derogation, d. h. der Verdrängung einer Norm im Einzelfall (Anwendungsvorrang), oder aber der absoluten Derogation (Geltungsvorrang).180 Der lex-specialis-Grundsatz läuft regelmäßig nur auf einen Anwendungsvorrang, der lex-superior-Grundsatz dagegen häufig auf einen Geltungsvorrang hinaus.181 Wie im konkreten Fall zu verfahren ist, kann nur durch Auslegung ermittelt werden.182 b) Rechtsfolgendivergenz Hiervon zu unterscheiden sind Fälle der Rechtsfolgendivergenz. In diesen Konstellationen weichen die Rechtsfolgen zweier Normen zwar inhaltlich voneinander ab, sie könnten aber beide erfüllt werden, ohne dass die Befolgung der einen Norm notwendigerweise die Verletzung der anderen zur Folge hätte.183 Eine Derogation einer Anordnung zu Gunsten der anderen ist in diesen Fällen nicht notwendig; in Betracht kommt vielmehr ihre kumulative oder alternative Anwendung.184 Welches Normenverhältnis konkret vorliegt, kann nur durch Auslegung ermittelt werden. So findet im Fall eines vorsätzlichen Diebstahls § 242 StGB ebenso Anwendung wie § 823 Abs. 1 BGB.185 Ein Beispiel für die alternative Anwendbarkeit findet sich dagegen in §§ 283, 285 BGB, nach denen der Gläubiger im Fall der Unmöglichkeit der Leistung entweder Schadenersatz oder Herausgabe des Surrogats vom Schuldner verlangen kann. Das ergibt sich aus dem schadensrechtlichen Verbot der Doppelkompensation. c) Rechtsfolgenidentität Dieselben Auslegungsfragen stellen sich im Fall der Rechtsfolgenidentität. Diesem Bereich sind insbesondere die Schadensersatzansprüche aus dem Vertragsund Deliktsrecht zuzuordnen,186 die zur Tatbestandsausfüllung gleichermaßen auf 179
Zur Derogation bereits Fn. 151, S. 106. Dazu auch Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust, S. 170 f. 181 Eine Ausnahme hiervon ist der Anwendungsvorrang des Europarechts, s. dazu Röhl/ Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 75, S. 594 f. 182 Kann ein Vorrangverhältnis auch nach Auslegung nicht abschließend festgestellt werden, so neutralisieren sich die Normen gegenseitig und die so entstehende Lücke muss rechtsfortbildend ausgefüllt werden, s. Canaris, Systemdenken, S. 121 ff.; Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 50; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 58, S. 339. 183 So auch Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 95; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 88 f. Mit Blick auf das Verhältnis von Privatrecht zu Öffentlichem Recht auch Burgi, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 41, der dies als „Komplementarität“ bezeichnet. 184 Dazu Enneccerus/Nipperdey, AT des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, § 60, S. 350 f.; Kramer, Methodenlehre, S. 112; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 88 f.; darauf laufen auch die Beispiele von Zippelius hinaus, Juristische Methodenlehre, S. 30 f. unter b). 185 So auch das Beispiel bei Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 99. 186 So auch das Beispiel bei Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 101. 180
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
die §§ 249 ff. BGB zurückgreifen. Das gilt auch für die eingangs genannten §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB.187 Aus dem Verbot der Doppelkompensation lässt sich auch in diesen Fällen wieder auf die Alternativität der beiden Ansprüche schließen. Solcherlei alternative Normanwendung ist indes eine Domäne des Privatrechts – denn dort wo Normen zwingend vorgegeben sind (also insbesondere im Bereich des Öffentlichen Rechts) ist in Fällen von Rechtsfolgendivergenz und -identität regelmäßig von kumulativer Anwendung beider Normen auszugehen.188 d) Fazit Die Konstellationen, in denen zwei Normen zueinander stehen können, sind somit vielgestaltiger als die herkömmlichen Kollisionsregeln suggerieren. Eine sinnvolle Zuordnung muss in erster Linie an dem Rechtsfolgenverhältnis zweier Normen ansetzen und sich dann durch Auslegung tastend vorarbeiten.189 Die eingangs vorgestellten Kollisionsregeln erweisen sich somit letztlich als „Etikett“190, also als abgekürzte Erklärung für einen zuvor vorgenommenen Auslegungsprozess.191 2. Materielle Normrelationen: Inhaltliche Verknüpfung von Normen a) Anknüpfung am Gesetzestext Für das Verhältnis von Aktien- und Aufsichtsrecht noch spannender ist die Frage nach der materiellen Normrelation, also der inhaltlichen Wechselbezüglichkeit von Normen.192 Eine solche inhaltliche Verbindung muss sich aus dem Gesetz ergeben.193
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Die §§ 9 ff. StVG sehen allerdings in Einzelfragen Abweichungen vor. So auch beim Abgleich von Aktien- mit dem Aufsichtsrecht, s. unten Zweiter Teil, C. II. 1. b) bb), S. 129. 189 Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 93: „[M]it der formelhaften Anwendung der Vorrangregel allein ist für die eigentliche Bestimmung der Normrelation also noch nichts gewonnen.“ 190 Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 93: „Zugespitzt kann man sogar die These aufstellen, dass den Vorrangregeln überhaupt eine Eignung als Leitlinie für die Klärung der Normrelation fehlt.Sie fungieren lediglich als dogmatisches Etikett für das rechtstechnische Ergebnis einer Interpretation, die für das konkrete Normenverhältnis die Derogation erklärt.“ (Hervorhebung im Original). 191 So Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 91, 93 mit Blick auf Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 29: „Denn welche Art die Beziehungen von Normen zueinander sind, ergibt sich nur scheinbar aus allgemeinen schematischen Regeln (von der lex consumens, der lex specialis, usw) in Wahrheit aber aus dem Inhalt der Normen, der so beschaffen und abgestimmt ist, daß sich aus ihm jene Regeln extrahieren lassen.“ 192 Ausführlich dazu Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 102 ff.; Beispiele wechselseitiger Verknüpfung stellt auch Jarass dar, VVDStRL Bd. 50 (1991), S. 239, 250 ff. Zur inhaltlichen Abhängigkeit von Normen voneinander auch Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust, S. 138 f. 188
B. Wechselseitiges Verhältnis von Normen im Gesamtsystem des Rechts
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aa) Verknüpfung durch Verweisung Am deutlichsten sticht sie im Fall der Verweisung hervor, wird doch auf diesem Wege explizit auf den materiellen Gehalt einer anderen Norm zurückgegriffen194 Beispiele hierfür finden sich im Verwaltungsrecht, das beispielsweise in § 49a Abs. 2 BVwVfG auf die ungerechtfertigte Bereicherung und in § 59 Abs. 1 BVwVfG auf die Nichtigkeitsgründe des Allgemeinen Teils des BGB verweist. Noch weiter geht die Öffnung des Privatrechts für „Fremdeinflüsse“ durch solche Regelungen wie die §§ 134, 823 Abs. 2 BGB.195 bb) Verknüpfung durch Begrifflichkeiten Auch die Verwendung gleicher Begrifflichkeiten sowie die parallele Normierung ganzer Regelungsbereiche sind ein Indikator für die inhaltliche Verknüpfung zweier Rechtsgebiete.196 Anders als bei der Verweisung beruht sie zwar nicht auf einer ausdrücklichen, aber auf einer impliziten Anordnung durch die Verwendung derselben sprachlichen Mittel.197 Solche Begrifflichkeiten ziehen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Rechtsordnung: widerrechtlich,198 sittenwidrig199 und fahrlässig200 finden sich genauso wie die Urkunde201, die Sache202 oder der Vertrag203 eingestreut in die verschiedensten Rechtstexte. Nicht einmal eine begriffsidentische Normierung ist zwingend notwendig, vielmehr kann die Wechselbezüglichkeit auch
193 Unter den hier verwendeten Gesetzesbegriff fallen alle formellen wie materiellen Gesetze. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 261, 271: „[D]abei kann das Zusammenwirken von vornherein in die Rechtsordnung einkalkuliert sein oder sich in der praktischen Handhabung als Möglichkeit ergeben.“ 194 Zur Kopplungsfunktion der Verweisung auch Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 108 ff.; Heckmann, Geltungsgrund und Geltungsverlust, S. 139. Weitere Beispiele für „wechselseitige Anknüpfungen“ finden sich bei Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 167, 180 f. 195 Zur abgestuften Intensität der Verzahnung des Öffentlichen Rechts und Privatrechts Jarass, VVDStRL 50 (1991), S. 239, 250 f.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 52, S. 427 ff. 196 Dazu Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 102 ff., 105 ff.; Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 261, 273 ff. 197 Zur Bedeutung der Sprache im Recht P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. I, § 18 Rn. 28: „Die Sprache verknüpft Vergangenheit und Gegenwart […].“ sowie Isensee, Handbuch des Staatsrechts Bd. VII, § 162 Rn. 40: sie sei „Garant der Publizität und […] Medium der inhaltlichen Identität und Kontinuität“, beide zitiert nach Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust, S. 139. 198 Vgl. §§ 123 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB, 123 Abs. 1, 253 Abs. 1 StGB. 199 Vgl. §§ 138, 819, 826 BGB, 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG. 200 Vgl. §§ 276 BGB, 15 StGB. 201 Vgl. §§ 52 BVwVfG, 267 StGB, 249 Abs. 1 StPO, 415 ff. ZPO. 202 Vgl. §§ 90 BGB, 52 VwVfG, 303 StGB. 203 Vgl. §§ 54 ff. VwVfG.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
erst durch die Auslegung der Norm aufgedeckt werden.204 So knüpfen §§ 242, 303 StGB an die „Fremdheit“ der Sache an und beziehen sich damit auf das „Eigentum“ im zivilrechtlichen Sinne.205 cc) Verknüpfung durch Generalklauseln Ein letzter Ansatzpunkt inhaltlicher Verknüpfungen sind Generalklauseln. Durch den Einsatz unbestimmter Rechtsbegriffe verlangen diese geradezu nach konkretisierender Auslegung, ohne hingegen zu präzisieren, wodurch dies geschehen soll. Richtigerweise können zur Konkretisierung von Generalklauseln nur solche Wertungen herangezogen werden, die eine entsprechende Sachnähe zur betroffenen Regelungsmaterie aufweisen.206 Beispielhaft sei hierfür auf die Ausfüllung des § 906 Abs. 1 BGB unter Rückgriff auf die TA Luft und TA Lärm hingewiesen.207 b) Einpassung in die Feststellungen zur Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung Die Existenz inhaltlicher Verbindungen zwischen verschiedenen Rechtsgebieten passt sich zunächst stimmig in das Bild von der Einheit der Rechtsordnung ein. Insbesondere die einheitliche Auslegung von Rechtsbegriffen ist ein wichtiges Instrument, um Wertungswidersprüche in der Rechtsordnung zu vermeiden.208 Wie schon zuvor209 ist jedoch auch hier vor einer pauschalen Gleichsetzung bestimmter Begriffe, Regelungen und Rechtsinstitute zu warnen. Ohne genaueres Hinsehen drohen deren teilrechtseigene Besonderheiten verloren zu gehen. Neben der Abstimmung der Rechtsnormen innerhalb des Gesamtsystems, muss also zugleich die innere Widerspruchsfreiheit der Teilsysteme gewahrt werden.210 Emmenegger bezeichnet dies als „Vorbehalt der Systemkompatibilität“211. Diese Erkenntnis hat sich unter dem Schlagwort „Relativität der Rechtsbegriffe“ seit langem eingebürgert.212 204 Dazu Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 106: „Die Abweichungen können nur gerade einzelne Wörter betreffen, oder die ganze Formulierung, Normstruktur und Normanordnung erfassen.“. 205 Statt vieler Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 12. Die inhaltliche Anknüpfung des Strafrechts an das zivilrechtliche Vorverständnis ist keine Selbstverständlichkeit und ihrerseits sehr umstritten, vgl. v. a. Bruns, Die Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken, 1938, zitiert bei K. Schmidt, in: ders. (Hrsg.), Vielfalt des Rechts, S. 9, 14. 206 So auch Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 112. 207 Sogleich ausführlich Zweiter Teil, B. IV. 1. c), S. 118 ff. 208 So Canaris, Systemdenken, S. 117; Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 103. 209 So bereits Zweiter Teil, B. I. 2., S. 102. 210 So bereits Zweiter Teil, B. I. 4, S. 105. 211 Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 117. 212 Dazu instruktiv Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 56 S. 455 f. Die Diskussion um diese Frage ist alt, s. bereits Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 45.
B. Wechselseitiges Verhältnis von Normen im Gesamtsystem des Rechts
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Der Gesellschaftsrechtler sei zur Illustration auf den Konzernbegriff verwiesen, der im Aktien-, Bilanz- und Steuerrecht je nach Sinn und Zweck der Normierung unterschiedlich ausgelegt wird.213 Bei der Untersuchung inhaltlicher Wechselbeziehungen muss man demnach zweistufig vorgehen: Sofern sich im Gesetz Anhaltspunkte hierfür finden, ist grundsätzlich von einem gleichgelagerten Verständnis bestimmter Rechtssätze auszugehen. Das gilt jedoch nicht, sofern Sinn und Zweck der Regelung ein autonomes Verständnis einfordern. Emmenegger spricht in diesem Zusammenhang von einem „Wechselspiel von Geltungsvermutung und Widerlegungsmöglichkeit“214. Hinter all diesen Überlegungen schimmert letztendlich der Spezialitätsgrundsatz in seiner materiellen Gestalt durch. Grundsätzlich kann man parallel ausgestaltete Normen daher als gleich gelagert betrachten, es sei denn, eine der beiden ist ihrem Inhalt nach spezieller als die andere.215
IV. Beispiele materieller Übereinstimmung zwischen Privat- und Öffentlichem Recht 1. Die Harmonisierung von öffentlichem Umweltund privatem Nachbarrecht a) Querschnittsmaterie Umweltrecht Der Umweltschutz, verstanden als Schutz vor schädlichen Immissionen,216 ist ein Paradebeispiel für den gemeinsamen Einsatz verschiedener Steuerungsinstrumente zur Lösung eines bestimmten Sachproblems.217 So enthält das öffentliche Umweltrecht nicht nur Überschneidungen mit dem Umweltstraf- (§§ 324 ff. StGB) und Steuerrecht (§ 7d EStG), sondern auch mit dem zivilrechtlichen Nachbarschutz in Gestalt der §§ 906, 1004 BGB. Es steht daher schon lange218 im Zentrum der Debatte
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Vgl. Raiser/Veil, KapGesR, § 50 Rn. 7. Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 189. 215 Allgemein schon Radbruch zitiert nach Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung, S. 39: „Das Rechtsgefühl verlangt einen behenden Geist, der vom Besonderen zum Allgemeinen und vom Allgemeinen wieder zum Besonderen hinüberzuwechseln vermag.“ 216 Vgl. Jarass, BImschG, Einl. Rn. 4. Zur Begrifflichkeit Konrad, in: FS Münchener Juristische Gesellschaft, S. 133: „Umwelt, auch in ihrer Beziehung zum Recht, ist etwas Geheimnisvolles. Das Faszinierende ist, daß niemand genau weiß, was Umwelt eigentlich ist. […] Gegenstand konkreten Umweltrechts, praktischen Umweltschutzes durch Recht ist, näher zu benennende Güter vor gewissen Einwirkungen auf bestimmte Weise in Schutz zu nehmen.“ 217 Vgl. Konrad, in: FS Münchener Juristische Gesellschaft, S. 133: „Umweltschutz durch Recht [bleibt] noch eine Querschnittsaufgabe. Die Probleme sind nun einmal ubiquitär; und für effektive Lösungen bedarf es des Zusammenwirkens der verschiedenen Sektoren des Rechts mit ihren diversen Mechanismen.“; dazu auch Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 52, S. 428 ff. 218 Vgl. bereits Marburger, Gutachten C zum 56. DJT 1986: „Ausbau des Individualschutzes gegen Umweltbelastungen als Aufgabe des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts“. 214
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
um das Zusammenwirken des Öffentlichen Rechts und des Privatrechts219 und war Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen.220 Wurde anfangs zumeist für oder gegen eine „Interpretationsherrschaft“ des öffentlichen Rechts über das Privatrecht gestritten,221 so scheint sich heute ein Verständnis herauszubilden, wonach öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Instrumente als gleichberechtigte Partner bei der Verwirklichung des Umweltschutzes agieren.222 b) Abgleich privat- und öffentlich-rechtlicher Vorschriften § 906 BGB zieht eine Zumutbarkeitsgrenze im nachbarschaftlichen Miteinander zu der Frage, welche Form und Intensität von Immissionen ein Grundstückseigentümer zu dulden hat.223 Konkret betrifft dies: Einwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Erscheinungen.224 Die Beeinträchtigung durch solch „unwägbare Stoffe“ ist zu dulden, sofern sie entweder unwesentlich ist oder die Einwirkung – trotz Wesentlichkeit – gleichzeitig ortsüblich ist und nicht verhindert werden kann. Im letzteren Fall kann der Eigentümer aber einen Ausgleich in Geld verlangen (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB). Werden die Grenzen des § 906 BGB überschritten, kann der Emittent auf Unterlassung (§ 1004 BGB) sowie ggf. auf Schadenersatz (§ 823 Abs. 1 BGB) in Anspruch genommen werden. Eine zusätzliche Erweiterung erfährt der zivilrechtliche Nach-
219 Zusammenfassend Papier, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 287: „Die historisch gewachsene Differenzierung unserer Rechtsordnung hat immer schon zu Problemen geführt, wenn es um das Verhältnis beider Teilrechtsordnungen oder der verschiedenen Teilrechtsordnungen zueinander geht. Diese Probleme haben sich mit zunehmender Regelungsdichte des Verwaltungsrechts eher gesteigert. Sie treten heute […] schwerpunktmäßig vor allem im Umweltrecht zutage“ 220 Vgl. BVerwGE 79, 254; 81, 197; 88, 210 sowie BGHZ 70, 102; 92, 143; 111, 63; 120, 239; 122, 76, 78. 221 Nachgezeichnet bei Gerlach, JZ 1988, 161. 222 Vgl. Konrad, in: FS Münchener Juristische Gesellschaft, S. 133; Trute, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 167, 183 ff. Dazu auch Wagner, AcP 206 (2006), 352, 435: „[Das Umweltrecht ist] durchzogen von hybriden Steuerungsinstrumenten, die traditionell privatrechtliche mit herkömmlich öffentlich-rechtlichen Regelungsmustern mischen […] in dem Bestreben, ein Maximum an praktischem Umweltschutz zu einem Minimum an Kosten zu erreichen“. 223 Dazu Säcker, in: MünchKomm BGB § 906 Rn. 1: „Auf engem Raum können die Interessen der ihre Nutzungsrechte ausübenden Eigentümer hart aufeinanderprallen. § 906 will einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen, prinzipiell gleichrangigen Nutzungsinteressen verschiedener Grundstückseigentümer schaffen.“ 224 So die Aufzählung bei Konrad, in: FS Münchener Juristische Gesellschaft, S. 133. In der Sprache des Gesetzes sind dies: Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen (§ 906 Abs. 1 S. 1 BGB). Allen gemeinsam ist, dass sie weitgehend unkontrollierbar sind und in ihrer Intensität stark schwanken, vgl. Roth, in: Staudinger § 906 Rn. 116 m.w.N.; Säcker, in: MünchKomm BGB § 906 Rn. 48.
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barschutz durch die Klage auf Einhaltung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen gemäß § 823 Abs. 2 BGB.225 Das Umweltverwaltungsrecht präsentiert sich dagegen weniger übersichtlich.226 Wie bereits aus dem Aufsichtsrecht bekannt, wird die Gesetzeskonkretisierung durch zusätzliche Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften nahezu unüberschaubaren Ausmaßes vorangetrieben. Für nachbarliche Belange sind vor allem die §§ 5, 22 BImSchG relevant. Im Zentrum steht das Verbot „schädlicher Umwelteinwirkungen“227, das in der TA Luft und TA Lärm weiter ausbuchstabiert worden ist.228 Bei einem Verstoß hiergegen sind zivilrechtliche Ansprüche auf die Beseitigung der Anlage jedoch nach § 14 BImSchG ausgeschlossen, um die Bestandskraft der Anlagengenehmigung zu sichern.229 Gemäß § 14 Abs. 1 Hs. 2 BImSchG können allein zusätzliche Schutzvorkehrungen eingefordert werden. Beiden Regelungsregimen geht es um die Verhinderung schädlicher Einwirkungen im Vor- sowie die Unterbindung und Schadensbeseitigung im Nachhinein.230 Der Fokus des Verwaltungsrechts liegt dabei stärker auf der vorsorgenden Perspektive, während das Privatrecht die Reparation und Kompensation im Einzelfall besorgt.231 Die Notwendigkeit einer zivilrechtlichen Entschädigungsmöglichkeit resultiert daraus, dass das Verwaltungsrecht bei seiner abstrakt-generellen Planung stets auch ein gewisses Restrisiko in Kauf nimmt.232 Die Grobsteuerung des öf-
225 BGHZ 122, 1, 2 ff. (Balletschule). Ein solcher Anspruch setzt jedoch zusätzlich Verschulden voraus. 226 Einen Überblick gibt Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 906 Rn. 5. Konrad spricht rücksichtvoll von einem „etwas verzettelten Rechtsgebiet“ dessen „Chaos“ von den Verwaltungsbehörden zu vollziehen sei, in: FS Münchener Juristische Gesellschaft, S. 133, 135. 227 Vgl. §§ 5 Abs. 1 Nr., 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. „Schädliche Umwelteinwirkungen“ sind gem. § 3 Abs. 1 BImSchG: „Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.“. 228 Es handelt sich um sog. normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, die im Regelfall Bindungswirkung für die Verwaltungsgerichte entfalten, s. BVerwGE 72, 300 Tz. 44 (Whyl). Ermächtigungsgrundlage ist § 48 BImSchG. 229 Hintergrund ist, dass betroffene Dritte schon im Genehmigungsverfahren durch die Öffentlichkeitsbeteiligung geschützt werden, s. Jarass, BImSchG § 14 Rn. 1. Betroffen sind damit v. a. die Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 1 BGB sofern sie auf Naturalrestitution gerichtet ist, s. Jarass, BImSchG § 14 Rn. 10. 230 Vgl. Gerlach, JZ 1988, 161, 163; Konrad, in: FS Münchener Juristische Gesellschaft, S. 133. 231 So auch Gerlach, JZ 1988, 161, 163; Konrad, in: FS Münchener Juristische Gesellschaft, S. 133, 137. 232 Ausführlich Gerlach, JZ 1988, 161, 164 f.: „[P]lanmäßige Gefährlichkeit des [Ö]ffentlichen Rechts“ und S. 175: „Politisch hat das Privatrecht dadurch eine dezentrale Nachsorge und ergänzende Schutzfunktion zum öffentlichen Recht.“ So auch die Einschätzung in der Schweiz, s. Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 42.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
fentlichen und die Feinsteuerung des Privatrechts greifen hier also unterstützend und ergänzend ineinander.233 c) Beeinflussung des § 906 BGB durch das Öffentliche Recht, … Privat- und Öffentliches Recht wenden sich beide dem Schutz des Nachbarn vor Immissionen zu, sowohl durch drittschützende Normen des Verwaltungsrechts als auch durch die Vorgaben der §§ 906, 1004 BGB.234 Der Nachbarschutz erfolgt also „zweigleisig“235. Aber auch in materieller Hinsicht haben sich die beiden Rechtsbereiche aufeinander zubewegt, insbesondere da Zivil- und Verwaltungsgerichte ihre Rechtsprechung in zentralen Punkten gezielt harmonisiert haben.236 So liegen seither im Fall „wesentlicher Immissionen“ im Sinne des § 906 BGB stets auch „schädliche Umwelteinwirkungen“ gemäß § 3 Abs. 1 BImschG vor und vice versa.237 Die Erfüllung dieser Tatbestandsmerkmale wird durch das Überschreiten der in der TA Luft und TA Lärm niedergelegten Grenzwerte indiziert.238 Eine starke Annäherung der Auslegungen deutet sich als nächstes beim Begriffspaar „nachbarliches Gemein-
233 Konrad, in: FS Münchener Juristische Gesellschaft, S. 133, 141: „Privates und öffentliches Immissionsschutzrecht erfüllen innerhalb der Gesamtrechtsordnung unterschiedliche, einander ergänzende, aber als solche eigenständige und legitime Funktionen.“ 234 Ausführlich zur Koordination dieser beiden Bereiche Trute, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, S. 167, 183 ff. Zu den Problemen, die dies im Rechtsschutz aufwirft, s. ausführlich Roth, in: Staudinger § 906 Rn. 9 ff.; Konrad, in: FS Münchener Juristische Gesellschaft, S. 133, 159 ff. 235 So Säcker, in: MünchKomm BGB§ 906 Rn. 34. 236 Grundlegend BVerwGE 79, 254 (Feuerwehrsirenen); 81, 197 (Bezirkssportanlage); 88, 210 (Truppenübungsplatz) sowie BGHZ 111, 63 (Volksfest); 120, 239 (Froschquaken); 122, 76 (Militärflughafen). Dazu auch Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 62: Es handele sich um ein „Lehrstück […] ordnungsbildenden Denkens im Recht.“; Schwabe, in: K. Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts, S. 99 ff.: „Einheit der Umwelt-Rechtsordnung“. 237 BVerwGE 79, 254, 258 f.: „Es besteht kein Anlaß, die grundlegenden Maßstäbe, mit denen das private und das öffentliche Immissionsschutzrecht die Grenze für eine Duldungspflicht gegenüber Immissionen und damit deren Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit gegenüber der „Nachbarschaft“ im Ansatz bestimmen, nämlich einerseits die Wesentlichkeit und andererseits die Erheblichkeit, unterschiedlich auszulegen. Dies ist – im Hinblick auf die Nutzung von Grundstücken und deren grenzüberschreitende Wirkung – um so weniger gerechtfertigt, als öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht in geringerem Maße als solche des Zivilrechts Inhalt und Schranken des – privaten – Eigentums i.S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmen […] denn es kann kein Zweifel daran sein, daß Wesentlichkeit [iSd § 906 BGB] als ein wertend auszufüllender Begriff nicht ohne Rücksicht auf Bewertungen auch des öffentlichen Rechts auszulegen ist.“ Ausführlich zur Harmonisierung des öffentlichen und zivilen Nachbarrechts Säcker, in: MünchKomm BGB § 906 Rn. 14 ff. 238 BGHZ 111, 63, 67: „Diese von Sachverständigen ausgearbeiteten […] Hinweise können auch den Gerichten als Entscheidungshilfe dienen. Sie stellen […] ein sogenanntes antizipiertes Sachverständigengutachten dar. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, eine Überschreitung der einschlägigen Richtwerte grundsätzlich als wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB anzusehen“.
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schaftsverhältnis“ und „Rücksichtnahmegebot“ an.239 Auch die weiteren Voraussetzungen des § 906 BGB werden durch die Nähe zum Umweltrecht geformt. So wird den Vorgaben des Bebauungsplans indizielle Wirkung zur Bestimmung der Ortsüblichkeit im Rahmen des § 906 Abs. 2 S. 1 BGB zugemessen.240 Das überzeugt auch in der Sache, da die Belange der Bürger bei der Erstellung des Bebauungsplans schon miteinbezogen worden sind.241 Noch weiter geht der BGH, wenn er das Fehlen einer notwendigen Baugenehmigung als Indiz für die Ortsunüblichkeit genügen lässt.242 Das Öffentliche Recht weist also die Richtung bei der Auslegung des Privatrechts; erkennbar wird ein Wechselspiel von Geltungsvermutung und Widerlegungsmöglichkeit.243 Die Zivilgerichte setzen die Anlehnung an das Verwaltungsrecht zumeist im Wege einer Beweiserleichterung beim Kausalitätsnachweis um.244 Ähnlich ist der Gesetzgeber vorgegangen, als er 1994 schließlich zur Reform des § 906 BGB schritt, um die bis dahin ergangene Rechtsprechung gesetzlich nachzuzeichnen.245 Nun finden sich in § 906 Abs. 1 S. 2, 3 BGB Regelbeispiele, die ausdrücklich auf die öffentlich-rechtlichen Grenzwerte verweisen.246 Seitdem scheint die Debatte zu ruhen.247
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So Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 906 Rn. 8. BGH NJW 1983, 751, 752: „[A]llgemeiner Anhalt für die Ermittlung der ortsüblichen Nutzung“. Letztlich gibt aber die tatsächliche Nutzung des umliegenden Gebietes den Ausschlag für die richterliche Entscheidung, s. BGH DVBl. 1971, 744; NJW 1983, 751; Säcker, in: MünchKomm BGB, § 906 Rn. 33 m.w.N. 241 Vgl. § 1 Abs. 7 BauGB. Gleichsinnig Gerlach, JZ 1988, S. 161, 173. 242 So BGHZ 140, 1, 9. 243 So bereits Zweiter Teil, B. III. 2. b), S. 114. Ähnlich Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 68 f.: „Mit Hilfe des Gedankens der Harmonisierung kann sich das Privatrecht dem Primat des Öffentlichen Rechts entziehen. Es kann seine Eigenständigkeit an den Stellen behaupten, wo es ihm angezeigt erscheint. Es entscheidet anhand eigener Maßstäbe, wie weit die Harmonie reicht und wo die Autonomie beginnt.“ 244 BGHZ 92, 143, 146 f. (Kupolofen): „Auch wenn grundsätzlich der Geschädigte zu behaupten und zu beweisen hat, daß vom Anspruchsgegner ausgehende Emissionen die behauptete Rechtsgutsverletzung verursacht haben, sind solche Beweiserleichterungen bei festgestellter Überschreitung der durch Verwaltungsvorschriften festgelegten Emissions- oder Immissionswerte denkbar. Im Einzelfall mag sogar eine Beweislastumkehr in Betracht zu ziehen sein […].“ 245 So ausdrücklich BT-Drucks. 12/7425, S. 87. 246 BT-Drucks. 12/7425, S. 87 ff.; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 906 Rn. 41. 247 Die Harmonisierungstendenzen begrüßend Säcker, in: MünchKomm BGB§ 906 Rn. 44 ff. s. aber auch Konrad, in: FS Münchener Juristische Gesellschaft, S. 133, 167: „Das Harmonisierungsanliegen steht […] nach wie vor unbewältigt im Raum. Euphorie über das Erreichte ist nicht angebracht, das Anliegen womöglich überhaupt illusionär. Das Ideal wäre eine gleichermaßen ausdifferenzierte wie bruchlos einheitliche Gesamtrechtsordnung. Ein solches Ideal ist indes nicht nur schwer erreichbar; es zu verfolgen, vielleicht auch nur begrenzt sinnvoll.“ 240
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
d) … trotz erheblicher Zieldivergenzen Um diese Harmonisierungserfolge einschätzen zu können, muss abschließend ein kurzer Blick auf die erheblichen Zieldivergenzen zwischen öffentlichem und privatem Umwelt- und Nachbarschutzrecht geworfen werden. Während die zivilrechtliche Regelung einen angemessenen Interessenausgleich zwischen zwei Personen erreichen will, strebt das öffentliche Recht nicht weniger als den Schutz der gesamten Umwelt, in Form der „Menschen, Tiere und Pflanzen, de[s] Boden[s], d[e]s Wasser[s], d[er] Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige[r] Sachgüter“ (§ 1 BImSchG) an. Der Umweltschutz soll also nicht nur der Gesamtheit aller Individuen dienen, sondern die Umwelt ist Schutzobjekt an sich.248 Gleichwohl haben sich Zivilund Verwaltungsgerichte zu einer inhaltlichen Harmonisierung beider Seiten durchgerungen und damit die gleichen Wertungen der zwei Teilrechtsordnungen in der Sache verdeutlicht.
2. § 823 Abs. 1 BGB und die Konkretisierung von Verkehrssicherungspflichten Inhaltliche Wechselbeziehungen zwischen Privat- und Öffentlichem Recht finden sich aber nicht nur im Nachbar-, sondern auch im allgemeinen Deliktsrecht.249 Dort wird für die Konkretisierung der praktisch höchst bedeutsamen Verkehrssicherungspflichten regelmäßig auf technische Standards und öffentlich-rechtliche Sondernormen zurückgegriffen.250 Zwar versteht man diese Sonderregeln ausschließlich als „Anhaltspunkte“251 und nicht als verbindliche Vorgaben für die Zivilgerichte,252 interessanterweise gehen diese in ihrer Urteilsfindung aber sogar häufig noch über die öffentlich-rechtlichen Vorgaben hinaus.253 Der Grund hierfür ist der abstrakt248 Vgl. Konrad, in: FS Münchener Juristische Gesellschaft, S. 133, 137. Von einem „umfassenden Umweltschutzgesetz“ spricht Jarass, BImSchG § 14 Rn. 7. Verfassungsrechtlichen Rückhalt findet dies in Art. 20a GG. 249 Dazu auch Jarass, VVDStRL Bd. 50 (1991), S. 238, 247. 250 Vgl. u. a. BGHZ 99, 167 (TÜV Merkblätter); 139, 43; 139, 79 (Sprengstoffgesetz). Ausführlich Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 483 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 794 ff., 832 f. 251 So Spindler, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB § 823 Rn. 251. 252 Anders noch BGHZ 62, 265 (Wildtaubenfall). Die Entscheidung sah sich zahlreicher Kritik ausgesetzt und wird heute zu Recht als „Ausreißer“ bezeichnet, s. Wagner, MünchKomm BGB, § 823 Rn. 358. Zustimmend allerdings Hager, in: Staudinger BGB, § 823 Rn. E 34. 253 Vgl. BGHZ 92, 143; 99, 167; 139, 43; 139, 79. Ein Beispiel aus dem Bereich der Produkthaftung BGH NJW 1987, 372 Leitsatz 1: „Gesetze oder Rechtsverordnungen bzw. darin in Bezug genommene technische Regeln konkretisieren, soweit sie Bestimmungen über die Kennzeichnung gefährlicher Produkte und über erforderliche Warnhinweise oder Sicherheitsratschläge enthalten, die Sorgfaltspflichten des Herstellers; doch enthalten sie im allgemeinen kein abschließendes Verhaltensprogramm gegenüber den Schutzgütern, sondern sind gelegentlich noch ergänzungsbedürftig.“ So auch Hager, in: Staudinger BGB, § 823 Rn. E 34; Spindler, in: Bamberger Roth, BeckOK BGB, § 823 Rn. 253.
B. Wechselseitiges Verhältnis von Normen im Gesamtsystem des Rechts
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generelle Charakter öffentlicher Vorschriften, der die konkreten Pflichten im Einzelfall nicht vorherzubestimmen vermag.254 Auch im Deliktsrecht entfalten öffentlich-rechtliche Normen also indizielle Wirkung für die Auslegung des Zivilrechts, obwohl sich hier ähnliche Zieldivergenzen abzeichnen wie beim Verhältnis des privaten zum öffentlich-rechtlichen Immissionsschutz.255 Die Anlehnung an das Öffentliche Recht bei gleichzeitiger Bewahrung der Interpretationshoheit im zivilrechtlichen Bereich verdeutlicht das Verhältnis beider Teilbereiche als wechselseitige Auffangordnungen256 und bestätigt noch einmal das Wechselspiel von Geltungsvermutung und Widerlegungsmöglichkeit.
V. Abschließende Überlegungen 1. Inhaltliche Wechselbeziehungen auch zwischen Privatund Öffentlichem Recht „Für den Willen eines Zivilrechtssatzes aber kann ein öffentlich-rechtliches Verhältnis nie etwas Rechtsähnliches sein“257 – dieses Postulat von Otto Mayer kann nach der eben nachgezeichneten Annäherung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht nicht mehr gelten.258 Stattdessen gilt, was vor Jahrzehnten schon Engisch erkannte: „[W]enden wir uns den inhaltlichen Beziehungen der […] abstrakten Rechtssätze unmittelbar zu, so werden wir solche inhaltlichen Beziehungen teils innerhalb der einzelnen Rechtsteile, teils aber auch innerhalb der gesamten Rechtsordnung entdecken.“259 Ihm folgten bald Nipperdey260 und Forsthoff261. Die 254 So auch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 832; Trute, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann, S. 167, 186; Wagner, MünchKomm BGB § 823 Rn. 359. 255 Statt vieler Spindler, in: Bamberger Roth, BeckOK BGB, § 823 Rn. 251. 256 In diesem Sinne auch Wagner, MünchKomm BGB § 823 Rn. 359; Trute, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann, S. 167, 186: „wirksame Ergänzung öffentlich-rechtlicher Gefahrsteuerungsnormen“. 257 So Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 117. 258 Vgl. Bydlinski, AcP 194 (1994), 319, 331 f.: „Wechselseitige Entlehnungen zwischen unterschiedlichen Systemteilen und daher auch zwischen den beiden rechtlichen Großmaterien in Fällen von Gesetzeslücken oder bei bestehenden Auslegungsspielräumen sind freilich möglich; sie können unter dem Leitgedanken der Einheit der Rechtsordnung durchaus legitim sein.[…] Insgesamt sind solche Entlehnungen aber relativ selten und jedenfalls methodisch durch strenge Anforderungen an die Begründung begrenzt.“ 259 Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 29; Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 150: „Bei jeder Konfliktsentscheidung kann der gesamte Inhalt der Rechtsordnung eingreifen.“; zuletzt Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust, S. 141. 260 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 34, S. 238: „Öffentliches Recht und Privatrecht sind nur Teile einer einheitlichen Rechtsordnung, die unter demselben Gebot der Gerechtigkeit steht, daß Gleiches gleich behandelt werden muß. Da es in beiden Rechtsgebieten trotz unterschiedlicher Grundauffassungen durchaus substantiell gleichartige Interessenkonflikte gibt, entspricht es diesem Gebot, wenn derartige öffentlich-rechtliche Interes-
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
Möglichkeiten zur Ergründung von Norminhalten enden also gerade nicht an den Grenzen des eigenen Gesetzbuches. Die Rechtsprechung hat dies erkannt und sich im Rahmen von §§ 823 Abs. 1 und 906 BGB zu einer inhaltlichen Harmonisierung mit den parallelen Regelungsbereichen im öffentlichen Recht bekannt und damit einen großen Beitrag zur Rechtssicherheit und zur Systematisierung der Rechtsgebiete geleistet. Auch der Gesetzgeber überwindet zusehends das Zweiteilungsdenken und setzt bewusst auf einen rechtsgebietsübergreifenden „Instrumentenmix“ zur Lösung bestimmter Sachprobleme.262 So zeichnen sich mehrere moderne Einzelgesetze gerade dadurch aus, dass sie den Rahmen traditionellen Systemdenkens sprengen263 und zum Beispiel im WpHG neben den aufsichtsrechtlichen Normen auch zivil- und strafrechtliche Sanktionen verankern.264 Womöglich wären die wechselseitigen Normbeziehungen auch im Umweltrecht noch zeitiger zu Tage getreten, wäre es direkt in einem einheitlichen Umweltrechtsgesetzbuch kodifiziert worden. Schließlich lässt sich einer solchen Gestaltung ein klarer Hinweis zur Gesamtwürdigung der Regelungsinstrumente entnehmen.265 Ähnliches lässt sich für viele andere Sachbereiche vermuten. 2. Inhaltliche Wechselbeziehungen auch in formell unverbundenen Rechtsbereichen Bei der Suche nach materiellen Normrelationen ist eine Frage bisher stets unberücksichtigt geblieben: Kann ein inhaltlicher Austausch zwischen zwei Normen nur dann stattfinden, wenn sie auf denselben Sachverhalt Anwendung finden? Oder auch über den gemeinsamen Anwendungsbereich hinaus? Emmenegger hält dies für möglich,266 bleibt allerdings eine Begründung schuldig. Es soll daher noch einmal ein senkonflikte […] unter Hinzuziehung der entsprechenden im Privatrecht entwickelten Grundsätze bewertet werden.“ 261 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I AT, S. 168: „[B]estimmte Rechtsnormen des bürgerlichen Rechts [werden] als Ausdruck eines allgemeinen, also nicht auf das bürgerliche Recht beschränkten und sohin für das Verwaltungsrecht unmittelbar geltenden Rechtssatzes verstanden […].“ 262 Eingehend zum „Formen- und Instrumentenmix“ Michael, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. II, § 41. 263 Dies betonend auch Rupp, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 292. 264 So z. B. der Rechtsverlust gem. § 28 oder die Haftungsvorschriften gem. §§ 37b, c WpHG. Straf- und Bußgeldanordnungen finden sich in den §§ 38 ff. WpHG. Auch das GWB weist Bezüge zum Privat- ebenso wie zum Verwaltungs- und Ordnungswidrigkeitenrecht aus, s. Immenga/Mestmäcker, in: dies., GWB, Einl. Rn. 27 ff. Selbst im BGB findet sich mit § 22 eine eindeutig öffentlich-rechtliche Vorschrift, so auch Burgi, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 9. 265 So ausdrücklich Schröder, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 318. 266 Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 102: „Solche inhaltlichen Verknüpfungen können sich sogar unabhängig von Normkonkurrenzen ergeben, etwa, wenn zwei nicht kon-
B. Wechselseitiges Verhältnis von Normen im Gesamtsystem des Rechts
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kurzer Blick zurück auf ihr Modell geworfen werden.267 Die formelle Normrelation lässt erkennen, dass der Gesetzgeber zwei Normen jedenfalls abstrakt für denselben Sachverhalt vorgesehen hatte, und zwar unabhängig davon, ob in der konkreten Normanwendungssituation womöglich eine der Normen hinter die andere zurücktreten muss. Das ist ein starker Indikator für einen Wertungsgleichlauf. Die materielle Normrelation setzt dies indes nicht zwingend voraus – hier reicht eine ähnliche Begrifflichkeit in ansonsten unverbundenen Rechtsbereichen aus, um die Frage nach einer parallelen Auslegung aufzuwerfen. Als Beispiel sei noch einmal an die Diskussion um die „Relativität der Rechtsbegriffe“ erinnert. Letztlich müssen daher zwei Konstellationen klar voneinander unterschieden werden: i) liegt eine formelle und materielle Verbindung zwischen zwei Rechtsbereichen vor, so hat der Gesetzgeber gleich zwei Hinweise auf ein gleichlaufendes Verständnis hinterlassen. In diesen Fällen ist beim Abgleich der Rechtsbereiche von einem „Wechselspiel von Geltungsvermutung und Widerlegungsmöglichkeit“ auszugehen.268 Regelmäßig wird der Abgleich der Normen daher zu einem identischen Ergebnis führen und nur im Ausnahmefall ein abweichendes Verständnis geboten sein. Dieses Verhältnis kehrt sich jedoch um, wenn ii) nur eine materielle, nicht aber eine formelle Verknüpfung zwischen zwei Rechtsbereichen vorliegt. In dem Fall also, dass bestimmte Norminhalte über deren eigentlichen Anwendungsbereich hinaus verallgemeinert und zur Auslegung in einem zweiten Rechtsgebiet fruchtbar gemacht werden sollen. Im Regelfall ist dies gerade nicht möglich, da die abgetrennte Normierung durch den Gesetzgeber auf eine materielle Spezialität schließen lässt. Im Ausnahmefall kann jedoch auch hier eine Verallgemeinerung vorgenommen werden, wenn die Regelungen in der Sache dieselben Ziele verfolgen. Zur Illustration dieser sehr abstrakten Regel soll ein letztes Mal auf das Umweltund Nachbarrecht zurückgegriffen werden; denn auch hier überschneidet sich der Anwendungsbereich der Normen nur zum Teil. Während § 906 BGB einen Abwehranspruch nur für Grundstückseigentümer gewährt, ist der Kreis berechtigter Dritte im Umweltrecht viel weiter zu ziehen. Andererseits sind die Anforderungen des Umweltrechts, insbesondere der Immissionsgrenzwerte der TA Luft und Lärm, nicht universal anzuwenden, sondern nehmen bestimmte Veranstaltungen, u. ä. explizit aus ihrem Anwendungsbereich hinaus.269 Die Indizwirkung der TA Luft und Lärm für den § 906 BGB besteht daher regelmäßig nur in den Fällen, in denen beide Normen auf den entsprechenden Sachverhalt Anwendung finden (formelle und materielle Normrelation). Allerdings greifen die Zivilgerichte auch darüber hinaus bei der Auslegung des § 906 BGB auf die öffentlich-rechtlichen Regelwerke zurück
kurrenzierende Rechtsvorschriften gleiche Begriffe verwenden. Insofern geht der Anwendungsbereich der materiellen Normrelation über den der formellen Normrelation hinaus.“ 267 Dazu bereits eingehend Zweiter Teil B. III., S. 109 ff. 268 Dazu bereits Zweiter Teil, B. III. 2. b), S. 114. 269 Vgl. TA Lärm, Abschnitt 1.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
(nur materielle Normrelation); die „Indizwirkung“ der TA Luft & Lärm entfällt dann jedoch, sie gelten dann nur noch als „Entscheidungshilfe“.270 3. Einfluss des Aufsichtsrechts auf das Recht der Aktiengesellschaft Mit diesem analytischen Rüstzeug im Gepäck soll nun ein Blick auf die eigentliche Frage dieser Untersuchung geworfen werden: Kann die aufsichtsrechtliche Corporate Governance maßgeblich für das Verständnis des Aktienrechts sein? Ein starker Anhaltspunkt für eine solche materielle Verknüpfung ist die parallele Entwicklung und Ausgestaltung der Corporate-Governance-Regime in beiden Rechtsbereichen. Wer aber das Aufsichtsrecht als Erkenntnisquelle des Aktienrechts heranziehen will, der muss nach den bisherigen Erkenntnissen scharf zwischen zwei Konstellationen unterscheiden: i) der regulierten Aktiengesellschaft (kurz: der „Bank-AG“). Hier treffen beide Rechtsmaterien formell und materiell aufeinander. Im Grundsatz ist daher von einem Wertungsgleichlauf auszugehen. Daneben steht ii) die nicht regulierte Aktiengesellschaft (kurz: „Normal-AG“). Hier findet sich ausschließlich eine materielle, nicht aber eine formelle Verknüpfung beider Rechtsbereiche. Im Regelfall kann daher nicht von einer inhaltlichen Wechselbeziehung beider Seiten ausgegangen werden, dies gilt nur im Ausnahmefall. Ein solcher Ausnahmefall bedarf besonderer Begründung. Wie sich die Normrelationen in den beiden Konstellationen en detail gestalten, wird im Folgenden untersucht.
C. Rechtslage in der Bank-Aktiengesellschaft Wer über die Wirkung des Aufsichtsrechts auf die „Normal-AG“ nachdenken will, sollte sich zunächst die Verhältnisse in der „Bank-AG“271 vor Augen führen. Wie stellen sich die Normenrelationen im regulierten Wirtschaftssektor dar? Dass diese Frage nicht nur wissenschaftlich, sondern ganz praktisch von Interesse ist, zeigt bereits der tatsächliche Koordinationsbedarf (I.). Für eine genauere Analyse wird die Unterscheidung zwischen formeller und materieller Normrelation wieder aufge-
270 Ausdrücklich BGHZ 161, 323, Leitsatz 4: „Bei der Beurteilung, ob Fluglärm eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB bedeutet, ist der Tatrichter auf eine Würdigung aller die Lärmimmissionen charakterisierenden Umstände angewiesen. Die Vorschriften des Fluglärmgesetzes, der TA-Lärm und der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) stellen keine Normen im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB dar; von den dort geregelten Grenzwerten geht daher keine Indizwirkung aus, sie können aber bei der Gesamtwürdigung als Entscheidungshilfe Berücksichtigung finden.“; zustimmend Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 906 Rn. 42. 271 Die Formulierung „Bank-AG“ steht pars pro toto für die Unternehmen aller drei Aufsichtssektoren, also auch für die Versicherungs-AG und die Wertpapierdienstleistungs-AG.
C. Rechtslage in der Bank-Aktiengesellschaft
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griffen (II.) und an die Theorie vom Öffentlichen Recht und Privatrecht als wechselseitigen Auffangordnungen zurückgebunden (III.).
I. Tatsächlicher Koordinationsbedarf Nicht nur in der heutigen Zeit, sondern bereits über mehrere Jahrhunderte hinweg bedienten sich private Banken der Rechtsform der Aktiengesellschaft.272 Historischer Grundtypus der privaten Bankunternehmung ist zwar der Privatbankier; der steigende Finanzbedarf von großen Unternehmen während der Industrialisierung beschleunigte ab dem 19. Jahrhundert jedoch den Aufstieg sog. „Aktienbanken“.273 Der Vorteil der Aktiengesellschaft lag in ihrer Konzeption als „Kapitalsammelstelle“274. Bis zum heutigen Tage nutzen deutsche Großbanken – ebenso wie die großen Versicherungsunternehmen – die Rechtsform der Aktiengesellschaft275 und unterliegen damit den Anforderungen des Aufsichts- und des Aktienrechts. Im Versicherungssektor wird dies sogar ausdrücklich durch das Gesetz gefordert, denn dort gilt gemäß § 7 Abs. 1 VAG ein strenger Rechtsformzwang. Private Versicherungsgesellschaften dürfen demnach nur als AG, SE oder Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) organisiert sein.276 In Fragen der Corporate Governance greifen VVaG und SE aber vollumfänglich auf das deutsche AktG zurück;277 so dass das „Versicherungsgesellschaftsrecht“ bereits von Gesetzes wegen auf das Aktienrecht ausgerichtet ist. Diese Nähe zwischen Aufsichts- und Aktienrecht hat sich auch immer wieder bei der Rechtsfortbildung niedergeschlagen, insbesondere wurden vielerlei Reformen des Aktienrechts durch Krisen von Banken und Versicherungen angestoßen. So sind die Notverordnungen nach der Weltwirtschaftskrise maßgeblich auf den Zusam272 Noch bevor diese als Rechtsform tatsächlich aus der Taufe gehoben worden war, vgl. die Beispiele bei K. Schmidt, GesR, § 26 II, S. 759. 273 Dazu M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 10 ff. 274 Statt vieler Habersack, in: MünchKomm AktG, Einl. Rn. 5. 275 Deutsche Bank AG, Commerzbank AG, Hypovereinsbank Unicredit Bank AG. Die Privatbanken firmieren dagegen als KG oder KGaA, s. Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank); B. Metzler seel. Sohn & Co. KGaA (Bankhaus Metzler). Im Versicherungssektor finden sich u. a. die Allianz SE, Munich Re AG, AXA Konzern AG und Generali Deutschland Holding AG. Mittlerweile ist der Rückgriff auf die AG in großen Finanzunternehmen wohl weniger deren Funktion als „Kapitalsammelstelle“, sondern ihren Vorzügen als Holdinggesellschaft geschuldet. 276 Laut Rittner/Dreher stellt die AG aber „rechtlich und wirtschaftlich gesehen die wichtigste Rechtsform der Unternehmensträger in der Versicherungswirtschaft dar.“ Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 31 Rn. 34. Das bestätigt auch die Statistik. Hiernach vereinigen die Versicherungsaktiengesellschaften einen weit überwiegenden Teil des Beitragsvolumens im privaten Versicherungssektor auf sich (2011: 82,6 %), s. Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, Statistisches Taschenbuch 2012, Tabelle 3 und 6. 277 Vgl. §§ 34, 35 Abs. 3 VAG für den VVaG und Art. 9 Abs. 1 c) ii) SE-VO für die SE.
126
2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
menbruch der Darmstädter Nationalbank (Danat-Bank) sowie der Frankfurter Versicherungs AG (FAVAG) zurückzuführen.278 Eine ganz ähnliche Entwicklung ist seit der letzten Finanzkrise zu verzeichnen.279
II. Analyse formeller und materieller Verknüpfungen Wer eine Bank betreibt, muss vielerlei Vorschriften beachten, in erster Linie aber natürlich die des KWG und WpHG. Dort finden sich Überschneidungen nicht nur mit dem Aktien-, sondern beispielsweise auch mit dem Vertrags- (§§ 31 ff. WpHG) oder Bilanzrecht (§§ 26 ff. KWG).280 Die größten Überschneidungen aber hat das Aufsichtsrecht mit dem Aktienrecht und hieraus entsteht ein erheblicher Abstimmungsbedarf auf formeller und materieller Ebene. Die fortwährenden Reformen in beiden Bereichen sorgen zudem dafür, dass ihr Verhältnis zueinander ständig im Fluss ist. Gleichwohl soll auf den folgenden Seiten der Versuch unternommen werden, einige Eckpfeiler abzustecken. 1. Formelles Normenverhältnis a) Darstellung anhand ausgewählter Beispiele Die schiere Fülle des aufsichtsrechtlichen Rechtstextes verbietet eine Gegenüberstellung aller Normen des Aktien- und Aufsichtsrechts. Anbei sollen daher anhand des Lebenszyklus einer Bank-Aktiengesellschaft einige wenige Regelungsbereiche exemplarisch vorgestellt werden.281 aa) Gründungs- und Zulassungsprocedere Die Gründung einer Aktiengesellschaft erfordert vor allem eine notariell beurkundete Satzung, die Aufbringung des Grundkapitals sowie die Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft beim Handelsregister.282 Sollen mit dieser Aktiengesellschaft jedoch Bank- oder Versicherungsgeschäfte betrieben werden, so sind zusätzliche Anforderungen zu erfüllen, die in erster Linie die Ausstattung mit Eigenmitteln sowie die Qualifikation der Geschäftsleiter des Instituts betreffen.283 Ob 278
Dazu Habersack, in: MünchKomm AktG, Einl. Rn. 20. Kritisch dazu Hopt, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 3, 26. 280 Ähnliches gilt für Versicherungen, für die im VVG ein eigenes Vertragsrecht geschaffen worden ist. 281 Eine detaillierte Analyse der Corporate-Governance-Fragen findet sich im Vierten Teil, S. 191 ff. 282 Ausführlich dazu K. Schmidt, GesR, § 27 II, S. 784 ff.; Raiser/Veil, KapGesR, § 10, S. 44 ff. 283 Vgl. §§ 32, 33 KWG. 279
C. Rechtslage in der Bank-Aktiengesellschaft
127
diese Voraussetzungen gegeben sind, wird durch die Aufsichtsbehörde in einem Zulassungsverfahren geprüft. Zusätzlich zur Handelsregisteranmeldung bedarf eine Finanzinstituts-AG daher vor allem einer behördlichen Genehmigung.284 bb) Kapitalaufbringung und -erhaltung Der Themenbereich, der dank des Basler Ausschusses stets intuitiv mit dem Bankenaufsichtsrecht verbunden wird, ist der der Eigenmittelvorschriften.285 Stark vereinfacht lässt sich festhalten, dass sich die Kapitalanforderungen an Banken nach Aufsichts- und Aktienrecht gleich in dreierlei Hinsicht fundamental unterscheiden.286 Dies betrifft zunächst die abweichenden Begrifflichkeiten. Das AktG verlangt zur Gründung die Aufbringung eines Grundkapitals von mindestens 50.000 Euro,287 gemeint ist hiermit die Summe der Nennwerte aller ausgegebenen Aktien.288 Das KWG spricht hingegen von den „Eigenmitteln“, die das Kernkapital und das Ergänzungskapital umfassen.289 Das Grundkapital ist nur einer von vielen Posten, die insgesamt das Kernkapital ausmachen.290 Eine zweite Abweichung betrifft den Umfang des aufzubringenden Kapitals. Für Einlagenkreditinstitute fordert das Aufsichtsrecht mindestens 5 Millionen Euro als Anfangskapital;291 darüber hinaus hängt die Höhe der vorzuhaltenden Eigenmittel von den nach ihrer Risikoanfälligkeit gewichteten Aktiva des Instituts ab.292 So wird der Größe, dem Umsatz und der Risikoexposition der Finanzinstitute Rechnung getragen. Die dritte und tiefgreifendste Abweichung betrifft die Bindung des aufgebrachten Kapitals. Das Kapital der Aktiengesellschaft steht dieser „zur freien Verfügung“ und soll zum Wirtschaften genutzt werden. Zugriffsbeschränkungen unterliegen allein die Gesellschafter.293 Eine Garantie, dass dieses Kapital immer in der Gesellschaft vorhanden sein wird,
284
§ 128.
Eingehend zur Erlaubnispflicht Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb.,
285 Instruktiv Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., § 129; Rudolph, ZHR 175 (2011), 284 ff. Zu den Änderungen durch Basel III Schäfer, ZHR 175 (2011), 319 ff. 286 Für eine ausführlichere Gegenüberstellung s. Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 247 ff. 287 Vgl. §§ 1 Abs. 2, 6, 7 AktG. 288 Vgl. Heider, in: MünchKomm AktG, § 8 Rn. 46; Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 8 Rn. 4. 289 Vgl. § 10 KWG iVm Art. 72 der VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR). Dazu kommen noch sog. „Drittrangmittel“, vgl. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., § 129 Rn. 8 ff. 290 Vgl. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., § 129 Rn. 11. 291 Vgl. §§ 33 Abs. 1 Nr. 1 d) KWG. 292 Vgl. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., § 129 Rn. 44 ff. Die maßgebenden Bestimmungen folgen mittlerweile ausschließlich aus der unmittelbar verbindlichen VO (EU) Nr. 575/2013. 293 Vgl. § 57 AktG.
128
2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
gibt es für die Gläubiger einer Aktiengesellschaft also gerade nicht.294 Gänzlich anders stellt sich das Bild im Aufsichtsrecht dar. Hier sind die Eigenmittel als „Verlustpuffer“ in Krisenzeiten gedacht. Fällt die Eigenmittelquote im Laufe des Geschäftsgangs hinter die gesetzlichen Vorgaben zurück, so muss das Institut sie wieder aufstocken (z. B. durch die Ausgabe neuer Aktien). Banken und Versicherungen müssen also im wahrsten Sinne des Wortes ein „Garantiekapital“ vorhalten, um das in sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen. cc) Krise und Insolvenz Das Aktienrecht sortiert die Pflichten des Vorstands in der Krise nach verschiedenen „Eskalationsstufen“.295 Gemäß § 92 Abs. 1 AktG ist bei einem Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals die Hauptversammlung einzuberufen; bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist ein Insolvenzantrag zu stellen.296 Nach diesem Zeitpunkt dürfen keinerlei Zahlungen mehr geleistet werden, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind (wrongful trading).297 Nähere Handlungsanweisungen, insbesondere dahingehend wie die Krise zu bewältigen ist, sieht das Gesetz nicht vor. Ganz anders im Aufsichtsrecht, das weitreichende Anordnungen der Aufsichtsbehörde zur Krisenbewältigung gestattet.298 Insbesondere kann ein Sonderbeauftragter entsandt werden, der die Aufgaben „einer oder mehrerer der Geschäftsleiter“ des Instituts wahrnimmt.299 Tritt dennoch Zahlungsfähigkeit oder Überschuldung ein, so ist dies ausschließlich der BaFin anzuzeigen.300 Mit der Einführung des Restrukturierungsgesetzes wurde zudem ein Sonderrecht für systemrelevante Banken geschaffen;301 nun können Teile eines Kreditinstituts in eine sog. bad bank ausgelagert
294 Eingängig K. Schmidt, GesR § 26 IV, S. 776: „Der Gesetzgeber kann zwar das Grundkapital schützen, indem er Auszahlungen an die Aktionäre verbietet, nicht aber kann er der Gesellschaft verbieten, Verluste zu machen. Der Gesetzgeber kümmert sich zwar um das Garantiekapital, aber er kann und will nicht gewährleisten, daß auch stets ein Vermögen in dieser Höhe vorhanden ist.“ 295 Instruktiv Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 92; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 92. 296 Vgl. § 15a InsO. 297 Vgl. § 92 Abs. 2 S. 2 AktG. 298 Vgl. §§ 45, 46 KWG. Umfassend und rechtsvergleichend Binder, Bankeninsolvenzen, 2005. 299 Vgl. § 45c KWG. In einer unregulierten Aktiengesellschaft müssen die Vorstände hingegen erst nach Eröffung des Insolvenzverfahrens die Leitung der Gesellschaft an den Insolvenzverwalter abgeben, § 80 Abs. 1 InsO. 300 Denn nur die Behörde hat das Recht Insolvenzantrag zu stellen, s. § 46b Abs. 1 S. 1, 2, 4 KWG. 301 Instruktiv Wolfers/Voland, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 315 ff.
C. Rechtslage in der Bank-Aktiengesellschaft
129
werden.302 Zur Erleichterung der Sanierung sollen systemrelevante Banken in Zukunft zudem sog. „Bankentestamente“ (living wills) vorhalten müssen.303 b) Analyse der Normrelationen aa) Kein Anwendungsfall der klassischen lex-specialis-Regel Treffen Aktien- und Aufsichtsrecht bei der Regulierung einer Bank-Aktiengesellschaft aufeinander, so handelt es sich nicht um einen klassischen Anwendungsfall der lex-specialis-Regel.304 Zwar ist man intuitiv geneigt, mit dem Spezialitätsgrundsatz für eine Verdrängung der aktienrechtlichen Normen zu plädieren;305 hierfür müsste man allerdings zuerst die Frage beantworten können, welche der beiden Rechtsmaterien die speziellere ist. Dies hängt letztlich allein vom Blickwinkel ab. Zwar betrifft das Aufsichtsrecht nur Aktiengesellschaften besonderen Typs und kann in dieser Hinsicht als „speziell“ gelten;306 andersherum ist aber das Aktienrecht nahezu ausschließlich auf die Aktiengesellschaft zugeschnitten, wohingegen das Aufsichtsrecht alle Finanzinstitute unabhängig von ihrer Rechtsform erfasst. So betrachtet, erscheint auf einmal das Aktienrecht als Sondermaterie. Letztendlich handelt sich hier um den Fall zweier sich lediglich überschneidender Regelungsmaterien, bei dem ein simpler Verweis auf die Vorrangregeln nur in den seltensten Fällen eine klare Lösung zu Tage zu fördert.307 Vielmehr müssen die parallelen Regelungspaare in jedem einzelnen Fall separat mit Blick auf ihre Schutzzwecke untersucht werden. bb) Kumulative Anwendbarkeit von Aufsichts- und Aktienrecht Die hier angerissenen Beispielsfelder zeigen aber noch eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft: In keinem der genannten Fälle liegt eine Normenkollision vor. Denn diese würde voraussetzen, dass sich die Rechtsfolgen beider Seiten derart widersprechen, dass die eine Norm nicht ohne die Verletzung der anderen befolgt
302
Vgl. § 48a ff. KWG. Siehe dazu das sog. Trennbankengesetz, BGBl. 2013 I, S. 3090, das ab 01. 01. 2014 in Kraft tritt. Eine solche Pflicht war zuvor vom 68. DJT 2010 gefordert worden, s. Beschluss Nr. 25 der Abteilung Wirtschaftsrecht. 304 So auch für die Schweiz Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 162. Zur lex-specialis-Regel bereits Zweiter Teil, B. II. 1. b), S. 107. 305 So z. B. Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 294: „Als lex specialis verdrängen die materiellen Vorgaben des VAG und des KWG den allgemeinen Ordnungsrahmen und sind funktional dem Sondergesellschaftsrecht zuzuordnen.“ 306 Vgl. die Überschrift „Aktiengesellschaften besonderer Art“ bei Habersack, in: MünchKomm AktG, Einl. Rn. 174 f. für Kreditinstitute und Rn. 183 für Versicherungsgesellschaften. 307 Dazu bereits Zweiter Teil, B. II. 1. b), S. 107. 303
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
werden kann.308 Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich hier allein um Rechtsfolgendivergenzen, d. h. aktien- und aufsichtsrechtliche Normen können kumulativ erfüllt werden, ohne sich gegenseitig „in die Quere“ zu kommen.309 Dies sei noch einmal anhand der Frage der Kapitalausstattung verdeutlicht: Nach dem AktG muss für die Gründung der Gesellschaft ein Grundkapital von 50.000 Euro aufgebracht werden. Die Anforderungen an Banken bauen hierauf auf und gehen dann im Umfang sowie den Detailregelungen weit darüber hinaus.310 Das Aktienrecht dient also als Grundordnung, auf der das Aufsichtsrecht aufsetzt. 2. Materielle Normrelation a) Nur wenige terminologische Parallelen, … Legt man AktG und KWG nebeneinander, so finden sich auf den ersten Blick nur wenige Anknüpfungspunkte für eine materielle Normenrelation. Insbesondere die Terminologie beider Gesetze weicht an vielen Stellen voneinander ab. Wenn hier vom „Vorstand“ und da von der „Geschäftsleitung“, hier von der „Gesellschaft“ und dort vom „Institut“ die Rede ist, so kann dies noch mit den divergierenden Anwendungsbereichen begründet werden. Aber auch in Sachfragen sind die einzelnen Regelungen sprachlich scharf voneinander abgegrenzt. Beispielhaft sei noch einmal auf die Unterschiede zwischen dem aktienrechtlichen „Grundkapital“ und den aufsichtsrechtlichen „Eigenmitteln“ verwiesen. Alles in allem umweht KWG, VAG und WpHG daher bereits mit Blick auf die Gesetzesterminologie der Hauch einer materiell-rechtlichen Spezialmaterie. Interessanterweise gilt dies aber in weniger starkem Maße für die Vorschriften zur Corporate Governance. Hier wie dort finden sich Anforderungen an die „Organisation“311 und die „Vergütung“312. Es sind nur wenige begriffliche Parallelen; verglichen mit dem sonstigen Normenbestand sind sie aber jedenfalls überraschend. b) … aber wechselseitige Verknüpfung durch Verweise Eine besonders starke materielle Verknüpfung wird jedoch durch die impliziten und expliziten Verweise hergestellt, mit denen Aufsichts- und Aktienrecht auf die jeweils andere Rechtsordnung Bezug nehmen und deren Wertungen in die eigene Materie integrieren. 308
Dazu bereits Zweiter Teil, B. III. 1. a), S. 110. So auch Armbrüster für das Versicherungsaufsichtsrecht, ZVersWiss 2011, 639, 653. Das schließt nicht aus, dass vereinzelte Normenkomplexe auch einmal im Widerspruch zueinander stehen; überwiegend ist dies jedoch nicht der Fall. 310 Vgl. auch Junker, Gewährleistungsaufsicht, S. 83; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 294; Wundenberg, Compliance, S. 126. 311 Vgl. die Überschriften von §§ 91 AktG, 25a KWG, 64a VAG. 312 Vgl. §§ 87 AktG, 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 6 KWG, 64b VAG. 309
C. Rechtslage in der Bank-Aktiengesellschaft
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aa) Öffnungsklauseln im Aufsichtsrecht So verpflichtet das Versicherungsaufsichtsrecht die Versicherungsunternehmen ganz bewusst auf die Rechtsform der Aktiengesellschaft, und zwar ausweislich der Gesetzesbegründung wegen der „Fürsorge, welche die Gesetzgebung dieser Gesellschaftsform hat zu Theil werden lassen“313. Tatsächlich bietet sich die Aktiengesellschaft mit Blick auf ihre vergleichsweise strengen Vorschrift zur Kapitalerhaltung und der Verpflichtung zur Satzungsstrenge für die Schutzzwecke des Versicherungsaufsichtsrechts besonders an.314 So wird durch die Anordnung in § 7 Abs. 1 VAG die Tür für aktienrechtliche Wertungen weit geöffnet. Diese Entscheidung war rechtlich keinesfalls zwingend; alternativ hätte es der Gesetzgeber auch dabei belassen können, für privat betriebene Versicherungen ausschließlich die durch ihn selbst geschaffene Rechtsform des VVaG zur Verfügung zur stellen. Unter diesem Blickwinkel erweist sich das Bankaufsichtsrecht sogar als noch „gesellschaftsrechtsfreundlicher“. Denn § 2b Abs. 1 KWG untersagt allein den Betrieb des Bankgeschäfts als Einzelkaufmann; alle anderen Gesellschaftsformen sind zugelassen. An verschiedenen anderen Stellen nimmt das Aufsichtsrecht zudem direkten Bezug auf das AktG.315 Das Aufsichtsrecht ist sich der Koexistenz des Aktienrechts also bewusst und sucht an einigen Stellen ausdrücklich eine inhaltliche Beziehung zu diesem herzustellen. bb) Öffnungsklauseln im Aktienrecht Auch im Aktienrecht finden sich Öffnungsklauseln, die die Aufnahme fremder gesetzlicher Wertungen in den eigenen Rechtskosmos erlauben. Dies gilt in besonderem Maße für den Bereich der Corporate Governance, wo sich zwei ganz besonders starke „Andockstellen“ entdecken lassen. Dies sind die Legalitätspflicht und die Pflicht zur Einhaltung der „branchenüblichen“ Sorgfaltsstandards. (1) Legalitätspflicht Die Legalitätspflicht gehört zum gesicherten Bestand des Kanons aktienrechtlicher Vorstandspflichten.316 Sie verpflichtet den Vorstand zur Einhaltung aller ge313
Begr. zum VAG 1901, in: BAV, Motive zum VAG, S. 29. Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 240: „Aufsichtsrechtliche Beschränkungen der Rechtsformwahl verfolgen den Zweck, die für die jeweiligen Gesellschaftsformen einschlägigen Mindestanforderungen als Grundlage des jeweiligen Geschäftsbetriebs sicherzustellen. Die unzulässigen Rechtsformen gelten als ungeeignet, den Versicherungsnehmern wirksamen Schutz bieten zu können.“ 315 Vgl. die Darstellung bei Dreher/Häußler, ZGR 2012, 471, 479 für das Versicherungsaufsichtsrecht. 316 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 14 ff.; Hopt, in: GroßKomm AktG, § 93 Rn. 98 ff.; Koch, in: Hüffer, AktG, § 93 Rn. 6; Krieger/Sailer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 6; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 93 Rn. 71 ff.; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 93 Rn. 73 ff. Jüngst Habersack, FS U. H. Schneider, S. 429 ff. 314
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
setzlichen Pflichten, die die Gesellschaft sowie ihn in seiner Funktion als Vorstandsmitglied treffen. Einigkeit besteht darüber, dass die Legalitätspflicht nicht nur die Einhaltung der aktienrechtlichen, sondern darüber hinaus die Beachtung aller verbindlichen Vorgaben fordert.317 Der Vorstand ist also auch für die Einhaltung arbeitsrechtlicher, umweltrechtlicher, produktrechtlicher und nicht zuletzt aufsichtsrechtlicher Regeln verantwortlich. Über die Legalitätspflicht werden öffentlich-rechtliche Vorgaben somit uneingeschränkt zu aktienrechtlichen, einklagbaren Vorstandspflichten umqualifiziert.318 Der Vorstand einer Bank-AG ist mithin für die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen nicht nur gegenüber der Aufsichtsbehörde, sondern auch gegenüber der Gesellschaft verantwortlich.319 Die Legalitätspflicht ist somit eine Art „Transmissionsriemen“ zur Übertragung externer Pflichten in den verbandsrechtlichen Innenausgleich.320 Ähnlich wie im allgemeinen Deliktsrecht321 gibt die Legalitätspflicht auch im Rahmen der Organhaftung aber nur einen Mindeststandard vor. Im Einzelfall kann die vom Vorstand geschuldete Sorgfalt noch darüber hinausgehen.322 (2) Einhaltung „branchenüblicher Sorgfaltsstandards“ Die Sorgfaltspflicht des Vorstands kann zudem durch den Rückgriff auf branchenübliche „Erkenntnisse und Erfahrungssätze“ konturiert werden.323 Denn „entscheidend ist, wie sich ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eines Unternehmens vergleichbarer Art und Größe in der konkreten Situation verhalten hätte.“324 § 93 Abs. 1 S. 1 AktG entspricht somit funktional dem § 276 BGB325 und verweist den Rechtsanwender auf einen empirisch vorhandenen Maßstab,326 nämlich
317 Eine Abstufung zwischen Normen „erster“ und „zweiter“ Klasse findet nicht statt, s. Armbrüster, ZVersWiss 2011, 639, 641; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 93 Rn. 74; Thole, ZHR 173 (2009), 504, 520; Wundenberg, Compliance, S. 135. Für eine „de minimis“ Regel aber Habersack, FS U. H. Schneider, S. 429, 437 ff. m.w.N. 318 Zum Verhältnis aufsichts- und aktienrechtlicher Vorstandspflichten in der Bank-AG zuletzt eingehend Binder, ZGR 2013, 760 ff., der der Legalitätspflicht zwar weniger Bedeutung beimisst, im Ergebnis aber ebenfalls von einem uneingeschränkten Vorrang der aufsichtsrechtlichen Pflichtenbindung ausgeht (S. 785 f.). 319 Zur Frage, wie sich die Legalitätspflicht zur Business Judgment Rule verhält, s. Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1296 ff.; Wundenberg, Compliance, S. 136 ff. 320 Ebenso Armbrüster, KWzW 2013, 10, 17; ders., ZVersWiss 2011, 639, 641; ders., VersR 2009, 1293, 1294; Dreher, WM 2006, 213, 214; Wundenberg, Compliance, S. 133 ff. 321 Dazu bereits Zweiter Teil, B. IV. 2, S. 120. 322 Darauf hinweisend auch Bürkle, WM 2005, 1496, 1499. 323 BGH ZIP 2002, 213, 214: „So ist eine Pflichtverletzung insbesondere dann gegeben, wenn das Vorstandsmitglied gegen die in dieser Branche anerkannten Erkenntnisse und Erfahrungsgrundsätze verstößt.“ (Zur Parallelvorschrift § 34 GenG). 324 So Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 41. 325 So Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 10. 326 So ausdrücklich Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 29, S. 241.
C. Rechtslage in der Bank-Aktiengesellschaft
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die branchenübliche Sorgfalt.327 Auch diese verknüpft das Aufsichts- mit dem Aktienrecht. Denn was aufsichtsrechtlich vorgegeben ist, das ist – so ist zu hoffen – in der Finanzbranche auch üblich. Das gilt aber nicht nur für die Normen des KWG und VAG, sondern darüber hinaus auch für den Bereich des unverbindlichen Soft Law.328 Hierzu zählen die Rundschreiben der BaFin und zum Beispiel die IDW-Prüfstandards. Werden diese in der Branche unisono befolgt, so kann hieraus ein branchenüblicher Sorgfaltsstandard erwachsen.329 c) Fazit Tatsächlich finden sich also starke wechselseitige Verknüpfungen, die Aktienund Aufsichtsrecht in materieller Hinsicht füreinander öffnen und so einen Wertungsgleichlauf ermöglichen. Eine materielle Interaktion zwischen Aufsichts- und Aktienrecht findet also statt. Dies gilt allerdings in diesem Ausmaß nur, wenn auch eine formelle Verknüpfung zwischen Aufsichts- und Aktienrecht besteht. Denn für die Bank-Aktiengesellschaft existiert eine explizite Verknüpfung mit dem Aufsichtsrecht durch die Legalitätspflicht des Vorstands.330 Untersucht man hingegen die Normrelationen in einer Normal-AG, so kann man sich allein auf die parallelen Begrifflichkeiten stützen. In diesem Befund spiegelt sich das eingangs abstrakt bestimmte Regel-Ausnahme-Verhältnis wider:331 wo sich zwei Rechtsbereiche formell und materiell überschneiden, da ist regelmäßig mit einer inhaltlichen Kongruenz zu rechnen. Wo aber allein eine materielle, nicht aber zugleich eine formelle Verbindung zwischen den Rechtsgebieten besteht, dort wird dies nur im Ausnahmefall der Fall sein.
III. Aktien- und Aufsichtsrecht als wechselseitige Auffangordnungen Der Abgleich formeller und materieller Normrelationen offenbart zugleich eine echte Arbeitsteilung zwischen dem Aktien- und dem Aufsichtsrecht. Während die eine Seite die Grundpfeiler der Unternehmensverfassung vorgibt, konkretisiert und
327 Dieser Maßstab bildet indes nur eine Untergrenze, er kann den Vorstand nicht von Fehlverhalten entlasten. Auch wenn also die gesamte Branche rechtsbrüchig gehandelt hat, so ist das Vorstandsmitglied nichtsdestotrotz nach dem normativen Urteil des § 93 AktG hierfür haftbar, s. Hopt, GroßKomm AktG, § 93 Rn. 79. 328 Dazu ausführlich Dritter Teil, B. III., S. 180 ff. 329 Auf diese Gefahr weist auch Bürkle hin, VersR 2009, 866, 872. 330 Eine eigene Kollisionsregel für das Verhältnis von aktien- und aufsichtsrechtlichen Vorschriften in der Bank-AG entwickelt Binder, ZGR 2013, 760, 784 ff. 331 Dazu bereits Zweiter Teil, B. V. 2., S. 122.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
vertieft die andere diese Anforderungen für den Bereich des Finanzsektors.332 Diese Arbeitsteilung ist nicht zufällig, sondern wird durch die Verweisungen im Aufsichtsrecht ausdrücklich angeordnet; das Öffentliche Recht „entlastet“ sich also, indem es aktiv auf die privatrechtlichen Gesellschaftsformen zurückgreift und nur dort korrigierend eingreift, wo es Abweichungsbedarf sieht.333 Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt die eigens für den Versicherungssektor geschaffene Rechtsform des VVaG. Andersherum entlastet sich auch das Aktienrecht, indem es mittels der Legalitätspflicht des Vorstands die Wertungen des Aufsichtsrechts in den eigenen Rechtskreis inkorporiert.334 Es muss so gerade keine eigenen branchenspezifischen Governance-Regelungen vorhalten, sondern kann – je nach Geschäftstätigkeit – auf die Anforderungen des Öffentlichen Rechts zurückgreifen. Funktional betrachtet handelt es sich hierbei um eine dynamische Verweisung, so dass neuere Rechtsentwicklungen automatisch mitberücksichtigt werden. Über diese wechselseitigen Anknüpfungen entledigen sich Aufsichts- und Aktienrecht bestimmter Teile ihrer eigenen Normierungslast. In anderen Worten: Sie fangen sich wechselseitig auf. Diese wechselseitige Verzahnung setzt sich auch auf der Ebene der Rechtsdurchsetzung fort. So kann die Gesellschaft den Vorstand über die Legalitätspflicht zur Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Gesetze anhalten und damit gleichsam „Vollzugshilfe“ für die BaFin leisten. Dies hat auch rechtspolitische Vorteile, denn es sichert die Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Verhaltenspflichten für den Fall ab, dass es zu einer Kollusion zwischen den Regulierten und der Behörde kommt.335 Andererseits werden die Handlungen des Vorstands nicht mehr allein durch den Aufsichtsrat überwacht, sondern die BaFin tritt als zusätzliche Kontrollinstanz dazu. Das private und public enforcement werden also miteinander verkoppelt und verschaffen sich gegenseitig mehr Schubkraft.336 332
Zum Zusammenspiel beider Rechtsgebiete eingehend Binder, ZGR 2013, 760 ff., der zwar „Spannungen“, aber keinerlei „Systembrüche“ im Bereich der Corporate-GovernanceVorgaben ausmacht. 333 So auch Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 130: „Wo die aktienrechtliche Normierung bereits Pflichten vorsieht, kann das Bankengesetz darauf zurückgreifen. Die Regulierungen greifen hier wie Zahnräder ineinander, so dass im Ergebnis eine wechselseitige Entlastung […] herauskommt.“ 334 Dazu Wundenberg, Compliance, S. 141: „Insgesamt fügen sich die Vorgaben der qualitativen Bankenaufsicht im Einzelinstitut weitgehend reibungsfrei in den gesellschaftsrechtlichen Ordnungsrahmen ein.“ 335 In diese Richtung auch Engel, JZ 1995, 213, 218. Zu den Gefahren der regulatory capture instruktiv Leschke, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 6 Rn. 79 ff. 336 Ebenso die Analyse bei Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 121. Ein auf dem Deutschen Juristentag 2014 präsentierter Vorschlag geht dahin, der BaFin zusätzlich ein eigenständiges Klagerecht zur Durchsetzung der Corporate-Governance-Regeln in Finanzinstituten einzuräumen, so dass die Behörde gerade nicht mehr allein auf die „Vollzugshilfe“ der Organe der Gesellschaft angewiesen ist, vgl. Bachmann, Gutachten E für den 70. DJT 2014, E 109; U. H. Schneider, Referat für den 70. DJT 2014, N 49 ff. Ein solches Klagerecht findet Vorbilder im amerikanischen und australischen Recht, vgl. U. H. Schneider, Referat für den 70. DJT 2014, N 49 und erscheint auch in Deutschland de lege ferenda überdenkenswert. Der DJT
D. Rechtslage in der unregulierten Aktiengesellschaft
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D. Rechtslage in der unregulierten Aktiengesellschaft Nach den bisherigen Erkenntnissen ist die Wahrscheinlichkeit einer materiellen Wechselbeziehung zwischen Aufsichts- und Aktienrecht über den Anwendungsbereich des Aufsichtsrechts hinaus recht gering, der Korridor für eine Ausstrahlung damit sehr schmal. Denn grundsätzlich muss – trotz materieller Anknüpfungspunkte, aber mangels formeller Überschneidungen – von einer materiellen Spezialität des Aufsichtsrechts ausgegangen werden. Ein Wertungsgleichlauf kommt daher nur im Ausnahmefall in Betracht.337 Welche Anhaltspunkte sprechen aber für oder gegen einen solchen Gleichlauf? Einen ersten Fingerzeig gibt der Ursprung der aufsichtsrechtlichen Governance-Regelungen, der auf eine enge Verwandschaft mit dem Aktienrecht schließen lässt (I.). Trotz dieser engen Verwandschaft ist das Aufsichtsrecht aber in weiten Teilen von seinen teilrechtseigenen Schutzzwecken überformt (II.). Ein „kleinster gemeinsamer Nenner“ findet sich nur dort, wo aktienund aufsichtsrechtliche Governance dieselben Ziele verfolgen (III.). In diesen Fällen folgt die Spezialität des Aufsichtsrechts nicht aus seinem materiellen Gehalt, sondern allein aus seinem Durchsetzungsmechanismus (IV.).
I. Zur Verwandtschaft der aufsichts- und aktienrechtlichen Governance 1. Aufsichtsrechtliche Governance als „funktionales Gesellschaftsrecht“ Befasst man sich mit der aufsichts- und aktienrechtlichen Corporate Governance im Detail,338 so wird deutlich, dass die Regelungsmaterien eine größere Nähe zueinander aufweisen, als die Zuordnung zum privat- und öffentlich-rechtlichen Lager zunächst vermuten ließe. Immer häufiger ist daher die Rede von der aufsichtsrechtlichen Governance als „funktionalem Gesellschaftsrecht“.339
2014 hat den Vorschlag indes fürs Erste mit großer Mehrheit abgelehnt, vgl. DJT 2014 Abteilung Wirtschaftrecht, Beschlüsse 17 a) und b). 337 So bereits Zweiter Teil B. V. 2., S. 122 f. Auf derselben Linie liegt Beschluss Nr. 4 der wirtschaftsrechtlichen Abteilung des 69. DJT 2012, hiernach kann „[d]ie Corporate Governance von Finanzinstituten […] nur ausnahmsweise Vorbild für die Corporate Governance sonstiger Unternehmen sein.“ 338 Ausführlich Viertel Teil, S. 191 ff. 339 In diese Richtung auch Wundenberg, Compliance, S. 10: „Gerade die im Zentrum dieser Untersuchung stehenden kreditwesengesetzlichen Anforderungen an das Compliance- und Risikomanagement können bei funktionaler Betrachtung auch dem Gesellschaftsrecht zugeordnet werden.“ Dasselbe Verständnis liegt auch dem Beitrag von Langenbucher über die „Bausteine eines Bankgesellschaftsrechts“ zu Grunde, ZHR 176 (2012) 652 ff.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
a) Bewältigung unternehmensbezogener Interessenkonflikte Diese Kategorisierung überzeugt, wenn man sich vor Augen führt, dass aktienund aufsichtsrechtliche Governance nicht etwa zufällig ganz ähnliche Fragestellungen regeln. Sie steuern vielmehr in der Sache dasselbe Ziel an, nämlich das Handeln der Unternehmensführung, die in quasi-treuhänderischer Stellung das Vermögen anderer Personen verwaltet, an die Interessen genau dieser Personen zurückzubinden. Zwar unterscheiden sich die geschützten Interessengruppen: Während das Aktienrecht primär darauf abzielt, eine Verwaltung im Dienste der unternehmensinternen Interessengruppen durchzusetzen (equity-governance340), sichert das Aufsichtsrecht die Berücksichtigung verbandsexterner Interessen, insbesondere die der Institutskunden (debt-governance).341 Das Ziel und die Mittel sind jedoch ähnlich: Mit Hilfe verschiedenster Verhaltens- und Organisationspflichten sollen dem Management bei der Unternehmensverwaltung Zügel angelegt werden.342 Hierbei handelt es sich um „genuin gesellschaftsrechtliche Themen.“343 Ein „öffentlich-rechtlicher Charakter“ ist den Vorschriften in der Sache jedenfalls nicht zu entnehmen. Dieser ergibt sich erst aus der Ermächtigung der BaFin, die aufsichtsrechtlichen Corporate-Governance-Vorgaben auch hoheitlich durchzusetzen.344 Denn hierdurch wird die aufsichtsrechtliche Governance Teil des „Sonderrechts des Staates“345 ; nur aus diesem Grund wird sie dem Kreis des Öffentlichen Rechts zu-
340 Der Begriff ist unscharf, weil er eine Verkürzung des Unternehmensinteresses auf die Interessen der Aktionäre suggeriert, das ist hier nicht gemeint. Da er sich für die Gegenüberstellung von Banken-Governance und allgemeiner Governance aber eingebürgert zu haben scheint, wird er auch hier verwendet, s. statt vieler Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 549; Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 57. 341 Ebenso wie das Verhältnis zwischen Anteilseignern und Management lässt sich auch das Verhältnis von Gläubigern und Management als Prinzipal-Agenten-Konflikt modellieren, s. dazu Armour/Hansmann/Kraakman, in: dies. u. a., Anatomy of Corporate Law, S. 35, 36. 342 Diese Zügel können selbstredend – je nach geschützter Interessengruppe – das Management in verschiedene Richtungen lenken. Dazu sogleich unter II., S. 143 ff. 343 So ausdrücklich Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1561 zum MiFiD II-Entwurf: „Die von den Mitgliedsstaaten einzuführenden Vorschriften betreffen die Zuständigkeit der Organe von Wertpapierfirmen, deren Zusammensetzung sowie deren Rechte und Pflichten. Dabei handelt es sich um genuin gesellschaftsrechtliche Themen. Auch die Struktur der neuen Normen ähnelt derjenigen von gesellschaftsrechtlichen Vorschriften.“ Zur Corporate Governance von Banken auch Langenbucher, FS Hopt, Bd. I, S. 2175: „Dabei handelt es sich jeweils um privatrechtliche Fragestellungen, die in das Visier des Bankaufsichtsrechts geraten sind […].“ 344 Vgl. §§ 6 KWG, 4 WpHG, 81 VAG. Dazu auch Grimm, Das Öffentliche Recht vor der Frage nach seiner Identität, S. 62: „Wenn sich innerhalb der Masse des Rechtsstoffes ein öffentliches Recht identifizieren lässt, dann über den Bezug zur öffentlichen Gewalt.“ Das entspricht auch der herrschenden modifizierten Subjekttheorie, die die Zuordnung einer Norm zum Öffentlichen Recht ebenfalls davon abhängig macht, ob sie den Staat in seiner Funktion als Hoheitsträger berechtigt oder verpflichtet, dazu Burgi, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 21. 345 Dazu Zweiter Teil, A. II. 2. a), S. 90.
D. Rechtslage in der unregulierten Aktiengesellschaft
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geordnet.346 Würde man sich die behördliche Durchsetzung der Pflichten durch die BaFin einmal wegdenken, erschiene eine Verankerung der Pflichten im AktG unter einer Teilüberschrift „Besondere Governance-Vorgaben für Finanzinstitute“ alles andere als abwegig.347 b) Internationale und europäische Vorprägung des Aufsichtsrechts Die aufsichtsrechtliche Governance ist damit ein Paradebeispiel für ein Regulierungsverständnis, das mit einem funktionalen Problemzugriff zu Werke geht und sich erst auf einer nachgelagerten Ebene die Frage nach der Einordnung der Regelung in das Öffentliche Recht oder das Privatrecht stellt. Beide Rechtsbereiche unterscheiden sich hiernach vor allem durch ihre Steuerungsinstrumente und weniger nach ihrer Steuerungsaufgabe.348 Ein wichtiger Treiber dieses Regulierungsverständnisses sind die internationalen Standardsetzer und der europäische Gesetzgeber, denen die starre Unterscheidung zwischen private und public law mitunter nicht einmal geläufig ist.349 Gerade sie aber sind für die Regulierung des Aufsichtsrechts hauptsächlich verantwortlich. So entstammen die aufsichtsrechtlichen Governance-Vorgaben in erster Linie der Feder des Baseler Ausschusses.350 Dieser wiederum stellte bereits in der Erstfassung seiner Standards „Enhancing corporate governance for banking organisations“ klar, dass er als Grundlage seiner Arbeit auf die allgemeinen, branchenübergreifenden Corporate Governance Principles der OECD zurückgegriffen hatte.351 Ein noch deutlicherer Verweis auf die Verwandt346 So auch allgemein Kaulbach/Pohlmann, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Vor § 1 Rn. 3: „Wirtschaftsaufsichtsrecht vereinigt unter seinem Dach zwei Typen von Regelungen: Zum einen spezifische Verhaltensanforderungen an die Beaufsichtigten, zum anderen Kompetenzen für die Behörden […] zur Durchsetzung solcher Verhaltensanforderungen. […] In einem strengen sprachlichen Sinne sind eigentlich nur die Durchsetzungsnormen wirtschaftsaufsichtliche Normen.“ 347 Problematisch wäre in diesem Fall, dass der Anwendungsbereich der Vorschriften allein auf die AG begrenzt wäre; insofern ist es auch aus rechtspraktischer Sicht von Vorteil, dass KWG und VAG rechtsformunabhängig gelten. Im Ergebnis ebenfalls Wundenberg, Compliance, S. 10: „Das branchenbezogene Kreditwesengesetz und das rechtsformbezogene Verbandsrecht unterscheiden sich zwar somit hinsichtlich des Anwendungsbereichs und der Sanktionsmöglichkeiten von Rechtsverletzungen, nicht aber notwendigerweise hinsichtlich des Regelungsgegenstandes.“ 348 Dazu bereits Zweiter Teil, A. III. 2., S. 93. 349 Grimm, Das öffentliche Recht vor der Frage nach seiner Identität, 2012, S. 4: „In den Ländern des Common Law spielt die Unterscheidung bis heute keine Rolle. Die ist zwar nicht unbekannt, hat aber keine strukturbestimmende Bedeutung. Eine wissenschaftliche Disziplin Public Law existiert nicht.“ Ebenso für das Europäische Kapitalmarktrecht angedeutet bei Veil, in: ders., Europ. KapMarktR, § 8 Rn. 14. 350 Zum Baseler Ausschuss bereits Fn. 149, S. 47. 351 Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing corporate governance for banking organisations, 1999, S. 1. Auch die zweite Fassung der Principles aus dem Jahr 2006 beruhte ausdrücklich auf den im Jahr 2004 geänderten OECD Principles, s. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing corporate governance for banking organisations, 2006, S. 1.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
schaft von aktien- und aufsichtsrechtlicher Governance dürfte sich schwerlich finden lassen. c) Konvergenz der Regelungen innerhalb der Aufsichtssektoren Auch ein Vergleich mit dem restlichen Aufsichtsrecht legt den Verdacht nahe, dass die aufsichtsrechtliche Governance dem Aktienrecht in der Sache wesentlich näher steht als ihren Nachbarvorschriften in KWG und VAG. Die Regulierungsbemühungen im Finanzsektor reichen nun mittlerweile über ein Jahrhundert zurück und haben sich in dieser Zeit vor allem auf Instrumente quantitativer Art beschränkt.352 Die Regulierung interner Unternehmensstrukturen ist hingegen ein sehr neues Phänomen, das mit dem bisherigen Regulierungsansatz wenig gemein hat.353 Auch dies ein Zeichen dafür, dass es sich bei den Governance-Vorgaben nicht um ein aufsichtsrechtliches, sondern um ein aus dem Privatrecht transplantiertes Regelungsmuster handelt. Hierfür spricht ebenfalls die auffällige sektorübergreifende Konvergenz der Corporate-Governance-Regeln im Aufsichtsrecht. Auf den letzten Seiten wurde pars pro toto stets von Banken gesprochen, um damit zugleich auch Wertpapierdienstleister und Versicherungen zu beschreiben. Das ist eigentlich nicht korrekt, unterscheidet sich doch gerade die Regulierung von Banken und Versicherungen immens.354 Im Bereich der Corporate Governance ist es jedoch angemessen, denn die Regelungen sind in vielerlei Hinsicht parallel ausgestaltet;355 die §§ 25a KWG, 64a VAG und 33 WpHG lesen sich wie die Glieder einer Kette.356 Es überrascht daher auch nicht, dass die jüngste Version der Baseler „Principles for enhancing Corporate Governance“ in enger Abstimmung mit der IAIS entstanden ist.357
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Eine breite historische Aufarbeitung findet sich bei Körnert, ZHR 176 (2012), 96 ff. Zur qualitativen Regulierung bereits Fn. 216, S. 56. 354 Dazu Erster Teil, C. I. und III., S. 47 ff. und 69 ff. 355 Für den Versicherungssektor s. die Begründung der EU Kommission zu Solvency II, KOM (2007) 361 endg., S. 9: „Die Einheitlichkeit der Governance-Anforderungen in den Sektoren Banken, Wertpapiere, und (Rück-)Versicherung ist von grundlegender Bedeutung für die Gewährleistung einer sektorübergreifenden Konsistenz. Darauf zielen die in dieser Richtlinie festgelegten Governance-Vorgaben ab.“ 356 §§ 33 WpHG, 25a KWG gehen sogar auf dieselbe Norm zurück: Art. 10 der WertpapierdienstleistungsRL. 357 Pressemitteilung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht vom 16. März 2010 zur Vorstellung der überarbeiteten Version der Governance Principles. Eine Annäherung zwischen den Sektoren entdeckte bereits Müller, Vereinheitlichung, 1995; jüngst auch Sehrbrock/Gal, Corporate Finance law 2012, 140. Noch weiter gehen R. Schmidt/Präve, in: Prölss, VAG, Vorbemerkung Rn. 69: „Es ist ungenau in diesem Zusammenhang von einer „Annäherung“ von Banken und VersAufsicht zu sprechen; es handelt sich der Sache nach um eine teilweise Übertragung von Rechtsgedanken der Bankenaufsicht.“ 353
D. Rechtslage in der unregulierten Aktiengesellschaft
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d) Fazit: Aufsichtsrechtliche Governance als „Fortsetzung des Aktienrechts mit anderen Mitteln“ Die Corporate Governance des Aufsichtsrechts ist – so gesehen – die Fortsetzung des Aktienrechts mit anderen Mitteln. Denn indem die Corporate-Governance-Regeln in den aufsichtsrechtlichen Textkorpus integriert werden, werden sie zugleich behördlich durchsetzbar.358 Neben das private enforcement in der „Normal-AG“ tritt also das public enforcement in der Bank- oder Versicherungsaktiengesellschaft. 2. Corporate Governance als legal transplant im Aufsichtsrecht So verstanden handelt es sich bei der aufsichtsrechtlichen Governance letztlich um ein legal transplant aus dem Aktienrecht.359 Diese These ist weniger verwegen als sie scheint, greift doch das Öffentliche Recht in letzter Zeit immer häufiger auf privatrechtliche Steuerungsmechanismen zurück. So verfestigt sich dort bereits seit einigen Jahren der Trend, Unternehmen nicht nur externe Verhaltensvorgaben zu machen, sondern darüber hinaus in deren innerbetriebliche Organisation einzugreifen, um so die gesamte Unternehmensstruktur auf die Erreichung öffentlichrechtlicher Zielvorgaben auszurichten.360 Dazu Schmidt-Aßmann: „Die neuere steuerungswissenschaftliche Diskussion hat die innerbetriebliche Organisation privater Wirtschaftssubjekte als Steuerungsressource zur Verfolgung öffentlicher Zwecke entdeckt. Die unternehmerische Entscheidungsbildung läßt sich durch spezielle Vorkehrungen des privaten Organisationsrechts so beeinflussen, dass bestimmte Schutzinteressen besonders berücksichtigt, die Eigenkontrolle gestärkt oder die Innovationsfähigkeit angeregt werden. […] Das Instrument des im Privatrecht ansetzenden Organisationszwangs soll die Steuerungsaufgaben des öffentlichen Rechts entlasten, indem bestimmte Interessen, die sonst einem administrativen Schutz unterstellt werden müssten, in die eigene Entscheidungsbildung des Schutzpflichtigen eingebracht und dort mit einer gesteigerten Durchsetzungschance versehen werden. Privates Organisationsrecht kann sich so zum funktionalen Äquivalent zum öffentlichen Aufsichts- und Lenkungsrecht entwickeln. Die Interessenverfolgung wird zur gemeinsamen Sache von Behörde und Pflichtigem.“361
Genau das ist auch der Ansatz der qualitativen Aufsicht. Durch die Beeinflussung der unternehmensinternen Leitungs- und Risikosteuerungsprozesse soll die gesamte 358 Vgl. Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 136: „Das effizienz-orientierte privatrechtliche Instrumentarium wird also im Bankensektor um das effektivitäts-orientierte Instrumentarium des öffentlichen Rechts ergänzt.“ Nichtsdestotrotz sind die aufsichtsrechtlichen Corporate-Governance-Regeln natürlich auch weiterhin als Bestandteil des Öffentlichen Rechts und nicht etwa als sog. Doppelnormen zu qualifizieren. Da die BaFin sie behördlich durchsetzen kann, sind sie Teil des Sonderrechts des Staates. 359 Ähnlich auch Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 536. 360 Statt vieler Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 19 Rn. 99 ff. 361 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 7, 33.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
Unternehmensstruktur auf die Verfolgung der aufsichtsrechtlichen Schutzzwecke ausgerichtet und so in den Dienst der Aufsicht gestellt werden.362 3. Austausch von Steuerungsinstrumenten auch andernorts Die aufsichtsrechtliche Governance ist in dieser Hinsicht kein Einzelfall; auch an anderen Stellen des Wirtschaftsaufsichtsrechts finden sich Regelungsmuster, die aus dem Privat- in das Öffentliche Recht übernommen worden sind.363 a) §§ 31 ff. WpHG und das Recht des Beratungsvertrages In den Blick rücken hier sogleich die §§ 31 ff. WpHG, die detaillierte Vorgaben für die Anlageberatung vorsehen.364 Bereits seit Jahren wird um die Bedeutung der kapitalmarktrechtlichen Vorgaben für die Konkretisierung des zivilrechtlichen Beratungsvertrags365 gerungen;366 die wohl überwiegende Meinung geht von einer Ausstrahlungswirkung aus.367 Sie will den Zivilgerichten aber die Möglichkeit offen
362 Vgl. Wundenberg, Compliance, S. 64 f.: „Die unternehmensinternen Compliance-Systeme stellen aus Sicht der Finanzaufsicht ein Scharnier dar, über das die aufsichtsrechtlichen Zielvorgaben in die Unternehmensorganisation implementiert werden.“; ebenso Burgi, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 4 Rn. 5 ff.; Eifert, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 19 Rn. 102. 363 Zu dieser Möglichkeit schon Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 34, S. 237 ff. mit dem Ergebnis: „[I]n beiden Rechtsgebieten [gibt es] trotz unterschiedlicher Grundauffassung gleichartige Interessenkonflikte […], die zu einer übereinstimmenden rechtlichen Behandlung nötigen.“ (S. 240). Burgi bezeichnet das Privatrecht diesbzgl. als „Kreativitätsreserve“, in Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 18 Rn. 4. 364 Dazu Bumke, Die Verwaltung 41 (2008), 227, 242: „Die im allgemeinen Wettbewerbsrecht und im Recht der Wirtschaftsaufsicht vertraute Verknüpfung von öffentlichem und privatem Recht […] erreicht in den durch die §§ 31 ff. WpHG […] aufgestellten Verhaltenspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine extraordinäre Dichte und Intensität.“ 365 Grundlegend zum zivilrechtlichen Beratungsvertrag BGHZ 123, 126 ff. (Bond). 366 Zuletzt Baum, ÖBA 2013, 396; davor Herresthal, WM 2012, 2261; Grundmann, WM 2012, 1745. Eingehend Rothenhöfer, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55 ff., der ebenfalls die Arbeiten von Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann zur Theorie vom Privat- und Öffentlichen Recht als wechselseitigen Auffangordnungen aufgreift. Monographisch jüngst Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 2013. 367 Vgl. Fuchs, in: ders., WpHG, Vor §§ 31 bis 37a, Rn. 60 ff.; Koller, in: Assmann/ U. H. Schneider, WpHG, Vor § 31 Rn. 3; Rothenhöfer, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55, 70 ff.; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 16 f. jeweils m.w.N. Vgl. auch BGHZ 142, 345, 356: „Nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG, der in erster Linie aufsichtsrechtlicher Natur ist, aber auch anlegerschützende Funktion und damit Bedeutung für Inhalt und Umfang (vor-)vertraglicher Aufklärungspflichten hat […].“; ebenso BGHZ 147, 343, 348. Zuletzt nun auch BGHZ 201, 310 Rn. 36 ff. (aufsichtsrechtliches Transparenzgebot gilt auch im Rahmen des zivilrechtlichen Beratungsvertrages).
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halten, im Einzelfall noch über den Pflichtenstandard des WpHG hinauszugehen.368 Die Diskussion ist aus verschiedenen Gründen nicht auf die hier untersuchte Fragestellung übertragbar;369 ein Gesichtspunkt verdient aber gleichwohl Hervorhebung. Dazu Assmann: „Niemand wird bestreiten können, dass die […] MiFID auf die Regulierung der Berufsausübung im Finanzmarkt durch öffentliches Recht hinausläuft, in seinen Verhaltenspflichten für die erfassten Dienstleister aber funktionelles Zivilrecht darstellt.“370
Auch die Regelungen zur Anlageberatung in §§ 31 ff. WpHG werden also ihrer Natur nach als zivilrechtliche Instrumente zum Schutz der Anleger verstanden.371 Durch ihre Verankerung im Kapitalmarktrecht können sie zusätzlich durch die Behörde durchgesetzt und so effektuiert werden. Pointiert dazu Köndgen: „Es sind materiell Privatrechtspflichten, aber das enforcement geschieht durch die Behörde, die BaFin, weil ein wirksames enforcement durch private Haftungsklagen bereits an hohen Prozessbarrieren scheitern würde und weil man bei der BaFin von den spezifischen Regelungsproblemen bei Wertpapierdienstleistungen mehr versteht als beim Landgericht X.“372
b) Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz Auch im sonstigen Kapitalmarktrecht werden Normen „spezifisch aktienrechtlicher Natur“373 vermutet. Dies zeigt sich besonders bei den Vorgaben zur Beteili368 So Koller, in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, Vor § 31 Rn. 3; Schwark, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 16 f. Nach Meinung von Fuchs soll Flexibilität nach unten ebenso wie nach oben gewährleistet sein, in: ders., WpHG, Vor §§ 31 bis 37a, Rn. 61. Mit einer vollharmonisierenden MiFiD II-Richtlinie wäre fraglich, inwiewit hieran noch festgehalten werden kann, s. dazu Herresthal, WM 2012, 2261, 2263 f.; Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1610 ff. 369 Zunächst einmal betrifft sie nicht die Ausstrahlung der §§ 31 ff. WpHG über ihren eigenen Anwendungsbereich hinaus, sondern nur Fälle der Wertpapierberatung. Zivilrecht und Kapitalmarktrecht sind hier also formell und materiell verknüpft. Die besondere Problematik erwächst aber aus dem europäischen Hintergrund des WpHG und der fehlenden Kompetenz der Union zur Angleichung des Zivilrechts, dazu jüngst Assmann, in: FS U. H. Schneider, S. 37 ff. 370 Assmann, in: FS U. H. Schneider, S. 37, 43. So jüngst auch Baum, ÖBA 2013, 396, 401. 371 Das bedeutet indes nicht, dass es sich tatsächlich um zivilrechtliche Normen handelt. So aber Grundmann, WM 2012, 1745, 1752; Möllers, in: KölnKomm WpHG, § 31 Rn. 6 f. Andere meinen, es handele sich um Normen mit „Doppelnatur“ u. a. Veil, in: ders., Europ. KapMarktR, § 8 Rn. 6. Die gängigen Abgrenzungstheorien zwischen Öffentlichem und Privatrecht gehen allerdings zwingend von Alternativität aus, s. dazu Fuchs, in: ders., WpHG, Vor §§ 31 bis 37a, Rn. 58 m.w.N. Das überzeugt, da eine eindeutige Zuordnung zum Kreis des Öffentlichen oder Privatrechts zur Bestimmung des Rechtswegs notwendig ist. Normen mit „Doppelnatur“ kann es demnach nicht geben. Im Ergebnis ebenso Rothenhöfer, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55, 66 ff. 372 Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 515. 373 So ausdrücklich Habersack, in: MünchKomm AktG, Einl. Rn. 193. Zum Verhältnis von Aktien- und Kapitalmarktrecht bereits Zweiter Teil, A. IV. 2., S. 97 ff.
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gungstransparenz in den §§ 20 ff. WpHG. Ihre „gesellschaftsrechtliche Heimat“374 findet sich seit 1965 in den §§ 20 ff. AktG;375 erst auf Veranlassung des europäischen Gesetzgebers wurden sie für börsennotierte Gesellschaften in das Kapitalmarktrecht „umgesiedelt“. Ein Überbleibsel dieser zivilrechtlichen Herkunft ist die weiterhin geltende Anordnung des Rechtsverlustes (§ 28 WpHG).376 Hierbei handelt es sich um eine besonders interessante Verkopplung von öffentlich-rechtlicher Pflicht und zivilrechtlicher Sanktion.377 c) Kartellrechtliche Nichtigkeitssanktion ( § 1 GWB a.F.) Nicht nur das Kapitalmarkt-, sondern auch das Kartellrecht bietet ein Beispiel für die Indienstnahme privatrechtlicher Steuerungsinstrumente zum Zwecke der Wirtschaftsaufsicht.378 Gemeint ist die kartellrechtliche Nichtigkeitssanktion des § 1 GWB a.F.379 Vor seiner Neufassung durch die 6. GWB Novelle ordnete § 1 GWB eine ipso iure Nichtigkeit kartellrechtswidriger Verträge und ähnlicher Absprachen an.380 Die Versagung der Wirksamkeit einer privaten Absprache aufgrund eines Verstoßes gegen gesetzliche Wertungen ist aber ein zivilrechtliches Steuerungsinstrument par excellence (vgl. § 134 BGB).381 Die Nichtigkeitssanktion war eines der ersten Instrumente zur Durchsetzung des Kartellverbots, noch bevor dem GWB genuin öffentlich-rechtliche Untersagungsbefugnisse der Behörde hinzugefügt wurden.382 Es ist also keine Besonderheit unseres Themenkreises, Steuerungsinstrumente aus dem einen Rechtsbereich in den anderen zu verpflanzen.383 374
So ausdrücklich Veil, in: ders., Europ. KapMarktR, § 8 Rn. 14. Mittlerweile findet § 20 AktG allerdings nur noch auf nicht börsennotierte Gesellschaften Anwendung, um Regelungsredundanzen zu vermeiden, s. Fleischer, ZIP 2006, 451, 456. 376 So ausdrücklich Veil, in: ders., Europ. KapMarktR, § 8 Rn. 15: „[D]er Gesetzgeber nahm diese zivilrechtliche Sanktion im Zuge der Umsetzung der europäischen Rechtsakte aus dem Aktiengesetz in das WpHG mit.“ 377 Dazu bereits Zweiter Teil, A. IV 2. b), S. 98. 378 Zum Kartellrecht als „Mischung aus öffentlichem Recht und Zivilrecht“ auch Baum, ÖBA 2013, 396, 398. Frühzeitig bereits Mestmäcker, AcP 168 (1968) 235 ff. 379 So auch Engel, JZ 1995, 213, 214 m.w.N. 380 Heute folgt die Nichtigkeitssanktion direkt aus § 134 BGB, § 1 GWB wird als Verbotsnorm verstanden. Dazu Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 6. 381 So auch Mestmäcker, AcP 168 (1968) 235, 236: „Das Gesetz kennt Vorschriften mit ex lege wirkenden privatrechtlichen Sanktionen […].“ 382 K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 172: „Das Kartellrecht gibt, im Gegenteil, gerade in seiner scheinbaren Zersplitterung Zeugnis von der Einheit der Rechtsordnung. Es verbannt die strenge Trennung der juristischen Fachsäulen größtenteils auf die formale Rechtsfolgenseite: Bußgeld, Verwaltungsverfahren und Privatrechtssanktionen sind nur unterschiedliche – in Grenzen sogar austauschbare – Instrumente des Kartellrechtsvollzugs.“ 383 Ein weiteres Beispiel findet sich im Telekommunikationsrecht, s. dazu Baum, ÖBA 2013, 396, 398. 375
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4. Fazit: Verwandtschaft ja, aber … Vieles spricht also dafür, von einer engen Verwandtschaft der aktien- und aufsichtsrechtlichen Governance auszugehen; sofort erscheint v. Gierkes Bild der „Kinder einer Mutter“384 vor dem geistigen Auge. Aber aktien- und aufsichtsrechtliche Governance sind ein ungleiches Geschwisterpaar. Zwar mag sich das Aufsichtsrecht dem Grunde nach an einem privatrechtlichen Steuerungsinstrument orientiert haben, aber doch nur, um es auf seine teilrechtsspezifischen Ziele auszurichten. Emmenegger spricht daher zu Recht von einer „Indienstnahme der Corporate Governance für aufsichtsrechtliche Zwecke“385. Will man der Ausstrahlungswirkung auf die Spur kommen, muss man sich also den divergierenden Schutzzwecken der aufsichts- und aktienrechtlichen Governance zuwenden.386
II. Kern des Spezialitätsgedankens: Die Schutzzweckdebatte 1. Schutzzweck der aktienrechtlichen Governance Das Aktienrecht ist allein auf das Verbandsinnere gerichtet und zielt auf einen Interessenausgleich zwischen den Aktionären auf der einen und Vorstand und Aufsichtsrat auf der anderen Seite. Zwar ist das kontinentaleuropäische Verständnis seit jeher von einem stakeholder Ansatz geprägt und fordert die Berücksichtigung des „Unternehmensinteresses“387, in der Praxis verspricht dies aber nicht zwangsläufig ein „Mehr“ an Schutz, ist doch die Wahrnehmung von Drittinteressen in das Ermessen des Vorstands gelegt.388 Gezielter Drittschutz erfordert daher zusätzliche explizite Regelungen, wie sich anhand des sehr umfangreichen deutschen Arbeitnehmerschutzrechts trefflich ablesen lässt.389 Eine vergleichbare Berücksichtigung 384
Dazu bereits Fn. 63, S. 93. Vgl. Emmenegger, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 405, 407; dies., Schweizer Bankrechtstagung, S. 1, 18 sowie Emmenegger/Kurzbein, GesKR 2010, 462. Ebenso Wundenberg, Compliance, S. 83: „Charakteristisch für die qualitativ ausgerichtete Bankenaufsicht […] ist es somit, dass die Systeme der Unternehmenskontrolle für aufsichtsrechtliche Zwecke vereinnahmt und diese in den Dienst des Gläubiger- und Funktionsschutzes gestellt werden.“; ähnlich Burgi, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 4 Rn. 7. 386 Grundlegend v. Jhering, Der Zweck im Recht, Bd. I, Vorrede, S. V: „Der Zweck [ist] der Schöpfer des gesamten Rechts.“ 387 Dazu bereits Erster Teil, A. III. 2., S. 35 f. Die Umschreibung der aktienrechtlichen Governance als equity-governance muss daher als arge sprachliche Verkürzung der tatsächlichen Rechtslage verstanden werden, hat sich aber eingebürgert, s. bereits Fn. 341, S. 136. 388 Dazu bereits Erster Teil, A. III. 2., S. 35 f. 389 So auch Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 94: „Denknotwendigerweise kann ein System, das den Ausgleich einer Vielzahl von mitunter gegensätzlichen Interessen anstrebt, nicht auf das freie Spiel des Wettbewerbs vertrauen. Vielmehr müssen zwingende ex ante Regelungen, fest in das Regelungsgefüge des Verbandsrechts eingebettet, einen Großteil der Funktionen zur Beschränkung von Opportunismusoptionen übernehmen.“; Merkt, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 683, 692. 385
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von Gläubigerinteressen findet sich im Rahmen der Corporate Governance aber nicht.390 Vielmehr werden diese in der Aktiengesellschaft mittels der Regeln über die Kapitalaufbringung und -erhaltung geschützt; diese bilden das notwendige Korrelat zum Wegfall der persönlichen Haftung der Gesellschafter.391 In den Mittelpunkt der Schutzdebatte rücken die Gläubiger dann erst am Lebensende der Gesellschaft, wenn es in Krise und Insolvenz an die ordnungsgemäße Abwicklung und Vermögensverteilung geht.392 Was den Schutz von Drittinteressen außerhalb des Dreiecks von Aktionären, Vorstand und Aufsichtsrat angeht, bleibt es daher beim Befund von Teichmann: „Zentrales Anliegen der Corporate-Governance-Diskussion ist es, innerhalb der Gesellschaft ein Auseinanderdriften der Interessen von Management und Anteilseignern zu verhindern. Die Anliegen Dritter sind dabei kein Thema und schon gar nicht kümmert sich Corporate Governance um das Wohlergehen des Gesamtsystems, innerhalb dessen das Unternehmen agiert.“393
2. Schutzzweck der aufsichtsrechtlichen Governance-Regelungen Die Schutzkonzeption der aufsichtsrechtlichen Corporate-Governance-Regelungen steht hierzu in scharfem Kontrast. Die Anforderungen an gute Unternehmensführung sind auch hier primär auf die „Geschäftsleiter“ ausgerichtet; die Interessen der Anteilseigner sind indes nicht von ersichtlicher Relevanz. Vielmehr ist es das vorrangige Ziel des Bankaufsichtsrechts, die Stabilität der Institute und damit des Finanzsystems insgesamt zu erhalten.394 Notwendiges Zwischenziel dieser Regulierung ist es, das Vertrauen der Institutskunden und der Institute untereinander zu erhalten.395 Das Schlagwort hierfür ist der Einlegerschutz (debt-governance396).397 Beide Ziele – Einlegerschutz und Funktionsschutz – sind letztendlich zwei Seiten
390
Eine Ausnahme hiervon ist das Verfolgungsrecht gem. §§ 93 Abs. 5, 116 AktG, das allerdings auch erst ab einer „gröblichen“ Pflichtverletzung greift, s. dazu Klöhn, ZGR 2008, 110, 133. 391 Statt vieler Bayer, in: MünchKomm AktG, § 57 Rn. 1. 392 Dazu Klöhn, ZGR 2008, 110, 155 f. 393 Teichmann, in: Allmendinger/Dorn, CG nach der Finanzkrise, S. 41, 72. 394 Dazu bereits Erster Teil, C. I. 2., S. 53. 395 So auch M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 73 ff. 396 Auch dieser Begriff ist unscharf, denn weder stellen die Einleger die Gesamtzahl aller Gläubiger (debtors), noch erfasst dieser Begriff die Dimension des öffentlichen Wohls, d. h. der Systemstabilität. Gleichwohl hat sich er sich als Schlagwort eingebürgert. 397 Die Einleger sind zwar nur eine Gruppe von Gläubigern eines Finanzinstituts, aber eine strukturell besonders schwache, s. bereits Erster Teil, B. II. 3., S. 44. Das gilt ebenso für die Anleger sowie die Versicherungsnehmer. Zur „Corporate Governance als Instrument des Einlegerschutzes“ auch Emmenegger, Schweizer Bankrechtstagung, S. 1, 17 f.; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 549.
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derselben Medaille.398 Dieser Zusammenhang bewies sich zuletzt in der Finanzkrise; waren es doch gerade die an den Einlegerinteressen orientierten Banken,399 die sich als Stabilitätsfaktoren für das Gesamtsystem erwiesen haben.400 Ganz anders erging es hingegen jenen Banken, die sich übermäßig stark an den Interessen ihrer Aktionäre ausgerichtet hatten.401 Im Versicherungssektor wiegt der Schutz der Versicherungsnehmer traditionell schwerer als im Bankensektor. Unter dem Einfluss des europäischen Gesetzgebers ist dieser sehr starke Kundenfokus allerdings zurückgetreten und durch den Stabilitätsgedanken ergänzt worden. Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht verfolgen also nach heutigem Stand dieselben Schutzzwecke, ihre Gewichtung ist jedoch genau umgekehrt.402 3. Fazit: Divergierende, aber sich gegenseitig ergänzende Schutzsysteme Der entscheidende Unterschied zwischen aktien- und aufsichtsrechtlicher Governance liegt daher in ihren divergierenden Schutzkonzeptionen.403 Die aktienrechtliche Governance ist zwar nicht ausschließlich aktionärs-, sondern stakeholder-orientiert, überlässt die Austarierung dieser Interessen aber weitgehend dem Vorstand. Die aufsichtsrechtliche Governance ergreift hingegen deutlich Partei für die Belange der Institutskunden und das öffentliche Interesse.404 Die Unternehmensleitung muss daher in vielen Fragen an den weniger risikoorientierten Interessengruppen ausgerichtet werden.405 Das bedeutet indes nicht, dass in der Bank398
Diese Formulierung wurde von Hopt mit Blick auf die Schutzziele des Kapitalmarktrechts geprägt, s. Hopt, ZHR 159 (1995) 135, 159; grundlegend zuvor ders., Kapitalanlegerschutz, S. 334 ff. In ähnlicher Form erkannte dies aber auch schon Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 249. Diesen Zweiklang hebt auch die EU-Kommission in ihrem aktuellen Grünbuch Finanzinstitute hervor, KOM (2010) 284 endg. S. 3. 399 Also v. a. Sparkassen und Genossenschaftsbanken. 400 So Mestmäcker, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Ökonomie versus Recht im Finanzmarkt?, S. 12, 23. 401 Vgl. die Studien in Fn. 130, S. 44. 402 Dazu bereits ausführlich Erster Teil, C. III. 2., S. 74. 403 Dazu auch EU Kommission Grünbuch Finanzinstitute KOM (2010) 284 endg. S. 3 f. 404 Zum Vorstandshandeln zwischen öffentlichem und Verbandsinteresse jüngst eingehend Binder, ZGR 2013, 760 ff. 405 Das Aufsichtsrecht greift indes nicht in § 76 AktG ein; auch der Vorstand einer BankAktiengesellschaft ist daher auf das „Unternehmensinteresse“ verpflichtet. Die zusätzlichen Pflichten, die das Aufsichtsrecht aufstellt, dienen aber den externen Interessengruppen. Die Schaffung einer noch darüber hinausgehende „duty of care“ des Vorstands gegenüber diesen Gruppen wurde gerade erst wieder in Reaktion auf das Grünbuch der EU Kommission abgelehnt, s. Feedback Statement, Grünbuch Finanzinstitute, S. 11. Gegen eine solche Sorgfaltspflicht auch Hopt, in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, S. 337, 353 f.; Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 37.
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Aktiengesellschaft das eine Konzept das andere schlichtweg ersetzt. Wie bereits gezeigt, gilt das Aktienrecht auch in der Bank-Aktiengesellschaft fort – es bildet die Grundordnung, auf der das Aufsichtsrecht aufsetzt. Aktien- und aufsichtsrechtliche Governance ergänzen sich also gegenseitig und greifen wie Scharniere ineinander.406 Das ist gerade im Finanzsektor auch notwendig, da das Aktienrecht ausschließlich auf die Konfliktbewältigung innerhalb des Verbandes ausgerichtet ist und die daraus entstehenden negativen externen Effekte407 nicht berücksichtigt. Der Schutz aller verbandsexternen Interessen ist daher dem Aufsichtsrecht aufgetragen. Das Aufsichtsrecht trägt demnach Drittwertungen an das Aktienrecht heran.408 Anders gewendet: die aufsichtsrechtliche Corporate Governane wird der aktienrechtlichen „hinzugeschaltet“; die equity-governance wird durch die debt-governance ergänzt.409
III. Überschneidung der Schutzzwecke 1. Gleichlauf von equity- und debt-Governance Die kategorische Gegenüberstellung von debt- und equity-governance lässt jedoch einen bedeutenden Punkt vergessen: dass die Interessen von Anteilseignern und Institutskunden nicht zwangsläufig miteinander in Konflikt geraten müssen.410 Sicherlich werden sich Governance-Fragen stellen, bei denen die Belange der einen 406
Zu dieser Frage auch Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 53: „Die klassische Corporate Governance-Forschung ging davon aus, dass staatliche Regulierung und privatwirtschaftliche Corporate Governance sich gegenseitig ausschließende Konzepte darstellten: […] Neuere Untersuchungen deuten dagegen eher auf eine sich gegenseitig ergänzende Funktion von staatlicher Regulierung und Corporate Governance (complementarity hypothesis).“ 407 Zu „negativen Externalitäten“ Magen, in: Towfigh/Petersen, Ökonomische Methoden im Recht, S. 95: „Damit ist gemeint, dass die Handlung eines Akteurs […] negative Folgen für den Nutzen eines anderen hat, die der Handelnde selbst (wie mit der Eigennutzannahme vermutet) bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt.“ sowie S. 244; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 109 f. 408 Auf dieses Verhältnis von Öffentlichem zu Privatrecht weisen auch hin K. Schmidt, AcP 206 (2006) 169 ff.; Westermann, AcP 208 (2008) 141 ff. 409 So auch M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 376: „Finanzmarktregulierende Standardund Normsetzung wird zum hoheitlichen Verbundprodukt. […] Bislang wird meist von einem bloßen Nebeneinander, nicht von einem Miteinander der verschiedenen Steuerungsinstrumente ausgegangen.“; Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG v. Banken, S. 31, 43 ff. 410 So auch Hopt, Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG v. Banken, S. 3, 25: „Beim Aktionärsund Einlegerschutz geht es um teils gleich-, teils gegenläufige Interessen.“; Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 26. Zurückhaltender EU Kommission, Grünbuch Finanzinstitute, KOM (2010) 284 endg. S. 4: „Im Übrigen stehen die Interessen der Gläubiger von Finanzinstituten […] potenziell den Interessen ihrer Aktionäre entgegen.“ Die Bedeutung des „Gleichlaufs“ der Schutzrichtungen bei der Untersuchung einer Ausstrahlungswirkung betont im Kontext der §§ 31 ff. WpHG auch Rothenhöfer, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55, 59.
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Interessengruppe hinter den Belangen der anderen zurückstehen müssen. Genauso sicher gibt es aber Governance-Regelungen, die sich für jede Gruppe gleichermaßen positiv auswirken.411 An diesen Stellen überschneiden sich die Zielsetzungen von aufsichts- und aktienrechtlicher Governance.412 Ist die aufsichtsrechtliche Governance aber nicht durch ihre besonderen Schutzzwecke überwölbt, so ist sie einer Verallgemeinerung zugänglich und kann daher Ansatzpunkt einer Ausstrahlungswirkung sein. Um welche Regelungen handelt es sich dabei? 2. Gemeinsames Ziel: Schutz des Unternehmens in seinem Bestand Im Ausgangspunkt verfolgen aktien- und aufsichtsrechtliche Governance dasselbe Ziel: das Unternehmen in seinem Bestand zu erhalten.413 Dafür muss rentabel gewirtschaftet werden.414 Dies gilt sowohl für die Aktiengesellschaft, in der die Anteilseigner die Leitung der Unternehmensgeschäfte auf ein Vorstandsgremium übertragen, das – besser als sie es könnten – den Unternehmenserfolg mehren soll. Das gilt ebenso für das Aufsichtsrecht, dessen Sondervorschriften sich letztlich auf ein Ziel zusammenschrumpfen lassen: die Krise eines Finanzinstituts zu verhindern. So gesehen stellt sich das Aufsichtsrecht als spezielles Insolvenzschutzrecht dar.415 411 So auch schon Erster Teil A. III. 3., S. 37. In diese Richtung auch Burghof, ZfgK 2007, 610: „Corporate Governance beinhaltet […] auch Arbeitsfelder, in denen es auf die schlichte Vermeidung von für das Unternehmen schädlichen Aktivitäten ankommt. Andererseits gibt es Bereiche, in denen ein Interessenausgleich erforderlich ist.“ 412 Vgl. auch Hafke, FS Hadding, S. 863, 867: „Das Ergebnis zeigt, dass der Blick der Aufseher auf die betroffenen Finanzinstitute zwar aus einem anderen Winkel erfolgt und ihn andere Motive leiten als die Ziele des isolierten Aktionärs-, Gläubiger- oder Kapitalmarktschutzes. Die Mittel gleichen aber häufig denen, die dem erweiterten Schutzzweck der Corporate Governance entsprechen. Bisweilen wird der gleiche Erfolg bezweckt. Das ist die positive Kehrseite der Erkenntnis, daß es nicht dasselbe sei, wenn zwei dasselbe tun.“ 413 Vgl. Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 76 Rn. 7: „[I]mmer hat der Vorstand [das Unternehmen] kraft seiner treuhänderischen Verantwortung für die juristische Person nach Kräften zu fördern und zu erhalten, solange es lebensfähig ist und die gesetzlichen Pflichten zur Einleitung des Insolvenzverfahrens nicht eingreifen und solange die Hauptversammlung als die dafür maßgebliche Instanz nicht die Auflösung der Gesellschaft […] beschließt“. Das gilt nur für den Vorstand, nicht aber die Aktionäre, denen es offensteht, die Gesellschaft jederzeit aufzulösen (§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG). 414 Vgl. Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 76 Rn. 21: „Der Bestand der in der Rechtsform der Aktiengesellschaft verfassten Wirtschaftseinheit ist nur dann gewährleistet, wenn sie rentabel arbeitet. Hierauf hat der Vorstand in erster Linie bedacht zu sein.“. Vgl. auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 27 m.w.N.; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 69. Aus dem Aufsichtsrecht Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 387: „Die Rentabilität und die Sicherung des Fortbestands der Gesellschaft liegen auch im öffentlichen Interesse.“ 415 Vgl. Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 251; Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 34: „[I]st das Augenmerk der staatlichen Aufsicht eher defensiv darauf gerichtet, allgemein akzeptierte Bedingungen zu formulieren, die geeignet erscheinen, das Schlimmste, d. h. die Insolvenz eines Kreditinstituts bzw. eine Krise des Bankensystems zu verhindern.“
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Man kann hier von einem „kleinsten gemeinsamen Nenner“ sprechen: Jede Aktiengesellschaft, ebenso wie jedes Finanzinstitut, will den Bestand ihres Unternehmens dauerhaft sichern. Je nachdem in welchem Geschäftsbereich sich die Aktiengesellschaft dann betätigt, gehen die rechtlichen Anforderungen hieran auseinander; der Ausgangspunkt bleibt jedoch derselbe. So gesehen lässt sich zwischen einem „Allgemeinen“ und einem „Besonderen Teil“ der Corporate Governance differenzieren.416 Der „Allgemeine Teil“ erschließt sich dort, wo die Interessen aller stakeholder Gruppen übereinstimmen. Hierzu gehört das Interesse am Unternehmensbestand.417 Denn dass das Unternehmen überhaupt besteht und dass es stabil genug ist, um dauerhaft zu bestehen – das dient Aktionären, Gläubigern, Arbeitnehmern und auch dem öffentlichen Wohl gleichermaßen.418 Susan Emennegger hat die Corporate Governance daher zu Recht als „eierlegende Wollmilchsau“ bezeichnet; sie spende Milch und goldene Eier für die Aktionäre und biete dennoch Gewähr, dass für die Einleger und den Staat genügend Fleisch am Knochen bleibe.419 Auch ihrer Meinung nach können daher gerade solche Regeln „Impulse für die allgemeine Governance-Diskussion bieten.“420 Damit ist die Suche nach ausstrahlungsfähigen Normen auf ein greifbares Feld eingegrenzt. Es muss sich um solche Regeln handeln, die nicht der Bevorzugung einer bestimmten Interessengruppe dienen, sondern das Wohl, das heißt den Bestand des Unternehmens, zu sichern suchen.
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Allgemein dazu Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 78 f.: „Über das Problem der Analogie innerhalb der gesamten Rechtsordnung hinaus greift das immerhin verwandte Bestreben, einen Allgemeinen Teil des Rechts aufzubauen. […] [Dies ist] immerhin partiell für unsere ,Einheit der Rechtsordnung‘ von großer Wichtigkeit, sofern nämlich dabei alles beherrschende Rechtsinhalte und stets festgehaltene Prinzipien einer einzelnen Rechtsordnung aufgedeckt sowie in ihren Zusammenhängen vorgestellt und damit die Schranken der dogmatischen Einzeldisziplinen niedergelegt werden.“ 417 Binder, JJZ 2007, 145, 167: „Anteilseignerinteresse an Bestand und Profitabilität und das Gläubigerinteresse an jederzeitiger Zahlungsbereitschaft [verlaufen] weithin parallel.“; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 69: „Ohne die Sicherstellung einer soliden wirtschaftlichen Basis kann die AG nicht überleben, was weder im Interesse der Gläubiger noch der Arbeitnehmer oder (grundsätzlich) der Aktionäre sein kann.“; ebenso Druey, in: Doralt/Kalss, Franz Klein, S. 139, 154: „Es gibt Normen, welche nicht die Austarierung von individuellen Interessen, sondern dem Funktionieren der Organisation als solcher dienen.“; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 53: „Die Grundlage für langfristig erfolgreiches Wirtschaften liegt darin, nicht nur die Eigenkapitalgeber sondern auch die übrigen wirtschaftlichen Leistungsträger zufrieden zu stellen.“ 418 Rappaport, Shareholder Value, S. 8 f.: „Von einem wertschaffenden Unternehmen profitieren nicht nur seine Eigentümer, sondern es dient allen anderen Forderungen seiner Anspruchsgruppen […].“ 419 So ausdrücklich Emmenegger, Schweizer Bankrechtstagung, S. 1, 23. 420 Vgl. Emmenegger, Schweizer Bankrechtstagung, S. 1, 23.
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3. Unternehmensorganisationspflichten als „kleinster gemeinsamer Nenner“ Um welche Normen es sich hierbei genau handelt, kann allgemein nur schwer beantwortet werden; vielmehr müssen die fraglichen Normen in jedem Einzelfall auf ihren inhaltlichen Gehalt und damit auf ihre Ausstrahlungsfähigkeit hin geprüft werden.421 Eine Gruppe von Regeln scheint prima facie jedoch besonders häufig auf das gerade genannte Kriterium zuzutreffen: es ist die Gruppe der Unternehmensorganisationspflichten.422 a) Charakteristika von Unternehmensorganisationspflichten Corporate-Governance-Regeln lassen sich in verschiedene Gruppen unterteilen: die inhaltsbezogenen („angemessene Vergütung“), die strukturbezogenen („Einrichtung einer Compliance-Organisation“) und die verfahrensbezogenen Regeln („Handeln auf angemessener Informationsgrundlage“).423 Unternehmensorganisationspflichten umfassen die beiden letzten Gruppen.424 Sie geben keine Entscheidung in der Sache vor, sondern gestalten den Aufbau und Ablauf der Unternehmensorganisation.425 Deswegen zwingen sie auch die Unternehmensführung nicht, eine Entscheidung zu Gunsten der einen oder der anderen stakeholder Gruppe zu treffen, sondern sie verpflichten zur Schaffung eines stabilen Unternehmensgerüsts, von dem letztendlich alle profitieren.426 Als Beispiel hierfür kann die Compliance-Pflicht gelten.427 Sie verpflichtet den Vorstand, unternehmensinterne Vorkehrungen gegen Gesetzesverstöße jeglicher Art zu schaffen. Unterschiede zwischen einer aktionärsoder einlegerorientierten Compliance sind hierbei schlicht nicht denkbar. Ein krasses
421 So auch für die Ausstrahlung der §§ 31 ff. WpHG auf das Bankvertragsrecht Rothenhöfer, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, S. 55, 73. 422 Zu einem „Allgemeinen Teil des Organisationsrechts“ auch Druey, in: Doralt/Kalss, Franz Klein, S. 139, 154 ff., der hierfür eine analogieweise Übernahme von Wertungen des Öffentlichen Rechts vorschlägt. 423 Vgl. auch Binder, ZGR 2007, 745, 770 f. 424 Zur Begrifflichkeit s. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 13: „Gesamtheit aller Regelungen zur Gestaltung von Aufbau- und Ablaufstrukturen der Unternehmung“. Ein noch differenzierteres Verständnis findet sich bei Binder, der zwischen „Unternehmensorganisationspflichten“ und „prozeduralen Regeln“ unterscheidet, s. ZGR 2007, 745, 770 f. 425 Dazu Binder, ZGR 2007, 745, 764: „Substitution material orientierter Rechtsetzung durch die Formulierung von Bedingungen für Entscheidungsprozesse“, S. 774: „Es liegt in der Natur der auch durch Wissens- und Erkenntnisdefizite motivierten prozeduralen Normen, dass auf konkrete Inhaltsvorgaben für das Entscheidungsergebnis verzichtet wird.“ 426 In diese Richtung auch Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 39: „Both groups will benefit from improvements in corporate governance mechanisms, structures and procuderal standards, i. e. from rules designed to improve internal control systems and risk management practices, as well as the expertise of the board members and the board structure.“ 427 Ausführlich zur Compliance, Vierter Teil, A., S. 191 ff.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
Gegenbeispiel bieten dagegen die Regeln über die Vorstandsvergütung428 – hier muss das Gesetz dem Aufsichtsrat eindeutig vorgeben, ob er sich bei der Vergütungsgestaltung eher an den Interessen der risikoaffinen Aktionäre oder der zurückhaltenden Gläubiger auszurichten hat.429 Eine Entscheidung für eine der beiden stakeholderGruppen ist in diesen Fällen nicht zu vermeiden. Unternehmensorganisationspflichten dienen somit nur selten einer Interessengruppe im Besonderen, sondern vielmehr allen Unternehmensbeteiligten im Allgemeinen.430 b) Unternehmensorganisationspflichten als Steuerungsinstrument Auch als Steuerungsinstrument sind Unternehmensorganisationspflichten attraktiv.431 Woran liegt das? Wie gezeigt, dienen sowohl die aktien- als auch die aufsichtsrechtliche Governance letztlich der Lösung bestimmter Prinzipal-AgentenKonflikte im Unternehmen; allein die Ausrichtung auf den Prinzipal variiert (equityvs. debt-governance).432 Der Grundkonflikt ist indes derselbe: der Prinzipal soll sein Wissen und seine Handlungsmacht zu Gunsten des Agenten einsetzen. Ein Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind organisatorische Pflichten und prozedurale Verhaltensmaßstäbe. Denn die Beteiligten können zu Beginn der Unternehmung nicht vorhersehen, welche inhaltlichen Fragen der Vorstand später einmal zu beantworten haben wird; der Agent erhält daher einen weiten Entscheidungs- und Handlungsspielraum (§ 76 AktG).433 Indem nun prozedurale Rahmenbedingungen für dessen Entscheidungsfindung vorgegeben werden, wird die Gefahr opportunistischen Verhaltens auf Seiten des Agenten minimiert.434 Anders könnte man sagen: Unter-
428
Ausführlich zur Vergütungsregulierung Vierter Teil, V., S. 284 ff. Statt vieler Hopt, Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG v. Banken, S. 3, 25.: „Das Management kann durch aktienkursbasierte Vergütung vor Ende seiner Amtszeit zu risikogeneigt werden. Rendite- und damit risikoorientiert sind tendenziell auch die Aktionäre. Gläubiger und Aufsichtsorgane sind dagegen risikoavers, erstere wollen (Rück-)zahlung, letztere sind an Finanzstabilität und Verhinderung von Systemkrisen interessiert.“ 430 Wundenberg, Compliance, S. 131: „Sowohl die Pflicht zur Einrichtung eines Früherkennungssystems als auch die Compliance-Pflichten sind aus verbandsrechtlicher Perspektive Ausfluss der Vorteilswahrungs- und Schadensabwendungspflicht des Vorstands. Sie dienen deshalb dem – freilich weit verstandenen – Unternehmensinteresse.“ 431 Zur damit einhergehenden „Prozeduralisierung der Corporate Governance“ Binder, ZGR 2007, 745 ff.; ders., Regulierungsinstrumente, S. 337 ff. 432 So schon Zweiter Teil, D. I. 1. a), S. 135. Vgl. auch Binder, JJZ 2007, 145, 170: „Das Recht der Wirtschaftsaufsicht dient anderen Regelungszwecken als das allgemeine Gesellschaftsrecht, aber zur Umsetzung dieser Zwecke nimmt es vielfach in gleicher oder vergleichbarer Weise Einfluss auf die Binnenorganisation von Unternehmen.“ 433 Dazu und zu den hiermit einhergehenden Opportunismusgefahren Fama/Jensen, 26 J. L. & Econ. (1983) 301, 304; Picot/Dietl, in: Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 306, 320 ff.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 174; Shleifer/ Vishny, J. Fin. 52 (1997) 737, 741. 434 Eingehend Ruffner, Ökonomischen Grundlagen der Publikumsgesellschaft, S. 162 ff. 429
D. Rechtslage in der unregulierten Aktiengesellschaft
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nehmensorganisationspflichten sichern einen Interessenschutz „durch Verfahren“.435 Das wirkt sich wiederum positiv auf die Entscheidungsfindung insgesamt aus.436Aus diesen Gründen gehören Unternehmensorganisationspflichten zum festen Bestandteil eines jeden Corporate-Governance-Regimes; auch wenn dies im aufsichtsrechtlichen Gesetzestext stärker zum Ausdruck gebracht wird als in seinem aktienrechtlichen Pendant. 4. Fazit: Unternehmensorganisationspflichten als Ansatzpunkt zur Herausbildung eines „Allgemeines Teils“ guter Unternehmensführung Unternehmensorganisationspflichten sind dementsprechend ein vielversprechender Ansatzpunkt, um einen „Allgemeinen Teil“ des Rechts guter Unternehmensführung herauszubilden.437 Ein solch „Allgemeiner Teil“ soll nur solche grundlegenden Regeln enthalten, die unabhängig von Rechtsform oder Geschäftsmodell Geltung für jedes Unternehmen beanspruchen. Es handelt sich um abstrakte, gleichsam „vor die Klammer gezogene“ Rechtssätze, die trotz ihrer Abstraktionshöhe nicht weniger bedeutungsvoll sind.438 Beispielhaft sei die Pflicht genannt, klare Strukturen und Verantwortungsbereiche innerhalb eines Unternehmens zu schaffen;439 feste Informations- und Kommunikationskanäle einzurichten;440 die einzelnen Organisationsbereiche mit personellen und sachlichen Mitteln hinreichend auszustatten441 sowie die eigene Organisationsstruktur regelmäßig auf ihre Funktionalität zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren.442 Derlei grundlegende Pflichtenstandards sind im aufsichtsrechtlichen Gesetzestext ausbuchstabiert. Aus
435 Binder, ZGR 2007, 745, 763: „[M]ittelbare Verbesserung von Entscheidungsergebnissen durch Festlegung von Anforderungen an den Entscheidungsprozess“. 436 Binder, ZGR 2007, 745, 765: „Ein wichtiges Motiv [der Prozeduralisierung] liegt in der Erkenntnis, dass das für final ausgerichtete Regelungskonzeptionen erforderliche Wissen um Ursachen- und Wirkungszusammenhänge in modernen Gesellschaften weniger denn je zur Verfügung steht, weshalb Prozeduralisierung von Entscheidungsprozessen auch der Wissensbildung zu dienen habe: Erst im rationalen Diskurs lassen sich die für die Entscheidung maßgeblichen Erkenntnisse ermitteln. Objektiv ,richtige‘ Entscheidungen und damit auch die objektiv ,richtige‘ Definition von Regulierungszielen und Wahl von Regulierungsinstrumenten sind mangels hinreichender Wissensbasis nicht möglich.“ 437 Zur „Ausstrahlungsfähigkeit“ bestimmter Unternehmensorganisationspflichten auch Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 538 f., soweit sie der Vermeidung von Interessenkonflikten dienen. 438 Vgl. aber auch die Überschrift bei Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 282: „Die dem abstrahierenden Denken innewohnende Tendenz zur Sinnentleerung.“ 439 Vgl. §§ 12 Abs. 1 S. 2 WpDVerOV, 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 3 a) KWG. 440 Vgl. §§ 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 WpHG, 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 c), d) VAG. 441 Vgl. §§ 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG, 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 4 KWG. 442 Vgl. §§ 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 WpHG, 64 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 VAG.
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
welchem Grund sollten sie nicht auch für die unregulierte Aktiengesellschaft gelten?443
IV. Spezialität der Rechtsdurchsetzung Lassen sich Nomen ausfindig machen, die Aktionärs- wie Einlegerinteressen gleichermaßen schützen, dann kann nicht länger von einer „materiellen Spezialität“ der aufsichtsrechtlichen Anforderungen ausgegangen werden. Das „Spezielle“ des Aufsichtsrechts ergibt sich in diesen Fällen allein aus seiner behördlichen Durchsetzung.444 Für die betroffenen Unternehmen macht das allerdings einen erheblichen Unterschied.445 1. Aktienrechtliche Durchsetzungsmechanismen Die aktienrechtlichen Vorstands- und Aufsichtsratspflichten werden in erster Linie durch die Organhaftungsvorschriften durchgesetzt.446 Aus rechtsökonomischer Perspektive soll diese dazu dienen, die durch Pflichtverletzungen entstehenden externen Kosten beim jeweiligen Schädiger zu internalisieren.447 Rational handelnde Akteure preisen dieses Haftungsrisiko ex ante in ihre Handlungen mit ein und vermeiden daher Pflichtverletzungen gezielt – so die Theorie. Betrachtet man die aktienrechtlichen Durchsetzungsmechanismen nun aber in der Praxis, kommen hieran Zweifel auf. So droht die Durchsetzung der Organhaftungsvorschriften regelmäßig an den hohen Koordinationskosten und der rationalen Apathie der Aktionäre448 oder aber dem Widerstreben des Aufsichtsrates zu scheitern.449 Erst kürzlich konstatierte der Gutachter des 69. DJT 2012 Habersack: 443
Für eine detaillierte Analyse ausstrahlungsfähiger Normen s. Vierter Teil, S. 191 ff. Vgl. auch Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 535: „Der entscheidende Unterschied zur aktienrechtlichen Corporate Governance besteht in der aufsichtsbehördlichen Sanktionsbefugnis gegenüber Banken und Versicherungen.“ 445 Dazu allgemein K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 188: „Die Verteilung der Rollen als Normadressaten und Normvollstrecker ist viel interessanter als die akademische Schutzzweckdebatte.“ Umfassend zur Bedeutung der Normdurchsetzung für die Normwirkung jüngst Binder, Regulierungsinstrumente, S. 202 ff. 446 Dazu schon Erster Teil A. II. 2., S. 31 f. 447 So auch Engel, JZ 1995, 213, 215; zu den ökonomischen Grundlagen der Organhaftung auch Bachmann, Gutachten E für den 70. DJT 2014, E 21 ff. Allgemein zur Präventionswirkung des Schadensrechts und der Internalisierung der mit der Schädigung verbundenen Kosten Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 127 ff. 448 So auch Leyens, in: Allmendinger/Dorn, CG nach der Finanzkrise, S. 3, 17; Ruffner, Ökonomische Grundlagen der Publikumsgesellschaft, S. 174 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 656. Dazu bereits Fn. 22, S. 30. Das Phänomen ist mittlerweile auch ins Blickfeld der EU Kommission gerückt: „Das Desinteresse der Aktionäre an der Corporate Governance wirft generell die Frage nach der Wirksamkeit der Corporate-Governance-Regeln 444
D. Rechtslage in der unregulierten Aktiengesellschaft
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„Schadenersatzansprüche gegen amtierende Organwalter werden nach wie vor so gut wie nie verfolgt. Die Geltendmachung der Ansprüche durch das hierzu berufene Organ ist ungeachtet der ARAG/Garmenbeck-Grundsätze nicht zu erwarten.“450
Selbst wenn Ersatzansprüche geltend gemacht werden, so sind doch die Vorstände über sog. D&O Versicherungen vor einer persönlichen Haftung im Regelfall gefeit.451 Zur Verteidigung solcher Versicherungen wird angeführt, dass der Gesellschaft neben den Organhaftungsvorschriften auch andere Sanktionsmechanismen zur Verfügung stünden, wie zum Beispiel die Abberufung.452 Auch die Ausübung solcher Rechte liegt aber in der Hand des Aufsichtsrates. Zusammengenommen wirkt sich dies erheblich auf die Steuerungswirkung der aktienrechtlichen Organhaftung aus.453 2. Aufsichtsrechtliche Durchsetzungsmechanismen Die Durchsetzung der Governance-Regeln durch die BaFin bietet demgegenüber mehrere Vorteile. Sie sieht zunächst spezielle Sanktionsmechanismen für Verstöße gegen Governance-Vorgaben vor: Geschäftsleiter können nicht nur abberufen werauf, die bei allen börennotierten Gesellschaften auf der Grundannahme einer wirksamen Kontrolle durch die Aktionäre beruhen.“, Grünbuch Finanzinstitute KOM (2010) 284 endg. S. 18. 449 So auch Heermann, ZIP 1998, 761. Bachmann spricht bildlich von „Beißhemmung“, Gutachten E für den 70. DJT 2014, E 79; Spindler sieht hierin die „Achillesferse der deutschen Corporate Governance“, in: MünchKomm AktG, § 93 Rn. 2. Allgemein fehlt es – sowohl den Aktionären als auch dem Aufsichtsrat – also an den entsprechenden Anreizen zur Normdurchsetzung. Zur Bedeutung solcher Anreize für die private Normdurchsetzung Binder, Regulierungsinstrumente, S. 236 ff. 450 Vgl. Habersack, These 23 des Gutachtens E zum 69. DJT 2012, E 106. Ebenso Hemeling, Referat zum 69. DJT 2012, These 5: „Wichtiger als neue Regeln oder Standards erscheint die Realisierung von Verantwortlichkeit und die Rechtsdurchsetzung.“; dazu auch Hopt, ZIP 2013, 1793 ff. Etwas weniger problematisch sieht dies Bachmann, Gutachten E für den 70. DJT 2014, E 11 ff., der dies mit verschiedensten rechtstatsächlichen Erhebungen untermauert. 451 Darauf hinweisend auch Armbrüster, ZVersWiss 2011, 639, 654; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 62. Einführend zur Entwicklung und Ausgestaltung solcher Versicherungen Thümmel, Persönliche Haftung von Managern, S. 209 ff.; rechtliche Einordnung und Bewertung bei Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 225 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 93 Rn. 241 ff.; Spindler, MünchKomm AktG, § 93 Rn. 191 ff. Kritisch mit Blick auf die Verhaltenssteuerung schon frühzeitig Hopt, GroßKomm AktG, § 93 Rn. 519. 452 Eingehend Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 228 f. 453 Eingehend zur Durchsetzung von Organhaftungsansprüchen jüngst Bachmann, Gutachten E für den 70. DJT 2014, E 73 ff. Zu den Durchsetzungsdefiziten privater Haftungsmechanismen auch Engel, JZ 1995, 213, 215 f. sowie Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, S. 74 f.: „Strafrechtliche Sanktionen und eine zivilrechtliche Haftung sind oft nur schwer zu verwirklichen, kommen unter Umständen häufig zu spät, werden in den einzelnen Mitgliedsstaaten womöglich sehr unterschiedlich angewandt und entfalten in der Praxis vielleicht keine starke Abschreckungswirkung gegen ein Fehlverhalten der Direktoren.“
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2. Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
den, sondern auch Bußgelder auferlegt bekommen. Im Extremfall kann dem gesamten Institut die Zulassung entzogen werden.454 Zudem ist die behördliche Durchsetzung effektiver als die rein private, da der BaFin bessere Überwachungsmechanismen zur Verfügung stehen und sie zum Eingreifen im Problemfall verpflichtet ist – das ist ihr staatlicher Kontrollauftrag.455 Anders als unter rein privater Kontrolle müssen Vorstände von Banken und Versicherungen also mit wesentlich stärkerer Überwachung und Rechtsdurchsetzung rechnen als ihre Kollegen im unregulierten Sektor. Das lässt auf eine wirksamere Verhaltenssteuerung schließen.456 3. Fazit: Behördliche Durchsetzung als Eigenheit des Finanzsektors Während also im unregulierten Sektor die Einhaltung der Corporate Governance durch Aufsichtsrat und Aktionäre kontrolliert wird, tritt im regulierten Sektor die Behörde als zusätzliche Disziplinierungsinstanz hinzu und verleiht dem materiellen Recht auf diesem Wege mehr „Schubkraft“.457 So wird im Sinne eines „Instrumentenmixes“ das genuin privatrechtliche Steuerungsinstrument der Corporate Governance mit einem öffentlich-rechtlichen Durchsetzungsmechanismus verkoppelt.458 Dadurch wird der Bedeutung des Finanzsektors Rechnung getragen; eine behördliche Überwachung auch unregulierter Gesellschaften im Sinne eines „Aktienamtes“ wird dagegen zu Recht abgelehnt.459
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Vgl. §§ 32 ff. KWG, 81 ff. VAG. Zwar hat die Behörde dabei mit Informationsdefiziten zu kämpfen, weist also grundsätzlich Steuerungsdefizite auf, vgl. Hopt, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 3, 25. Vgl. auch M. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 376 f.: „[D]ie externe, einseitig-hoheitliche Steuerung [stößt] an Grenzen, die sie nicht überwinden kann. Sie leidet an Vollzugsdefiziten, die sich mit der Systemtheorie, aber auch der Institutionenökonomie erklären lassen. Den Instituten fehlt die Motivation, durchweg den aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu folgen, während die Aufsicht an der besonderen Dynamik der Informationen auf dem Bankenmarkt zu scheitern droht.“ Diese müssen aber relativ zur rein privatrechtlichen Durchsetzung im Aktienrecht bewertet werden. 456 So auch Wundenberg, Compliance, S. 130. 457 Ebenso Wundenberg, Compliance, S. 131: „Die behördlichen Sanktionsinstrumente wirken daher als ,Katalysator‘, der die verbandsrechtliche Rechtsdurchsetzung verstärkt.“ In diese Richtung auch Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 22: „Die Besonderheit der Corporate Governance bei Banken und Versicherungen liegt in der branchenspezifischen Überwachung. Die branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht tritt neben den allgemeinverbindlichen Rechtsrahmen der Unternehmensüberwachung.“; ebenso Preußner/Zimmermann, AG 2002, 657, 660. Auch Merkt illustriert die Verknüpfung von privater Governance und hoheitlicher Überwachung am Beispiel der Kreditinstitute, in: Hommelhoff/Hopt/ v. Werder, Hdb. CG, S. 683, 686. 458 Zu solchen „Instrumentenmixen“ bereits eingangs Zweiter Teil, A. III. 2., S. 93 f. 459 Vgl. auch die Gutachter des 69. und 70. DJT Habersack, These 25, Gutachten E zum 69. DJT 2012, E 106 und Bachmann, These III.5., Gutachten E für den 70. DJT 2014, E 124. 455
D. Rechtslage in der unregulierten Aktiengesellschaft
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V. Zusammenfassung Folgt man den hier vorgetragenen Argumenten, dann sind aktien- und aufsichtsrechtliche Governance nicht gänzlich wesensverschieden, sondern entspringen derselben Wurzel. Corporate-Governance-Regelungen sind demnach genuin privatrechtliche Steuerungsinstrumente, die das Aufsichtsrecht ihrer Funktion nach übernommen und mit den eigenen Schutzzwecken überformt hat. Dort aber, wo sich die Schutzdivergenzen aktien- und aufsichtsrechtlicher Governance nicht in der Rechtsmaterie niedergeschlagen haben, dort findet sich ein „kleinster gemeinsamer Nenner“ zwischen den beiden Rechtsregimen. Diesen systematisierend herauszufiltern, ist Aufgabe der Rechtswissenschaft. Dabei gilt die Maxime ,bene cernit, qui bene distinguit‘460. Die materiell speziellen Normen müssen behutsam von den allgemeinen abgetrennt werden.461 Wie ist dabei vorzugehen? Zunächst darf es sich nicht um Normen handeln, die durch spezifische aufsichtsrechtliche Schutzzwecke überwölbt sind, d. h. die Interessen anderer stakeholder zu Gunsten der Einleger oder der Finanzstabilität zurücktreten lassen. Es muss sich vielmehr um Vorgaben handeln, die allen stakeholdern dienen, weil sie das Unternehmen in seinem Bestand schützen. Ein bedeutender Ansatzpunkt hierfür sind die Unternehmensorganisationspflichten. Weiter spricht für eine Verallgemeinerbarkeit der Norm, wenn sie in allen drei Aufsichtssektoren gleichermaßen vorhanden und ihre Entstehung europäisch bzw. international vorgeprägt ist. Im Endeffekt muss die Normauslegung ergeben, dass das Aufsichts- dem Aktienrecht an dieser besonderen Stelle materiell gleichgelagert ist und der einzige Unterschied in der Art ihrer Durchsetzung besteht. Finden sich solche Normen, so findet sich ein Stück des „Allgemeinen Teils“ guter Corporate Governane. Nur solche Normen können für das Aktienrecht im Wege der Ausstrahlung maßgeblich sein. Wie sich eine solche Ausstrahlung mit Hilfe des methodischen Instrumentariums umsetzen lässt, wird im folgenden Teil dargelegt.
460 „Wer gut unterscheidet, der entscheidet gut“. So Bettermann, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 294: „Dies ist ein Feld, […] wo die Gefahr der Verallgemeinerung nur partiell richtiger Aussagen groß ist.“ 461 Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 69: „Natürlich gibt es viele Gemeinsamkeiten. Dies darf jedoch nicht den Blick auf wesentliche, hauptsächlich durch das andersartige Geschäftsmodell der Banken begründete Unterschiede verstellen. Wer die wichtigen Stellgrößen einer ordnungsgemäßen Corporate Governance normieren will, muss sich der Mühe unterziehen, zu differenzieren.“
Dritter Teil
Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung A. Aufsichtsrecht als Quelle der Rechtsfindung im Aktienrecht Rechtsmethodisch bieten sich allein zwei Wege an, aufsichtsrechtliche Governance-Vorgaben auf das Aktienrecht zu übertragen. Zunächst kann man über deren rechtsverbindliche Geltung auch für die „Normal-AG“ nachdenken (I.). Ein solches Vorgehen fiele in den Bereich der Rechtsfortbildung und unterliegt daher entsprechenden Schranken, insbesondere dem Erfordernis einer Lücke. Weniger weitreichend ist die zweite Option, die die aufsichtsrechtlichen Normen nicht als verbindliche Rechtsquelle, sondern als Rechtserkenntnisquelle bei der Auslegung aktienrechtlicher Generalklauseln für die „Normal-AG“ heranzuziehen sucht (II.).
I. Übertragung aufsichtsrechtlicher Standards im Wege der Rechtsfortbildung 1. Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung Die Zulässigkeit der Rechtsfortbildung steht – jedenfalls in unserer Jurisdiktion1 – außer Frage.2 Sie wird in erster Linie von der Rechtsprechung betrieben, häufig aber auch durch Arbeiten aus der Wissenschaft vorbereitet. Zu den großen „Entdeckungen“ der Zivilrechtswissenschaft zählen unter anderem die Haftung aus culpa in contrahendo (c.i.c) und die positive Vertragsverletzung (pVV). Von Seiten der Gerichte sind die Soraya- und Caroline-Rechtsprechung3 sowie die Ausbildung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb i.R.d. § 823 Abs. 1 BGB 1
Obwohl der Wortlaut des Grundgesetzes diesbzgl. nicht eineindeutig ist, vgl. Art. 20 Abs. 3 GG, aber auch Art. 97 Abs. 1 GG. Deutlich dagegen das Schweizer Zivilgesetzbuch, Art. 1 Abs. 2 ZGB: „Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach den Regeln entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.“ 2 Instruktiv Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. III, S. 701 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 187 ff. 3 Zugesprochen wurde ein Schmerzensgeld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1, 2 GG, s. BVerfGE 34, 269 (Soraya) und BGHZ 128, 1 (Caroline); vorher schon BGHZ 26, 349 (Herrenreiter).
A. Aufsichtsrecht als Quelle der Rechtsfindung im Aktienrecht
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als prominente Beispiele zu nennen.4 All jene „Entdeckungen“ gehören heute zum festen Bestand der zivilrechtlichen Dogmatik. Mehr noch als im allgemeinen Zivilrecht sind gerade im Gesellschaftsrecht die Fälle richterlicher Rechtsfortbildung Legion.5 Zu denken ist hier unter anderem an die Rechtsfähigkeit der Außen-GbR.6 Auch das Innenleben der Aktiengesellschaft wird durch die Anerkennung von Treuepflichten,7 ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen8 und dem Geschäftsleiterermessen (business judgment rule)9 maßgeblich durch die Rechtsprechung mitgeformt.10 Diese Liste ist nicht abschließend und verdeutlicht letztlich nur, dass das Gesellschaftsrecht bereits in hohem Maße von richterlicher Rechtsfortbildung geprägt ist. 2. Instrumente richterlicher Rechtsfortbildung Richterliche Rechtsfortbildung unterliegt aber ihrerseits strengen Grenzen. Jüngst hat das BVerfG erneut betont: „Zu den Aufgaben der Rechtsprechung gehört die Rechtsfortbildung. Von daher ist auch eine analoge Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften sowie die Schließung von Regelungslücken von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Rechtsfortbildung stellt keine unzulässige richterliche Eigenmacht dar, sofern durch sie der erkennbare Wille des Gesetzgebers nicht beiseite geschoben und durch eine autark getroffene richterliche Abwägung der Interessen ersetzt wird.“11
Rechtsfortbildung kann also nur mit Hilfe einer begrenzten Zahl von Instrumenten – allen voran der Analogie12 – und auch nur beim Bestehen einer Lücke im Gesetz betrieben werden.13 Eine Lücke besteht immer dort, wo „das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, nicht erfüllt“.14 Zwei4 Weitere Beispiele richterrechtlicher Rechtsfortbildung im Zivilrecht versammelt Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 24 Rn. 941 ff. 5 Zu „Entdeckungen im Gesellschaftsrecht“ s. umfassend Fleischer, in: FS K. Schmidt, S. 375 ff. 6 BGHZ 146, 341. 7 BGHZ 103, 184 (Linotype) für den Mehrheitsaktionär und BGHZ 129, 136 (Girmes) für den Minderheitsaktionär. 8 BGHZ 83, 122 (Holzmüller); BGHZ 159, 30 (Gelatine I); ZIP 2004, 1001 (Gelatine II). 9 BGHZ 135, 244, 253 f. (ARAG/Garmenbeck). 10 Für einen Einblick in die richterliche Rechtsfortbildung im Aktienrecht s. Ulmer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, S. 113 ff. 11 BVerfG, ZIP 2012, 1402 (Macrotron). 12 Dazu einführend die Darstellung von Würdinger, AcP 206 (2006), 946, 947 ff. 13 Grundlegend Canaris, Lücken im Gesetz, 1964; gegen das Lückenerfordernis aber Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rn. 475; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 80, S. 635. 14 So BVerfGE 34, 269, 286; ebenso Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. III, S. 719: „Die Lücke wird zum Problem, nicht weil ein Gesetz fehlt, sondern weil das Gesetz den Re-
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
erlei Arten von Lücken sind in der Methodenlehre anerkannt: die Regelungs- und die Normlücke.15 Im Fall der Regelungslücke enthält der Gesetzestext keinerlei Vorgaben zu einer bestimmten Fallfrage – es klafft sozusagen ein Loch im Normensystem. Bei der Normlücke ist eine solche Regelung hingegen vorhanden, jedoch fehlt es an bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen. Der Schulbuchfall hierfür ist § 904 S. 2 BGB, der mit keinem Wort die Person des Anspruchsgegners nennt.16 Wird eine dieser Lücken entdeckt, muss sie ausgefüllt werden.17 Häufig geschieht dies im Wege der Analogie, d. h. es wird die Rechtsfolge einer vergleichbaren Norm auch auf den ungeregelten Fall angewendet. Fehlt es an einer solchen vergleichbaren Norm, so muss auf andere Argumentationstopoi zurückgegriffen werden.18 3. Ist das Aktienrecht lückenhaft? Entscheidend ist daher die Frage, ob das Regelungssystem der aktienrechtlichen Corporate Governance lückenhaft ist. Denn nur wenn das der Fall ist, kann das Aufsichtsrecht analog zur Konkretisierung des aktienrechtlichen Sorgfaltsmaßstabs herangezogen werden.19 a) Vorhandener Normenbestand Eine Norm, an der das Aufsichtsrecht dergestalt „andocken“ könnte, ist § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, der die Anforderungen an den Vorstand wie folgt beschreibt: „Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden.“20 Daneben steht die Maxime des § 76 Abs. 1 AktG, nach der der Vorstand die Gesellschaft „unter eigener gelungsprimat an sich gezogen hat, ohne dem an sich selbst gestellten Anspruch gerecht zu werden.“; grundlegend Canaris, Lücken im Gesetz, S. 39: „Eine Lücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts […].“; ebenso Bydlinski, Grundzüge, S. 60; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 192; ähnlich Engisch, Einführung, S. 140 f.; anders Kelsen, Allgemeine Theorie, S. 106 f.: das Recht sei grundsätzlich geschlossen; eine „Lücke“ bestehe nur da, wo die Moral eine andere Bewertung verlange. 15 So die Unterscheidung bei Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. III, S. 719 f.; Larenz/ Canaris, Methodenlehre, S. 193 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 80, S. 633 ff.; ähnlich Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 23 Rn. 847 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 52 ff. In der Literatur finden sich darüber hinaus weitere Unterscheidungen, s. dazu die Darstellung bei Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 23 Rn. 841. 16 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 193; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 23 Rn. 847. 17 Zur Lückenfüllung eingehend Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 191 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 23 Rn. 878 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 55 ff. 18 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 23 Rn. 888: Umkehrschluss, teleologische Reduktion, „Natur der Sache“, freie richterliche Normsetzung. 19 Zur grundsätzlichen Analogiefähigkeit von Ausnahmevorschriften s. Würdinger, AcP 206 (2006) 946, 965 ff. 20 Für die Aufsichtsratsmitglieder gilt gem. § 116 AktG dasselbe.
A. Aufsichtsrecht als Quelle der Rechtsfindung im Aktienrecht
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Verantwortung“ zu leiten hat. Nur an wenigen anderen Stellen nimmt das Gesetz diese Frage noch einmal auf und macht konkretere Vorgaben, so zum Beispiel im Rahmen von §§ 90 – 92 AktG. Diese bilden jedoch nur Teilaspekte der Leitungspflicht aus § 76 AktG ab und bleiben damit fragmentarisch. b) Generalklauseln als Lücken? Lässt sich hieraus aber auf eine Lücke schließen? Eine Regelungslücke liegt ersichtlich nicht vor, da Corporate-Governance-Fragen im Gesetz durchaus direkt angesprochen werden. Es käme daher nur eine Normlücke in Betracht – nämlich in Form des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Leitung“ in § 76 AktG oder der Generalklausel, die „die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ einfordert. Auch dabei handelt es sich aber um Tatbestandsmerkmale, eine Normlücke im klassischen Sinne liegt daher nicht vor. Allenfalls könnte man von einer „verdeckten“ Lücke sprechen, weil der Gesetzgeber zwar mehrere Worthülsen in den Raum gestellt, aber gleichwohl ein inhaltliches Vakuum hinterlassen hat.21 So gesehen wäre ein Gesetz immer schon dann lückenhaft, wenn es den Normbefehl nicht streng determinierte.22 Folgte man diesem weiten Lückenverständnis aber stringent, so würden die Unterschiede zwischen Rechtsfortbildung und Rechtsauslegung eingeebnet.23 Eine Auslegung wäre dann nie nötig, da entweder der Normtext die konkrete Entscheidung determinieren würde oder aber eine Lücke vorhanden und damit der Weg für die Rechtsfortbildung offen wäre. Richtigerweise muss man sich daher zur Abgrenzung von Auslegung und Rechtsfortbildung allein auf den Normtext konzentrieren – kann die konkrete Sachfrage im Rahmen der Wortlautgrenze gelöst oder muss darüber hinaus Rechtsfortbildung betrieben werden?24
21 Vgl. zur verdeckten Regelungslücke Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. III, S. 720: „[V]erdeckt ist eine Regelungslücke, wenn das Gesetz zwar eine allgemeine Anweisung gibt, aber Einzelheiten unzureichend differenziert.“ Als Beispiel führt er das „absolute Recht“ in § 823 Abs. 1 BGB an. 22 Laut Kaufmann wäre dies nur bei Zahlworten der Fall, Das Verfahren der Rechtsgewinnung, S. 7 und 56. 23 Dazu Grigoleit, in: Jestaedt/Lepsius, Rechtswissenschaftstheorie, S. 51, 72: „Der Gedanke der Methodenehrlichkeit sowie die Erfordernisse rationaler Regelbildung gebieten es, die hermeneutische Gesetzesauslegung von einer gesetzesübersteigenden, d. h. nicht auf einen konkreten Befehl des positiven Rechts zu stützenden Rechtsfindung zu unterscheiden.“ 24 Vgl. BGHZ 46, 74, 76: „[W]eil das nach dem Wortlaut sprachlich Mögliche, also der mögliche Wortsinn, den Bereich bildet und die Grenzen absteckt, innerhalb deren ein vom Gesetz verwendeter Begriff überhaupt ausgelegt werden kann“; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. I, S. 298 ff. Bildlich auch Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung, S. 88: „[B]ei der Rechtsanwendung wird das Gesetz nicht überschritten. Das ist schon anders bei der lückenausfüllenden Analogie. Hier wird die allgemeine Norm gesprengt, die Extension ist gesetzestranszendierend.“
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
c) Fazit So gesehen stellen §§ 76, 93 AktG dem Rechtsanwender eine Auslegungsaufgabe; nicht aber die Aufgabe, andernorts nach „Lückenfüllern“ zu suchen.25 Auch wenn es sich bei dieser Auslegungsaufgabe um eine außerordentlich schwierige handelt26, so heißt dies nicht, dass man ihr durch die verbindliche Anwendung anderer, weit konkreterer Normen aus dem Aufsichtsrecht einfach ausweichen kann. Wer einer Ausdehnung des Aufsichtsrechts auf diese Weise das Wort reden will, umgeht die Lückenproblematik und verbirgt hinter der Rede von der Ausstrahlungswirkung letztlich nichts anderes als eine „schludrige Analogie“. Das ist entschieden abzulehnen. Eine verbindliche Geltung des Aufsichtsrechts auch im Recht der Normal-AG kann daher nicht konstruiert werden; eine schematische Übertragung aufsichtsrechtlicher Normen in das Aktienrecht ist daher nicht möglich.27
II. Berücksichtigung aufsichtsrechtlicher Vorgaben bei der Auslegung des AktG 1. Zum Vorgang der Auslegung Auslegung ist die Vorbereitung des Gesetzestextes zur Rechtsanwendung.28 Sie beschreibt den Prozess der Konkretisierung der Norm bis zu dem Punkt, an dem sie für die Subsumtion unter den konkreten Fall (logischer Syllogismus) geeignet ist.29 Das Bedürfnis zur Auslegung einer Norm ist maßgeblich von der Formulierung des 25
Engisch, Einführung, S. 141: „Soweit die Auslegung zur Beantwortung von Rechtsfragen hinreicht, bleiben also dem Rechte Lücken ferne.“; ebenso Bydlinski, Grundzüge, S. 92; Canaris, Lücken im Gesetz, S. 26 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 372 Rn. 13; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 80, S. 633; a.A. Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 58, S. 337; Emmenegger, Bankorganisationsrecht, S. 111: Generalklauseln seien „Lücken intra legem“; Kramer, Methodenlehre, S. 184 f.; ebenso Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 23 Rn. 836, der von einer „gewollte[n] Gesetzeslücke“ spricht. 26 So bereits Einleitung I., S. 23 f. 27 So auch Dreher, ZGR 2010, 496, 504 f.: Es könne „nicht um eine schematisch-leitbildhafte Rechtsübertragung gehen. Der spezielle und differenzierte Normgehalt aufsichtsrechtlicher Bestimmungen steht einer solchen Übertragung von vornherein entgegen. Die Ausstrahlungswirkung aufsichtsrechtlicher Normen muss sich daher grundsätzlich darin erschöpfen, Wertungsmodelle abzubilden. Sie lassen sich dann auf im Ansatz vergleichbare Fragestellungen in der Normal-AG zwar in der Regel nicht in ihrer konkreten Ausgestaltung, aber jedenfalls in ihrer Prinzipienbasierung übertragen.“ 28 So Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. III, S. 690. Vgl. auch Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 53 S. 323: „Einen Rechtssatz auslegen, heißt seinen Sinn klarstellen, und zwar den Sinn, der für das Rechtsleben, also auch für die richterliche Entscheidung der maßgebende ist.“ 29 Zum logischen Syllogismus Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung, S. 44 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 21. Zur juristischen Logik allgemein Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 14, S. 123 ff.
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Gesetzestextes abhängig – je eindeutiger dieser gefasst ist, umso weniger Auslegung ist nötig, um die Norm „subsumtionsfähig“ zu machen. In der Praxis sind diese eindeutigen Fälle jedoch selten und Gesetzesauslegung nahezu immer notwendig. So bedeutsam der Auslegungsprozess ist, so umstritten sind sein Ziel und seine Mittel bis heute.30 Die Kernelemente der Gesetzesauslegung sind – aufbauend auf der Lehre Friedrich Carl v. Savignys – die Orientierung am Wortlaut und Zweck der Norm, an ihrer systematischen Stellung und ihrer Entstehungsgeschichte.31 Sie werden mittlerweile durch diverse andere Argumentationstopoi ergänzt – dazu zählen: die Folgenabschätzung,32 die Rechtssicherheit, aber auch die Gerechtigkeit und die Billigkeit.33 Zusätzlich spielt sowohl die Rechtsvergleichung34 (vor allem im Fall sog. legal transplants35) als auch die Berücksichtigung von Erkenntnissen aus Nachbarwissenschaften wie der Soziologie oder den Wirtschaftswissenschaften eine immer bedeutendere Rolle bei der Interpretation von Gesetzestexten.36 Gerade im Bereich des Wirtschaftsrechts erweist sich ein verständiger Seitenblick auf die ökonomischen Hintergründe und Wirkweisen bestimmter Regelungen als unerlässlich.37
30 Besonders heftig diskutiert wird die Frage, ob die Auslegung auf die Erforschung des subjektiven oder objektivierten Willens des Gesetzgebers ausgerichtet sein solle, s. Enneccerus/ Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 54, S. 324 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 137 ff.; Raisch, Methoden, S. 139 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 79 S. 627 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 22 Rn. 796 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 17 ff. Auch die Frage einer Rangordnung der einzelnen Kanones ist bis heute ungeklärt, vgl. Kramer, Methodenlehre, S. 170 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 79, S. 632 f.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 50 f. Dazu Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 56, S. 335: „Die wahre Kunst der Auslegung beruht auf einer richtigen Abwägung aller Auslegungsgesichtspunkte.“ 31 BVerfGE 1, 299 Leitsatz 2: „Maßgebend für die Auslegung eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung, dem Sinnzusammenhang sowie dem erkennbaren Zweck der Vorschrift ergibt.“ Dazu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 141 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 78, S. 613 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 22 Rn. 698 ff. und passim; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 35 f. 32 Dazu Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 81, S. 643 ff. 33 So auch Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung, S. 2. Vgl. u. a. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 153 ff. (Friedenssicherung, Ausgewogenheit, u.v.m.). Konkret zum Argument der Gerechtigkeit Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 47 f. Ausführlich zu Korrektur und Ergänzung der Kanones Raisch, Methoden, S. 181 ff. m.w.N. 34 Zur Rechtsvergleichung als „fünfte“ Auslegungsmethode, Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 78, S. 625 f. 35 Zu legal transplants im deutschen Aktienrecht s. Fleischer, in: Doralt/Kalss, Franz Klein, S. 115 ff. 36 Vgl. Fleischer, in: Engel/Schön, Das Proprium der Rechtswissenschaft, S. 50, 64 f. und 74 ff. Darauf hinweisend auch Binder, Regulierungsinstrumente, S. 13 ff. 37 Vgl. die umfassende Arbeit von Ruffner, Ökonomische Grundlagen der Publikumsgesellschaft, 2000.
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
2. Zur Funktion von Rechtserkenntnisquellen Für sich allein genommen geben all diese Quellen noch kein abschließendes Ergebnis zur Auslegung einer Rechtsnorm vor; aber sie sind Erkenntnisquellen38 und bieten dem Rechtsanwender in positiver wie negativer Hinsicht Handreichung bei der Konkretisierung des Gesetzestextes. So kann – zum Beispiel im Falle eines legal transplants – die Muttervorschrift aus einer anderen Jurisdiktion positive Hinweise auf Funktion und Ziele der Regelung und damit letztendlich auf deren Auslegung geben.39 Andersherum kann die Vorschrift in negativer Hinsicht der Auslegung dienen, nämlich wenn klar ist, dass der Gesetzgeber sie zwar im Ausgangspunkt übernehmen, in bestimmten Einzelfragen aber gerade abgeändert wissen wollte. Ähnliches gilt für die Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften. So stützt sich das europäische System der Kapitalmarktpublizität auf die Annahme informationseffizienter Märkte, die ihres Zeichens dem ökonomischen Schrifttum entstammt.40 Eine Auslegung des Gesetzestextes ohne Blick hierauf, erscheint schlichtweg unredlich.41 Anders herum finden sich viele Beispiele von Normen, bei denen der Gesetzgeber gerade nicht ausschließlich auf ökonomische Ziele wie die z. B. Effizienz gesetzt hat;42 hier dient das ökonomische Hintergrundverständnis in negativer Hinsicht zur Abgrenzung des Norminhalts.43 3. Bedeutung des Aufsichtsrechts als Rechtserkenntnisquelle Durch Rechtserkenntnisquellen werden demnach keine gänzlich neuen Gesichtspunkte in den Auslegungsprozess eingeführt. Sie helfen vielmehr, die klassi-
38 Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. I, S. 413 Rn. 400: „Den Juristen ist es geläufig […] bei der Lösung jedes Falles von einiger Schwierigkeit auch die Aussagen einschlägiger Rechtsprechung, der Lehrbuch-, Kommentar- und monographischen Literatur als praktisch unentbehrliche „Quellen“ heranzuziehen. […] Die dogmatischen […] Texte sind in der üblichen Terminologie nicht Rechtsquellen, sondern Rechtserkenntnisquellen.“; ebenso Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 256; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 6 Rn. 217: „Rechterkenntnishilfen“. Andere Terminologie aber bei Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 66, S. 520 und § 72, S. 543: „Rechtsinhaltsquellen“. 39 Eine Ähnlichkeit der Ausstrahlung zu legal transplants sehen auch Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 536. 40 Vgl. Fleischer, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regulierungsziel, S. 9, 19 f. 41 Am Beispiel der kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten auch Fleischer, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regulierungsziel, S. 9, 27: „Es liegt auf der Hand, dass der Maßstab der Effizienz damit auch im Rahmen der teleologischen Auslegung eine zentrale Rolle spielt […].“ 42 Sondern z. B. auf Aspekte der (Verteilungs-)Gerechtigkeit. Zum Zielkonflikt dieser beiden Maßstäbe s. Fleischer, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regulierungsziel, S. 9, 29 ff. 43 Einen Einblick in „Leistungsfähigkeit und Grenzen“ des Effizienzgedankens im deutschen Wirtschaftsrecht gibt Fleischer, in: Fleischer/Zimmer, Effizienz als Regelungsziel, S. 9 ff.
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schen canones mit Leben zu erfüllen.44 In diesem Sinne lässt sich auch das Aufsichtsrecht für das Verständnis von §§ 93, 116 AktG fruchtbar machen.45 Es ist Erkenntnisquelle im Rahmen der systematischen Auslegung des Aktienrechts.46 Nimmt man den Topos der Einheit der Rechtsordnung ernst, so kann die systematische Auslegung nicht an den Grenzen des eigenen Gesetzesbuches enden, sondern muss die ganze Rechtsordnung in den Blick nehmen.47 In den meisten Fällen wird diese vergleichende Betrachtung gerade im negativen Sinne zur Bestimmung des aktienrechtlichen Normgehalts beitragen. Denn das Aufsichtsrecht ist als sektorspezifisches Recht regelmäßig spezieller und sein Gehalt kann daher in den meisten Fällen nicht übertragbar sein. Im Einzelfall werden sich im Aufsichtsrecht aber auch verallgemeinerbare Gedanken guter Corporate Governance finden lassen.48 Diese 44
In diese Richtung auch Raisch, Methoden, S. 189. In diese Richtung auch Dreher, ZGR 2010, 496, 504 f.: „Ansatzpunkt der mittelbaren Ausstrahlungswirkung ist vielmehr eine lediglich wertende Berücksichtigung des Aufsichtsrechts im Rahmen der maßgeblichen Auslegungskriterien.“ So auch Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 536, die in diesem Zusammenhang von „Impulsen“ sprechen. Dieselbe Lösung hat der BGH im Bereich der §§ 31 ff. WpHG gewählt, s. BGHZ 142, 345, 356: „§ 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG, der in erster Linie aufsichtsrechtlicher Natur ist, aber auch anlegerschützende Funktion und damit Bedeutung für Inhalt und Umfang (vor-)vertraglicher Aufklärungspflichten hat […].“ sowie weitere Nachweise in Fn. 367, S. 140. Bei den oben dargestellten Beispielen aus dem Umwelt- und Nachbarrecht handelt es sich letztendlich um dasselbe Vorgehen, s. Zweiter Teil, B. IV 1. c), S. 118 f. und B. IV. 2., S. 120. Bydlinki fordert für die Konkretisierung von Generalklauseln allgemein die Berücksichtigung aller „systematisch aufschlussreichen, weil problemnahen Regelungen“, Grundzüge, S. 92. 46 Ebenso Hemeling, Referat zum 69. DJT 2012, These 2: „Ungeachtet der Unterschiede im Hinblick auf den Schutzzweck und die Regelungstiefe kann das Aufsichtsrecht mit Rücksicht auf den Gleichlauf bestandssichernder Grundsätze als Erkenntnisquelle für bestimmte Fragestellungen der Unternehmensführung dienen.“ 47 In diesem Sinne auch Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 26 f.; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, § 56, S. 334; Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 150; Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust, S. 138 f.; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 149; Raisch, Methoden, S. 147 f.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 4 Rn. 139: „Jeder Rechtssatz ist also auf seinen systematischen Stellenwert zu befragen und in den Gesamtzusammenhang des jeweiligen Gesetzes und der Rechtsordnung insgesamt zu stellen.“; Würdinger, AcP 206 (2006) 946, 956. So wohl auch schon Savigny: den Gedanken des Gesetzgebers könne man „nur dann vollständig erkennen, wenn wir uns klar machen, in welchem Verhältnis dieses Gesetz zu dem ganzen Rechtssystem steht […]“, zitiert bei Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 36. Speziell zur Abstimmung des Bankaufsichts- und des Zivilrechts auch Langenbucher, in: FS Hopt, Bd. I, S. 2175, 2187. Für das Verhältnis von Kartell- und Privatrecht schon Mestmäcker, AcP 168 (1968) 235, 262: „Es kommt vielmehr darauf an, die einzelnen Rechtsgebiete durch institutionelle Betrachtungsweise aufeinander zu beziehen, um diejenigen Rechtsgedanken zu verwirklichen, die die Privatrechtsordnung konstitutieren.“ 48 Dazu schon Zweiter Teil, D. III., S. 146 ff. Interessanterweise hat der BGH im Bereich des Kapitalanlagerechts kürzlich methodisch ganz ähnlich entschieden, vgl. BGHZ 201, 310 Rn. 36 ff. Zur Frage, inwiefern sich das aufsichtsrechtliche Transparenzgebot aus § 31d WpHG auf die Pflichten aus dem zivilrechtlichen Beratungsvertrag auswirke, führte er aus, dass dieses im Wege der Auslegung in den zivilrechtlichen Vertrag zu integrieren sei. Denn der Anleger könne regelmäßig voraussetzen, dass die Bank die „tragenden Grundprinzipien des Auf45
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
können dann positiv bei der Auslegung des aktienrechtlichen Gesetzestextes berücksichtigt werden.49
III. Aufsichtsrecht als Steinbruch eines „Allgemeinen Teils“ der Corporate Governance Die wertende Berücksichtigung des Aufsichtsrechts bei der Auslegung der §§ 93, 116 AktG dient aber nicht nur der Normenkonkretisierung im Einzelfall. Vielmehr ermöglicht die vergleichende Analyse der aufsichts- und aktienrechtlichen Normtexte darüber hinaus Rückschlüsse auf ungeschriebene, allgemeine Rechtsgrundsätze guter Unternehmensführung.50 Mit Blick auf die aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten könnte man in Anlehnung an Spindler auch von einem „acquis organisataire“51 sprechen. Die Debatte um die Ausstrahlungswirkung leistet auf diesem Wege noch einen weiteren Beitrag zur Systembildung im Wirtschaftsrecht.52 1. Das äußere und das innere System des Rechts Bisher hat der Fokus der Darstellung stets auf dem geschriebenen Recht gelegen. Dies stellt anerkanntermaßen aber nur einen Teil unserer Rechtsordnung dar.53 Jede andere Ansicht müsste die grundsätzliche Lückenlosigkeit des positiven Rechts unterstellen, ein Zustand der „praktisch unerreichbar“54 ist. Der zweite – einige meinen sogar der systemtragende55 – Teil unserer Rechtsordnung besteht aus ungeschriebenen Prinzipien; er wird in der Methodenlehre als das „innere System“
sichtsrechts“ beachte, BGHZ 201, 310 Rn. 37. Auch hier werden also grundlegende Prinzipien des Aufsichtsrechts im Wege der Auslegung ins Zivilrecht übertragen. 49 Zu solch „positiven“ und „negativen Ausstrahlungswirkungen“ auch Dreher, ZGR 2010, 496, 503 f. 50 So auch Dreher, ZGR 2010, 496, 504: „In diesen Fällen bildet ein nur im Aufsichtsrecht inkorporiertes Prinzip methodisch lediglich die Konkretisierung des so auch allgemein vorfindlichen, aber im Aktienrecht bisher nicht auf diese Weise kodifizierten Rechtsgrundsatzes.“ 51 Spindler, WM 2008, 905, 908. 52 Für eine vergleichbare Vorgehensweise im Verwaltungsrecht s. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 8, der das besondere Verwaltungsrecht als „Speicher gefundener Lösungen“ und „Spiegel bestehender Regelungsbedürfnisse“ für das allgemeine Verwaltungsrecht bezeichnet. 53 BVerfGE 34, 269, 287: „Das Recht ist nicht mit der Gesamtheit der geschriebenen Gesetze identisch. Gegenüber den positiven Satzungen der Staatsgewalt kann unter Umständen ein Mehr an Recht bestehen, das seine Quelle in der verfassungsmäßigen Rechtsordnung als einem Sinnganzen besitzt und dem geschriebenen Gesetz gegenüber als Korrektiv zu wirken vermag […].“ 54 So ausdrücklich BVerfGE 34, 269, 287. 55 So Canaris, Systemdenken, S. 46 ff.
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bezeichnet.56 Das geschriebene Recht stellt demgegenüber das „äußere“, wenn man so will das „sichtbare“ System unserer Rechtsordnung dar, das inhaltlich an die grundlegenden, systemtragenden Prinzipien zurückgebunden ist.57 Verschiedene Rechtsakte können daher Ausdruck eines gemeinsamen, verallgemeinerbaren Grundgedankens sein, der an verschiedenen Stellen im Rechtstext „eingestreut“ wurde.58 2. Ordnung durch allgemeine Rechtsgrundsätze Dieses Verständnis ermöglicht es, sich der großen, schier unüberschaubaren Normenmenge in unserem Rechtssystem unter einem neuen Blickwinkel zu nähern: nämlich danach, ob sie Ausdruck gemeinsamer Rechtsgrundsätze bzw. Prinzipien59 sind. Relevant ist dann nicht mehr in erster Linie, welcher Teilrechtsordnung die konkrete Norm entstammt, sondern allein, ob sie auf Basis derselben tragenden Grundgedanken erlassen wurde.60 Auch in unserem Fall kann man sich fragen, ob nicht die im Aktien- und Aufsichtsrecht niedergelegten Regelungen zur Corporate Governance Rückschlüsse auf allgemeinere Grundsätze guter Unternehmensführung erlauben.61 Nun gehen allerdings auch in dieser Frage die Meinungen stark darüber auseinander, welche normativen Maßgaben überhaupt als „allgemeine Grundsätze“ oder „Prinzipien“ einzuordnen sind. Generell wird in Abgrenzung zu geschriebenen Normen v. a. eine gewisse Abstraktionshöhe und Generalität gefordert.62 Auch ist das 56
Dieser Begriff geht auf Heck zurück, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 142 f. 57 Ausführlich zur Unterscheidung zwischen innerem und äußerem System Kramer, Methodenlehre, S. 89 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 263 ff., 302 ff.; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 223 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 54, S. 438 ff.; Rüthers/Fischer/ Birk, Rechtstheorie, § 4 Rn. 140 ff. 58 Dazu auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 4 Rn. 143: „Der Bewertungsmaßstab der Einzelnorm weist aus Sicht des Rechtsanwenders über die Einzelnorm hinaus auf einen übergreifenden Wertungsplan der Gesetzgebung hin. Durch eine genaue Analyse der Bewertungsmaßstäbe in den Einzelnormen können Rechtswissenschaft und Gerichtspraxis eine große Zahl von ,Mosaiksteinen‘ aus dem Regelungsgesamtkonzept für bestimmte Lebensbereiche […] sammeln […] und so etwas wie das ,Sozialideal‘ oder die ,Gerechtigkeitsidee‘ der Rechtsordnung für den fraglichen Bereich erkennbar werden.“ 59 Die Terminologie ist nicht einheitlich. So wie hier spricht auch Bydlinski vorwiegend von „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“, Grundzüge, S. 70. Andere sprechen synonym von „Prinzipien“, vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 302 ff. 60 So auch schon Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 173: „Als unmittelbar anwendbare Rechtsgrundsätze, die zwar nur spezialgesetzlich Ausdruck gefunden haben, aber trotzdem für das gesamte Rechtsleben gelten, können […] diejenigen anerkannt werden, die als solche wegen ihres allgemeinen Inhalts und ihrer Sinnfälligkeit evident sind.“ 61 Vgl. für eine Darstellung des inneren und äußeren Systems im Gesellschaftsrecht auch Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 453 ff. unter Verweis auf Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, 1980, §§ 3 ff. 62 Röhl/Röhl sprechen von „Normen von großer Allgemeinheit“, Allgemeine Rechtslehre, § 33, S. 288.
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
Prinzip an sich noch nicht subsumtionsfähig; es bedarf der weiteren Konkretisierung.63 Während Canaris den Kreis der Prinzipien allein auf systemtragende Merkmale der Rechtsordnung reduzieren will,64 warnt Larenz vor der „dem abstrahierenden Denken innewohnenden Tendenz zur Sinnentleerung“65 und plädiert für konkrete, handhabbare Prinzipien.66 Bydlinski hat dies aufgegriffen und in zwei verschiedenen Werken zuerst die „Fundamentalen Rechtsgrundsätze“ der Gesamtrechtsordnung und im Anschluss daran teilrechtsspezifisch „System und Prinzipien des Privatrechts“ untersucht.67 Meines Erachtens besteht jedenfalls kein Grund, den Kreis allgemeiner Grundsätze unnötig zu beschränken, unterstützen sie doch die Rechtswissenschaft in einer ganz zentralen Aufgabe: der System- und Institutionenbildung.68 Deren Bedeutung für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Recht kann nur schwerlich unterschätzt werden. Dazu Karsten Schmidt: „Gerade weil das Wirtschaftsleben komplex ist, muß es durch allgemeingültige Regeln zusammengehalten werden; gerade weil der Konsens über Einzelfragen so schwierig geworden ist, bedarf dieser Konsens einer Grundordnung, die allein eine Stimmigkeit der Ergebnisse gewährleistet. […] Gerade weil alle Rechtserkenntnis provisorische Züge trägt und unter dem steten Risiko der Korrektur steht, müssen sich Rechtswissenschaft und Rechtspolitik ständig aufgerufen sehen, Einzelprobleme und ihre Lösungen stets nur als Bausteine eines stimmigen Ganzen zu begreifen. Darin steckt der optimistische Glaube an die ordnende Kraft der rechtswissenschaftlichen Institutionenlehre.“69
Allgemeine Prinzipien oder auch allgemeine Grundsätze des Rechts dienen uns demnach als „Verbindungsglied zwischen Rechtsordnung und Rechtssatz“70 und leisten ihren Beitrag zur sinnstiftenden Ordnung in einem ansonsten amorphen
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Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 303. Canaris, Systemdenken, S. 47 f.: „Für unsere gesamte Rechtsordnung wird man z. B. nicht alle die Prinzipien als ,einheitsstiftend‘ und damit systemtragend ansehen können, denen diese Funktion für das Privatrecht zukommt, für dieses wiederum sind nicht all die die Prinzipien systemtragend, die es etwa für das Schuldrecht, das Sachenrecht, das Erbrecht, usw. sind […].“ 65 So die Überschrift bei Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 453. 66 In ihrem gemeinsamen Werk unterscheiden Larenz/Canaris später zwischen abstrakten „offenen“ Prinzipien und konkreteren „rechtssatzförmigen“ Prinzipien, Methodenlehre, S. 307 ff. 67 Bydlinski spricht explizit von verschiedenen „Prinzipienschichten“, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 48. 68 Dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 451: „[J]uristische Theorien sollen nichts ,erklären‘, sondern rechtliche Zusammenhänge deutlich machen, insbesondere Rechtssätze oder weitergreifende Regelungsinhalte in ein logisch und wertungsmäßig widerspruchsloses System – oder Teilsystem – integrieren.“ 69 K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht, Einl., zitiert nach Vorwort der FS K. Schmidt, S. V. 70 So Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. III, S. 655. 64
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Normenchaos.71 Diese Ordnung können sie auf verschiedenen, unterschiedlich hohen Abstraktionsebenen herstellen;72 und so ist auch die Existenz sog. „Allgemeiner Grundsätze guter Unternehmensführung“ möglich. Es handelt sich hierbei um gleichsam „vor die Klammer gezogene“ Grundsätze darüber, wie ein Unternehmen zu führen ist – unabhängig davon, ob es ansonsten den Regeln des Aufsichtsoder des Aktienrechts unterworfen ist.73 3. Ableitung allgemeiner Rechtsgrundsätze Wie lassen sich solche allgemeinen Grundsätze auffinden? Der Vorstellung nach sind sie bereits im Bestand der Rechtsordnung enthalten.74 Es gilt also für den „Prinzipiensucher“, diejenigen Normen ausfindig zu machen, in denen sie sich explizit niedergeschlagen haben. Diese Normen müssen nebeneinander gelegt und hiervon ausgehend induktiv auf die dahinterstehenden Prinzipiensätze geschlossen werden.75 Das BVerfG charakterisiert dies zutreffend als einen „Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen“76. Richtig hieran ist vor allem, dass die Induktion kein logischer Schluss ist. Sie steht aber auf umso breiteren Stützpfeilern, je mehr geschriebene Normen sich finden lassen, aus denen derselbe allgemeine Gedanke hervorschimmert.77 Findet sich daher ein Governance-Gedanke im Aktien- und Aufsichtsrecht, so liegt ein induktiver Schluss auf einen dahinter liegenden allgemeinen Grundsatz jedenfalls nah. Weiter muss man sich – wie in jedem Fall der Rechtsgewinnung – vom Gleichbehandlungsgedanken tragen lassen.78 Den Normen, die einen ganz spezifischen Sachverhalt regeln, sind im Regelfall keine verallgemeinerungsfähige Aussage zu entnehmen; denen, die in der Sache auf dasselbe zielen, aber schon. Letztlich läuft diese Vorgabe darauf hinaus, aktien- und
71 Röhl/Röhl bezeichnen sie als „Tiefenstrukturen“ des Rechts, Allgemeine Rechtslehre, § 33, S. 283 ff. 72 Auch Larenz/Canaris gehen von verschiedenen „Konkretisierungsstufen“ von Prinzipien aus, Methodenlehre, S. 303 (so auch schon Canaris, Systemdenken, S. 57 f.). 73 Vgl. zu „wesentlichen Grundsätzen für eine sorgfältige Geschäftsführung“ auch Spindler, in: MünchKomm AktG, Vor § 76 Rn. 52. 74 So auch Dreher, ZGR 2010, 496, 504: „Zentrales Kriterium ist hier also die Vorfindlichkeit entsprechender Grundsätze.“ 75 Zum Vorgang der Induktion s. Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung, S. 51 f., 56 f.; Looschelders/Roth, Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendung, S. 113 f. Dazu auch Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 22 Rn. 756a: „Eine Möglichkeit besteht darin, aus verschiedenen Vorschriften des Gesetzes die Gemeinsamkeiten abzuleiten. Im Wege einer systematischen Auslegung werden die gemeinsamen Grundgedanken einer Reihe von Vorschriften festgestellt.“ 76 BVerfGE 34, 269, 287. 77 Vgl. die Beispiele bei Kaufmann, Das Verfahren der Rechtsgewinnung, S. 51 f. 78 Dieser liegt jeder Form der Rechtsgewinnung zu Grunde und betrifft den Rechtsanwender ebenso wie den Rechtsetzer, s. Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 231.
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
aufsichtsrechtliche Governance anhand ihrer Schutzzwecke zu unterscheiden.79 Vorsicht vor allzu groben Verallgemeinerungen ist also angezeigt. Geht man jedoch behutsam zu Werke, so ist ein großer Beitrag zur Systembildung getan.
IV. Zusammenfassung Die Ableitung allgemeiner Prinzipien ist somit der Schlüssel zur Abstimmung und Harmonisierung der aktien- und aufsichtsrechtlichen Corporate-GovernanceVorgaben. Er ermöglicht beide Regelungsregime systematisch zueinander in Beziehung zu setzen und die gewonnenen Erkenntnisse bei der Auslegung des Aktienrechts in zweierlei Hinsicht zu berücksichtigen: i) um einige der aufsichtsrechtlichen Normen in negativer Hinsicht als Sondermaterie abzugrenzen und ii) um andere in positiver Hinsicht als Rechtserkenntnisquelle heranzuziehen.80 Nach den zuvor entwickelten Grundregeln wird die negative Abgrenzung der Haupt- und die positive Berücksichtigung der Ausnahmefall sein.81 Der Abgleich aufsichts- und aktienrechtlicher Governance dient so nicht nur der Aufdeckung eines rechtsgebietsübergreifenden „Allgemeinen Teils“ der Corporate Governance, sondern schärft zugleich den Blick für die Besonderheiten des Aufsichtsrechts.82
B. Methodische Grenzen der Verallgemeinerung aufsichtsrechtlicher Vorgaben Der Einsatz der aufsichtsrechtlichen Governance als Rechtserkenntnisquelle des Aktienrechts muss jedoch noch von verschiedenen Seiten kritisch beleuchtet werden. Zunächst einmal ist fraglich, ob eine solche Ausstrahlung überhaupt verfassungskonform wäre (I.). Dann muss weiter untersucht werden, inwiefern sich die starke europarechtliche Durchwirkung des Aufsichtsrechts auf diesen Systembildungsversuch auswirkt. Können europarechtlich vorgeprägte Normen relevant bei der Suche nach allgemeinen Grundsätzen der nationalen Rechtsordnung sein? (II.) Danach muss noch ein Blick auf die Regelungsmodi im Aufsichtsrecht geworfen werden. Die Verhaltensanforderungen werden hier nicht in erster Linie durch das 79
Dazu bereits Zweiter Teil, D. II., S. 143 ff. Im Ergebnis ebenso Dreher, ZGR 2010, 496, 506 f.: „Im Ergebnis und in praxi bedeutet die mittelbare Ausstrahlungswirkung de lege lata also vor allem, gegebenenfalls die Vorfindlichkeit eines Rechtsgrundsatzes, der bereits im allgemeinen Aktienrecht enthalten ist, zu entdecken und bei dessen rechtlicher Konkretisierung im Aktienrecht das Aufsichtsrecht wertend zu berücksichtigen.“ 81 Dazu bereits Zweiter Teil, B.V. 2., S. 122 f. sowie D., S. 135 ff. 82 Dazu allgemein Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 80 Fn. 1: „Nichts ist in meinen Augen mehr geeignet, den Charakter des Besondern bloßzulegen als die Verfolgung des Allgemeinen in seine teleologisch begründeten Verzweigungen.“ 80
B. Methodische Grenzen aufsichtsrechtlicher Vorgaben
169
Gesetz, sondern faktisch durch die gesetzeskonkretisierenden Rundschreiben der BaFin vorgegeben. Ob auch solche Soft-Law-Instrumente ausstrahlungsfähig sind, ist daher als nächstes zu untersuchen. (III.) Abschließend werden noch zwei weitere Besonderheiten der aufsichtsrechtlichen Governance näher betrachtet: die in Zusammenhang mit der qualitativen Aufsicht eingeführte „prinzipienorientierte Regulierung“ (VI.) sowie deren häufig kriseninduzierte Entstehungsgeschichte (V.).
I. Verfassungsmäßigkeit der Ausstrahlungswirkung 1. Ausstrahlung: Gleichbehandlung von Ungleichen? Die Tragfähigkeit einer solchen Ausstrahlungswirkung muss sich zunächst vor verfassungsrechtlichem Hintergrund beweisen.83 Eine zentrale Vorgabe für den Gesetzgeber und die Gerichte84 ist die Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 GG, also die Vorgabe Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln.85 Finanzinstitute sind aus verschiedenen Gründen „besonders“. Sie erfüllen bedeutende volkswirtschaftliche Aufgaben, sind aber aufgrund ihrer Vertrauensanfälligkeit auch in besonderem Maße anfällig für Krisen.86 Hiervor müssen sowohl die Institutskunden als auch die Gesamtwirtschaft geschützt werden. Finanzinstitute unterliegen daher mit gutem Grund einem weit reichenden Sonderrecht und sind strenger reguliert als eine „normale“ Aktiengesellschaft. Man kann insofern von einem „Ungleichbehandlungsgebot“ aus Art. 3 GG sprechen. Diesem Gebot ist bei der Konzeption der Ausstrahlung bereits implizit Rechnung getragen worden, gilt sie doch nur im absoluten Ausnahme-, nicht aber im Regelfall.87 Dieser Fall ist nur gegeben, wenn aktien- und aufsichtsrechtliche Governance ausnahmsweise dieselben Ziele verfolgen.88 Trotzdem bedarf es noch einer genaueren Analyse, um sicherzustellen, dass das Gebot der Ungleichbehandlung zwischen regulierten und unregulierten Unter83 Zuletzt Langenbucher, ZHR 176 (2012) 652, 667 f.: „Die konkretisierende Heranziehung solcher Vorgaben zur Ausfüllung aktienrechtlicher Prinzipien würde sich in vielen Fällen als überraschende und deshalb verfassungsrechtlich nicht unbedenkliche Einwirkung auf nicht regulierte Industrien darstellen.“ Siehe zudem Binder, ZGR 2013, 760, 789 ff. für eine eingehende grundrechtliche Prüfung der Rechtslage in der Bank-AG. 84 Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 11 Rn. 460: „Art. 3 Abs. 1 […] verlangt allgemein die Rechtsanwendungsgleichheit (Gleichheit vor dem Gesetz) und die Rechtssetzungsgleichheit (Gleichheit des Gesetzes).“ Eingehend Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Rn. 303 ff. (Bedeutung des Art. 3 GG für die Gesetzgebung), und Rn. 394 ff. (Gleichheit durch den Richter). 85 BVerfGE 3, 58, 135: „Gleiches [ist] gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden [zu behandeln]“. Hierbei handelt es sich um das „Grundthema unserer Verfassung“, so Dürig/Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Rn. 3. 86 Dazu bereits eingehend Erster Teil C. I. 1., S. 48 ff.; C. II. 1., S. 65 ff. und C. III. 1., S. 70 ff. 87 Dazu schon Zweiter Teil B. V. 2., S. 122 f. sowie gerade Dritter Teil A. IV., S. 168. 88 Dazu eingehend Zweiter Teil D. III., S. 146 ff.
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
nehmen nicht durch die Ausstrahlung aufsichtsrechtlicher Vorgaben auf das Aktienrecht unterlaufen wird. 2. Grundrechtliche Berührungspunkte Dieser Frage kann man sich von zwei verschiedenen Perspektiven aus nähern. Die erste ist diejenige der Anteilseigner des Unternehmens. Der Schutz ihres Mitgliedschaftsrechts ergibt sich aus Art. 14 GG.89 Durch die Formulierung zusätzlicher Verhaltensanforderungen an ihre Unternehmensverwaltung wird dieses Grundrecht womöglich unverhältnismäßig beeinträchtigt. Eine zweite Perspektive nähert sich dieser Frage aus dem Blickwinkel der juristischen Person.90 Deren Gewerbefreiheit wird über Art. 12 GG geschützt.91 Die Formulierung verbindlicher CorporateGovernance-Regeln im Wege der Ausstrahlungswirkung stellt einen Eingriff in ihre unternehmerische Handlungs- und Organisationsfreiheit dar. a) Die Rechte der Anteilseigner: Art. 14 GG Das Anteilseigentum gehört zu den von Art. 14 GG geschützten Vermögenspositionen.92 Es ist gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum und damit in hohem Maße von der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber abhängig.93 Dieser Ausge89
Zuvor schon BVerfGE 14, 263, 276 ff. (Feldmühle); 25, 371, 407 (Rheinstahl); 290, 341 ff. (Mitbestimmung); 100, 289, 301 (DAT/Altana). Jüngst BVerfG ZIP 2012, 1402 (Macrotron). Dazu Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 195. Eingehend Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, S. 1009 ff.; Schön, in: FS Ulmer, S. 1359 ff. 90 Gem. Art. 19 Abs. 3 GG sind auch juristische Personen des Privatrechts grundrechtsfähig, sofern die einzelnen Grundrechte „dem Wesen nach“ auf sie Anwendung finden, s. dazu BVerfGE 21, 362, 369; 53, 1, 13; 59, 231, 255; 61, 82, 100 f.; 68, 193, 205 f. Wie dies festzustellen ist, ist umstritten. Das Verfassungsgericht fragt zumeist danach, ob die juristische Person die Freiheiten seiner Mitglieder im Sinne eines „personalen Substrats“ verwirkliche. In der Literatur wird hingegen die Feststellung einer vergleichbaren Gefährdungslage gefordert, vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 5 Rn. 165 ff.; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Rn. 27 ff. 91 Dazu eingehend Rittner/Dreher, Deutsches und europäisches Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 43 ff., die Art. 12 GG als das „wirtschaftsverfassungsrechtliche Hauptgrundrecht“ bezeichnen (Rn. 60). Zwar gilt auch für juristische Personen Art. 14 GG; dieser schützt allerdings nur das bereits Erworbene, nicht den Erwerb. Art. 12 GG ist somit spezieller, s. BVerfGE 30, 292, 344 f.; eingehend zur Abgrenzung Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 130 ff. Die meisten Analysen der Verfassungsmäßigkeit aufsichtsrechtlicher Organisationspflichten stützen sich daher auch schwerpunktmäßig auf Art. 12 GG s. Junker, Gewährleistungsaufsicht, S. 197 f.; Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 274 ff.; Schenke, in: Hdb. VersicherungsaufsichtsR, § 1 Rn. 39 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 453 ff. 92 Dazu schon Fn. 89, S. 170. Ausführlich Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 460 ff. 93 BVerfGE 50, 290, 342. Allgemein Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 135: „Die für das öffentliche Wirtschaftsrecht vor allem einschlägigen
B. Methodische Grenzen aufsichtsrechtlicher Vorgaben
171
staltungsaufgabe ist der Gesetzgeber durch die verschiedenen Gesellschaftsrechtsformen nachgekommen.94 Insbesondere der Aktiengesellschaft hat er mit der Verpflichtung auf die Satzungsstrenge gemäß § 23 Abs. 5 AktG eine ganz eigene, konkrete Prägung gegeben.95 Weicht er von diesem Idealbild ab, indem er zusätzliche Anforderungen an die Unternehmensorganisation in anderen Gesetzen wie dem KWG verankert, so liegt darin eine begründungsbedürftige Einschränkung des Eigentumsrechts,96 die nur durch Verweis auf andere Schutzgüter gerechtfertigt werden kann.97 Im Fall des KWG sind dies das öffentliche Interesse an der Finanzstabilität sowie die – ebenfalls über Art. 14 GG geschützten – Vermögensrechte der Institutskunden.98 Die stärkere rechtliche Einbindung von Finanzinstituten folgt also aus ihrer stärkeren Bindung an die Interessen der Allgemeinheit. Diese „Sozialbindung des Eigentums“ ist in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ausdrücklich niedergelegt. Je intensiver diese Sozialbindung, desto weiter geht die Befugnis des Gesetzgebers, die Unternehmen in ein enges Regelungskorsett einzubinden.99 Im Aufsichtsrecht schlägt sich dies unter anderem in weitreichenden Vorgaben an die Kapitalausstattung der Institute nieder. Diese greifen tief in die Struktur der Gesellschaft ein und verformen das aktienrechtliche Vorbild erheblich.100 Vergleichbare Regelungen könnten in der „normalen Aktiengesellschaft“ gerade nicht gelten, da rechtfertigende Gründe hierfür nicht ersichtlich wären.
Grundrechte der Art. 12 und 14 GG dagegen sind in hohem Maße gesetzgeberischer Gestaltung offen.“ 94 Dazu auch BVerfGE 50, 290, 355: der Gesetzgeber sei verpflichtet „eine hinreichende Vielfalt von Rechtsformen zur Verfügung zu stellen, die den verschiedenen Typen von Vereinigungen angemessen und deren Wahl deshalb zumutbar ist.“ Dazu Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, S. 1009, 1013: „Aufgabe ist die ,Bereitstellung einer funktionsfähigen Privatrechtsordnung‘.“; Schön, in: FS Ulmer, S. 1359, 1362 f. 95 K. Schmidt spricht vom „verfassungsmäßige[n] Strukturtypus der Aktiengesellschaft“, GesR § 26 III, S. 771. 96 Vgl. auch am Beispiel des Mehrstimmrechts Schön, in: FS Ulmer, S. 1359, 1364: „Es macht eben einen Unterschied, ob eine Aktienrechtsordnung von vornherein Mehrstimmrechte nicht kennt […] oder ob im Rahmen einer Gesetzesreform existierende Mehrstimmrechte abgeschafft werden.“ 97 Von einem Eingriff kann aufgrund der Ausgestaltungsbedürftigkeit des Grundrechts nicht gesprochen werden, vielmehr handelt es sich beim AktG ebenso wie beim KWG um sog. Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Auch diese unterliegen aber Anforderungen an ihre Rechtfertigung, s. Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 23 Rn. 1006 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 308 ff. 98 So ausdrücklich zum Schutz des Versicherungsnehmers BVerfGE 114, 1, 41; implizit für Bankeinleger auch BVerfGE 14, 197, 198. Zum grundrechtlich gebotenen Schutz des Kapitalanlegers schon Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 261 ff. und passim. 99 BVerfGE 50, 290, 340: „Dagegen ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung um so weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht […].“ 100 So auch schon Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 268; U. H. Schneider, DB 1993, 1909, 1910; ders., ZGR 1996, 225, 228.
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
Wie steht es aber um die Ausstrahlung von Corporate-Governance-Vorgaben? Die Anforderungen an die Leitung und Kontrolle eines Unternehmens greifen nicht in die Struktur des Unternehmens ein, sondern formulieren ausschließlich Anforderungen an das Verhalten der Unternehmensführung.101 Den Anteilseignern einer unregulierten Aktiengesellschaft werden daher durch die Ausstrahlung keinerlei Vorschriften „übergestülpt“, die richtigerweise nur Anteilseigner regulierter Unternehmen hinzunehmen hätten. Insbesondere müssen ihre Interessen nicht zu Gunsten der Gläubiger oder der Öffentlichkeit zurückstehen, da für die Ausstrahlung nach der hier vertretenen Ansicht allein solche Normen in Betracht kommen, die dem Schutz der Aktionäre und der Institutskunden gleichermaßen dienen, weil sie auf die Sicherung des Unternehmensbestands ausgerichtet sind.102 An dieses „Unternehmensinteresse“ sind aber nicht nur Aktiengesellschaften des regulierten, sondern auch des unregulierten Sektors gebunden.103 Die Ausstrahlungswirkung stellt demnach keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des grundrechtlich gewährleisteten Schutzes des Aktieneigentums dar. b) Die Rechte der Unternehmen: Art. 12 GG Auch die juristische Person kann sich zum Schutz ihrer Handlungs- und Organisationsfreiheit auf die Verfassung berufen.104 Artikel 12 Abs. 1 GG schützt die Freiheit der Berufsausübung und der Berufswahl; hierzu zählt auch die „Erwerbszwecken dienende freie unternehmerische Betätigung“105. Rechtliche Vorgaben an die Unternehmensorganisation stellen regelmäßig einen Eingriff in diese Freiheit dar.106 Inwiefern solche Eingriffe gerechtfertigt sind, prüft das Verfassungsgericht
101 So auch U. H. Schneider, der die Compliance-Pflicht als öffentlich-rechtliche Verhaltens- nicht aber Strukturnorm einordnet, ZGR 1996, 225, 227 f., 229 ff. 102 Dazu schon Zweiter Teil D. III., S. 146 ff. 103 Kritisch hierzu Schön, die nicht näher definierten Interessen des Unternehmens „an sich“ würden so gegen die Aktionäre in Stellung gebracht, in: FS Ulmer, S. 1359, 1373 ff. Das Unternehmensintersse bezeichnet allerdings nicht nach Rathenau’scher Prägung das (wohl undefinierbare) Interesse der juristischen Person, sondern ist eine Mischung der Interessen aller am Unternehmen beteiligten Interessengruppen. So ist auch das BVerfG zu verstehen: „[E]s [ist] insoweit dem Vorstand als Leitungsorgan der Gesellschaft vorbehalten, die Belange aller Gesellschafter, aber auch das Interesse der Gesellschaft selbst, das nicht notwendig mit den Aktionärsinteressen identisch sein muss, zu wahren.“ ZIP 1999, 1801, 1802. 104 BVerfGE 30, 292, 302; 50, 290, 362 ff.; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Rn. 102. 105 So ausdrücklich BVerwGE 71, 183, 188; ähnlich BVerfGE 30, 292, 302; 50, 290, 362 ff. Ausführlich Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 453 ff. 106 Ein Eingriff in Art. 12 GG muss „berufsregelnde Tendenz“ aufweisen, BVerfGE 97, 228, 253. Dazu Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 21 Rn. 892 f. Das ist bei Organisationspflichten regelmäßig gegeben, sie sind final und unmittelbar berufsregelnd.
B. Methodische Grenzen aufsichtsrechtlicher Vorgaben
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anhand der sog. Drei-Stufen-Theorie.107 Hiernach werden unterschiedlich strenge Voraussetzungen an die Rechtfertigung des Eingriffs gestellt, je nachdem ob dieser die Berufsausübung betrifft oder subjektive bzw. objektive Schranken für die Berufswahl aufstellt.108 Auch hier zeichnet sich eine eindeutige Unterscheidung zwischen Unternehmen des Finanzsektors und den „normalen“ Aktiengesellschaften ab. Die Corporate-Governance-Anforderungen an Banken und Versicherungen werden bereits im Rahmen der Zulassung des Instituts zum Geschäftsbetrieb überprüft; es handelt sich damit um subjektive Berufswahlschranken.109 Diese sind mit Blick auf die bedeutenden Schutzgüter110 auch gerechtfertigt.111 Die aktienrechtlichen Regelungen gehören demgegenüber zur Gruppe der weniger eingriffsintensiven Berufsausübungsregelungen, die bereits unter Rückgriff auf „hinreichende Gründe des Gemeinwohls“ gerechtfertigt werden können.112 Hierzu zählt sicherlich der Schutz der am Unternehmen beteiligten Interessengruppen, den die zivilrechtliche Rechtsprechung als „Schutz des Unternehmensinteresses“113 bezeichnet und der durch die „ausstrahlenden“ Corporate-Governance-Grundsätze gesichert wird. Die Ausstrahlung stellt somit auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Aber nicht nur mit Blick auf die Stufentheorie, sondern auch in einer anderen Hinsicht ist der durch Art. 3 GG geforderte „Abstand“ zwischen der normalen und der regulierten Aktiengesellschaft gewahrt. Denn ihre Berufsausübung wird weniger stark beeinträchtigt, da sie nicht unter kontinuierlicher staatlicher Aufsicht steht und die Durchsetzung aktienrechtlichen Anforderungen ausschließlich ihren eigenen Unternehmensorganen überantwortet ist. Trotz der Ausstrahlung fällt der Eingriff in die Berufsfreiheit der nicht-regulierten Aktiengesellschaft daher wesentlich geringer aus als der Eingriff in die Berufsfreiheit der Finanzinstitute. Auch mit Blick auf Art. 12 ist das „Ungleichbehandlungsgebot“ daher gewahrt. 107
Grundlegend BVerfGE 7, 377 ff. (Apothekenurteil), seither std. Rspr.; eingehend dazu Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 21 Rn. 894 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 335 ff. 108 Subjektive Berufswahlregeln betreffen Eigenschaften, die im Grundrechtsträger selbst angelegt sind. Objektive Berufswahlregeln sind dagegen solche, die unabhängig von den individuellen Fähigkeiten des Betroffenen sind und von ihm nicht beeinflusst werden können, s. BVerfGE 7, 377, 406. 109 So auch die Einordnung bei Burgi, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 4 Rn. 37; Junker, Gewährleistungsaufsicht, S. 197; Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 274; Schenke, in: Hdb. VersicherungsaufsichtsR, § 1 Rn. 43; T. Schneider, Risikomanagement, S. 43. A.A. Höhns, Aufsicht über Finanzdienstleister, S. 66; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 454 f. (Organisationsanforderungen seien Berufsausübungsregeln). 110 Dazu bereits Erster Teil C. I. 2., S. 53; C. II. 2., S. 67; C. III. 2., S. 74. 111 Eingehend zur Verfassungsmäßigkeit des KWG Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 272 ff.; im Ergebnis ebenso Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 460. Höchstrichterliches Plazet durch BVerfGE 14, 197. 112 So BVerfGE 93, 362, 369; 103, 1; im Ausgangsurteil war noch von „vernünftigen Gründen“ die Rede, s. BVerfGE 7, 377, 378 (Leitsatz 6a). 113 Dazu bereits Erster Teil A. III. 2., S. 35 f.
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
c) Ebenso betroffene Grundrechtspositionen: Art. 9 und Art. 2 GG Neben den Artikeln 12 und 14 GG rücken die Vereinigungs- (Art. 9 GG) sowie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in den Blick. Art. 9 Abs. 1 GG schützt ebenfalls die Organisation, Willensbildung und Geschäftsführung innerhalb privater Vereine und Gesellschaften,114 und zwar zu Gunsten der Anteilseigner sowie der Vereinigung selbst.115 Wie bei Art. 14 GG handelt es sich um ein ausgestaltungsbedürftiges Grundrecht,116 so dass sich im Ergebnis keine Abweichungen zum bereits Gesagten ergeben.117 Ähnlich steht es um die allgemeine Handlungsfreiheit. Grundsätzlich tritt diese sowieso hinter die insoweit spezielleren Artt. 12 und 14 GG zurück.118 Selbst wenn man ihr aber eigenständigen Gehalt zumäße, so könnte sie aus sich heraus keine strengeren Rechtfertigungsanforderungen stellen als die beiden erstgenannten Grundrechte.119 Folglich ist die Ausstrahlungswirkung auch mit Art. 2 GG zu vereinbaren. 3. Fazit: Die Ausstrahlungswirkung ist verfassungsgemäß, solange … Die Ausstrahlung aufsichtsrechtlicher Normen in das Aktienrecht stellt somit keine verfassungsrechtlich unzulässige Gleichbehandlung von Ungleichen dar, solange zwei Vorgaben strikt beachtet werden. a) … sie nur Verhaltens-, nicht aber Strukturnormen betrifft und … Zunächst muss streng zwischen der Übertragung von Struktur- und Verhaltensnormen unterschieden werden.120 Erstere greifen tief in die Unternehmensverfassung 114
BVerfGE 50, 290, 353 f.; 80, 244, 253. BVerfGE 50, 290, 354. Dazu Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 42 ff. 116 BVerfGE 50, 290, 354: die Vereinigungsfreiheit sei „in mehr oder minder großem Umfang auf Regelungen angewiesen, welche die freien Zusammenschlüsse und ihr Leben in die allgemeine Rechtsordnung einfügen, die Sicherheit des Rechtsverkehrs gewährleisten, Rechte der Mitglieder sichern und den schutzbedürftigen Belangen Dritter oder auch öffentlichen Interessen Rechnung tragen. Demgemäß ist mit der verfassungsrechtlichen Garantie der Vereinigungsfreiheit seit jeher die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ausgestaltung dieser Freiheit verbunden, ohne die sie praktische Wirksamkeit nicht gewinnen könnte.“ 117 Schmidt-Aßmann spricht von einem „Schutz- und Ordnungszusammenhang“ zwischen Art. 9, 12 und 14 GG, in: FS Badura, S. 1009, 1012. 118 So Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 8 Rn. 387 f.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 132. Im Ergebnis auch Junker, Gewährleistungsaufsicht, S. 195 f.; Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 281. Eingehend zur Abgrenzung Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 449 ff. 119 Ebenso Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 452. 120 Zu dieser Unterscheidung schon U. H. Schneider, DB 1993, 1909 ff.; ders., ZGR 1996, 225, 227 ff. 115
B. Methodische Grenzen aufsichtsrechtlicher Vorgaben
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ein und verändern das vom Gesetzgeber vorgezeichnete Bild der Aktiengesellschaft maßgeblich zum Nachteil der Aktionäre. Hierzu zählen zum Beispiel die Anforderungen an die Kapitalausstattung von Finanzinstituten. Solche Regelungen bedürfen einer gesonderten Rechtfertigung, die außerhalb regulierter Wirtschaftssektoren nicht existiert. Sie können daher nicht im Wege der Ausstrahlung auf das Recht der Aktiengesellschaft übertragen werden.121 Die Corporate-Governance-Regeln formulieren hingegen Verhaltensstandards, die sich in das vom Gesetzgeber bereitgestellte Gefüge des Aktienrechts bruchlos eingliedern lassen, wenn nur die Anforderungen an eine „wirksame“ Ausstrahlung erfüllt sind.122 b) … die Rechtsdurchsetzung weiterhin privaten Akteuren vorbehalten bleibt Der zweite maßgebliche und ebenfalls durch die Grundrechte vorgezeichnete Unterschied zwischen aktien- und aufsichtsrechtlicher Governance besteht in der Form ihrer Durchsetzung. Ein Unternehmen des Finanzsektors wird auf Schritt und Tritt durch die Aufsichtsbehörde überwacht. Das ist auch notwendig, da die durch das Aufsichtsrecht geschützten Gruppen, namentlich die Institutskunden, aber auch die Öffentlichkeit, ihre Interessen nicht selbst wahrnehmen können. Ganz anders stellt sich das Bild jedoch im Aktienrecht dar. Hier besteht kein Anlass, von außen in die Rechtsdurchsetzung einzugreifen, die – getreu privatrechtlicher Prinzipien123 – ausschließlich den betroffenen Akteuren selbst überlassen ist. Eine Ausweitung der Eingriffsbefugnisse der BaFin darf daher mit einer Ausstrahlung keinesfalls einhergehen.124
II. Kollision zweier Rechtsordnungen: Relevanz des europarechtlich geprägten Aufsichtsrechts für die Systembildung im nationalen Recht 1. Problemaufriss Die bisherige Darstellung wird ganz von dem Gedanken eines einheitlichen Systems unserer Rechtsordnung geleitet125 und geht von vielfältigen Verknüpfungen und Wechselbeziehungen zwischen den beiden Teilrechtsordnungen des Öffentli-
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Für die §§ 10 – 11 KWG auch Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 253. Dazu zusammenfassend Zweiter Teil D. V., S. 155. 123 Dazu bereits Zweiter Teil, A. II. 1. c), S. 89 f. 124 Gegen eine solche Ausweitung der Behördenbefugnisse de lege ferenda auch Habersack, Gutachten E zum 69. DJT 2012, These 25, E 106 sowie Bachmann, Gutachten E zum 70. DJT 2014, E 124. 125 Dazu bereits Zweiter Teil, B. I. 1., S. 101. 122
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
chen Rechts und des Privatrechts aus.126 Diese Verknüpfungen beruhen auf ungeschriebenen, allgemeinen Grundsätzen des Rechts, die hinter dem Normtext stehen und diesen von innen heraus zusammenhalten.127 Diese Vorstellung ist aber insofern unvollständig, als dass sie nur von einem einzigen System ausgeht und außer Acht lässt, dass sich mit fortschreitender europäischer Integration ein zweites, autonomes Rechtssystem daneben etabliert hat.128 Diese Feststellung eröffnet eine völlig neue Dimension für die Frage der Ausstrahlung, denn nun ist nicht mehr nur das Verhältnis von Öffentlichem Recht und Privatrecht zu untersuchen; vielmehr interagieren auch die europäische und die deutsche Rechtsordnung miteinander.129 Können die Rechtsgedanken des europäischen Rechts durch die Ausstrahlungswirkung – quasi „durch die Hintertür“ – in das national geprägte Recht der internen Corporate Governance hineinwirken?130 2. Integrationstiefe des Aktien- und des Aufsichtsrechts a) Mindestharmonisierung im Gesellschaftsrecht Das Gesellschaftsrecht der Mitgliedsstaaten steht bereits seit einigen Jahrzehnten im Fokus des europäischen Gesetzgebers. Nicht nur hat er die Harmonisierung in verschiedenen Kernfragen wie zum Beispiel der Kapitalbindung vorangetrieben, sondern zugleich eigene supranationale Rechtsformen wie die SE zur Beflügelung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs bereitgestellt. Dennoch ist das europäische Gesellschaftsrecht geprägt vom Konzept der Kernbereichs- und Mindestharmonisierung.131 Grund hierfür ist der politische Wille, den „Wettbewerb der Rechtsformen“ in diesem Bereich zu erhalten. Diese „Integrationszurückhaltung“ schlägt sich insbesondere in Fragen der internen Corporate Governance durch.132 Große Prestigeprojekte wie die Struktur- oder Konzernrichtlinie sind nach lang-
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Dazu bereits Zweiter Teil, A.III. 3., S. 94. Dazu bereits Dritter Teil, A. IV., S. 168. 128 Grundlegend EuGH, Slg. 1963, 1 ff. (Van Gend & Loos); Slg. 1964, 1251 ff. (COSTA/ E.N.E.L.) 129 BVerfGE 52, 187, 200: „Mitgliedstaatliche Rechtsordnung und Gemeinschaftsrechtsordnung stehen nicht unvermittelt und isoliert nebeneinander; sie sind in vielfältiger Weise aufeinander bezogen, miteinander verschränkt und wechselseitigen Einwirkungen […] geöffnet.“ 130 Auf diese Problematik ebenfalls hinweisend Bürkle, CCZ 2008, 50, 55 f.; Dreher, ZGR 2010, 496, 506; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 561. 131 Das bedeutet, dass nicht umfassend sondern nur in bestimmten Themenbereichen harmonisiert wird, s. Habersack/Verse, Europ. GesR, § 4 Rn. 17 und 25 („Kernbereichsharmonisierung“) und dort, wo harmonisiert wird, geschieht dies zumeist nur als Mindeststandard, s. Grundmann, Europ. GesR, § 31 Rn. 1167. 132 Zur externen und internen Corporate Governance s. Erster Teil, A. II., S. 29 ff. 127
B. Methodische Grenzen aufsichtsrechtlicher Vorgaben
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wierigen Verhandlungen gescheitert.133 Selbst für die genuin europäische Societas Europaea (SE) wird für die Ausgestaltung des Verbandsinnenrechts weitgehend auf die nationalen Rechtsordnungen verwiesen;134 auf eine umfassende Kodifizierung der SPE konnten sich die Mitgliedsstaaten bis dato nicht einigen.135 Ursache hierfür sind in erster Linie die unterschiedlichen Vorstellungen über die Arbeitnehmermitbestimmung.136 Die interne Corporate Governance ist europarechtlich somit weitgehend unbeackertes Land; das wird sich auch durch den aktuellen Aktionsplan137 nicht ändern. Allein die Mechanismen externer Corporate Governance sind vom europäischen Gesetzgeber bisher schrittweise vereinheitlicht worden. Das führt im Ergebnis dazu, dass das Recht der börsennotierten AG weitgehend europäisch determiniert ist, das Recht der nicht börsennotierten AG hingegen nicht. Der jüngste Vorschlag der Kommission im Grünbuch „Europäischer Corporate Governance Rahmen“ hieran etwas zu ändern,138 ist mehrheitlich abgelehnt worden.139 b) Trend zur Vollharmonisierung im Aufsichtsrecht Ganz anders stellt sich das Bild im Aufsichtsrecht dar. Hier ist die Vereinheitlichung des Bank- und Versicherungsaufsichtsrechts in den letzten Jahrzehnten ganz erheblich vorangetrieben worden.140 Heutzutage findet sich auf europäischer Ebene ein nahezu unüberschaubarer Korpus bank- und versicherungsaufsichtsrechtlicher Richtlinien,141 der beständig weiterentwickelt und konsolidiert wird. So fasst die aktuelle Solvency II-Richtlinie für den Versicherungssektor 13 Richtlinien zusammen, die zuvor bereits in dritter Generation vorgelegen hatten.142 Aber nicht nur die schiere Menge der Vorgaben, sondern auch die Integrationstiefe sind ein besonderes Charakteristikum des europäischen Aufsichtsrechts. So werden die CRD IV- und
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Zur ursprünglich geplanten 5. und 9. Richtlinie s. Habersack/Verse, Europ. GesR, § 4 Rn. 10 ff., 15 ff. 134 Vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO. 135 Mit der sogenannten „REFIT – Fit for Growth“ Kampagne der Europäischen Kommission aus dem Oktober 2013 liegt dieses Projekt nun endgültig auf Eis. 136 Vgl. Behrens, in: Dauses, Hdb. EU WirtschaftsR, E. III. Rn. 50, 65 ff. 137 KOM(2012) 740 endg. Prominente Ausnahme ist die von der ehemaligen Kommissarin Reding geprägte Diskussion um die Einführung einer verbindlichen Frauenquote, vgl. KOM (2012) 614 endg. 138 EU Kommission, Grünbuch Europäischer CG Rahmen, S. 5. 139 Feedback Statement, Europäischer CG Rahmen, S. 6. 140 Dazu Hübner, in: Dauses, Hdb. EU WirtschaftsR, E. IV. Rn. 6 ff., 80 ff.; Kolassa, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 135; Rittner/Dreher, Europ. u. deutsches WirtschaftsR, § 32 Rn. 3 ff. für die Kreditwirtschaft und § 31 Rn. 4 ff. für die Versicherungswirtschaft. 141 Eine tabellarische Gegenüberstellung findet sich bei Schnyder, Europäisches Bankenund Versicherungsrecht, § 2 (bis 2004). 142 Vgl. Art. 310 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II).
178
3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
MiFID II-Richtlinie von unmittelbar geltendem Verordnungsrecht flankiert143 und für den Versicherungssektor erhebt die Solvency II-Richtlinie einen umfassend vollharmonisierenden Regelungsanspruch.144 3. Abstimmung des nationalen und supranationalen Rechts Die Abstimmung des nationalen und supranationalen Rechts muss sich richtigerweise an den Kompetenzen der Europäischen Union orientieren, denn diese stecken die Grenzen der beiden Rechtsordnungen ab. Das folgt aus dem in Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG niedergelegten Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.145 a) Keine Überschreitung der Kompetenzgrenzen Genau diese Kompetenzfrage ist es auch, die die Debatte um eine Ausstrahlungswirkung der §§ 31 ff. WpHG auf das Bankvertragsrecht dermaßen angeheizt hat. Erlaubte man eine Konkretisierung zivilvertraglicher Pflichten durch die Maßgaben des Kapitalmarktrechts, nähme die Union plötzlich Einfluss auf das bis dato nicht harmonisierte Recht der Schuldverhältnisse. Hiergegen formiert sich erheblicher Widerstand.146 Eine vergleichbare Ausgangslage besteht bei der Untersuchung von Aktien- und Aufsichtsrecht jedoch nicht. Denn die Europäischen Verträge halten sowohl für die Angleichung des Aufsichts- als auch des Gesellschaftsrechts Kompetenzgrundlagen vor.147 Art. 50 Abs. 2 lit. g) AEUV ermöglicht die Koordination von Schutzbestimmungen „im Interesse der Gesellschaft sowie Dritter“ und wird grundsätzlich sehr weit ausgelegt.148 Die Vorschrift könnte grundsätzlich die interne Governance erfassen, bisher mangelt es allein am politischen Willen. Der Grad der bisher ausgeübten Kompetenz rechtfertigt es jedoch nicht, hier von einem „Übergriff“ der europäischen in die nationale Rechtssphäre auszugehen. Die Kompetenzgrenzen der Union stehen einer Ausstrahlung daher hier nicht entgegen. 143
Vgl. VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) und VO (EU) Nr. 600/2014 (MiFiR). Dazu Dreher/Lange, VersR 2011, 825 ff. Für das Kapitalmarktrecht allgemein Walla, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 2 Rn. 53: „Die Europäische Kommission forciert seit dem Financial Services Action Plan einen Übergang von der Mindest- zur Vollharmonisierung.“; konkret zur MiFiD II Veil/Lerch, WM 2012, 2557, 1559. 145 Das europarechtliche Pendant hierzu findet sich in Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AEUV. Eingehend dazu Haratsch/König/Pechstein, Europarecht, Rn. 153 ff. 146 Besonders kritisch Assmann, FS U. H. Schneider, S. 37 ff.; für einen strikten Vorrang des europäisch geprägten Kapitalmarktrechts aber Herresthal, WM 2012, 2261, 2263 f. 147 Art. 53 AEUV als Grundlage der Angleichung des Aufsichts- und Art. 50 Abs. 2 lit. g) AEUV als Grundlage der Gesellschaftsrechtsangleichung. 148 EuGH, Slg. 1997, I-6859 ff. sowie Grundmann, Europ. GesR, § 4 Rn. 98; Habersack/ Verse, Europ. GesR, § 3 Rn. 41 ff.; Lutter/Bayer/Schmidt, Europ. Untern. u. KapMarktR, § 2 Rn. 8. 144
B. Methodische Grenzen aufsichtsrechtlicher Vorgaben
179
b) Europäisches Recht als Bestandteil der deutschen Rechtsordnung Dieses Ergebnis wird bestätigt, wenn man Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG nicht nur als starre Grenze, sondern vielmehr als Scharnier zwischen der europäischen und der deutschen Rechtsordnung begreift.149 Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung kann so als vorweggenommene Anerkennung des unmittelbar geltenden europäischen Rechts verstanden werden. Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG fungiert demnach als Transmissionsriemen, der die Wertungen des europäischen Rechts in die deutsche Rechtsordnung integriert.150 Noch deutlicher zeigt sich dies beim Richtlinienrecht, das ohnehin durch einen Umsetzungsakt in die nationale Rechtsordnung integriert werden muss. Betrachtet man das Verhältnis von deutschem und europäischem Recht aus diesem Blickwinkel, so löst sich das eingangs genannte Problem auf. Denn obwohl ein Großteil der aufsichtsrechtlichen Normen europarechtlich durchwirkt ist, sind diese trotzdem vollwertige Bestandteile der deutschen Rechtsordnung.151 Die Ausstrahlung der aufsichtsrechtlichen Governance würde also nicht durch ihre europarechtliche Durchwirkung konterkariert.152
149 Ähnlich Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 68 S. 533: „Das nationale Recht öffnet ihm sozusagen seinen Souveränitätspanzer.“; wortgleich Hilf, in: K. Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts, S. 219, 220. 150 Radelsholz spricht für die allgemeinere Vorschrift des Art. 24 GG von einem „Anwendungsbefehl“, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 24 Rn. 12. 151 Vgl. Häberle, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 303: „In dem Maße, in dem alle Rechtsgebiete in die europa- und internationalrechtlichen Dimensionen hineinwachsen, können wir unser heutiges Vorgabe-Problem nicht mehr von der ,Einheit‘ der nationalen Rechtsordnung her angehen. Hier rückt die Ganzheit des Europäischen vor Augen.“; in diese Richtung auch Grimm, Das Öffentliche Recht vor der Frage nach seiner Identität, 2012, S. 47. Zum nationalen und zum EU-Recht als Teile einer einheitlichen Rechtsordnung auch Hilf, in: K. Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts, S. 219 ff. 152 So auch im Ergebnis Langenbucher zur Frage der Abstimmung von §§ 31 WpHG und dem Recht des Beratungsvertrages, FS Hopt, S. 2175, 2187. Anders aber (mit Blick auf die Kodifikationsidee) Kübler, in: FS K. Schmidt, S. 1041, 1047: „[D]as nationale Gesetzgebungswerk besteht nunmehr aus zwei strikt zu unterscheidenden Elementen: den von der EG vorgegebenen, die der mitgliedsstaatlichen Disposition entzogen sind, und den übrigen, über die die nationale Gesetzgebung weiterhin verfügen darf. Ein derartiges Konglomerat lässt sich nur dann als [einheitliche, Anm. d. Verf.] Kodifikation bezeichnen, wenn man diesen Begriff aller historischen Bezüge entkleidet.“
180
3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
III. Zur Bedeutung von Soft-Law-Instrumenten für die Ausstrahlungswirkung 1. Problemaufriss Die Corporate-Governance-Regulierung zeichnet sich durch die schwindende Relevanz gesetzlicher Vorgaben aus.153 Vielmehr dominieren transnationale Standards (Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht), Vorgaben privater Institutionen (listing standards verschiedener Börsen) sowie gesetzeskonkretisierende Maßgaben in Form von Kodizes (DCGK) oder Rundschreiben (BaFin).154 Hierdurch entsteht ein hochkomplexes Regelungsgewebe, dessen Zusammenspiel als methodisch noch weitestgehend ungeklärt bezeichnet werden darf. Die Einordnung solcher Soft-LawInstrumente155 in den traditionellen Kanon der Rechtsquellen fällt schwer; wird aufgrund ihrer stetig zunehmenden Bedeutung aber immer wichtiger.156 Gemeinsam ist ihnen, dass sie außerhalb des verfassungsrechtlich vorgegebenen Rechtserzeugungsprozesses entstehen und daher auch keine rechtsverbindliche Wirkung entfalten.157 Ihre faktische Steuerungswirkung ist indes enorm.158 Das ist insbesondere der Expertise der Regelsetzer geschuldet.159 Auch können Soft-Law-Standards schneller an sich ändernde Umweltbedingungen angepasst werden.160 Diese Art der Regelsetzung birgt indes auch Gefahren, erfolgt sie doch häufig wenig transparent und ohne Öffentlichkeitsbeteiligung,161 dafür aber teilweise in enger Abstimmung mit der betroffenen Industrie.162 Das eröffnet Gefahren der regulatory capture.163 153 Sieber spricht diesbezüglich von einem „grundlegenden Paradigmenwechsel“ im Bereich rechtlicher Steuerungssysteme, Rechtstheorie 41 (2010), 151, 158. 154 Möllers schreibt dazu, das Recht „zerfließe in mehrere Dimensionen“, FS Buchner, S. 649. Zur Corporate Governance in Europa als Mehrebenensystem s. eingehend Fleischer, ZGR 2012, 160 ff. Höfling bezeichnet die Internationalisierung und die Standardsetzung durch Experten und Behörden als die zwei bedeutendsten Entwicklungsstränge des Öffentlichen Rechts unserer Zeit, Gutachten für den 68. DJT 2010, F 13. 155 Der überaus dehnbare Begriff des Soft Law entzieht sich einer einheitlichen Definition, dazu Arndt, Sinn und Unsinn von Soft Law, S. 39 ff.; Müller-Graff, EuR 2012, 18 ff. 156 Erste Versuche bei Möllers, FS Buchner, S. 649 ff.; ders., in: ders. (Hrsg.) Geltung und Faktizität von Standards, S. 143 ff.; ders./Fekonja, ZGR 2012, 777. Ähnlich sein Schüler Arndt, Sinn und Unsinn von Soft Law, S. 117 ff. 157 Früh dazu schon Mertens, AG 1982, 29. 158 Siehe zu den Vor- und Nachteilen (der Selbstregulierung) auch Fleischer ZHR 168 (2004), 673, 702 f.; Mertens, AG 1982, 29, 34 f.; Müller-Graff, EuR 2012, 18, 19. Zu den „Triebkräften“ der privaten Standardsetzung Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 511 ff. 159 Dazu auch Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 482; Littger, Rechtstheorie 39 (2008), 495, 502. 160 So bereits Ballreich, GRUR Int. 1989, 383, 387: „Noch immer ist ja das Entstehen von Recht […] von einem langsam sich vollziehenden Prozeß abhängig. Es bilden sich deshalb Regelungslücken, die von Anarchie nicht weit entfernt sind. Hier hat das Soft Law seinen Raum. Es bringt die Idee einer Ordnung, wo sonst ein Vakuum bestünde.“. 161 Zu den rechtsstaatlichen Defiziten des Standardsetting statt vieler Höfling, Gutachten für den 68. DJT 2010, These 7 und 8, F 63.
B. Methodische Grenzen aufsichtsrechtlicher Vorgaben
181
2. Soft Law zur Konkretisierung aufsichtsund aktienrechtlicher Governance a) Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht Der Basler Ausschuss wurde 1974 als Folge der Herstatt-Krise gegründet und setzt sich bis heute überwiegend aus Vertretern von Aufsichtsbehörden bzw. Zentralbanken der G20 Staaten zusammen.164 Ziel war zunächst die Abstimmung und Koordination der einzelstaatlichen Herangehensweisen an die Bankenregulierung. Mittlerweile hat sich der Ausschuss zu einer Vielzahl von Fragen selbst inhaltlich positioniert.165 Da der Ausschuss nicht als völkerrechtliches Gremium zu qualifizieren ist, mangelt es all diesen Empfehlungen jedoch an Rechtsverbindlichkeit; bezeichnend spricht man auch von einem „gentleman’s agreement between central bankers“166. Der faktische Einfluss des Ausschusses kann hingegen schwerlich überschätzt werden. So war der Basel I Akkord im Jahr 1999 bereits von mehr als 100 Staaten gesetzlich implementiert worden;167 eine ähnliche Resonanz fand der wesentlich komplexere Basel II-Akkord.168 So hat der Baseler Ausschuss im Alleingang zur internationalen Konvergenz des Finanzaufsichtsrechts beigetragen.169 162 Kritisch dazu Bundesministerium für Wirtschaft und Technik, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Krise, S. 39: „Für die Zukunft ist es nötig, auch bei der Weiterentwicklung der Normen eine Vereinnahmung durch die Adressaten und ihre Expertise zu vermeiden.“ 163 Instruktiv zur Capture-Theorie Leschke, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 6 Rn. 79 ff. Lobbyismus-Gefahren beim Standardsetting im Finanzsektor sehen auch Spindler/ Hupka, in: Geltung und Faktizität von Standards, S. 117, 125. Fleischer befürchtet zu Recht „die Vernachlässigung öffentlicher Interessen, weil die betroffenen Kreise eine hohe Sensibilität in eigenen Angelegenheiten nicht selten mit weitgehender Indifferenz für alle fremden Belange verbinden […].“, ZHR 168 (2004), 673, 703. 164 Instruktiv zum Baseler Ausschuss Emmenegger, in: Grote/Marauhn, Regulation of International Financial Marktes, S. 224, 233. 165 Alle bisherigen Veröffentlichungen sind abrufbar unter: http://www.bis.org/list/bcbs/ index.htm. 166 Vgl. Emmenegger, Grote/Marauhn, Regulation of International Financial Marktes, S. 224, 233. 167 Emmenegger, Grote/Marauhn, Regulation of International Financial Marktes, S. 224, 232. 168 Emmenegger, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 405, 406 f. 169 Ein Grund hierfür mag die mathematisch-naturwissenschaftliche Form der Eigenkapitalvorschriften sein, s. Emmenegger, Grote/Marauhn, Regulation of International Financial Marktes, S. 224, 227: „Furthermore, the technicality of the Basle (sic) rule-making has helped to insulate the Commitee’s activities from the scrutiny of the national law makers: topics such as capital adequacy or credit risk modelling are brain teasers for anyone active in the respective field of study; its formulas are unspeakably dull for anyone else.“ Bedeutend ist aber auch, dass der IWF seine Kreditvergabe von der Einhaltung der Baseler Standards abhängig macht, dazu Emmenegger, Grote/Marauhn, Regulation of International Financial Marktes, S. 224, 235: „Thus, for a non-member country who refuses to comply with Basle soft law, the consequences are anything but soft.“
182
3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
b) Rundschreiben der BaFin Die BaFin hat sich in vielerlei Fragen gesetzeskonkretisierender Rundschreiben bedient,170 um den Marktteilnehmern ihr Verständnis der Regelungen des Finanzmarktrechts zu erläutern.171 Im Bereich der allgemeinen Marktaufsicht ist dies der Emittentenleitfaden, im Bereich der institutsbezogenen Aufsicht sind dies v. a. die Rundschreiben MaRisk und MaComp.172 Bisher klassifiziert die verwaltungsrechtliche Lehre diese Schriftstücke überwiegend als nur behördenintern verbindlich;173 die Verwaltungsgerichte sind nicht an sie gebunden.174 In krassem Gegensatz zu ihrer rechtlichen Einordnung steht die faktische Bedeutung, die den Rundschreiben in der Praxis zukommt.175 Das gilt in besonderem Maße für Finanzinstitute, da diese sich im seltensten Fall gegen behördliche Entscheidungen gerichtlich zur Wehr setzen.176 Wo es aber keine gerichtliche Kontrolle gibt, dort wird die Unterscheidung zwischen Gesetzes- und Behördenrecht akademisch.177 Die Rundschreibenpraxis der BaFin steht daher regelmäßig in der Kritik;178 insbesondere weil sich vergleichbare Ergebnisse auch über rechtsverbindliche Verordnungen erzielen ließen.179 170
Es handelt sich nicht nur um ein Phänomen nationaler Behörden, Zur Relevanz der Verlautbarungen des CESR (heute: ESMA) ausführlich Spindler/Hupka, in: Geltung und Faktizität von Standards, S. 117 sowie Weber-Rey/Baltzer, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG für Banken, S. 431, 446 ff. 171 Die informelle Einwirkung von Seiten der Behörde beklagt bereits 1972 Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 286: „Hält ein Kreditinstitut sie nicht ein, so wird dies dem Bundesaufsichtsamt Veranlassung geben, das Kreditinstitut besonders zu beobachten.“ 172 Insgesamt kursieren ca. 500 solcher informeller Vereinbarungen, s. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II § 126 Rn. 28. Alle Veröffentlichungen sind abrufbar unter www.bafin.de. 173 Vgl. den Überblick bei Ruffert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. I, § 17 Rn. 74 ff. Das ist jedoch nicht unumstritten, vgl. Schachtschneider, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 325: „Die Verwaltungsvorschriften setzen Recht. Diese und auch die Verwaltungsakte sind Sollenssätze, also Rechtssätze […] Insofern ist die Vollzugsebene jedenfalls auch eine Normebene.“ 174 Statt vieler Hess. VGH WM 2007, 392, 393: es handele sich „lediglich um die Kundgabe einer Rechtsauffassung.“ Etwas anderes gilt für sogenannte normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften wie z. B. die TA Luft oder Lärm, denen begrenzte rechtliche Außenwirkung zugesprochen wird, s. BVerwGE 55, 250, 256; 72, 300, 329; 107, 338, 341 f. 175 Statt vieler Weber-Rey/Baltzer, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG für Banken, S. 431, 463. 176 So auch Röhl, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rn. 129; Waigel, in: Grieser/ Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 39, 54: die Bereitschaft der Institute, sich in einen Rechtsstreit zu begeben sei „gleich Null“. 177 Ähnlich schon Mertens, AG 1982, 29, 36. 178 Dreher/Häußler, ZGR 2012, 471, 497: „Ersatzgesetzgebung“; Schaaf, Risikomanagement und Compliance im Versicherungsunternehmen, S. 56; Wundenberg, Compliance, S. 92: es handele sich um Behördenrecht, „das sich zum Teil deutlich von den gesetzlichen Rahmenvorgaben des Kreditwesengesetzes entfernt hat.“ 179 So zu Recht Weber-Rey/Baltzer, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG für Banken, S. 431, 458: „Die Praktikabilität [der Rundschreiben] rechtfertigt nicht notwendig, rechtsstaatliche
B. Methodische Grenzen aufsichtsrechtlicher Vorgaben
183
c) Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) Im Gleichlauf mit der internationalen Bewegung180 hat auch Deutschland im Jahr 2002 erstmals einen Corporate-Governance-Kodex aufgelegt.181 Er beinhaltet eine Darstellung der Gesetzeslage sowie darüber hinaus Empfehlungen und Anregungen zur Verbesserung der Unternehmensführung. Ursprünglich war er als Informationsinstrument für ausländische Investoren konzipiert, mit der Zeit hat er sich aber zugleich zu einem Experimentierfeld des deutschen Gesetzgebers entwickelt, der die Akzeptanz neuer Regelungen zunächst im Gewand des soft law austestet.182 Das Beispiel Vorstandsvergütung zeigt, dass eine Kodexregelung unter Umständen die Vorstufe für eine verbindliche Regelung sein kann.183 Davon abgesehen steht die Einhaltung der Kodexempfehlungen den Marktteilnehmern grundsätzlich frei.184 Durch den comply-or-explain Mechanismus gemäß § 161 AktG wird jedoch ein mittelbarer Befolgungsdruck aufgebaut.185 Inwieweit dem Werk normative Geltungskraft, insbesondere bei der Auslegung der Sorgfaltspflichten gemäß §§ 93, 116 AktG zugesprochen werden kann, wird sehr unterschiedlich beurteilt.186 3. Ausstrahlung von Soft Law? Die Berücksichtigung von Soft Law Instrumenten bei der Gesetzesauslegung ist schon innerhalb ihres eigenen Anwendungsbereichs sehr umstritten; umso größere Zweifel bestehen mit Blick auf deren „Ausstrahlungsfähigkeit“. Sollen RundPrinzipien unbeachtet zu lassen.“ Ein Beispiel findet sich bei der Vergütungsregulierung, hier sind die Rundschreiben der BaFin mittlerweile in der InstitutsVergVO und der VersVergVO aufgegangen. 180 Ein Überblick internationaler Kodizes findet sich auf der Homepage des ECGI. 181 Nach Vorarbeiten durch die Regierungskommission unter Leitung von Baums, s. ders. (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001. Alle Veröffentlichungen sind auf der offiziellen Website des DCGK abrufbar. 182 So Windbichler, in: Möllers (Hrsg.), Geltung und Faktizität von Standards, S. 19, 29. 183 Dazu Vierter Teil, V. III. 3., S. 303 Fn. 819. Köndgen bezeichnet dies treffend als „rule making in the shadow of the law“, AcP 206 (2006), 477, 496. Das gilt ebenso für die Rundschreiben der BaFin. So wurde im Rahmen der CRD IV-Umsetzung bei der Schaffung des § 25c Abs. 4a KWG n.F. umfassend auf die Schreiben der Aufsichtsbehörde zurückgegriffen, vgl. BR-Drucks. 94/13, S. 56 (damals noch § 25c Abs. 3a KWG-E). 184 Vgl. die (neu gefasste) Präambel des DCGK seit 2012: „Eine gut begründete Abweichung [vom Kodex] kann im Interesse einer guten Unternehmensführung liegen.“ 185 Eine positive Korrelation zwischen Kodexbefolgung und Marktpreis konnte bisher empirisch indes noch nicht eindeutig nachgewiesen werden, s. Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, 252 ff. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sieht sich diese Regulierungsmethode Kritik ausgesetzt, s. statt vieler Spindler, NZG 2011, 1007. 186 Der BGH hat keine Berührungsängste, vgl. BGHZ 158, 122 (Mobilcom); dagegen aber Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 32 sowie Spindler/Hupka, in: Geltung und Faktizität von Standards, S. 117, 140. Ablehnend auch OLG Zweibrücken, DB 2011, 754, 756: „lediglich eine unverbindliche Empfehlung“.
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
schreiben der BaFin wirklich für die allgemeine, nicht nur sektorspezifische Auslegung von §§ 93, 116 AktG relevant sein?187 Hier ist höchste Vorsicht geboten.188 Bereits die Ausstrahlung „echter“ Rechtssätze ist mit Vorsicht zu handhaben, erst recht muss dies für die Ausweitung „unechter“ Rechtssätze gelten. Insbesondere die erheblichen rechtsstaatlichen Defizite lassen eine Ausdehnung solcher Regeln über ihren eigenen Wirkbereich hinaus nur sehr schwer begründbar erscheinen.189 In seltenen Fällen, wie beim Verhältnis von § 906 BGB zu TA Luft & Lärm, mag dies anders zu bewerten sein, denn diese Standards nehmen – auf naturwissenschaftlichfaktischer Basis – ein Urteil vorweg, das schlechterdings nicht angegriffen werden kann.190 Das gilt aber nicht für die normativen Wertungen der BaFin.191 Die Heranziehung von Soft Law zur Gesetzesauslegung erscheint indes dann gewinnbringend, wenn festgestellt werden muss, ob eine gesetzliche Wertung des einen Teilbereiches überhaupt in den anderen ausstrahlen kann. Hierfür ist es erforderlich, dass die fragliche Norm nicht nur sektorspezifische Inhalte, sondern ein verallgemeinerbares Rechtsprinzip guter Corporate Governance enthält.192 In dieser Frage kann das einschlägige Soft Law zu Rate gezogen geworden. Praktisch bedeutet dies: Die Rundschreiben der BaFin können Anhaltspunkte dafür geben, ob eine aufsichtsrechtliche Norm einen allgemeingültigen oder aber einen speziellen Inhalt hat. Bei der Begründung einer Ausstrahlung kommt ihnen also Relevanz zu, selber ausstrahlen können sie hingegen nicht.
IV. Hindernisse durch prinzipienbasierte Regulierung? „Ausstrahlungsschwierigkeiten“ könnten sich zudem mit Blick auf die neue „prinzipienbasierte“193 Regulierungsstrategie des Aufsichtsrechts ergeben. Nicht zu verwechseln sind derlei Prinzipien mit den oben beschriebenen allgemeinen Grundsätzen bzw. allgemeinen Prinzipien des Rechts. Während diese zum unge187 In diese Richtung Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 567; ausdrücklich Lorenz, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, S. 3, 17: „Der allgemeine Teil der MaRisk ist weitgehend auch auf Unternehmen anderer Branchen übertragbar, denn es geht darin um grundlegende Anforderungen und insbesondere die Prinzipien für die Ausgestaltung des Risikomanagementsystems.“; ähnlich Kießling/Kießling, WM 2003, 513, 521. 188 So auch mit Blick auf die Compliance-Anforderungen aus §§ 25a KWG Fleischer, NZG 2014, 321, 325. 189 Pointiert Wieland, VVDStRL Bd. 50 (1991), Aussprache, S. 275, 327: „Zivilrechtler werden die Vorgaben des Verwaltungsrechts sicher eher akzeptieren, wenn das Verwaltungsrecht selbst die Vorgaben des Verfassungsrechts strikt beachtet.“ 190 Zur Bedeutung technischer Standards s. Köndgen, AcP 206 (2006), 477, 483 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 794 ff. 191 So auch Spindler/Hupka, in: Geltung und Faktizität von Standards, S. 117, 133. 192 Dazu bereits Dritter Teil A. IV., S. 168 f. 193 Synonym verwendet werden die Begriffe „prinzipien-orientierte“ bzw. „prinzipiengeleitete Regulierung“, s. dazu auch Wundenberg, Compliance, S. 35 ff.
B. Methodische Grenzen aufsichtsrechtlicher Vorgaben
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schriebenen Teil der Rechtsordnung gehören, sind jene Ausdruck eines neuen Normierungskonzepts im geschriebenen Aufsichtsrecht. 1. Prinzipienbasierter Regelungsansatz des Aufsichtsrechts Die prinzipiengeleitete Regulierung hat ihren Weg über das Basel II-Abkommen und dessen europäische Umsetzungsvorschriften hinein in das deutsche Aufsichtsrecht gefunden.194 Anders als die sogenannte regelbasierte Regulierung ist sie nicht darauf ausgerichtet, kleinteilige, kasuistische Verhaltensanforderungen an die einzelnen Unternehmen zu stellen, sondern sie gibt allein abstrakte Ziele vor.195 Illustrativ sei hierzu auf § 25a Abs. 1 S. 3 Hs. 1 KWG verwiesen: „Eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation muss ein angemessenes und wirksames Risikomanagement umfassen, auf dessen Basis ein Institut die Risikotragfähigkeit laufend sicherzustellen hat.“ Wie diese Ziele erreicht werden, liegt im Ermessen der jeweiligen Geschäftsleiter (Grundsatz der Methodenfreiheit196), denn diese wissen – so die Vermutung – über die Eigenheiten ihres Instituts am Besten Bescheid. Anders als das regelbasierte Recht hat das prinzipienorientierte Recht also keine konditionale („wenn, dann“), sondern eine finale („…, um zu“) Struktur. Nimmt man den aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatz197 hinzu, so entstehen Verhaltensvorgaben, die sich flexibel an die sehr verschiedenen Strukturen und Größen der überwachten Institute anpassen („je größer, desto“).198 Es ist gerade diese Flexibilität, die an der prinzipienbasierten Regulierung geschätzt wird; regelbasierte Normen hätten dagegen häufig mit Problemen der under- bzw. overinclusiveness zu kämpfen.199 Vorteilhaft sei zudem, dass die Entscheidung darüber, welche Sicher194
Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel II, Säule II: „Supervisory Review Process“, umgesetzt in Artt. 22, 123, 124 der RiLi 2006/48/EG (BankenRiLi). Nun auch bei Solvency II, s. Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II, Rn. 14 ff.; Wandt/ Sehrbrock, in: Dreher/Wandt, Solvency II in der Rechtsanwendung, S. 1, 16. Die Diskussion über die verschiedenen Regelungskonzepte ist jedoch älter, s. U. H. Schneider, in: FS Gruson, S. 369, 370. 195 Über die Definition herrscht keine Einigkeit, s. U. H. Schneider, in: FS Gruson, S. 369, 372; umfassend zur Unterscheidung von Regeln und Prinzipien Wundenberg, Compliance, S. 37 ff. Die FSA geht in ähnlich negativ-abgrenzender Weise vor wie hier: „Principle-based regulations means, where possible, moving away from dictating through detailed, prescriptive rules and supervisory actions how firms should operate their business. We want to give firms the responsibility to decide how best to align their business objectives and purposes with the regulatory outcomes we specified.“, FSA, Principles-based regulation, April 2007, S. 4. 196 Vgl. Walla, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 2 Rn. 61; Wundenberg, Compliance, S. 84. 197 § 25 Abs. 1 S. 4 KWG. Der Proportionalitätsgrundsatz im Aufsichtsrecht ist zweigestaltig: er betrifft nicht nur das Handeln der Behörde, sondern zugleich die Verpflichtungen der Normadressaten, s. Wundenberg, Compliance, S. 85 ff. 198 Eingehend zu diesen Normstrukturen Wundenberg, Compliance, S. 54 f. 199 Ausführlich zu Vor- und Nachteilen beider Formen der Regulierung U. H. Schneider, in: FS Gruson, S. 369, 373 ff.; Wundenberg, Compliance, 58 ff. Die Argumente erinnern in vielerlei Hinsicht an die Diskussion über die Vorzugswürdigkeit von rules oder standards, s.
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
heitsvorkehrungen für ein Institut letztlich zu treffen seien, auf die Personen verlagert würde, die über die meisten Informationen hierüber verfügen.200 Die Aufsichtsbehörden erhalten im Gegenzug die Befugnis, die internen Kontrollsysteme der Finanzinstitute zu überwachen.201 Prinzipienbasierte Regulierung wird daher v. a. in Fragen der internen Unternehmensorganisation eingesetzt (Compliance, Risikomanagement, etc.202) und ist somit eng mit dem Konzept der qualitativen Regulierung203 verbunden. 2. Folgen für das Regelungsumfeld Letztlich handelt es sich bei der prinzipienbasierten Regulierung aber nur um einen kleinen Ausschnitt der aufsichtsrechtlichen Vorgaben.204 Daneben bleibt eine sehr große Menge regelbasierten Rechts bestehen.205 Häufig sind beide einander so nah, dass eine trennscharfe Abgrenzung auch Experten schwer fällt. Zuordnungsprobleme bereiten v. a. Generalklauseln, da auch diese mit unbestimmten Rechtsbegriffen arbeiten.206 So gehen die Meinungen zum Beispiel darüber auseinander, ob die Anforderung, ein „angemessenes und wirksames Risikomanagement“ einzurichten, nun noch dem regel- oder schon dem prinzipienbasierten Regelungsbereich des § 25a KWG zuzuschlagen sei.207 Hierdurch wird deutlich, dass die prinzipienFleischer, ZHR 168 (2004), 673, 697 ff.; jüngst Binder, Regulierungsinstrumente, S. 174 ff. sowie umfassend ab S. 178 ff. zu Regeln und ab S. 191 ff. zu Standards. 200 Dazu Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II Rn. 14; Wundenberg, Compliance, S. 57: „Prinzipienorientierte Regelungsformen gehen somit für den Normanwender nicht nur mit einem Zuwachs an Handlungsfreiheit, sondern gleichermaßen mit einer Zunahme an Entscheidungsverantwortung einher.“ 201 Wundenberg, Compliance, S. 72: die gesonderte Beaufsichtigung des „Innenlebens“ der Gesellschaft sei „eine typische Begleiterscheinung von prinzipiengeleiteten Regulierungsstrategien im Finanzaufsichtsrecht.“ 202 Weitere Beispiele bei U. H. Schneider, in: FS Gruson, S. 369, 376 f. 203 Dazu bereits Fn. 216, S. 56. 204 Wundenberg, Compliance, S. 67: „hybrides System“. Das ist auch in Großbritannien nicht anders, darauf hinweisend U. H. Schneider, in: FS Gruson, S. 369, 375. 205 Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 564: „Grundsätzlich ist ein prinzipienbasierter Ansatz zu begrüßen, da die darin zum Ausdruck kommende Flexibilität zu einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zwingt und abstrakte Prinzipien in einem sich ständig wandelnden Markt oftmals viel beständiger sind als strikte Regeln. Dennoch wird stets ein Zusammenspiel von Prinzipien und Regeln erforderlich sein.“ 206 Vgl. die Abgrenzung bei Wundenberg, Compliance, S. 49 f.: Generalklauseln und Prinzipien zeichneten sich beide durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe aus, den Prinzipien sei aber (aufgrund ihrer Zielorientierung) ein eindeutiger Regelungszweck zu entnehmen, den Generalklauseln hingegen nicht. Anders aber zu Recht Binder, Regulierungsinstrumente, S. 176: „Daß in [Generalklauseln] der Typus des ,Standards‘ bzw. des ,Prinzips‘ […] geradezu idealtypisch verwirklicht ist, bedarf kaum näherer Begründung.“ 207 Dagegen wohl Wundenberg, Compliance, S. 48, es handele sich hier um eine regelbasierte Verhaltens- und Organisationsvorgabe; a.A. Wandt/Sehrbrock, in: Dreher/Wandt, Solvency II in der Rechtsanwendung, S. 1, 15: „Gesetzestechnisch ist prinzipienbasiertes Recht
B. Methodische Grenzen aufsichtsrechtlicher Vorgaben
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basierte Regulierung ebenso starke Unsicherheiten und Rechtskonkretisierungsbedürfnisse auslösen kann wie die althergebrachten Generalklauseln.208 Notwendig wird also auch hier eine fortlaufende Rechtsprechung, die Fallgruppen erarbeitet, an denen sich die Normadressaten orientieren können. Letztendlich dreht sich damit der Prozess der Rechtsgewinnung einfach um: Von Prinzipien geht ein Prozess der Regelbildung und von Regeln ein Prozess der Prinzipienbildung aus.209 Am eindrucksvollsten lässt sich dies an der Entwicklung in Großbritannien belegen, wo die prinzipienorientierte Regulierung ihr rechtspolitisches Vorbild hat.210 Den elf grundlegenden Prinzipien, die die Financial Services Authority (FSA) ihrem Handbook vorangestellt hat,211 folgen mehrere tausend Seiten zu ihrer Konkretisierung.212 Auch in Deutschland bezeichnet die BaFin ihre umfangreichen Rundschreiben MaRisk und MaComp ausdrücklich als Instrumente prinzipienorientierter Regulierung.213 Auf europäischer Ebene ist die nachträgliche Konkretisierung der Richtlinien- und Verordnungstexte durch die Stufen zwei und drei des LamfalussyVerfahrens214 sogar institutionalisiert.215 Zu Recht wird daher von einer bloß „formellen Prinzipienorientierung“ in Europa gesprochen.216 Im Endeffekt lässt sich somit nur eine tiefgreifende Veränderung durch den Wechsel hin zur prinzipienorientierten Regulierung konstatieren: die Verschiebung weitgehender Konkreti-
durch die systematische Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „angemessen“, „unverhältnismäßig“ oder „ausreichend“ gekennzeichnet.“; ebenso Dreher, VersR 2008, 998, 1000. 208 Vgl. Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 564: „Die Praxis kommt letztlich nicht ohne klare Anweisungen aus, die die allgemeinen Pflichten und Anforderungen zumindest in den wichtigsten Fällen konkretisieren. Dies hat sich auch erneut in der Finanzmarktkrise gezeigt: Die darin zum Vorschein gekommenen Defizite in der Corporate Governance von Banken haben die Effektivität eines rein prinzipienbasierten Ansatzes in Frage gestellt.“; kritisch auch Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II Rn. 18; Dreher, VersR 2008, 998, 1002; Lüttringhaus, EuZW 2011, 822, 823; Sehrbrock/Gal, Corporate Finance law 2012, 140, 142; Walla, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 2 Rn. 68. 209 So Wundenberg, Compliance, S. 52; zuerst U. H. Schneider, in: FS Gruson, S. 369, 373 ff. Darauf hinweisend auch Binder, Regulierungsinstrumente, S. 197; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 29, S. 242. 210 Eingehend Wundenberg, Compliance, S. 66 ff. 211 Das Handbuch kann auf http://www.fsa.gov.uk/handbook eingesehen werden. 212 Darauf hinweisend U. H. Schneider, in: FS Gruson, S. 369, 373 ff. 213 Vgl. MaRisk (VA) 1.1; MaRisk (BA) AT 1.2. 214 Zum Lamfalussy-Verfahren s. Fn. 267, S. 63. Auf Stufe 2 erfolgt die Konkretisierung durch die Kommission, auf Stufe 3 durch die Aufsichtsbehörden. 215 Dreher, ZGR 2010, 496, 541: „Die hier aufscheinende Grundsätzlichkeit des Regelungsansatzes auf der ersten Ebene, d. h. bei den EU-Richtlinien, wird nämlich durch eine hypertrophe Regelungsflut auf den weiteren Ebenen konterkariert.“; ders., VersR 2008, 998, 1000 f. 216 Vgl. Dreher/Lange, VersR 2011, 825, 829; Wandt/Sehrbrock, ZVersWiss 2011, 193, 203 f. Zur Unterscheidung s. Wundenberg, Compliance, S. 62 f.
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
sierungs- und damit Gestaltungsmacht auf die Aufsichtsbehörden.217 Das ist umso bedenklicher, da gerichtlicher Rechtsschutz im sensiblen Finanzsektor nahezu nie gesucht wird.218 3. Ist prinzipiengeleitetes Recht „ausstrahlungsfähig“? Steht der prinzipienorientierte Regelungsansatz aber einer Berücksichtigung des Aufsichtsrechts bei der Konkretisierung des Aktienrechts entgegen? Dafür ist jedenfalls kein hinreichender Grund ersichtlich. Ob nun konkrete Verhaltensanforderungen oder aber Zielbestimmungenauf ihre Verallgemeinerbarkeit abgeklopft werden,219 macht letztendlich keinen Unterschied. Wichtig ist jedoch nochmals zu betonen, dass nur den verbindlichen Rechtstexten, nicht aber den Rundschreiben der BaFin Ausstrahlungswirkung zukommen kann.220 Relevant ist zudem die Frage, welche Rolle dem aufsichtsrechtlichen Proportionalitätsgrundsatz zukommt. Hiernach müssen die im Unternehmen einzurichtenden Organisationsstrukturen im Verhältnis zu Art, Größe und Struktur des betriebenen Geschäfts stehen. Ein Funktionsäquivalent hierzu findet sich im Aktienrecht mit dem Organisationsermessen des Vorstands, das dieselben Kriterien in den Blick nimmt. Der Proportionalitätsgrundsatz muss also nicht in irgendeiner Form „mitausstrahlen“, sondern er findet sich bereits in etwas anderer Gestalt auch im Aktienrecht wieder.221
217 Wandt/Sehrbrock, in: Dreher/Wandt, Solvency II in der Rechtsanwendung, S. 17: „Es darf nicht übersehen werden, dass eine durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe gewonnene Flexibilität zunächst nur der Aufsichtsbehörde eröffnet ist.“; ebenso Binder, ZGR 2013, 760, 782. Dagegen verwehrt sich Bürkle, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, Solvency II Rn. 15: „Solvabilität II will nicht das bereits beachtliche behördliche Ermessen zusätzlich ausweiten.“ 218 So auch Wandt/Sehrbrock, in: Dreher/Wandt, Solvency II in der Rechtsanwendung, S. 17: „Gefahr einer de facto-Grundrechtsverkürzung zu Lasten der Unternehmen.“ Kritisch auch Dreher, VersR 2008, 998, 1000: „Jedoch kann die Steuerungsüberlegenheit prinzipienbasierter qualitativer Vorgaben des Versicherungsaufsichtsrechts nur dann zur Geltung kommen, wenn sie nicht durch umfangreiche regelbasierte Subordnungen untergraben wird.“ 219 Dazu Zweiter Teil D. V., S. 155. 220 Dazu soeben Dritter Teil B. III. 3., S. 183. 221 Gleichsinnig Wundenberg, Compliance, S. 126 f.: „Die Unterschiede bezüglich des Pflichtenumfangs werden jedoch durch den prinzipien-orientierten Regelungsansatz relativiert, da ähnlich wie im Aktienrecht auch die bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten einem Proportionalitätsvorbehalt unterliegen“.
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V. Hindernisse durch kriseninduzierte Regulierung? Kriseninduzierte Regulierung birgt erhebliche Gefahren.222 Häufig gilt das so entstandene Recht als unsystematisch223 und überschießend224. Aufgrund der turbulenten Rechtsentwicklung in den Jahren nach der Finanzkrise sieht sich auch das Aufsichtsrecht diesem Vorwurf häufig ausgesetzt.225 Fraglich ist, ob dies einer Ausstrahlung entgegenstehen kann.226 Prima facie ist man geneigt, diese Frage zu bejahen, erscheint es doch schlechthin widersinnig, eine bereits innerhalb ihres Anwendungsbereiches kritisierte Norm noch darüber hinaus zu verallgemeinern. Andererseits würde so übersehen, dass die Ausstrahlung eben keine schematische Übertragung einer Rechtsnorm in einen anderen Rechtskreis bezweckt, sondern dass sie sich der Suche nach verallgemeinerbaren Grundsätzen guter Unternehmensführung verschrieben hat.227 Sie ist ein Instrument der Systembildung und kann helfen, den gehaltvollen Kern einer ansonsten krisenbedingt missglückten Norm ans Licht zu heben. Beispielhaft sei hier auf die Neuregelung der Vorstandsvergütung in § 87 AktG verwiesen, die in weiten Bereichen unklar und wohl auch ungewollt überschießend formuliert ist. So fordert § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 AktG, variable Vergütungsbestandteile sollten auf einer „mehrjährigen Bemessungsgrundlage“ beruhen. Dies wird in diversen Kommentaren als Verpflichtung zum absoluten Zahlungsaufschub der Vergütung über mindestens zwei Jahre verstanden.228 Ein vergleichender Blick ins Aufsichtsrecht zeigt indes, dass zwischen der „Bemessungsgrundlage“ und einem „Zahlungsaufschub“ scharf zu trennen ist.229 So kann nach geltendem Aufsichtsrecht ein stattlicher Teil der variablen Vergütung am Ende des Jahres ausgezahlt werden, wenn der Leistungsbemessung nur ein entsprechend langer Zeitraum zu Grunde gelegt wird. Ein absoluter Zahlungsaufschub wird nur für 222 Vgl. Fleischer, in: FS Priester, S. 75, 87 ff.; Hemeling ZHR 174 (2010), 635, 638; Hopt, ZHR 175 (2011) 444, 461 f.; Senn, SZW 2011, 249 ff. Kritisch auch Höfling, Gutachten F des 68. DJT 2010, F 16. 223 Aus dem Aufsichtsrecht Hemeling, ZHR 174 (2010), 635, 638: „[E]inzelne Abschnitte des KWG ähneln etwa im Hinblick auf Verständlichkeit bereits dem Steuerrecht […].“ und Bachmann, Referat zum 68. DJT 2010, P 13, P14: „Klagen sind daher nicht nur von den betroffenen Unternehmen, sondern auch von Beratern, Prüfern, Wissenschaftlern, ja sogar aus den Aufsichtsbehörden zu hören.“; Fischer spricht von „gesetzgeberischen Monster[n]“, in: Boos/ Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung Rn. 84. 224 Statt vieler Hopt, NZG 2009, 1401, 1402: „Der Gesetzgeber kommt bei solchen Krisen regelmäßig zu spät und droht dann überzureagieren.“ 225 Bachmann spricht diesbzgl. von einem „Regulierungsfeuerwerk“, Referat zum 68. DJT 2010, P 13, P 14; allgemein Hopt, NZG 2009, 1401, 1402: „Never waste a crisis, heißt es.“ 226 Dreher, ZGR 2010, 496, 541: „Daher stellt sich abschließend vor dem Hintergrund der Finanzkrise der letzten Jahre noch die Frage, welche Rolle krisenbedingtes Aufsichtsrecht spielt. Denn dieses hat derzeit Konjunktur und greift auch aktienrechtliche Fragen auf.“ 227 Dazu bereits Dritter Teil A. III., S. 164 ff. 228 So Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 32; Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 13 in Anlehnung an den Rechtsausschuss, s. BT-Drucks 16/13433, S. 10. 229 Dazu eingehend Vierter Teil E. II. 2. a) cc), S. 289 ff.
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3. Teil: Methodischer Bezugsrahmen der Ausstrahlungswirkung
40 – 60 % der variablen Vergütung angeordnet. Will das Aktien- das Aufsichtsrecht hier nicht an Strenge überbieten, kann ein absoluter Zahlungsaufschub sicherlich nicht aus § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 AktG herausgelesen werden.230 Das bisherige Verständnis muss daher korrigiert und zurückgeschnitten werden. Ein verständiger Seitenblick ins Aufsichtsrecht und die Berücksichtigung der dortigen Normen im Sinne einer „negativen“ Ausstrahlungswirkung kann hier also beträchtliche Erfolge bei der Korrektur einer krisenbedingt missglückten Norm erzielen.
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So auch im Ergebnis Vierter Teil E. IV. 5., S. 310 f.
Vierter Teil
Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen A. Compliance I. Einführung Ein zentraler Bestandteil der Corporate Governance ist die sog. „Corporate Compliance“, die ebenfalls aus dem angloamerikanischen Rechtsraum in unsere Begriffswelt herübergeschwappt ist.1 „To comply with“ bedeutet „in Übereinstimmung mit etwas handeln“.2 Dieses „etwas“ sind die für das Unternehmen geltenden Gesetze. Hinter der Pflicht zur Compliance verbirgt sich also die Aufforderung, Maßnahmen zu ergreifen, um Gesetzesverstöße durch die Unternehmen und ihre Mitarbeiter zu verhindern.3 Dadurch sollen Schäden vermieden und die Reputation des Unternehmens gewahrt werden.4 Der Ursprung der deutschen ComplianceDebatte liegt im Finanzsektor und damit im Bereich des Aufsichtsrechts.5 In vergleichsweise kurzer Zeit hat sich die Diskussion jedoch darüber hinaus entwickelt: Schnell war die Rede davon, man könne die bereichsspezifischen Vorschriften aus WpHG und KWG womöglich zu einer allgemeinen Pflicht „verbreitern“.6 Mittler1 Die ersten Studien zur Compliance in Deutschland waren denn auch rechtsvergleichend angelegt s. Fleischer, AG 2003, 291, 295 ff.; U. H. Schneider, ZIP 2003, 645; aktuell Hauschka, in: Hauschka, Corporate Compliance § 1 Rn. 39 ff. 2 Lösler, Compliance, S. 11; Schäfer, in: Baulig u. a., Compliance, Rn. 51; Wundenberg, Compliance, S. 6. 3 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 47; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 390 f.; Kort, in: FS Hopt, Bd. I, S. 983, 984; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 117; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 91 Rn. 34; Nobel, in: Liber Amicorum Guy Horsmans, 2004, S. 819, 834; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 91 Rn. 35; U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 646. Vgl. auch Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 22 Rn. 1: „Allgemein kann unter dem Oberbegriff der Compliance die Gesamtheit der aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen, Grundsätze und Verfahren verstanden werden, die darauf abzielen, präventiv Rechtsverstöße zu verhindern und repressiv Rechtsverletzungen aufzudecken.“ 4 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 48; Hauschka, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 1 Rn. 24; U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 648. Weitere Funktionen bei Eisele/ Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 109 Rn. 4; Lösler, NZG 2005, 104 f. 5 So auch Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 22 Rn. 4. 6 So ausdrücklich Fleischer, in: Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 8 Rn. 43.
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
weile wird die Compliance von der weit überwiegenden Meinung als Bestandteil der aktienrechtlichen Leitungspflicht akzeptiert.7 Die Compliance-Debatte bietet daher einen idealen Ansatzpunkt, um die Fortentwicklung des Aktien- durch das Aufsichtsrecht näher zu untersuchen.
II. Aufsichtsrecht 1. Entwicklung und Normenbestand a) Herausbildung der Wertpapier-Compliance (§ 33 Abs. 1 WpHG) Die Compliance-Debatte entstammt der angloamerikanischen Bankenwelt, in der sich in den 1960er Jahren zunehmend Selbstregulierungsbemühungen regten, um die Einhaltung zentraler Standards des Wertpapiergeschäfts zu gewährleisten. Im Mittelpunkt stand dabei die Verhinderung des Insiderhandels durch organisatorische Vorkehrungen.8 Europäische Wertpapierfirmen griffen diese Entwicklung rasch auf,9 ebenso wie die Europäische Kommission, die 1977 eine erste Empfehlung zu diesem Thema veröffentlichte.10 Neben dem Insiderhandel rückte sie in der Folgezeit v. a. die Behandlung von Interessenkonflikten bei der Anlageberatung – und damit den Anlegerschutz – in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen.11 Verbindliche Vorgaben folgten allerdings erst 1993 auf Basis des Art. 10 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie,12 der in Form des § 33 Abs. 1 WpHG Eingang in das deutsche Aufsichtsrecht fand.13 Seither sind Wertpapierfirmen verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, um Verstöße gegen das WpHG zu verhindern. Mittlerweile ist die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie durch die MiFID14 ersetzt und damit auch § 33 Abs. 1 WpHG noch einmal grundlegend umgestaltet worden.15 Mit dieser Neuerung ist die „Compliance“-Pflicht erstmals ausdrücklich in einem deutschen Gesetz verankert 7
Dazu gleich eingehend Vierter Teil A. III. 1., S. 203 f. Vgl. Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR § 22 Rn. 4 m.w.N. 9 Bis heute veröffentlicht der Bundesverband Deutscher Banken Best-Practice-Leitlinien für Wertpapier-Compliance, abrufbar unter www.bankenverband.de. Zu den Wurzeln der Selbstregulierungsbemühungen im deutschen Rechtsraum s. Lösler, Compliance, S. 15 ff. 10 Empfehlung 77/534/EWG. 11 Vgl. RiLi 93/22/EWG (WpDRL), Erwägungsgrund 32; RiLi 2004/39/EG (MiFiD), Erwägungsgrund 2, 3, 31, 41. Die Notwendigkeit organisatorischer Vorkehrungen zum Schutz der Anlegerinteressen wurde zuvor bereits herausgearbeitet von Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 438 ff. (Überwachung des Beratungsverhaltens durch interne Kontrollen, koordinierte Informationsflüsse, u.v.m.). 12 RiLi 93/22/EWG. 13 Die Umsetzung erfolgte durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz (FFG) v. 30. 07. 1994, BGBl. 1994 I, S. 1749, das zum 01. 01. 1995 in Kraft trat. 14 RiLi 2004/39/EG. 15 Grundlage hierfür war Art. 13 Abs. 2 der RiLi 2004/39/EG. Die Umsetzung der MiFiD erfolgte durch das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), BGBl. I 2007, S. 1330. 8
A. Compliance
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worden; zusätzlich wurde ein detaillierter Pflichtenkanon in §§ 12, 13 WpDVerOV niedergelegt.16 Für die Praxis von herausragender Bedeutung sind weiterhin die aufsichtsbehördlichen Rundschreiben, die die gesetzlichen Anforderungen bis ins Detail ausbuchstabieren. Galt in diesem Bereich zunächst seit 1999 die sog. Compliance-Richtlinie,17 wurde diese im Jahr 2010 von der sog. MaComp abgelöst.18 Betont werden muss an dieser Stelle, dass diese sog. „Wertpapier-Compliance“ von Anfang an allein darauf abzielte, die Einhaltung kapitalmarktrechtlicher Normen zu gewährleisten.19 Anleger- und Marktfunktionsschutz standen somit im Zentrum der Überlegungen.20 Erst durch weitere Reformen im Bank- und Versicherungsaufsichtsrecht hat sich dieses „enge“ zu einem „weiten“ Compliance-Verständnis gewandelt.21 b) Entwicklung hin zu einem „weiten“ Compliance-Verständnis (§§ 25a KWG, 64a VAG) Hauptverantwortlich hierfür war der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, der in mehreren Papieren eine umfassende Compliance-Funktion eingefordert hatte.22 Mit Blick auf diese Vorarbeiten23 entschied sich auch der nationale Gesetzgeber im Jahr 2002 mit § 25a Abs. 1 S. 1 KWG24 eine umfassende Organisationspflicht25 zur 16 Ausführliche Beiträge zur Wertpapier-Compliance in: Baulig u. a. (Hrsg.), Compliance; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., Bd. II, § 109; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rn. 3.301 – 3.450; Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR, §§ 22, 23. 17 Richtlinie zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. § 33 Abs. 1 WpHG v. 25. 10. 1999. Dazu umfassend Junker, Gewährleistungsaufsicht, S. 142 ff. 18 Rundschreiben 4/2010 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen v. 07. 06. 2010 in der Neufassung vom 07. 08. 2014. 19 Vgl. Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 1; Koller, in: Assmann/ U. H. Schneider, WpHG,§ 33 Rn. 14. 20 Darauf hinweisend auch Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 528; Lösler, Compliance, S. 12; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rz. 3.301 Fn. 2: „Bei ihm steht das Wertpapiergeschäft mit dem Schwerpunkt der Geschäftsbeziehungen zu den Effektenkunden im Vordergrund.“ 21 Dazu Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 1 ff. Treffend Lösler, NZG 2005, 104: Wertpapier-Compliance als „Wurzel unseres Compliance-Verständnisses“. Eingehend zum Verhältnis von WpHG und KWG Compliance jüngst auch Mülbert/ Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 525 ff. 22 Zuerst Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Core Principles for Effective Banking Supervision, 1997, Principle 14 sowie dann umfassend Compliance and the compliance function in Banks, 2005. Zuletzt bestätigt in Core Principles for Effective Banking Supervision, 2012, Principle 26. 23 Begr. RegE FMFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 124. 24 Viertes Finanzmarktförderungsgesetz (FMFG) v. 21. 06. 2002, BGBl. 2002 I, S. 2010.
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen einzuführen.26 Zuvor hatte mit § 10 Abs. 1 S. 5 KWG a.F. bereits eine Teilnormierung bestanden, die angemessene Kontrollverfahren zur Überprüfung der Eigenmittelausstattung eingefordert hatte.27 Seither wird von den Geschäftsleitern ein umfassendes „legal risk management“ verlangt, das die Identifizierung, Bewertung, Steuerung und Überwachung von Compliance-Risiken umfasst.28 An der systematischen Stellung im Gesetz lässt sich die herausgehobene Bedeutung der Compliance im Vergleich zu den sonstigen Organisationspflichten ablesen.29 Gem. § 25a Abs. 3 KWG muss sie zudem konzernweit beachtet werden.30 Auch im Versicherungssektor hat dieser umfassende Compliance-Gedanke seit 2008 in Form des § 64a Abs. 1 S. 1 VAG Platz gegriffen.31 Zwar wollen einige Autoren hierin allein eine Verpflichtung auf Rechtspflichten mit Bezug zum Versicherungssektor erkennen,32 eine solche einschränkende Auslegung trägt indes nicht. Zum einen wurde § 64a Abs. 1 S. 1 VAG vom deutschen Gesetzgeber offensichtlich anhand des § 25a Abs. 1 S. 1 KWG konzipiert,33 der somit einen
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Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 109 Rn. 93: „Nach Sinn und Zweck des KWG erfasst die Organisationspflicht die Sicherstellung aller einschlägigen Gesetze und Bestimmungen; mit dieser umfassenden Rechtsgrundlage wird somit der Umfang für einen allgemeinen Compliance-Begriff umrissen.“; Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 370 f.; Langen, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, § 25a Rn. 48; Lösler, NZG 2005, 104, 106; Wundenberg, Compliance, S. 102 ff. Differenzierend Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 37, 42. 26 Hierunter fallen auch die Wertpapierdienstleistungsunternehmen, s. § 1 Abs. 3d S. 2 KWG; der Verweis in § 33 Abs. 1 S. 1 WpHG auf § 25a Abs. 1 und 2 KWG ist daher rein deklaratorisch, vgl. Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 5. Das im Jahr 2013 eingeführte KAGB sieht in § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KAGB nun ebenfalls eine Compliance-Pflicht vor, dazu Kort, AG 2013, 582 ff. 27 Vgl. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2. Aufl., S. 196. Zu den vor der 6. KWG Novelle geltenden Verwaltungsvorschriften s. ebenda, S. 189 ff. 28 Vgl. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in Banks, 2005, Nr. 37; Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 109 Rn. 1; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 4; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rz. 3.312; a.A. Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a KWG Rn. 49 ff. 29 Vgl. Bürkle, in: Bähr, Hdb. des VersicherungsaufsichtsR, § 9 Rn. 25; Spindler, in: Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 19 Rn. 22; Wundenberg, Compliance, S. 102. 30 Dies führt zu Spannungen mit dem gesellschaftsrechtlichen Kompetenzgefüge im Konzern, s. dazu die Monographien von Schneider, Bankaufsichtsrechtliche Anforderungen an das Risikomanagement, 2009 und Wundenberg, Compliance, 2012; zuletzt Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 530 ff. 31 Neuntes Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes, BGBl. 2007 I S. 3248. Der Entwurf für eine 10. VAG-Novelle liegt bereits vor, s. RegE BT-Drucks. 17/9342. 32 Für einschränkende Auslegung wohl Bürkle, in: Bähr, Hdb. VersicherungsaufsichtsR, § 9 Rn. 14 f.; ders., in: Bürkle, Compliance in Versicherungsunternehmen, § 1 Rn. 98 ff.; nicht eindeutig Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 64a VAG Rn. 9. 33 Begr RegE 9. VAG Novelle, BT-Drucks. 16/6518, S. 15. Bürkle, in: Bähr, Hdb. des VersicherungsaufsichtsR, § 9 Rn. 9; Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 64a
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systematischen Fingerzeig in Richtung eines weiten Compliance-Verständnisses gibt. Zum anderen handelt es sich bei § 64a VAG um eine vorweggenommene Umsetzung der Solvency II-Richtlinie,34 die die Compliance-Funktion als Bestandteil eines insgesamt vierteiligen Governance-Systems begreift35 und ebenfalls von einem umfassenden Verständnis ausgeht.36 Dieses Ergebnis folgt nicht zuletzt auch aus dem Zweck des § 64a VAG. Denn die Risiken aus Gesetzesverstößen tangieren das Unternehmen unabhängig davon, ob es sich um Pflichten aus dem Aufsichtsrecht oder um allgemeine Rechtspflichten handelt.37 Damit gilt auch im Versicherungsaufsichtsrecht der weite Compliance-Begriff.38 Sowohl § 25a Abs. 1 S. 1 KWG als auch § 64a Abs. 1 S. 1 VAG sind Bestandteil der sog. qualitativen Aufsicht und damit im besonderen Maße dem prinzipienbasierten Regelungsansatz verpflichtet.39 Sie fordern eine „ordnungsgemäße Geschäftsorganisation […] welche die Einhaltung der von ihnen zu beachtenden Gesetze […] gewährleistet.“40 Anders als §§ 33 WpHG, 12, 13 WpDVerOV formulieren sie daher allein eine Zielvorgabe, geben aber keine Handreichung, wie diese zu erreichen ist.41 Hierdurch soll den Unternehmen größere Handlungsfreiheit eingeräumt werden.42 Auch die Rundschreiben MaRisk BA und VA der BaFin halten sich in Fragen der Compliance auffällig zurück.43 Bei der Konkretisierung der bank- und Rn. 2; Schaaf spricht von einer „sklavisch anmutenden Orientierung am Bankaufsichtsrecht“, Risikomanagement, S. 128. 34 Richtlinie 2009/138/EG. 35 Art. 41 ff. der Richtlinie zum Governance-System; speziell zur Compliance Art. 46 Abs. 1, 2. Instruktiv zur Compliance nach Solvency II Bürkle, CCZ 2008, 50. 36 Dazu CEIOPS, Advice on Implementing Measures on Solvency II: System of Governance, 2009, Tz. 3.246: „Compliance risk is defined as the risk of legal or regulatory sanctions, material financial loss or loss to reputation an undertaking may suffer as a result of not complying with laws, regulations and administrative provisions as applicable to its activities.“ Dies entspricht der Definition des Basler Ausschusses, Compliance and the compliance function in banks, Nr. 3. 37 So auch Wundenberg zu § 25a KWG, Compliance, S. 104. 38 Ebenso Schaaf, Risikomanagement, S. 131; für den Bankensektor auch Wundenberg, Compliance, S. 102 ff. 39 Dazu Dritter Teil B. IV., S. 185 f. 40 § 25a Abs. 1 S. 1 KWG. Für Bachmann ist dies die „Paradenorm der Compliance“, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, S. 65, 69. 41 Wundenberg, Compliance, S. 101: „Die bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Compliance präsentieren sich sehr blass.“ Für den Versicherungssektor Bürkle, in: Bähr, Hdb. des VersicherungsaufsichtsR, § 9 Rn. 10. 42 Vgl. auch Begr. RegE 9. VAG Novelle, BT-Drucks. 16/6518, S. 10. Bürkle betont aber zu Recht: „Der Terminus ,gewährleisten‘ verdeutlicht hierbei anschaulich, dass bloß verbale Bekundungen zu legalem Verhalten nicht ausreichen, sondern das vielmehr konkrete Aktivitäten in Form von Vorkehrungen, Kontrollen und Maßnahmen gefordert werden, um die aufsichtsrechtliche Compliance-Pflicht zu erfüllen.“ in: Bähr, Hdb. des VersicherungsaufsichtsR, § 9 Rn. 25. 43 Erst seit 2012 sieht die MaRisk (BA), in AT 4.4.2 umfassende Regeln zur Compliance vor; vorher fand diese nur am Rande Erwähnung.
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versicherungsaufsichtsrechtlichen Compliance-Vorgaben wird deswegen weithin auf das WpHG rekurriert.44 Dabei ist jedoch eine gewisse Vorsicht geboten, statuiert doch § 33 Abs. 1 WpHG Pflichten, die ausweislich der Gesetzessystematik noch über die Anforderungen nach dem KWG hinausgehen.45 2. Anforderungen an die Einrichtung der Compliance-Funktion Compliance gehört zu den Kernaufgaben der Geschäftsleitung (§§ 25a Abs. 1 S. 2 KWG, 64a Abs. 1 S. 2 VAG),46 soll aber das gesamte Unternehmen erfassen. Um es mit dem Worten des Basler Ausschusses zu sagen: „Boards should lead by example“.47 Je größer das Institut, umso eher wird diese Aufgabe an andere Stellen delegiert werden müssen. § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG fordert hierfür in Anlehnung an den Basler Ausschuss ausdrücklich die Schaffung einer Compliance-Funktion.48 Ähnliches wird man auch für Banken und Versicherungen annehmen müssen.49 Zentral ist jedenfalls, dass die Zuständigkeiten innerhalb des Unternehmens klar verteilt werden.50 Alle weiteren organisatorischen Vorkehrungen müssen im Verhältnis zu „Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt“ des Geschäftsmodells des Instituts stehen.51 Hierhinter verbirgt sich der aufsichtsrechtliche Proportionalitätsgrundsatz.52 44 So jedenfalls Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 18. Spindler, WM 2008, 905, 908 sieht Ermessen soweit verdichtet, dass „de facto doch eine Pflicht zur Ausgestaltung nach den Vorgaben des WpHG bzw. der WpDVerOV entsteht.“ Auch die MaRisk (BA) orientiert sich in AT 4.4.2 weitgehend an den Vorgaben der MaComp. 45 So auch Begr. RegE zum FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 70. Treffend Fett, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 16: „Aus aufsichtsrechtlicher Sicht ist also § 25 a Abs. 1 S. 1 KWG die Basisnorm für Compliance und § 33 eine spezifizierende Sonderregel für das Wertpapiergeschäft.“ 46 Treffend Lösler, NZG 2005, 104, 107: „Compliance ist Chefsache“. 47 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 2. 48 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Principle 4. 49 So Dreher, VersR 2008, 998, 1004; ders., ZGR 2010, 496, 519; ders., in: FS Hüffer, S. 161, 170 f.; Mülbert, BKR 2006, 349, 358; Wundenberg, Compliance, S. 106 f. Ablehnend Langen, in: Schwennicke/Auerbach, § 25a KWG Rn. 49; zurückhaltend Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 44. Die MaRisk (BA) sieht ausdrücklich die Schaffung einer Compliance-Funktion vor, AT 4.4.2; ebenso nun auch § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 3c) KWG n.F. Vgl. auch Solvency II für den Versicherungssektor, s. Erwägungsgrund 30 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II). Zur Rechtslage nach CRD IV nun Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 520 ff. 50 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Principle 6: „responsibilities should be clearly specified“; ebenso § 12 Abs. 1 S. 2 WpdVerOV. Vgl. nun auch Art. 41 Abs. 1 S. 2 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II). 51 §§ 33 Abs. 1 S. 3 WpHG, 12 Abs. 5 WpDVerOV, 25a Abs. 1 S. 4 KWG, 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 1 VAG. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 7.
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a) Dreiklang: unabhängig, dauerhaft, wirksam § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG stellt mehrere qualitative Anforderungen an die Einrichtung einer Compliance-Funktion: Sie soll unabhängig, dauerhaft und wirksam sein. Im Mittelpunkt steht vor allem die Unabhängigkeit;53 ein Konzept mit mehreren Facetten.54 Zunächst ist damit organisatorische Unabhängigkeit gemeint: Mitarbeiter der Compliance dürfen nicht gleichzeitig in dem Geschäftsbereich tätig sein, den sie kontrollieren.55 Das umfasst das gesamte operative Geschäft. Ziel ist es, Interessenkonflikte zu vermeiden.56 Dieser Gedanke setzt sich bei der Vergütung fort: Mitarbeiter der Compliance dürfen nicht in Abhängigkeit vom Geschäftserfolg vergütet werden.57 Auch in disziplinarischer Hinsicht gilt das Unabhängigkeitsgebot: der Compliance-Verantwortliche ist keinerlei Weisungen unterworfen,58 es sei denn sie kommen von der Geschäftsleitung.59 Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Wirksamkeit der Compliance-Funktion.60 Sie fordert in erster Linie eine hinreichende Ressourcenausstattung in fachlicher, personeller und finanzieller Hinsicht, damit die Mitarbeiter ihrer Aufgabe auch gerecht werden können.61 Darüber hinaus müssen der Funktion weitreichende Kompetenzen 52
Ausführlich dazu Wundenberg, Compliance, S. 85 ff. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Principle 5. Vgl. auch Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 109 Rn. 103: „elementarer Grundsatz ordnungsgemäßer Geschäftsorganisation“; Gebauer/ Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 64 ff.: „wichtigstes definitorisches Merkmal für eine Compliance-Abteilung“; Reppenthien, in: Grieser/Heemann, BankaufsichtsR, S. 811, 815: „wesentlicher Aspekt“; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rz. 3.322 ff.; Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 23 Rn. 30 ff. Aus dem Versicherungsbereich Bürkle, in: Bähr, Hdb. des VersicherungsaufsichtsR, § 9 Rn. 27. 54 Dazu auch Lösler, NZG 2005, 104, 107; ders., WM 2008, 1098, 1103 f. 55 MaComp BT 1.3.3.1.1: „Mitarbeiter der Compliance-Funktion einschließlich des Compliance-Beauftragten dürfen, um eine effektive Ausübung der Compliance-Aufgaben zu ermöglichen, nicht an den Wertpapierdienstleistungen beteiligt sein, die sie überwachen.“ 56 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 20. 57 MaComp BT 1.3.3.4.6: „Die Vergütung der Mitarbeiter der Compliance-Funktion […] darf grundsätzlich nicht von der Tätigkeit derjenigen Mitarbeiter abhängen, die sie überwachen.“ § 12 Abs. 4 S. 4 WpDVerOV: „Vorbehaltlich des Absatzes 5 dürfen sie weder an den Wertpapierdienstleistungen beteiligt sein, die sie überwachen, noch darf die Art und Weise ihrer Vergütung eine Beeinträchtigung ihrer Unvoreingenommenheit bewirken oder wahrscheinlich erscheinen lassen.“ 58 MaComp BT 1.3.3.1; Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 23 Rn. 48. 59 Zum Verhältnis zur Geschäftsleitung insb. Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 25 f.; Spindler WM 2008, 905, 911. 60 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 109 Rn. 97; Schäfer, in: Baulig u. a., Compliance, Rn. 185 ff.; für Versicherungen Bürkle, in: Bähr, Hdb. des VersicherungsaufsichtsR, § 9 Rn. 27. 61 § 12 Abs. 4 S. 3 WpdVerOV sowie Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Principle 6; MaComp BT 1.3.1.1. s. auch Eisele/ 53
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innerhalb des Unternehmens eingeräumt werden.62 Sie muss „über Zugang zu allen für ihre Tätigkeit relevanten Informationen verfügen“ (§ 12 Abs. 4 S. 3 WpDVerOV); was von der MaComp sehr extensiv interpretiert wird und auch Auskunfts-, Einsichts- und Zugangsrechte umfasst.63 Zuletzt muss die Compliance-Funktion dauerhaft eingerichtet sein und ihre Aufgaben kontinuierlich wahrnehmen.64 Gewisse Erleichterungen von diesen Vorgaben gelten gemäß § 12 Abs. 5 WpDVerOV für kleine Institute. b) Innerbetriebliche Einbettung Die Compliance ist nach dem gesetzgeberischen Verständnis einer von drei Teilen des internen Kontrollsystems eines Finanzinstituts,65 das aus Risikomanagement, Compliance und interner Revision besteht.66 Von großer Bedeutung ist daher die Frage, wie die Compliance-Funktion in die innerbetriebliche Aufbauorganisation einzubetten ist. Zunächst muss klargestellt werden, dass „Funktion“ nicht mit „Abteilung“ gleichgesetzt werden darf.67 Funktion bedeutet nach dem Duktus des europäischen Gesetzgebers allein die Schaffung einer „administrativen Kapazität“68, die sich mit den Compliance-Aufgaben beschäftigt.69 Sie kann grundsätzlich auch an eine andere Abteilung angebunden sein.70 Inhaltlich bietet sich die Einbindung in oder jedenfalls die enge Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung oder dem RisiFaust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 109 Rn. 97; für den Versicherungsbereich auch Bürkle, in: Bähr, Hdb. des VersicherungsaufsichtsR, § 9 Rn. 27. 62 Dazu auch Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 23 Rn. 40. 63 MaComp BT 1.3.1.2: „[Den Mitarbeitern der Compliance-Funktion] ist ein uneingeschränktes Auskunfts-, Einsichts- und Zugangsrecht zu sämtlichen Räumlichkeiten und Unterlagen, Aufzeichnungen, Tonbandaufnahmen, IT-Systemen sowie weiteren Informationen, die für die Ermittlung relevanter Sachverhalte erforderlich sind zu gewähren.“; MaRisk (BA), AT 4.4.2.5. Vgl. auch Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 30 f. Dazu auch Lösler, NZG 2005, 104, 108; Fett, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 24. 64 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Principle 4; MaComp BT 1.3.2. 65 MaComp AT 7.2; Dreher, FS Hüffer, S. 161, 170 f.; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 4; Wundenberg, Compliance, S. 106. 66 Im Solvency II Modell tritt noch ein vierter Teil hinzu, die sog. „versicherungsmathematische Funktion“, Art. 48 der Richtlinie 2009/138/EG. 67 Dies betont auch Bürkle, in: Bähr, Hdb. des VersicherungsaufsichtsR, § 9 Rn. 144; Wundenberg, Compliance, S. 107. 68 Erwägungsgrund 31 sowie Art. 13 Nr. 29 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II); MaRisk (VA) 7.2.1.1. 69 Das ergibt sich auch aus Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Principle 7. Ähnlich Spindler, WM 2008, 905, 909: „[E]s [muss] sich um eine organisatorische Stelle handeln […], nicht nur um einen Managementprozess.“; a.A. Veil, WM 2008, 1093, 1096: Betriebsabteilung. 70 So auch Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 23 Rn. 35.
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komanagement an, da hier weitgehende inhaltliche Überschneidungen bestehen.71 Eine Anbindung an die interne Revision ist jedoch nicht gestattet, unterliegt die Compliance doch selbst der Kontrolle durch eben diese Abteilung.72 c) Zur Notwendigkeit eines „Compliance-Beauftragten“ Eine Sonderfrage ist in diesem Zusammenhang, ob es der Ernennung eines Compliance-Beauftragten bedarf.73 § 12 Abs. 4 S. 1 WpDVerOV sieht dies für Wertpapierfirmen zwingend vor,74 die Anforderungen an die fachliche Kompetenz des Compliance-Beauftragten werden zudem in § 34d Abs. 3 WpHG weiter konkretisiert.75 Seine Ernennung und Abberufung sind der BaFin unverzüglich anzuzeigen.76 Für den Banken- und Versicherungsbereich ist diese Frage angesichts der dünnen gesetzlichen Lage nicht geklärt.77 Auch hier lohnt es aber, dass Begriffsverständnis etwas zu glätten. Der Compliance-Beauftragte ist im Endeffekt niemand anderes als derjenige, der für die Compliance-Funktion zuständig ist und als Ansprechpartner für die Geschäftsleitung fungiert.78 Angesichts ihrer Komplexität wird eine Delegation der Compliance-Aufgabe vom Gesamtvorstand auf eine Einzel-
71 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 34; MaComp BT 1.3.3.2 und 1.3.3.3. Ausdrücklich ablehnend aber Dreher, FS Hüffer, S. 161, 172: „strikt voneinander zu trennen“; Spindler, WM 2008, 905, 912. Etwas anderes gilt mit Blick auf Solvency II im Versicherungssektor; dort sind das Risikomanagement und die Compliance-Funktion ohnehin getrennt, s. Art. 44, 46 der Richtlinie 2009/138/EG. Dazu Schaaf, Risikomanagement, S. 150 ff. Zum Verhältnis zwischen Compliance und Risikomanagement im Wertpapierbereich auch Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR § 23 Rn. 37 f. 72 Vgl. MaComp BT 1.3.3.2.2 sowie Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 45. Weniger streng Rothenhöfer, in: Kümpel/ Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rz. 3.313 ff. 73 Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines Compliance-Beauftragten, s. BGHSt 54, 44, 49 f. 74 Dazu Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR § 23 Rn. 44 ff. 75 MaComp BT 1.3.1.4. 76 § 34d Abs. 3 S. 2, 3 WpHG. Das Rundschreiben fordert darüber hinaus die Bereitstellung des Lebenslaufs und weiterer Dokumente sowie im Fall der Abberufung eine Begründung. 77 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 24 ff. sprechen allerdings von einem „Head of Compliance“; seit Ende 2012 auch MaRisk (BA), AT 4.4.2.4. Ebenso IAIS, Insurance Core Principles, Standards, Guidance and Assessment Methodology, 2011, ICP 8.4.2. Dagegen aber Schaaf, Risikomanagement, S. 146 ff. 78 § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 WpHG, MaComp BT 1.1.3; ausdrücklich auch Fett, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 21; Lösler, WM 2008, 1098, 1100. Es handelt sich nicht um eine Spielart des Unternehmensbeauftragten, vergleichbar dem Datenschutz- oder Geldwäschebeauftragten, s. Lösler, WM 2008, 1098, 1100 ff.; Spindler, WM 2008, 905, 910 f.; a.A. Veil, WM 2008, 1093, 1097.
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person de facto regelmäßig zwingend notwendig sein,79 so dass sich die Debatte um eine diesbezügliche Rechtspflicht auch für Banken und Versicherungen wohl erübrigt. Nach dem Solvency II-Regime gilt der Compliance-Beauftragte als Inhaber einer „Schlüsselfunktion“ und muss daher besondere Qualifikationen bei seiner Ernennung vorweisen.80 3. Aufgaben der Compliance-Funktion Die europäischen Richtlinien sind geprägt von der sog. „Doppelfunktion“ der Compliance-Funktion. Diese wird hiernach nicht nur rein überwachend, sondern ebenso beratend tätig.81 Das entspricht auch dem Selbstverständnis der ComplianceAbteilungen in der Praxis.82 Anders als zum Beispiel die interne Revision zieht die Compliance sich damit nicht auf eine nachträgliche, reine Kontrollaufgabe zurück, sondern begleitet die operativen Geschäftsbereiche proaktiv.83 Solche umfangreichen Aufgaben machen die Bereitstellung erheblicher Personalkapazitäten notwendig. Mittlerweile arbeiten schätzungsweise 1 % aller Mitarbeiter großer deutscher Banken in der Compliance-Abteilung.84 a) Risikoanalyse und Überwachung Am Beginn jeder Compliance-Aufgabe steht zunächst eine umfassende Risikoanalyse. Sofern nicht bereits durch die Geschäftsleitung geschehen, muss das Risiko von Rechtsverstößen identifiziert und dann bewertet werden;85 hierauf aufbauend kann dann ein Compliance-Programm für das Unternehmen erstellt werden.86 Nur 79 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 109 Rn. 99. Zur Delegation an ein Mitglied der Geschäftsleitung s. Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 23 Rn. 47. 80 Erwägungsgrund 33 ff. der RiLi 2009/138/EG (Solvency II). Umfassend dazu Dreher, VersR 2012, 933. 81 Zuletzt Art. 46 Abs. 1, 2 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II); MaRisk (BA), AT 4.4.2. 82 Dazu auch Lösler, NZG 2005, 104, 105: „Compliance-Abteilungen verstehen sich als Ratgeber und Aufklärer der operativen Bereiche des Unternehmens, denn Regeln können nur beachtet werden, wenn sie den Adressaten bekannt sind.“ 83 So Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 20; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 22; Schäfer, in: Baulig u. a., Compliance, Rn. 225 ff. Dasselbe gilt im Versicherungsbereich s. Bürkle, in: Bähr, Hdb. des VersicherungsaufsichtsR, § 9 Rn. 145; Sehrbrock/Gal, Corporate Finance law 2012, 140, 145. 84 Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 11. 85 § 12 Abs. 1 S. 1 WpDVerOV; Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 37 f., MaRisk (BA) 4.4.2.2; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 39 ff.; aus dem Versicherungsaufsichtsrecht Schaaf, Risikomanagement, S. 135 ff. 86 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 43.
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auf diesem Wege kann sich die Compliance-Funktion verdeutlichen, welche Bereiche sie besonders intensiv überwachen muss.87 Diese Überwachung ist eine Daueraufgabe.88 Um sie wirksam erfüllen zu können, muss die Compliance-Funktion vollumfänglich in den unternehmensinternen Kommunikationsfluss eingebunden sein.89 Bei Verdachtsfällen hat sie gegenüber den Mitarbeitern einzuschreiten und deren Verhalten zu sanktionieren.90 Die Kontrollaufgabe erstreckt sich darüber hinaus auf das eigene System: in regelmäßigen Abständen soll die ComplianceFunktion „die Angemessenheit und Wirksamkeit der […] getroffenen organisatorischen Maßnahmen“91 überwachen und bewerten.92 Treten Schwachstellen auf, so muss das System weiterentwickelt werden.93 b) Beratung Die Compliance-Funktion ist innerhalb des Unternehmens die Anlaufstelle für alle compliance-relevanten Fragen und unterrichtet und berät insbesondere die Geschäftsleitung über neue Entwicklungen.94 Aber auch die Kommunikation der Compliance-Grundsätze gegenüber den Mitarbeitern fällt in ihren Aufgabenbereich. Diese sind durch unternehmensinterne Richtlinien (sog. „Compliance-Handbooks“) und darauf aufbauende Schulungen95 über ihre Verantwortung zu informieren und bei der Umsetzung zu unterstützen.96 Die MaComp fordert darüber hinaus die Einbindung der Compliance-Funktion bei der Entwicklung neuer Produkte,97 um möglichen Rechtsverstößen so schon im Vorhinein begegnen zu können.98 Die 87
§ 12 Abs. 1 S. 2 WpDVerOV: „Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen“. Dazu auch Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR § 22 Rn. 42. 89 Zu den Informationsquellen der Compliance-Funktion bei ihren Überwachungshandlungen, MaComp BT 1.2.1.2.4; vgl. auch Schäfer, in: Baulig u. a., Compliance, Rn. 205 ff. 90 § 12 Abs. 3 S. 2 WpDVerOV. 91 § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 WpHG. 92 § 12 Abs. 3 Nr. 1 WpDVerOV, MaComp BT 1.2.1.2.8. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 39. 93 § 12 Abs. 2a WpDVerOV: „Defizite […] innerhalb angemessener Zeit zu beheben […].“ 94 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 35. Zur Beratungs- und Unterstützungsfunktion auch Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR § 22 Rn. 43; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und KapMarktR, Rn. 3.375. 95 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 36; MaComp BT 1.2.3.2; Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 28; Gebauer/ Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 47 ff.; Rothenhöfer, in: Kümpel/ Wittig, Bank- und KapMarktR, Rn. 3.372 ff. 96 § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WpDVerOV. 97 MaComp BT 1.2.4.3. 98 Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 21: „Die Beratungstätigkeit (z. B. Rechtsrat, Training in Bezug auf Produkte oder Prozesse) rückt dabei in jüngster Zeit stärker in den Mittelpunkt, da es allemal besser ist, Fehler zu vermeiden als sie zu entdecken.“ 88
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Compliance-Funktion soll nach diesem Verständnis das „operative Geschäft aktiv begleiten und damit einen Bestandteil der Wertschöpfungskette bilden“.99 c) Berichterstattung Die Compliance-Funktion ist darüber hinaus gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 WpHG für die Berichterstattung gegenüber der Geschäftsleitung verantwortlich.100 Gesetzlich gefordert ist eine regelmäßige Berichterstattung mindestens einmal im Jahr, in der die wesentlichen Vorkommnisse dargestellt, Einblick in die eigene Tätigkeit gegeben und die Ergebnisse der Eigenkontrolle präsentiert werden.101 Darüber hinaus wird man in besonders gravierenden Einzelfällen von einer anlassbezogenen Berichtspflicht gegenüber der Geschäftsleitung ausgehen müssen.102 Das WpHG sieht eine solche Berichtspflicht auch gegenüber dem Aufsichtsrat vor;103 mit vollständiger Umsetzung der Solvency II-Richtlinie wird Ähnliches auch im Versicherungssektor gelten.104 Zuletzt wird die Compliance-Funktion auch als Kommunikationskanal zu den Aufsichtsbehörden verstanden.105 Den Wünschen des Basler Ausschusses folgend ist es ihre Aufgabe „to liaise with relevant external bodies, including regulators, standard setters and external experts“.106 Hieraus ergibt sich indes noch keine Pflicht zu einem externen Reporting gegenüber der Aufsichtsbehörde.107
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Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 23 Rn. 43. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 41; MaComp BT 1.2.2; MaRisk (BA) 4.4.2.6. Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3d VAG. Instruktiv Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rz. 3.396 ff.; Schäfer, in: Baulig u. a., Compliance, Rn. 278 ff. 101 Abhängig von der Unternehmensgröße kann aber auch eine quartalsweise erfolgende Berichterstattung notwendig sein, s. Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR § 22 Rn. 58. 102 MaComp BT 1.2.2.2. So auch Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR § 22 Rn. 59. Zum Reporting im Versicherungsaufsichtsrecht s. Schaaf, Risikomanagement, S. 144 ff. 103 § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 WpHG; MaComp BT 1.1.2. Ablehnend aber Fett, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 33; Spindler, WM 2008, 905, 914. 104 Nach Art. 46 Abs. 2 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II) ist die Compliance-Funktion verpflichtet, das Aufsichtsorgan zu „beraten“. Auch die MaRisk sieht Direktkontakte zwischen Aufsichtsrat und Unternehmensmitarbeitern vor, s. MaRisk (VA), 7.2.1.3b). Anders aber Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 18. Zur Thematik Dreher, ZGR 2010, 496, 514 ff. sowie jüngst Binder, ZGR 2013, 760, 770; Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 542. 105 Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 56. 106 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, 2005, Nr. 42. 107 Vgl. Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 27; Veil, WM 2008, 1093, 1098; Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR § 22 Rn. 62, der auf die abweichende Rechtslage in Großbritannien hinweist. 100
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III. Aktienrecht 1. Rechtspflicht zur Compliance Das Aktiengesetz hat sich hingegen bis heute nicht ausdrücklich zur Compliance bekannt. Folglich kreiste die Debatte eine geraume Zeit schwerpunktmäßig um die Frage, ob eine solche Pflicht außerhalb der regulierten Wirtschaftssektoren denn überhaupt bestünde. Einem ersten Versuch, eine Compliance-Pflicht durch Gesamtanalogie zu den bereichsspezifischen Vorschriften des Aufsichtsrechts zu begründen,108 wurde weitgehend die Gefolgschaft versagt.109 Argumentiert wurde insbesondere, dass das AktG mit § 91 Abs. 2 seit 1998 eine Sondervorschrift zur Risikofrüherkennung vorhielte und es damit an einer planwidrigen Regelungslücke fehle.110 Gleichwohl hat sich mittlerweile die überwiegende Meinung zu einer genuin aktienrechtlichen Compliance-Pflicht als Ausfluss der Leitungsaufgabe des Vorstands aus §§ 76, 93 AktG bekannt.111 Letztendlich sei es eine „Binsenweisheit“,112 dass der Vorstand die ihm und dem Unternehmen obliegenden gesetzlichen Pflichten einhalten müsse.113 Seine Überwachungsverantwortung verpflichte ihn zusätzlich dazu, durch organisatorische Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass auch auf den nachgelagerten Mitarbeiterebenen die geltenden Gesetze und unternehmensinternen
108 U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 648 f. (Gesamtanalogie zu Vorschriften des Finanzaufsichtsrechts, des BImschG, des KrW-/AbfG und des GeldwäscheG). 109 Vgl. Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, S. 65, 74 f.; Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK § 33 Rn. 2; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 47; Sethe, ZBB 2012, 357, 359. 110 Einige wollen nichtsdestotrotz die Compliance-Pflicht direkt aus § 91 Abs. 2 AktG ableiten, s. Dreher, in: FS Hüffer, S. 161, 168 ff.; Eisele/Faust, in: BankR-Hdb Bd. II, § 109 Rn. 95a; Kort, GroßKomm AktG, § 91 Rn. 65; Spindler, WM 2008, 905, 906. Ablehnend statt vieler Bachmann, in: VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, S. 65, 73; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 392. 111 Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, S. 65, 73 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 47; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 12; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 392; Kort, in: FS Hopt, Bd. I, S. 983; Krieger/Seiler-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 6; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 91 Rn. 35; Schmidt, Compliance in Kapitalgesellschaften, S. 24; Winter, in: FS Hüffer, S. 1103, 1104; a.A. Sieg/Zeidler, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 3 Rn. 24. 112 U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 646: „Es sollte eine Binsenweisheit sein, dass Unternehmen, ihre Organmitglieder und ihre Mitarbeiter im Einklang mit dem geltenden Recht handeln. Und es bleibt auch dann eine Binsenweisheit wenn man dies neudeutsch als ,Compliance‘ bezeichnet.“ Ähnlich Spindler, WM 2008, 905: „reine[.] Selbstverständlichkeit“. 113 Goette, ZHR 175 (2011), 388, 391: „So verstanden ist Compliance überhaupt nichts Neues, sondern ein Schlagwort dafür, dass die Organmitglieder das Legalitätsprinzip bei ihrem eigenen Handeln zu wahren und außerdem sicherzustellen haben, dass die von ihnen geführte Gesellschaft und die für sie handelnden Personen Gesetz und Recht einhalten.“ Dazu nun auch das „Siemens/Neubürger“-Urteil des LG München, NZG 2014, 345 sowie die Besprechung von Fleischer, der es bereits als eines der „iconic cases in corporate law“ in Deutschland bezeichnet, NZG 2014, 321 ff.
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Richtlinien befolgt werden.114 Denn nur auf diesem Wege kann die Gesellschaft vor den mit Gesetzesverletzungen verbundenen Nachteilen und Schäden bewahrt werden. Auf dieser Linie liegt auch die vom DCGK eingeforderte Compliance-Pflicht (Ziff. 4.1.3). Obwohl die Diskussion primär um die Vorstandsverantwortlichkeit kreist,115 muss klar sein, dass Compliance auch den Aufsichtsrat betrifft. Schließlich fällt es in dessen Überwachungsverantwortung, den vom Vorstand gewählten Umgang mit der Compliance-Aufgabe zu kontrollieren (§ 111 Abs. 1 AktG).116 Die aktienrechtliche Compliance ist indes keine generelle, sondern eine relative Pflicht:117 Sie verpflichtet den Vorstand nur dann zum Eingreifen, wenn auch ein entsprechendes Gefahrenpotential im Unternehmen besteht.118 Auf diese Weise wird die Verhältnismäßigkeit gewahrt und die Vorstände sehr kleiner Unternehmen von der „Compliance-Bürde“ verschont. Angesichts der Tatsache, dass sich aber mittlerweile (nahezu) jedes Unternehmen einem breit gefächerten Kanon öffentlichrechtlicher Pflichten gegenüber sieht, wird diese „Gefahrenschwelle“ im Einzelfall wohl schnell erreicht sein. Unternehmensbezogene Pflichten finden sich – um nur einige zu nennen – im Kartell-, Umwelt-, IT-, Datenschutz-, Außenwirtschafts-, Produkthaftungs- und Arbeitsrecht.119 Daneben treten die auch strafrechtlich relevanten Korruptions- oder Betrugsdelikte sowie Verletzungen des Steuer- und Abgabenrechts (§ 266a StGB). Im Ordnungswidrigkeitenrecht hat zudem die Organisationspflicht nach §§ 30, 130 OWiG herausragende Bedeutung erlangt.120 Nur weil
114 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 47; Hüffer, in: FS G.H. Roth, S. 299, 302; Kort, in: FS Hopt, Bd. I, S. 983 f. 115 Goette, ZHR 175 (2011), 388, 392: „Primär gefordert ist dabei der Vorstand“. 116 Ausführlich zur Compliance-Verantwortung des Aufsichtsrats Kort, in: FS Hopt, S. 983, 997; Lutter, in: FS Hüffer, S. 617 ff.; Winter, in: FS Hüffer, S. 1103, 1107 ff. 117 Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, S. 65, 68: „Das bedeutet, dass sie nur dann und in dem Maße akut werden, wenn und soweit das betreffende Unternehmen eine bestimmte ,Risikoklasse‘ erreicht hat.“ 118 Bachmann, in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, S. 65, 68; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 50; Hüffer, in: FS G.H. Roth, S. 299, 304; Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 17; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 91 Rn. 35; Spindler, MünchKomm AktG, § 91 Rn. 66; Winter, in: FS Hüffer, S. 1103, 1105. Differenzierend schägt Hauschka ein Drei-Stufen-Modell vor, s. Hauschka, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, S. 51, 61. A.A. U. H. Schneider ZIP 2003, 645, 648 f.: „Die Verpflichtung zur Einrichtung einer Compliance-Organisation besteht jedoch nicht nur für Kreditinstitute und für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, sondern für alle Unternehmen.“ 119 Zahlreiche Einzelbeiträge dazu im Sammelband von Hauschka, Hdb. Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010. 120 Vgl. Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, S. 65, 70 ff. Kritisch Goette, ZHR 175 (2011), 388, 398: „Hier zeigt sich einmal mehr, dass sich das Strafund das Ordnungswidrigkeitenrecht […] in jüngerer Zeit zunehmend zu einer unerwünschten Quelle des Gesellschaftsrechts entwickeln, die man mit großer Sorge beobachten muss.“ Umfassend zur straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verantwortung Engelhart, Sanktionierung von Unternehmen und Compliance, 2010.
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ein Unternehmen nicht dem Finanzsektor angehört, sieht es sich daher also nicht zwangsläufig weniger gesetzlichen Anforderungen gegenüber.121 2. Inhalt der Compliance-Verantwortung a) Risikoanalyse und Organisationsermessen Die Diskussion hat sich daher mittlerweile von der Frage nach dem „ob“ hin zum „wie“ der Compliance-Verantwortung verlagert. Das entspricht auch den Bedürfnissen der Praxis.122 Wie bereits erläutert, hängt der Pflichtenumfang maßgeblich von den Eigenheiten des jeweiligen Unternehmens und seinem Betätigungsfeld ab.123 Branche, Größe, Auslandsaktivität – all diese Faktoren müssen berücksichtigt werden, wenn der Vorstand in einem ersten Schritt eine Analyse des konkreten Compliance-Risikos vornimmt.124 Denn ohne Kenntnis vom eigenen Risikoprofil kann überhaupt nicht entschieden werden, ob und wenn ja, wie Compliance zu organisieren ist.125 Sicher ist auch, dass der Vorstand – ebenso wie im Bereich der zivilrechtlichen Organisationspflichten126 – nicht über das Erforderliche und das Zumutbare hinaus in die Pflicht genommen werden kann.127 Darüber hinaus lassen sich jedoch nur schwerlich allgemeine Vorgaben machen;128 vielmehr kommt dem Vorstand bei der Ausgestaltung sein unternehmerischer Ermessenspielraum in Form
121 Dazu auch Hauschka, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 1 Rn. 8 ff.; zu den typischen Fallkonstellationen auch Fleischer, AG 2003, 291 f. 122 Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 114: „Zumindest in großen börsennotierten Unternehmen befassen sich Vorstände und Aufsichtsräte heute regelmäßig mit Compliance-Themen und es bestehen mehr oder weniger intensiv ausgearbeitete Compliance-Programme.“ 123 Goette, ZHR 175 (2011), 388, 399: „[J]e größer das Risiko ist, dass Recht und Gesetz nicht in der gebotenen Weise beachtet werden, um so strenger sind die Sollensanforderungen, die gestellt werden müssen.“ 124 So Goette, ZHR 175 (2011), 388, 396; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 120; Winter, in: FS Hüffer, S. 1103, 1106. Vgl. auch U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 647: „Der Vorstand wird zum legal risk manager“; ähnlich Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 109 Rn. 1. 125 Spindler, MünchKomm AktG, § 91 Rn. 68: „Entscheidend wird es darauf ankommen, dass der Vorstand im Rahmen des ihm von der Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eingeräumten Ermessens sich über die Risiken im Unternehmen informiert und Vor- und Nachteile bestimmter organisatorischer Strukturen sorgsam abwägt.“ 126 Umfassend dazu Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2. Auflage, S. 599 ff. 127 Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, S. 65, 78 f.; Dreher, FS Hüffer, S. 161, 174; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 53; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 91 Rn. 36. 128 So Fleischer, AG 2003, 291, 299; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 399; Hüffer, in: FS G.H. Roth, S. 299, 304; erste Versuche aber bei U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 649 f. (siebenstufiges Pflichtenheft).
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der Business Judgment Rule zugute.129 Weder ist er verpflichtet einen ComplianceBeauftragten130 zu bestellen noch eine eigenständige Compliance-Abteilung einzurichten; mitunter mag auch die Beauftragung eines einzelnen Vorstandsmitglieds mit Compliance-Fragen ausreichen.131 b) Mindestpflichtenumfang Trotz des weiten Gestaltungsspielraums des Vorstands, muss klar sein, dass die Compliance-Verantwortung nicht nur „auf dem Papier“ erfüllt werden darf, sondern innerhalb des Unternehmens „gelebt“ werden muss.132 Denn ansonsten würde die von §§ 76, 93 AktG eingeforderte Pflicht zur Schadensprävention vollständig unterlaufen. Einige grundlegende Pflichten lassen sich daher für alle Aktiengesellschaften statuieren:133 129 So Bürkle, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 8 Rn. 15; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 91 Rn. 53; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 400; Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 386; Hüffer, in: FS G.H. Roth, S. 299, 304 f.; Kort, in: FS Hopt, S. 983, 990 f.; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 91 Rn. 37; Spindler, in: MünchKomm AktG § 91 Rn. 36; Winter, FS Hüffer, S. 1103, 1106. Für Ausgestaltungs- und Entschließungsermessen Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, S. 65, 85 f.; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 121. 130 Vgl. Dreher, FS Hüffer, S. 161, 172; Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 36 Rn. 14: „Ob die Übertragung letztlich an Mitarbeiter der Rechtsabteilung, des Geschäftsleitungssekretariats, der Innenrevision oder einer Compliance-Abteilung erfolgt, ist nach gesellschaftsrechtlichen Regeln weitgehend unerheblich.“ Vgl. aber Koch, in: Hüffer, AktG § 76 Rn. 19: „Bei nicht ganz kleinen Verhältnissen empfiehlt sich Bestellung eines Compliance-Beauftragten […].“ Aus der Praxis Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 125: „Eine weitere Delegation der Compliance-Aktivitäten im Unternehmen aus dem Vorstand auf eine dazu geeignete Stelle oder Person ist empfehlenswert und wird in der Praxis auch durchgängig vorgenommen.[…] Eine interne Umfrage unter den Dax Unternehmen im vergangenen Sommer hat ergeben, dass 95 % aller Unternehmen einen Chief Compliance Officer bestellt haben […].“ 131 Siehe aber Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 91 Rn. 36: „Allerdings kann zumal in Großunternehmen eine umfassende Koordination aller Compliance-Aufgaben durch eine spezifische Organisation je nach Lage der Dinge ein unabweisbares Erfordernis ordnungsgemäßer Geschäftsführung sein.“ 132 So ausdrücklich Winter, FS Hüffer, S. 1103, 1107. 133 Eingehend zuletzt Fleischer, NZG 2014, 321, 324 f. Vgl. auch das sog. „ComplianceModell“ bei Hauschka, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, S. 51, 57 ff.; ders., in: Hauschka, Corporate Compliance, § 1 Rn. 34 ff. unter der Überschrift „Essentielle Grundelemente einer Compliance-Organisation“; aufgegriffen von Kort, in: FS Hopt, S. 983, 985. Ähnlich auch Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 122 ff. Kritisch aber Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 91 Rn. 7: „Zwar mag eine rechtsliterarische Aufstellung mehr oder minder leerformelhafter Pflichten […] durchaus auf relevante Gesichtspunkte hinweisen, die der Vorstand in der Ausübung seines unternehmerischen Ermessens zu berücksichtigen hat. Doch können damit ohne Rücksicht auf den Kostenaufwand ausgebreitete Vorstellungen über eine wunschgerechte Compliance nicht zu rechtsverbindlichen Organisationsstandards erhoben werden […]. Würde die Art und Weise, wie hier in einer anschwellenden Compliance-Literatur
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Falls ein „Compliance-System“ eingerichtet wird, müssen Zuständigkeiten und Strukturen genau festgelegt werden.134 Ansonsten droht die Gefahr, dass sich letztendlich keiner für den Erfolg der Compliance-Bemühungen verantwortlich fühlt.135 Die Bedeutung von Compliance muss gegenüber allen Mitarbeitern, neudeutsch „top-down“, kommuniziert werden.136 Spiegelbildlich hierzu müssen „bottom-up“ Informationskanäle zum Vorstand bestehen, die eine kontinuierliche Versorgung mit compliance-relevanten Informationen sicherstellen.137 Ein Beispiel hierfür wäre eine regelmäßige Berichtspflicht des Compliance-Verantwortlichen gegenüber dem Gesamtvorstand.138 Mit der einmaligen Einrichtung eines „Compliance-Systems“ kann es aber nicht getan sein; das System ist vielmehr in regelmäßigen Abständen auf seine Wirksamkeit zu kontrollieren und ggf. fortzuentwickeln.139 Auch muss – wer es ernst mit der Compliance meint – in fachlicher wie finanzieller Hinsicht ausreichende Ressourcen für die Bewältigung dieser Aufgabe zur Verfügung stellen.140 Um all diese Bemühungen im Haftungsfall glaubhaft darlegen zu können, ist zudem eine umfassende Dokumentation angezeigt. Hieraus muss mindestens hervorgehen, dass sich der Vorstand mit der Compliance-Frage ernsthaft auseinandergesetzt und nach der gebotenen Risikoanalyse für oder gegen bestimmte Maßnahmen entschieden hat.141 Im Verdachtsfall verdichten sich die Anforderungen weiter: der Compliance-Verantwortliche hat den Sachverhalt aufzuklären, ggf. einzuschreiten und das Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter zu sank-
Pflichten ersonnen werden, auch auf die Geschäftsleitung durch den Vorstand im Allgemeinen ausgedehnt, so wäre es um sein Geschäftsleiterermessen schlecht bestellt.“ 134 So auch Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, S. 65, 81; Fleischer, AG 2003, 291, 294. 135 Dazu allgemein Hemeling, ZHR 174 (2010), 635, 639: „Im Ergebnis führen all diese Entwicklungen auch zu einer Zersplitterung und Verwässerung der Verantwortung. Im Hinblick auf die Eigenverantwortung der Handelnden kann es mit Blick auf die prozessorientierten Kontrollfunktionen zu einer Art Moral Hazard kommen. Wichtiger als immer neue Aufsichtsund Kontrolllayer ist daher der Erhalt klarer Verantwortlichkeiten […].“ 136 Dazu Hauschka, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 1 Rn 35; U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 649; Winter, FS Hüffer, S. 1103, 1107. 137 Das ist notwendig, um Rechtsrisiken überhaupt zu erkennen, s. Hauschka, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, S. 51, 57 ff. 138 Für auch anlassbezogene Berichtspflicht offensichtlich Dreher, FS Hüffer, S. 161, 175. 139 Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, S. 65, 81: „stichprobenartige Kontrollen“; Bürkle, in: Hauschka, § 8 Rn. 11; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 54; ders., AG 2003, 291, 294; Hauschka, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 1 Rn. 29; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 6; Winter, FS Hüffer, S. 1103, 1106. 140 Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 19; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 125; 141 Goette, ZHR 175 (2011), 388, 397: „Eine solche Dokumentation ist allein deswegen geboten, weil sich auf ihrer Grundlage nachvollziehbar darstellen lässt, dass eine Risikoanalyse stattgefunden hat, dass man sich Gedanken gemacht hat, wie man diesen Risiken begegnen muss und wie diese Erkenntnisse umgesetzt worden sind.“
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tionieren.142 Auch im Aktienrecht gilt es also, solide Grundpfeiler für die Realisierung der Compliance-Aufgabe in die Unternehmensverfassung einzuziehen.143
IV. Ausstrahlungswirkung? 1. Gegenüberstellung aufsichts- und aktienrechtlicher Vorgaben Selbst im Aktienrecht hat sich die Pflicht zur Compliance also weitgehend durchgesetzt; sie ist mangels einer gesetzlichen Regelung aber im Detail weit weniger ausgeformt als die Anforderungen des Aufsichtsrechts. Dadurch wird dem Organisationsermessen des Vorstands Rechnung getragen. Dieses Ermessen ist jedoch nicht grenzenlos, sondern endet dort, wo die Einhaltung bestimmter Regeln notwendig ist, um eine effektive Schadensabwehr zu gewährleisten.144 Um diese Regeln genauer zu konturieren, lässt sich ein Blick ins Aufsichtsrecht wagen.145 Denn die Pflicht zur Schaffung klarer Zuständigkeiten, zur Einrichtung von Kommunikationskanälen und zur angemessenen Ressourcenausstattung findet sich auch dort.146 Weitere Parallelen finden sich bei der Umsetzung der Compliance. So wird auch im Aktienrecht vom Vorstand eine eingehende Analyse des Risikoprofils der Gesellschaft erwartet. Denn nur auf dieser Basis ist ihm die Ausübung seines Organisationsermessens auf „angemessener Informationsgrundlage“147 überhaupt möglich. Unterschiede bestehen naturgemäß zwischen den Mechanismen der 142 So schon Fleischer, AG 2003, 291, 295; aktuell Winter, FS Hüffer, S. 1103, 1107. Dazu auch Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 6: „In dem viel beachteten Haftungsfall bei der Siemens AG lag der Kern des Vorwurfs […] gerade darin, Hinweisen auf eine bestehende Korruptionspraxis im Konzern nicht ausreichend nachgegangen zu sein.“ 143 Noch darüber hinaus gehen die Vorschäge des IDW in seinem Prüfstandards 980, WPg Supplement 2/2011, S. 78 ff. Hierbei handelt es sich um rechtlich unverbindliche Standards, die in der Praxis allerdings große Bedeutung erlangt haben, vgl. auch Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, S. 65, 88 f. 144 Goette, ZHR 175 (2011), 388, 391: „Es ist doch wahrlich keine neue Erkenntnis, dass es zahlreiche Pflichten gibt, bei denen kein unternehmerischer Spielraum besteht, die vielmehr den handelnden Organen im Interesse der Allgemeinheit […] auferlegt worden sind.“ 145 So nun auch Fleischer, NZG 2014, 321, 325. Kritisch aber Spindler, WM 2008, 905, 906: „Dieser Regulierungsmix (ver-)führt aber auch dazu, die Unternehmensorganisationspflichten und damit auch die Compliance als ein übergreifendes Phänomen anzusehen, das einheitlich verstanden und umrissen werden kann – was indes ein Missverständnis wäre, da die jeweiligen Regulierungen ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen und spezifische Probleme aufwerfen. Auch wenn es zahlreiche gemeinsame Elemente geben mag, ist diesen Besonderheiten stets Rechnung zu tragen.“ 146 Vgl. §§ 12 Abs. 1 S. 2 WpDVerOV (klare Zuständigkeiten); 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 WpHG, 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 d) VAG (Berichtswesen); 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG (Ressourcen). § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 WpHG verlangt zudem ausdrücklich die regelmäßige Überprüfung des Systems. 147 Grundlegend zum Geschäftsleiterermessen BGHZ 135, 244, 253 f. (ARAG/Garmenbeck). Umfassend dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 59 ff.
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Rechtsdurchsetzung: Während im Aktienrecht allein der Aufsichtsrat zur Kontrolle des Vorstands berufen ist, wacht im Aufsichtsrecht zusätzlich die BaFin über die Einhaltung der Compliance-Vorschriften. 2. Einfallstore für eine Ausstrahlung im Aktienrecht Das Aktienrecht enthält keine eigenen Vorschriften zur Compliance, an denen das Aufsichtsrecht „andocken“ könnte. Daher rücken die organschaftlichen Sorgfaltspflichten des Vorstands gemäß §§ 76, 93 AktG in den Blick. Diese fordern, die Geschäfte der Aktiengesellschaft mit der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ zu führen. Es handelt sich hierbei um ausfüllungsbedürftige Generalklauseln. Bei ihrer Auslegung kann ein systematisch-vergleichender Blick auf die spezialgesetzlichen Vorgaben des Aufsichtsrechts geworfen werden. Finden sich im Aufsichtsrecht verallgemeinerbare Grundgedanken zur Corporate Governance wieder, so können die Normen des KWG und VAG als Rechtserkenntnisquelle zur Auslegung der §§ 76, 93 AktG herangezogen werden und auf diesem Wege in das Aktienrecht „ausstrahlen“.148 3. Ausgangspunkte einer Ausstrahlung im Aufsichtsrecht a) Irrelevanz von Soft Law Vorgaben Vorweg aber eine Klarstellung: Es kann nicht häufig genug betont werden, dass für eine solche Ausstrahlung allein verbindliches Gesetzesrecht, nicht aber Regelungen des Soft Law in Betracht kommen. Das gilt insbesondere für die Rundschreiben der BaFin. Diese sind – entgegen anderslautender Meinungen149 – nicht ausstrahlungsfähig.150 Ihre rechtliche Tragweite ist bereits innerhalb ihres eigenen Anwendungsbereichs – in diesem Fall bei der Auslegung von § 33 WpHG – sehr umstritten. Eine Anwendung auf die §§ 76, 93, 116 AktG kommt daher erst recht nicht in Betracht. Nichts anderes kann auch für die Vorgaben des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht gelten. Da diese vom Gesetzgeber aber immerhin als Inspirationsquelle genutzt wurden, können sie bei der Interpretation der aufsichtsrechtlichen
148
Dazu bereits Dritter Teil, A. II. 3., S. 162. Lorenz, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, S. 3, 17: „Der allgemeine Teil der MaRisk ist weitgehend auch auf Unternehmen anderer Branchen übertragbar, denn es geht darin um grundlegende Anforderungen und insbesondere die Prinzipien für die Ausgestaltung des Risikomanagementsystems.“; in diese Richtung auch Kießling/ Kießling, WM 2003, 513, 521. 150 Dazu bereits ausführlich Dritter Teil, B. III. 5., S. 183 f. 149
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Compliance-Vorschriften im Rahmen der historischen Auslegung Berücksichtigung finden.151 b) Uneinheitlichkeit der aufsichtsrechtlichen Regelungen Wendet man sich nun dem aufsichtsrechtlichen Gesetzestext auf der Suche nach ausstrahlungsfähigem Material zu, so zeigen sich erst einmal maßgebliche Unterschiede zwischen der Compliance im Wertpapier-, Banken- und Versicherungssektor. Solche sektorspezifischen Sonderregeln können für eine Ausstrahlung nicht in Frage kommen. Denn eine Norm, die nicht einmal innerhalb des Aufsichtsrechts einen verallgemeinerbaren Rechtsgedanken verkörpert, kann erst recht nicht für die Auslegung des Aktienrechts relevant sein. Beispielhaft sei hier auf §§ 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 WpHG, 13 WpDVerOV verwiesen, der „Vorkehrungen“ zur Vermeidung von Interessenkonflikten bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen verlangt. Das macht in Wertpapierfirmen unter anderem die Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen, sog. Chinese Walls, erforderlich.152 Diese Anforderung ist jedoch ersichtlich vom Gedanken des Anlegerschutzes bei der Kundenberatung geprägt;153 eine vergleichbare Regelung im Banken- oder Versicherungsaufsichtsrecht existiert daher nicht.154 Sie kann dementsprechend auch nicht auf das Aktienrecht übertragen werden. Dasselbe gilt im Bankenaufsichtsrecht für die Sonderregeln zur Geldwäsche-Compliance gemäß §§ 25h ff. KWG und im Versicherungsaufsichtsrecht für die Pflicht zur Einrichtung einer versicherungsmathematischen Funktion.155 c) Fazit Für eine Ausstrahlung kommen daher bereits im Ausgangspunkt nur solche Regeln in Betracht, die im Aufsichtsrecht sektorübergreifend übereinstimmen.156 Man muss folglich bereits im Aufsichtsrecht zwischen einem „Allgemeinen“ und 151
So Dritter Teil, B. III. 5., S. 183 f.; ähnlich Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/SchulteMattler, KWG, § 25a Rn. 37; Spindler, in: Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 19 Rn. 32; Wundenberg, Compliance, S. 107. 152 Dazu ausführlich Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 109 Rn. 113 ff.; Fett, Schwark/Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 34 ff.; Rothenhöfer, in: Kümpel/ Wittig, Bank- u. KapMarktR, Rz. 3.334 ff.; Wundenberg, in: Veil, Europ. KapMarktR, § 23 Rn. 63 ff. 153 § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. 154 Lösler, Compliance, S. 124: „Der Gesetzgeber wollte mit dem WpHG die Anleger gerade vor den damit typischerweise verbundenen Gefahren durch Interessenkonflikte schützen. Bei Nicht-Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist diese Konstellation hingegen nur selten der Fall.“; ebenso Spindler, in: Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 19 Rn. 41. 155 Art. 48 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II). 156 Die obige Darstellung hat das bereits berücksichtigt und alle nicht verallgemeinerungsfähigen Pflichten, wie insbesondere die Pflicht zur Einrichtung von Chinese Walls in Wertpapierfirmen, gar nicht mit aufgenommen.
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einem „Besonderen Teil“ der Compliance unterscheiden.157 Nur solchen Regelungen, die für Wertpapierfirmen, Banken und Versicherungen gleichermaßen verbindlich sind, kann eventuell ein noch darüber hinaus verallgemeinerbarer Kern innewohnen.158 4. Unterschiedliche Schutzzwecke, … Untersucht man solche Normen auf ihre Ausstrahlungskraft, so wird man von diversen Autoren reflexartig auf die divergierenden Schutzzwecke von Aufsichtsund Aktienrecht verwiesen.159 Und in der Tat: Das Aktienrecht wendet sich allein dem verbandsinternen Interessenausgleich zu und verlangt Compliance daher im „Unternehmensinteresse“. Hierhinter verbergen sich die Interessen der Aktionäre, aber auch anderer stakeholder Gruppen.160 Das Aufsichtsrecht will hingegen im öffentlichen Interesse die Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes erhalten; dafür müssen Krisen einzelner Institute verhindert werden. Ein wichtiger Mechanismus der Krisenprävention ist die Compliance. Sie ist darüber hinaus notwendig, um das Vertrauen der Institutskunden zu bewahren – denn wer möchte sein Geld schon einer Institution anvertrauen, die für Gesetzesverstöße bekannt ist?161 Aktien- und Aufsichtsrecht nähern sich der Compliance also von unterschiedlichen Ausgangspunkten, weil sie sich dem Schutz unterschiedlicher Personengruppen verschrieben haben. Sie bedienen sich aber desselben Regelungsinstruments:162 einer Unterneh157 So u. a. Spindler, in: Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 19 Rn. 51: „Während die sog. Chinese Walls zu spezifischen Einzelmaßnahmen gehörden, die das Insider-Trading unterbinden oder erschweren sollen, liegt der Einrichtung von Compliance-Organisationen ein umfassenderer Ansatz zu Grunde […].“; Veil, WM 2008, 1093, 1094: § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG enthalte „ein Grundprinzip kapitalmarktrechtlicher Compliance, das durch weitere Organisationspflichten […] ergänzt wird.“ 158 Dazu bereits Zweiter Teil, D. V., S. 155. 159 Kort, in: FS Hopt, S. 983, 985: „Während dort bei der Compliance aufsichtsrechtliche Fragen und damit Gemeinwohlfragen sowie weitere kapitalmarktrechtliche Fragen eine gewisse Rolle spielen, ist das bei der Compliance in nicht spezialgesetzlich geregelten Wirtschaftssektoren nicht der Fall“; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG § 91 Rn. 30: „Da diese Bestimmungen der volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser Branchen Rechnung tragen sollen und auf die spezifischen Verhältnisse der dort tätigen Unternehmen zugeschnitten sind, lassen sich aus ihnen grundsätzliche keine Leitlinien für die Organisationspflichten nach § 91 Abs. 2 AktG für in anderen Bereichen tätige Gesellschaften ableiten.“ 160 Dazu bereits Erster Teil A. III. 2., S. 35 f. 161 Mit solchen Reputationsproblemen kämpfte Ende des Jahres 2012 die Deutsche Bank, vgl. FAZ.Net, Klagen, Vorwürfe, Vergleiche – Die vielen Verstrickungen der Deutschen Bank, 14. 12. 2012. 162 Dazu allgemein Wundenberg, Compliance, S. 83: „Charakteristisch für die qualitativ ausgerichtete Bankenaufsicht […] ist es somit, dass die Systeme der Unternehmenskontrolle für aufsichtsrechtliche Zwecke vereinnahmt und diese in den Dienst des Gläubiger- und Funktionsschutzes gestellt werden“; ähnlich Burgi, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 4 Rn. 7: „Indem er die Banken zum Aufbau entsprechender organisatorischer Vorkehrungen verpflichtet, richtet er deren Organisationsstruktur am Gemeinwohl aus.“
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
mensorganisationspflicht zur Verhinderung von Rechtsverstößen. Es liegt daher nahe, dass sie auch dasselbe Ziel verfolgen.163 5. … aber gemeinsame Zielrichtung der Compliance-Pflicht a) Vermeidung von Rechtsrisiken zum Schutz des Gesellschaftsvermögens Die Pflicht zur Einhaltung von Gesetzen ist nicht nur ein Wert an sich. Im Kontext des Unternehmensrechts geht es vielmehr darum, das Gesellschaftsvermögen vor Nachteilen zu schützen, die aus einer Rechtsverletzung resultieren.164 Dabei kann es sich um Strafzahlungen ebenso handeln wie um immaterielle Reputationsverluste.165 Solche Schäden von der Gesellschaft abzuwenden, ist die Aufgabe des Vorstands.166 In Banken und Versicherungen gelten genau dieselben Überlegungen.167 Die Risiken, die von der Verletzung von Gesetzen ausgehen, bedrohen die Stabilität des Instituts und können es in die Krise führen; dies zu verhindern ist die Pflicht der Geschäftsleiter. Sowohl im Aufsichts- als auch im Aktienrecht dient die Compliance also der Vermeidung von Rechtsrisiken zum Schutz der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unternehmens.168 b) Vergleichbare Gefahren für Finanz- und Industriekonzerne Die Gefahren für das Gesellschaftsvermögen, die mit dem Verstoß gegen Rechtsvorschriften einhergehen, unterscheiden sich nicht nach Branchenzugehörigkeit.169 So erschüttert zwar momentan der Libor-Skandal die Bankenwelt; wer 163 Binder, JJZ 2007, 145, 170: „Das Recht der Wirtschaftsaufsicht dient anderen Regelungszwecken als das allgemeine Gesellschaftsrecht, aber zur Umsetzung dieser Zwecke nimmt es vielfach in gleicher oder vergleichbarer Weise Einfluss auf die Binnenorganisation von Unternehmen.“ 164 Gleichsinning auch Fleischer, NZG 2014, 321, 325. 165 Gleichsinnig jüngst auch Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 520 f.: bei Compliance-Risiken handele es sich letztlich um „Vermögens- oder Reputationsrisiken“. 166 Zur Schadensabwendungspflicht BGHZ 21, 354, 357; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 11 m.w.N. 167 Vgl. MaRisk (BA), AT 4.4.2.1. So auch Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 15, zur Wertpapier-Compliance: „So gesehen dient Compliance nicht nur dem Anlegerschutz, sondern auch dem Schutz des Wertpapierdienstleistungsunternehmens vor Schadensersatzansprüchen und Imageverlusten.“. 168 Hüffer, in: FS G.H. Roth, S. 299, 301: „Corporate Compliance, so können wir an dieser Stelle resümieren, ist weitgehend die Reaktion der Unternehmensleitung und ihrer Berater auf ein deutlich gewachsenes und weiter steigendes Risiko, wegen der Verletzung rechtlicher Vorgaben durch Strafen, Bußgelder, Schadenersatz oder Verwaltungsmaßnahmen zur Rechenschaft gezogen zu werden und dabei spürbare Vermögens- und Ansehensverluste zu erleiden.“ 169 In concreto unterscheiden sie sich natürlich danach gegen welche Gesetze verstoßen wurde und wie dieser Verstoß geahndet wird.
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aber will behaupten, dass die Korruptionsfälle bei Siemens im Jahr 2006 weniger reputationsschädigend für das Unternehmen verliefen? Dasselbe gilt für Verstöße gegen das Umweltrecht, was zuletzt 2010 der Ölriese BP nach dem Untergang der Förderplattform „Deep Water Horizon“ zu spüren bekam. Und auch die Reputation des ansonsten unangefochtenen Apple Konzerns hat unter den Skandalen um Kinderarbeit bei seinem Zulieferer Foxconn gelitten.170 Die Eindämmung von Rechtsrisiken ist für Finanz- und Industrieunternehmen somit von vergleichbarer Bedeutung und im Endeffekt eine Selbstverständlichkeit für jeden Vorstand.171 Unterschiede bestehen allein zwischen dem Umfang an Rechtsvorschriften, mit denen sich die einzelnen Unternehmen konfrontiert sehen. Auch dies ist aber keine Eigenheit des Finanzsektors, auch andere Branchen wie zum Beispiel die Telekommunikations- oder Energiebranche sind hoch reguliert. Im Endeffekt liegt der zentrale Unterschied daher nicht im Gegensatz zwischen aufsichts- und aktienrechtlicher Compliance, sondern in der Frage, mit wievielen Rechtsvorschriften sich ein Unternehmen überhaupt konfrontiert sieht.172 Im Aktienrecht ist die Compliance daher zu Recht als relative Pflicht ausgestaltet, die erst ab einer gewissen Gefahrenschwelle eingreift.173 6. Gemeinsame Leitlinien für die Compliance Aktien- und Aufsichtsrecht verfolgen mit ihren Vorgaben zur Compliance also dasselbe Ziel mit demselben Mittel: die präventive Verhinderung von Rechtsverstößen durch eine darauf ausgerichtete Unternehmensorganisation. Jedes Unternehmen trifft daher die Pflicht zur rechtmäßigen Wertschöpfung.174 Das dient dem Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Verhinderung einer Unternehmenskrise, wodurch wiederum dem Schutz aller am Unternehmen beteiligter Personen gedient ist. Aktionäre, Einleger, andere stakeholder – sie alle profitieren von einer Unternehmensstruktur, die Rechtsrisiken minimiert. Die Verweise auf die divergierenden 170 Hier handelte es sich nicht einmal um eine konzerneigene Gesellschaft und nichtsdestotrotz war die Empörung enorm. Vgl. FAZ, „Apple-Zulieferer, Foxconn hat 14-Jährige Arbeiter beschäftigt“, v. 17. 10. 2012. 171 Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 109 Rn. 2: „Im Lichte der Bestrebungen zur Corporate Governance ist Compliance selbstverständliches Instrument zur unternehmensinternen Durchsetzung guter Unternehmensverfassung.“ (Hervorhebung hinzugefügt) 172 U. H. Schneider, ZIP 2003, 645, 646 f.: „Dabei sind die möglichen rechtlichen Konfliktbereiche für die Unternehmen abhängig von der Branche, in der sie tätig sind, von ihrer Größe, von der nationalen oder internationalen Ausrichtung usw. Entsprechend unterscheiden sich die notwendigen Maßnahmen. Compliance bei einem Kreditinstitut sieht anders aus als Compliance bei einem Chemieunternehmen […]. Nur das Grundproblem ist dasselbe.“ 173 Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, S. 65, 75: „Strikte Compliance ist das Charakteristikum des regulierten Sektors (Finanzbranche), relative Compliance prägt den flexiblen Rahmen der Jedermann-Pflichten.“ 174 So ausdrücklich Hüffer, in: FS G.H. Roth, S. 299.
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Schutzzwecke von Aufsichts- und Aktienrecht sind im Bereich der Compliance daher fehl am Platz, denn es fehlt an einem Konflikt der Interessen. Eine solide Unternehmensstruktur dient allen Beteiligten.175 Aktien- und aufsichtsrechtliche Compliance entspringen damit in der Sache demselben Grundgedanken. Aufsichtsrechtliche Regelungen können vor diesem Hintergrund behutsam zur Auslegung der §§ 76, 93 AktG herangezogen werden.176 Das bedeutet indes nicht, dass die hier genannten Überlegungen eine schematische Übertragung des § 25a Abs. 1 S. 1 KWG auf alle Aktiengesellschaften erlauben.177 Es bleibt zu bedenken, dass der Gesetzgeber hiermit dasselbe Ziel, mit demselben Mittel, aber doch mit unterschiedlicher Intensität betreibt. Die Erreichung des Ziels „Verminderung von Rechtsrisiken“ wird im Aufsichtsrecht durch stärkere Kontrollmechanismen wie die interne Compliance-Funktion und die zusätzliche Überwachung durch die Aufsichtsbehörde abgesichert. Grund hierfür ist die volkswirtschaftliche Bedeutung des Finanzsektors. Ein vergleichbar strenger Zugriff findet sich im Aktienrecht nicht und kann daher auch nicht im Wege der Ausstrahlungswirkung in das AktG hinein interpretiert werden. Sollte sich der Vorstand einer Aktiengesellschaft allerdings im Rahmen seines Organisationsermessens selbst zur Einrichtung eines „Compliance-Systems“ entscheiden, so kann zur Konkretisierung der daraus resultierenden Folgepflichten das Aufsichtsrecht herangezogen werden. Zu denken ist hier an die bereits genannten Pflichten zur ordnungsgemäßen Ressourcenausstattung, Schaffung von Kommunikationskanälen, etc.178 Eben jene 175
Vgl. auch die Überlegungen bei Binder, JJZ 2007, 145, 167 f. So auch Kort, NZG 2008, 81, 82 f.; skeptisch dagegen ders., AG 2013, 582, 588. Strikte Ablehnung aber bei Bürkle, CCZ 2008, 50, 55 f.; ders., in: Bähr, Hdb. des VersicherungsaufsichtsR, § 9 Rn. 8; Langen, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, § 25a Rn. 32. Kritisch auch Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, S. 65, 70: „Eine ausdehnende Anwendung kann sich allenfalls auf vergleichbar regulierte Industrien – etwa die Versicherungen – erstrecken. Im Übrigen steht ihr der Umstand entgegen, dass es sich um öffentlichrechtliche Eingriffsnormen handelt, […], die […] restriktiv zu handhaben sind.“; Spindler, WM 2008, 905, 908 f.: „Anforderungen an die Compliance aus dem Kapialmarktrecht [können] nicht ohne weiteres auf das Gesellschaftsrecht übertragen werden: Die von § 25a KWG, § 33 WpHG vorgesehenen, besonderen organisatorischen Anforderungen an Kreditinstitute oder Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind vor dem Hintergrund der qualitativen Bankenaufsicht und den besonderen Risiken des Finanzsektors zu sehen, die nicht mit der Risikosituation in anderen Wirtschaftsbranchen gleichzusetzen ist.“ 177 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 52: „Bereichsspezifische ComplianceAnforderungen können im Einzelfall eine gewisse „Schrittmacherfunktion“ für die Diskussion entsprechender Pflichten im Aktienrecht entfalten. Im konkreten Zugriff ist allerdings Vorsicht geboten. So verbietet es sich etwa, die aufsichtsrechtlichen Vorgaben des KWG, VAG oder WpHG maßstabsgetreu auf alle Aktiengesellschaften zu übertragen. Vielmehr muss man danach unterscheiden, ob es sich um bereichsspezifische Sonderwertungen des Aufsichtsrechts oder um verallgemeinerungsfähige Grundsätze des allgemeinen Organisationsrechts handelt, die auch im Aktienrecht gelten.“ 178 Ebenso Fleischer, NZG 2014, 321, 3325; s. auch Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 91 Rn. 31: „[K]önnen die Bestimmungen des § 25a KWG nur insoweit zur Konkretisierung der Pflichten des § 91 Abs. 2 AktG herangezogen werden, als sie […] lediglich allgemeine 176
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grundlegenden Pflichten setzen sich mittlerweile auch im aktienrechtlichen Schrifttum als absoluter Mindeststandard durch.179
V. Zwischenruf: Erkenntnisse für die Debatte um die Ausstrahlungswirkung Der Blick auf die Compliance-Debatte zeigt, dass Aktien- und Aufsichtsrecht in vielerlei Hinsicht grundverschieden sein mögen, aber dass sie sich gerade im Bereich der Corporate Governance sehr ähnlicher Regelungsinstrumente zur Erreichung ähnlicher Regelungsziele bedienen. Schon diese Feststellung sollte zu weiteren Überlegungen zur Ausstrahlungswirkung Anlass geben. Sie ist ein legitimes Mittel, um die Rechtsentwicklung im Aktienrecht durch Auslegung behutsam voranzutreiben. Denn die Ausstrahlungswirkung eröffnet dem Aktienrechtler neue Argumentationsspielräume und macht seine Überlegungen zugleich transparenter.180 Es ist nicht mehr notwendig, kaffeesatzgleich einen bestimmten Pflichteninhalt aus §§ 76, 93 AktG heraus zu lesen oder auf den „common sense“ zu rekurrieren181 (ein Argumentationsmuster, das dem der Ausstrahlungswirkung in seiner Undurchsichtigkeit in nichts nachsteht). Vielmehr zwingt die Ausstrahlungswirkung, die eigenen Inspirationsquellen offen zu legen und bringt so den Diskurs über Corporate Governance im Allgemeinen voran.182 Kritiker dieser Meinung können dann genau an diesen Stellen einhaken und die Norm als Ableitungsbasis hinterfragen. Allein mit einem pauschalen Verweis auf die divergierenden Schutzzwecke von Aufsichts- und Aktienrecht kann es dann aber nicht mehr getan sein.183
Grundsätze für eine ordnungsgemäße Krisenfrüherkennungsorganisation wiedergeben, wie etwa das Gebot des § 25a Abs. 1 S. 3 lit. a KWG [a.F.], für eine klare Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zu sorgen.“ 179 Dazu oben Vierter Teil III. 2. b), S. 206 f. 180 Vgl. zur Rechtsfindung allgemein Raisch, Methoden, S. 134: „Die Begründung muss rational nachvollziehbar und argumentationsgesättigt sein.“; ähnlich Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 51: „Die Möglichkeiten rationaler Argumentation [sind] auszuschöpfen.“; das „Sättigungsargument“ geht zurück auf Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 293. 181 So Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, S. 65, 80 f.: „In jedem Fall zu beherzigen sind Regeln, welche […] letztlich dem common sense entsprechen.“ 182 So z. B. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG § 91 Rn. 54: „Verallgemeinerungsfähig formuliert § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 WpHG […].“. 183 Statt vieler Koch, in: Hüffer, AktG § 91 Rn. 9: „Aufsichtsrechtliche Sonderregeln sind nicht zu verallgemeinern; entscheidend sind konkrete Unternehmensverhältnisse.“
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
B. Risikomanagement I. Einführung Compliance-Risiken sind nur ein kleiner Ausschnitt all jener Risiken, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sehen.184 Die Aufgabe, all diese Risiken zu erkennen und zu bewerten, sie zu steuern und zu überwachen, steht hinter der Anforderung, ein „umfassendes Risikomanagement“ innerhalb eines Unternehmens zu etablieren.185 Dieser sehr weitgehende Ansatz aus der Betriebswirtschaftslehre findet sich so allerdings weder im Aufsichts- noch im Aktienrecht wieder;186 beide Rechtsbereiche haben vielmehr eigenständige Anforderungen an die „Risikoorganisation“ entwickelt. § 91 Abs. 2 AktG fordert ein System der Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen, § 25a Abs. 1 S. 3 KWG verlangt das umfassende Management „wesentlicher“ Risiken.187 Ausgerechnet an diesen zwei – schon dem Wortlaut nach sehr verschiedenen – Normen hat sich die Debatte um die Ausstrahlungswirkung entzündet.188 Den Anstoß gaben das „Bruderhilfe“-Urteil des VG Frankfurt, das eine „einheitliche Auslegung und Anwendung“ von § 91 Abs. 2 AktG und § 25a KWG vor dem Hintergrund einer „gesetzgeberischen Gesamtintention“ befürwortete.189 Dieser Lesart haben sich diverse Stimmen entgegengestellt und hierbei auf die besondere Interessenlage im Finanzsektor und die abweichenden Schutzzwecke des Aufsichtsrechts verwiesen.190 Ihrer Ansicht nach handelt es sich bei § 25a KWG um eine nicht verallgemeine184 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. Zur wechselseitigen Beziehung von Compliance und Risikomanagement s. statt vieler Wundenberg, Compliance, S. 8 f. 185 Umfassende Nachweise bei Spindler, in: Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 19 Rn. 57. 186 Statt vieler Kort, ZGR 2010, 440, 471: „Es mag sein, dass ,optimale‘ Risikomanagementsysteme aus dem Labor der Betriebswirtschaft für den besten Umgang mit Risiken sorgen, nur rechtlich vorgeschrieben […] sind sie nicht.“ Ebenso Dreher, FS Hüffer, S. 261, 262: betriebswirtschaftliche Modelle können „Anregungen zur Schärfung des risikobezogenen Problembewusstseins“ der Vorstände sein, mehr aber auch nicht. 187 So jedenfalls noch in der Fassung vor CRD IV. Mittlerweile fordert § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 3 b) KWG ein Management von Risiken entsprechend der in CRD IV niedergelegten Kriterien. Ausführlich zu den Anforderungen an das Risikomanagement nach CRD IV Mülbert/ Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 505 ff. 188 Vgl. zuletzt den Beschluss Nr. 4 des DJT 2012, nach dem die Corporate Governance von Finanzinstituten „nur ausnahmsweise Vorbild“ für die Governance sonstiger Unternehmen sein kann (angenommen 65:2:12). 189 VG Frankfurt, WM 2004, 2157, 2160. Dreher spricht diesbzgl. von einem „Paukenschlag“, ZGR 2010, 496, 531. Ähnlich, aber weniger ausdrücklich zuvor LG Berlin, AG 2002, 682; jüngst wieder LG München (KfH), ZIP 2010, 2451, 2456. Unterstützung fand diese Ansicht bei Kießling/Kießling, WM 2003, 513, 521: „Gleichlauf“; Lorenz, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, S. 3, 17 f.; Preußner, NZG 2004, 303, 305; Preußner/Zimmermann, AG 2002, 657, 660: „deckungsgleich“. 190 Aus der Spruchpraxis OLG Celle, WM 2008, 1745 Rn. 39; OLG Düsseldorf ZIP 2010, 28 Rn. 56 (IKB).
B. Risikomanagement
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rungsfähige Sondernorm, deren Anforderungen weit über die des § 91 Abs. 2 AktG hinausreichen.191 Ausgleichende Stimmen lehnen eine schematische Übertragung aufsichtsrechtlicher Vorgaben in das allgemeine Aktienrecht zwar ebenfalls ab, sehen aber Raum für „eine punktuell[e] und selektiv[e]“ Berücksichtigung des Aufsichtsrechts, sofern sich hieraus allgemeine Grundsätze einer ordnungsgemäßen Krisenfrüherkennung ableiten lassen.192
II. Aufsichtsrecht 1. „Risiko-Governance“ im Fokus der qualitativen Aufsicht Zentralnorm des Risikomanagements ist § 25a Abs. 1 S. 3 KWG, die Kreditinstitute bereits seit 1997 zur Einrichtung einer internen Risikoorganisation verpflichtet.193 Diesem Vorbild nachgebildet ist auch die Parallelvorschrift im Versicherungssektor § 64a Abs. 1 S. 3, 4 VAG, mit der der deutsche Gesetzgeber 2008 die Solvency II-Richtlinie in vorauseilendem Gehorsam umsetzen ließ.194 Beide Normen stehen erneut im Mittelpunkt der gesetzgeberischen Aufmerksamkeit, seit mangelhaftes Risikomanagement als einer der Hauptauslöser der letzten Finanzkrise 191 Vgl. Bihr/Kalinowsky, DStR 2008, 620, 623; Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 4; Bürkle, WM 2005, 1496, 1497 ff. sowie 1505 (Vorbild für freiwillige Best Practice); Koch, in: Hüffer, AktG, § 91 Rn. 9; Langen, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, § 25a Rn. 32; Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 260 ff.; Kort, in: GroßKomm AktG, § 91 Rn. 61: es ließen sich „nicht einmal Anhaltspunkte“ entnehmen; Kort, ZGR 2010, 440, 470; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rn. 15: „erscheint jedoch überzogen“; Schmidt, Compliance in Kapitalgesellschaften, S. 60; Sethe, ZBB 2012, 357, 359; T. Schneider, Risikomanagement, S. 43 f.; Weber-Rey, AG 2008, 345, 358. 192 So ausdrücklich Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 91 Rn. 31. Vgl. auch Spindler, MünchKomm AktG, § 91 Rn. 38: „vorsichtig und mit erheblichen Abstrichen“; ders., in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 19 Rn. 19: „Grundsätze, die vorsichtig herangezogen werden können, um § 91 Abs. 2 AktG mit Leben zu erfüllen“; sowie Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 43: aufsichtsrechtliche Normen könnten „mit erheblichen Abstrichen“ herangezogen werden. Ähnlich Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 161; Binder, JJZ 2007, 145, 164: „näherungsweise Auslegungshilfe […]. Eine Referenzquelle, schon gar eine Quelle bindender Auslegungsgrundsätze für den Tatbestand des § 91 Abs. 2 AktG sind die aufsichtsrechtlichen Anforderungen mithin nicht.“; Lorenz, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, S. 3, 16: § 25a KWG „bietet […] Interpretationshilfen“. 193 Gem. § 33 Abs. 1 S. 1 WpHG gilt diese Norm auch für Wertpapierfirmen. Zur Rechtsentwicklung s. umfassend Binder, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, S. 133, 135 ff. Sonderregeln zum Risikomanagement finden sich in §§ 9a InvG, 27 PfandBG. Mittlerweile wird § 25a Abs. 1 S. 3 KWG ergänzt durch §§ 25a Abs. 5, 25c Abs. 4a KWG. Das im Jahr 2013 eingeführte KAGB sieht in § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KAGB ebenfalls eine Pflicht zum Risikomanagement vor, dazu Kort, AG 2013, 582 ff. 194 Begr RegE 9. VAG Novelle, BT Drucks. 16/6518, S. 1, 15. Zur Solvency II-Richtlinie bereits Erster Teil C. III. 3. e), S. 79. Zur Rechtsentwicklung im Versicherungssektor s. Schwintowski, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, S. 177, 179 ff.
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
dingfest gemacht worden ist.195 „Risiko-Governance“ ist seither als Schlagwort in aller Munde;196 sowohl Basel III als auch Solvency II sind betont risikoorientiert ausgelegt.197 Die nach Säule 2 geforderten internen Kontrollmechanismen stehen dabei in enger Verbindung mit den nach Säule 1 geforderten Eigenmittelanforderungen. So soll nach Solvency II die Qualität des Risikomanagements maßgeblichen Einfluss auf die Höhe des notwendig vorzuhaltenden Solvenzkapitals haben.198 Qualitatives und quantitatives Risikomanagement werden auf diesem Weg miteinander verknüpft.199 Trotz all dieser Bemühungen konstatierte die Liikanen-Gruppe erst kürzlich: „[E]ffective control over risk-taking still faces considerable challenges […].“200 Mit weiteren Änderungen des Gesetzes ist also auch in Zukunft zu rechnen.201 Aktuell liegt bereits der Entwurf zu einer zehnten VAG-Novelle vor.202 195
Statt vieler EU Kommission, Grünbuch Finanzinstitute, KOM (2010) 284 endg. S. 15: „Eine der wichtigsten Feststellungen infolge der jüngsten Krise war das Versagen der mit dem Risikomanagement betrauten Funktionen, insbesondere wegen der mangelnden Autorität dieser Funktionen sowie der Unzulänglichkeiten des Systems zur Unterrichtung über die Risiken und die diesbezügliche Kommunikation.“ Allgemein zum Sinneswandel im Risikomanagement Nobel, in: Liber Amicorum Guy Horsman, S. 819, 842: „Zu erinnern ist als Kontrast an Filme wie Wall Street, wo es heißt: ,Greed is good‘; oder an ein Buch mit dem Titel ,Sin to Win‘. Demgegenüber fordert Good Corporate Governance heute, dass Risiko, Rentabilität und Verantwortung in einem akzeptablen Einklang stehen.“ 196 Vgl. auch Emmenegger mit Blick auf das Papier des Baseler Auschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 405, 414: „Führungsverantwortung bedeutet nach den Grundsätzen 2010 in erster Linie Risikoverantwortung.“ 197 RiLi-Vorschlag CRD IV, KOM(2011) 453 endg, S. 9: „Übergreifendes Ziel dieser Initiative ist es, die Wirksamkeit der Risikobeherrschung in europäischen Kreditinstituten und Wertpapierfirmen zu stärken.“ 198 Vgl. Dreher, VersR 2008, 998, 1001 m.w.N. Auch im Bankensektor können zur Risikobemessung und damit zur Festlegung des Umfangs des vorzuhaltenden Eigenkapitals interne Modelle herangezogen werden, vgl. Art. 77 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). Angestoßen wurde dieser Prozess durch Basel II, s. Binder, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements, S. 133, 142. Instruktiv auch Wundenberg, Compliance, S. 73 ff. 199 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Core Principles for effective Banking Supervision, 2012, Principle 15: „[B]anks have a comprehensive risk management process (including effective Board and senior management oversight) to identify, measure, evaluate, monitor, report and control or mitigate all material risks on a timely basis and to assess the adequacy of their capital and liquidity in relation to their risk profile and market and macroeconomic conditions.“; zusammenfassend Dreher, VersR 2008, 998, 1000: „Strenge Governance Anforderungen gelten somit als primäre Vorbedingungen für ein effizientes Solvabilitätssystem und sind von großer Bedeutung für die Wirksamkeit des Aufsichtssystems.“ 200 High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report, S. 79. 201 So auch die Prognose bei Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 6 (Stand 2012). Allgemein dazu Burghof, ZfgK 2007, 610, 611: „Angetrieben wird die Bankenaufsicht dabei von der berechtigten Befürchtung, dass eine unvollkommene Norm zu Ausweichreaktionen führt, die sie in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigen. Kreditinstitute könnten auf andere, noch nicht regulierte Risiken ausweichen, oder aber eine unvollkommene Risikoabbildung über eine entsprechende Gestaltung von Finanztiteln unterlaufen. Die Banken-
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2. Regulatorisches Umfeld: § 25a KWG und § 64a VAG Welche Anforderungen stellen §§ 25a KWG, 64a VAG nun konkret auf?203 Zentral ist zunächst, dass die Hauptverantwortung für ein „angemessenes und wirksames“204 Risikomanagement bei den Geschäftsleitern verortet wird.205 Mit anderen Worten: „Führungsverantwortung bedeutet […] in erster Linie Risikoverantwortung“.206 Auch die EU Kommission betont, es sei an den Geschäftsleitern eine „gesunde Risikokultur“ in ihren Unternehmen vorzuleben.207 Konkret verpflichtet das Gesetz die Geschäftsleiter darauf, die Risikotragfähigkeit ihres Instituts laufend sicherzustellen208 und hierfür „geeignete“209 organisatorische Vorkehrungen zu treffen. Umfangreiche und detaillierte Erläuterungen hierzu finden sich in den Rundschreiben MaRisk (BA)210 und (VA)211 der BaFin. a) Zielvorgabe: Risikotragfähigkeit laufend sicherstellen Was genau aber verbirgt sich hinter der „Risikotragfähigkeit“ eines Instituts?212 Nach Angaben der MaRisk bedeutet es, dass „die wesentlichen Risiken des Instituts aufsicht muss daher immer danach streben, mit der eigenen Methodologie der Risikoabbildung den Stand der Technik des Marktes mindestens zu erreichen. Sie befindet sich damit in einem Wettlauf mit dem Markt um die Risikomanagementtechnologie.“ 202 RegE BT-Drucks. 17/9342. Instruktiv Grote/Schaaf, VersR 2012, 17. 203 Zwischen beiden Normen bestehen mitunter erhebliche Unterschiede im Detail; im Folgenden werden aber primär die Gemeinsamkeiten herausgestellt. Vgl. auch Begr. RiLiVorschlag Solvency II der Kommission, KOM(2008) 119 endg., S. 8: „Die Einheitlichkeit der Governance-Anforderungen in den Sektoren Banken, Wertpapiere und (Rück)Versicherungen ist von grundlegender Bedeutung für die Gewährleistung einer sektorenübergreifenden Konsistenz. Darauf zielen die in dieser Richtlinie festgelegten Governance-Anforderungen ab.“ 204 So § 25a Abs. 1 S. 3 KWG. § 64a Abs. 1 S. 3 VAG spricht hingegen nur von einem „angemessenen“ Risikomanagement. 205 Vgl. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Principle 1. 206 Emmenegger, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 405, 414. 207 EU Kommission, Grünbuch Finanzinstitute, KOM (2010) 284 endg., S. 8. 208 § 25a Abs. 1 S. 3 Hs. 1 KWG. Bei der Risikotragfähigkeit handelt es sich somit um den „zentralen Bezugs- und Ankerpunkt“ des Risikomanagements, so Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 507. 209 § 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 VAG. 210 Rundschreiben 10/2012 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk v. 14. 12. 2012. Vgl. auch die Darstellung der Grundzüge bei Binder, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen, S. 133, 154 ff. 211 Rundschreiben 3/2009 (VA), Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk VA) v. 22. 01. 2009. 212 Zu dieser zentralen Zielsetzung auch Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/SchulteMattler, KWG, § 25a Rn. 140 ff.; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 507 f.; Wundenberg, Compliance, S. 108 f.
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
durch das Risikodeckungspotenzial […] laufend abgedeckt sind.“213 Im Endeffekt müssen also die als „wesentlich“ identifizierten Risiken dem tatsächlich zur Verfügung stehenden Eigenkapital gegenübergestellt werden.214 Von großer Bedeutung ist die Eingrenzung auf „wesentliche Risiken“, also solche „die sich nachhaltig negativ auf die Wirtschafts-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens auswirken können“.215 Diese Einschränkung findet sich nicht nur in den Rundschreiben der BaFin, sondern auch in den insofern maßgeblichen Richtlinienvorgaben der Europäischen Union,216 und wird teilweise als „Grundsatz der Materialität“ bezeichnet.217 Um die wesentlichen Risiken zu ermitteln, muss sich die Geschäftsleitung einen Überblick über das Gesamtrisikoprofil der Gesellschaft verschaffen;218 hierbei sind verschiedene Risikokategorien zu unterscheiden.219 Eine ähnlich ausdrückliche Zielvorgabe wie im KWG findet sich im VAG nicht. Das Risikotragfähigkeitskonzept taucht vielmehr erst als Unterpunkt des internen Steuerungs- und Kontrollsystems in § 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 a) VAG auf.220 Sachliche Gründe für diese Abweichung sind angesichts der ansonsten weiten Anlehnung an § 25a KWG nicht ersichtlich; eine ausdrückliche Angleichung im Gesetz erscheint daher wünschenswert.221 Auch im KWG hatte eine solche terminologische Klarstellung im Jahr 2009 durch das FMVAStärkG stattgefunden.222 Davon abgesehen ergibt sich eine vergleichbare Zielvorgabe aber auch aus einem breiteren systematischen Verständnis des VAG: denn als Teil der sog. Finanzaufsicht dient § 64a VAG
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MaRisk (BA) AT 4.1.1. Vgl. auch Art. 123 Abs. 1 der RiLi 2006/48/EG (BankenRiLi) sowie Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Nr. 69: „key risks“. Ebenso Binder, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen, S. 133, 156; Wundenberg, Compliance, S. 109. 215 MaRisk (VA) AT 5.1 S. 3. Zu den „Risiken“ zählt laut S. 2 jede „Möglichkeit des Nichterreichens eines explizit formulierten oder sich implizit ergebenden Zieles“. Für Banken s. MaRisk (BA) AT 2.2. 216 Art. 41 Abs. 5 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II): „die ihre finanzielle Solidität gefährden könnten“. Art. 22, 123 der RiLi 2006/48/EG (BankenRiLi) spricht hingegen nur von „aktuellen und etwaigen künftigen Risiken“; ähnlich Art. 76 Abs. 1 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). Richtigerweise kann im Bankaufsichtsrecht aber kein strengerer Maßstab gelten; vgl. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Nr. 69: „key risks“; MaRisk (BA) AT 4.3.2.1. 217 So Dreher, ZGR 2010, 496, 533. 218 MaRisk (BA) AT 4.1.1; MaRisk (VA) AT 5.1.S. 4. 219 Art. 13 Nr. 30 – 35 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II) sowie Art. 79 ff. der RiLi 2013/ 36/EU (CRD IV); MaRisk (VA) AT 5.2 sowie MaRisk (BA) AT 2.2.1. Zuletzt Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Core Principles for Effective Banking Supervision, 2012, Principles 17 – 25. Zu den verschiedenen Kategorien Krämer, in: Bähr, Hdb. Versicherungsaufsichtsrecht, § 10 Rn. 27. 220 Dazu Krämer, in: Bähr, Hdb. Versicherungsaufsichtsrecht, § 10 Rn. 69 ff. 221 Für eine Anpassung auch Schaaf, Risikomanagement, S. 82. 222 BGBl. 2009 I S. 2305 ff. Zur vorherigen Version Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 14. 214
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ohnehin in erster Linie dazu, die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen sicherzustellen.223 b) Umsetzung: Risikoidentifizierung, -bewertung, -steuerung, -überwachung Das Risikomanagement umfasst ganz verschiedene Aufgaben, die ihrerseits von verschiedenen Akteuren innerhalb des Unternehmens wahrgenommen werden. Die folgende Darstellung gliedert sich daher entlang den Aufgaben der Geschäftsleitung, des Risikocontrollings und der internen Revision. aa) Geschäftsleitung Ein angemessenes Risikomanagement hat nach aufsichtsrechtlichem Verständnis mehrere Komponenten. Am Anfang steht die Ausarbeitung zweier eng miteinander verbundener Risiko- und Geschäftsstrategien.224 Die Risikostrategie muss „die Ziele der Risikosteuerung der wesentlichen Geschäftsaktivitäten sowie die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele […] umfassen“ und erkennen lassen, wie groß der „Risikohunger“ des Instituts ist.225 Dafür ist zunächst eine umfassende Risikoidentifikation und -bewertung notwendig,226 auf deren Basis dann die Risikotragfähigkeit ermittelt werden kann. Bestimmte Methoden werden von der MaRisk hierfür nicht vorgegeben, das Institut ist in seiner Wahl also grundsätzlich frei.227 Es hat seine Annahmen jedoch nachvollziehbar zu begründen und die „Angemessenheit“ der Methoden jährlich zu überprüfen.228 Die auf dieser Analyse aufbauende Risikostrategie legt die Risikotoleranz für zukünftige Geschäftsaktivitäten fest.229 Hauptwerkzeug hierfür sind sog. Limitsysteme, an denen sich die operativen Bereiche zu orientieren haben.230 Die Geschäftsleitung muss für die Umsetzung der Strategie „Sorge tragen“,231 d. h. diese insbesondere innerhalb des Unternehmens hinreichend 223
Krämer, in: Bähr, Hdb. Versicherungsaufsichtsrecht, § 10 Rn. 12. §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 KWG; 64a Abs.1 S. 4 Nr. 1 VAG (nur Risikostrategie). Umfassend Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 164 ff.; Schaaf, Risikomanagement, S. 60 ff. 225 Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 183 f. 226 Dreher, VersR 2008, 998, 1003. 227 Binder, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen, S. 133, 157: „Grundsatz der Methodenfreiheit“. 228 MaRisk (BA) AT 4.1.8. 229 Schaaf, Risikomanagement, S. 60: „Der Inhalt der Risikostrategie ist unmittelbarer Ausdruck der individuellen Risikotoleranz eines Versicherungsunternehmens.“ 230 MaRisk (BA) AT 2.3.2 sowie BTR 1.2, BTR 2.1.1; § 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 a) VAG, MaRisk (VA) 7.2.1.3 a) und 7.3.1. Zu Limitsystemen s. T. Schneider, Risikomanagement, S. 92, 95; Schaaf, Risikomanagement, S. 84 ff.; Wundenberg, Compliance, S. 113. 231 MaRisk (BA) 4.2.3 S. 2. Krämer, in: Bähr, Hdb. Versicherungsaufsichtsrecht, § 10 Rn. 42: „Angesichts der hohen Bedeutung der Risikostrategie bedarf es nicht nur einer for224
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
kommunizieren232 und sie regelmäßig überprüfen.233 Die Erstellung und der Umgang mit der Risikostrategie liegt in der Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung234 und ist von dieser mit dem Aufsichtsorgan zu erörtern.235 Darüber hinaus ist im Aufsichtsorgan ein Risikoausschuss einzurichten,236 der weitgehende Informations- und Prüfrechte hat.237 Die Risikostrategie ist jedoch nur der Anfang;238 ihr muss ein entsprechender organisatorischer Aufbau nachfolgen. KWG und VAG sehen – mit Abweichungen in den Begrifflichkeiten – die Schaffung eines internen Kontrollsystems in Form einer Risikocontrollingfunktion sowie die Überwachung des Risikomanagements durch die interne Revision vor.239 Weitere Anforderungen an ein angemessenes Risikomanagement sind die angemessene Ressourcenausstattung,240 die Vorhaltung von Notfallplänen241 sowie risikogerechte Vergütungssysteme.242 Das Gesamtsystem ist regelmäßig auf Angemessenheit und Wirksamkeit zu prüfen.243 Um eine lückenlose Überwachung durch die BaFin zu ermöglichen, muss zudem eine umfassende Dokumentation gewährleistet sein.244
mellen Verabschiedung […] vielmehr muss sich die Geschäftsleitung laufend und vertieft inhaltlich mit ihr befassen.“ 232 MaRisk (BA) AT 4.2.6. 233 MaRisk (BA) AT 4.2.1 S. 4; MaRisk (VA) 7.1.4. 234 MaRisk (BA) AT 4.2.3 S. 1; MaRisk (VA) 7.1.1. 235 Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 174; MaRisk (VA) 7.1.4. 236 Art. 76 Abs. 3 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); § 25d Abs. 8 KWG. Aufbauend auf Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Nr. 52. Dazu Hartmann, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 527 ff.; Langenbucher, ZHR 176 (2012) 652, 657 f. 237 So z. B. ein direktes Auskunftsrecht des Vorsitzenden des Risikoausschusses beim Leiter der Internen Revision und des Controlling, vgl. § 25d Abs. 8 S. 7 KWG. Zur Vereinbarung dieser Informationsrechte mit dem aktienrechtlichen Kompetenzgefüge vgl. Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 542 f. 238 Vgl. § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 KWG. Die Pflicht aus § 25a Abs. 1 S. 6 Nr. 1 KWG zur Schaffung von Regelungen, um jederzeit die finanzielle Lage des Instituts mit hinreichender Genauigkeit bestimmen zu können, geht weitestgehend hierin auf. Dazu Langen, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, § 25a Rn. 85; a.A. Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 473 ff. 239 §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 3; 25c Abs. 4a Nr. 3 KWG; 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 und 4 (internes Steuerungs- und Kontrollsystem). 240 §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 4; 25c Abs. 4a Nr. 4 KWG, MaRisk (BA) AT 7.1 und 7.2; Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Nr. 78. 241 §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 5; 25c Abs. 4a Nr. 5 KWG. 242 §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 6 und Abs. 5 KWG. Dazu ausführlich Vierter Teil, E., S. 284 ff. 243 § 25a Abs. 1 S. 5 KWG. 244 §§ 25a Abs. 1 S. 6 Nr. 2 KWG; 64a Abs. 3 VAG. MaRisk (BA) AT 6; MaRisk (VA) 10.
B. Risikomanagement
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bb) Risikocontrolling Dreh- und Angelpunkt der Risikomanagementarbeit ist das sog. „Interne Kontrollsystem“, das mit der „Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie Überwachung und Kommunikation der Risiken“ befasst ist.245 Die Risikocontrollingfunktion ist damit für die ganze Bandbreite der Risikomanagementaufgaben (mit-)zuständig. Zunächst obliegt ihr die Entwicklung von Methoden und Verfahren zur Risikoidentifikation, -analyse und -bewertung, mit denen sie die Geschäftsleitung bei der Risikotragfähigkeitsprüfung und die Arbeit der operativen Bereiche unterstützt.246 Die Risikosteuerung, d. h. also die zielgerichtete Beeinflussung des Risikopotentials,247 erfolgt dagegen richtigerweise nicht primär durch die Risikocontrollingfunktion, sondern auf Ebene der Geschäftsleitung (strategisch) sowie durch die operativen Bereiche (konkret).248 Diese Steuerungsleistung wird durch die Risikocontrollingfunktion überwacht.249 Das Risikocontrolling ist darüber hinaus für die unternehmensinterne Kommunikation zuständig,250 und damit Informations- und Anlaufstelle für alle Mitarbeiter. Die MaRisk (VA) schlägt in diesem Zusammenhang auch erstmalig vor, eine Form von Whistleblower-Einrichtung zu schaffen.251 Zuletzt muss das Risikocontrolling regelmäßig sowie ggf. anlassbezogen Bericht an die Geschäftsleitung erstatten (sog. Risikobericht),252 der gemäß § 55c VAG auch der Aufsichtsbehörde zugeleitet werden muss.253 Die Geschäftsleitung muss jederzeit im Stande sein, den Risikobericht gegenüber der Aufsichtsbehörde zu erläutern.254
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§§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 3b), 25c Abs. 4a Nr. 3 c) KWG; 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 VAG. Ebenso Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Nr. 75. Dazu Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 193 ff.; Krämer, in: Bähr, Hdb. Versicherungsaufsichtsrecht, § 10 Rn. 67 ff.; Schaaf, Risikomanagement, S. 81 ff. 246 Dreher, VersR 2008, 998, 1003. Vgl. auch MaRisk (VA) 7.2.1.3 b). 247 So Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 601, 605. 248 MaRisk (VA) 7.3.2.3. Dazu Schaaf, Risikomanagement, S. 110: „Dies erscheint insofern konsequent, als die operativen Geschäftsbereiche die Ergebnisverantwortung für die zu steuernden Prozesse tragen.“ Die operativen Bereiche orientieren sich hierfür in erster Linie an den sog. Limitsystemen, s. dazu Fn. 230, S. 221. Vgl. für den Bankbereich MaRisk (BA) BTR (aufgeschlüsselt nach einzelnen Risikogruppen). 249 MaRisk (VA) 7.3.2.4.3. Dazu Krämer, in: Bähr, Hdb. Versicherungsaufsichtsrecht, § 10 Rn. 80; Schaaf, Risikomanagement, S. 97 f. 250 MaRisk (BA) 4.3.2.1 d); § 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 c) VAG. 251 MaRisk (VA) 7.3.3.1. 252 MaRisk (BA) 4.3.2.3 – 4.3.2.5; § 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 3 d) VAG; MaRisk (VA) 7.3.4. 253 Zur Risikoberichterstattung Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 233 ff.; Krämer, in: Bähr, Hdb. Versicherungsaufsichtsrecht, § 10 Rn. 88 ff.; Schaaf, Risikomanagement, S. 100 ff. 254 MaRisk (VA) 7.3.4.7.
224
4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
cc) Interne Revision Die interne Revision muss das Risikomanagement im Allgemeinen und das interne Kontrollsystem im Besonderen auf Wirksamkeit und Angemessenheit sowie die Ordnungsmäßigkeit grundsätzlich aller Aktivitäten und Prozesse prüfen und beurteilen.255 Um diese Aufgabe wahrzunehmen, sind ihr umfassende Auskunftsund Einsichtsrechte innerhalb des gesamten Unternehmens zu gewähren.256 Die Prüfungsaufgabe der internen Revision erstreckt sich grundsätzlich auf die gesamte Geschäftsorganisation,257 durch die ausdrückliche Verankerung in §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 3 KWG, 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 4 VAG bringt der Gesetzgeber aber den besonderen Stellenwert der Prüfung des Risikomanagements zum Ausdruck.258 Die Ergebnisse sind in einem sog. Revisionsbericht niederzulegen,259 der ebenfalls gemäß §§ 55c VAG der Behörde gegenüber offengelegt werden muss. c) Organisatorische Anforderungen Um ein „wirksames“ Risikomanagement und damit v. a. eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Unternehmenseinheiten zu gewährleisten, müssen „aufbau- und ablauforganisatorische Regelungen“ geschaffen werden.260 Das setzt zunächst einmal die klare Verteilung von Zuständigkeiten und die Einrichtung fester Kommunikationswege voraus.261 Für das Risikocontrolling ist – ebenso wie für die interne Revision – eine Funktion einzurichten.262 Anders als in der MaRisk (BA) ist die Terminologie im Versicherungsbereich diesbezüglich bereits 255 So ausdrücklich MaRisk (BA) AT 4.4.3.3. Dazu Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 550 ff.; Krämer, in: Bähr, Hdb. Versicherungsaufsichtsrecht, § 10 Rn. 96 ff.; Roggenbuck, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 627 ff.; Schaaf, Risikomanagement, S. 111 ff. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Nr. 100. 256 MaRisk (BA) AT 4.4.1.3; MaRisk (VA) 7.4.3. 257 Begr. RegE, 9. VAG Novelle, BT-Drucks.16/6518, S. 16. 258 Schaaf, Risikomanagement, S. 111: „Der Gesetzgeber will die hohe Bedeutung der Teilprüfung bereits durch die Gesetzessystematik zum Ausdruck bringen.“ 259 MaRisk (BA) BT 2.4; Art. 47 Abs. 3 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II), MaRisk (VA) 7.1.7 – 7.1.8. 260 §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 3 a) KWG; 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 2 VAG. Dazu Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 377 ff.; Krämer, in: Bähr, Hdb. Versicherungsaufsichtsrecht, § 10 Rn. 49 ff.; Schaaf, Risikomanagement, S. 70 ff. Im Versicherungssektor müssen hierfür umfassende innerbetriebliche Leitlinien existieren, s. MaRisk (VA) 7.2.1. 261 Sehr klar MaRisk (BA) AT 4.3.1.2: „Prozesse sowie die damit verbundenen Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten, Kontrollen sowie Kommunikationswege sind klar zu definieren und aufeinander abzustimmen.“. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Principle 8: „robust internal communication“; Art. 22 Abs. 1 der RiLi 2006/48/EG (BankenRiLi): „klare Organisationsstruktur mit genau abgegrenzten, transparenten und kohärenten Verantwortungsbereichen“. 262 Umfassend zum Verhältnis der drei Funktionen Risikomanagement, Revision und Compliance Dreher, FS Hüffer, S. 161.
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sehr eindeutig.263 Und auch für den Bankensektor spricht der Richtlinienvorschlag zu CRD IV mittlerweile ausdrücklich von der Schaffung einer Risikomanagementfunktion, inklusive eines „Chief Risk Officers“.264 Im Detail fordert er eine „Risikomanagement-Funktion […], die vom operativen Geschäft und von der Geschäftsleitung unabhängig ist und über ausreichende Autorität, ausreichendes Gewicht, ausreichende Ressourcen und einen ausreichenden Zugang zum Leitungsorgan verfügt.“265 Kennzeichnendes Merkmal der Organisationsanforderungen in beiden Sektoren sind die Unabhängigkeit sowie der sog. „Grundsatz der Funktionstrennung“.266 Unabhängigkeit bedeutet – ebenso wie beim Compliance-Officer – die absolute Weisungsfreiheit des Leiters der Funktion.267 Der Grundsatz der Funktionstrennung hebt hervor, dass miteinander unvereinbare Tätigkeiten durch unterschiedliche Abteilungen durchzuführen sind. So darf zum Beispiel die interne Revision nicht am Aufbau von Risikopositionen beteiligt sein, deren Überwachung ihre Aufgabe ist.268 Hieraus folgt die grundsätzliche Trennung der Risikocontrolling- und Revisionsfunktion von den operativen Geschäftsbereichen. Den MaRisk-Rundschreiben zufolge soll diese Trennung bis zur Ebene der Geschäftsleitung gelten;269 hiergegen regt sich jedoch Widerspruch.270 Aus dem Grundsatz der Funktionstrennung ergeben sich zudem Folgen für die Organisation des operativen Geschäfts. So dürfen „risikorelevante Kreditentscheidungen“ in Finanzinstituten allein auf Basis eines „VierAugen-Systems“ getroffen werden.271 Letztlich bedeutet das, dass risikorelevante Geschäftsvorfälle nicht von einer Person allein abgewickelt werden können.272
263
MaRisk (VA) 7.2.1.3 b). Vgl. auch Artt. 13 Nr. 29, 44 Abs. 4 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II). 264 Art. 76 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). Aufbauend auf Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Principle 6. Ebenso MaRisk (BA) AT 4.4.1.4. Dafür bereits Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 29. 265 Art. 76 Abs. 5 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). So schon für den Versicherungssektor MaRisk (VA) 7.2.2.1, 7.2.2.2.2. 266 Vgl. Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 393 ff.; Schaaf, Risikomanagement, S. 72 f. Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Nr. 77: „[T]he risk management function should be sufficiently independent of the business units whose activities and exposures it reviews.“ 267 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Nr. 72: „[T]he independence of the CRO is paramount.“ 268 MaRisk (BA) BT 2.2.1 – 2.2.2; Art. 47 Abs. 2 RiLi 2009/138/EG (Solvency II); MaRisk (VA) 7.4.3. 269 MaRisk (BA) BTO Rn. 3; MaRisk (VA) 7.2.1.1. 270 Dagegen Schaaf, Risikomanagement, S. 73 (zweite Ebene unter Vorstand). 271 MaRisk (BA) BTO 1.1.2, 1.1.4. 272 Weites Verständnis auch beim Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Nr. 69: „Even in very small banks […] key management decisions should be made by more than one person (,four eyes principles‘).“
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
Dieses Prinzip gilt bis zur Ebene der Geschäftsleitung.273 Das Risikomanagement verlangt somit ein mehrstufiges System, das prozessbegleitende Kontrollen (zum Beispiel durch das Vier-Augen Prinzip) und eine prozessunabhängige Überwachung durch die Revision umfasst.274 Zuletzt muss noch einmal betont werden, dass alle Anforderungen des Aufsichtsrechts unter dem Vorbehalt der Proportionalität stehen.275 Gerade die generalklauselartige Verpflichtung auf ein „angemessenes Risikomanagement“ und ein „geeignetes internes Steuerungs- und Kontrollsystem“ für „wesentliche Risiken“ sind „Einfallstore zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“276.
III. Aktienrecht 1. Entwicklung in zwei Etappen: KonTraG und BilMoG Im Aktienrecht ist der Appell an das Risikobewusstsein des Vorstands bereits seit 1998 in § 91 Abs. 2 AktG verankert.277 Die konkreten Anforderungen, die sich hieraus ergeben, sind jedoch weit weniger weitreichend als die des Aufsichtsrechts. So geht die überwiegende Meinung – in Übereinstimmung mit dem eindeutigen Gesetzeswortlaut278 – davon aus, dass § 91 Abs. 2 allein die Risikofrüherkennung, nicht aber ein darüber hinausgehendes „umfassendes Risikomanagement“ fordere.279 Diese Auslegung beansprucht auch nach den 2009 vorgenommenen Änderungen des Aktien- und Bilanzrechts durch das BilMoG weiterhin Geltung.280 Zwar hatte die 273
§§ 2b Abs. 1 KWG; 8 Abs. 1 Nr. 1, 7a VAG. Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 417 ff.; Krämer, in: Bähr, Hdb. Versicherungsaufsichtsrecht, § 10 Rn. 2; Schaaf, Risikomanagement, S. 71; Spindler, in: Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 19 Rn. 25. Pointiert Weber-Rey, AG 2008, 345, 353: „Bei so viel gegenseitiger Kontrolle bleibt zu hoffen, dass jede Kontrollinstanz ihre Aufgaben und Pflichten ernst nimmt und sich niemand auf die ordnungsgemäße Pflichterfüllung des jeweils anderen verlässt.“ 275 § 25a Abs. 1 S. 4 KWG, MaRisk (BA) AT 4.3.1; § 64a Abs. 1 S. 4 Nr. 4 VAG, MaRisk (VA) 4.1, Art. 41 Abs. 2 RiLi 2009/138/EG (Solvency II) sowie Begr. RegE 9. VAG Novelle, BT-Drucks. 16/6518, S. 16. 276 Dreher, VersR 2008, 998, 1000. 277 KonTraG, BGBl. 1998 I, S. 786. 278 Insofern irreführend Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. Zu diesem Redaktionsversehen Seibert, in: FS Bezzenberger, S. 427, 438. Wenig hilfreich auch die Darstellung im DCGK, die in Ziff. 4.1.4 ein „angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling“ fordert. 279 Vgl. Dreher, in: FS Hüffer, S. 161, 162 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 34; Koch, in: Hüffer, AktG, § 91 Rn. 8; Kort, in: GroßKomm AktG, § 91 Rn. 55 ff.; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rn. 14; Spindler, in: MünchKomm AktG § 91 Rn. 16; ders., in: Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 19 Rn. 57. 280 Dreher, FS Hüffer, S. 165, 164 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 35; Kort, ZGR 2010, 440, 451 ff.; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 91 Rn. 20; Wundenberg, S. 121 ff. 274
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Reform insbesondere für kapitalmarktorientierte Gesellschaften die Frage aufgeworfen, ob das enge Verständnis des § 91 Abs. 2 AktG nochmal überdacht werden müsste,281 schließlich fordert das Gesetz seither ausdrücklich die Darstellung des unternehmenseigenen „Risikomanagementsystem[s]“ im Lagebericht (§ 289 Abs. 5 HGB) sowie dessen Kontrolle durch den Aufsichtsrat (§ 107 Abs. 3 AktG).282 Diese Begrifflichkeit ist indes primär dem unionsrechtlichen Hintergrund des BilMoG geschuldet, der jedoch keine verbindliche Vorgaben für die Auslegung des § 91 Abs. 2 AktG bezweckt.283 Darüber hinaus hat auch der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich bekundet, dass er keine Änderung der bisherigen Rechtslage herbeizuführen wünscht.284 Das Aktienrecht bleibt seiner alten Linie damit treu. 2. Zielvorgabe: Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen § 91 Abs. 2 AktG formuliert zunächst ebenfalls eine Zielvorgabe: die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft. Das Aktienrecht rückt so gleich in zweierlei Hinsicht vom Terminus des „Risikomanagements“ ab. Erkannt werden muss nicht jeder Risikozustand an sich,285 sondern nur solche Risiken, die sich bereits zu einer „Entwicklung“, also zu einem dynamischen Prozess, verdichtet haben.286 Darüber hinaus muss es sich um „bestandsgefährdende“ Entwicklungen handeln.287 Nach der wohl überwiegenden Meinung ist diese Gefahrenschwelle erst dort erreicht, wo eine Insolvenzgefahr für die Gesellschaft begründet oder gesteigert wird.288 Die Gefahr der dauerhaften Beeinträchtigung der 281
Dafür Lösler, WM 2008, 1098, 1099; Spindler, WM 2008, 905, 906. Zusätzlich hatte die Neufassung des § 171 Abs. 1 S. 2 AktG für Irritationen gesorgt. Umfassend zu den Änderungen durch das BilMoG Kort, ZGR 2010, 440, 444 ff. 283 Resümierend Wundenberg, Compliance, S. 123: „[A]us den unionsrechtlichen Regelungsvorgaben erschließt sich kein bestimmtes Risikomanagement-Konzept, das einer richtlinienkonformen Auslegung zu Grunde gelegt werden könnte.“ 284 Begr. RegR BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 76: „Mit der Vorschrift wird weder die Einrichtung noch die inhaltliche Ausgestaltung eines internen Kontrollsystems oder eines internen Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess verpflichtend vorgeschrieben.“; ebenso S. 102: „Es ist dem Vorstand vorbehalten, über das ,Ob‘ und ,Wie‘ eines umfassenden internen Risikomanagementsystems zu entscheiden.“ 285 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 31; Koch, in: Hüffer, AktG, § 91 Rn. 6; Kort, GroßKomm AktG, § 91 Rn. 30; ders., ZGR 2010, 440, 443; Seibert, in: FS Bezzenberger, S. 427, 437; a.A. Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 91 Rn. 21. 286 So auch Schmidt, Compliance in Kapitalgesellschaften, S. 62: „zur Entwicklung verdichtete Risiken“. 287 Dazu zählen laut Begr. RegE KonTraG BT-Drucks. 13/9712, S. 15: „risikobehaftete Geschäfte, Unrichtigkeiten der Rechnungslegung und Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften, die sich auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft oder des Konzerns wesentlich auswirken.“ 288 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 32; Kort, in: GroßKomm AktG, § 91 Rn. 36; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rn. 9; Mertens/Cahn, in: 282
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
Rentabilität reicht demnach jedenfalls noch nicht aus.289 Solche bestandsgefährdenden Entwicklungen müssen früh erkannt, d. h. zu einem Zeitpunkt aufgedeckt werden, ab dem noch geeignete Maßnahmen zur Sicherung des Fortbestands der Gesellschaft ergriffen werden können.290 3. Organisationspflichten Zur Erreichung dieses Ziels fordert § 91 Abs. 2 AktG ein zweistufiges Vorgehen:291 zunächst sind geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen sicherzustellen. Auf einer zweiten Stufe muss die Wirksamkeit dieser Maßnahmen durch ein Überwachungssystem sichergestellt werden.292 Damit fordert § 91 Abs. 2 AktG in erster Linie die Einrichtung eines unternehmensweiten Informationssystems, das sicherstellt, dass alle zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen notwendigen Daten gesammelt, aufbereitet und an den Vorstand weitergeleitet werden.293 Hierfür müssen klare Zuständigkeiten verteilt und engmaschige Berichts- und Dokumentationspflichten eingeführt werden.294 Zudem ist es erforderlich, bei allen Mitarbeitern ein entsprechendes Risikobewusstsein zu schaffen. Auch tut der Vorstand gut daran, sich durch eine eingehende Risikoanalyse vorneweg ein Bild von der Lage zu verschaffen.295 Der IDW PS 340 spricht insofern bildlich von einer Pflicht zur „Risikoinventur“.296 KölnKomm AktG, § 91 Rn. 23; Seibert, in: FS Bezzenberger, S. 427, 437; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 91 Rn. 21. 289 Dafür aber T. Schneider, Risikomanagement, S. 34; Zimmer/Sonneborn, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 1 Rn. 182. Koch schlägt Orientierung an § 264 Abs. 2 HGB vor, in: Hüffer, AktG, § 91 Rn. 6. 290 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 291 Fleischer, Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 36 m.w.N.; Koch, in: Hüffer, AktG, § 91 Rn. 6 ff.; Schaaf, Risikomanagement, S. 35 ff.; Schmidt, Compliance in Kapitalgesellschaften, S. 64; Spindler, in: Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 19 Rn. 12 ff. 292 Der Wortlaut der Vorschrift ist in dieser Hinsicht irreführend, suggeriert er doch, dass Überwachungssystem müsse sich ebenfalls auf die Früherkennung beziehen. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm geht jedoch eindeutig das Gegenteil hervor, s. dazu Krieger/SailerCoceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rn. 13; Spindler, in: MünchKomm AktG § 91 Rn. 29; Zimmer/Sonneborn, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 1 Rn. 187. 293 So T. Schneider, Risikomanagement, S. 51; Wundenberg, Compliance, S. 120. 294 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 36; Koch, in: Hüffer, AktG, § 91 Rn. 10; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rn. 13; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 91 Rn. 29. 295 Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rn. 8: „Um Entwicklungen erfassen zu können, muss der Vorstand auch den Ist-Zustand erfassen, Risikopotentiale erkennen und analysieren und eine Prognose abgeben.“ Ähnlich Spindler, in: MünchKomm AktG, § 91 Rn. 20. 296 Abgedruckt in WPg 1999, 658. Ebenfalls in diesen Themenbereich fallen die Standards IDW PS 350, WPg 2006, 1293 ff. sowie IDW PS 261, WPg 2006, 1433 ff. Sie beziehen sich
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Die Hauptverantwortung für die Risikofrüherkennung liegt somit beim Vorstand;297 er hat eine Risikoorganisation passend zu Art, Größe und Branche des Unternehmens einzurichten.298 Hierbei kommt ihm ein weiter Ermessenspielraum zu.299 Das gilt auch für das Design des Überwachungssystems. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass eine interne Revision existieren muss,300 deren Aufgabe es ist „durch Zweckmäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen die Effektivität und die Effizienz der durch den Vorstand implementierten betrieblichen Abläufe und Strukturen zu beurteilen und zu verbessern.“301 Zusätzlich wird in der Literatur die Schaffung einer Risikocontrollingfunktion gefordert,302 die sich dauerhaft der Entwicklung von Methoden und Prozessen zur Risikoidentifikation, -analyse und -bewertung annehmen soll.303 Die Maßnahmen des Vorstands werden sowohl vom Aufsichtsrat304 als auch von den Abschlussprüfern305 der Gesellschaft auf ihre Eignung und Wirksamkeit geprüft.
ausschließlich auf kapitalmarktorientierte Gesellschaften. Zur (Ir-)Relevanz von IDW Standards bei der Auslegung von § 91 Abs. 2 AktG s. Binder, JJZ 2007, 145, 158 ff. 297 Zuletzt Europäische Kommission, Grünbuch Europäischer CG Rahmen, KOM(2011) 164 endg., S. 12: „Allgemein ist anerkannt, dass der Verwaltungsrat die Hauptverantwortung für die Definition des Risikoprofils einer bestimmten Organisation im Sinne der jeweils verfolgten Strategie trägt wie für eine angemessene Überwachung, mit der ein wirksames Funktionieren in der Praxis sichergestellt wird.“ Bestätigt im Feedback Statement, Europäischer CG Rahmen, S. 11. 298 Begr. RegE KonTraG BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 299 Vgl. Fleischer, Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 36; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rn. 12. 300 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 11, 15; Begr. RegE BilMoG, BTDrucks. 16/10067, S. 102 f. 301 So Dreher, FS Hüffer, S. 161, 175. 302 Dreher, FS Hüffer, S. 161, 176; Koch, in: Hüffer, AktG, § 91 Rn. 10; Krieger/SailerCoceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rn. 13; Spindler, MünchKomm AktG § 91 Rn. 50 f.; ders., in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 19 Rn. 18: „in der Regel“. Vgl. auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 36: „ab einer gewissen Unternehmensgröße“; implizit wohl auch Zimmer/Sonneborn, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 1 Rn. 187. In diese Richtung weist auch DCGK Ziff. 4.1.4. 303 So Dreher, FS Hüffer, S. 161, 173. 304 § 107 Abs. 3 S. 2 AktG, DCGK Ziff. 5.3.2. Dazu Kort, ZGR 2010, 440, 449. 305 Jedenfalls in kapitalmarktorientierten Gesellschaften §§ 317 Abs. 4, 321 Abs. 4 HGB, s. Kort, ZGR 2010, 440, 447 f. Diese haben „wesentliche Schwächen des internen Kontroll- und des Risikomanagementsystems“ gem. § 171 Abs, 1 S. 2 AktG an den Aufsichtsrat zu berichten.
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
IV. Ausstrahlungswirkung? 1. Gegenüberstellung aufsichts- und aktienrechtlicher Vorgaben In einem zentralen Punkt gleichen sich Aufsichts- und Aktienrecht zunächst: beide verorten die Hauptverantwortlichkeit für den Umgang mit Risiken innerhalb des Unternehmens beim Vorstand bzw. dem Geschäftsleitungsorgan.306 Von diesem Punkt an gehen die Kodifikationen aber getrennte Wege.307 Das zeigt sich am stärksten in der Reichweite des geforderten „Risikomanagements“. So verlangt § 91 Abs. 2 AktG ausschließlich die Früherkennung, nicht aber die Steuerung bestandsgefährdender Entwicklungen. Wie der Vorstand auf die ihm präsentierten Informationen zu reagieren hat, unterfällt nicht mehr § 91 Abs. 2, sondern §§ 76, 93 AktG.308 Zwar wird man auch hier aus der Pflicht zur Schadensabwehr eine Handlungsmaxime herleiten können, nach der bestandsgefährdende Risiken durch den Vorstand beherrscht und minimiert werden müssen;309 konkrete Vorgaben hierfür gibt das Gesetz indes nicht an die Hand. Insbesondere fordert es nicht die Bereithaltung einer Organisation zur Steuerung und Minimierung bestandsgefährdender Risiken. § 91 Abs. 2 AktG statuiert damit nur „einen Baustein ganzheitlicher Risikoerfassung und -steuerung“.310 Wesentlich forscher schreitet demgegenüber das Aufsichtsrecht voran und fordert eine Unternehmensorganisation, die „Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie Überwachung und Kommunikation der Risiken“ umfasst.311 Allerdings operiert auch das Aufsichtsrecht mit gewissen Einschränkungen: es sind nicht alle, sondern nur die „wesentlichen Risiken“ zu erfassen. Hier zeigt sich eine gewisse Nähe zum Erfordernis der „Bestandsgefährdung“ im Aktienrecht,312 obwohl das Aufsichtsrecht durch sein Abstellen auf „Ri-
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§§ 25a Abs. 1 S. 1 KWG, 64a Abs. 1 S. 1 VAG verpflichten daneben auch das Institut. Binder, JJZ 2007, S. 145, 156: „Der Kontrast […] könnte kaum schärfer ausfallen.“ 308 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 34; Kort, ZGR 2010, 440, 443; ders., in: GroßKomm AktG, § 91 Rn. 64; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rn. 12; Seibert, in: FS Bezzenberger, S. 427, 437; Spindler, MünchKomm AktG, § 91 Rn. 28. 309 Auf die ansonsten entstehenden Divergenzen hinweisend auch Wundenberg, Compliance, S. 126. 310 So Binder, ZGR 2007, 745, 748. 311 Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 4: „In der Ausgestaltung und Präzisierung der Anforderungen wie auch hinsichtlich des Inhalts gehen aber die Anforderungen des KWG über die allgemeinen aktienrechtlichen Anforderungen deutlich hinaus.“; Wundenberg, Compliance, S. 126 f.: „Die kreditwesengesetzlichen Anforderungen sind hinsichtlich des Organisationsziels strenger und bezüglich der Organisationsanforderungen konturenreicher ausgestaltet als ihr aktienrechtliches Pendant. Die Unterschiede bezüglich des Pflichtenumfangs werden jedoch durch den prinzipien-orientierten Regelungsansatz relativiert, da ähnlich wie im Aktiengesetz auch die bankaufsichtsrechtlichen Organisationspflichten einem Proportionalitätsvorbehalt unterliegen und vom jeweiligen Risikoprofil des Instituts abhängen.“ 312 Dreher, ZGR 2010, 496, 533: „zumindest kein großer Abstand“. 307
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siken“ zeitlich früher ansetzt als die „Entwicklungen“ des Aktienrechts.313 Zur Erreichung dieses Ziels statuiert das Aufsichtsrecht detaillierte organisatorische Anforderungen; ein Kommentator beschreibt es als „fein ziseliertes […] System der Risikoerfassung, der Risikostrategie, der Risikosteuerung, der Risikokontrolle, der Risikodokumentation, der Risikokommunikation und der Risikoberichterstattung.“314 Auf beiden Seiten werden die Anforderungen durch den Grundsatz der Proportionalität begrenzt. Zuletzt bekräftigen Aufsichts- wie Aktienrecht die Bedeutung des Risikomanagements durch den Einsatz gleich mehrerer Instanzen zu dessen Kontrolle.315 So wachen im Aktienrecht Aufsichtsrat und Abschlussprüfer über die Funktionsfähigkeit des eingesetzten Systems.316 Auch das Aufsichtsrecht aktiviert – zusätzlich zur behördlichen Kontrolle – die Abschlussprüfer als „Instrument der Normdurchsetzung“317 (§ 29 Abs. 1 KWG).
2. Ansatzpunkte für eine Ausstrahlung: §§ 76, 93 oder 91 Abs. 2 AktG? Können die Regeln des Aufsichtsrechts aber auch über ihren eigenen Anwendungsbereich hinaus Einfluss auf die Auslegung des aktienrechtlichen Normenbestandes haben? Als „Andockstellen“ bieten sich zwei Normen an: die allgemeine Leitungspflicht des Vorstands aus §§ 76, 93 AktG sowie der § 91 Abs. 2 AktG. Letzterer ist nach allgemeiner Ansicht ein Bestandteil der allgemeinen Leitungsaufgabe318 und umreißt ausschließlich einen „Mindest-Pflichtenrahmen“.319 Die Formulierung weitergehender Pflichten an das Risikomanagement durch eine extensive Auslegung der §§ 76, 93 AktG ist somit nicht von vornherein ausgeschlossen.320 313
So auch Wundenberg, Compliance, S. 119. Dreher, VersR 2008, 998, 1007. 315 Das betont auch die EU Kommission in ihrem Grünbuch Finanzinstitute, KOM (2010) 284 endg., S. 16 f. 316 Dies gilt jedenfalls für die kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften, s. Fn. 305, S. 229. 317 So Binder, ZGR 2007, 745, 779. Zu den diversen Sanktionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörde s. Binder, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen, S. 133, 165 ff. 318 Begr. RegE, BT-Drucks. 13/9712, 15; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 29; Koch, in: Hüffer, AktG, § 91 Rn. 1; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 91 Rn. 1; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 91 Rn. 1. Pointiert Seibert, in: FS Bezzenberger, S. 427, 437: „Was § 91 Abs. 2 AktG verlangt, ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit und lediglich eine Konkretisierung der bereits nach altem Recht bestehenden Geschäftsführungspflicht des Vorstands, vor allem: rechtlich nichts Neues, wenn man sich die Mühe macht, die Literatur und Rspr. vor dem KonTraG zu analysieren.“ 319 Fleischer, AG 2003, 291, 299; Zimmer/Sonneborn, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 1 Rn. 188. Ähnlich Sethe, ZBB 2012, 357, 358; Spindler, in: Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 19 Rn. 60. 320 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 1 (§ 93 wird nicht von § 91 verdrängt). 314
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Andererseits konkretisiert § 91 Abs. 2 AktG die Anforderungen an die „Risikoorganisation“ für den Bereich der Krisenprophylaxe ausdrücklich,321 so dass eine extensive Auslegung der §§ 76, 93 AktG wie eine Erweiterung des Pflichtenkanons „durch die Hintertür“ erschiene. Richtigerweise kann eine Ausstrahlung des Aufsichtsrechts im Sinne einer Berücksichtigung aufsichtsrechtlicher Normen bei der Auslegung des Aktienrechts322 daher nur bei § 91 Abs. 2 AktG ansetzen. Ansatzpunkte können hier insbesondere die Verpflichtung zur Schaffung „geeigneter Maßnahmen“ sowie eines „Überwachungssystems“ sein. Sowohl § 91 Abs. 2 AktG als auch §§ 25a KWG, 64a VAG sind prinzipienorientiert ausgestaltet,323 so dass sich hier keine Friktionen ergeben.324 Letztlich kommt es bei der vergleichenden Betrachtung beider Seiten auf die Frage an, ob sich verallgemeinerbare Grundsätze guter Risikoorganisation herauskristallisieren lassen oder ob das Aufsichtsrecht als materiell-rechtliche Spezialmaterie für die Konkretisierung des § 91 Abs. 2 AktG ungeeignet ist.325 3. Schutzzweckerwägungen Diese Frage kann allein durch eine eingehende Betrachtung der Schutzzwecke des aufsichts- und aktienrechtlichen Risikomanagementregimes beantwortet werden. a) Erhebliche Schutzzweckdivergenzen zwischen Aufsichts- und Aktienrecht aa) Insolvenzschutz als gemeinsamer Ausgangspunkt Das Risikomanagement dient im Aktien- wie im Aufsichtsrecht zunächst einmal demselben Ziel: die Gesellschaft vor Krise und Insolvenz zu bewahren.326 Im Aktienrecht schlägt sich dies deutlich anhand der Begrenzung auf „bestandsgefährdende Entwicklungen“ im Gesetzestext nieder.327 Die Abwendung solcher Insolvenzgefahren ist Ausfluss der Vorteilswahrungs- und Schadensabwendungspflicht 321
Kort, ZGR 2010, 440, 454: „Indem § 91 Abs. 2 AktG die Vorstandspflichten für einen bestimmten Bereich konkretisiert, legt er [sie] für diesen Bereich fest […].“ Ähnlich Schaaf, Risikomanagement, S. 33. 322 Dazu ausführlich Dritter Teil, A. II. 3., S. 162. 323 So Dreher, VersR 2008, 998, 999; Wundenberg, Compliance, S. 118. 324 Allgemein zu dieser Frage Dritter Teil, IV. 3., S. 188. 325 Vollkommenes Fehlverständnis insofern bei Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 260. 326 Ebenso Wundenberg, Compliance, S. 131: „Übereinstimmung zwischen beiden Rechtsbereichen besteht insoweit, als die besonderen organisatorischen Pflichten gemäß § 25a KWG eine Begrenzung der operationellen Risiken bezwecken und damit ebenso wie § 91 Abs. 2 AktG eine bestandsschützende Funktion aufweisen“ 327 Im Ergebnis auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 29: „Insolvenz- und Krisenprophylaxe“; Klöhn, ZGR 2008, 110, 132; Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 120; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 91 Rn. 23.
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eines jeden Vorstandes.328 Auch das Aufsichtsrecht setzt erst bei der Verhinderung „wesentlicher“ Risiken an und zeigt damit in eine ähnliche Stoßrichtung.329 Darüber hinaus fungiert das Aufsichtsrecht auch im Allgemeinen als spezielles Insolvenzschutzrecht für Finanzinstitute und Versicherungsunternehmen.330 Sowohl die aufsichts- als auch die aktienrechtlichen Vorgaben an das Risikomanagement sind also gemeinsam im Gedanken des Insolvenzschutzes verwurzelt.331 Dieser Grundgedanke – nennen wir ihn „Insolvenschutz durch Risikokontrolle“ – wirkt also rechtgebietsübergreifend.332 Das erkennt auch der Gesetzgeber an, wenn er von einer positiven Ausstrahlungswirkung des § 91 Abs. 2 AktG auf andere Gesellschaftsformen, allen voran die GmbH, ausgeht.333 bb) Besonderes öffentliches Interesse an Insolvenzschutz im Aufsichtsrecht Dieser gemeinsame Grundgedanke entfaltet im Aufsichtsrecht jedoch eine ganz andere Wirkmacht als im allgemeinen Aktienrecht, denn hier gilt es Institutskrisen oder gar Insolvenzen weitgehend zu vermeiden.334 Grund hierfür sind die besonderen systemischen (Ansteckungs-)Gefahren innerhalb des Finanzsektors und die tragende Bedeutung der Finanz- für die Restwirtschaft.335 Überspitzt formuliert: Wenn Opel insolvent wird, ist das zwar tragisch, aber wenn die Commerzbank insolvent wird, ist das gefährlich.336 Die Volkswirtschaft ist vom Funktionieren eines großen Kreditinstituts abhängiger als vom Bestand eines Industriekonzerns. Aus dieser Logik erklären sich auch die weltweiten Bail-Out-Programme der letzten Jahre für den Bankensektor. Finanzinstitute und Versicherungsunternehmen unterliegen also schon deswegen einer strengeren Regulierung, weil ihre Insolvenz zum Schutz des
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Wundenberg, Compliance, S. 131. Vgl. Dreher, VersR 2008, 998: „Die zweite Säule von Solvency II zielt darauf ab, die Insolvenzwahrscheinlichkeit von Versicherern durch die obligatorische Einrichtung wirksamer Risikomanagementsysteme zu begrenzen.“ 330 Dazu bereits Erster Teil C. I. 2., S. 53 f. 331 Binder, JJZ 2007, S. 145, 160: „Zweige aus einer Wurzel“. 332 Spindler, in: Fleischer, Hdb. VorstandsR, § 19 Rn. 19: die aufsichtsrechtlichen Anforderungen seien „ein Sinnbild des mit dem Risikomanagementsystem verbundenen Grundgedankens der Erfassung und der Kontrolle von Risiken.“ 333 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; dies befürwortend Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 63. Ablehnend aber Zimmer/Sonneborn, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, Rn. 164 ff. 334 Zu diesen Schutzzielen s. § 6 KWG sowie Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/SchulteMattler, KWG, § 25a Rn. 31. 335 Dazu bereits Erster Teil C. I. 1. a), S. 48; C. II. 1) a), S. 65; C. III. 1) a), S. 70. 336 Vgl. die Jahre nach 2008, in denen Staatshilfen für Opel abgelehnt, für die Commerzbank aber bewilligt wurden. 329
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Gemeinwohls um jeden Preis vermieden werden soll.337 Das ist aber noch nicht alles. Finanzinstitute und Versicherungsunternehmen unterliegen auch deswegen so strengen aufsichtsrechtlichen Anforderungen, weil der Umgang mit dem Risiko den Kern ihres Geschäftsmodells darstellt. cc) Risiko als Kern des Geschäftsmodells von Banken und Versicherungen Der Kern des Finanz- und Versicherungsgeschäfts ist das Risiko. Am Besten lässt sich dies am Produkt „Versicherung“ verdeutlichen: es dient dazu, die negativen Folgen eines unvorhersehbaren Ereignisses von einem Individuum auf eine Risikogemeinschaft zu verlagern.338 Es greift damit die Erfahrungstatsache auf, dass das Eintreten eines bestimmten Risikos zwar vielen droht, aber nur wenige trifft. Das Geschäft von Versicherungsunternehmen ist somit die Risikoübernahme. Ohne eine aktive Beherrschung und Steuerung dieser Risiken könnten Versicherungsunternehmen aber nicht sicherstellen, dass im Fall des Schadenseintritts ausreichend Liquidität zur Bedienung aller Versicherungspolicen bereit steht.339 Das würde nicht nur auf kurze Sicht eine große Anzahl an Versicherungsnehmern schutzlos stellen, sondern auch auf lange Sicht die Nachfrage nach Versicherungen austrocknen. Das Bedürfnis nach einem umfassenden Risikomanagement ergibt sich für Versicherungsunternehmen also bereits aus der Natur ihres konkreten Geschäftsmodells. Ähnlich sieht es bei den Kreditinstituten aus. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Kreditinstitute erwächst aus ihrer Transformationsfunktion, dank derer sie Angebot und Nachfrage nach Kapital effizient koordinieren können.340 Genau diese Koordination der eingegangenen Risiken ist aber auch nötig, wenn das Institut seine Liquidität fortwährend sicherstellen will. Der interne Umgang mit Risiken spielt damit auch in Banken eine zentrale Rolle bei der Unternehmensleitung. Auch für grundsätzlich erfolgreiche Banken gilt zudem, dass „[b]ei effizienter Geschäftspolitik […] die Steigerung der Erträge eines Instituts nur durch die Übernahme eines höheren Risikopotentials möglich [ist].“341 Der Umgang mit Risiken ist für die Finanzbranche somit Erfolgsgeheimnis und Achillesferse zugleich. Denn aufgrund der hohen Vertrauensabhängigkeit des Sektors entwickeln sich krisenhafte Situationen bei einem Missmanagement von Risiken in Finanzinstituten wesentlich schneller als zum Beispiel in Industrieunternehmen. Das Aufsichtsrecht reagiert deswegen mit besonders strengen Anforderungen an das 337 Zur Ausrichtung des „unternehmensinternen Autonomiebereichs“ auf Gemeinwohlzwecke auch Burgi, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 4 Rn. 7. 338 Dazu bereits ausführlich Erster Teil C. III. 1. a), S. 70. 339 Dementsprechend fällt § 64a VAG auch in den Bereich der Finanzaufsicht, deren Ziel gem. § 81 Abs. 1 S. 5 VAG „die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen“ ist. Dazu Krämer, in: Bähr, Hdb. Versicherungsaufsichtsrecht, § 10 Rn. 12. 340 Dazu bereits Erster Teil C. I. 1. a), S. 48 f. 341 Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 601, 602.
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qualitative, aber auch an das sog. „quantitative Risikomanagement“ in Form der Eigenmittelvorschriften („Risikopuffer“).342 Eine vergleichbare Risikoexposition wird sich im nicht regulierten Sektor nur schwerlich finden lassen. Auch aus diesem Grund lassen sich das Aufsichts- und das allgemeine Aktienrecht also nur schwer miteinander vergleichen.343 dd) „Risikoappetit“344 als zentraler Konflikt zwischen Aktionären und Institutskunden Zuletzt ist es gerade die Risikostrategie eines Unternehmens bzgl. derer die Interessen von stakeholdern und shareholdern nicht parallel laufen, sondern in unverminderter Härte aufeinanderprallen.345 Während sich die Anteilseigner – abgesichert durch ein diversifiziertes Portfolio – häufig sehr risikogeneigt zeigen, um einen möglichst hohen Gewinn aus ihrem Investment zu realisieren, gilt die große Zahl an Unternehmensgläubigern (Mitarbeiter, Kreditgeber, Lieferanten) als tendenziell risikoscheu. Ihnen ist an der sicheren Bedienung ihrer Forderungen gelegen, nicht aber an Spekulationsgeschäften, die den Gewinn des Unternehmens in die Höhe treiben. Hieran würden sie schließlich nicht partizipieren.346 Anders gewendet: Während den Anteilseignern an einem return on their investment gelegen ist, geht es den Gläubigern allein um einen return of their investment.347 Dieser Grundkonflikt zwischen Eigen- und Fremdkapital besteht zunächst einmal in jeder Unternehmung. Während das Zivilrecht den Gläubigern eines Industrieunternehmens aber in erster Linie Schutz über das Insolvenzrecht angedeihen lässt, schaltet sich das Aufsichtsrecht aktiv im Dienste solcher Gläubigergruppen ein, die ihre Interessen alleine nicht hinreichend schützen können: den Institutskunden. Denn Einleger und Versicherungsnehmer nehmen eine herausgehobene Position im Aufsichtsrecht ein: ohne ihre Beiträge trocknen die großen „Kapitalsammelstellen“ Bank und Versicherung aus. Ihr Vertrauen und damit ihr Kapital soll dem System daher erhalten bleiben. Dafür wird der „Risikoappetit“ der Anteilseigner durch die Vorgaben des KWG und VAG gezügelt. Der typisch aufsichtsrechtliche Einlegerschutzgedanke schlägt sich
342 Zur Gegenüberstellung von quantitativen und qualitativen Risikobegrenzungsnormen s. Burgi, in: Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, § 4 Rn. 6. 343 Spindler, in: MünchKomm AktG, § 91 Rn. 38: „[B]esondere Risiken in bestimmten Branchen, die nicht in dieser Form auf sämtliche Gesellschaften übertragen werden können […].“ Ähnlich Weber-Rey, AG 2008, 345, 358: „Jedoch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass der Versicherungssektor einen Bereich mit wohl höchsten Anforderungen an die Geschäftsorganisation und das Risikomanagement darstellt.“ 344 So die Formulierung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, zuletzt in Core Principles for Effective Banking Supervision, 2012, Principle 17. 345 Dazu bereits Erster Teil B. II. 1., S. 42 f. 346 Darauf hinweisend Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 601, 602. 347 So schon Klöhn und Emmenegger (s. bereits Fn. 117, S. 43).
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also gerade in den Anforderungen an das Risikomanagement nieder.348 Die letzte Finanzkrise hat belegt, dass genau dieses Vorgehen auch notwendig ist, denn hiernach haben sich aktionärsdominierte Finanzinstitute weit häufiger durch „excessive risk-taking“ hervorgetan, als jene, die primär an den Interessen ihrer Einleger orientiert waren.349 Gerade die Vorschriften zum Risikomanagement sind also in besonderem Maße Ausdruck der speziellen Schutzzwecke des Banken- und Versicherungsaufsichtsrechts. b) Welche Gemeinsamkeiten verbleiben? Die Risikomanagementvorgaben des Aufsichtsrechts sind also sehr weitgehend vom Einleger- und Systemschutzgedanken überformt.350 Das schlägt sich nicht nur in einer von § 91 Abs. 2 AktG deutlich abweichenden Zielvorgabe nieder (umfassendes Management wesentlicher Risiken), sondern auch in den konkreten Anforderungen an die Institutsorganisation. Zu demselben Ergebnis kommen auch die zwei aktuellen Grünbücher der EU Kommission zu Fragen der Corporate Governance:351 die Verwendung eines sektorübergreifenden „Pauschalrisikomodells“ verbiete sich.352 Eine tastende Annäherung, die – ganz im Sinne der eingangs genannten Literaturstimmen – punktuell und selektiv nach Gemeinsamkeiten sucht, sei hier gleichwohl unternommen. Zunächst einmal finden sich auch in der Debatte um das Risikomanagement dieselben grundlegenden Anforderungen wieder, die bereits für die ComplianceOrganisation eingefordert worden sind. Hierzu zählen: die Verteilung klarer Zuständigkeit, die Einrichtung fester Kommunikationskanäle, die hinreichende Ressourcenausstattung und die kontinuierliche Systemüberprüfung. Solcherlei basale, aber für die Wirksamkeit des Risikomanagements gleichzeitig essentielle Pflichten kann auch der Vorstand einer nicht regulierten Aktiengesellschaft nicht guten Ge-
348 Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 601, 603: „Die Fremdkapital-Governance wird operativ durch die Risiko-Governance als Element der internen Corporate Governance konkretisiert“. 349 Vgl. die Studien in Fn. 130, S. 44. 350 So auch das Resümee bei Wundenberg, Compliance, S. 132. Ablehnend Hopt, ZHR 175 (2011) 444, 487: „Anforderungen [des Aufsichtsrechts] diffundieren mittlerweile auch in das allgemeine Gesellschaftsrecht, eine gefährliche Osmose. Die Vorschriften, die für Sektoren unter staatlicher Aufsicht und Unternehmen mit besonderen und gar systemischen Risiken sinnvoll sind, können Unternehmen allgemein überlasten und geradezu lähmen.“ 351 EU Kommission, Grünbuch CG in Finanzinstituten, KOM(2010) 284 endg., S. 7 f., 15 f.; EU Kommission, Grünbuch Europäischer CG Rahmen, KOM(2011) 164 endg., S. 11 f. 352 EU Kommission, Grünbuch Europäischer CG Rahmen, KOM(2011) 164 endg., S. 12. Eindeutig auch der Tenor des Feedback Statements, Europäischer CG Rahmen, S. 11: „Most companies are very different from institutions in the financial sector. Arrangements set up as regards risk management of financial institutions may not suit or may even have damaging impact on companies operating in different sectors.“
B. Risikomanagement
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wissens von der Hand weisen.353 Auch für die Ausgestaltung der internen Organisation lassen sich Lehren aus dem Aufsichtsrecht ziehen. Wird für die Compliance und die interne Revision eine „administrative Kapazität“ geschaffen, so wird dasselbe auch für die Risikofrüherkennung geschehen müssen.354 Geschieht dies, so ist auch in der „Normal-AG“ der „Grundsatz der Funktionentrennung“ zu befolgen. Die Funktionen sind also von den Geschäftsbereichen getrennt zu halten, die sie überwachen. Dahinter verbirgt sich nichts anderes, als die Vorgabe, bei der Ausgestaltung von Organisationen auf die Verhinderung von Interessenkonflikten hinzuwirken.355 Diese Pflicht lässt sich gleichermaßen aus der aktienrechtlichen Schadensabwendungspflicht herleiten. Hierin lässt sich also ein allgemeines Prinzip guter Unternehmensführung entdecken, dem im Aktienrecht ebensolche Bedeutung zukommen muss wie im Aufsichtsrecht.356 Zu Recht hat Hemeling in seinem Referat beim DJT 2012 daher gefordert, die Vorgaben des §§ 25a KWG, 64a VAG bei einer Novellierung des § 91 Abs. 2 AktG vorsichtig zum Vorbild zu nehmen.357 4. Positive Ergebnisse der negativen Abgrenzung des Aktien- vom Aufsichtsrecht Gerade im Bereich des Risikomanagements lässt sich im Ergebnis aber nur ein sehr schmaler Streifen verallgemeinerungsfähiger und damit „ausstrahlungsfähiger“ aufsichtsrechtlicher Gedanken finden, die bei der Konkretisierung des § 91 Abs. 2 AktG herangezogen werden können. Deswegen erweist sich eine eingehende Analyse der Ausstrahlungswirkung in diesem Bereich aber keinesfalls als unergiebig. Vielmehr lassen sich auch aus der negativen Abgrenzung von Aufsichts- und Aktienrecht weitreichende Lehren ziehen.358 Schließlich brodelt im Aktienrecht der Streit um die Verpflichtung zu einem „umfassenden Risikomanagement“ immer 353 So für verschiedene „allgemeine Anforderungen“ an das Risikomanagement auch Spindler, in: MünchKomm AktG, § 91 Rn. 39 und 50. 354 Für eine verbindliche Rechtspflicht Dreher, ZGR 2010, 496, 536; ders., FS Hüffer, S. 161. Vgl. auch Bürkle, CCZ 2008, 50, 55: die drei Funktionen seien „allgemein gültige Voraussetzungen sachgemäßer Unternehmensorganisation“; Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 372: „Zieht man einen Vergleich zur Meinungsbildung im Compliancebereich, drängt sich auch die Frage auf, ob nicht im Hinblick auf die Identifizierung und das Management wesentlicher Risiken mindestens so viel Anlass für organisatorische Vorkehrungen besteht wie für eine allgemeine Compliance-Funktion.“ 355 Binder, in: Romeike, Rechtliche Grundlagen, S. 133, 158; Dreher, ZGR 2010, 496, 535 ff. m.w.N. 356 Dreher, ZGR 2010, 496, 537. 357 Vgl. These II 2a) des Referats beim Deutschen Juristentag 2012. Eine solche „Schrittmacherrolle“ hatte Fleischer bereits 2003 für den Bereich Outsourcing ins Gespräch gebracht, s. ZIP 2003, 1, 10. Kritisch dagegen Kort, AG 2013, 582, 588. 358 Dazu auch Bürkle, WM 2005, 1496, 1498: „Besondere Normen […] können aber auf die Auslegung der allgemeinen Norm […] insoweit zurückwirken, als sie im Umkehrschluss zeigen, dass die allgemeine Norm die Anforderungen der speziellen Norm gerade nicht postuliert.“
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
noch weiter, nicht zuletzt nach den Gesetzesänderungen durch das BilMoG. Ein Vergleich mit dem Aufsichtsrecht zeigt hier aber wertvolle Grenzen auf, denn nicht einmal dort wird ein umfassendes Management aller Risiken, sondern allein aller „wesentlichen“ Risiken eingefordert.359 Soll das Aktien- nicht am Aufsichtsrecht vorbeiziehen, dürfen dort keine weitreichenderen Anforderungen gelten. Ein Seitenblick aufs Aufsichtsrecht erweist sich somit für das Aktienrecht als wertvolle Hilfe bei der Zurückdrängung des missionarisch anmutenden Eifers der Betriebswirtschaftslehre.360
C. Outsourcing I. Einführung Die Übertragung betrieblicher Funktionen auf einen Dritten, kurz: das Outsourcing,361 erfreut sich seit einigen Jahren auch im Finanzsektor zunehmender Beliebtheit. Längst betrifft es nicht mehr nur betriebsinterne Randbereiche, wie zum Beispiel das Call-Center oder den Wachdienst, sondern es ist in das Herz der unternehmerischen Aktivitäten vorgerückt: Kreditgeschäft, Vermögensverwaltung und Informationsverarbeitung sind nur einige der elementaren Unternehmensfunktionen, die Finanzinstitute von Drittanbietern wahrnehmen lassen.362 Outsourcing dient damit nicht mehr nur der Kostensenkung, sondern wird in zunehmendem Maße eingesetzt, um strategische Ziele zu verfolgen.363 Unternehmen besinnen sich auf ihre Kernbestandteile und lagern die restlichen Aufgaben aus. Sie folgen damit der Aufforderung des Harvard Business Review: „Focus on what gives your company its competitive edge, outsource the rest.“364 Outsourcing ist aber nicht nur ein Thema für Großunternehmen. Gerade für kleine Institute ist es von großer Bedeutung, das 359
Vgl. auch den Gedankengang bei Dreher, ZGR 2010, 496, 532 ff. So auch das Fazit bei Dreher, ZGR 2010, 496, 534: „Im Ergebnis liegt daher eine – auch praktisch sehr erhebliche – Ausstrahlung des Aufsichtsrechts auf das Aktienrecht darin, der überschießenden Debatte um das Risikomanagement in der Normal-AG nach dem BilMoG eine unabhängig vom Streit um die Grundfrage rechtssystematisch gebotene Grenze aufzuzeigen. […] Der Vorstand muss im Rahmen der sorgfältigen Geschäftsleitung gute Gründe haben, mit Blick auf Kosten einerseits und den beschränkten Erkenntnisgewinn andererseits in der NormalAG freiwillig ein Risikomanagement einzuführen, das die im Aufsichtsrecht vorgegebenen Schwellen unterschreitet.“ Zum selben Ergebnis kommen auch Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 542 mit Blick auf § 100 Abs. 2 Nr. 4 AktG („Cooling-Off-Periode“) – eine aktienrechtliche Regelung, die sich im Vergleich mit aufsichtsrechtlichen Vorgaben als überschießend und damit ggf. korrekturbedürftig erweist. 361 Zum Begriff Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 34 ff. 362 Dazu auch die Übersicht des Joint Forum, Outsourcing in Financial Services, 2005, S. 5. 363 Zu den Gründen für das Outsourcing ebenfalls Joint Forum, Outsourcing in Financial Services, S. 6 364 Zitiert nach Hofmann, in: Bankrechtstag 2000, S. 41, 43. 360
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Know-How zur Erfüllung organisatorischer Kernaufgaben wie Compliance, Risikomanagement und Interne Revision extern einkaufen zu können.365 Outsourcing betrifft auch nicht nur den privaten Bankensektor. So lassen auch Sparkassen zentrale Aufgaben wie die Wertpapier- und Zahlungsaufträge durch ihre Landesbanken abwickeln; Bereiche wie das Marketing werden durch die Sparkassen- und Giroverbände wahrgenommen.366 Den Chancen, die das Outsourcing bietet, stehen naturgemäß auch Risiken gegenüber.367 Verdeutlicht hat diese zuletzt der spektakuläre Fall der IKB, die ihr Verbriefungsgeschäft in diverse Tochterunternehmen ausgelagert hatte und die sich hieraus ergebenden Risiken am Ende nicht mehr kontrollieren konnte.368 Auch die Aufsichtsbehörden sehen ein gesteigertes Risiko durch Outsourcing und fürchten zusätzlich, dass ihnen durch Funktionsauslagerungen der Zugriff auf riskante Geschäftsvorgänge entzogen wird.369 Der Bereich des Outsourcings wird daher bereits seit geraumer Zeit durch ein dichtes Netz aufsichtsrechtlicher Vorgaben geprägt. Das Aktienrecht schweigt hingegen bisher zur Zulässigkeit von und den Voraussetzungen für eine wirksame Ausgliederung von Unternehmensfunktionen.370
II. Aufsichtsrecht 1. Regulatorisches Umfeld Anders als im Bereich der Compliance und des Risikomanagements ging der Anstoß zur Regulierung des Outsourcings nicht vom europäischen, sondern vom deutschen Gesetzgeber aus. Die erste kodifizierte Regelung findet sich bereits seit 1983 im VAG.371 Ende der 90er Jahre folgten mit § 25a II KWG a.F. (heute § 25b KWG) sowie § 33 Abs. 2 WpHG Regelungen für den Banken- und Wertpapiersektor 365 So auch Dreher/Schaaf, WM 2008, 1765, 1770: „Durch den Zugriff auf das externe Know-How kommt es im Idealfall vielmehr auch zu Qualitätsverbesserungen bei gleichzeitiger Kostensenkung auf Grund der Weitergabe von Effizienz- und Synergieeffekten seitens des Insourcers an den Versicherer.“ 366 Ähnliches gilt für Genossenschaftsbanken, Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 43, 49 f. 367 Zu Vor- und Nachteilen umfassend Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 55 ff. 368 OLG Düsseldorf, ZIP 2010, 28, 33. 369 Joint Forum, Outsourcing in Financial Services, S. 1: „Outsourcing has the potential to transfer risk, management and compliance to third parties who may not be regulated, and who may operate offshore.“; Begr. RegE 9. VAG Novelle, BT-Drucks. 16/6518, S. 17: „Externe Delegation darf nicht dazu führen, dass Teilbereiche entstehen, die außerhalb der Risikobetrachtung des Versicherungsunternehmens liegen und deshalb nicht angemessen beherrscht und gesteuert werden.“; Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 860. 370 Diesen Zustand beklagt Hübner schon im Jahr 1985, FS Stimpel, S. 791, 809. 371 § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG a.F. Zur alten Rechtslage umfassend Präve, in: Prölss, VAG, § 5 Rn. 73 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 242 ff.
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nach,372 der zuvor schon maßgeblich durch Rundschreiben der Aufsichtsbehörde BaKred geprägt worden war.373 Mittlerweile sind diese Normen durch das FRUG einmal tiefgreifend reformiert und so an die europäischen Vorgaben der MiFID angepasst worden.374 In Vorgriff auf Solvency II hat der Gesetzgeber mit § 64a Abs. 4 VAG zudem auch eine zusätzliche Regelung für den Versicherungssektor geschaffen, die sich weitgehend an ihre Schwestervorschrift im KWG anlehnt.375 Gemeinsam ist den Vorschriften v. a., dass sie keine ausdrücklichen Verbote für die Auslagerung bestimmter Geschäftsbereiche vorsehen. Im Vordergrund steht vielmehr das „wie“, nicht aber das „ob“ der Auslagerung. 2. Was bedeutet Auslagerung? Bevor man sich in die Details des Auslagerungsvorgangs vertieft, ist jedoch eine Begriffsklärung angezeigt. Eine gemäß § 25b KWG relevante Auslagerung liegt vor, wenn „ein anderes Unternehmen mit der Wahrnehmung solcher Aktivitäten und Prozesse im Zusammenhang mit der Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen beauftragt wird, die ansonsten vom Institut selbst erbracht würden.“376 Zu beachten ist zunächst der ausgreifende Anwendungsbereich, der über die Tätigkeiten in § 1 Abs. 1, 1a KWG hinaus auch „sonstige institutsspezifische Dienstleistungen“ erfasst.377 Diese müssen für eine gewisse Dauer ausgelagert werden; ein bloß einmaliger oder gelegentlicher Bezug von Drittleistungen ist nicht ausreichend.378 Gesamt- sowie Teilauslagerungen
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Zur Entstehungsgeschichte s. Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 136 ff. 373 Zur Rechtslage vor der MiFID Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 207 ff. (Banken), 230 ff. (Wertpapierdienstleister). Mittlerweile enthalten v. a. die MaRisk (BA) und (VA) die maßgeblichen Vorgaben zur Konkretisierung von §§ 25b KWG, 64a Abs. 4 VAG. 374 Art. 13 Abs. 5 der RiLi 2004/39/EG (MiFID) sowie Artt. 13 f. der DurchführungsRiLi 2006/73/EG. 375 So auch Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 367 f. Ähnliches gilt für andere bereichsspezifische Regeln zum Outsourcing, z. B. §§ 20 ZAG, 5 Abs. 3 BörsG. 376 MaRisk (BA) AT 9.1. Basierend auf der Definition des Joint Forum, Outsourcing, S. 4. Zum Auslagerungsbegriff umfassend Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 872 ff. Einen engeren Begriff verwendet das Versicherungsaufsichtsrecht in § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG. § 64a Abs. 4 VAG spricht hingegen ausdrücklich von „Funktionsausgliederungen im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 4 […] und bei Dienstleistungsverträgen“, s. dazu MaRisk (VA) 8.1. Eine ausführliche Gegenüberstellung der Auslagerungsbegriffe findet sich bei Horak, Outsourcing bei Versicherungsunternehmen, S. 21 ff., 73 ff. 377 Dazu umfassend Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 229 ff. 378 § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG. Dazu Präve, in: Prölss, VAG § 5 Rn. 82 f. Für Banken Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 228 f.; Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 883.
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werden erfasst.379 Von besonderem Interesse ist zudem das Merkmal des „anderen Unternehmens“.380 Hierhinter verbirgt sich jede rechtlich selbstständige Gesellschaft.381 Der aufsichtsrechtliche Auslagerungsbegriff umfasst somit auch das Outsourcing an Tochtergesellschaften; ein Konzernprivileg existiert nicht. Das überrascht, da § 25a Abs. 3 KWG bereits eine Pflicht zum konzernweiten Risikomanagement vorsieht. Offensichtlich befürchtet der Gesetzgeber durch den Vorgang der Auslagerung aber darüber hinausgehende Risiken, so dass er auch konzernierte Unternehmen den zusätzlichen Pflichten gemäß § 25b KWG unterwirft.382 Von zentraler Bedeutung ist zuletzt, dass das Aufsichtsrecht auch die Auslagerung an nicht-regulierte Unternehmen erlaubt.383 Steht das Auslagerungsunternehmen aber seinerseits unter staatlicher Aufsicht, so vereinfacht dies den Auslagerungsprozess mitunter erheblich.384 3. Welche Bereiche dürfen ausgelagert werden? Für die rechtliche Beurteilung des Outsourcings müssen drei Aufgabenbereiche innerhalb des Unternehmens unterschieden werden: der nicht auslagerungsfähige Bereich, der Bereich „wesentlicher“ Unternehmensfunktionen sowie der sonstige Bereich. a) Nicht auslagerungsfähige Bereiche Obwohl es an einem ausdrücklichen Auslagerungsverbot fehlt, kennt auch das Aufsichtsrecht bestimmte Auslagerungsgrenzen. Hierzu zählen in erster Linie die Leitungsaufgaben der Geschäftsführung,385 allen voran solche, die ausdrücklich im Gesetz verankert sind. So kann sich der Vorstand nicht von seinen Organisations-
379
So können z. B. anstatt der gesamten Compliance-Abteilung auch nur die ComplianceSchulungen ausgelagert werden, s. Auerbach/Jost, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb CG von Banken, S. 651, 664. 380 In der Sprache des KWG handelt es sich um das „Auslagerungsunternehmen“ (§ 44 Abs. 1 S. 2 KWG). 381 Vgl. Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 223 ff.; Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 873; Präve, in: Prölss, VAG § 5 Rn. 81. 382 Zu dieser Frage auch Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 225. 383 Horak, Outsourcing bei Versicherungsunternehmen, S. 141: „Im Versicherungsaufsichtsrecht sind selbst Auslagerungen der Kernfunktionen eines Versicherungsunternehmens auf ein Nicht-Versicherungsunternehmen ausdrücklich zulässig.“; Präve, in: Prölss, VAG § 5 Rn. 81. Missverständlich insofern MaRisk (VA) 8.2. 384 § 13 Abs. 1a S. 2, 3 VAG. 385 Rundschreiben 11/2001 der BaKred vom 06. 12.2001, Rn 13: „Nicht auslagerbar sind deshalb alle Maßnahmen der Unternehmensplanung, -organisation, -steuerung, und -kontrolle als originäre Leitungsaufgaben […].“; kürzer, aber identisch die aktuellen Rundschreiben MaRisk (BA) AT 9.4 S. 3; MaRisk (VA) 8.1.
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pflichten aus § 25a Abs. 1 KWG durch Auslagerung befreien.386 Dasselbe gilt bspw. bei der Gewährung von Großkrediten gemäß § 13 Abs. 2 S. 1 KWG. Immer dort, wo das Gesetz den Geschäftsleitern eine Aufgabe explizit zuweist, ist diese also „auslagerungsfest“.387 Auch darf die Auslagerung nicht soweit gehen, dass das Institut nur noch einer „Briefkastenfirma“ gleichkommt.388 Andere sprechen in diesem Zusammenhang auch von einer „Bankenhülse“.389 Ein eigener Geschäftsbetrieb muss also in gewissem Umfang noch vorhanden sein. Darüber hinaus bestehen aber keine Auslagerungsbeschränkungen. Der heutige Rechtszustand unterscheidet sich damit deutlich vom eher restriktiven Vorgehen der Aufsichtsbehörde vor dem FRUG. Das Rundschreiben 11/2001 sah noch strenge Begrenzungen für die Auslagerung all solcher Prozesse vor, die die Risikoposition des Instituts verändern konnten.390 In diesen Fällen mussten den Auslagerungsunternehmen „exakt vorherbestimm- und nachprüfbare objektive Beurteilungs- und Ergebnisfindungskriterien zwingend vorgegeben werden“ (sog. Scoring Verfahren). Eine vergleichbare Einschränkung findet sich in den MaRisk nicht mehr. Ebenso entfallen ist auch die Vorgabe, die ausgelagerten Bereiche dürften die im Institut verbleibenden Bereiche nicht „deutlich übertreffen“.391 Unter dem Druck der MiFiD hat sich das Aufsichtsrecht damit deutlich liberalisiert und ist wesentlich „auslagerungsfreundlicher“ geworden.392 Auch die MaRisk betont nun, dass „[g]rundsätzlich […] alle Aktivitäten und Prozesse auslagerbar [sind]“.393 b) Wesentliche Bereiche gemäß §§ 25b KWG bzw. 64a Abs. 4 VAG Nicht alle ausgelagerten Aktivitäten unterliegen aber den gleichen Anforderungen. Vielmehr gilt ein zweispuriges System: nur bei der Auslagerung „wesentlicher“ Vorgänge muss § 25b KWG Beachtung finden;394 sonstige Auslagerung beurteilen 386
Dreher/Schaaf, WM 2008, 1765, 1771. Ebenso Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 200. 388 Erwägungsgrund 19 der DurchführungsRiLi 2006/73/EG. 389 Zur Unzulässigkeit einer Totalauslagerung Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 210 ff. 390 Rundschreiben 11/2001 der BaKred vom 06. 12.2001, Rn 14 f. 391 Rundschreiben 11/2001 der BaKred vom 06. 12.2001, Rn 17. 392 Ausführliche Darstellung bei Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 193 ff.Dazu auch Ferstl, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 1033, 1055: „Die neuen Vorschriften mit ihrer Prinzipien- und Risikoorientierung gewähren den Banken mehr Flexibilität und erweiterte Handlunmgsspielräume, verlangen […] aber auch mehr Eigenverantwortung und Risikobewusstsein ab.“ 393 MaRisk (BA) AT 9.4 S. 1; MaRisk (VA) Nr. 8.1; Joint Forum, Outsourcing in Financial Services, S. 13. 394 Die MiFID spricht insofern von „wichtige[n betriebliche[n] Aufgaben“, Art 13 Abs. 5 S. 3 der RiLi 2004/39/EG. Ebenso Joint Forum, Outsourcing in Financial Services, S. 4: „First, these principles should be applied according to the degree of materiality of the outsourced activity to the firm’s business.“ 387
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sich allein nach allgemeinen Anforderungen.395 „Wesentlich“ sind alle Aufgaben, die bei unzureichender Erfüllung die finanzielle Leistungsfähigkeit oder die Solidität oder die Kontinuität der Institutsgeschäfte und Dienstleistungen wesentlich beeinträchtigen.396 Welche Vorgänge für das Institut „wesentlich“ sind, hat der Vorstand auf Basis einer selbstständigen Risikoanalyse herauszuarbeiten.397 Hierzu zählen für Banken jedenfalls die Abwicklung des Zahlungs- und Wertpapierverkehrs und alle sonstigen Tätigkeiten, die für die Durchführung von Geschäften iSd § 1 Abs. 1, 1a KWG notwendig sind.398 Aber auch im nicht-operativen Bereich finden sich „wesentliche“ Unternehmensaktivitäten – allen voran die Bestandteile der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation gemäß § 25a Abs. 1 KWG wie die Compliance, das Risikomanagement und die Revision.399 Laut Art. 13 Abs. 2 a) der Durchführungsrichtlinie 2006/73/EG gehören hingegen die Rechtsberatung, die Mitarbeiterschulungen oder der Wachdienst nicht zu den „wesentlichen“ Vorgängen.400 Die Risikoanalyse des Vorstands muss alle Organisationseinheiten mit einbeziehen und auf dieser Basis die Bedeutung der ausgelagerten Bereiche herausarbeiten.401 Sie hat Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Auslagerung zu berücksichtigen.402 Das Ergebnis ist zu begründen und zu dokumentieren.403 Regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen der Risikoanalyse werden ebenfalls erwartet.404 Auch wenn im Versicherungssektor wohl grundsätzlich gleiches gilt,405 muss doch die abweichende gesetzliche Gestaltung in § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG hervorgehoben werden. Hier werden mehrere auslagerungsfähige Unternehmensbereiche ausdrücklich benannt: „der Vertrieb, die Bestandsverwaltung, die Leistungsbearbeitung, das Rechnungswesen, die interne Revision, die Vermögensanlage oder die Vermögensverwaltung“. Es handelt sich um die sog. „Kernbereiche“ des Betriebs von Versicherungsgeschäften;406 ein Verweis auf sonstige „wesentliche Aktivitäten“ 395 Siehe auch das Schaubild bei Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 871. 396 So ausdrücklich Art. 13 Abs. 1 der DurchführungsRiLi 2006/73/EG. Ausführlich dazu Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 894 ff. 397 MaRisk (BA) AT 9.2; MaRisk (VA) 8. 2. Zur Entwicklung umfassend Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 241 ff. 398 Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 241, 253. 399 Umfassend zur Einordnung diverser möglicherweise betroffenen Unternehmensbereiche Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 262 ff. 400 Für weitere Beispiele das ehemalige Rundschreiben 11/2001 der BaKred vom 06. 12.2001, Rn 11, das diesbzgl. nicht an Überzeugungskraft eingebüßt hat. 401 MaRisk (BA) AT 9.2. 402 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 96. 403 Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 900. 404 MaRisk (BA) AT 9.2; Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 898. 405 MaRisk (VA) 8. 406 Vgl. Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 5 Rn. 44; Präve, in: Prölss, VAG § 5 Rn. 85.
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findet sich hingegen nicht. Mit Blick auf die bald umzusetzende vollharmonisierende Solvency II-Richtlinie besteht hier jedoch Anpassungsbedarf, denn auch sie stellt explizit auf „kritisch[e] und wichtig[e]“ Auslagerungen ab.407 Schon jetzt wird die Aufzählung in § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG aber nicht mehr als abschließend verstanden; schließlich umfasst sie nicht einmal das Risikomanagement.408 Dass ein Outsourcing des Risikomanagements aber gerade nicht unter die strengen Anforderungen des § 64a Abs. 4 AktG fallen sollte, erscheint sachlich nicht gerechtfertigt. c) Insbesondere: Interne Revision, Compliance, Risikomanagement Die Einrichtung und Überwachung der Compliance und des Risikomanagements409 obliegt dem Vorstand und gehört somit zum Bereich der nicht auslagerungsfähigen Geschäftsleiteraufgaben.410 Ihre operativen Bestandteile, also zum Beispiel die Compliance- oder auch die Risikocontrollingfunktion sind indes auslagerungsfähig.411 Dasselbe gilt auch für die Interne Revision.412 Während deren Auslagerung noch vor dem FRUG allein für kleine Institute und Neugründungen zulässig sein sollte,413 hat die Behörde mittlerweile auch in diesem Bereich zu einem liberaleren Verständnis gefunden.414 Auch § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG erwähnt die interne Revision nun seit der 9. VAG Novelle ausdrücklich. In materieller Hinsicht werden jedoch etwas höhere Anforderungen an die Wirksamkeit der Auslagerung einer der Kontrollfunktionen gestellt. So muss für den Bereich der internen Revision die 407 Art. 49 Abs. 2 der Richtlinie 2009/138/EG (Solvency II). Umfassend zu den bevorstehenden Änderungen durch Solvency II Horak, Outsourcing bei Versicherungsunternehmen, S. 305 ff., 330 ff. 408 Dazu Schaaf, Risikomanagement, S. 188 f.: die „interne Revision“ stehe pars pro toto für das Risikomanagement und die Compliance; ablehnend aber noch im Jahr 2005 Präve, in: Prölss, VAG, § 5 Rn. 87. 409 Speziell zur Delegation des Risikomanagements Dreher/Schaaf, WM 2008, 1765, 1770 f. 410 So auch schon Präve, in: Prölss, VAG, § 5 Rn. 99. Sehr weitgehend Begr. RegE 9. VAGNovelle, BT-Drucks. 16/6518, S. 11: „Risikomanagement und Controlling“ seien nicht auslagerungsfähig. 411 So Dreher/Schaaf, WM 2008, 1765, 1771; Schaaf, Risikomanagement, S. 184. Vgl. auch Begr. RegE 9. VAG-Novelle, BT-Drucks. 16/6518, S. 17: „Es werden aber gemeinhin auch unter dem Begriff Risikomanagement in einem allgemeineren Sinne Prüfungs- und Compliance-Funktionen verstanden, die eng mit der Wahrnehmung operativer Aufgaben verknüpft sind. Diese können zusammen mit den entsprechenden Aufgaben ausgegliedert werden.“ 412 MaRisk (BA) AT 9.8; § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG, MaRisk (VA) 7.4.4. Dazu Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 929 ff.; Kießling/Kießling, WM 2003, 513, 518 f. 413 Rundschreiben 11/2001 der BaKred vom 06. 12.2001, Rn. 19; Rundschreiben 18/2005 der BaFin, BT. 2.4.2. 414 Auch wenn CESR bei der Umsetzung der MiFID dies eigentlich ablehnte, s. Spindler, WM 2008, 905, 913 m.w.N. Vgl. aber mittlerweile Erwägungsgrund 18 der DurchführungsRiLi 2006/73/EG.
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gleichwertige Erbringung der Revisorenleistung sichergestellt sein und ein interner Revisionbeauftragter im Institut verbleiben.415 Nichts anderes kann im ComplianceBereich gelten.416 Auch für den Chief Risk Officer wird man künftig Ähnliches annehmen müssen.417 Bei der Auslagerung dieser Bereiche sollte der Vorstand bedenken, dass alle drei Funktionen zur Überwachung der anderen Unternehmensbereiche berechtigt und verpflichtet sind und den externen Dienstleistern daher weitgehende Informations-, Zugangs- und Kontrollrechte zum Unternehmensinnenleben eingeräumt werden müssen.418 d) Bereiche unterhalb der Wesentlichkeitsschwelle Die Auslagerung von Unternehmensaufgaben unterhalb der Wesentlichkeitsschwelle ist im Rahmen von § 25b KWG bzw. § 64a Abs. 4 VAG nicht relevant. Ihre Angemessenheit richtet sich allein nach den allgemeinen Vorgaben einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation (§§ 25a Abs. 1 KWG, 64a Abs. 1 VAG).419 Die Geschäftsleiter haben den externen Dienstleister daher sorgfältig auszuwählen, einzuweisen und zu überwachen.420 4. Voraussetzungen einer wirksamen Auslagerung421 a) Auswahl, Einweisung und kontinuierliche Überwachung des Dienstleisters Zunächst einmal stellt das Gesetz – getreu seinem prinzipienbasierten Ansatz – nur sehr allgemeine Anforderungen auf. Gemäß § 25b Abs. 1 S. 1 KWG sind angemessene Vorkehrungen für die Auslagerung zu treffen; gemäß § 25b Abs. 1 S. 2 KWG darf weder die Ordnungsmäßigkeit der Geschäfte noch die Geschäftsorga-
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MaRisk (BA) BT 2.1.3; MaRisk (VA) 7.4.4. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the Compliance function in banks, Principle 10: „Specific tasks of the compliance function may be outsourced, but they must remain subject to appropriate oversight by the head of compliance.“ Dazu Auerbach/Jost, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb CG von Banken, S. 651, 664; Spindler, WM 2008, 905, 912 f. Vgl. auch MaComp, BT 1.3.4.3 und 1.3.4.5. 417 Dazu bereits 2009 im Zusammenhang mit der Auslagerung des Verbriefungsgeschäfts der IKB OLG Düsseldorf, ZIP 2010, 28, 33 (IKB): „Zudem sei versäumt worden, die Stelle eines Chief Risk Officers, wie geplant und geboten, einzurichten.“ 418 MaComp BT 1.3.4.3 S. 3. Dazu auch Spindler, WM 2008, 905, 913. 419 MaRisk (BA) AT 9.3; umfassend Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 387 ff. 420 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks, 16/4028, S. 96. 421 Umfassend Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 310 ff. 416
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nisation durch sie beeinträchtigt werden.422 Hierhinter verbirgt sich die Pflicht zur ordnungsgemäßen Auswahl, Einweisung und Überwachung des Auslagerungsunternehmens.423 Dafür sind Methoden festzulegen, um die Leistung des Auslagerungsunternehmens kontinuierlich bewerten zu können.424 Notwendig ist zudem ein angemessenes Exit Management, d. h. das Institut hat „Vorkehrungen zu treffen, um die Kontinuität und Qualität der ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse auch nach Beendigung zu gewährleisten.“425 Im Endeffekt muss also sichergestellt werden, dass die Leistungserbringung durch den Drittanbieter denselben Anforderungen genügt, denen auch das Institut bei eigener Durchführung entsprechen müsste.426 Wie weit die organisatorischen Vorkehrungen reichen müssen, um diese Qualitätssicherung sicherzustellen, hängt wiederum von „Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt“ der ausgelagerten Tätigkeit ab. Je wichtiger der ausgelagerte Bereich, umso intensiver muss die Auslagerung durch angemessene Vorkehrungen eingerahmt werden.427 b) Die Auslagerungsvereinbarung Zentrale Bedeutung kommt dem Auslagerungsvertrag zu. Gemäß § 25b Abs. 3 S. 3 KWG bedarf die Auslagerung einer schriftlichen Vereinbarung, die die Rechte des Instituts und die Pflichten des Auslagerungsunternehmens festschreibt.428 Das 422 Joint Forum, Outsourcing in Financial Services, Principle 3: „The regulated entity should ensure that outsourcing arrangements neither diminish its ability to fulfil its obligations to customers and regulators, nor impede effective supervision by regulators.“ 423 Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 314 ff. s. auch Art. 14 Abs. 2 der DurchführungsRiLi 2006/73/EG; Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Core Principles on Effective Banking Supervision, 2012, Principle 25, Nr. 8 a), c), d); MaComp BT 1.3.4.3 und 1.3.4.5. 424 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks, 16/4028, S. 96: „Zu den angemessenen Vorkehrungen gehören demnach auch Maßnahmen zur sorgfältigen Auswahl des Auslagerungsunternehmens, zur Überwachung der Ausführung der Dienstleistung, zur Festlegung von Methoden zur Bewertung der Leistung des Auslagerungsunternehmens, zum Datenschutz sowie eine Ausweichplanung.“ MaComp BT 1.3.4.3 und 1.3.4.5; MaRisk (BA) AT 9.7; MaRisk (VA) 8.3. 425 MaRisk (BA) AT 9.5; MaRisk (VA) 8.3. S. 5. Zur Notwendigkeit des „contingency planning“ auch Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Core Principles on Effective Banking Supervision, 2012, Principle 25, Nr. 8 e); Joint Forum, Outsourcing in Financial Services, Principle 6. 426 Ferstl, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 1033, 1047. 427 Zum Proportionalitätsgrundsatz Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 894. 428 Ebenso Baseler Auschuss für Bankenaufsicht, Core Principles for Effective Banking Supervision, 2012, Principle 25 Nr. 8: „Outsourcing policies and processes require the bank to have comprehensive contracts and/or service level agreements with a clear allocation of responsibilities between the outsourcing provider and the bank.“; Joint Forum, Outsourcing in Financial Services, Principle 5. Dazu Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 913 ff. Eine Sonderregel über das Entgelt enthält zudem § 53d VAG für die Auslagerung an verbundene Nicht-Versicherungsunternehmen.
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Gesetz spricht in erster Linie von Weisungs-429 und Kündigungsrechten des Instituts;430 die MaRisk konkretisiert den Mindestinhalt dieser Vereinbarung darüber hinaus – mit Blick auf die Vorgaben der MiFID431 – wie folgt: die vom Auslagerungsunternehmen zu erbringende Leistung sei trennscharf abzugrenzen, die Informations- und Prüfungsrechte der Internen Revision sowie externer Prüfer seien festzulegen,432 der Datenschutz müsse gewahrt sowie Vorkehrungen für weitere Subauslagerungen getroffen werden. Das Auslagerungsunternehmen müsse zur rechtzeitigen Information verpflichtet werden, sollte die ordnungsgemäße Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben in Gefahr sein.433 Diese Anforderungen – zusammen mit der allgemeinen Pflicht des Instituts zur ordnungsgemäßen Auswahl und Überwachung des Auslagerungsunternehmens – zeigen bereits, dass die Finanzinstitute trotz Auslagerung weiterhin ein nicht unerhebliches „Rest Know-How“ innerhalb ihres Unternehmens vorhalten müssen, um ihre Rechte aus dem Auslagerungsvertrag überhaupt hinreichend wahrnehmen zu können. c) Sicherung der Eingriffsrechte der Aufsichtsbehörde Von besonderer Bedeutung ist zudem die Pflicht, die Auskunfts-, Prüfungs- und Kontrollrechte der Aufsichtsbehörde in der Auslagerungsvereinbarung sicherzustellen.434 So soll verhindert werden, dass riskante Geschäfte durch Auslagerung in ein nicht-reguliertes Unternehmen dem Zugriff der Aufsicht entzogen werden. Um dieses wichtige Ziel abzusichern, gibt der Gesetzgeber der Behörde sicherheitshalber noch zusätzliche Eingriffsbefugnisse an die Hand: So hat die BaFin gemäß § 25b Abs. 4 KWG eine Anordnungsbefugnis, um Beeinträchtigungen ihrer Prüfungs- und Kontrollrechte zu beseitigen. Gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 KWG kann sie Sonderprüfungen beim Auslagerungsunternehmen vornehmen. Noch weiter geht § 81 Abs. 4 S. 1 lit. a) VAG und statuiert eine umfassende Anordnungsbefugnis gegenüber dem Auslagerungsunternehmen.435 All diese Sicherungen erweisen sich indes als unzureichend, wenn die Funktionsauslagerung ins Ausland erfolgt.436 Inwiefern dieser Umstand auf die Wirksamkeit des Auslagerungsvertrags zurückwirken kann, ist bisher noch nicht geklärt. Für besonders sensible Bereiche findet sich daher im Aufsichtsrecht auch weiterhin eine präventive Anzeige- und Genehmigungspflicht, 429
Zu den gesellschaftsrechtlichen Problemen eines Weisungsrechts Mülbert, in: Bankrechtstag 2000, S. 3, 25 ff. 430 Anders § 64a Abs. 4 S. 2 Hs. 1 VAG: „Auskunfts- und Weisungsbefugnisse“. Weiter Präve, in: Prölss, VAG § 5 Rn. 90: „umfassende Weisungs- und Kontrollrechte“. 431 Art. 14 Abs. 2 der DurchführungsRiLi 2006/73/EG. 432 Zur Wahrung der Rechte externer Prüfer bereits § 25b Abs. 3 S. 2 KWG. 433 MaRisk (BA) AT 9.6; MaRisk (VA) 8.2. 434 §§ 25b Abs. 3 S. 1 und 3 KWG, 64a Abs. 4 S. 1 VAG a.E. Umfassend Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 350 ff. 435 § 83 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 1 Nr. 2 VAG. 436 Dazu Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 376 ff.
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durch die die Behörde schon im Vorhinein die Möglichkeit erhält, auf die Ausgestaltung der Auslagerungsvereinbarung einzuwirken.437 d) Erweitertes Risikomanagement Die „Risikorelevanz“438 des Outsourcings erfordert zudem gewisse Modifikationen des unternehmensinternen Risikomanagements.439 So müssen gemäß §§ 25b Abs. 1 S. 4 KWG, 64a Abs. 4 S. 2 Hs. 2 VAG zunächst die ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse so in das Risikomanagementsystem integriert sein, als würden sie weiterhin im eigenen Unternehmen wahrgenommen werden.440 Zusätzlich müssen die Risiken, die sich aus dem Vorgang des Outsourcings an sich ergeben, in das Gesamtrisikoprofil der Gesellschaft mit einbezogen und in der Risikostrategie berücksichtigt werden.441 Das entspricht dem Verständnis des Basler Ausschusses, der Outsourcing primär als Quelle operationeller Risiken versteht.442 Auch hier zeigt sich, dass es zum „Metamanagement“ der Outsourcing-Risiken unumgänglich ist, weiterhin einen gewissen Grad an Know-How und Ressourcen im Unternehmen vorzuhalten. e) Verantwortung der Geschäftsleiter Zuletzt stellt das Gesetz deutlich heraus, dass auch ein wirksames Outsourcing die Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung unberührt lässt (§ 25b Abs. 2 KWG).443 Eine umfassende Abwälzung der ihnen auferlegten Verantwortung auf das Ausla437
Z. B. § 9 Abs. 3 S. 2, 3 GwG bei der Auslagerung des Geldwäschebeauftragten; § 13 Abs. 1a VAG bei Auslagerungen durch eine Krankenversicherung. Grundsätzlich müssen Auslagerungen im Bankensektor aber seit dem FRUG nicht mehr angezeigt werden (vorher § 25a Abs. 2 S. 3 KWG a.F.). Im Versicherungssektor besteht allerdings weiterhin eine Genehmigungspflicht gem. § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG bei der Erstzulassung, s. Präve, in: Prölss, VAG § 5 Rn. 76. Durch Art. 49 Abs. 3 Solvency II wird diese durch eine umfassende Anzeigepflicht für alle Auslagerungen „kritischer oder wichtiger Funktionen oder Tätigkeiten“ ersetzt. 438 So auch Ferstl, in: Grieser/Heemann, Bankaufsichtsrecht, S. 1033, 1035. 439 Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 329 ff. 440 Das gilt insbesondere wenn Teile des Risikomanagements selbst ausgelagert worden sind, s. Dreher/Schaaf, WM 2008, 1765, 1771. 441 MaRisk (BA) AT 9.7; MaRisk (VA) 8.3; Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/SchulteMattler, KWG, § 25a Rn. 904 ff. 442 In den aktuellen Core Principles for effective Banking Supervision (2012) findet sich das Outsourcing unter Principle 25: Operational Risk, Nr. 8. Dazu auch Joint Forum, Outsourcing in Financial Services, S. 2: „Outsourcing has been identified in various industry and regulatory reports as raising issues related to risk transfer and management […].“ Auch die Solvency IIRichtlinie betont in Art. 49 Abs. 2, die „übermäßige Steigerung des operationellen Risikos“ durch Outsourcing müsse verhindert werden (2009/138/EG). 443 MaRisk (BA) AT 9.4 S. 2; MaRisk (VA) Nr. 8.1; Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Compliance and the compliance function in banks, Nr. 50; Joint Forum, Outsourcing in Financial Services, Principle 1.
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gerungsunternehmen ist also auch im Bereich grundsätzlich delegierbarer Pflichten nicht möglich. Ihr Pflichteninhalt ändert sich jedoch von einer Erfüllungs- hin zu einer Auswahl-, Einweisungs- und Überwachungsverantwortung.444
III. Aktienrecht Das Aktienrecht adressiert Fragen der Funktionsauslagerung nicht ausdrücklich.445 Man ist daher sogleich geneigt, das Outsourcing bestimmter Unternehmensbestandteile dem uneingeschränkten Ermessen des Vorstands zu überantworten. Jedoch hat sich in den letzten Jahren auch im Aktienrecht ein Problembewusstsein für diesen Fragenkreis und damit eine differenzierte Herangehensweise entwickelt. Die Dogmatik geht von der durch das Gesetz vorgenommenen Zuständigkeitsordnung und dem Begriff der „Unternehmensleitung“ aus. Hieran lassen sich Möglichkeiten und Grenzen einer Funktionsauslagerung in der Aktiengesellschaft abmessen. Bezüglich des „wie“ der Auslagerung finden sich jedoch nur vergleichsweise wenige Ausführungen. 1. Möglichkeiten und Grenzen der Auslagerung a) Grenzen durch Gesetz und Satzung Zunächst einmal zieht die gesetzliche Zuständigkeitsordnung dem Auslagerungsbestreben des Vorstands gewisse Grenzen (§ 23 Abs. 5 AktG), denn dieser hat bei grundlegenden Strukturänderungen des Unternehmens stets die Zustimmung der Hauptversammlung mit einzuholen. Je nachdem wie die Ausgliederung rechtlich vollzogen wird, leitet sich diese Hauptversammlungskompetenz aus unterschiedlichen Quellen her. Das Umwandlungsgesetz sieht sie für Fälle der Ausgliederung und Spaltung ebenso explizit vor446 wie § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG für den Fall des Betriebsüberlassungsvertrags. Dasselbe gilt gemäß § 179a AktG. Zudem hat die Rechtsprechung in den Fällen „Holzmüller“447 und „Gelatine“448 mit Blick auf diese
444 Zur Delegierbarkeit nicht delegierbarer Pflichten allgemein Dreher, in: FS Hopt, Bd. I, S. 517 ff. 445 Zur Definition der Auslagerung s. Hüffer, in: Liber Amicorum Happ, S. 93, 105: „[D]ie Übertragung von Aufgaben oder Zuständigkeiten auf rechtlich und wirtschaftlich oder zumindest rechtlich selbständige Funtkionsträger“. 446 §§ 125, 13, 65 UmwG. Dasselbe gilt für die Vermögensübertragung gem. § 176 UmwG. 447 BGHZ 83, 122. Eine zeitgenössische Bewertung findet sich bei Hübner, in: FS Stimpel, S. 791 ff., der das Urteil zwar begrüßt, aber mit einem vergleichenden Blick auf das Aufsichtsrecht sowie die Rechtslage in ausländischen Rechtsordnungen eine verbindliche Regelung durch den Gesetzgeber befürwortet. 448 BGHZ 159, 30 (Gelatine I); ZIP 2004, 1001 (Gelatine II).
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
Normen449 eine zusätzliche, ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit in den Fällen der Ausgliederung eines wesentlichen Unternehmensteils aus der Taufe gehoben.450 Die Quintessenz dieser Urteile lautet: Soll ein weit überwiegender Teil der unternehmerischen Aktivität aus der Gesellschaft ausgegliedert werden, so ist die Zustimmung der Aktionäre erforderlich. An diesen Grenzen endet also das Ausgliederungsermessen des Vorstands. Eine weitere Grenze wird dem Vorstand durch den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand gezogen (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG).451 Dieser gibt vor, unter Einsatz welcher Mittel der Gesellschaftszweck verfolgt werden soll452 und beschränkt so gleichzeitig die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands.453 Eine Unterschreitung des Unternehmensgegenstandes durch Auslagerung aller zu seiner Erfüllung notwendiger Betriebsbestandteile stellt daher ebenfalls eine Pflichtverletzung dar.454 b) Leitungsaufgaben Nicht delegierbar sind zudem die dem Vorstand originär zugewiesenen Leitungsaufgaben. Denn würden diese an Dritte übertragen, so würde der Vorstand sich seiner eigentlichen Funktion entäußern.455 Zu diesem organgebundenen Aufgabenbereich gehören alle Entscheidungen zur Unternehmensplanung, -organisation und Unternehmenskontrolle sowie die Besetzung von Führungsstellen.456 Außerdem auch alle jene Pflichten, die dem Vorstand explizit durch das Gesetz auferlegt werden, wie zum Beispiel die Berichtspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat (§ 90 AktG), die Pflicht zur Buchführung (§ 91 Abs. 1 AktG) und zur Einrichtung eines
449 BGHZ 159, 30, 43 verneint jedoch Gesamtanalogie, sondern spricht von einem „Ergebnis offener Rechtsfortbildung“; davor hatte der BGH noch eine Zuständigkeit auf Basis des § 119 Abs. 2 AktG befürwortet (BGHZ 83, 122, 131). 450 Wann eine solche „wesentliche“ Auslagerung, die an die Kernkompetenz der Hauptversammlung rührt, vorliegt, ist weiterhin nicht eindeutig geklärt; in erster Linie wird man sich hierfür am Holzmüller Urteil orientieren müssen. Dort war hervorgehoben worden, dass es sich um den „wertvollsten Betriebszweig“ des Unternehmens gehandelt hatte (BGHZ 83, 122, 131 f.). Dazu auch Raiser/Veil, KapGesR, § 16 Rn. 10 ff. 451 Dazu auch Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 86 ff. 452 So die hM, vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 23 Rn. 22; Pentz, MünchKomm AktG, § 23 Rn. 71 jeweils m.w.N. 453 Vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 23 Rn. 21; Pentz, MünchKomm AktG, § 23 Rn. 78. 454 Mülbert, in: Bankrechtstag 2000, S. 3, 18 f. 455 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 23; ebenso Kort, in: GroßKomm AktG, § 76 Rn. 50; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 18. Dazu schon LG Darmstadt, ZIP 1986, 1389, 1391: „[D] die Sorgfaltspflicht des Vorstandes als Organ [umfasst] auch die Pflicht, die sich daraus ergebenden Funktionen wahrzunehmen […].“ 456 Hüffer, in: Liber Amicorum Happ, S. 93, 200; Mülbert, in: Bankrechtstag 2000, S. 3, 11 f. Zu diesen „Führungsfunktionen“ auch Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 16 ff.
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Risikofrüherkennungssystems (§ 91 Abs. 2 AktG).457 Sie bilden den unveräußerlichen Kern der Leitungspflicht. Stets möglich bleibt es aber, diese Leitungsentscheidungen durch Dritte vorbereiten und auch ausführen zu lassen;458 insofern ist eine Delegation also unproblematisch möglich.459 c) Sonstige Aufgaben, insb. Geschäftsführung Von den vorgenannten Beschränkungen abgesehen,460 ist dem Vorstand eine Aufgabendelegation jederzeit möglich. Das betrifft insbesondere Aufgaben aus dem Bereich der Geschäftsführung.461 Da es sich bei jeder Auslagerung um eine unternehmerische Entscheidung handelt, findet die Business Judgment Rule Anwendung. Entscheidet der Vorstand also auf angemessener Informationsgrundlage und ohne eigene Sonderinteressen, so kann er für eine Outsourcing-Maßnahme nicht in Haftung genommen werden. Eine angemessene Informationsgrundlage ist dann anzunehmen, wenn Chancen und Risiken der Auslagerung umfassend ermittelt und hinreichend abgewogen worden sind.462 2. Rechtliche Behandlung a) Allgemeine Anforderungen Ist die Zulässigkeit des Outsourcings geklärt, gilt es weiter die rechtlichen Anforderungen an den Outsourcing-Vorgang zu bestimmen. Zur Konturierung des Pflichteninhalts lassen sich Parallelen zur unternehmensinternen Aufgabenübertragung an nachgeordnete Mitarbeiter ziehen. Hier gilt – in Anlehnung an den 457 Zu Leitungsaufgaben kraft gesetzlicher Anordnung auch Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; Hüffer, in: Liber Amicorum Happ, S. 93, 99 f. 458 Zur Vorbereitung von Entscheidungen schon LG Darmstadt, ZIP 1986, 1389, 1392: „[E]s [handelt] sich hierbei um eine typische Erscheinung innerhalb eines technisch und verwaltungsmäßig hoch differenzierten Produktionsbetriebes, in dem der einzelne Entscheidungsträger nicht in der Lage ist, alle für eine Entscheidung notwendigen Daten selbst zu sammeln und auszuwerten. In beiden Bereichen ist er deshalb auf das Wissen und Können von Spezialisten und Spezialabteilungen angewiesen, die aufgrund ihrer Vorkenntnisse und technischen Ausstattungen in der Lage sind, verschiedene Lösungen für zu treffende Entscheidungen durchzuspielen und vorzubereiten.“ 459 Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 102 f.; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; Hüffer, in: Liber Amicorum Happ, S. 93, 105; Mülbert, in: Bankrechtstag 2000, S. 3, 15; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 24; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 18. 460 Andere Abgrenzung Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 8: „von den konkreten Umständen abhängende Einzelfallentscheidung“. 461 LG Darmstadt, ZIP 1986, 1389 (Ausgliederung der EDV) mit Besprechung von Stein, ZGR 1988, 163. 462 Vgl. Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 115; Mülbert, in: Bankrechtstag 2000, S. 3, 23.
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Rechtsgedanken aus § 831 BGB – eine Pflichtentrias,463 die die ordnungsgemäße Auswahl, Einweisung und Überwachung der Mitarbeiter fordert.464 Auch das Auslagerungsunternehmen muss daher sorgfältig ausgewählt sein und insbesondere über die notwendigen personellen und sachlichen Ressourcen verfügen, um der ihm übertragenen Aufgabe gerecht zu werden.465 Die Aufgabenerfüllung muss kontinuierlich überwacht und bei Verdachtsmomenten entsprechend eingeschritten werden.466 Hierzu bedarf es allerdings bestimmter Informations- sowie Einwirkungsrechte.467 Innerhalb des Unternehmens wird die Steuerung des Mitarbeiters durch das arbeitsrechtliche Weisungsrecht sowie die Möglichkeit der Kündigung sichergestellt. Vergleichbarer Instrumente bedarf es auch gegenüber dem Auslagerungsunternehmen. Die Gesellschaft muss sich daher in der Auslagerungsvereinbarung entsprechende Weisungsrechte und Kündigungsmöglichkeiten einräumen lassen.468 Keine Einigkeit besteht darüber, ob der Vorstand auch einen Notfallplan zur raschen Rückabwicklung der Auslagerung vorhalten muss.469 In der Sache scheint es aber gerechtfertigt, dem Vorstand die Aufgabe zu einer langfristigen Planung des Auslagerungsvorgangs, inklusive möglicher Eskalationsstrategien, mit aufzugeben. Ohne Exit-Option verlöre auch das vertragliche Kündigungsrecht seine disziplinierende Wirkung gegenüber dem Auslagerungsunternehmen; die Gesellschaft wäre in der Auslagerungsvereinbarung eingeschlossen (lock in).470 Die Schadensabwendungspflicht des Vorstands umfasst daher auch, Pläne für eine störfreie Wiedereinlagerung des Geschäftsbereichs vorzuhalten.471 Der Umfang und die Intensität der hier vorgezeichneten Pflichten hängt maßgeblich von der Bedeutung des ausgelagerten Geschäftsbereichs ab;472 je zentraler der Bereich für die Funktionsfähigkeit des Unternehmens ist, umso enger muss seine Auslagerung geplant und überwacht werden. Die aus dem Outsourcing entstehenden 463
So ausdrücklich Dreher, in: FS Hopt Bd. I, S. 517, 536. Dazu Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 114 ff.; Fleischer, ZIP 2003, 1, 9; ders., AG 2003, 291, 292 ff.; U. H. Schneider/Brouwer, in: FS Priester, S. 713, 720 f. 465 Zur internen Delegation Goette, ZHR 175 (2011), 388, 395: es käme „vornehmlich darauf an, kompetente, loyale und unabhängig handelnde Personen zu betrauen“. 466 So auch Dreher, in: FS Hopt Bd. I, S. 517, 537 f.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 24. Zu den Folgen der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten durch das Auslagerungsunternehmen s. U. H. Schneider/Brouwer, in: FS Priester, S. 713, 722 ff. 467 Dreher, in: FS Hopt Bd. I, S. 517, 530. 468 Dreher, in: FS Hopt Bd. I, S. 517, 530; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 66; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 18. Zu den konzernrechtlichen Implikationen einer solchen Gestaltung s. Mülbert, in: Bankrechtstag 2000, S. 3, 26 ff. 469 Dagegen Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 115; Mülbert, Bankrechtstag, S. 3, 24. 470 Zum „Lock-In“ Phänomen Richter/Furubotn, Neue Instititutionenökonomik, S. 579 f. 471 So auch Stein, ZGR 1988, 163, 171 (für die Auslagerung der EDV). 472 Dreher, in: FS Hopt Bd. I, S. 517, 530. 464
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Risiken sind – sollten sie sich zu „bestandsgefährdenden Entwicklungen“ verdichten – in das Früherkennungssystem gemäß § 91 Abs. 2 AktG mit aufzunehmen.473 Auch im Aktienrecht gilt also, dass zur Überwachung des Outsourcing-Vorgangs eine gewisse Restkompetenz in der Gesellschaft verbleiben muss.474 b) Sonderfall: Betriebsführungsvertrag Diese allgemein herausgearbeiteten Grundsätze finden Bestätigung in einem Urteil des BGH aus dem Jahr 1981. In der „Holiday Inn“-Entscheidung hatte das Gericht über einen sog. Betriebsführungsvertrag zu befinden.475 Hierbei wird die Führung des laufenden Geschäfts für eigene Rechnung auf einen Dritten ausgelagert. Es handelt sich also um eine sehr weitgehende Auslagerung von Führungsentscheidungen auf einen externen Dritten. Das Gericht hat sie nichtsdestotrotz für wirksam erachtet und dies mit einer detaillierten Analyse des Auslagerungsvertrages begründet. Dazu führt es aus: „Der Vertrag legt […] ausdrücklich den Maßstab und die Richtlinien fest, nach denen die Geschäftsführung zu erfolgen hat, und steckt insoweit klare Grenzen; dabei sind Inhalt und Umfang der zulässigen Geschäftsführungsmaßnahmen am Interesse der Beklagten ausgerichtet. Maßnahmen, die über den Bereich der so umschriebenen Geschäftsführungsaufgaben hinausgehen, haben zu unterbleiben, sofern sie nicht ohnehin an die Zustimmung der Beklagten gebunden sind […]. Außerdem hat die Beklagte umfassende Informations-, Einsichts- und Kontrollbefugnisse sowie Eingriffs- und Gestaltungsrechte, um die Einhaltung der vertraglich festgelegten Geschäftsführungsaufgaben erreichen oder aber das Vertragsverhältnis beenden zu können.“476
Hier finden sich die bereits genannten Erwägungen weitgehend wieder. Dem Auslagerungsvertrag und der Sicherung der entsprechenden Informations- und Einwirkungsrechte kommt daher auch unter gesellschaftsrechtlichem Blickwinkel ganz erhebliche Bedeutung zu.
IV. Ausstrahlungswirkung? 1. Gegenüberstellung der aufsichts- und aktienrechtlichen Vorgaben Im Bereich des Outsourcing zeigen sich erstaunliche Parallelen zwischen den Vorgaben des Aufsichts- und des Aktienrechts. Bemerkenswert ist insbesondere die gemeinsame Unterteilung der unternehmensinternen Aufgabenbereiche in unabdingbare Leitungsaufgaben und wesentliche bzw. sonstige Aufgaben. Zwar findet 473
Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 127. So auch im Ergebnis Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 116. 475 Das Urteil spricht jedoch allein für Personengesellschaften und speziell zum Grundsatz der Selbstorganschaft Recht. Es kann daher nicht schematisch auf Kapitalgesellschaften übertragen werden. Dazu Mertens/Cahn, in: KölnKomm § 76 Rn. 57. 476 BGH ZIP 1982, 578, 581. 474
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sich diese letztere Unterscheidung nicht ausdrücklich im Aktienrecht wieder, sie findet jedoch dort ihren Niederschlag, wo eine abgestufte Pflichtenintensität je nach Bedeutung des ausgegliederten Geschäftsbereichs gefordert wird.477 Übereinstimmung besteht weiter dahingehend, dass eine Auslagerung bestimmter Aufgaben nie zu einer Verantwortungsverschiebung, sondern allein zu einem Wandel im Pflichteninhalt führt.478 Aus der Erfüllungs- wird eine Auswahl- und Überwachungsverantwortung. Bezüglich der konkreten Details der Auslagerung, insbesondere den Anforderungen an den Auslagerungsvertrag, schweigt sich das Aktienrecht allerdings aus; das Aufsichtsrecht macht wesentliche detailliertere Vorgaben.479 Es stellt sich daher erneut die Frage, ob die Normen des Aufsichtsrechts zur Konkretisierung der aktienrechtlichen Vorgaben aus §§ 76, 93 AktG herangezogen werden können. 2. Einheitlichkeit im Aufsichtsrecht? Bevor der Gedanke einer Ausstrahlungswirkung weiter verfolgt werden kann, muss jedoch erst einmal das aufsichtsrechtliche Normenmaterial auf seine Einheitlichkeit geprüft werden. Dass dem Outsourcing grundsätzlich in allen drei Sektoren dieselben Überlegungen zu Grunde liegen, zeigt schon die Veröffentlichung einer gemeinsamen Stellungnahme von IAIS, IOSCO und Baseler Ausschuss im sog. Joint Forum von 2005.480 Aufgrund der frühzeitigen Rechtsentwicklung im deutschen Versicherungsaufsichtsrecht zeigen sich allerdings noch an vielerlei Stellen nicht unerhebliche Abweichungen vom Recht der Banken. Zwar ist mit § 64a Abs. 4 VAG eine bewusst an den § 25b KWG angelehnte Schwestervorschrift in das VAG aufgenommen worden. Vereinzelte Vorgaben, insbesondere die Legaldefinition in § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG, sind jedoch noch sichtlich im Jahr 1983 verankert. So steht die darin enthaltene Aufzählung auslagerungsfähiger Bereiche im krassen Gegensatz zur europäisch geprägten Ausgliederungsterminologie im Bankaufsichtsrecht, wo stets von „wesentlichen“ Aktivitäten und Prozessen die Rede ist. Ähnliche Differenzen zeigen sich bei der Reichweite der Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörde gegenüber dem Auslagerungsunternehmen. Mit der endgültigen Umsetzung von Solvency II werden diese Unstimmigkeiten aber weitgehend angeglichen.
477
Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 66, der zwischen bloßen „Hilfsfunktionen“ (Gebäudereinigung, Sicherungsdienste) und „unternehmenswesentlichen Teilbereichen“ unterscheidet. 478 So ausdrücklich U. H. Schneider/Brouwer, in: FS Priester, S. 713, 720 f.; ebenso Hüffer, in: Liber Amicorum Happ, S. 93, 105. 479 Mülbert, in: Bankrechtstag 2000, S. 3, 39: „[D]ie allgemeinen gesellschafts- und konzernrechtlichen Anforderungen an ein rechtmäßiges Outsourcing auf Seiten der auslagernden Gesellschaft [sind] erheblich geringer als die besonderen Anforderungen der § 25a Abs. 2 KWG [a.F.] und § 33 Abs. 2 WpHG für das Outsourcing durch ein Finanzinstitut.“ 480 Joint Forum, Outsourcing in Financial Services, 2005. Zu den Hintergründen s. Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 157 ff.
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Aber auch für Banken und Wertpapierdienstleister findet man mit § 25b KWG und § 33 Abs. 2 WpHG keine deckungsgleichen Regelungen vor. Zwar verweist das WpHG zunächst auf die Anforderungen des KWG (§ 33 Abs. 2 S. 1 WpHG), fordert aber zusätzlich auch eine besondere Sicherung der Anlegerinteressen (§ 33 Abs. 2 S. 2 WpHG).481 Vergleichbare Anforderungen zum Schutz der Einleger finden sich im Bankaufsichtsrecht nicht. Das WpHG setzt also grundsätzlich auf dem KWG auf, geht dann aber mit seinen Anforderungen noch darüber hinaus.482 Hierbei handelt es sich um schutzzweckgetriebene Sonderregeln des Wertpapiersektors, die über ihren Anwendungsbereich hinaus keinerlei Geltung beanspruchen können.483 Das Hauptaugenmerk muss bei der Untersuchung einer Ausstrahlungswirkung daher auf § 25b KWG und seinen verallgemeinerungsfähigen Facetten liegen. 3. Sinn und Zweck von Funktionsauslagerungen Finden sich in § 25b KWG aber überhaupt Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf „allgemeine Grundsätze des Outsourcings“ zulassen würden? Hierfür soll die Natur des Outsourcings, seine Chancen ebenso wie seine Risiken, etwas eingehender beleuchtet werden.484 a) Outsourcing als industrieübergreifendes Phänomen Am Ausgangspunkt steht dabei der rechtstatsächliche Befund, dass Outsourcing längst ein industrieübergreifendes Phänomen ist. Es entstammt ursprünglich gar nicht dem Finanzsektor, sondern wurde v. a. durch Unternehmen der Automobil- und Textilindustrie eingeführt.485 Die Auslagerung auf einen spezialisierten Zulieferer kann erhebliche Kosten sparen und setzt so Ressourcen für die Kernbereiche der Unternehmenstätigkeit frei. Betriebswirtschaftlich läuft dies unter dem Schlagwort „make or buy“.486 Diese Vorteile hat seit den neunziger Jahren auch die Finanzindustrie für sich entdeckt und in zunehmendem Maße auf verschiedenste Geschäftsfelder übertragen. Ausgelagert werden seither nicht nur Randbereiche wie die 481 Weitere Anforderungen ergeben sich zudem aus § 33 Abs. 2 S. 3 WpHG. Dazu auch Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 165 ff. 482 Diese zusätzlichen Vorgaben sind indes nicht sonderlich weitreichend, s. Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 33 Rn. 51; Fuchs, WpHG, § 33 Rn. 176 f. Besonders hervorgehoben werden sie nur selten, s. z. B. Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 33 Rn. 89, bei dem sie nur peripher Erwähnung finden, ebenso Klanten, FS Schwark, 487, 491. 483 So auch schon Vierter Teil, A. IV. 3. c), S. 210. 484 Zu den „Key Risks of Outsourcing“ auch Joint Forum, Outsourcing in Financial Services, S. 11 f.; zu Chancen und Risiken Präve, in: Prölss, VAG § 5 Rn. 75. 485 Zur Entwicklung Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 40 f. 486 Mülbert, in: Bankrechtstag 2000, S. 3, 6: „Funktional gesehen liegt im Outsourcing also eine nachträgliche ,make or buy‘-Entscheidung über die Grenzen der Unternehmung; durch das Outsourcing reduziert das Unternehmen, produktionstechnisch gesprochen, seine Fertigungstiefe.“
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
Kantine oder der Wachdienst, sondern auch für die Institutsgesundheit zentrale Bereiche wie zum Beispiel die Kreditvergabe. b) Gleiche Chancen – unterschiedliche Risiken? aa) Sensibilität des Finanzgeschäfts Eine verschärfte Risikoexposition könnte sich aus den verschiedenen Geschäftsbereichen von Industrie- und Finanzunternehmen ergeben.487 Anders gewendet: Ist es riskanter „wesentliche“ Bankgeschäfte outzusourcen als die Zulieferung von Autoteilen? Banken und Versicherungen bieten immaterielle, abstrakte Dienstleistungen an, von denen einige für ihre Kunden schwer zu durchschauen sind. Häufig ist daher zusätzlich eine umfangreiche Informations- und Beratungsleistung notwendig. Im Zuge dieser Beratung erhält das Institut Zugang zu sensiblen persönlichen Daten ihrer Kunden, die daher besonders an der Sicherstellung ihrer Rechte interessiert sind.488 Wird zur Abwicklung solcher Geschäftsvorfälle nun ein externer Dritter eingeschaltet, könnte dies rasch zu einem Vertrauensverlust und damit zu einem erheblichen Kundenschwund führen. Fraglich ist jedoch, ob ähnliche Gefahren nicht auch im Industriesektor existieren. So könnte bei Kunden eines Telekommunikationsanbieters Sorge über das Abhören privater Unterhaltung489 oder die Vorratsdatenspeicherung490 bestehen. Letztendlich handelt es sich bei all diesen Bedenken nicht um Fragen des Aufsichts- oder Aktienrechts, sondern um Fragen des Datenschutzes. Diese werden durch das BDSG einheitlich für Unternehmen aller Sektoren geregelt (§ 1 Abs. 2 BDSG). Eine besondere Strenge des § 25b KWG aufgrund erhöhter Datenschutzbelange in Finanzinstituten lässt sich daher nicht feststellen. Das zeigt auch ein systematischer Abgleich mit § 33 Abs. 2 S. 2 WpHG. Dort wurde die besondere Schutzbedürftigkeit der Anleger ausdrücklich unterstrichen und mit strengeren Anforderungen an das Outsourcing in Wertpapierdienstleistungsunternehmen versehen. Hieraus folgt e contrario, dass solcherlei anlegerschützende Belange in die §§ 25b KWG, 64a Abs. 4 VAG nicht eingegangen sind. Zuletzt sei erwähnt, dass die Outsourcing Regeln des Aufsichtsrechts unabhängig von der Art des ausgelagerten Geschäftsbereichs greifen, also gerade nicht nur für die Auslagerung spezifischer Bankdienstleistungen, sondern auch anderer wesentlicher organisationsrechtlicher Bestandteile wie zum Beispiel dem Risikomanagement und der Compliance gelten. Die Auslagerung solcher organisatorischer Stellen ist in Finanz- wie auch Industrieunternehmen gleich sensibel. Die besondere Sensibilität
487
Zu den Besonderheiten von Bankdienstleistungen auch Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 41 f. 488 Auf die Notwendigkeit eines hinreichenden Datenschutzes weist auch das Joint Forum hin, Outsourcing in Financial Services, Principle 7. 489 Man denke an die „Spitzelaffäre“ um die Deutsche Telekom im Jahr 2005. 490 Zu diesem Problemkreis grundlegend BVerfGE 125, 260 (Vorratsdatenspeicherung).
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des Bankgeschäfts kann daher nicht bereits die Ursache für die weitreichende Regulierung der Auslagerungstätigkeit sein. bb) Systemische Gefahren des Outsourcings im Finanzsektor Womöglich erwächst die Sorge um das Outsourcing im Finanzsektor aber nicht aus den Gefahren, die sich hieraus für das einzelne Institut ergeben, sondern aus den systemischen Gefahren, die durch das Outsourcing desselben „wesentlichen“ Geschäftsbereichs durch mehrere Finanzinstitute an denselben spezialisierten externen Dienstleister entstehen können.491 Eine solche Konzentration auf einen oder einige wenige Dienstleister erscheint nicht unrealistisch, bedenkt man den hohen Spezialisierungsgrad, den bestimmte Tätigkeiten im Finanzsektor erfordern. Man denke in diesem Zusammenhang insbesondere an die internen Kontrollfunktionen wie das Risikomanagement, die Compliance und die interne Revision. Die Komplexität, die die Erfüllung dieser Aufgaben mittlerweile aufgrund der umfassenden gesetzlichen Grundlagen mit sich bringt, prädestiniert diese drei wichtigen Bereiche geradezu zum Outsourcing, jedenfalls in kleinen Instituten. Werden solche Aufgaben von einem spezialisierten Dienstleister übernommen und treten dort Störungen bei der Leistungserbringung auf, so sind hiervon gleich mehrere Institute betroffen und der Boden für systemische Gefahren bereitet.492 Ähnliche Prozesse können sich zwar auch bei der Auslagerung im Industriesektor entwickeln, dort besteht aber kein so weitreichendes staatliches Interesse, die Volkswirtschaft vor Unternehmenskrisen zu schützen. In den systemischen Gefahren des Outsourcings und der Bedeutung ihrer Regulierung liegt also tatsächlich ein signifikanter Unterschied zwischen Finanzund Industrieunternehmen. Dieser Unterschied hat indes – soweit ersichtlich – keinen Eingang in die konkrete Ausgestaltung der §§ 25b KWG, 64a Abs. 4 VAG gefunden. Es handelt sich um Normen aus dem Bereich der Mikroaufsicht, die ausschließlich die Verhältnisse und Risikoexposition einzelner Institute in den Blick nimmt.493 Auch finden sich keine verschärften Anforderungen für den Fall, dass ein Auslagerungsunternehmen ausgewählt wird, das zugleich diverse andere Institute bedient. Mit den systemischen Gefahren des Outsourcings im Finanzsektor lassen sich daher die sektorspezifischen Sonderregeln des Aufsichtsrechts ebenfalls nicht erklären.
491
Vor solchen Gefahren warnt bereits 2005 das Joint Forum, Outsourcing, Principle 9 sowie zuletzt der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Core Principles for Effective Banking Supervision, 2012, Principle 25 a.E: „The supervisor regularly identifies any common points of exposure to operational risk or potential vulnerability (eg outsourcing of key operations by many banks to a common service provider or disruption to outsourcing providers of payment and settlement activities).“ Dazu auch Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 860. 492 Zu den systemischen Gefahren im Banken- und Versicherungssektor Erster Teil C. I. 1. c), S. 51 und C. III. 1. c), S. 72. 493 Zur Unterscheidung von Mikro- und Makroaufsicht schon Fn. 264, S. 62.
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cc) Abhängigkeit vom Auslagerungsunternehmen und „Ansteckungsgefahr“ Vielmehr rückt durch diese Überlegungen ein Risiko in den Blick, das Finanz- und Industrieunternehmen beim Outsourcing gleichermaßen trifft: das Risiko der Abhängigkeit des Auslagernden vom Auslagerungsunternehmen.494 Indem zentrale Arbeitsabläufe, Know-How und Ressourcen an das Auslagerungsunternehmen abgegeben werden, sinkt im eigenen Unternehmen die Fähigkeit, diese Aufgaben gegebenenfalls selbst wieder wahrzunehmen.495 Dieser Effekt potenziert sich, je länger die Auslagerung anhält.496 Der Rückzug aus dem Auslagerungsverhältnis wird für die Gesellschaft dann immer schwieriger; sie ist in der Auslagerungsvereinbarung „eingeschlossen“. Das wird insbesondere dann problematisch, wenn das Auslagerungsunternehmen seine Leistungen nicht mehr ordnungsgemäß erbringen kann. Eine solche Schlechtleistung schlägt unmittelbar auf das auslagernde Unternehmen durch, das ggf. selbst nicht in der Lage ist, diesen Ausfall adäquat aufzufangen oder einen anderen externen Dienstleister beizuziehen.497 Das Aufsichtsrecht fordert daher in § 25b Abs. 1 S. 1 KWG „angemessene Vorkehrungen“, damit die Auslagerung die Ordnungsmäßigkeit der Geschäfte und der Geschäftsorganisation nicht beeinträchtigen kann. Dasselbe muss im Aktienrecht gelten.498 Denn das Risiko der „Ansteckung“ besteht auch in nicht-regulierten Unternehmen, da deren Wertschöpfung durch den Ausfall eines Zulieferers vergleichbar stark beeinträchtigt werden kann.499 Es ist daher die Pflicht eines jeden Vorstands, Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko einer solchen Abhängigkeit vom Auslagerungsunternehmen zu reduzieren.500 Im Aktienrecht folgt dies aus der Pflicht, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden; im Aufsichtsrecht aus der Pflicht, alle „wesentlichen Risiken“ des Instituts zu managen.
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Vgl. Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 60 ff.; Schaaf, Risikomanagement, S. 184. 495 Positiv sieht dies aber Klanten, in: FS Schwark, 2009, S. 487, 488: „Ergebnis des Outsourcings […] ist durch die damit verknüpfte Know-How-Bündelung sogar ein tendenziell erhöhtes Schutzniveau.“ 496 Hofmann, in: Bankrechtstag 2000, S. 41, 43. 497 Vgl. den eingangs genannten IKB Fall, OLG Düsseldorf ZIP 2010, 28. 498 Dort wird die Gefahr der Abhängigkeit vom Auslagerungsunternehmen unter dem Stichwort „Verbandssouveränität“ diskutiert, s. Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 93 ff; Fleischer, ZIP 2003, 1, 9; Mülbert, in: Bankrechtstag 2000, S. 3, 19 ff. 499 Mülbert, in: Bankrechtstag 2000, S. 3, 21: „[S]elbstredend ist dieses Abhängigkeitsrisiko kein spezifisches Problem des Finanzsektors, sondern stellt sich ebenso in anderen Wirtschaftsbereichen.“ 500 So auch Bergmann, Funktionsauslagerung in Kreditinstituten, S. 201: „Zwischen […] § 76 Abs. 1 AktG und […] § 25a Abs. 2 KWG [a.F.] bestehen dahingehend Parallelen, dass beide Anforderungen ein Mindestmaß an Kompetenz zur Sicherung der Unabhängigkeit voraussetzen.“
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4. Schutzzweckdivergenzen Sowohl Aufsichts- als auch Aktienrecht zielen also auf die Eindämmung von Abhängigkeitsrisiken, die durch Auslagerungen entstehen können. Sie tun dies jedoch im Dienste unterschiedlicher Interessengruppen. a) Aktienrecht: Schutz des Unternehmensinteresses So ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der Ausübung seines Organisationsermessens allein auf das Unternehmensinteresse verpflichtet.501 Was genau verlangt aber das Unternehmensinteresse? Um dem auf die Spur zu kommen, muss man sich vor Augen führen, dass auch dem Vorstand die Aufgabe zur Unternehmensführung nur übertragen worden ist. Nach den Grundvorstellungen des Gesellschaftsrechts liegt diese „Unternehmeraufgabe“ grundsätzlich bei den Anteilseignern.502 In der Aktiengesellschaft ist es jedoch der Vorstand, der per Gesetz dazu verpflichtet ist, die Gesellschaft zu leiten und ihre Geschäfte zu führen. Auf seiner Person und seinen Fähigkeiten beruht das Vertrauen der Aktionäre ebenso wie der Arbeitnehmer, der Lieferanten und sonstiger stakeholder, wenn sie sich entscheiden, ihre Leistung in die Gesellschaft einzubringen. Selbstverständlich kann der Vorstand nicht alle anfallenden Aufgaben selbst bewältigen; er ist daher zu ihrer Delegation innerhalb wie außerhalb der Gesellschaft berechtigt. Das bedeutet indes nicht, dass er sich aus der Verantwortung gegenüber jenen Gruppen stehlen kann, die ihm ihr Vertrauen geschenkt haben. Er ist daher verpflichtet, auf eine ordnungsgemäße Erfüllung der delegierten Aufgaben hinzuwirken. Hierfür werden ihm Auswahl-, Einweisungs- und Überwachungspflichten auferlegt. Das Unternehmensinteresse ist also gewahrt, wenn der Vorstand auf eine Aufgabenerfüllung hinwirkt, die seiner eigenen vergleichbar ist. Das gilt für die interne und externe Delegation.503
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Ausgeklammert werden hier all diese Fälle, in denen der Vorstand nicht allein über eine Auslagerung entscheiden darf, sondern zunächst eine Erlaubnis durch die Hauptversammlung einholen muss. Diese Zuständigkeitsverteilung dient der Sicherung der Mitgliedschaftsrechte der Anteilseigner, s. BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine I): mit Ausgliederung „entscheidend wichtiger Teile des Unternehmens“ sei notwendigerweise eine „Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre“ verbunden; es solle durch das Zustimmungserfordernis „der Schutz der Anteilseigner vor einer durch grundlegende Entscheidungen des Vorstands eintretenden nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung gewährleistet werden“. 502 Der Vorstand der Aktiengesellschaft rückt in diese Unternehmerfunktion nur ein, s. Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 76 Rn. 4; ähnlich Kort, in: GroßKomm AktG, § 76 Rn. 36; Spindler, in: MünchKomm AktG, Vor § 76 Rn. 20. 503 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 66: „[Der Vorstand] hat […] dafür zu sorgen, dass eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung in gleicher Weise gewährleistet ist wie bei unternehmensinterner Delegation.“, ebenso Spindler, in: MünchKomm AktG, § 76 Rn. 18. So auch Stein, ZGR 1988, 163, 171 (zur Auslagerung der EDV).
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b) Aufsichtsrecht: Schutz der Institutskunden und des öffentlichen Interesses Das Aufsichtsrecht stellt sich den Risiken der Auslagerung nicht aus unternehmensinternen, sondern -externen Zwecken entgegen. Im öffentlichen Interesse soll vermieden werden, dass ein Finanzinstitut durch die Handlungen eines anderen, womöglich sogar seinerseits unregulierten Unternehmens in die Gefahr einer Schieflage gerät. Denn dies bedeutet zugleich Gefahren für die Einlagen der Bankkunden bzw. die Forderungen der Versicherungsnehmer. Ein Vertrauensverlust auf Seiten der Institutskunden bedeutet systemische Gefahren für den gesamten Finanzsektor. Um das Vertrauen der Kunden zu erhalten, muss daher sichergestellt werden, dass die Leistungserbringung durch das Auslagerungsunternehmen weitgehend an die interne Leistungserbringung angeglichen ist.504 Kurz gesagt: die Kunden müssen dem Auslagerungsunternehmen ebenso trauen wie ihrem Finanzinstitut. Hierfür muss das Institut entsprechende Sicherungen bei der Auslagerung vorhalten. c) Gemeinsames Ziel: Gleichwertige Leistungserbringung sichern Obwohl sie den Schutz verschiedener Interessengruppen bezwecken, verfolgen Aufsichts- und Aktienrecht somit ein gemeinsames Ziel: dass die Leistungserbringung des Unternehmens trotz Aufgabenauslagerung ebenso verlässlich erfolgt, wie dies bei einer internen Leistungserbringung der Fall wäre. Die Auslagernden müssen daher auf eine entsprechende Aufgabenerfüllung des Auslagerungsunternehmens hinwirken; sie selbst werden durch die Auslagerung nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Das liegt im Interesse aller am Unternehmen beteiligten Gruppen. Denn all diese Gruppen bringen sich gerade deshalb in einem bestimmten Unternehmen ein, weil sie auf die konkrete Leistung und Reputation dieses einen Unternehmens vertrauen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie ihr Geld als Aktionär bei der Opel AG anlegen oder als Kunde bei der Deutschen Bank ein Girokonto eröffnen. Werden Teile der unternehmensinternen Prozesse nun von Dritten wahrgenommen, so bleibt ihr Vertrauen nur erhalten, wenn sie mit vergleichbar guter Leistung rechnen können. 5. Gemeinsame Leitlinien für das Outsourcing Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Aufsichts- und Aktienrecht im Ausgangspunkt zu ganz ähnlichen Regelungsinstrumenten greifen: so wandelt sich 504 So auch Art. 49 Abs. 2 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II): „Das Outsourcing kritischer oder wichtiger operativer Funktionen oder Tätigkeiten darf nicht derart durchgeführt werden, dass einer der folgenden Fälle eintritt: […] Gefährdung der kontinuierlichen und zufriedenstellenden Dienstleistung für die Versicherungsnehmer.“
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in beiden Fällen die ursprüngliche Pflicht zur Aufgabenerfüllung in eine Auswahl-, Einweisungs- und Überwachungspflicht. Ähnliche Gedanken finden sich auch im OWiG und im Deliktsrecht wieder. Man kann diesbezüglich von einem verallgemeinerbaren Rechtssatz zu den Anforderungen an eine rechtmäßige Delegation ausgehen. Darüber hinaus lassen sich weitere verallgemeinerbare Punkte aus dem Aufsichtsrecht entnehmen,505 so zum Beispiel die Notwendigkeit einer schriftlichen Auslagerungsvereinbarung, die Informations-, Weisungs- und Kündigungsrechte gegenüber dem Auslagerungsunternehmen festschreibt.506 Sie sind notwendig, um der fortlaufenden Überwachungsverantwortung gerecht werden zu können und so die externe weitgehend an die interne Leistungserbringung anzupassen. Risiken aus dem Outsourcing müssen Teil der unternehmensinternen Risikoanalyse und des Früherkennungssystems sein. Auch muss im Aktien- genauso wie im Aufsichtsrecht ein hinreichender Ausstiegs- und Rückabwicklungsplan vorgehalten werden, um im Fall der Schlechtleistung durch das Auslagerungsunternehmen schnell die ordnungsgemäße Leistungserbringung wieder sicherstellen zu können. Nicht übertragbar sind hingegen naturgemäß diejenigen aufsichtsrechtlichen Pflichten, die sich auf die Sicherung der Durchsetzungsmechanismen durch die Behörde und externe Prüfer beziehen. Zuletzt lassen sich dem Aufsichtsrecht auch in eine andere Richtung wegweisende Aussagen für das Aktienrecht entnehmen: So existieren selbst in diesem wichtigen Wirtschaftsbereich keine strikten Begrenzungen für die Auslagerung verschiedener Unternehmensbereiche. Insbesondere die Bestandteile des internen Kontrollsystems wie das Risikomanagement, die Compliance und die Interne Revision dürfen weitgehend ausgelagert werden. Wenn dies für den Finanzsektor unproblematisch ist, dann muss dasselbe erst recht für den nicht regulierten Sektor gelten.
505 Zaghaft Spindler, MünchKomm AktG, § 76 Rn. 19: „Anhaltspunkte für die zu beachtenden Pflichten und nötigen Rechte geben etwa der durch das Finanzmarktrichtlinien-Umsetzungsgesetz neu geregelte § 25b KWG oder § 9 BDSG.“ 506 Vgl. U. H. Schneider/Brouwer, in: FS Priester, S. 713, 721 f.: „Spezialgesetzliche Sondernormen wie etwa § 25a Abs. 2 KWG [a.F.], § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG oder § 1 Abs. 3 BörsG […] bringen dies zum Ausdruck und enthalten für die Delegation öffentlich-rechtlicher Pflichten an unternehmensexterne Dritte einen allgemeinen Rechtsgedanken.“ Ähnlich Fleischer, Spindler/Stilz, AktG § 76 Rn. 67: „Organisationsrechtlichen Rückhalt erfährt die hier vertretene Sichtweise durch wirtschaftsaufsichtsrechtliche Spezialnormen zur Funktionsauslagerung. […] Zwar sind diese Vorgaben, die in ähnlicher Weise für Versicherungsunternehmen (§ 5 Abs 3 Nr 4 VAG) und Börsenträger (§ 1 Abs 3 BörsG) gelten, zuvörderst aus ihrer eigenen, aufsichtsrechtlichen Zwecksetzung heraus zu verstehen. Sie belegen aber zugleich, dass Regelungen des Wirtschaftsaufsichtsrechts das Gesellschaftsrecht in ausgewählten Bereichen überholt haben und ihrerseits auf die aktienrechtliche Legalverfassung zurückwirken.“ Zuvor bereits ders., ZIP 2003, 1, 10. Ebenso Dreher, in: FS Hopt Bd. I, S. 517, 530.
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D. Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern I. Einführung Der Aufsichtsrat steht seit jeher im Zentrum der rechtspolitischen Diskussion.507 Ursprünglich als Club von Aktionärsvertretern gedacht,508 entschied sich der Gesetzgeber bereits 1884 zur Öffnung des Organs für verbandsexterne Personen, um der Hauptversammlung die Möglichkeit zu geben, einen möglichst breiten Sachverstand im höchsten Kontrollorgan der Gesellschaft zu versammeln.509 Die Diskussion über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats ist indes auch über ein Jahrhundert später noch nicht verebbt. Ursache für die jüngste Regulierungsdebatte ist auch die letzte Finanzkrise; hat sie doch gravierende Mängel und ein weit reichendes Versagen der Aufsichtsorgane – gerade auch in staatlichen Instituten –510 offenbart.511 Eine vom Bundeswirtschaftsministerium eingesetzte Expertengruppe stellte hierzu erschüttert fest: „Wenn ein Mitglied eines Aufsichtsgremiums zur eigenen Entschuldigung anführt, er sei kein Banker und habe sich auf die Erläuterungen der Zuständigen verlassen, so spricht aus diesen Äußerungen eine Fahrlässigkeit, die eigentlich Folgen haben sollte.“512
Gerade im Aufsichtsrecht hat die Debatte um weitere Anforderungen an die Aufsichtsratstätigkeit daher Fahrt aufgenommen.513 Neben der Verpflichtung zur Schaffung eines Risikoausschusses514 und zur Begrenzung der Aufsichtsratsman-
507 Lutter, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, S. 389, 408, Rn. 52: „Zu jeder Zeit stand die Kontrolle des Aufsichtsrats als nicht ausreichend in der Kritik.“, S. 428 Rn. 124: „Schon seit seiner Einführung steht der Aufsichtsrat in unregelmäßigen Abständen in der Kritik.“; K. Schmidt, GesR § 26 S. 771 spricht von einem „rechtspolitisch brisante[n] Organ“. 508 Zur Entwicklung des Aufsichtsrates „von seinen Anfängen bis heute“ Lutter, in: Bayer/ Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, S. 389 ff. sowie monographisch Lieder, Aufsichtsrat, 2006. 509 Lutter, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, S. 389, 392 Rn. 2. 510 Vgl. Köhler, ZEW Discussion Paper 10-002, S. 9; Weder di Mauro/Haselmann, in: Hopt/ Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 265, 273 f. 511 So EU Kommission, Grünbuch CG in Finanzinstituten, KOM(2010) 284 endg., S. 7: „Nach Auffassung der Kommission war ihr Versagen bei der Einschätzung, dem Verständnis und letztlich der Beherrschung der Risiken, denen ihre Finanzinstitute ausgesetzt waren, eine zentrale Ursache der Finanzkrise.“ 512 Bundesministerium für Wirtschaft und Technik, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Krise, S. 30. 513 Die Bundesregierung hat im Zuge der CRD-IV-Umsetzung neue gesetzlicher Anforderungen an die Aufsichtsratstätigkeit in Kreditinstituten eingeführt, vgl. § 25d KWG. Instruktiv Langenbucher, ZHR 176 (2912) 652, 654. 514 Dazu bereits Fn. 236, S. 222. Zum Ausschusswesen im Aufsichtsorgan nach CRD IV jüngst Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 536 f.
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date515 wird auch über eine regelmäßige interne bzw. externe Evaluation der Aufsichtsratstätigkeit nachgedacht.516 Mit §§ 25d Abs. 1 S. 1 KWG, 7a Abs. 4 S. 1 VAG sind zudem explizite Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Sachkunde von Aufsichtsratsmitgliedern ins Gesetz aufgenommen worden.517 Diese Überlegungen sind nicht ohne Auswirkungen auf den nicht regulierten Sektor geblieben. In ihrem Grünbuch zum Europäischen Corporate GovernanceRahmen betont die Kommission ausdrücklich die „ausschlaggebende Rolle“ des Aufsichtsrats für den „Aufbau verantwortungsvoller Unternehmen“518 und mahnt eine entsprechende Sachkunde an.519 Sie schließt damit an ihre Empfehlung aus dem Jahr 2005 an.520 Neben der Sachkunde kreist die aktienrechtliche Diskussion momentan jedoch primär um zwei andere Fragen der Organzusammensetzung: die der Unabhängigkeit521 und die der Diversität522.523 Zwar soll diese Trias nicht für jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied, sondern nur für das Organ in seiner Gesamtheit gelten,524 dennoch sprechen kritische Literaturstimmen bereits von einer „Quadratur des Kreises“.525 Ob sich vor diesem Hintergrund eine Möglichkeit ergibt, die aktienrechtliche Diskussion durch aufsichtsrechtliche Einsichten anzureichern, wird im Folgenden untersucht.526
515 Wurde ursprünglich auf europäischer Ebene abgelehnt, vgl. Feedback Statement, Grünbuch CG in Finanzinstituten, S. 7: „too arbitrary and inflexible“. Vgl. mittlerweile aber Art. 91 Abs. 3, 4 der RiLi 2013/36/EU; § 25d Abs. 3 und 3a KWG. 516 Art. 88 Abs. 2 lit b), c) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); Baseler Auschuss für Bankenaufsicht, Enhancing CG, 2010, Nr. 43; EU Kommission, Grünbuch CG in Finanzinstituten, KOM(2010) 284 endg., Frage 1.5 (S. 14). 517 Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht (FMVAStärkG), BGBl. I 2009 S. 2305. 518 Europäische Kommission, Grünbuch Europäischer CG Rahmen, KOM(2011) 164 endg., S. 5. 519 Europäische Kommission, Grünbuch Europäischer CG Rahmen, KOM(2011) 164 endg., S 8. Die Reaktionen hierauf fielen gemischt aus, s. Feedback Statement Europäischer CG Rahmen, S. 7. 520 Empfehlung 2005/162/EG. 521 Dazu bereits Empfehlung 2005/162/EG Ziff. 4 und 13 sowie die in 2012 vorgenommenen Änderungen am DCGK, u. a. an Ziff. 5.3.2 und 5.4.2 (dazu Roth, WM 2012, 1985); eine übersichtliche Einführung in die Thematik gibt Hopt, ZHR 175 (2011) 444, 484 ff. 522 KOM(2012) 614 endg. sowie Art. 91 Abs. 10 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); kritisch aber Europäische Kommission, Grünbuch CG von Finanzinstituten, Feedback Statement, S. 9: „[M]any respondents consider, that diversity should not be pursued at the expense of knowledge and expertise.“; ablehnend gegenüber einer verbindlichen Frauenquote insbesondere 69. DJT 2012, Beschlüsse Nr. 3 b)-d). 523 Zuletzt umfassend zu diesen drei Kriterien Langenbucher, ZGR 2012, 314. 524 DCGK Ziff. 5.4.1. 525 So ausdrücklich Hopt, in: FS Nobbe, S. 852, 872. 526 Dazu auch Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 539 ff.
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II. Aufsichtsrecht 1. Regulatorisches Umfeld Die letzte Finanzkrise hat ein Schlaglicht auf die Defizite in den Aufsichtsorganen deutscher und europäischer Banken geworfen. Erst kürzlich konstatierte der sog. Liikanen-Report: „More attention needs to be given to the ability of management and boards to run and monitor large and complex banks. Specifically, fit-and-proper tests should be applied when evaluating the suitability of management and board candidates.“527 Der deutsche Gesetzgeber ist dieser Forderung bereits im Jahr 2009 nachgekommen528 und hat mit § 25d Abs. 1 KWG und § 7a Abs. 4 S. 1 VAG eine für Banken und Versicherungen identische Verpflichtung zur Bestellung zuverlässiger und sachkundiger Mitglieder in ihre Aufsichtsorgane ins Gesetz gegossen.529 Konkretisiert werden diese Vorgaben durch ein Merkblatt der BaFin.530 Vergleichbare Vorgaben für Geschäftsleiter hatte es im deutschen Aufsichtsrecht schon seit Jahrzehnten gegeben;531 eine analoge Anwendung auf Aufsichtsratsmitglieder wurde seinerzeit allerdings abgelehnt.532 Weitere Schübe für die Rechtsentwicklung sind im Moment durch Europa zu erwarten. So formuliert die CRD IV-Richtlinie erstmals konkrete Anforderungen an die Leitungsorgane eines Finanzinstituts.533 Diese sollen „gut beleumundet [sein] sowie ausreichende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzen“.534 Ähnliches sieht MiFiD II vor.535 Noch weiter geht die Solven-
527 High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report, S. x. 528 Dazu schon Fn. 517, S. 263. Davor dringend gefordert, vgl. Hafke, FS Hadding, S. 863, 870: „Wenn die Berufung von Geschäftsleitern an strenge Voraussetzungen gebunden ist, so bleibt diese Großzügigkeit des Gesetzes hinsichtlich der Mitglieder des Überwachungsgremiums unverständlich.“ 529 Für den öffentlichen Bankensektor gelten zudem die Sparkassengesetze der Länder, dargestellt bei Langenbucher, ZGR 2012, 314, 326. 530 Merkblatt zur Kontrolle von Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gem. KWG und VAG v. 22. 02. 2010; aktuelle Version seit 03.12. 2012. 531 §§ 25c Abs. 1 KWG, 7a Abs. 1 VAG. Umfassend dazu Fischer, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 128 Rn. 38 ff. Die Wurzeln der Geschäftsleiterkontrolle reichen bis zur Zeit nach dem 1. Weltkrieg zurück, s. Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 191. Zur „Gschäftsleiterkontrolle“ aus aktienrechtlicher Sicht zuletzt Binder, ZGR 2013, 760, 772 ff. Gem. §§ 2c KWG, 7a Abs. 2 S. 1 VAG müssen zudem auch die „Inhaber bedeutender Beteiligungen“ ihre Zuverlässigkeit nachweisen (sog. Anteilseignerkontrolle). 532 Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 258 Fn. 18 m.w.N.; dazu auch Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht, S. 267 f. 533 Die Richtlinien der EU orientieren sich an einer monistischen Unternehmensstruktur, so dass die Reichweite der Anforderungen an die „Leitungsorgane“ nicht ganz klar ist. Der MiFID II Vorschlag betont aber, man wolle die Anforderungen an „Mitglieder mit Leitungsfunktionen“ und „mit Aufsichtsfunktionen“ verschärfen, s. KOM(2011) 656 endg., S. 9. 534 Art. 91 Abs. 1 S. 1 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV).
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cy II-Richtlinie, die nicht mehr nur von Leitungsorganen, sondern von jedem Mitarbeiter mit einer „Schlüsselfunktion“ bestimmte Fähigkeiten erwartet.536 2. Qualifikationsanforderungen in der Sache a) Aktuelle Rechtslage für Banken und Versicherungen Aufsichtsräte in Finanzinstituten und Versicherungen müssen nach geltender Rechtslage zwei Kriterien erfüllen: sie müssen zuverlässig sein und über eine gewisse Sachkunde verfügen (sog. „fit & proper test“).537 Der Begriff der Zuverlässigkeit entstammt dem klassischen Gewerberecht538 und gilt ebenso für die Geschäftsleiterkontrolle.539 Sie wird zu Gunsten des Betroffenen unterstellt, sofern keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich das Gegenteil ergibt. Hierzu zählen unter anderem Vorstrafen oder aber Verstöße gegen das KWG.540 Die BaFin interpretiert die Zuverlässigkeit sehr weit und fasst hierunter zusätzlich auch etwaige Interessenkonflikte.541 Noch schwieriger zu greifen ist die zweite Anforderung: das Gesetz fordert „die zur Wahrnehmung der Kontrollfunktion sowie zur Beurteilung und Überwachung der Geschäfte, die das Unternehmen betreibt, erforderliche Sachkunde“.542 Anders als die Zuverlässigkeit muss diese positiv nachgewiesen werden.543 Aber was verbirgt sich dahinter?544 Ein systematischer Abgleich mit § 25c Abs. 1 S. 1 KWG zeigt, dass es sich um eine geringere Anforderung als bei der Geschäftsleiterkontrolle 535 Art. 9 Abs. 1 der RiLi 2014/65/EU (MiFiD II). Zum Richtlinienvorschlag Veil/Lerch, WM 2012, 1557. 536 Dazu unten, Vierter Teil D. Abschnitt II. 2. c), S. 268 f. 537 §§ 25d Abs.1 KWG, 7a Abs. 4 S. 1 VAG. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 128 Rn. 52 ff.; Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 36 Rn. 99 ff.; Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 7a Rn. 33 ff. Mit der Umsetzung von CRD IV ist als drittes Kriterium die „zeitliche Verfügbarkeit“ hinzugekommen, vgl. § 25d Abs. 1 S. 1 a.E. KWG. 538 § 35 GewO. 539 Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 36 Rn. 105. 540 Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 128 Rn. 42. 541 BaFin, Merkblatt zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, I. 2. 542 §§ 25d Abs. 1 KWG, 7a Abs. 4 S. 1 VAG. Vgl. auch die bereits wesentlich länger existierende Vorschrift in § 6 Abs. 3 InvG a.F. (gilt allerdings nur für die Anteilseignerseite, s. Abs. 4). 543 So jedenfalls für den Nachweis der „fachlichen Eignung“ der Geschäftsleiter Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 128 Rn. 43. Es ist kein Grund ersichtlich, warum für Aufsichtsräte etwas anderes gelten sollte. 544 Nobel, in: Liber Amicorum Guy Horsman, S. 819, 833: „[D]ie englische Wendung dafür, nämlich „fit & proper“ sein zu müssen (also eine Mischung aus Turnvater Jahn und Meister Proper) [ist] ja auch kein Muster von sofortiger Klarheit“.
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handeln muss, denn diese setzt die „fachliche Eignung“ der Kandidaten voraus.545 Ein Blick in die Gesetzesmaterialien bestätigt diesen Befund: So sah der Regierungsentwurf zum FMVAStärkG ursprünglich ebenfalls den Nachweis der „fachlichen Eignung“ für Aufsichtsorgane vor,546 dieser wurde aber in den Verhandlungen des Finanzausschusses auf das Erfordernis der „Sachkunde“ abgesenkt. Hierunter verstand man die Fähigkeit „zum Verständnis der wirtschaftlichen und rechtlichen Abläufe im Tagesgeschehen“,547 also weit weniger als die zuvor geforderte „fachliche Eignung“. Durch diese Absenkung der Anforderungen sollte es auch Kandidaten aus einem „anderen, weniger finanzmarktgeprägten Blickwinkel“548 ermöglicht werden, Aufgaben in einem Aufsichtsrat zu übernehmen. Im Endeffekt stand dahinter v. a. der politische Wille, die Praxis der Besetzung der Aufsichtsräte in öffentlich-rechtlichen Instituten aufrechterhalten zu können.549 Nach KWG und VAG gelten für Aufsichts- und Leitungsorgane also unterschiedlich intensive Qualifikationsanforderungen.550 Die „erforderliche Sachkunde“ erfordert nach dieser Lesart jedenfalls keine Leitungserfahrung. Auf theoretische oder praktische Kenntnisse zu den Geschäften des Instituts wird man jedoch nicht verzichten können.551 Denn wie sollte das Aufsichtsorgan sonst eine wirksame Kontrolle der Geschäftsleitung gewährleisten?552 Die BaFin betont in ihrem Merkblatt daher das „Gebot der persönlichen und 545
§ 25c Abs. 1 S. 1 KWG. Die „fachliche Eignung“ erfordert theoretische und praktische Kenntnisse ebenso wie Leitungserfahrung in einem ausreichenden Ausmaß. Sie wird ab einer dreijährigen leitenden Tätigkeit in einem vergleichbaren Institut vermutet, s. § 25c Abs. 1 S. 2 KWG. Ebenso § 7a Abs. 1 S. 2, 3 VAG. 546 Begr. RegE BT-Drucks. 16/12783, S. 6, 8, 16, 18. 547 Darstellung der Gesetzesentwicklung bei Dreher, ZGR 2010, 496, 509 ff. 548 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/13684, S. 29. 549 Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 128 Rn. 51: „Die Wahl der Mitglieder in die Verwaltungsräte von Sparkassen folgte großenteils kommunalpolitischen Gepflogenheiten. Parteipolitische Verdienste dürften nicht selten das wirtschaftliche Sachkundeerfordernis überlagert haben, was dazu führte, dass auch Verwaltungsangestellte, Hausfrauen, Lehrer usw. ohne hinreichende bankwirtschaftliche Erfahrung Mitglieder des Verwaltungsrats wurden.“ Vgl. auch die aktuelle Regelung hierzu im Merkblatt zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, I.1. b): Sachkunde wird angenommen „wenn sie vor oder seit ihrem Amtsantritt über einen längeren Zeitraum und in nicht unwesentlichem Umfang Tätigkeiten ausgeübt haben, die maßgeblich auf wirtschaftliche und rechtliche Fragestellungen ausgerichtet und nicht völlig nachgeordneter Natur waren.“ 550 Für eine Gleichbehandlung aber Hafke, FS Hadding, S. 863, 871. 551 Dazu auch Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 36 Rn. 99: „Für Kreditinstitute werden allgemeine wirtschaftliche Erfahrung und Grundkenntnisse der spezifischen Geschäfte, die das Institut betreibt, samt deren Risiken und des allgemeinen Organisationsablaufs, ferner Kenntnisse der Rechtsgrundlagen des Instituts samt Bankaufsichtsrecht für notwendig gehalten.“ 552 Hafke, FS Hadding, S. 863, 871: „Um verantwortungsvoll Aufsicht über ein Kreditinstitut führen zu können, bedarf es zumindest eines qualifizierten Anteils an Aufsichtsratsmitgliedern mit einschlägiger Kenntnis des Bankgeschäfts […]. Dieser Anteil muss so be-
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eigenverantwortlichen Amtsausübung“.553 Die Anforderungen werden jedoch je nach Größe, Komplexität und systemischer Relevanz der beaufsichtigten Institute abgestuft.554 Bei Kaufleuten iSd § 141 AO wird die Sachkunde regelmäßig vermutet.555 Im Ergebnis setzt die BaFin den Standard damit verhältnismäßig niedrig an.556 Wesentlich breiter formuliert dagegen der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, der betont, dass „[t]he board collectively should have adequate knowledge and experience relevant to each of the material financial activities the bank intends to pursue in order to enable effective governance and oversight.“557 Zur Konkretisierung führt er beispielhaft die Themenbereiche „finance, accounting, lending, bank operations and payment systems, strategic planning, communications, governance, risk management, internal controls, bank regulation, auditing and compliance“558 an. Fehlen diese Fähigkeiten bei der Bestellung, so müssen sie spätestens innerhalb der nächsten 6 Monate durch eine Fortbildung erworben werden.559 Unabhängig davon ist die regelmäßige Weiterbildung zwingend notwendig.560 b) Neuerungen im Banken- und Wertpapierdienstleistungsbereich Die Anforderungen an die Befähigung von Leitungsorganen werden auf europäischer Ebene mit CRD IV und MiFID II zusätzlich vorangetrieben. Für Banken sieht die CRD IV-Richtlinie in Art. 91 Abs. 7 vor, dass das Leitungsorgan „kollektiv über die zum Verständnis der Tätigkeiten des Instituts samt seiner Hauptrisiken notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen [verfügt].“561 Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Bedeutung des Aufsichtsorgans für das Risikomanagement, denn nur durch „gut informierte, kompetente Leitungsgremien“ werde „die messen sein, daß es sich bei ihren Stimmen nicht um einen ,einsamen Rufer‘ in der Wüste handelt.“ 553 BaFin, Merkblatt zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, I. und III. Dazu Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 36 Rn. 100. 554 Vgl. §§ 25d Abs. 1 S. 2 KWG; 7a Abs. 4 S. 2 VAG; BaFin, Merkblatt zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, Vor I sowie I.1. 555 BaFin, Merkblatt zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, I. 1. 556 So statt vieler Dreher/Lange, ZVersWiss 2011, 211, 218. 557 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Nr. 36. 558 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Nr. 36. 559 BaFin, Merkblatt zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, I. 1. c). 560 BaFin, Merkblatt zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, I. 1. d); Art. 91 Abs. 9 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Corporate Governance, 2010, Principle 2: „Board members should be and remain qualified, including through training, for their positions […].“ 561 Vgl. jetzt auch § 25d Abs. 2 KWG. Eingehend zur Gesamtqualifikation des Aufsichtsrats bei beaufsichtigten Unternehmen zuletzt Dreher, in: FS Hoffmann-Becking, S. 313, 325 ff.
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Fähigkeit der Kreditinstitute gesteigert, entstehende Risiken zu erkennen, entsprechend zu reagieren und dadurch eine übermäßige Risikoübernahme zu verringern.“562 Wichtig sei zudem, dass jedes Mitglied des Leitungsorgans „aufrichtig, integer und unvoreingenommen [handele], um die Entscheidungen des oberen Managements erforderlichenfalls in Frage zu stellen.“563 Für Wertpapierdienstleistungsunternehmen gilt neuerdings dasselbe.564 Die Kommission hat damit bereits erste Erkenntnisse aus ihrem Grünbuch zur Corporate Governance in Finanzinstituten umgesetzt. Dort hatte sie die interessierten Kreise im Jahr 2010 befragt, ob die Kriterien für den „fit & proper“ Test in Zukunft um verschiedene Kriterien erweitern werden sollten.565 Die Antwort hierauf viel deutlich aus: „The majority of respondents […] think that the fit & proper test should be extended to include technical and professional skills as well as individual qualities of future members of the board. Many respondents think that the boards should have expertise and knowledge collectively and should be able to challenge management as a team, instead of each candidate possessing all set of specific skills and qualities“566 c) Neuerungen im Versicherungssektor durch Solvency II Im Versicherungssektor kündigen sich durch die nahende Umsetzung von Solvency II indes noch wesentlich umfangreichere Änderungen an. Denn dort fordert Art. 42 Abs. 1, dass „alle Personen, die das Unternehmen tatsächlich leiten oder andere Schlüsselaufgaben innehaben, jederzeit den folgenden Anforderungen genügen: (a) ihre Berufsqualifikationen, Kenntnisse und Erfahrungen reichen aus, um ein solides und vorsichtiges Management zu gewährleisten („fachliche Qualifikation“); und (b) sie sind zuverlässig und integer („persönliche Zuverlässigkeit“).“ Der Kreis der relevanten Personen wird daher über die Unternehmensverwaltung hinaus auf Personen mit „Schlüsselaufgaben“ erweitert,567 zu denen jedenfalls die verschiedenen Governance-Funktionen568 und deren Leiter gehören,569 also der
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CRD IV RiLi-Vorschlag, KOM(2011) 453 endg., S. 9. Art. 91 Abs. 8 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). 564 Art. 9 Abs. 1 der RiLi 2014/65/EU (MiFiD II), der umfassend auf Art. 91 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV) verweist. Der Richtlinienvorschlag hatte ursprünglich noch eine eigenständige Regelung der Frage vorgesehen, vgl. Art. 9 Abs. 1 des MiFiD II RiLi-Vorschlags, KOM(2011) 656 endg. 565 EU Kommission, Grünbuch CG von Finanzinstituten, KOM(2010) 284 endg., S. 17 Frage 4.3. 566 Feedback Statement, Grünbuch CG von Finanzinstituten, S. 16. 567 Die Begriffe „Schlüsselaufgabe“ und „Schlüsselfunktion“ entsprechen sich, s. Dreher, VersR 2012, 933, 934.f 568 Erwägungsgrund 33 und 34 der RiLi 2009/138/EG (Solvency II). Ob diese Aufzählung abschließend ist oder nicht, ist noch nicht endgültig geklärt, s. dazu Dreher, VersR 2012, 933, 935 f. (abschließend). 563
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Compliance-Officer, der Chief Risk Officer, etc. Grund hierfür ist ihr besonderer Beitrag zur Risikoresistenz des Versicherungsunternehmens.570 Wie der Aufsichtsrat in dieses Gefüge einzuordnen ist, ist in der aufsichtsrechtlichen Literatur bisher umstritten. Vereinzelte Stimmen setzen sich unter Verweis auf ein CEIOPS Papier571 für die Qualifizierung des Aufsichtsrates als „Schlüsselfunktion“ ein;572 die Gegenstimmen mehren sich jedoch.573 Denn sofern auch Aufsichtsratsmitglieder unter Art. 42 Abs. 1 der Solvency II-Richtlinie fallen, unterlägen sie schlagartig denselben Qualifikationsanforderungen, denen auch Geschäftsleiter unterliegen. Letzte Klarheit wird erst eine verbindliche Durchführungsverordnung auf Level 2 des Lamfalussy-Verfahrens schaffen.574 Der Ende 2011 vorgelegte Referentenentwurf zur 10. VAG-Novelle575 strebt eine vermittelnde Lösung an, um dieses drastische Ergebnis zu vermeiden. Hiernach fallen zwar auch Aufsichtsratsmitglieder unter den neu einzufügenden, an Art. 42 Abs. 1 Solvency II-RiLi angelehnten § 25 Abs. 1 S. 1 VAG-E, das Kriterium der „fachlichen Eignung“ soll in ihrem Fall aber weiterhin nur als „erforderliche Sachkunde“ verstanden werden.576 Dieser Ansatz läuft also auf eine gespaltene Auslegung der „fachlichen Eignung“ für Geschäftsleiter und Aufsichtsorgane hinaus. Ob diese Auslegung vor der immerhin vollharmonisierenden Solvency II-Richtlinie Bestand haben kann, bleibt abzuwarten.577
569 Ausführlich dazu Dreher, VersR 2012, 933, 938 ff., der darauf hinweist, dass es nicht nur auf die formelle Zuständigkeit ankommen könne, sondern auch die tatsächlichen Verhältnisse innerhalb der Gesellschaft in den Blick genommen werden müssten. 570 So Dreher, VersR 2012, 933, 937. 571 CEIOPS, Advice for Level 2 Implementing Measures on Solvency II: System of Governance, 2009, Nr. 3.38 und 3.42. 572 Krauel/Broichhausen, VersR 2012, 823, 824 f.; Schaaf, Risikomanagement, S. 242 f.; Sehrbrock/Gal, Corporate Finance law 2012, 140, 146. 573 Bürkle, ZVersWiss 2012, 493, 505 ff.; Dreher/Lange, ZVersWiss 2011, 211, 220 ff.; Dreher, VersR 2012, 933, 937 f.; Hasse, in: Dreher/Wandt, Solvency II in der Rechtsanwendung, S. 61, 80 ff.; Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 22. 574 Solche Durchführungsbestimmungen sollen nicht vor dem Inkrafttreten der Omnibus II RiLi veröffentlicht werden, vgl. http://ec.europa.eu/internal_market/insurance/solvency/future/. 575 Vgl. Begr RegE BT-Drucks. 17/9342. Einen Überblick über die zentralen Änderungen geben Grote/Schaaf, VersR 2012, 17. 576 Begr RegE BT-Drucks. 17/9342, S. 146: „Personen, die andere Schlüsselaufgaben innehaben, sind außerdem die Mitglieder des Aufsichtsrates. Für diese ergeben sich trotz des Abstellens auf die fachliche Eignung anstatt auf die erforderliche Sachkunde wie bisher nach § 7a Absatz 4 VAG a. F. keine geänderten Anforderungen.“ Kritisch dazu Bürkle, ZVersWiss 2012, 493, 511 f. 577 Dazu Bürkle, ZVersWiss 2012, 493, 512, 513 f.; Krauel/Broichhausen, VersR 2012, 823, 827 ff.
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3. Einfluss der Aufsichtsbehörde Die Einhaltung der Qualifikationsanforderungen an Geschäftsleiter und Aufsichtsräte wird v. a. durch die Aufsichtsbehörde durchgesetzt.578 Bereits bei der Erteilung der Betriebserlaubnis muss die entsprechende Qualifikation jedes einzelnen Mitglieds nachgewiesen werden.579 Hierfür sind alle zur Beurteilung der Befähigung der Kandidaten notwendigen Unterlagen einzureichen, d. h. Lebensläufe, Arbeitsund Führungszeugnisse, etc.580 Werden nach dieser präventiven Kontrolle später weitere Mitglieder in eines der Gremien berufen, so ist dies der BaFin anzuzeigen.581 Ist die Behörde mit der Auswahl des Kandidaten nicht zufrieden, so kann sie verschiedenste Anordnungen treffen. Diese reichen von einer Auflage (bspw. dem Besuch eines Lehrgangs)582 bis hin zu einem Abberufungsverlangen gegenüber dem Institut.583 Als ultima ratio kann sie die Betriebserlaubnis wieder entziehen.584 Der faktische Einfluss der Behörde auf die Bestellung der Organmitglieder ist daher enorm. Zur 2009 eingeführten Kontrolle der Aufsichtsorgane schreibt ein Kommentator nur zwei Jahre später: „Die BaFin prüft die Anzeigen und kann bei mangelnder Zuverlässigkeit Vorbehalte äußern, was faktisch zu einer Nichtbestellung des Organmitglieds führt, […]. Nach einem Zeitungsbericht vom 20. April 2011 hat die BaFin bis dahin bei 20 Kandidaten die Bestellung zum Organmitglied verhindert.“585
III. Aktienrecht Das Aktiengesetz macht nur vereinzelte Vorgaben zur Zusammensetzung des Aufsichtsrates; der Großteil der geltenden Anforderungen an die Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder ist vielmehr durch die Gerichte und die Literatur erarbeitet worden.
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Speziell zur aufsichtsbehördlichen Kontrolle im Versicherungsbereich nach Solvency II Dreher, VersR 2012, 1061. 579 Dies gilt allerdings nur gem. §§ 5, 8 Abs. 1 Nr. 5 VAG. Gem. §§ 32, 33 Abs. 1 Nr. 2 und 4 KWG wird allein die Befähigung der Geschäftsleitung geprüft. 580 §§ 24 Abs. 1 Nr. 15 KWG; 5 Abs. 5 Nr. 9 VAG; BaFin, Merkblatt zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, II. 3. 581 §§ 24 Abs. 1 Nr. 15 KWG; 13d Nr. 12 VAG. Bei den Aufsichtsratsmitgliedern ist nur die Bestellung, bei den Geschäftsleitern bereits die Absicht der Bestellung anzuzeigen, s. BaFin, Merkblatt zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, II. 1. a). 582 Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 128 Rn. 51. 583 §§ 36 Abs. 3 KWG; 87 Abs. 8 VAG. Die Anordnung zur Abberufung gegenüber der Gesellschaft stößt mitunter an gesellschaftsrechtliche Kompetenzgrenzen, s. dazu Dreher, ZGR 2010, 496, 513. 584 § 87 Abs. 1 Nr. 1 VAG. Gem. §§ 35 Abs. 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Nr. 2, 4 KWG gilt dies indes nur bei mangelnder Qualifikation der Geschäftsleitung. 585 Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 36 Rn. 95.
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1. Qualifikation als notwendige Voraussetzung für jedes Aufsichtsratsmitglied a) Gesetz und Kodex Die Bestellungsvoraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder sind in § 100 AktG niedergelegt und präsentieren sich wesentlich zurückhaltender als die Anforderungen an Vorstandsmitglieder gemäß § 76 Abs. 3 AktG. Diese gesetzgeberische Zurückhaltung erklärt sich in Deutschland durch einen Blick auf das System der Mitbestimmung, das ganz eigene Wahlvoraussetzungen und -abläufe für die Benennung der Arbeitnehmervertreter innerhalb eines Unternehmens bereithält. Die einzige gesetzliche Anforderung in Bezug auf die Qualifikation eines Aufsichtsratsmitglieds findet sich seit 2009 in § 100 Abs. 5 AktG.586 Hiernach muss ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrates über „Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung“ verfügen.587 Weitere „persönliche Voraussetzungen“ können gemäß § 100 Abs. 4 AktG durch die Satzung festgelegt werden.588 Wesentlich breiter formuliert dagegen der Kodex: „Der Aufsichtsrat ist so zusammenzusetzen, dass seine Mitglieder insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen.“589 Er schließt sich damit der EU-Empfehlung an, die im Jahr 2005 bereits vergleichbare Anforderungen an die Gesamtheit aller Aufsichtsratsmitglieder gerichtet hatte.590 Darüber hinaus forderte die Kommission die regelmäßige Veröffentlichung der spezifischen Kenntnisse der einzelnen Mitglieder591 sowie ihre kontinuierliche Aus- und Fortbildung.592 b) Richterrecht und Reaktionen Der BGH hatte sich bereits im Jahr 1983 erstmals zur Frage der Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern geäußert. Im sog. Hertie-Urteil betonte er unter Berufung auf § 111 Abs. 5 AktG das „Gebot persönlicher und eigenverantwortlicher Amtsausübung“, das erfordere, dass „ein Aufsichtsratsmitglied diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich aneignen muß, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht 586 Eingeführt durch das BilMoG, BGBl I 2009, S. 1102. Vgl. auch für den Fall der Bildung eines Prüfungsausschusses § 107 Abs. 4 AktG. 587 Die Vorschrift gilt nur für kapitalmarktorientierte Gesellschaften iSd § 264d HGB. 588 Diese betreffen dann allerdings nur Anteilseignervertreter, nicht aber Arbeitnehmervertreter. In der Praxis wird hiervon wohl höchst selten Gebrauch gemacht, s. Wirth, ZGR 2005, 327, 332. 589 DCGK Ziff. 5.4.1. 590 Empfehlung 2005/162/EG, Rn. 11. 1. Eingehend zur Gesamtqualifikation des Aufsichtsrates jüngst Dreher, in: FS Hoffmann-Becking, S. 313, 317 ff. 591 Empfehlung 2005/162/EG, Rn. 11. 4. 592 Empfehlung 2005/162/EG, Rn. 11. 3.
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beurteilen zu können“.593 Hintergrund war die Frage, ob sich ein Aufsichtsratsmitglied zur Erfüllung seiner Tätigkeit eines „ständigen Beraters“ bedienen könne. Die Antwort des Gerichts fiel eindeutig ablehnend aus; Hommelhoff prägte hierfür in der Folge den Begriff „Autarkie-Gebot“.594 Die Literatur hat diese Entscheidung weithin begrüßt und fordert seitdem übereinstimmend bestimmte „Mindestqualifikationen“ für Aufsichtsratsmitglieder. Diese gelten für alle Aufsichtsratsmitglieder gleichermaßen, also auch für die Vertreter der Arbeitnehmerseite.595 Schließlich sollen diese in der Lage sein, gleichberechtigt am Meinungsbildungsprozess innerhalb des Gremiums teilzunehmen.596 Auch der Oberste Gerichtshof Österreichs ging noch im selben Jahr in eine ganz ähnliche Richtung und beschrieb ein Aufsichtsratsmitglied als jemanden, der „in geschäftlichen und finanziellen Dingen ein größeres Maß an Erfahrung und Wissen besitzt als ein durchschnittlicher Kaufmann und die Fähigkeit hat, schwierige rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhänge zu erkennen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft zu beurteilen.“597 c) Meinungen in der Literatur aa) Allgemeine Anforderungen Die Literatur hat das Diktum des BGH zunächst einmal weitestgehend übernommen.598 Es herrscht jedoch auch heute noch Streit darüber, wie die obergerichtlichen Anforderungen konkretisiert und auf die heutige Zeit umgemünzt werden können. Die einen betonen die Freiheit der Aktionäre, ihre eigenen Interessenvertreter zu wählen,599 und plädieren daher für ein einschränkendes Verständnis der 593
BGHZ 85, 293, 295 f. Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 561 f.: „Wer als Mitglied des Aufsichtsrats für die Überwachung zuständig ist, soll diese Aufgabe selbst und grundsätzlich allein wahrnehmen.[…] Diese gesetzliche Selbsterledigungspflicht wirkt sich auf die Anforderungen aus, die von Rechts wegen an die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gestellt werden müssen: In seinen Mitgliedern sind bereits all’ die Fähigkeiten und Kenntnisse bereitzuhalten, um den Vorstand des konkreten Unternehmens in dessen konkreter augenblicklicher und absehbar künftiger wirtschaftlicher Lage mit den eigenen Kräften des Aufsichtsrats ordnungsgemäß, effektiv und reibungslos überwachen zu können. Dem Aktiengesetz liegt somit rechtlich zwingend das Modell eines in sich und aus sich selbst heraus leistungsfähigen, also autarken Aufsichtsrats zugrunde.“ Daran anknüpfend Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 321, 323. 595 BGHZ 85, 293, 296; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 116 Rn. 23; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 116 Rn. 8 ff. 596 So Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 574. 597 OGH AG 1983, 81, 82. 598 Aktuell wieder Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 116 Rn. 7 mit umfassenden Nachweisen. 599 Hopt/Roth, in: GroßKomm AktG, § 100 Rn. 24: „Aufsichsratsmitglieder können auch ohne besondere Fachkenntnisse und ,unternehmerische Erfahrung‘ Qualitäten, Ideen und Initiativen einbringen, die in dem Gremium jedenfalls nach Vorstellung der Aktionäre, die sie wählen, wichtig sind.“ 594
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Qualifikationsanforderungen. Ein gewisses „Grundwissen“600 reiche für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung als Aufsichtsratsmitglied bereits aus; „besondere Sachkunde“ sei nicht erforderlich.601 Was sich hinter diesem Grundwissen verbirgt, bleibt jedoch weitgehend offen.602 Die andere Seite stellt heraus, dass sich das Aufgabenprofil des Aufsichtsrats seit Anfang der 80er Jahre erheblich erweitert und gewandelt habe (Stichwort: „Professionalisierung des Aufsichtsrats“).603 Nehme man den BGH ernst, müsse man heute also wesentlich weitreichendere Anforderungen an die einzelnen Mitglieder formulieren.604 Hierzu gehöre insbesondere eine gewisse Kenntnis von und Befähigung zum Umgang mit Finanzkennzahlen, die es dem Mitglied ermöglicht, den Jahresabschlusses und den Lagebericht zu beurteilen und kritisch zu hinterfragen.605 Auch unternehmerische Erfahrung sei nötig, um die Handlungen des Vorstands sachgerecht beurteilen zu können.606 Beide Seiten bewegen sich jedenfalls insofern aufeinander zu, als dass sie nicht mehr die Befähigung jedes einzelnen Mitglieds, sondern die Zusammensetzung des Aufsichtsrates als Kollektivorgan in den Blick nehmen.607 Es sei daher ausreichend, wenn verschiedene Mitglieder verschiedene Fähigkeiten zur Bewältigung der gemeinsam gestellten Aufgaben mitbringen würden.608 Es wird nicht verlangt, dass jedes Mitglied einen 600
Hopt/Roth, in: GroßKomm AktG, § 100 Rn. 26. Hoffmann-Becking, in: Münchener Hdb. des GesR, § 30 Rn. 2a; Hopt/Roth, in: GroßKomm AktG, § 100 Rn. 20 m.w.N.; Koch, in: Hüffer, AktG, § 100 Rn. 2; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 116 Rn. 6. 602 Dies konzedierend auch Hopt/Roth, in: GroßKomm AktG, § 100 Rn. 28: „Wie dieses Grundwissen im Einzelnen aussieht, lässt sich allgemein nur schwer sagen.“ 603 Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 321, 322; ders., in: Bayer/ Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, S. 389, 427 Rn. 117; a.A. Wirth, ZGR 2005, 327, 336. 604 Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 321, 324. 605 Dafür Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl. 2004, § 100 Rn. 79. Ähnlich Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 310 („financial literacy“); Habersack, in: MünchKomm AktG, § 116 Rn. 25; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 116 Rn. 7. Ablehnend Hopt/Roth, in: GroßKomm AktG, § 100 Rn. 20. 606 Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl. 2004, § 100 Rn. 83; a.A. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 116 Rn. 25. 607 So Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 321, 324; v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 331, 333. Anders noch Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl. 2004, § 100 Rn. 19, 66 ff. 608 So schon Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 572 f: „Allein die Mindestqualifikationen seiner Mitglieder setzen den Aufsichtsrat aber noch nicht instand, seine Aufgaben aus eigenen Kräften zu erfüllen. Hinzukommen müssen diverse Spezialkenntnisse einzelner Aufsichtsratsmitglieder. Erst das sinnvoll organisierte Zusammenspiel von Spezialisten und Generalisten im Aufsichtsrat schafft die Voraussetzungen für eine effektive Erfüllung der Aufsichtsratsaufgaben, namentlich im Bereich der Überwachung.“ Jüngst aufgegriffen von Lutter, der als Idealbesetzung vorschlägt: ein Mitglied gem. 100 Abs. 5 AktG, eines mit Leitungserfahrung, eines mit Finanzerfahrung, eines mit Rechtsexpertise, eines mit Auslandserfahrung und ggf. eines aus dem Forschungsbereich, in Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 321, 326 f. Grundsätzliche Zustimmung bei Wirth, aber: „Diese Forderung Lutters lässt sich aus dem geltenden Recht nicht herleiten. Sie entspringt der Vorstellung, dem Gremium Vorstand müsse 601
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
umfassenden juristischen und ökonomischen Sachverstand mitbringe.609 Einen solchen Ansatz verfolgt mittlerweile auch das Gesetz, indem es in § 100 Abs. 5 AktG einen Finanzexperten für den Aufsichtsrat einer börsennotierten AG fordert. Richtig ist an alldem sicher, dass es sehr schwierig ist, allgemeingültige Anforderungen zu formulieren, die für jedes Aufsichtsorgan in jeder Aktiengesellschaft unabhängig von deren Größe und Tätigkeitsbereich gelten können.610 Natürlich ist ein anderer Maßstab an Mitglieder des Aufsichtsrates der Siemens AG anzulegen, als an den Aufsichtsrat eines Kleinunternehmens. Dennoch legt der Gesetzgeber all diesen Aufsichtsräten dem Grunde nach dieselbe Aufgabe auf: nämlich den Vorstand effektiv zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG).611 Es handelt sich um eine höchstpersönliche Aufgabe,612 zu deren Erfüllung die Aufsichtsratsmitglieder ausgesucht und berufen werden. Man kann nicht annehmen, dass das Gesetz dem Aufsichtsrat Aufgaben zuweist, ohne zu erwarten, dass dieser die zur Erledigung der Aufgabe nötigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen in sich vereint.613 Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft muss daher Generalisten ebenso wie Spezialisten zu bestimmten Themengebieten versammeln; eine gewisse Mindestqualifikation müssen dabei alle aufweisen. Nur in solchen Fällen entfällt das Bedürfnis nach einer dauernden Beratung durch externe Sachverständige.614 Nach mittlerweile wohl überwiegender Meinung müssen diese notwendigen Kenntnisse bereits bei Amtsantritt vorliegen;615 darüber hinaus sind Fortbildungen während der Amtszeit wünschensein ähnlich strukturiertes Gremium Aufsichtsrat mit vergleichbaren Fähigkeiten und Ressortverteilung gegenübergestellt werden.“ ZGR 2005, 327, 338. 609 Vgl. Hopt/Roth, in: GroßKomm AktG, § 100 Rn. 20; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 116 Rn. 7. So aber Prühs, AG 1970, 347, 352. 610 Zu kritisch allerdings Binder, ZGR 2007, 745, 754: „Auch wenn gelegentlich das Postulat eines Minimums an Fachkenntnis und Fähigkeiten unmittelbar aus der Organfunktion abgeleitet wird, lassen sich daraus konkrete Folgerungen für die Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder nicht gewinnen.“ 611 Weitere zentrale Einzelaufgaben sind u. a.: die Berufung der Vorstandsmitglieder (§ 84 AktG), die Festlegung ihrer Vergütung (§ 87 AktG), die Prüfung des Jahresabschlusses (§ 171, 107 Abs. 3 AktG), die Bestellung der Abschlussprüfer (§ 111 Abs. 2 S. 3 AktG). 612 Eingehend zum Gebot der höchstpersönlichen Amtsausübung Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 554 ff. 613 Ebenso (aber gemünzt auf das einzelne Aufsichtsratsmitglied) Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl. 2004, § 100 Rn. 77. 614 BGHZ 85, 293, 295 f. Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 573: „Es wäre ein Verstoß gegen das Autarkiegebot, wenn der Aufsichtsrat seinen andauernden Bedarf an bestimmten Spezialkenntnissen von einigem Ausmaß und Gewicht nicht durch ein insoweit ausgewiesenes Aufsichtsratsmitglied abdecken wollte, sondern stets aufs Neue durch einen Sachverständigen […].“ So auch Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 30. 615 Dreher/Lange, ZVersWiss 2011, 211, 219; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 116 Rn. 24; Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl. 2004, § 100 Rn. 85; differenziert Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 574 f.: unternehmensunabhängige Kenntnisse vorher, andere nachher; a.A. Hopt/Roth, in: GroßKomm AktG, § 100 Rn. 26; BGHZ 85, 293, 295: „Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich aneignen muss“.
D. Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern
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wert.616 Nicht durch das Gesetz vorgegeben, aber in der Praxis sicher gern gesehen sind persönliche Eigenschaften eines jeden Aufsichtsratsmitglieds, die mit der Fachkompetenz an sich nichts zu tun haben, aber häufig in diesem Zusammenhang erwähnt werden.617 Hierzu zählen unter anderem die Bereitschaft zur vertrauensvollen Kommunikation, zum kritischen Hinterfragen, zur Veränderung und zur Weiterentwicklung.618 bb) Besondere Anforderungen für Aufsichtsratsund Ausschussvorsitzende Abseits der Diskussion um das nötige Level an Qualifikation jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass bestimmte Positionen innerhalb des Aufsichtsrates nur von darüber hinaus besonders qualifizierten Personen wahrgenommen werden dürfen.619 Hierzu zählt zunächst der Aufsichtsratsvorsitzende.620 Ebenso gilt dies für die Vorsitzenden der Ausschüsse, allen voran dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses.621 Ob allerdings eine besondere Sachkunde von einem jeden Ausschussmitglied verlangt werden kann, darüber gehen die Meinungen auseinander.622 Insbesondere Mertens/Cahn sprechen sich dagegen aus: „[E]in Aufsichtsratsausschuss [kann] auch dann mit der erforderlichen Sachkunde entscheiden […], wenn nicht alle Mitglieder sie besitzen. Auch hier ist es weder erforderlich noch erwünscht, daß die Spezialisten in den Ausschüssen unter sich sind und die Ausschüsse nichtspezialisierten Aufsichtsratsmitgliedern versperrt bleiben.“623 Ungeschulte Mitglieder könnten die Spezialisten vielmehr vor ihrer eigenen „Borniertheit“ bewahren.624
616
So auch Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 34. Z. B. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 32: „Neben diesen fachlichen Qualifikationen sind […] weiche Faktoren zu berücksichtigen. […] Schlüsselqualifikationen wie Problemlösungsfähigkeit und Veränderungskompetenz […].“ 618 Umfassend v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 331, 336 ff. Ähnlich bereits Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl. 2004, § 100 Rn. 84. 619 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 100 Rn. 27; Hopt/Roth, in: GroßKomm AktG, § 100 Rn. 31; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 116 Rn. 15 m.w.N.; a.A. Mertens/ Cahn, KölnKomm AktG, § 116 Rn. 9. 620 Habersack, in: MünchKomm AktG, § 100 Rn. 27 („Bindegliedfunktion“); Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 116 Rn. 15. Zum Aufsichtsratsvorsitzenden auch v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 331, 340 ff. („besondere und mehrdimensionale Rolle“, S. 340). 621 Dazu auch DCGK Ziff. 5.3.2. S. 2. 622 Dafür Habersack, in: MünchKomm AktG, § 116 Rn. 26; Hopt/Roth, in: GroßKomm AktG, § 100 Rn. 31; Wirth, ZGR 2005, 327, 333 f. Zur Zusammensetzung von Ausschüssen auch DCGK Ziff. 5.3.1. sowie Empfehlung 2005/162/EG, Nr. 11.2 (Prüfungsausschuss). 623 Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 116 Rn. 8. 624 Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 116 Rn. 8. 617
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
2. Folgen bei Mangel der Qualifikation Nach weit überwiegender Meinung hat die fehlende Sachkunde keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds;625 ggf. muss der Betroffene aber wegen Übernahmeverschuldens nach §§ 116, 93 AktG haften.626 Bei der Haftung wird unabhängig von den individuellen Fähigkeiten auf einen typisierten Sorgfaltsmaßstab abgestellt. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn der Betroffene über Sonderwissen verfügt – dieses muss er im Interesse des Unternehmens auch einsetzen.627 Neben der Haftung bleibt es zudem möglich, das Mitglied vorzeitig abzuberufen; hierfür ist allerdings eine Drei-Viertel-Mehrheit in der Hauptversammlung notwendig (§ 103 Abs. 1 AktG).628 Neben dem minder qualifizierten Aufsichtsratsmitglied können womöglich auch diejenigen Organmitglieder in die Haftung geraten, die das neue Mitglied sorgfaltswidrig ausgewählt und der Hauptversammlung zur Wahl vorgeschlagen haben (§ 124 Abs. 3 S. 1 AktG).629 So wie bei der Vorstandsbesetzung handelt es sich aber hierbei um eine unternehmerische Entscheidung, bei der den Aufsichtsratsmitgliedern jedenfalls ein breiter Ermessensspielraum zuzubilligen ist.630
IV. Ausstrahlungswirkung? 1. Gegenüberstellung aufsichts- und aktienrechtlicher Vorgaben In puncto Organqualifikation weisen Aufsichts- und Aktienrecht – mit Abweichungen im Detail631 – bemerkenswerte Parallelen auf. So nutzen beide Seiten für die Auswahl ihrer Organmitglieder zwei sehr ähnliche Kategorien, die sich schlag625 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 100 Rn. 12, § 116 Rn. 22; HoffmannBecking, in: Münchener Hdb. des GesR, § 30 Rn. 2a; Langenbucher, ZGR 2012, 314, 338; Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl. 2004, § 100 Rn. 109 ff. erwägt allerdings Ausnahmen in „besonders krassen Fällen“. 626 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 116 Rn. 22; Hopt/Roth, in: GroßKomm AktG, § 100 Rn. 29; Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl. 2004, § 100 Rn. 74. 627 BGH ZIP 2011, 2097, 2101 (ISION); zustimmend Koch, in: Hüffer, AktG, § 116 Rn. 3; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 116 Rn. 7; vorher bereits Habersack, in: MünchKomm AktG, § 100 Rn. 12, § 116 Rn. 28; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 116 Rn. 28; Wirth, ZGR 2005, 327, 335; a.A. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 Rn. 52; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 116 Rn. 3. 628 Ansonsten bleibt nur die Abberufung durch das Gericht auf Vorschlag der anderen Mitglieder des Aufsichtsrates, § 103 Abs. 3 AktG. 629 Semler, in: MünchKomm AktG, 2. Aufl. 2004, § 100 Rn. 71. Detailliert zu diesem Vorgang und den damit verbundenen Pflichten Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 321, 325 ff. 630 Ebenso Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 32. 631 Z. B. mit Blick auf den Zeitpunkt, an dem die Qualifikation gegeben sein muss (Amtsantritt vs. 6 Monate danach).
D. Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern
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wortartig als „Integrität“ und als „Kompetenz“ bezeichnen lassen. Zunächst einmal ist dies die sog. Zuverlässigkeit, die letztendlich nichts anderes als ein Test der Vertrauenswürdigkeit des Kandidaten ist.632 Die zweite Kategorie ist die der Sachkompetenz, in der die intellektuellen Fähigkeiten und beruflichen Erfahrungen des Kandidaten unter die Lupe genommen werden. Das Aufsichtsrecht verlangt von den Geschäftsleitern und Aufsichtsorganen beide Anforderungen kumulativ zu erfüllen, auch wenn die Sachkompetenz für die verschiedenen Funktionen unterschiedlich stark ausgeprägt sein muss („fachliche Eignung“ vs. „Sachkunde“).633 Das Aktienrecht hingegen kennt für Vorstandsmitglieder nur den Test der Zuverlässigkeit (§ 76 Abs. 3 AktG) und formuliert keine Anforderungen an deren Sachkompetenz;634 Aufsichtsratsmitglieder müssen hingegen nicht zuverlässig sein,635 dafür aber bestimmte Mindestqualifikationen mitbringen. Hier wird also jeweils nur eine Kategorie auf ein Gesellschaftsorgan angewendet. Die Folgerichtigkeit dieser Regelung erschließt sich jedenfalls nicht unmittelbar: wieso sollte eine vorbestrafte Person im Aufsichtsrat und eine unqualifizierte Person im Vorstand sitzen dürfen, aber nicht vice versa? Betrachtet man die Anforderungen an die Sachkompetenz im Aufsichts- und Aktienrecht genauer, zeigen sich auch hier weitgehende Übereinstimmungen.636 Insbesondere wird das Anforderungsprofil an den Aufsichtsrat maßgeblich aus seiner Aufgabenstellung abgeleitet.637 Das liegt sicherlich auch daran, dass der aufsichtsrechtliche Gesetzgeber vor der Kodifizierung im Jahr 2009 bewusst aus der jahr-
632 Vgl. BVerwGE 65, 1 f.: „Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, daß er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt.“ Als unzuverlässig gilt jedenfalls, wer eine gewerbebezogene Straftat begangen hat, vgl. Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 35 Rn. 38. Das Aktienrecht verlangt natürlich keine Zuverlässigkeit im gewerberechtlichen Sinne, die hinter § 76 Abs. 3 Nr. 2, 3 AktG stehenden Überlegungen sind jedoch ähnlich. Eine Ausnahme bildet allein § 76 Abs. 3 Nr. 1 AktG (Einwilligungsvorbehalt). 633 Das liegt daran, dass den Geschäftsleiter noch wesentlich weitreichendere Pflichten treffen als das Aufsichtsorgan, vgl. auch Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 128 Rn. 38. 634 Eignungsanforderungen für den Vorstand wurden bei der großen Reformdebatte vor 1937 ausdrücklich abgelehnt, vgl. Spindler, in: MünchKomm AktG, Vor § 76 Rn. 12. 635 Eine analoge Anwendung des § 76 Abs. 3 AktG wird abgelehnt, s. Habersack, in: MünchKomm AktG, § 100 Rn. 47; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 100 Rn. 19; Mertens/ Cahn, KölnKomm AktG, § 100 Rn. 7. 636 So Dreher, ZGR 2010, 496, 511 f.: „Die so im Aufsichtsrecht normierte „erforderliche Sachkunde“ von Aufsichtsratsmitgliedern entspricht der Mindestqualifikation im bisherigen aktienrechtlichen Sinn. […] Wenn das einzelne Aufsichtsratsmitglied dabei über ein ,Verständnis der wirtschaftlichen und rechtlichen Abläufe im Tagesgeschehen verfügen muss‘, so geht dies sicher nicht über die Anforderungen im Hertie-Urteil des BGH hinaus.“ 637 So zuerst BGHZ 85, 293, 295 f. Jetzt u. a. Dreher, ZGR 2010, 496, 513; Schaaf, Risikomanagement, S. 223 ff. (steigende Anforderungen an die Qualifikation des Aufsichtsrats mit Blick auf Risikomanagement-Überwachung).
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
zehntelangen und reichhaltigen Debatte im Aktienrecht geschöpft hatte.638 Anders ist schwerlich zu erklären, warum sich das vom BGH für die Aktiengesellschaft entwickelte „Gebot der persönlichen und eigenverantwortlichen Amtsausübung“ heute im Merkblatt der BaFin639 und dem führenden Kommentar zum KWG wiederfindet.640 Diese Beeinflussung des Aufsichts- durch das Aktienrecht ist keineswegs so unmittelbar einleuchtend wie sie scheint, schließlich werden auf diesem Wege Governance-Anforderungen aus der Aktiengesellschaft auf Banken und Versicherungen ausgeweitet, die in ganz anderer Rechtsform inkorporiert sein können. Letztendlich kann man hier von einer umgekehrten Ausstrahlung des Aktien- in das Aufsichtsrecht sprechen. Zentraler Unterschied zwischen beiden Seiten ist die Rechtsdurchsetzung: Während im Aufsichtsrecht schon die Bestellung eines unqualifizierten Kandidaten durch die Behörde faktisch unterbunden und das Aufsichtsorgan so „rechtlich intakt“ gehalten wird, lässt das Aktienrecht die Bestellung eines unqualifizierten Aufsichtsratsmitgliedes grundsätzlich zu. Der betreffende Kandidat hat „nur“ eine Organhaftung bzw. eine Abberufung zu befürchten. Es gilt hier aber wie stets im Privatrecht: „wo kein Kläger, da kein Richter“. So ähnlich sich Aufsichts- und Aktienrecht also in der Sache sind, so unterschiedlich weit gehen sie in Fragen der Rechtsdurchsetzung. Das öffentliche Recht legt sie aus Effektivitätsgründen in die Hände der Aufsichtsbehörde, das Privatrecht übergibt sie dem Willen der Gesellschaftsorgane.641 2. Ähnliche Regelungen – Gleiche Ziele? In der Sache liegen die Anforderungen, die das Aufsichts- und das Aktienrecht an die Kompetenz der Mitglieder eines Aufsichtsorgans stellen, also sehr nah beieinander. Eine wechselseitige Ausstrahlung der beiden Rechtsbereiche aufeinander scheint demnach jedenfalls möglich. Verfolgen diese Regelungen aber auch dieselben Ziele, oder tun sich hier Unterschiede zwischen den verschiedenen Wirtschaftssektoren auf?
638 Dreher/Lange, ZVersWiss 2011, 211: „Mit dem Sachkundeerfordernis wurden die bereits zuvor bestehenden gesellschaftsrechtlichen Qualifikationsvorgaben aufsichtsrechtlich kodifiziert.“; Dreher, ZGR 2010, 496, 513: „aufsichtsrechtlich normierte[.] allgemeine[.] Rechtsgrundsätze“; s. Begr. RegE FMVAStärkG, BT-Drucks. 16/12783: „Mit § 36 Absatz 3 KWG werden die bislang nach den hergebrachten kaufmännischen Grundsätzen anerkannten Anforderungen […] teilweise gesetzlich geregelt.“ 639 BaFin, Merkblatt zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, I. und III. 640 Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 36 Rn. 100. 641 Dazu bereits allgemein Zweiter Teil A. II. 3., S. 91.
D. Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern
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a) Funktionsfähiger Aufsichtsrat als unersetzlicher Bestandteil guter Corporate Governance Wieso stellt das Recht überhaupt Anforderungen an die Zusammensetzung und die Arbeitsweise eines Aufsichtsrats? Die Antwort der Kommentarliteratur ist einstimmig: Der Aufsichtsrat muss funktionsfähig sein, um eine effektive Überwachung des Vorstands gewährleisten zu können.642 In der Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft ist er das höchste Kontrollorgan und die einzige Instanz, die – in Abwesenheit eines Mehrheitsaktionärs – die Anteilseigner vor opportunistischem Verhalten des Vorstandes schützen kann. Er ist der Interessenvertreter der Aktionäre und zum Schutz des Unternehmensinteresses berufen. Fällt eine solche Instanz aus dem penibel aufeinander abgestimmten Corporate-Governance-Gefüge einer Gesellschaft mangels Funktionsfähigkeit heraus, so kann dies durch die anderen Governance-Mechanismen nicht kompensiert werden.643 Die Gesellschaft droht, mangels hinreichender Kontrolle des Vorstandes in eine Schieflage zu geraten. Die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats ist somit ein Mittel der Krisenprävention.644 Nichts anderes gilt im Bereich des Aufsichtsrechts. Zwar tritt hier die Aufsichtsbehörde als weitere Kontrollinstanz neben das Aufsichtsorgan des Finanzinstituts, das bedeutet aber nicht, dass sie die Funktion des Aufsichtsrates übernimmt. Sie sorgt vielmehr für eine zusätzliche Kontrolle im Dienste öffentlicher Interessen. Gerade die letzte Finanzkrise hat gezeigt, dass neben der behördlichen Überwachung die fortlaufende Beratung und Überwachung durch einen funktionsfähigen Aufsichtsrat von zentraler Bedeutung für die Corporate Governance von Banken und Versicherungen ist.645 b) Kompetente Zusammensetzung als notwendige Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit Wie wird die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats herbeizuführen versucht? Der Gesetzgeber bedient sich hierfür sog. prozeduraler Regeln, d. h. er nimmt keinen Einfluss auf die Entscheidungen des Aufsichtsrates selbst, sondern nur auf den Modus ihres Zustandekommens.646 Dafür stellt er zum Beispiel Anforderungen an die Zusammensetzung (§ 100 AktG) und die Arbeitsweise des Aufsichtsrates auf. Dazu gehören Fragen wie: Wie häufig trifft sich das Gremium? Wie gut müssen die 642
Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 1; Habersack, in: MünchKomm AktG, § 100 Rn. 1; Hopt/Roth, in: GroßKomm AktG, § 100 Rn. 10; Koch, in: Hüffer, AktG, § 100 Rn. 1; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 100 Rn. 1. Pointiert Lutter, in: Hommelhoff/Hopt/ v. Werder, Hdb. CG, S. 321, 322: „[E]s [sind] Menschen und nur Menschen […], die Corporate Governance verwirklichen oder eben nicht. Erkennt man dies, steht sofort die Auswahl dieser Menschen im Zentrum aller Überlegungen […].“ 643 v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 331, 332. 644 So Ludwig, Branchenbezogene Wirtschaftsaufsicht, S. 265 m.w.N. 645 Begr. RegE FMVAStärkG, BT-Drucks. 16/12783 S. 18. 646 So Binder, ZGR 2007, 745, 746.
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
einzelnen Mitglieder vorbereitet sein? Muss durch Ausschüsse oder das gesamte Gremium entschieden werden? Eine ihrer Struktur nach vergleichbare Regel findet sich auch im Vorstandsrecht mit der Business Judgment Rule,647 die die Organmitglieder zum Handeln auf angemessener Informationsbasis anhält. Unter diesen prozeduralen Anforderungen ist die Forderung nach einer hinreichenden Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder sicherlich eine der bedeutendsten und gleichzeitig die am wenigsten umstrittene. Denn wer könnte ernsthaft behaupten, dass es im Interesse auch nur irgendeines Unternehmens liegt, einen unzureichend qualifizierten Aufsichtsrat zu haben? Die hinreichende Kompetenz des Aufsichtsrats wird daher aller Orten und über Rechtsbereiche hinaus als „unabdingbare“ Voraussetzung,648 als „Selbstverständlichkeit“649, als „schlechthin zentral“650 und als „Schlüssel zu einer wirksamen Arbeit“651 bezeichnet. Die Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder als Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des gesamten Kontrollgremiums ist damit für jede Gesellschaft unerlässlich.652 c) Kompetenzprofil abhängig vom konkreten Geschäftsbetrieb Nur weil der Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern rechtsgebietsübergreifend dieselbe Bedeutung zukommt, heißt das indes noch nicht, dass die Anforderungen an die Sachkompetenz in jedem Unternehmen vergleichbar sind. Gerade zwischen Finanz- und Industrieunternehmen tun sich hier Gräben auf.653 Wo die einen Risikosensibilität und -verständnis mitbringen müssen,654 müssen sich andere, 647
§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Dazu ausführlich Binder, ZGR 2007, 745, 750 ff. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 30; v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/ v. Werder, Hdb. CG, S. 331, 333. 649 Emmenegger, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 405, 417. 650 Hopt, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG für Banken, S. 3, 17. Dahin gehen auch die Antworten zum Grünbuch der Kommission zur CG in Finanzinstituten, s. Feedback Statement, S. 8. 651 Europäische Kommission, Grünbuch Europäischer CG Rahmen, KOM(2011) 164 endg., S. 6. 652 Ein Blick auf andere Rechtsordnungen sichert diese Einsicht zusätzlich ab, s. Langenbucher, ZGR 2012, 314, 319, die auf Anforderungen an die Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder in sechs anderen Ländern verweist. 653 Statt vieler v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. CG, S. 331, 344: „Qualifikationsanforderungen an Aufsichtsratsmitglieder lassen sich zum Teil generell formulieren, hängen aber auch maßgeblich von der spezifischen Situation des zu überwachenden Unternehmens sowie der Rolle des jeweiligen Mitglieds im Gefüge der Aufsichtsratsarbeit ab. So macht es erkennbar einen Unterschied, ob der Aufsichtsrat eines Finanzinstituts oder eines Industrieunternehmens zu besetzen ist.“ 654 BaFin, Merkblatt zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, I.: „Im Hinblick auf die Bedeutung der Finanzwirtschaft […] müssen Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen in der Lage sein, die von dem Unternehmen getätigten Geschäfte zu verstehen, deren Risiken zu beurteilen und nötigenfalls Änderungen in der Geschäftsführung durchzusetzen.“; zuvor bereits Begr. RegE FMVAStärkG, BT-Drucks. 16/ 648
D. Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern
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zum Beispiel in der Pharma- oder Autoindustrie, mit Fragen der Forschung und Sicherheit auskennen. Es handelt sich hier aber nicht um ein Phänomen, das allein auf den Besonderheiten des Finanzsektors beruht. Vielmehr werden für die Kontrolle der Geschäftsleitung in unterschiedlichen Unternehmen immer unterschiedliche Kenntnisse notwendig sein, abhängig davon, ob das Unternehmen groß oder klein, national oder international, hochspezialisiert oder breit aufgestellt ist. Dasselbe gilt innerhalb des Bankensektors. Auch dort werden unterschiedliche Fähigkeiten verlangt, je nachdem, ob es sich um ein Universalkreditinstitut oder ein Spezialinstitut wie eine Bausparkasse handelt.655 Diese Unterschiede im Umfang der von den Aufsichtsratsmitgliedern geschuldeten Sorgfalt fangen Aufsichts- und Aktienrecht durch ähnliche Instrumente auf: Im Aktienrecht sorgt der flexible Sorgfaltsmaßstab der §§ 116, 93 AktG dafür, dass ein Organmitglied nur über solche Kenntnisse verfügen muss, wie sie in einem vergleichbaren Unternehmen üblich sind. Das Aufsichtsrecht stuft seine Anforderungen nach Größe, Komplexität und systemischer Relevanz der beaufsichtigten Institute ab (Proportionalitätsgrundsatz). Beide geben so viel Spielraum zur Anpassung der geschuldeten Qualifikation an die Umstände des Einzelfalls. Dass Art und Umfang der geschuldeten Qualifikation je nach Geschäftsbetrieb variieren können, ändert aber nichts an der generellen Einsicht, dass eine gewisse Fachkompetenz die notwendige Voraussetzung für die Tätigkeit eines jeden Aufsichtsratsmitgliedes ist. Und noch eine weitere Gemeinsamkeit haben diese Überlegungen aufgezeigt: dass die Anforderungen an die Sachkompetenz ein Spiegelbild der Aufgaben des Aufsichtsorgans sind.656 Diese besteht in der Beratung und Überwachung der Geschäftsleitung. Und was die Geschäftsleitung tut, hängt in erster Linie von dem Geschäftsbereich ab, in dem das Unternehmen tätig ist. Ändert sich der Geschäftsbereich oder erhöhen sich die rechtlichen Anforderungen im Umgang hiermit, so wirkt dies auf die Qualifikationsanforderungen zurück. Die Anforderungen können mit der Zeit also wachsen oder schrumpfen, je nachdem wie sich das rechtliche und tatsächliche Geschäftsumfeld entwickelt.657 d) Qualifikation nicht das einzige Merkmal der Zusammensetzung Eine letzte Erkenntnis kristallisiert sich beim Vergleich von Aufsichts- und Aktienrecht indes noch heraus. Trotz der herausragenden Bedeutung der Qualifikation für die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, sollte diese nicht zum alleinigen Maßstab erhoben werden. Eine gewisse Grundqualifikation benötigt jeder, Spe12783, S. 18: „Sie müssen die vom Versicherungsunternehmen ausgeübten Geschäfte verstehen und das Risiko für das Unternehmen beurteilen können.“ 655 Begr. RegE FMVAStärkG, BT-Drucks. 16/12783, S. 16; Fischer, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. Bd. II, § 128 Rn. 43. 656 So schon BGHZ 85, 293, 295 f. 657 So z. B. aus dem Aufsichtsrecht Schaaf, Risikomanagement, S. 236 ff. (Risikomanagement und Compliance wirken auf Anforderungsprofil des Aufsichtsrates zurück).
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
zialwissen aber nur einzelne Mitglieder. Schon Franz Klein bemerkte im Jahre 1904 spöttisch: „Von einem Aufsichtsrate zu träumen, der nur Männer von gediegener Sachkenntnis umschließt, ist Phantasterei.“658 Denn die ausschließliche Versammlung von „Fachexperten“ birgt ganz eigene Risiken. Es besteht die Gefahr einer zu großen Homogenität im Denken, die insbesondere gegenüber dem Vorstand eine kritisch begleitende Zusammenarbeit gefährdet. Empirische Studien zum Verhalten einiger Institute während der Finanzkrise legen diese Vermutung jedenfalls nahe.659 Auch diese Einsicht beansprucht rechtsgebietsübergreifend Geltung und sollte bei der Diskussion um weitere Besetzungsanforderungen wie die Vielfalt und Unabhängigkeit bedacht werden. 3. Abweichungen aufgrund des Schutzzwecks? Hat sich nicht nur der Regelungsgehalt, sondern auch die Zielsetzung der Qualifikationsanforderungen im Aufsichts- und Aktienrecht als weitgehend kongruent erwiesen, so könnte ein abweichendes Verständnis nur noch mit den besonderen aufsichtsrechtlichen Schutzzwecken erklärt werden. Wie nun schon mehrfach herausgestellt, dient das Aufsichtsrecht nicht verbandsinternen sondern -externen Zwecken, indem es Einleger und Versicherungsnehmer schützen und hierdurch das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Finanzsektors wahren möchte. Allerdings geht das Aufsichtsrecht nicht soweit, deshalb auch die Handlungsmaxime des Aufsichtsrates innerhalb einer Bank-AG diesen Zwecken zu unterwerfen; auch dieser dient – ebenso wie der Aufsichtsrat einer „Normal-AG“ – nur dem Unternehmensinteresse.660 Die im Aufsichtsrecht hinzutretenden Interessen der Institutskunden und der Öffentlichkeit werden vielmehr durch ein zweites Kontrollorgan, nämlich die Aufsichtsbehörde, wahrgenommen.661 Indem die BaFin für eine effektive Durchsetzung der Besetzungsregeln für den Aufsichtsrat sorgt, sichert sie das Vertrauen der Institutskunden, die darauf selbst keinen Einfluss haben. Es ist also dieser besondere Durchsetzungsmechanismus, der die „Spezialität“ des Aufsichts658
Referiert bei Druey, in: Doralt/Kalss, Franz Klein, S. 139, 154. Siehe die Nachweise bei Langenbucher, ZGR 2012, 314, 317. 660 Bezogen auf den Vorstand ausdrücklich Hopt, in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, S. 337, 353 f., der eine Erstreckung der „legal duties“ auf „debtholder“ ablehnt. Kritisch dazu aber Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 59 f.: „Eine Lösung, die alles beim Alten belässt und die jeweiligen Aufgaben von equity- und Risiko-Governance auf Aufsichtsrat und Bankenaufsicht verteilt, würde jedoch ebenfalls weit über das Ziel hinaus schießen. Hierdurch würde der staatlichen Aufsicht im Ergebnis eine Organfunktion zugesprochen, die sie parallel zum Aufsichtsrat positioniert. Ein Vorstand kann jedoch nicht zwei Herren – noch dazu mit unterschiedlichen Interessen – dienen.“ Er fordert de lege ferenda daher die Berufung von Vertretern der debt-governance durch die BaFin in den Aufsichtsrat, S. 68. 661 Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 53: „Sie schlüpft in die Corporate Governance-Rolle der Fremdkapitalgeber.“; so auch Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 25 f. 659
D. Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern
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rechts in Bereich der Aufsichtsratsbesetzung ausmacht.662 Die Qualifikationsanforderungen selbst sind hingegen nicht ersichtlich von den aufsichtsrechtlichen Schutzzwecken überformt worden. Das ist auch nicht notwendig, da bereits die durch das Aktienrecht eingeführte und später in das Aufsichtsrecht übernommene Pflicht zur „Mindestqualifikation“ den Interessen der Aktionäre aber auch aller anderen Interessengruppen der Gesellschaft dient. Von einem qualifizierten Aufsichtsrat profitieren alle Beteiligten gleichermaßen.663 Eine in materieller Hinsicht spezielle Regel zur Verfolgung der aufsichtsrechtlichen Schutzzwecke war daher nicht notwendig. 4. Gemeinsame Leitlinien für die Arbeit der Mitglieder eines Aufsichtsrats Als Ergebnis lässt sich damit Folgendes festhalten: die Anforderungen an die Qualifikation der Mitglieder eines Aufsichtsorgans im Aufsichts- und Aktienrecht unterscheiden sich nicht hinsichtlich ihrer Ziel- und Zwecksetzung, sondern allein mit Blick auf ihren Durchsetzungsmechanismus. Die aufsichtsrechtlichen Normen erweisen sich hier also gerade nicht als in der Sache spezieller und sind damit für eine Heranziehung zur Auslegung des Aktienrechts geeignet.664 Wie die Gesetzgebungshistorie zeigt, gilt dies vice versa für die Weiterentwicklung des Aufsichtsrechts, das seinerseits auf Erkenntnisse aus dem Nachbarrechtsgebiet zurückzugreifen pflegt. Hieraus lassen sich auch de lege lata gewisse Schlussfolgerungen ziehen. So sollte die Auslegung der „Sachkunde“ im Aufsichtsrecht dem Verständnis des Aktienrechts umfassend angepasst werden, zum Beispiel hinsichtlich der Frage, ab welchem Zeitpunkt die Befähigung des Kandidaten vorliegen muss. Andersherum muss für das Aktienrecht die Auslegung von § 76 Abs. 3 AktG und § 100 AktG überdacht werden. Kann es wirklich sein, dass nur der Vorstand zuverlässig, nicht aber sachkundig sein muss und der Aufsichtsrat sachkundig, aber nicht zuverlässig? Richtigerweise wird man hier davon ausgehen müssen, dass jedenfalls die Aufsichtsratsmitglieder, ggf. sogar die Mitglieder beider Organe beide Anforderungen (wenn auch mit Abstufungen bei der Sachkunde) zu erfüllen haben.665 Zentral für 662 Eine Ausdehnung der Eingriffsbefugnis der BaFin auf unregulierten Gesellschaften ist deswegen auch abzulehnen; vgl. auch die Referenten des DJT 2012, s. die These 25 des Gutachters Habersack sowie These 16 des Referats von Weber-Rey. 663 So auch Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 39: „Both groups will benefit from improvements in corporate governance mechanisms, structures and procedural standards, i. e., […] the expertise of board members and the board structure.“ 664 Etwas zurückhaltender aber im Ergebnis ähnlich fiel die These II 2) des Referenten Hemeling beim DJT 2012 aus. Mit Blick auf die Anforderungen an die Gesamtqualifikation des Aufsichtsrats auch Dreher, in: FS Hoffmann-Becking, S. 313, 328. Ablehnend hingegen Koch, in: Hüffer, AktG, § 100 Rn. 2: „Anforderungen wie etwa nach § 36 III KWG […] können nicht verallgemeinert werden.“ 665 Für Aufsichtsratsmitglieder auch Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 100 Rn. 1.: „Die fachliche Eignung und persönliche Integrität von Aufsichtsratsmitgliedern ist, allgemein an-
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
beide Rechtsbereiche ist weiter die Erkenntnis, dass jedes Mitglied des Aufsichtsorgans bestimmte Mindestkenntnisse vorweisen muss, das Gremium aber darüber hinaus auch über eine angemessene Mischung von Spezialisten und Generalisten verfügen muss.666 Zuletzt bestätigt der Vergleich von Aufsichts- und Aktienrecht die Vermutung, dass die Zusammensetzung eines Aufsichtsrats maßgeblich von seiner konkreten Aufgabenstellung abhängt. Diese erschließt sich wiederum nur mit Blick auf die Geschäftstätigkeit des konkreten Unternehmens. Die Qualifikationsanforderungen sind daher beweglich: steigen die Anforderungen an die Überwachungstätigkeit, steigen auch die Anforderungen an die Zusammensetzung des Gremiums. Zuletzt lässt sich erwägen, die hier angestellten Überlegungen auch auf andere Bereiche der Aufsichtsratsarbeit zu übertragen. Zu denken ist hier besonders an die Pflicht, ausreichende Zeit in die Aufsichtsratsarbeit zu investieren.667 Auch hierzu findet sich im Aktienrecht bereits Material, das bei einer Neuregulierung im Aufsichtsrecht Berücksichtigung finden könnte.668
E. Vergütung I. Einführung Die Notwendigkeit der Regulierung von Managervergütungen gilt als zentrale Lektion aus der letzten Finanzkrise.669 Weltweit herrscht Einigkeit: es sei gerade die Vergütung gewesen, die innerhalb der Banken falsche Anreize gesetzt und so das Eingehen kurzfristiger, erheblicher Risiken gefördert habe.670 Die Vergütung gilt vielen seither als Brandbeschleuniger einer Unternehmenskultur, die nur „auf den schnellen Profit“ ausgerichtet ist. Im Mittelpunkt dieser Diskussion stehen die jährlichen Bonuszahlungen für Bank-Mitarbeiter, die sog. „Banker-Boni“. Der hohe erkannt, für eine effektive Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats unabdingbar.“ (Hervorhebung hinzugefügt). Mit Blick auf die Qualifikation des Vorstands zuletzt Fleischer, KSzW 2013, 3, 7: „Die Anforderungen an Vorstandsmitglieder dürften noch ein paar Pegelstriche strenger ausfallen [als bei den Aufsichtsratsmitgliedern].“ 666 Eingehend Dreher, in: FS Hoffmann-Becking, S. 313 ff. 667 Dazu allgemein Hopt, ZHR 175 (2011) 444, 479: „Um die Überwachungsfunktion zu erfüllen, müssen die Direktoren vor allem über die notwendige Fachqualifikation verfügen und hinreichend Arbeitszeit auf die Ausübung ihres Amtes verwenden.“ 668 § 110 Abs. 3 AktG; DCGK Ziff. 5.4.5. Auf der Grundlage von CRD IV hat diese Anforderung mittlerweile tatsächlich Eingang in das Aufsichtsrecht gefunden, vgl. Art. 91 Abs. 2 der RiLi 2013/36/EU; § 25d Abs. 1 S. 1 KWG a.E. 669 Statt vieler Barack Obama, Remarks on the National Economy, 04. 02. 2009: „[M]eans and manner of executive compensation have contributed to a reckless culture and a quarter-byquarter mentality that in turn helped to wreak havoc in our financial system […].“ 670 Vgl. FSF, Principles for Sound Compensation Practices, Introduction; RiLi 2010/76/EG (CRD III), Erwägungsgrund 1; Begr. RegE VergSystG, BT-Drucks. 17/1291; Begr. RegE VorstAG, BT-Drucks. 16/12278, S. 1. Zu dieser These und ihrer empirischen Fundierung Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 30 f.
E. Vergütung
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politische Druck hat national wie international eine veritable Regulierungsflut für Gehälter in der Finanzbranche und darüber hinaus ausgelöst, so dass sich viele Unternehmen heute mit einem Dickicht an rechtlichen Vorgaben zur Vergütung konfrontiert sehen. Die Hilflosigkeit in den Unternehmenszentralen wird durch den kometenhaften Aufstieg einer neuen Dienstleistungsbranche unterstrichen: den Vergütungsberatern.671 Das alles zeigt: eine rechtliche Bestandsaufnahme, die die gesetzlichen Vorgaben ordnet und zueinander ins Verhältnis setzt, ist bitter nötig. Die vergleichende Gegenüberstellung von aufsichts- und aktienrechtlichen Regelungen soll ein erster Schritt in diese Richtung sein.
II. Aufsichtsrecht 1. Regulatorisches Umfeld Der politische Druck zur Regulierung der Vergütungen im Finanzsektor war nach der Krise dies- wie jenseits des Atlantiks gleichermaßen zu spüren und so stand das Thema vergleichsweise rasch auf der Agenda der G20-Staaten. Diese verabschiedeten im Jahr 2009 die vom Financial Stability Board erarbeiteten „Principles“ und „Implementation Standards“ für „Sound Compensation Practices“672 in Finanzinstituten, die das regulatorische Spielfeld bis heute weltweit vorgezeichnet haben.673 Die Europäische Union griff diese Vorgaben noch im selben Jahr mit einer unverbindlichen Empfehlung674 auf, verschärfte dann aber bereits ein Jahr später mit der CRD III-Richtlinie die gesetzlichen Anforderungen für Banken und Wertpapierdienstleistungsunternehmen.675 Bereits damals konstatierte man, dass Europa nun über „the strictest rules in the world on bankers’ bonuses“ verfüge.676 Durch Solvency II und CRD IV sind diese Regeln nun noch weiter ausgebaut worden. Auch der deutsche Gesetzgeber hat sich des Themas intensiv angenommen und im Jahr 2009 mit dem VorstAG erst eine allgemeine Regelung für Aktiengesellschaften verabschiedet, der dann 2010 zwei Sonderregelungen für den Finanzsektor nachgefolgt 671
Dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 40 f. Die „Principles“ wurden im April 2009 noch unter dem Namen des Financial Stability Forum (FSF) veröffentlicht. Nach der Umbenennung zum Financial Stability Board (FSB) folgte im September 2009 die Veröffentlichung der „Implementation Standards“. 673 Für eine vergleichende Darstellung ihrer Umsetzung in den USA und der EU, s. Ferrarini/Ungureanu, ZBB 2011, 418. 674 Empfehlung der Europäischen Kommission 2009/384/EG. 675 Richtlinie 2010/76/EU (CRD III) zur Änderung der RiLi 2006/48/EG (BankenRiLi). Die Änderungen der BankenRiLi in Vergütungsfragen finden sich in Art. 22 Abs. 1 sowie Anhang V, Abschnitt 11, Nr. 23, 24. CRD III lehnt sich in weiten Teilen an die FSB Principles an. Für eine tabellarische Gegenüberstellung der wichtigsten Punkte in beiden Regelwerken s. Ferran, ECFR 2012, 1, 32 ff. 676 Europäisches Parlament, European Parliament Ushers in new Era for Banker’s Bonuses, Pressemitteilung vom 07. 07. 2010. 672
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
sind.677 Seither verpflichten § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 6, Abs. 5 KWG und § 64b VAG zur Einrichtung angemessener und transparenter Vergütungssysteme, die auf eine nachhaltige Entwicklung des Unternehmens ausgerichtet sind. Bemerkenswert ist, dass der Gesetzgeber sich für weitgehend parallele Regelungen in Banken und Versicherungen entschieden hat, obwohl Letztere in der Finanzkrise nicht nennenswert durch exzessive Vergütungspraktiken in Erscheinung getreten waren.678 Die gesetzlichen Regelungen werden durch die sog. InstitutsVergVO679 und die VersVergVO680 verbindlich konkretisiert.681 2. Anforderungen in der Sache All diese Regulierungsbemühungen zeichnen sich durch dieselbe Stoßrichtung aus: ihr Ziel ist es nicht, die Höhe der Vergütungen in Finanzinstituten in irgendeiner Form zu beschränken.682 Vielmehr geht es darum, Einfluss auf die Vergütungsstruktur zu nehmen,683 um „perverse Anreize“ zur Eingehung „exzessiver Risiken“ zu unterbinden.684 Angemessene Vergütungssysteme sind damit zugleich ein integraler Bestandteil des Risikomanagementsystems.685 Komplettiert werden diese Anforderungen an die Vergütungsstruktur (a) durch Vorgaben zur VergütungsGovernance (b) und zur Offenlegung in einem Vergütungsbericht (c). Sie stehen 677 Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen, BGBl. 2010 I, S. 950. 678 Dies bemängelt Dreher, VW 2010, 1508; entspannter aber Armbrüster, VersR 2011, 1, 4: „Freilich wird gerade aus diesem Grund das Nachhaltigkeitserfordernis in Versicherungsunternehmen auch weniger Anpassungsbedarf auslösen.“ 679 Umfassend Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a, Rn. 636 ff. 680 Instruktiv Armbrüster, VersR 2011, 1, 5 ff.; monographisch Sammet, VersVergVO, 2013. 681 Die Ermächtigungsgrundlagen hierfür finden sich in §§ 25a Abs. 6 KWG, 64b Abs. 5 VAG. Inhaltlich beruhen die Verordnungen in großen Teilen auf den 2009 erlassenen Rundschreiben 22/09 und 23/09 der BaFin. 682 Eine Ausnahme hiervon gilt allein für solche Banken, die Staatshilfe in Anspruch genommen haben, s. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FMStFG iVm § 5 Abs. 2 Nr. 4 a) FMStFV sowie § 4 Abs. 3, 4 RStruktFG. 683 So schon die Empfehlung im Report der High Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière Report), S. 30 Rn. 117. Dies gilt sogar für das im Rahmen der CRD IVRiLi im Jahr 2014 eingeführte sog. „Bonus-Cap“, vgl. Art. 94 Abs. 1 lit. g) der RiLi 2013/36/ EU (CRD IV). Dieses gibt keinen absoluten, sondern nur einen relativen Höchstwert der variablen Vergütung vor und betrifft damit die Vergütungsstruktur, vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Sache Vereinigtes Königreich gegen Europäisches Parlament (Rs. 507/13) vom 20. 11. 2014, Rn. 121. 684 So ausdrücklich FSF, Principles on Sound Compensation Practices, Introduction. 685 So ausdrücklich § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 6 KWG. Im VAG wurde mit § 64b VAG eine hiervon abweichende systematische Verortung vorgenommen. Dies hat Auswirkungen auf den Lagebericht gem. §§ 289 Abs. 5 HGB, für den die Vergütungssysteme eines Versicherungsunternehmens damit nicht relevant sind.
E. Vergütung
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unter dem Vorbehalt der Proportionalität, d. h. dass die gesetzlichen Anforderungen von den Instituten in Abhängigkeit von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt ihrer Geschäfte umzusetzen sind.686 a) Vergütungsstruktur Die Anforderungen an die Vergütungsstruktur sind sicherlich die umfangreichsten und detailliertesten des gesamten Regulierungspakets; vorweg daher ein kurzer allgemeiner Überblick. Die Vergütungsverordnungen unterscheiden zwischen allgemeinen Anforderungen für alle Institute687 sowie darüber hinausgehenden Anforderungen für „bedeutende“ Institute.688 Hierbei handelt es sich häufig um international tätige Institute, für die die Vorgaben des FSB Berücksichtigung finden müssen.689 Ob sich ein Institut zu dieser Kategorie zählt, muss es selbst einschätzen und sein Ergebnis begründen und dokumentieren.690 Zur Orientierung verweisen die Verordnungen in erster Linie auf die Bilanzsumme der Institute.691 Im Bankensektor gelten zudem jedenfalls solche Institute als bedeutend, die seit Ende des Jahres 2014 der Aufsicht durch die Europäische Zentralbank unterstehen.692 aa) Nachhaltigkeit und Risikoorientierung als Grundprinzipien Die obersten Leitlinien der Vergütungsregulierung sind die Nachhaltigkeit sowie die Ausrichtung an der Risikostrategie.693 Das Erfordernis der Nachhaltigkeit soll die Bedeutung des langfristigen Unternehmenserfolgs für jeden einzelnen Mitarbeiter betonen und einer Mentalität entgegenwirken, die „nur auf den schnellen Profit“ ausgerichtet ist.694 Sie schlägt sich insbesondere in strengen Beschränkungen für die 686 Art. 92 Abs. 2 S. 1 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); §§ 25a Abs. 1 S. 4 KWG; 64b Abs. 5 S. 2 VAG. 687 §§ 3 ff. InstitutsVergVO, 3 VersVergVO. 688 §§ 17 ff. InstitutsVergVO, 4 VersVergVO. 689 Dessen Anwendungsbereich betrifft nur „significant financial institutions“, s. FSF, Principles on Sound Compensation Practices, Introduction. 690 §§ 17 Abs. 1, 2 und 4 InstitutsVergVO; 1 Abs. 2 S. 2, 5, 6 VersVergVO. 691 So liegen die aktuellen Eingangsschwellen für Banken bei einer durchschnittlichen Bilanzsumme von 15 Mrd. EUR, sofern nicht auf Basis einer internen Risikoanalyse nachgewiesen werden kann, dass die Bank nicht bedeutend iSd § 17 InstitutsVergVO ist, vgl. §§ 17 Abs. 1 InstitutsVergVO. Für Versicherungen sind die Schwellen noch etwas großzügiger bemessen – so gilt erst ab 90 Mrd. EUR Bilanzsumme ein Institut in der Regel als bedeutend, vgl. § 1 Abs. 2 S. 2 und 7 VersVergVO. 692 § 17 Abs. 2 Nr. 1 InstitutsVergVO iVm Art. 6 Abs. 4 der VO (EU) Nr. 1024/2013. 693 FSF, Principles for Sound Compensation Practices, Principle 4 – 7; Art. 92 Abs. 2 a), b) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). 694 Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing CG, 2010, Nr. 105: „Compensation systems contribute to bank performance and risk-taking, and should therefore be key components of a bank’s governance and risk management. In practice, however, risk has not always
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
variable Vergütung nieder.695 Eng damit verwoben ist die Ausrichtung der Vergütung am unternehmensinternen Risikomanagement.696 Gerade erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile sind im Nachgang der Krise für die Eingehung unüberschaubarer Risiken verantwortlich gemacht worden. Dem sollen die neuen Vergütungssysteme entgegentreten, indem sie solche Anreize eliminieren697 bzw. die Mitarbeiter auch an den nachteiligen Folgen der von ihnen eingegangenen Risiken beteiligen. Mit dem Worten des Baseler Ausschusses: „compensation outcomes should be symmetric with risk outcomes“.698 Eine enge Abstimmung von Risiko- und Vergütungsmanagement innerhalb des Instituts ist daher essentiell. bb) Angemessenes Verhältnis fixer und variabler Vergütungsbestandteile Ein großer Schritt Richtung Nachhaltigkeit soll durch ein angemessenes Verhältnis von fixen und variablen Vergütungsbestandteilen erreicht werden.699 Zu den variablen Vergütungsbestandteilen zählen all jene, deren Gewährung oder Höhe im Ermessen des Instituts steht oder vom Eintritt vereinbarter Bedingungen abhängt.700 Regelmäßig ist dieses Ereignis der vom Mitarbeiter erzielte Arbeitserfolg, weswegen häufig auch von „erfolgs- oder leistungsabhängiger Vergütung“ gesprochen wird. Die variable Vergütung tritt in verschiedenen Erscheinungsformen auf, zum Beispiel in Form der Barzahlung als Bonus oder in Form von Aktien, Aktienoptionen oder ähnlichen Finanzinstrumenten. Eine genaue Vorgabe zum Verhältnis von fixer zu variabler Vergütung findet sich nicht.701 Allerdings hat der been taken into account in determining compensation practices, with the result that some longterm risks may have been exacerbated by compensation incentives, such as those to boost shortterm profits.“ 695 Dazu sogleich unter Vierter Teil E. II. 2. a) cc). 696 Zuerst FSF, Principles on Sound Compensation Practices, Introduction: „To date, [boards] of financial firms have viewed compensation systems as being largely unrelated to risk management and risk governance. This must change.“; dann auch CRD III (2010/76/EU), Erwägungsgrund 1: „Eine Vergütungspolitik, die Anreize zur Übernahme von Risiken gibt, die über das allgemein von dem Institut tolerierte Maß hinausgehen, kann ein solides und wirksames Risikomanagement untergraben und ein übermäßiges Risikoverhalten noch verstärken.“ 697 § 5 Abs. 1 Nr. 1 InstitutsVergVO: „Die Vergütungssysteme sind angemessen ausgestaltet, wenn Anreize für die Geschäftsleiter, Geschäftsleiterinnen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Eingehung unverhältnismäßig hoher Risiken vermieden werden […].“ 698 Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing CG, 2010, Principle 10. Vorher bereits FSF, Principles on Sound Compensation Practices, Principle 5. 699 Art. 94 Abs. 1 f) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); § 25a Abs. 5 S. 1 KWG, § 6 Abs. 1 S. 1 InstitutsVergVO. Im Versicherungsbereich gilt dies gem. § 4 Abs. 2 S. 1 VersVergVO nur für „bedeutende“ Institute. 700 §§ 2 Abs. 3 InstitutsVergVO; 2 Nr. 4 VersVergVO. Zur begrifflichen Abgrenzung auch RiLi 2013/36/EU (CRD-IV), Erwägungsgrund 64. 701 Allein für Institute mit mind. 75 % Beteiligung des Restrukturierungsfonds gilt ein absolutes Verbot variabler Vergütungskomponenten, s. § 4 Abs. 3 S. 2 RStruktFG.
E. Vergütung
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europäische Gesetzgeber mit der CRD IV-Richtlinie für Banken erstmals eine maximale Obergrenze von 100 % für das Verhältnis von variabler zu fixer Vergütung festgesetzt, d. h. dass fixes und variables Gehalt sich in der Höhe maximal im Verhältnis 1:1 entsprechen dürfen.702 Mit Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Anteilseigner kann dieses Verhältnis auf maximal 1:2, also 200 %, angehoben werden;703 die Gewährung einer darüber hinausgehenden variablen Vergütung ist jedoch unter keinen Umständen erlaubt.704 Innerhalb dieses Rahmens gelten zusätzlich die folgenden Anforderungen: So muss der Anteil der fixen Vergütung hoch genug sein, damit keine persönliche Abhängigkeit des Mitarbeiters von der variablen Vergütung besteht.705 Dies gilt gerade für bedeutende Institute, da diesen der nötige Spielraum offen stehen soll, die Zahlung der variablen Vergütung im Krisenfall zu kürzen.706 Gleichzeitig darf die variable Vergütungskomponente aber auch nicht zu gering sein, damit sie die gewünschten langfristigen Handlungsanreize erzeugen kann.707 Hier stellt sich eine unverkennbar schwierige Aufgabe für die Designer der Vergütungsstruktur. cc) Variable Vergütung Die variable Vergütung stand im Zentrum der Regulierungsaufmerksamkeit und wurde mit dementsprechend weit reichenden Beschränkungen belegt.708 Diese gelten freilich nicht für alle Finanzunternehmen, sondern nur für solche mit „G20-Signifikanz“, also „bedeutende“ Institute.709 In der Praxis hat die Neuregelung für einen sprunghaften Anstieg der Festvergütung gesorgt.710 702
Art. 94 Abs. 1 lit. g) (i) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); § 25a Abs. 5 S. 2 KWG. Von dieser Möglichkeit haben die zwei großen deutschen Institute Deutsche Bank und Commerzbank bereits Gebrauch gemacht. Ausführlich zu den Details des Beschlussverfahrens Lackhoff/Kulenkamp, AG 2014, 770 ff. 704 Nach Verabschiedung der CRD IV-Richtlinie hat das Vereinigte Königreich u. a. aufgrund des Art. 94 Abs. 1 lit. g) (i) Nichtigkeitsklage vor dem EuGH erhoben, vgl. EuGH Rs. 507/13. Nachdem Generalanwalt Jääskinen der Klage in seinen Schlussanträgen jedoch keine Aussicht auf Erfolg beschieden hatte, hat das Vereinigte Königreich diese wieder zurückgenommen. 705 §§ 3 Abs. 3 Nr. 1 InstitutsVergVO; 4 Abs. 2 S. 2 VersVergVO; RiLi 2010/76/EG (CRD III), Erwägungsgrund 8: „Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass das Festgehalt eines Mitarbeiters einen so hohen Anteil seiner Gesamtvergütung darstellt, dass eine in jeder Hinsicht flexible variable Vergütungspolitik möglich ist und gegebenenfalls auch ganz auf die Zahlung einer variablen Vergütung verzichtet werden kann.“ 706 So ausdrücklich Art. 94 Abs. 1 f) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). 707 §§ 6 Abs. 1 InstitutsVergVO; 4 Abs. 2 S. 2 VersVergVO. 708 Art. 94 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). 709 §§ 18 Abs. 1 InstitutsVergVO, 1 Abs. 2 VersVergVO. Es ist allerdings fraglich, ob die InstitutsVergVO hier mit den europäischen Vorgaben hinreichend im Einklang steht, da die CRD IV-RiLi eine solche Unterscheidung nach Institutsgröße nicht kennt. 710 So auch Ferran, ECFR 2012, 1, 27. 703
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
(1) Bemessungsgrundlage und -zeitraum Zunächst einmal wird die Bemessungsgrundlage für die erfolgsabhängige Vergütung auf ganz neue Füße gestellt. Nicht nur der individuelle Erfolg, sondern auch der Erfolg der Abteilung und des Gesamtinstituts sind bei der Berechnung des variablen Vergütungsbestandteils zu Grunde zu legen.711 Auch sollen bei der Bewertung der individuellen Leistung nicht mehr ausschließlich finanzielle, sondern auch nichtfinanzielle Kriterien wie die Kundenzufriedenheit berücksichtigt werden.712 Die Leistungsbewertung muss auf einer mehrjährigen Basis erfolgen.713 Denn gerade im Bankensektor sind die Erfolge aus einem abgeschlossenen Geschäft schnell als Leistung verbucht; etwaige Risiken realisieren sich aber erst wesentlich später. Ein „quarter-to-quarter“ Denken wie es Barack Obama einst zutreffend kritisierte, soll auf diesem Wege unterbunden werden.714 (2) Nachhaltige Ausrichtung von mind. 50 % der variablen Vergütung Weiter müssen mindestens 50 % der variablen Vergütungsbestandteile dem Nachhaltigkeitserfordernis genügen.715 Hierzu zählen Bonuszahlungen gerade nicht. Vielmehr ist hiermit eine aktienbasierte Vergütung bzw. eine Vergütung mit vergleichbaren Finanzierungsinstrumenten gemeint. Diese sind jedoch nur „nachhaltig“, wenn sie mit einer hinreichend langen Haltefrist versehen sind.716 Institute, die nicht über einen Zugang zum Kapitalmarkt verfügen, müssen vergleichbare Instrumente in Form sog. „Phantomaktien“ schaffen.717 In diesem Zusammenhang sei zudem der jüngste Vorschlag der Liikanen Gruppe erwähnt, sog. „bail-in Instrumente“ zum Bestandteil der variablen Vergütung zu machen.718 Hierbei handelt es
711 FSB, Implementation Standards, Standard 6; §§ 19 Abs. 1 InstitutsVergVO; 4 Abs. 3 Nr. 1 VersVergVO. 712 Art. 94 Abs. 1 a) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); §§ 19 Abs. 2 InstitutsVergVO; 4 Abs. 3 Nr. 1 VersVergVO. 713 Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing CG, 2010, Principle 11: „[C]ompensation payout schedules should be sensitive to the time horizon of risks“. Ebenso FSF, Principles on Sound Compensation Practices, Principle 6; Art. 94 Abs. 1 b) der RiLi 2013/36/ EU (CRD IV); §§ 19 Abs. 3 InstitutsVergVO; 3 Abs. 2 S. 2 VersVergVO. 714 Dazu schon Fn. 669, S. 284. 715 Das FSB spricht von einer „substantial portion, such as more than 50 percent“, Implementation Standards, Standard 8; Art. 94 Abs. 1 l) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); §§ 20 Abs. 4 InstitutsVergVO; 4 Abs. 3 Nr. 3 VersVergVO (die VersVergVO bezieht sich nur auf die aufgeschobene Vergütung). 716 § 20 Abs. 4 InstitutsVergVO; s. auch Anhang V, Abschnitt 11, Nr. 23 m) der RiLi 2006/ 48/EG (BankenRiLi) forderte eine „Sperrfristpolitik“. 717 Vgl. Art. 94 Abs. 1 lit. l) (i) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); Insam/Hinrichs/Hörtz, DB 2012, 1568, 1572. Zu solchen „virtuellen Optionsprogrammen“ instruktiv Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 87 Rn. 79 ff. 718 High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report, S. viii: „Bail in instruments should also be used in remuneration schemes for top
E. Vergütung
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sich um Fremdkapitaltitel, die sich in der Krise des Instituts automatisch in haftendes Eigenkapital umwandeln.719 (3) Zahlungsaufschub Zur mehrjährigen Bemessungsgrundlage tritt zusätzlich ein Zahlungsaufschub für mindestens 40 % der variablen Vergütung über „wenigstens drei Jahre“ hinzu.720 Dem Mitarbeiter wird auf diesem Weg das Insolvenzrisiko der Bank für einen weit in die Zukunft reichenden Zeitraum aufgebürdet. Für Geschäftsleiter sieht die InstitutsVergVO sogar einen Aufschub von mind. 60 % der variablen Vergütung vor.721 Nicht eindeutig geklärt ist, ob die Vergütungen während dieser Zeit ratenweise ausgezahlt werden können, oder das Gesetz von einer Einmalzahlung am Ende des vorgegebenen Zeitraums ausgeht.722 Jedenfalls im Versicherungssektor wird man wohl von einem absoluten Zahlungsaufschub ausgehen müssen.723 (4) Verantwortung für Misserfolg: Malus- und Clawback-Regelungen Auch eine negative Leistungsbilanz soll sich auf die Vergütung in Finanzinstituten auswirken, allerdings wird dies auf die variable Vergütung beschränkt.724 Zu diesem Zweck können sog. Malus- bzw. Clawback-Regelungen in die Vergütungsvereinbarung aufgenommen werden, die erlauben, die Vergütung stark zu kürzen bzw. bereits ausgezahlte Teile wieder zurückzufordern. Die FSB Standards sprechen sich wie die europäischen Vorgaben für beide Varianten aus; in die Vergütungsverordnungen ist bisher allerdings nur eine Verpflichtung zur Vereinbarung von MalusKlauseln aufgenommen worden.725 Dazu gelten weitere Regeln, um sicherzustellen, dass die Folgen des Misserfolgs auch tatsächlich die Mitarbeiter treffen. So ist es verboten, das Risiko eines abgesenkten Vergütungsanteils zu hedgen oder zu vermanagement so as best to align decision-making with longer-term performance of banks.“, ebenso S. xi. Siehe dazu auch Art. 94 Abs. 1 lit. l) (ii) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). 719 Wie genau solche Bail-in Instrumente ausgestaltet sein sollten, hat die Gruppe nicht abschließend beraten, s. High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report S. 103 f. 720 FSB Implementation Standards, Standard 7; Art. 94 Abs. 1 m) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); §§ 20 Abs. 1 InstitutsVergVO; 4 Abs. 3 Nr. 3 VersVergVO. 721 § 20 Abs. 2 InstitutsVergVO. Die CRD IV-RiLi geht noch weiter und verlangt mindestens 60 % für alle „mit einer besonders hohen variablen Vergütungskomponente“, Art. 94 Abs. 1 lit. m) Unterabs. 2 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); zuvor schon FSB, Implementation Standards, Standard 6. Eine vergleichbare Regelung für Versicherungen besteht nicht. 722 FSB, Implementation Standards, Standard 7: „pro rata basis“; Art. 94 Abs. 1 lit. m) Unterabs. 2 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); § 20 Abs. 3 Nr. 1 InstitusVergVO. 723 § 4 Abs. 3 Nr. 3 VersVergVO: „[…] nicht vorher ausbezahlt werden.“ 724 FSB, Implementation Standards, Standard 5; Art. 94 Abs. 1 lit. n) Unterabs. 3 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); §§ 5 Abs. 2, 20 Abs. 5 S. 1 InstitutsVergVO; 4 Abs. 3 Nr. 4 VersVergVO. 725 §§ 20 Abs. 5 S. 1 InstitutsVergVO; 4 Abs. 3 Nr. 4 VersVergVO.
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
sichern.726 Denn so würde die Risikoorientierung des Vergütungssystems gerade unterlaufen. dd) Einstellungs- und Abfindungszahlungen Im Fall einer Neueinstellung darf ausnahmsweise eine garantierte Bonuszahlung versprochen werden; dies gilt jedoch nur während des ersten Arbeitsjahres.727 Ein kritischer Blick liegt zudem auf den Abfindungszahlungen (severance packages). Diese seien leistungsabhängig auszugestalten und dürften ein Versagen nicht belohnen.728 b) Vergütungs-Governance Für die Schaffung und Unterhaltung eines solch komplexen Vergütungssystems müssen im Unternehmen Zuständigkeiten festgelegt und Aufgaben verteilt werden. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Aufsichtsrat zu.729 Dieser soll zunächst eine Vergütungspolitik beschließen, die mit der Geschäfts- und Risikostrategie in Einklang steht und Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten vorsieht.730 Diese Politik muss mindestens einmal jährlich überprüft und angepasst werden.731 In einem „bedeutenden“ Institut soll hierfür nicht der gesamte Aufsichtsrat, sondern ein sog. Vergütungsausschuss zuständig sein.732 Dies entsprach bereits vor der verbindlichen Regelung einer industrieweiten best practice – so verfügten im Jahr 2010 bereits 90 % aller europäischen Banken über einen solchen Ausschuss.733 Bei seiner Arbeit soll der Vergütungsausschuss enge Beziehungen zum Risikoausschuss un726 FSB, Implementation Standards, Standard 14; Art. 94 Abs. 1 lit. p) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); §§ 8 Abs. 1 InstitutsVergVO; 4 Abs. 4 VersVergVO. 727 FSB, Implementation Standards, Standard 11; Art. 94 Abs. 1 lit. e) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); §§ 5 Abs. 6 Nr. 1 InstitutsVergVO; 4 Abs. 2 S. 3 VersVergVO. So auch schon der Bericht der High Level Group on Financial Supervision in the EU (de Larosière Report), S. 31 Rn. 119. 728 FSB, Implementation Standards, Standard 12; Art. 94 Abs. 1 lit. h) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); § 5 Abs. 7 InstitutsVergVO. 729 Vgl. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Principle 10: „The board should actively oversee the compensation system’s design and operation, and should monitor and review the compensation system to ensure that it operates as intended.“ CRD IV spricht vom „Leitungsorgan in seiner Aufsichtsfunktion“ und meint damit den Aufsichtsrat, vgl. Art. 92 Abs. 2 lit. c) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). 730 Art. 92 Abs. 2 lit. a), b) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). 731 Art. 92 Abs. 2 lit. c) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); § 12 InstitutsVergVO; § 3 Abs. 1 S. 1, 3 VersVergVO. 732 FSB, Implementation Standards, Standard 1; Art. 95 Abs. 2 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); §§ 25d Abs. 12 KWG, 15 InstitutsVergVO; 4 Abs. 7 VersVergVO. Dazu auch Langenbucher, ZHR 176 (2012) 652, 659 f. 733 Siehe die graphische Darstellung bei Ferrarini/Ungureanu, ZBB 2011, 418, 429.
E. Vergütung
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terhalten.734 Zuletzt muss die Umsetzung der Vergütungspolitik einmal im Jahr von einer „zentralen und unabhängigen internen Stelle“ überprüft werden.735 Damit kommt neue Arbeit auf den Bereich der internen Revision zu. In bedeutenden Instituten muss zudem ein Vergütungsberater bestellt werden, der eine „angemessene, dauerhafte und wirksame Kontrolle“ über die Vergütungspraxis ausübt.736 c) Vergütungsbericht Seit CRD III muss jedes Institut zudem einmal jährlich einen sog. „Vergütungsbericht“ zu seiner Vergütungspolitik und -praxis veröffentlichen. Hierin müssen nicht die individuellen, aber immerhin die aggregierten Bezüge aller Mitarbeiter aufgeschlüsselt nach Geschäftsbereichen und Arbeitspositionen offen gelegt werden.737 Auch über Einstellungs- und Abfindungszahlungen ist zu berichten. Durch CRD IV sind diese Pflichten noch schrittweise erweitert worden, so dass von nun an auch die Zahl – nicht aber die Identität – solcher Personen offen zu legen ist, deren jährliches Gehalt die Grenze von 1 Mio. E übersteigt.738 Gleichwohl erweisen sich die europäisch geprägten Offenlegungspflichten im internationalen Vergleich als verhältnismäßig zurückhaltend.739 Sie bringen aber insofern eine zusätzliche Belastung für Finanzinstitute, als das die Offenlegung nicht mehr ausschließlich die Gehälter der Geschäftsleiter betrifft und zudem die unternehmensinterne Vergütungspolitik detailliert dargestellt werden muss. d) Eingriffsbefugnisse der Behörde Mit der umfassenden Regulierung der Vergütungsstrukturen in Finanzinstituten wird dieser sensible Bereich erstmalig der Aufsicht durch die BaFin zugänglich gemacht. Sie soll die Einhaltung der neuen Regeln im Dienste des Gemeinwohls überwachen.740 Hierfür hat ihr der Gesetzgeber noch zusätzliche Kompetenzen an die
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§ 25d Abs. 12 S. 3 und 5 KWG. Zur Bedeutung der Risikoexpertise im Vergütungsausschuss FSF, Principles, S. 6: „Because sensitivity of compensation to risk will be essential, the most-involved board members will find themselves mediating disputes about details of risk measurement. They must have enough risk-measurement expertise to grasp the essence of the problems.“ 735 Art. 92 Abs. 2 lit. d) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). 736 § 23 Abs. 1 S. 1 InstitutsVergVO. 737 FSB, Implementation Standards, Standard 15; Anhang XII, Abschnitt 2, Nr. 15 der RiLi 2006/48/EG (BankenRiLi); § 4 Abs. 8 VersVergVO. 738 Art. 450 Abs. 1 lit. i) der VO EU Nr. 575/2013 (CRR). 739 Für einen internationalen Vergleich der europäischen Offenlegungsregeln s. Ferran, ECFR 2012, 1, 22 f. 740 Hierfür bedient sie sich u. a. breit angelegter Sonderprüfungen, vgl. FAS, Sonderprüfungen geplant – Die Aufsicht kontrolliert die Boni-Banker, v. 05. 01. 2013. Die Ergebnisse der breit angelegten Prüfungskampagne finden sich im BaFin-Journal 2/2014, S. 8 ff.
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
Hand gegeben.741 Hiernach kann die Behörde im Krisenfall die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile untersagen oder auf einen bestimmten Anteil beschränken.742 Der Aufsichtsbehörde wird damit ein Eingriff in die Vergütungsabrede erlaubt, um das Abfließen von Vermögen an bestimmte Einzelpersonen zu verhindern. Auch wenn die Norm nur in Krisenfällen Anwendung findet, handelt es sich hierbei um ein echtes Novum.743 3. Betroffene Personengruppen Eingangs wurde bereits zwischen den allgemeinen Anforderungen für alle Institute und den besonderen Anforderungen für „bedeutende“ Institute unterschieden, die insbesondere die variable Vergütung betreffen. Welche Personengruppen sind hiervon nun konkret erfasst? a) Allgemeine Anforderungen für „Geschäftsleiter und Mitarbeiter“ Die allgemeinen Anforderungen an die Vergütung gelten für die Geschäftsleiter und alle Mitarbeiter gleichermaßen.744 Als Mitarbeiter ist grundsätzlich jede natürliche Person zu qualifizieren, der sich die Bank zur Erfüllung von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen bedient.745 Eine unmittelbare vertragliche Beziehung ist nicht notwendig, so dass Leihangestellte und Mitarbeiter in einem Auslagerungsunternehmen unter diese Definition fallen.746 Eine Gegenausnahme besteht jedoch für all jene Personen, die nach Tarifvertrag bezahlt werden, denn diese Vergütung trägt eine inhärente Richtigkeitsgewähr mit sich.747 Zu beachten ist zusätzlich, dass die Anforderungen an das Vergütungssystem konzernweite Geltung beanspruchen.748
741
CRD IV sieht in Artt. 64 ff. ebenfalls einen detaillierten Katalog von Eingriffsbefugnissen vor, vgl. RiLi 2013/36/EU (CRD IV). 742 §§ 45 Abs. 2 Nr. 6 KWG; 81b Abs. 1a VAG. Zu dieser neuen Eingriffsbefugnis Armbrüster, VersR 2011, 1, 4 f.; Sammet, VersVergVO, S. 319 ff. 743 Für weitgehende Kompetenzen auch High Level Group on reforming the structure of the EU banking sector (Liikanen Group), Final Report, S. x: „[S]upervisors must have effective sanctioning powers to enforce risk management responsibilities, including sanctions against the executives concerned, such as lifetime professional bans and claw-backs on deferred compensation.“ 744 §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 6 KWG; 64b Abs. 1 VAG. 745 §§ 2 Nr. 7 InstitutsVergVO; 2 Nr. 7 VersVergVO. 746 Dazu Insam/Hinrichs/Hörtz, DB 2012, 1568, 1569. 747 §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 4 Hs. 4 KWG; 64b Abs. 6 VAG. Das gilt ebenso für Personen, deren Arbeitsvertrag auf eine Tarifvereinbarung Bezug nimmt. s. dazu Insam/Hinrichs/Hörtz, DB 2012, 1568.f. 748 §§ 64b Abs. 3 VAG, 25a Abs. 3 KWG.
E. Vergütung
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b) Besondere Anforderungen für „Geschäftsleiter und Risikoträger“ Die zusätzlichen Anforderungen an „bedeutende Institute“, die v. a. die Beschränkungen der variablen Vergütung betreffen, gelten hingegen ausschließlich für Geschäftsleiter und sog. „Risikoträger“.749 Hierzu zählt jeder, dessen Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil des Instituts auswirkt. Darüber hinaus gelten sie auch für das obere Management, die Leiter der Kontrollfunktionen750 sowie jeden weiteren Mitarbeiter, dessen Gehalt auf demselben Einkommenslevel liegt.751 Welche Personen zu den Risikoträgern zählen, muss jedes Institut grundsätzlich eigenverantwortlich bestimmen; für den Bankensektor gibt es hierfür allerdings mittlerweile detaillierte Vorgaben auf europäischer Ebene.752 Das Ergebnis ist zu dokumentieren und schriftlich zu begründen.753 c) Was gilt für Aufsichtsorgane? Wie steht es bei alldem um die Aufsichtsorgane? Das KWG bezieht sie nicht ausdrücklich in seine Regelung mit ein, das VAG hingegen schon.754 Eine sachliche Begründung für diese Ungleichbehandlung zu finden, fällt schwer. De lege ferenda wird daher eine Anpassung des KWG gefordert.755 Gewisse Friktionen mit den internationalen Vorgaben würden auf diesem Weg jedoch auch auf den Bankensektor ausgedehnt. So ist im Versicherungssektor bisher völlig unklar, wer überhaupt die Vergütungspolitik für das Aufsichtsorgan festlegen soll. Mitglieder des Gremiums selbst können es aufgrund des Gebotes der Unabhängigkeit keinesfalls sein; dasselbe gilt für den Vergütungsausschuss. Übergäbe man die Aufgabe den Geschäftsleitern, so stellte das die gesellschaftsinterne Kompetenzverteilung auf den Kopf. Bliebe also nur die Hauptversammlung,756 die für eine solch komplexe Gestaltungsaufgabe prima facie mehr als ungeeignet scheint. Eine Abstimmung des Aufsichts- auf das 749 Art. 92 Abs. 2 S. 1 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); §§ 18 Abs. 1 und 2 InstitutsVergVO; 4 Abs. 1 VersVergVO. 750 Die Vergütung z. B. des Chief Compliance Officers aber auch des Chief Risk Officers unterliegt ohnehin noch einmal besonderen Beschränkungen. Um ihre Unabhängigkeit zu wahren, darf diese überhaupt nicht vom Unternehmenserfolg abhängig sein, s. auch FSF, Principles, Principle 3; Art. 92 Abs. 2 lit. e) der RiLi 2013/36/EU (CRD IV); §§ 5 Abs. 4, 9 InstitutsVergVO; 3 Abs. 1 Nr. 2 VersVergVO; 12 Abs. 4 S. 4 Hs. 2 WpDVerOV. 751 Art. 92 Abs. 2 der RiLi 2013/36/EU (CRD IV). 752 Delegierte VO (EU) Nr. 604/2014 der Kommission vom 04. 03. 2014. 753 §§ 18 Abs. 2 und 3 InstitutsVergVO; 4 Abs. 1 S. 2, 5 VersVergVO. 754 §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 6 KWG, 64b Abs. 1 VAG. Die Konkretisierungen in der VersVergVO sind jedoch spärlich, s. § 3 Abs. 3 S. 3, Abs. 6 und 7. Zur Vergütung der Aufsichtsorgane im Versicherungsunternehmen auch Sammet, VersVergVO, S. 254 ff. Seit der Umsetzung von CRD IV finden sich nun mittlerweile auch einige wenige Anforderungen für die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern, § 25d Abs. 5 KWG. 755 Dazu Armbrüster, VersR 2011, 1, 4. 756 In einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit die Oberste Vertretung (§ 36 VAG).
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
Gesellschaftsrecht und eine mit Hinblick darauf sensiblere Ausgestaltung der Anforderungen an die interne Vergütungs-Governance wäre für zukünftige Reformen daher wünschenswert.757
III. Aktienrecht 1. Regelungsumfeld Das Gesellschaftsrecht stellt bereits seit der Reform von 1937 Anforderungen an die Vergütung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft (§ 87 AktG).758 In den letzten zehn Jahren hat sich das Recht in diesem Bereich jedoch enorm weiterentwickelt. Auf der europäischen Ebene wurde dies durch die Bemühungen der Kommission ausgelöst, die auf Anregung des Schlussberichts der Hochrangigen Expertengruppe auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts759 bereits im Jahr 2004 eine erste Empfehlung zur Vergütung von Vorstandsmitgliedern erließ.760 Parallel hierzu hatte auch der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2005 mit dem VorstOG erste Schritte in Richtung einer größeren Transparenz von Vorstandsvergütungen unternommen.761 Angestoßen durch die Finanzkrise und eine bis dato wenig befriedigende Umsetzung ihrer Anregungen legte die Kommission im Jahr 2009 eine zweite Empfehlung nach.762 In Deutschland wurde daraufhin noch im selben Jahr der § 87 AktG durch das VorstAG runderneuert.763 Das überrascht insofern, als während der Krise in erster Linie die fatale Anreizwirkung von Boni für das Bankgeschäft betont worden war. Die Einführung einer branchenübergreifenden Regelung für alle Aktiengesell757
Dies scharf kritisierend auch Dreher, VW 2010, 1508, 1510. Zur Normentwicklung Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 2; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 87 Rn. 1; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 87 Rn. 6. Eine Regelung für Aufsichtsratsmitglieder findet sich in § 113 AktG, ihnen „kann“ eine Vergütung gewährt werden. Ausführlich Lieder, Aufsichtsrat, S. 873 ff. 759 Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, 2002. 760 Empfehlung 2004/913/EG. Empfehlungen sind ihrer Rechtsnatur nach unverbindlich (Art. 288 Abs. 5 AEUV). 761 BGBl. 2005 I, S. 2267 ff. Instruktiv Spindler, NZG 2005, 689. Das Gesetz wurde notwendig, da die zuvor ergangenen Empfehlungen des DCGK von der Wirtschaft nicht hinreichend angenommen worden waren, s. Lutter, EuZW 2009, 799. 762 Empfehlung 2009/385/EG, Erwägungsgrund 2: „Die Erfahrungen der letzten Jahre […] haben gezeigt, dass die Vergütungsstrukturen zunehmend komplex geworden sind, sich zu stark an kurzfristigen Ereignissen orientieren und in einigen Fällen zu unverhältnismäßig hohen Vergütungen geführt haben, die durch die erbrachte Leistung nicht gerechtfertigt sind.“ Zu aktuellen Ideen s. Europäische Kommission, Grünbuch Europäischer CG Rahmen, Fragen 9 und 10 sowie das dazugehörige Feedback Statement, S. 10. 763 BGBl. 2009 I, S. 2509 ff. Es ist nicht ohne Kritik geblieben, s. statt vieler Semler, in: FS U. H. Schneider, S. 1227: „Das VorstAG ist ein schlecht gemachtes Gesetz. […] Es ist ein Gesetz, dass […] ohne eingehende Vorbereitung ad hoc entstanden ist.“ 758
E. Vergütung
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schaften wird man daher wohl auf den politischen Druck zurückführen müssen, der durch das gesellschaftliche Unbehagen über die als exzessiv empfundenen Managervergütungen ausgelöst worden war.764 Für börsennotierte Gesellschaften enthält der DCGK noch über das Gesetz hinaus zusätzliche Empfehlungen.765 2. Anforderungen in der Sache Das Aktienrecht rahmt die Festlegung der Vorstandsvergütung von verschiedenen Seiten ein. Zentral ist § 87 Abs. 1 AktG, der gewichtige Aussagen zur Vergütungshöhe und zur Vergütungsstruktur trifft. Weiter finden sich Vorgaben zur Festsetzung (§ 107 Abs. 3 AktG) und nachträglichen Minderung der Vergütung (§ 87 Abs. 2 AktG). Die Regeln über die Offenlegung der Vergütung finden sich im Bilanzrecht. a) Bestimmung der Vergütungshöhe aa) Allgemeine Anforderungen Von herausragender Bedeutung sind zunächst die Vorgaben in § 87 Abs. 1 S. 1 AktG zur Höhe der Gesamtbezüge766 eines jeden einzelnen Vorstandsmitglieds. Bis zum VorstAG verlangte das Gesetz allein die „Angemessenheit“ der Vergütung,767 die sich an der Lage der Gesellschaft768 sowie den Aufgaben der betreffenden Person auszurichten hatte.769 Durch die Gesetzesreform sind zwei entscheidende Kriterien hinzugekommen: zum einen muss die Angemessenheit die Arbeitsleistung berücksichtigen;770 zum anderen darf sie die übliche Vergütung nicht übersteigen. Mit 764
So Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 4. DCGK Ziff. 4.2.2 – 4.2.5 zur Vergütung des Vorstands, Ziff. 5.4.6 zur Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder. 766 Die verschiedenen Leistungen, die zu den Gesamtbezügen zählen, sind in § 87 Abs. 1 S. 1 AktG ausdrücklich genannt. Gem. § 87 Abs. 1 S. 4 AktG sind Versorgungsleistungen wie Ruhegelder, etc. entsprechend zu behandeln. 767 Aus dem Angemessenheitsgebot lässt sich nicht die Pflicht zur Vereinbarung einer bestimmten Vergütungshöhe, aber jedenfalls ein Verbot unangemessener Vergütungen ableiten, s. Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 87 Rn. 7. 768 Hiermit ist nicht etwa nur die Vermögenslage, sondern die wirtschaftliche Gesamtsituation gemeint, s. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 14. 769 Zu den Kriterien für die Beurteilung der Angemessenheit Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 87 Rn. 8 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 8 ff. Zusätzlich kann auf „Qualifikation, Marktwert, konkrete Verhandlungslage, Dauer der Zugehörigkeit zur Gesellschaft, familiäre Verhältnisse“ abgestellt werden, s. Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 4 m.w.N.; kritisch gegenüber der Berücksichtigung der Familienverhältnisse aber zu Recht Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 19. 770 Wie die Leistung bemessen wird, muss im Vorhinein anhand bestimmbarer Kriterien festgelegt werden; hierbei sollen auch nicht-finanzielle Kriterien eine Rolle spielen, s. Empfehlung 2009/385/EG Ziff. 3.2, 4.2. Ausweislich das Gesetzeswortlauts ist nur die Leistung der 765
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
dem Kriterium der Üblichkeit zieht der Gesetzgeber eine Obergrenze für die Vergütung ein,771 die nur unter besonderen Umständen überschritten werden darf.772 Die Üblichkeit ist anhand zweier Parameter abzumessen: zunächst ist ein Branchen-, Größen- und Ländervergleich anzustellen (horizontale Vergleichbarkeit).773 Bereits ein solcher Vergleich muss allerdings mit Bedacht vorgenommen werden – nur weil ein Unternehmen ähnlich groß, in derselben Branche und im selben Land tätig ist, muss es nicht gleich erfolgreich wirtschaften. Unter diesen Vorzeichen eine gleiche Bezahlung zu verlangen, scheint bedenklich und widerspricht auch der Vorgabe einer leistungsgerechten Vergütung.774 An zweiter Stelle muss ein Vergleich mit dem Lohn- und Gehaltsgefüge innerhalb des Unternehmens vorgenommen werden (vertikale Vergleichbarkeit).775 Auch hier ist allerdings Vorsicht geboten. Ein Rechtssatz der Art, dass sich die Vorstandsvergütung mathematisch folgerichtig aus der Arbeitnehmervergütung herleiten ließe, existiert nicht.776 Er würde auch voraussetzen, dass jede Gesellschaft über ein hierarchisch geordnetes und linear ansteigendes Vergütungssystem, vergleichbar denen des Öffentlichen Dienstes, verfügte. Eine solche Pflicht sieht das AktG aber keinesfalls vor. Es überrascht daher nicht, dass das VorstAG bereits aufgrund dieser begrifflichen Unschärfe auf Kritik in der Literatur gestoßen ist.777
Einzelperson, nicht aber die Leistung des Gesamtorgans relevant, s. Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 87 Rn. 12. 771 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 15. Ursprünglich sollte die Üblichkeit ein Kriterium zur Bestimmung der Angemessenheit sein. Der Rechtsausschuss befürchtete jedoch einen „Aufschaukelungseffekt“ (BT-Drucks. 16/13433, S. 10). Die Formulierung wurde dahingehend geändert, dass nun nicht mehr angemessen ist, was üblich ist, sondern es jedenfalls unangemessen ist, was fernab des Üblichen liegt. 772 Vgl. § 87 Abs. 1 S. 1 AktG a.E. Welche Umstände das sind, ist weitgehend unklar. Harsche Kritik an der Formulierung des Gesetzestextes bei Cahn, in: FS Hopt, Bd. I, S. 431, 433 ff. 773 Beschlussempf. RAusschuss, BT-Drucks. 16/13433, S. 10; Begr. RegE VorstAG, BTDrucks. 16/12278, S. 5. 774 Vgl. auch die Bedenken bei Cahn, in: FS Hopt, Bd. I, S. 431, 434 f. 775 Beschlussempf. RAusschuss, BT-Drucks. 16/13433, S. 10; Begr RegE VorstAG, BTDrucks. 16/12278, S. 5. 776 Skeptisch auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 17; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 87 Rn. 8. In diese Richtung aber DCGK Ziff. 4.2.2 Abs. 2 S. 3: „[D]er Aufsichtsrat [soll] das Verhältnis der Vorstandsvergütung zur Vergütung des oberen Führungskreises und der relevanten Gesamtbelegschaft insbesondere in der zeitlichen Entwicklung berücksichtigen, […].“ 777 Vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 3 sowie Cahn, in: FS Hopt, Bd. I, S. 431, 435: „Insgesamt ist zu konstatieren, dass der Versuch, den Begriff der Angemessenheit weiter zu konkretisieren, gescheitert ist. Bestenfalls bleibt die neue Regelung weitgehend unschädlich, weil sich wegen der zahlreichen Unklarheiten konkrete Folgen aus ihr nicht ableiten lassen.“
E. Vergütung
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bb) Besondere Regeln für Abfindungen? Eine Abfindungszahlung tritt an die Stelle der ansonsten fortlaufenden Vergütung, wenn die Vorstandstätigkeit vorzeitig und ohne wichtigen Grund von Seiten der Gesellschaft beendet wird.778 Solche Zahlungen fallen ebenfalls unter das Angemessenheitsgebot;779 weiteren Vorgaben enthält sich das Gesetz jedoch. Der Kodex geht noch darüber hinaus und empfiehlt die Vereinbarung eines sog. „AbfindungsCaps“,780 das Abfindungszahlungen auf den Wert von maximal zwei Jahresvergütungen begrenzt und zusätzlich durch die Restlaufzeit des Anstellungsvertrags beschränkt.781 Auch die Empfehlung der EU- Kommission stellt klar, dass Abfindungen in Form sog. „goldener Fallschirme“ keine Belohnung für Versagen sein dürfen.782 Noch handelt es sich hierbei „nur“ um unverbindliche Empfehlungen; gerade im Bereich der Vorstandsvergütung hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren aber bewiesen, wie schnell solche Empfehlungen zu verbindlichem Gesetzesrecht hochgestuft werden können, sollte die Praxis sich nicht hieran orientieren.783 Besondere Behutsamkeit sollte der Aufsichtsrat seit dem Urteil in Sachen „Mannesmann/Vodafone“784 zudem bei der Gewährung sog. „appreciation awards“ walten lassen, will er sich nicht dem Vorwurf der Untreue aussetzen.785 b) Anforderungen an die Vergütungsstruktur Neben der Vergütungshöhe stellt der Gesetzgeber mit § 87 Abs. 1 S. 2, 3 AktG noch zusätzliche Anforderungen an die Vergütungsstrukuren in börsennotierten Gesellschaften auf. Über den gesetzlichen Anwendungsbereich hinaus sollten diese auch von nicht börsennotierten Gesellschaften bei der Vergütungsgestaltung berücksichtigt werden.786
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DCGK Ziff. 4.2.3 Abs. 4 S. 2; Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 8; Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 87 Rn. 83. 779 Mertens/Cahn, in: KölnKomm AktG, § 87 Rn. 18; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 5. 780 Dazu auch Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 654 ff. 781 DCGK Ziff. 4.2.3 Abs. 4 S. 1. Für eine Beendigung des Vertrags aufgrund einer Changeof-Control-Klausel findet sich eine Sonderregelung in DCGK Ziff. 4.3.2 Abs. 5. Dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 53; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 87 Rn. 85 f. 782 Empfehlung 2009/385/EG, Erwäggsgrund 7. 783 Vgl. z. B. die Entstehungsgeschichte des VorstOG. 784 BGH NZG 2006, 141. Dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 47 ff.; Mertens/ Cahn, KölnKomm AktG, § 87 Rn. 34 ff. 785 Das Urteil wurde in der aktienrechtlichen Literatur überwiegend kritisch aufgenommen, vgl. Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 6 f. m.w.N. Zustimmend hingegen Martens, ZHR 169 (2005), 124, 131 ff. 786 So ausdrücklich Beschlussempf. RAusschuss, BT-Drucks 16/13433 S. 10; bekräftigend Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 87 Rn. 7.
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aa) Ausrichtung auf nachhaltige Unternehmensentwicklung Mit § 87 Abs. 1 S. 2 AktG ist der Begriff der „Nachhaltigkeit“ auch ins Aktienrecht eingezogen und gilt dort nun als das oberste Gebot in Fragen der Vorstandsvergütung.787 Sein Bedeutungsgehalt erschließt sich jedoch nicht unmittelbar.788 Letztendlich geht es darum, die Vergütungsstruktur so auszugestalten, dass die Ausrichtung unternehmerischer Entscheidungen auf einen längerfristigen Zeithorizont belohnt wird.789 Solche Anreize lassen sich in erster Linie durch die erfolgsabhängigen variablen Vergütungsbestandteile setzen. Diese sollen nicht mehr stichtagsbezogen und ohne Berücksichtigung langfristiger Entwicklungen, sondern nur mit Blick auf den dauerhaften Erfolg oder Misserfolg der Gesellschaft gewährt werden.790 bb) Mehrjährige Bemessungsgrundlage der variablen Vergütungsbestandteile § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 AktG fordert daher eine mehrjährige Bemessungsgrundlage für variable Vergütungsbestandteile. Diese Regelung wirft gleich mehrere Fragen auf: Zunächst einmal besteht Unsicherheit über den Zeithorizont. Der Wortlaut legt eine mind. zweijährige Bemessungsphase nahe,791 in der Literatur wird jedoch mit Blick auf die Regierungsbegründung792 und die letzte Empfehlung der Europäischen Kommission793 von einem Zeitraum von 3 – 5 Jahren ausgegangen.794 Weiter besteht große Unsicherheit darüber, wie dieser Vorschrift praktisch Rechnung zu tragen ist, wenn ein neues Mitglied für den Vorstand bestellt wird. Darf tatsächlich keine Zahlung geleistet werden, bevor nicht 3 – 5 Jahre abgelaufen sind und dessen
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So auch Empfehlung 2009/385/EG, Erwägungsgrund 6, 8. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 27: „Der ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammende Begriff der Nachhaltigkeit weckt positive Assoziationen, ist aber wenig glücklich gewählt.“ 789 Zum „Zeitpräferenzkonflikt“ der Vorstandsmitglieder s. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 27. Was langfristig ist, hängt von der jeweiligen Branche und ihren Zyklen ab, so Seibert, in: FS Hüffer, S. 955, 960. 790 Vgl. auch Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 10 f.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 9 sowie Seibert, in: FS Hüffer, S. 955, 960: „Dies bedeutet, dass Gratifikationen und Boni nicht so angelegt sein sollten, dass die Begünstigten die Erfüllung der Parameter nur zum Stichtag (z. B. Jahresende) anstreben – etwa durch Aufblähen des Auftragsvolumens oder Hochtreiben des Börsenkurses.“ 791 So auch Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 12 („Minimum“). 792 Durch das VorstAG wurde auch die Haltezeit für Aktienoptionen aus bedingter Kapitalerhöhung von zwei auf vier Jahre verlängert, die Begr. RegE sieht hierin ausdrücklich eine „Auslegungshilfe“ für § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 AktG, vgl. BT-Drucks 16/12278, S. 6. 793 Empfehlung 2009/385/EG, Erwägungsgrund 6: drei bis fünf Jahre. 794 Dafür auch Armbrüster, VersR 2011, 1, 3; Cahn, in: FS Hopt, Bd. I, S. 431, 441; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 31 m.w.N. 788
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Leistung auf dieser Basis bemessen werden kann?795 Oder kann eine jährliche Zahlung geleistet werden, solange dem Aufsichtsrat innerhalb der nächsten 3 – 5 Jahre aber vertragliche Möglichkeiten zur nachträglichen Anpassung durch Bonus-Malus oder Clawback-Regelungen796 eingeräumt worden sind?797 Die Ausführungen des Rechtsausschusses, der federführend für § 87 Abs. 1 S. 2, 3 AktG verantwortlich war, sind ambivalent.798 Ein umfassender Zahlungsaufschub mit Blick auf die gesamte variable Vergütung kann aber sicherlich nicht gemeint sein, denn solch strenge Anforderungen stellt nicht einmal das Aufsichtsrecht.799 Im Zweifel muss man daher davon ausgehen, dass das Gesetz die konkrete vertragliche Ausgestaltung der variablen Vergütung umfassend in die Hände des Aufsichtsrates gelegt und diesem als Aufgabe die – wie auch immer geartete – Umsetzung der „mehrjährigen Bemessungsgrundlage“ mit auf den Weg gegeben hat.800 Konkret ist allein die Vorgabe in § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 AktG, nach der eine Möglichkeit zur Begrenzung der variablen Vergütung bei außerordentlichen Ereignissen zu schaffen ist.801 cc) Zusammensetzung der Vergütung Was lässt sich vor diesem Hintergrund abschließend über die Anforderungen an die Vergütungsstruktur festhalten? Zunächst einmal muss das Fixgehalt hoch genug bemessen sein, damit das Vorstandsmitglied nicht in Abhängigkeit von seiner variablen Vergütung gerät.802 Die variable Vergütung muss nachhaltig ausgerichtet sein, d. h. sie muss zu einem überwiegenden Teil aus langfristig orientierten Elementen
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Zu Recht dagegen Cahn, in: FS Hopt, Bd. I, S. 431, 442 f.: „§ 87 Abs. 1 S. 3 AktG spricht indessen nicht von einer mehrjährigen Laufzeit der Vergütungbestandteile oder einer mehrjährigen Wartefrist bis zu ihrer Fälligkeit, sondern von einer mehrjährigen Bemessungsgrundlage.“ Kritisch auch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 12. 796 Auch die Empfehlung 2009/385/EG schlägt einen Clawback jedenfalls dann vor, wenn Zahlungen aufgrund offensichtlich falscher Daten geleistet wurden, s. Erwägungsgrund 6. 797 So wohl Spindler, in: MünchKomm AktG, § 87 Rn. 89. Zu diesem Auslegungsproblem auch Cahn, in: FS Hopt, Bd. I, S. 431, 442 f. In den Kommentaren wird in Anlehnung an die Empfehlung des Rechtsausschusses wohl tatsächlich von einem Zahlungsaufschub ausgegangen, s. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 32; Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 13. 798 Auf der einen Seite wird davon gesprochen, dass die „Auszahlung [der Vergütung] hinausgeschoben“ wird, auf der anderen Seite wird der Einsatz von Bonus-Malus Regelungen empfohlen, s. Beschlussempf. RAusschuss, BT-Drucks 16/13433, S. 10. 799 Anders aber Empfehlung 2009/385/EG, Ziff. 3.3 („ein Großteil“) und Ziff. 4.1. 800 In diese Richtung auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 32: „kluge Selbstbeschränkung des Reformgesetzgebers“. 801 Ausweislich der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zählen hierzu u. a. die Veräußerung von Unternehmensteilen oder die sonstige Realisierung stiller Reserven, s. BTDrucks. 16/13433 S. 10. 802 Vgl. Empfehlung 2009/385/EG, Ziff. 3.1; Semler, in: FS U. H. Schneider, S. 1227, 1236.
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
bestehen.803 Solche langfristigen Elemente variabler Vergütung sind v. a. Aktien- und Aktienoptionen, sofern sie mit entsprechenden Haltefristen versehen sind.804 Kurzfristig orientierte variable Vergütungsbestandteile wie Boni bleiben zulässig,805 dürfen aber die grundsätzlich geltende Langzeitorientierung nicht konterkarieren.806 Auch ein umfassender Verzicht auf variable Vergütungsbestandteile bleibt möglich.807 Darüber hinaus gibt das Gesetz keine „magischen Zahlen“ vor,808 an denen sich die Aufsichtsräte orientieren könnten. Eine detaillierte und komplexe Prüfung des jeweiligen Einzelfalles bleibt ihnen daher nicht erspart. c) Festsetzung der Vergütung Die Verantwortung für die Vorstandsvergütung ist seit jeher dem Aufsichtsrat zugewiesen.809 Diese Aufgabe muss – entgegen anders lautender Empfehlung der Europäischen Kommission810 – in Deutschland vom gesamten Gremium wahrgenommen und kann nicht an einen Vergütungsausschuss delegiert werden (§ 107 Abs. 3 S. 3 AktG). Dies soll die Transparenz erhöhen.811 Sicherlich dient es aber auch dazu, die Arbeitnehmervertreter stärker mit in die Verantwortung zu nehmen.812 Die Vorbereitung der hochkomplexen Vergütungsfragen darf jedoch auch weiterhin durch den Vergütungsausschuss besorgt werden.813 Der ebenfalls neu eingeführte § 116 S. 3 AktG soll alle Aufsichtsratsmitglieder daran erinnern, dass „die angemessene Vergütungsfestsetzung zu den wichtigsten Aufgaben des Aufsichtsrats gehört und dass [sie] für Pflichtverstöße persönlich hafte[n].“814 Es stellen sich hier allerdings schwierige Fragen bei der Schadensberechnung und Anspruchsdurchsetzung, die eine hinreichende Steuerungswirkung des Organhaftungsanspruchs 803
D.h. mind. 50 %, s. Armbrüster, VersR 2011, 1, 2. Begr. RegE BT-Drucks. 16/12278, S. 5; Empfehlung 2009/385/EG, Ziff. 4.1 (mindestens 3 Jahre); Koch, in: Hüffer, AktG § 87 Rn. 20. Für Aktienoptionen aus bedingtem Kapital gilt ohnehin § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG (mind. 4 Jahre). 805 So auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 29, 36; Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 11; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 12. 806 Beschlussempf. RAusschuss, BT-Drucks. 16/13433, S. 10: „Dabei ist auch eine Mischung aus kurzfristigeren und längerfristigen Anreizen möglich, wenn im Ergebnis ein langfristiger Verhaltensanreiz erzeugt wird.“ Kritisch dazu, v. a. mit Blick auf den Wortlaut Cahn, FS Hopt, Bd. I, 2010, S 431, 444 f. 807 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 35; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 87 Rn. 22; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 9. Beachtenswert allerdings DCGK Ziff. 4.2.3 Abs. 2 S. 2. 808 So Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 34. 809 § 87 Abs. 1 S. 1 AktG. 810 Empfehlung 2005/162/EG, Ziff. 5; Empfehlung 2009/385/EG, Ziff. 7 bis 9. 811 Begr. RegE VorstAG, BT-Drucks. 16/12278, S. 6. 812 In diese Richtung Teichmann, GPR 2009, 235, 239. 813 Begr. RegE VorstAG, BT-Drucks. 16/12278, S. 6. 814 Begr. RegE VorstAG, BT-Drucks. 16/12278, S. 6. 804
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fraglich erscheinen lassen.815 Jedenfalls in börsennotierten Gesellschaften hat daher zusätzlich die Hauptversammlung die Möglichkeit, einmal im Jahr über die Grundsätze der Vergütungspolitik abzustimmen (§ 120 Abs. 4 AktG).816 Dieser say on pay ist zwar rechtlich unverbindlich, zwingt die Aufsichtsräte aber jedenfalls zu einer öffentlichen Erklärung und Stellungnahme zu ihren Vergütungsentscheidungen.817 d) Offenlegung Die Gesamtbezüge aller Vorstandsmitglieder sind im Anhang zum Jahresabschluss offen zu legen.818 Zusätzliche Kontrolle über die Vorstandsvergütungen in börsennotierten Gesellschaften sollte die durch das VorstOG eingeführte Pflicht zur Offenlegung der individuellen Vorstandsbezüge bringen.819 Tatsächlich hat sie im Ergebnis v. a. eine Anpassung der Vorstandsgehälter nach oben befördert.820 Da die Vorschrift in erster Linie den Aktionären zu dienen bestimmt ist,821 können diese mit einer Drei-Viertel-Mehrheit ein Opt-Out aus dieser Regelung beschließen.822 Zusätzlich zu diesen individuellen Angaben soll die Gesellschaft im Lagebericht Auskunft über ihre Vergütungspolitik erteilen.823
815 Das liegt u. a. daran, dass solche Haftungsansprüche nur durch die Vorstandsmitglieder selbst oder durch ein entsprechendes Quorum der Hauptversammlung vorangetrieben werden könnten. Umfassend zu diesen Fragen Cahn, in: FS Hopt, Bd. I, S. 431, 448 ff. 816 Empfehlung 2004/913/EG, Ziff. 4; Empfehlung 2009/385/EG, Ziff. 6; zuerst Bericht der Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, 2002, S. 69 f. 817 Ausführlich Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677; Hupka, Vergütungsvotum der Hauptversammlung, 2012. 818 §§ 285 Nr. 9a, 314 Abs. 1 Nr. 6 HGB. Zur Transparenz der Vorstandsvergütung Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 78 ff.; Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 87 Rn. 87 ff. 819 §§ 285 Nr. 9a S. 5, 314 Abs. 1 Nr. 6 S. 5 HGB. Dieselbe Regel fand sich bereits seit 2002 im DCGK in Ziff. 4.2.4, blieb dort aber weitgehend unbeachtet. Auch die erste EU Empfehlung aus dem Jahr 2004 (2004/913/EG) setzte maßgeblich auf Offenlegung als Steuerungsinstrument, Ziff. 5; vorher schon Bericht der Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, 2002, S. 70. 820 Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 490: „Das Ergebnis dieser Reform war allerdings eher ernüchternd, um nicht zu sagen kontraproduktiv. Abgesehen von der ein oder anderen Neiddebatte hat diese Transparenzregel insgesamt zu höheren Vergütungen geführt, weil kein Direktor schlechter als der nächst besser verdienende bezahlt werden wollte.“ s. auch Ferran, ECFR 2012, 1, 28: „Remuneration reforms are notorious for misfiring so far as preventing the ratcheting-up of executive pay levels is concernced.“ 821 Vgl. Seibert, in: FS Hüffer, S. 955, 967. 822 § 286 Abs. 5 HGB. 823 § 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB; DCGK Ziff. 4.2.5; Empfehlung 2004/913/EG, Ziff. 3.
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
e) Nachträgliche Sanktionsinstrumente Der Aufsichtsrat soll mit Hilfe der Vergütung nicht nur im Vorhinein auf eine langfristig orientierte Unternehmenspolitik hinwirken, sondern er muss auch nachträglich auf negative Entwicklungen reagieren können. Das ist im Gesetz bereits durch die Verpflichtung auf die „Nachhaltigkeit“ und die „mehrjährige Bemessungsgrundlage“ für variable Vergütungsbestandteile angelegt. Mit § 87 Abs. 2 AktG gibt der Gesetzgeber dem Gremium nun noch ein weiteres Instrument an die Hand.824 Hiernach soll der Aufsichtsrat die Vorstandsvergütung nachträglich herabsetzen, wenn sich die Lage der Gesellschaft verschlechtert hat und die Vergütung vor diesem Hintergrund unbillig erschiene.825 Von einer Verschlechterung ist jedenfalls bei einer drohenden Insolvenz, aber auch bei einem notwendigen Dividendenausfall, Massenentlassungen oder Lohnkürzungen auszugehen.826 Die Unbilligkeit soll laut Regierungsbegründung bereits dann gegeben sein, wenn die Verschlechterung dem Vorstandsmitglied zurechenbar ist; ein pflichtwidriges Verhalten ist also ausdrücklich nicht erforderlich.827 Dem Aufsichtsrat wird damit eine weit reichende Möglichkeit zur einseitigen Vertragsanpassung eingeräumt, wie sie dem sonstigen Vertragsrecht fremd ist.828 Dies hat in der Literatur für erhebliche Kritik gesorgt, insbesondere weil die Regelung bis in die Ruhestandszeit hineinragt.829 Allerdings dürfte dem Vorstandsmitglied die Verschlechterung der Lage in diesen Konstellationen im seltensten Fall zuzurechnen sein.
824 § 87 Abs. 2 AktG existierte bereits vor dem VorstAG, wurde durch die Reform aber erheblich verschärft. Die Vorgängerversion sprach noch von einer „wesentlichen“ Verschlechterung und forderte zudem „grobe“ Unbilligkeit, s. Seibert, in: FS Hüffer, S. 955, 964 f. 825 Da es sich um eine „Soll-“Vorschrift handelt, darf der Aufsichtsrat hiervon nur unter besonderen Umständen abweichen, s. Beschlussempf. RAusschuss, BT-Drucks. 16/13433, S. 10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 66. 826 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/12278, S. 6. Differenzierend Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 63; Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 25; kritisch Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 18. 827 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/12278, S. 6: „Die Weiterzahlung der Bezüge ist ,unbillig‘, wenn der Vorstand pflichtwidrig gehandelt hat, aber auch dann, wenn ihm kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist, die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft jedoch in die Zeit seiner Vorstandsverantwortung fällt und ihm zurechenbar ist.“ Vgl. auch Seibert, in: FS Hüffer, S. 955, 964: hierunter falle auch „unternehmerisches Pech“; enger aber Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 26 („Verantwortungs- und Sanktionselement“). 828 Eine Parallele wird mitunter zu § 313 BGB gezogen, s. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 60; die Unterschiede auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite sind jedoch frappierend. § 313 BGB gewährt nur einen Anspruch auf Vertragsanpassung und kein Gestaltungsrecht und setzt zudem auf der Tatbestandsseite die Änderung von Umständen voraus, die nicht in die Risikosphäre eines der beiden Vertragsteile fallen. 829 Besonders heftige Kritik bei Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 653: „Die Einwände gegen diese Neuregelung sind derart evident, dass ihre Erwähnung fast überflüssig erscheint.“ und passim; Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 28: „schon ein Gerechtigkeitsproblem“; entspannter Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 69.
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IV. Ausstrahlungswirkung? 1. Gegenüberstellung aufsichts- und aktienrechtlicher Vorgaben Zwischen den aufsichts- und aktienrechtlichen Vorgaben zur Vergütung bestehen nicht unerhebliche Unterschiede. Gleich zu Anfang sticht der divergierende Anwendungsbereich der Vorschriften heraus: während das Aktienrecht ausschließlich die Vergütung der Vorstandsmitglieder in den Blick nimmt, widmet sich das Aufsichtsrecht der Vergütung aller Mitarbeiter eines Finanzinstituts. Auch sind die Anforderungen an die Vergütungsstruktur in den Vergütungsverordnungen wesentlich detaillierter niedergelegt als in § 87 Abs. 1 S. 2, 3 AktG. Bei all den Unterschieden zeigen sich aber auch erstaunliche Parallelen in den Grundzügen der Vergütungsregelungen. Beide Rechtsbereiche widmen sich der Vergütungsstrukur, insbesondere den variablen Vergütungsbestandteilen, weil sie hierin die Treiber einer zu kurzfristigen Unternehmenspolitik vermuten.830 Sie erheben daher die Forderung nach Nachhaltigkeit zum Grundprinzip einer ordnungsgemäßen Vergütung.831 Das Aufsichtsrecht geht dann aber hierüber hinaus, indem es neben der Nachhaltigkeit zusätzlich die Risikoorientierung zur obersten Leitlinie der Vergütungspolitik ernennt. Die Vergütung muss also nicht nur Anreize zu einer langfristigen Unternehmenspolitik setzen, sondern gleichzeitig eng mit der Risikostrategie abgestimmt werden: „[C]ompensation outcomes should be symmetric with risk outcomes“.832 Das Verlangen nach Nachhaltigkeit eint jedoch beide Seiten. Um dieses Nachhaltigkeitsziel zu erreichen, bedienen sich Aktien- und Aufsichtsrecht ähnlicher Instrumente: so sollen durch das Design der Vergütungsstruktur bereits im Vorhinein Handlungsanreize zur Verfolgung einer langfristigen Unternehmenspolitik gesetzt werden (mehrjährige Bemessungsgrundlage, Zahlungsaufschub). Gleichzeitig sollen aber auch Werkzeuge zur Verfügung stehen, mit denen die Vergütung im Nachhinein an eine nachteilige Entwicklung angepasst werden kann (§ 87 Abs. 2 AktG, Malus- bzw. Clawbackvereinbarungen). Dem Gehalt soll so eine zuvor vermisste „Elastizität nach unten“833 verliehen werden. Komplettiert wird das Instrumentenarsenal durch die Pflicht zur Offenlegung der Vergütungspolitik. Auch zur internen Organisation der Vergütung sehen beide Rechtsbereiche Regelungen vor, die sich mitunter jedoch diametral entgegenstehen (Vergütungsausschuss). Zuletzt unterscheiden sich Aktien- und Aufsichtsrecht durch ihre Durchsetzungsmechanismen. Das Aktienrecht vertraut ganz auf die disziplinierende Wirkung 830 Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 1: „Die Regelung des § 87 Abs. 1 […] beruht […] auf dem Gedanken, dass die die Vorstandsvergütung nicht nur Entgelt für geleistete Tätigkeit, sondern auch Instrument der Verhaltenssteuerung ist.“ 831 Eine Kongruenz zwischen aktien- und aufsichtsrechtlichen Vorgaben sieht hinsichtlich des Nachaltigkeitsgebots auch Binder, ZGR 2013, 760, 769. 832 Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing CG, 2010, Principle 10. 833 So Cahn, in: FS Hopt, Bd. I, S. 431, 437.
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der Organhaftung des Aufsichtsrates, auch wenn dieses System für Vergütungsfragen bereits hinreichend kritisiert worden ist.834 Die Mitwirkung der Hauptversammlung soll zwar zusätzliche Absicherung schaffen; ihr Einfluss auf die Vergütungsgestaltung hält sich allerdings in Grenzen. Das Aufsichtsrecht bedient sich dagegen der Aufsichtsbehörde als zusätzlichem Wächter über die Vergütung und weitet die Eingriffsbefugnisse der BaFin damit beträchtlich aus.835 2. Stufenverhältnis von Aufsichts- und Aktienrecht Bevor man weitere vergleichende Überlegungen zum Aufsichts- und Aktienrecht anstellt, muss ein Punkt verdeutlicht werden, der in der bisherigen Darstellung unberücksichtigt geblieben ist: Das Aufsichtsrecht baut in Fragen der Vorstandsvergütung gezielt auf den allgemeinen Vorgaben des Aktienrechtes auf und reichert diese mit zusätzlichen Regeln an. Schon das Gesetz zur Einführung der §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 6 KWG, 64b VAG orientierte sich an dem nur ein Jahr zuvor verabschiedeten VorstAG.836 Die Vergütungsverordnungen greifen darüber hinaus die Ausführungen zur Angemessenheit und Nachhaltigkeit der Vorstandsvergütung aus § 87 Abs. 1 AktG explizit und Wort für Wort auf.837 Sie erstrecken deren Inhalt dadurch auch auf Institute und Versicherungen, die nicht in der Rechtsform der Aktiengesellschaft verfasst sind. Die Vergütungsregulierung zeigt damit beispielhaft, wie sich der aufsichtsrechtliche Gesetzgeber beim aktienrechtlichen Gedankengut bedient und diese Wertungen in den eigenen Regelungskanon integriert. An anderer Stelle ist dies als „Austausch von Steuerungsinstrumenten“ bezeichnet worden.838 Die Vergütungsregulierung belegt, dass ein solcher Prozess tatsächlich stattfindet. Fraglich ist jedoch, ob dem Aufsichtsrecht aufgrund seiner Verwandtschaft mit dem Aktienrecht verallgemeinerbare Aussagen über die Regulierung von Vergütungen entnommen werden können oder ob dessen Normen durch die aufsichtsrechtlichen Schutzzwecke nicht gänzlich überformt worden sind.
834 Semler konstatierte dazu im Zuge der VorstAG Reform: „Mangelhaft war nicht das materielle Recht, sondern war und ist das Verfahrensrecht.“ in: FS U. H. Schneider, S. 1227, 1228. 835 Cahn, in: FS Hopt, Bd. I, S. 431, 453: „Der europäische Gesetzgeber vertraut also nicht darauf, dass die Abschreckungswirkung der Organhaftung ausreicht, um für die Gesellschaft schädliche Vergütungsstrukturen zu vermeiden.“ 836 Begr. RegE VergSystG, BT-Drucks. 17/1291, S. 9. 837 Vgl. §§ 10 Abs. 1 InstitutsVergVO; 3 Abs. 2 S. 1 VersVergVO. 838 Dazu schon Zweiter Teil D. I. 3., S. 140.
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3. Schutzzweckdivergenzen a) Aktienrecht: Schutz des Gesellschaftsvermögens Wie nicht häufig genug betont werden kann, dienen Aufsichts- und Aktienrecht dem Schutz unterschiedlicher Interessen. Das Aktienrecht dient dem Interessenausgleich im Verbandsinneren. Die Regeln zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung bezwecken daher allein den Schutz des Gesellschaftsvermögens vor dem ungestümen Zugriff des Unternehmensmanagements.839 Die Vorgaben zur Vergütungsstrukur sollen zudem auf das Unternehmensmanagement des Vorstands steuernd einwirken. Insbesondere der Einsatz variabler Vergütungsbestandteile seit den 90er Jahren war darauf ausgerichtet, die Interessen des Managements mit den Interessen der Anteilseigner in Einklang zu bringen, um so die negativen Auswirkungen des Prinzipal-Agenten-Konflikts einzudämmen.840 Zu diesem Zweck wurde in der Praxis die Vergütung mit Aktien bzw. aktienkursbasierten Finanzinstrumenten vorangetrieben. b) Aufsichtsrecht: Schutz der Einleger und des Staates Gerade in diesem Gleichlauf von Aktionärs- und Managementinteressen sieht das Aufsichtsrecht aber große Gefahren.841 Denn das Management wird durch die erfolgsbezogene Vergütung dazu verleitet, erhebliche Risiken zur Steigerung des Unternehmenserfolgs einzugehen. Solche Risiken sollen im Sinne der Institutskunden aber gerade vermieden werden.842 Denn für die Einleger ist allein die langfristige Liquidität der Institute entscheidend; von steigenden Kursgewinnen durch riskante Unternehmensstrategien profitieren sie nicht. Umgekehrt sind sie im Fall einer Unternehmenskrise aber die Leidtragenden.843 Das zu verhindern, ist die zentrale Aufgabe des Aufsichtsrechts. Die zweite Schutzdimension der aufsichtsrechtlichen Regelungen hat sich gerade in der letzten Finanzkrise gezeigt: Gehen Bankenmanager zu hohe Risiken ein und treiben ihr Institut in die Krise, so gefährden 839
Fleischer, Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 1; Koch, in: Hüffer, AktG, § 87 Rn. 1; Mertens/ Cahn, KölnKomm AktG, § 87 Rn. 2; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rn. 1. 840 Zu den Prinzipal-Agenten-Konflikten in der Aktiengesellschaft s. bereits Erster Teil A. I., S. 27. 841 In diese Richtung auch Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 26: „Pay arrangements that would be preferred by shareholders are by no means identical to those that are preferred by the supervisor as a socially optimal solution.“ 842 Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. CG von Banken, S. 31, 57: „Höhere Erträge im Interesse der Eigentümer gehen Hand in Hand mit höheren Risiken für die Fremdkapitalgeber der Bank.“; ähnlich Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 19. Empirische Studien belegen, dass Banken die stark aktionärsorientiert gearbeitet haben, in der Krise besonders schlecht abgeschnitten haben, s. Fn. 130, S. 44. 843 Zum Konflikt zwischen Aktionären und Gläubigern mit Blick auf den Risikoappetit der Unternehmensleitung s. bereits allgemein Erster Teil B. II. 1., S. 42 f. sowie Vierter Teil B. IV. 3. dd), S. 235 f.
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sie die Stabilität des gesamten Finanzsystems.844 Letztendlich muss der Steuerzahler einspringen. Diese implizite Staatsgarantie treibt wiederum das Bankenmanagement zur Eingehung noch höherer Risiken an. Zentrales Ziel der aufsichtsrechtlichen Regelungen in §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 6 KWG, 64b VAG ist es daher, die Einleger und die Öffentlichkeit vor allzu risikobehafteten Geschäften von Finanzinstitutionen zu schützen, indem sie den Risikoappetit des Bankenmanagements zügeln.845 Eine vergleichbare Bevorzugung von stakeholder Interessen findet sich im Aktienrecht nicht.846 Das Aufsichtsrecht stellt die Interessen der Einleger also gezielt über diejenigen der Aktionäre. Ein Gleichlauf der Interessen liegt demnach nicht vor.847 4. Höhere Risiken der Vergütungsgestaltung im Finanzsektor Diese Zielsetzung des Aufsichtsrechts wird verständlich, wenn man sich die Chancen und Risiken der Vergütungsgestaltung im regulierten wie im unregulierten Sektor vor Augen führt. Während die Vorteile einer „angemessen“ ausgestalteten Vergütung in beiden Bereichen vergleichbar sind, sind die Nachteile einer fehlgestalteten Vergütung im Finanzsektor wesentlich höher. Außerdem wird sich zeigen, dass es gerade der Finanzsektor ist, dem eine Ausrichtung auf nachhaltige Unternehmensentwicklung erst von außen eingeimpft werden muss. a) Vergütung als notwendiges Werkzeug im Wettbewerb um Managertalente Vergütungspakete sollen im Finanzsektor, ebenso wie in jedem anderen Wirtschaftssektor, in erster Linie einem Ziel dienen: dem Unternehmen im Wettbewerb um Managertalente einen Vorteil zu verschaffen.848 Von besseren Führungskräften verspricht man sich bessere Unternehmensergebnisse, was wiederum allen Beteiligten zu Gute kommt. Die Debatte um hohe Vorstandsvergütungen begegnet einem daher erwartungsgemäß nicht nur im Finanzsektor, sondern auch in Industrieunternehmen. Im Jahr 2012 war es der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, Martin Winterkorn, dessen Jahresgehalt von ca. 17 Mio. EUR hohe Wellen in der öffentlichen Diskussion schlug.849 Fragen zur Zulässigkeit exorbitanter Vorstands844
So auch Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 25a Rn. 636. Vgl. auch die Überlegungen bei Ferran, ECFR 2012, 1, 7; Hüttenbrink/Kaserer/Rapp, ZBB 2012, 1, 2; Langenbucher, in: FS U. H. Schneider, S. 751, 755. 846 Zwar wird auch dort durch die Einführung des Nachhaltigkeitsgebots den Interessen anderer stakeholder-Gruppen Rechnung getragen. Diese stehen jedoch weiterhin gleichberechtigt neben den Aktionärsinteressen als Bestandteil des übergeordneten Unternehmensinteresses. Das Aufsichtsrecht räumt den Interessen der Institutskunden hingegen einen eindeutigen Vorrang ein. 847 Dazu Mülbert, Corporate Governance of Banks, S. 39. 848 Vgl. Martens, in: FS Hüffer, S. 647, 649. 849 FAS, „Top-Manager verlieren ihre Freunde“, v. 18. 03. 2012. 845
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vergütungen stellen sich also branchenübergreifend.850 Es ist daher konsequent, dass das Aufsichtsrecht keine eigenen Regeln zur Vergütungshöhe trifft, sondern direkt auf § 87 Abs. 1 S. 1 AktG zurückgreift.851 b) Vergütungsstrukturen im Finanzsektor besonders kurzfristig ausgerichtet Die Besonderheit der Vergütung im Bankbereich kann also nicht in der Gesamtsumme, sondern nur in der Zusammensetzung der Vergütung bestehen, die in besonderem Maße auf die eingangs genannten Bonuszahlungen setzt.852 Diese sind ihrer Natur nach kurzfristig orientiert, da sie die Geschäftsentwicklung nach einem bestimmten Stichtag unberücksichtigt lassen. Sie motivieren daher dazu, bis zu dem genannten Tag umfängliche Geschäfte zu tätigen, ohne deren längerfristigen Risikogehalt hinreichend zu berücksichtigen.853 Ähnliche Anreize gehen von einer aktienbasierten Vergütung aus, sofern sie keine Haltefristen vorsieht.854 Solche Anreize sind hochgradig kontraproduktiv in einem Unternehmen, dass aufgrund seines Geschäftsmodells auf die penible Einhaltung seiner Risikobalance bedacht sein muss.855 Wie ist diese Vergütungspraxis dann aber zu erklären? Einen Fingerzeig mag der Vergleich mit der Praxis in Versicherungsunternehmen geben, aus denen vergleichbare „Boni-Exzesse“ nicht bekannt sind. Der zentrale Unterschied liegt hier weniger im Geschäftsmodell als in der Unternehmensfinanzierung. Versicherungen gehen – im Regelfall – langfristige Verbindlichkeiten ein und finanzieren sich selbst auch langfristig.856 Banken hingegen investieren zwar ebenfalls langfristig, finanzieren sich aber überwiegend kurzfristig und müssen daher beständig bemüht sein, in sehr kurzen Zeitabständen ihre fortlaufende Refinanzierung sicherzustellen. Dies 850
Fragen zur Vergütungshöhe sind daher zutreffend in § 87 Abs. 1 S. 1 AktG und nicht in den Spezialgesetzen geregelt. 851 Dazu bereits oben Vierter Teil E. IV. 2., S. 306. 852 Das bestätigt auch die empirische Studie von Hüttenbrink/Kaserer/Rapp, ZBB 2012, 1, 6 f. Vgl. insbesondere die Zahlen aus dem EBA Report, Benchmarking of Remuneration Practices at Union Level, vom 13. 06. 2014. 853 So auch Ferrarini/Ungureanu, Unique Features in the Governance of Banker’s Compensation, S. 3: „Short term gains are significantly higher at banks.“ und in Fn. 11: „These are not always real gains: income is realised immediately, while the riskiness of a transaction becomes often only known after a considerably time delay.“ 854 Dazu auch schon Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, 2002, S. 69: „Eine Vergütung in Form von Aktien oder Aktienoptionen hebt den Interessenkonflikt der geschäftsführenden Direktoren nicht ganz auf und hat einige negative Folgen. Wenn diese Vergütungsformen Gewinne aufgrund eines kurzfristigen Kursanstiegs erlauben, erhöhen sie für geschäftsführende Direktoren den Druck, im Einklang mit den zeitlichen Vorgaben ihrer Entlohnungsbedingungen kurzfristig positive Ergebnisse zu erzielen. Diese Ergebnisse sind aber unter Umständen nicht von Dauer.“ 855 Zur Bedeutung des Risikos im Geschäftsmodell von Banken und Versicherungen bereits Vierter Teil B. IV. 3. cc), S. 234 f. 856 So auch Armbrüster, VersR 2011, 1, 12.
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4. Teil: Anwendung auf ausgewählte Corporate-Governance-Fragen
mag einer der Gründe sein, warum das Bankgeschäft wesentlicher kurzfristiger „tickt“ als die Geschäfte diverser anderer Unternehmen. Das bedeutet aber auch, dass ein besonderes Bedürfnis besteht, den Nachhaltigkeitsgedanken und die Risikosensibilität von außen in das Bankgeschäft hineinzutragen. c) Langfristiges Handeln in Banken aber von besonderer Bedeutung Woher aber resultiert dieses Bedürfnis nach einer nachhaltigen und risikosensiblen Unternehmenspolitik in Banken? Hier greifen all jene Begründungen, die eine Bankenregulierung überhaupt erforderlich machen.857 Banken sind von besonderer Bedeutung für den Rest der Volkswirtschaft und der Staat ist auf ihre Funktionsfähigkeit angewiesen. Rutschen Banken in eine Schieflage, so drohen erhebliche Ansteckungseffekte innerhalb wie außerhalb des Sektors und machen ggf. kostenintensive staatliche Rettungsprogramme notwendig. Der Schlüssel zur Verhinderung solcher Krisen ist das ordnungsgemäße Risikomanagement. Der Umgang mit Risiken wird aber maßgeblich durch die unternehmensinternen Vergütungsstrukturen bestimmt.858 Die Vergütung im Finanzsektor wird daher reguliert, um ein zu risikoreiches und damit destabilisierendes Verhalten des Bankenmanagements und seiner Mitarbeiter im Dienste der Öffentlichkeit zu unterbinden.859 5. Positive Ergebnisse der negativen Abgrenzung von Aufsichts- und Aktienrecht Einer Verallgemeinerung aufsichtsrechtlicher Vergütungsregeln im Wege einer Ausstrahlungswirkung muss daher mit äußerster Skepsis begegnet werden.860 Zwar entstammen beide Regelungskomplexe derselben „Wurzel“, was sich v. a. in der beidseitigen Betonung der Nachhaltigkeit niederschlägt. Das Aufsichtsrecht hat sich hiervon ausgehend aber in eine ganz andere Richtung entwickelt, um seine teilrechteigenen Schutzzwecke erfüllen zu können.861 Dazu gehört insbesondere die 857
Dazu bereits Erster Teil C. I. 1., S. 48 ff. RiLi 2010/76/EG (CRD III), Erwägungsgrund 1: „Eine Vergütungspolitik, die Anreize zur Übernahme von Risiken gibt, die über das allgemein von dem Institut tolerierte Maß hinausgehen, kann ein solides und wirksames Risikomanagement untergraben und ein übermäßiges Risikoverhalten noch verstärken.“ 859 So auch die Gegenüberstellung bei Langenbucher, in: FS U. H. Schneider, S. 751, 754 f. 860 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 87 Rn. 26 (allerdings mit Blick auf die – noch speziellere – FMStV): „Insoweit ist sachlich und methodisch große Zurückhaltung geboten.“ sowie Hopt, ZHR 175 (2011) 444, 492: „Keinesfalls sollten solche Spezialregeln für die Finanzbranche aber in das allgemeine Aktienrecht übernommen werden. Eine gefährliche Tendenz dazu ist allerdings hier wie auch in anderen Regelungszusammenhängen festzustellen.“ 861 Ähnlich Armbrüster, VersR 2011, 1, 11: „Derartige Übertragungen einer sektorenspezifischen Regelung auf das allgemeine Aktienrecht kommen von vornherein nur dort in Betracht, wo sich die aufsichtsrechtliche Vorschrift lediglich als sachgerechte, allgemeingültige Konkretisierung der allgemeinen Vorgaben darstellt. Dies ist keineswegs regelmäßig der Fall. 858
E. Vergütung
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detaillierte Regelung der variablen Vergütungselemente zur Steuerung der Risikobereitschaft von Geschäftsleitern und „Risikoträgern“. Nichtsdestotrotz lassen sich dem Aufsichtsrecht gewisse Anhaltspunkte für die Auslegung des Aktienrechts entnehmen. Zwar nicht in positiver, aber immerhin in negativer, abgrenzender Hinsicht. Denn soll das Aktienrecht nicht strengere Anforderungen als das Aufsichtsrecht aufstellen, so muss es sich an dessen Regelungen als „Höchstgrenze“ orientieren.862 Das gilt insbesondere für die Frage, ob § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 AktG tatsächlich einen Zahlungsaufschub der variablen Vergütung verlangt. Die Analyse des Aufsichtsrechts lehrt hier, sauber zwischen einer mehrjährigen Bemessungsgrundlage und einem Zahlungsaufschub zu unterscheiden. Ersteres trifft eine Aussage über die Datenbasis, die zur Bemessung der erbrachten Arbeitsleistung herangezogen werden muss; Zweiteres verlangt zusätzlich eine verzögerte Auszahlung der auf dieser Datenbasis errechneten Vergütungsbestandteile. Die Verpflichtung zu solch einem Zahlungsaufschub ist dem aktienrechtlichen Gesetzestext nicht zu entnehmen. Erst recht kann hiervon nicht die gesamte variable Vergütung betroffen sein, wenn bereits im Aufsichtsrecht nur von 40 – 60 % die Rede ist. Ähnliche Indizien hält das Aufsichtsrecht mit Blick auf die Zusammensetzung der variablen Vergütung bereit. So ist auch im Finanzsektor eine Verwendung kurzfristiger Vergütungsbestandteile weiterhin gestattet, solange nur mind. 50 % der variablen Vergütung langfristige Handlungsanreize setzen. Sind Bonuszahlungen aber sogar nach KWG und VAG noch erlaubt, muss dies erst recht für das AktG gelten.863 Andersherum muss aber auch im Aktienrecht die langfristige Ausrichtung der Vergütung überwiegen, so dass auch dort von einer Quote von mind. 50 % an variablen Vergütungsbestandteilen ausgegangen werden muss.864 Um die Verhaltenssteuerung durch Vergütungsanreize nicht zu konterkarieren, muss zudem im Aktien- und Aufsichtsrecht ein Verbot von Hedging- und Versicherungsgeschäften gelten.865
So weichen die Vorgaben für das Vergütungssystem – wie aufgezeigt – teils deutlich von denjenigen des Aktienrechts ab, auch wenn sie gleichermaßen dem generellen Ziel einer verantwortungsvollen Unternehmensführung dienen.“ 862 So auch schon das Ergebnis mit Blick auf Fragen des Risikomanagements, s. Fn. 360, S. 238. 863 So auch die hM (s. Fn. 805, S. 302), freilich nicht unter Berufung auf das Aufsichtsrecht. Kritisch aber Cahn, in: FS Hopt, Bd. I, S. 431, 443 ff. 864 Armbrüster, VersR 2011, 1, 11. 865 Für ein Verbot des Hedgings auch im Aktienrecht Mertens/Cahn, KölnKomm AktG, § 87 Rn. 66; Spindler, in: MünchKomm AktG, § 87 Rn. 110.
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Erster Teil: Unternehmensführung als Gegenstand von Aktien- und Aufsichtsrecht
1. Die Corporate-Governance-Problematik erwächst aus der Aufspaltung des Eigentums an und der Verfügungsgewalt über die Gesellschaft (separation of ownership and control). In der Aktiengesellschaft ist dieser Konflikt aufgrund des breit gestreuten Anteilseigentums von besonderer Brisanz. Daher bedient sich das Aktienrecht verschiedener Instrumente, um die Interessen der Unternehmensverwaltung mit denen der Aktionäre in Einklang zu bringen und so opportunistisches Verhalten zu unterbinden (equity-governance). Hierzu zählen insbesondere die haftungsbewehrten Sorgfaltspflichten in den §§ 93, 116 AktG, die Vorstand und Aufsichtsrat auf die Wahrung des „Unternehmensinteresses“ verpflichten. 2. Die Corporate Governance von Finanzinstituten weist demgegenüber Besonderheiten auf. Der Fokus liegt in erster Linie auf dem Schutz der Institutskunden, auf deren Versorgung mit Kapital die Institute angewiesen sind, um ihrer Funktion als Finanzintermediäre gerecht zu werden. Anders als die Anteilseigner bevorzugen die Institutskunden eine wenig risikogeneigte Unternehmenspolitik und sind in erster Linie auf die langfristige Stabilität des Finanzinstitutes bedacht. Abweichend von der aktienrechtlichen Governance zielt die aufsichtsrechtliche Governance daher darauf, die Interessen der Unternehmensverwaltung an denen der Institutskunden auszurichten (debt-governance). Aus diesem Grund stellt das Aufsichtsrecht beispielsweise besondere Anforderungen an das Risikomanagement und die Vergütung in Finanzinstituten, denn so soll der „Risikoappetit“ der Unternehmensverwaltung gezügelt werden. Zum Schutz der Institutskunden bedarf es aber nicht nur besonderer Regeln, sondern auch einer besonderen Durchsetzung dieser Regeln, die von den Einzelnen in einem solchen Massengeschäft nicht geleistet werden kann. An ihre Stelle tritt die Aufsichtsbehörde. 3. Banken und Versicherungen sind seit nahezu einem Jahrhundert einem umfangreichen Katalog von Sonderregeln unterworfen. Grund hierfür ist ihre besondere volkswirtschaftliche Bedeutung sowie die dem Finanzsektor inhärente Instabilität, aufgrund derer die Krise eines einzelnen Instituts systemische Gefahren für den gesamten Sektor auslösen kann. Ziel des Aufsichtsrechts ist es, dieser Instabilität entgegenzuwirken und das Vertrauen in die einzelnen Institute zu erhalten. Die Corporate-Governance-Vorgaben sind ein Instrument von vielen zur Erreichung dieses Ziels. Sie sind erst vor vergleichsweise kurzer Zeit als Teil der sog. „qualitativen Aufsicht“ in den Korpus des Aufsichtsrechts eingefügt worden. Dahinter stand die Überlegung, durch die stärkere Regulierung der Unternehmensbinnen-
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struktur und die Schaffung verschiedener interner Kontrollfunktionen einen Teil der behördlichen Überwachungsaufgabe in das Unternehmen hinein zu verlagern. Auf diesem Wege soll die gesamte Unternehmensstruktur auf die Verfolgung aufsichtsrechtlicher Ziele ausgerichtet werden. Zuvor war man den Finanzinstituten in erster Linie mit Anforderungen an ihre Kapitalstruktur zu Leibe gerückt. Seit Basel II und Solvency II stehen quantitative und qualitative Anforderungen gleichberechtigt nebeneinander. 4. Die Rechtsentwicklung im Aufsichtsrecht wird in erheblichem Maße von internationalen Standardsettern wie dem Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht geprägt. Auch ist die europäische Harmonisierung des Aufsichtsrechts vergleichsweise weit fortgeschritten; in diversen Fragen wird mit Verordnungen oder vollharmonisierenden Richtlinien gearbeitet. Der nationale Gesetzgeber tritt dahinter zurück. Das Binnenrecht der Aktiengesellschaften ist dagegen noch weitgehend national determiniert. Unterhalb des Gesetzesrechts finden sich sowohl im Aktien- als auch im Aufsichtsrecht Regelungsinstrumente des Soft Law, die trotz mangelnder Verbindlichkeit die Rechtswirklichkeit maßgeblich prägen. Das gilt insbesondere für die norminterpretierenden Rundschreiben der BaFin wie die MaRisk und MaComp. 5. Der zentrale Unterschied zwischen aktien- und aufsichtsrechtlicher Corporate Governance liegt im Schutzzweck der jeweiligen Normen: Während das Aktienrecht allein auf den Interessenausgleich im Verbandsinneren bedacht ist, bezweckt das Aufsichtsrecht den Schutz verbandsexterner Interessen, wie den der Institutskunden und des öffentlichen Interesses am Funktionieren des Finanzmarktes. Zwar orientiert sich auch die aktienrechtliche Governance durch ihre Ausrichtung auf das „Unternehmensinteresse“ nicht ausschließlich am Aktionärsinteresse, sondern bezieht auch andere stakeholder Gruppen mit ein; das Aufsichtsrecht geht jedoch darüber hinaus und räumt dem Interesse der Öffentlichkeit einen eindeutigen Vorrang gegenüber den Interessen der Verbandsmitglieder ein. Zweiter Teil: Verhältnis des Aufsichts- zum Aktienrecht
1. Das Diktum Otto Mayers, nach dem das Öffentliche Recht nie maßgebend für den Inhalt eines Zivilrechtssatzes sein könne, kann heute nicht mehr geteilt werden. Denn unser Verständnis von Öffentlichem Recht und Privatrecht ist im Wandel begriffen. Das traditionelle Bild von den streng voneinander zu trennenden Rechtskreisen entspricht nicht mehr der Realität. Vielerorts finden privat- und öffentlich-rechtliche Normen auf dieselben Sachverhalte Anwendung, sie überschneiden sich und interagieren miteinander. Vertreter der Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft haben dies erkannt und hierzu die Theorie vom Öffentlichen Recht und Privatrecht als wechselseitigen Auffangordnungen entwickelt. Ihr liegt ein Verständnis zu Grunde, nach dem sich Öffentliches Recht und Privatrecht weniger anhand ihrer Aufgaben, sondern primär anhand ihrer charakteristischen Steuerungsinstrumente unterscheiden. Die Aufgabe des Gesetzgebers besteht demnach nicht nur darin, für ein konkretes Regelungsproblem eine befriedigende Lösung in der Sache, sondern zugleich einen optimalen Mix privat- und öffentlich-rechtlicher
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Steuerungsinstrumente zu finden. Tatsächlich finden sich in einigen Rechtsgebieten bereits solche „hybriden“ Regulierungsstrategien, zum Beispiel im Umwelt- aber auch im Kapitalmarktrecht. Aktien- und Aufsichtsrecht rücken für solche Überlegungen als nächstes ins Blickfeld, sehen sich doch auch Finanzinstitute mit einer komplexen Gemengelage öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Normen konfrontiert. 2. In solche Gemengelagen gilt es, Ordnung zu bringen. Die herkömmlichen Instrumente der Methodenlehre bieten hier einen Einstieg, aber noch keine befriedigende Lösung. a) So lehrt der Topos der Einheit der Rechtsordnung, dass keine Norm nur für sich allein steht, sondern immer auch als Teil der gesamten Rechtsordnung verstanden werden muss. Sie muss sich in das Gesamtsystem einpassen, darf also nicht in Widerspruch zu anderen Rechtssätzen stehen. b) Um diese Widerspruchsfreiheit zu gewährleisten, gibt die Methodenlehre dem Rechtsanwender Kollisionsregeln an die Hand, die Normenkonflikte anhand dreier Kriterien auflösen: der Hierarchie (lex superior), der Sachnähe (lex specialis) und der Aktualität (lex posterior). Diese Regeln sind für sich genommen jedoch unzureichend, um das vielschichtige Verhältnis von Öffentlichem Recht und Privatrecht zu analysieren, vor allem da sich ihre Aussagekraft ausschließlich auf Fragen der Derogation von Normen beschränkt. c) Es wird daher eine neue, noch differenziertere Herangehensweise nötig, die in dieser Form zuerst von Emmenegger umfassend ausgearbeitet worden ist. Hiernach ist zwischen der formellen und der materiellen Normrelation zu unterscheiden. Die formelle Normrelation trifft Aussagen darüber, wie zwei Normen zueinander stehen, also zum Beispiel ob sie nebeneinander Anwendung finden oder ob sie sich verdrängen. Die materielle Ebene widmet sich der Analyse inhaltlicher Wechselbezüge zweier Normen. Anhaltspunkte für eine solche inhaltliche Verknüpfung sind die Verwendung paralleler Begrifflichkeiten oder Regelungsmuster im Gesetz. Mit Blick auf das Gebot der Einheit der Rechtsordnung kann man in solchen Fällen grundsätzlich von einem einheitlichen Rechtsverständnis ausgehen, es sei denn, eine Norm erweist sich als inhaltlich spezieller und fordert hierdurch eine autonome Auslegung ein (Bsp.: Relativität der Rechtsbegriffe). So entsteht ein Wechselspiel von Geltungsvermutung und Widerlegungsmöglichkeit. d) Die Ebenen der formellen und der materiellen Normrelation werden in der Literatur häufig nicht klar genug getrennt. Das Emmenegger’sche Modell erlaubt, sie differenzierter zu betrachten. Dadurch werden mehrere Einsichten gewonnen, insbesondere, dass die inhaltliche Wechselbeziehung zweier Normen nicht zwangsläufig auch ihre formelle Verknüpfung voraussetzt. Ein Beispiel hierfür findet sich im Umweltrecht, wo die Vorgaben der TA Luft und TA Lärm über ihren Anwendungsbereich hinaus für die Auslegung des § 906 Abs. 1 BGB herangezogen werden. Solche Fälle sind jedoch selten. Als abstrakte Regel der „Koordinationsdogmatik“ ergibt sich somit die folgende: Wo zwei Rechtsbereiche sich formell und materiell
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überschneiden, dort ist regelmäßig von einem Wertungsgleichlauf und nur im Ausnahmefall von einem abweichenden Rechtsverständnis auszugehen. Sind zwei Rechtsgebiete jedoch nur materiell, nicht aber formell verbunden, so kehrt sich dieses Verhältnis um. Nur im Ausnahmefall kann dann vom Inhalt der einen auf den der anderen Norm geschlossen werden. 3. Untersucht durch diese Linse, stellen sich die Rechtsverhältnisse in einer BankAktiengesellschaft wie folgt dar: Auf der formellen Ebene zeigt sich, dass das Aufsichts- das Aktienrecht nicht etwa verdrängt, sondern die Regelungen beider Seiten regelmäßig nebeneinander zur Anwendung gelangen. Das Aktienrecht dient als Grundordnung, auf der das Aufsichtsrecht aufsetzt. Auf der materiellen Ebene finden sich auf beiden Seiten Öffnungsklauseln, die sicherstellen, dass nicht nur ein formeller Normen-, sondern auch ein materieller Wertungsgleichlauf zwischen Aufsichts- und Aktienrecht gewährleistet ist. So fungiert insbesondere die aktienrechtliche Legalitätspflicht als Transmissionsriemen, um Verstöße gegen das Aufsichtsrecht auch im Wege der Organhaftung geltend machen zu können. Diese wechselseitige Interaktion ist ein Musterbeispiel für zwei Rechtsbereiche, die als „wechselseitige Auffangordnungen“ miteinander in enger Verbindung stehen. 4. Betrachtet man nun das Recht der „Normal-AG“, so bleibt – mangels Anwendbarkeit des Aufsichtsrechts – allein eine materielle Normrelation zu untersuchen. Dahinter verbirgt sich die Frage nach der Ausstrahlungswirkung: Kann eine inhaltliche Wechselbeziehung von Normen des Aktien- und des Aufsichtsrechts auch dort bestehen, wo das Aufsichtsrecht keine Anwendung findet? Nach der zuvor abstrakt bestimmten Regel ist dies grundsätzlich zu verneinen, da es sich beim Aufsichtsrecht im Regelfall um eine rechtliche Sondermaterie handelt, die durch strengere Regeln den Schutz öffentlicher Interessen verfolgt. Ausnahmen kann es allerdings dort geben, wo sich die Schutzzwecke des Aktien- und des Aufsichtsrechts überschneiden, weil equity- und debt-governance dieselben Ziele verfolgen. Es muss sich also um Governance-Anforderungen handeln, die Aktionären und Institutskunden gleichermaßen dienen, weil sie auf den Schutz des Unternehmens an sich ausgerichtet sind. In solchen Fällen ist das Aufsichtsrecht nicht mehr in der Sache, sondern nur mit Blick auf seine Durchsetzungsmechanismen „spezieller“. Dritter Teil: Methodischer Bezugsrahmen einer Ausstrahlungswirkung
1. Eine Übertragung aufsichtsrechtlicher Wertungen in das Aktienrecht kann nur unter Zuhilfenahme des anerkannten methodischen Instrumentariums erfolgen. Die Bezugnahme auf eine Ausstrahlungswirkung reicht jedenfalls nicht aus. Eine Analogie zu aufsichtsrechtlichen Normen scheidet aus, da es an einer Lücke innerhalb des Aktienrechts fehlt. Möglich bleibt aber eine Einordnung des Aufsichtsrechts nicht als verbindliche Rechtsquelle, sondern als Rechtserkenntnisquelle, also als Hilfsmittel bei der Auslegung aktienrechtlicher Normen. Im Wege der systematischen Auslegung von §§ 93, 116 AktG kann daher ein Seitenblick ins Aufsichtsrecht gewagt werden. Das hilft zugleich, rechtsgebietsübergreifend gültige
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Regelungsmuster zu erkennen und so einen „Allgemeinen Teil“ guter Corporate Governance herauszuarbeiten. 2. Diese „Auslegungslösung“ steht nicht in Konflikt mit höherrangigem Recht. Das Grundgesetz stünde nur einer Übertragung solcher Regelungen entgegen, die im Interesse der Öffentlichkeit in die Struktur eines Unternehmens eingreifen, nicht aber solchen Regeln, die verhaltenssteuernd auf die Unternehmensführung einwirken, sofern dies Aktionären und Institutskunden gleichermaßen zu Gute kommt. Auch die europarechtliche Durchwirkung des Aufsichtsrechts hindert nicht daran, es zur Konkretisierung des Aktienrechts heranzuziehen, sind doch die europäischen Rechtsnormen qua Transformation zugleich ein Bestandteil der deutschen Gesamtrechtsordnung. Diese „Auslegungslösung“ gilt jedoch nur für aufsichtsrechtliche Gesetzestexte, nicht aber für das Behördenrecht der BaFin. Deren Rundschreibenpraxis wird bereits innerhalb des Aufsichtsrechts aus rechtsstaatlichen Gründen angezweifelt; eine Geltung über den Finanzsektor hinaus kommt daher erst recht nicht in Frage. Die Prinzipienorientierung des Aufsichtsrechts stellt hingegen solange kein Hindernis für die Ausstrahlung dar, wie sich dem aufsichtsrechtlichen Gesetzestext verallgemeinerbare Inhalte entnehmen lassen. Zuletzt vermag auch der mitunter kriseninduzierte Ursprung aufsichts- und aktienrechtlicher Regelungen der Ausstrahlung keine Grenzen zu setzen. Vielmehr scheint ein kritischer Vergleich mit Blick auf das Aufsichtsrecht gerade geeignet, kriseninduziertes Aktienrecht korrigierend auszulegen (s. dazu Teil D, Vergütung). Vierter Teil: Anwendung auf ausgewählte Felder der Corporate Governance I. Compliance
1. Das Aufsichtsrecht sieht in §§ 25a Abs. 1 S. 1 KWG, 64a Abs. 1 S. 1 VAG die Pflicht zur Schaffung einer Compliance-Organisation vor, die auf die Verhinderung jeglicher Rechtsverstöße innerhalb des Instituts ausgerichtet ist. Im Detail fordert es die Schaffung einer wirksamen, unabhängigen und dauerhaften Compliance-Funktion, die die Unternehmensabläufe überwachen, die Geschäftsleitung und Mitarbeiter beraten und regelmäßig Bericht über ihre Tätigkeit erstatten soll. 2. Das geschriebene Aktienrecht kennt dagegen keine Compliance-Pflicht. In der Literatur hat sich gleichwohl im Laufe der letzten Jahre die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Pflicht zur Sicherstellung einer „rechtmäßigen Wertschöpfung“ den Vorstand einer jeden Aktiengesellschaft trifft. Er muss daher Maßnahmen ergreifen, sobald eine bestimmte Compliance-Risikoschwelle überschritten wird. Welche Maßnahmen konkret ergriffen werden, liegt im Organisationsermessen des Vorstands. Gewisse Mindeststandards scheinen sich jedoch herauszukristallisieren. Dazu gehört die Verteilung fester Zuständigkeiten, die Einrichtung von Kommunikationskanälen, die hinreichende Ressourcenausstattung, die Dokumentation sowie die regelmäßige Evaluierung der eigenen Maßnahmen und ein Eskalationssystem bei Verdachtsfällen.
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3. Die Compliance-Pflicht ist damit in beiden Rechtsbereichen fest verankert, das Aufsichtsrecht übertrifft das Aktienrecht jedoch in seiner Regelungstiefe. Dennoch kann es bei der Weiterentwicklung der aktienrechtlichen Standards behutsam herangezogen werden. Der Grund hierfür ist, dass aufsichts- und aktienrechtliche Compliance dasselbe Ziel verfolgen: das Unternehmen vor den Nachteilen und Schäden zu schützen, die mit der Verletzung von Rechtsnormen einhergehen (Strafzahlungen, Reputationsschäden, etc.). Solche Risiken sind im regulierten wie im unregulierten Sektor gleich hoch (man denke an die LIBOR-Manipulationen, aber auch an den Siemens-Korruptionsskandal). Zwar verfolgen Aufsichts- und Aktienrecht dieses Ziel im Dienste unterschiedlicher Interessengruppen – den Institutskunden auf der einen Seite und dem Unternehmensinteresse auf der anderen Seite – zwischen den Interessen dieser Gruppen besteht aber kein Konflikt. Denn eine unternehmerische Wertschöpfung, die nicht in Konflikt mit dem Gesetz gerät, ist im Sinne aller Beteiligten. Man kann hierin einen rechtsgebietsübergreifend gültigen, allgemeinen Grundsatz guter Corporate Governance erkennen. 4. Vor diesem Hintergrund kann die aktienrechtliche Compliance guten Gewissens mit einem Seitenblick auf das Aufsichtsrecht konkretisiert werden. So finden die bereits genannten Mindeststandards (Kommunikation, Ressourcen, etc.) allesamt Rückhalt in den aufsichtsrechtlichen Gesetzestexten und können die aktienrechtliche Argumentation untermauern helfen. Auch das janusköpfige Verständnis von Compliance als gleichzeitig beratender und überwachender Tätigkeit scheint verallgemeinerbar. Nicht übertragbar ist jedoch die Pflicht zur Schaffung einer Compliance-Funktion, denn hierbei handelt es sich um eine unternehmensinterne Kontrollstelle, die – zusätzlich zur BaFin – die Durchsetzung der Compliance in Finanzinstituten sichern soll. Die besonders effektive Durchsetzung von Rechtsregeln ist jedoch ein Merkmal allein des Öffentlichen Rechts und dient dort dem öffentlichen Interesse. Im Privatrecht ist es hingegen den einzelnen Unternehmensbeteiligten überlassen, für die Durchsetzung der Compliance-Pflicht zu sorgen. 5. Anhand der Compliance-Pflicht lassen sich die Vorteile der Argumentation mit einer Ausstrahlungswirkung gut illustrieren. Dass ein Bedürfnis zur Compliance auch in unregulierten Gesellschaften besteht, wurde im Aktienrecht spätestens mit dem Siemens-Korruptionsskandal aus dem Jahr 2006 verstärkt wahrgenommen. Mangels einer gesetzlichen Grundlage leitete man diese Pflicht aus der allgemeinen Schadensabwendungspflicht her. Darüber hinaus fehlte es aber an konkreten Vorgaben. Ein maßvoller Seitenblick auf das Aufsichtsrecht hätte hier schon zeitiger zur Rechtsklarheit beitragen können. Das Aufsichtsrecht ist als Ableitungsbasis sicherlich nicht abwegiger als der „common sense“, auf den sich einige Autoren zur Begründung aktienrechtlicher Mindeststandards damals berufen haben. II. Risikomanagement
1. Ganz anders stellt sich die Lage im Bereich des Risikomanagements dar. Das Aufsichtsrecht sieht hier in §§ 25a Abs. 1 S. 3 KWG, 64a Abs. 1 S. 3, 4 VAG sehr weitreichende Pflichten zur Identifizierung, Bewertung, Steuerung und Überwa-
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chung aller wesentlichen Risiken des Instituts vor. Es fordert die Einrichtung einer Risikocontrollingfunktion und die regelmäßige Überwachung des Risikomanagementsystems durch die interne Revision. 2. Das Aktienrecht hält mit § 91 Abs. 2 AktG eine eigene Norm vor, deren Anforderungen wesentlich enger abgesteckt sind. Hiernach müssen Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen ergriffen und ihre Funktionsfähigkeit durch ein Überwachungssystem sichergestellt werden. Dies bedeutet insbesondere, dass ein unternehmensweites Informationssystem geschaffen werden muss. Dessen Überwachung sollte durch die interne Revision erfolgen. Ob darüber hinaus eine Risikocontrolling-Funktion geschaffen werden muss, ist umstritten. 3. Aktien- und Aufsichtsrecht unterscheiden sich mit Blick auf ihr Risikomanagementprogramm erheblich. Zwar gehen beide von demselben Grundgedanken aus, der Risikokontrolle als Krisenprophylaxe versteht; das Aufsichtsrecht bindet die Finanzinstitute aber zur Erreichung dieses Zieles in ein materiell-rechtlich strengeres Korsett als das Aktienrecht dies für die „Normal-AG“ vorsieht. Die Gründe hierfür liegen in der Natur des Finanzgeschäfts: Risikoübernahme und -transformation sind das Kerngeschäft der Institute; ein gesteigerter Unternehmenserfolg kann häufig nur durch die Eingehung immer größerer Risiken erzielt werden. Ein umfassendes und stabiles Risikomanagementsystem ist in solchen Unternehmen daher notwendiger als in der nicht regulierten Branche. Darüber hinaus muss die Krisenprophylaxe im Finanzsektor mit wesentlich größerer Intensität betrieben werden, um systemische Gefahren und Nachteile für die Volkswirtschaft zu verhindern. Zuletzt ist es gerade der Risikoappetit des Managements, bei dem die Interessen der Anteilseigner und der Institutskunden nicht parallel laufen, sondern in unverminderter Härte aufeinander prallen. Während die risikoaffinen Aktionäre das Management zu höheren Renditen antreiben, ist den Einlegern an einer weitgehend risikofreien, bestandswahrenden Geschäftspolitik gelegen. Das Aufsichtsrecht greift zu Gunsten der Institutskunden daher in das Risikogebaren des Managements ein. Im Aktienrecht findet eine vergleichbare Bevorzugung der Gläubigerinteressen nicht statt. 4. Die aufsichtsrechtlichen Regelungen zum Risikomanagement halten also keine rechtsgebietsübergreifenden Einsichten bereit, die sich zur Konkretisierung des Aktienrechts heranziehen lassen. Sie sind vielmehr ganz von ihren teilrechtseigenen Schutzzwecken überwölbt. Es handelt sich in jeder Hinsicht um eine materiellrechtlich spezielle Regelung. Sie kann bei der Auslegung des Aktienrechts jedoch insofern behilflich sein, als sie eine abgrenzende, negative Auslegung erleichtert. Zu denken ist an die immer wieder vorgetragene Behauptung, § 91 Abs. 2 AktG würde zur Schaffung eines „umfassenden Risikomanagements“ verpflichten. Solch strenge Anforderungen gelten indes nicht einmal im Aufsichtsrecht (Management nur wesentlicher Risiken) und können daher erst recht nicht durch das Aktienrecht gefordert werden.
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III. Outsourcing
1. Ein bisher wenig beleuchteter Bereich ist das Outsourcing, also die Auslagerung von Betriebsaufgaben an ein rechtlich selbstständiges Unternehmen. Das Aufsichtsrecht sieht hierzu detaillierte Regelungen in §§ 25b KWG, 5 Abs. 3 Nr. 4, 64a Abs. 4 VAG vor, die unter anderem den Abschluss eines schriftlichen Auslagerungsvertrags und die Sicherung von Auskunfts-, Weisungs- und Kündigungsrechten des auslagernden Instituts fordern. Auch die Prüfungsrechte der Behörde gegenüber dem Auslagerungsunternehmen müssen gesichert werden. Den zusätzlich entstehenden operationellen Risiken durch die Auslagerung ist durch ein erweitertes Risikomanagement Rechnung zu tragen; für den Fall der Rückabwicklung der Auslagerung muss eine Exit-Strategie bestehen. 2. Das Aktienrecht schweigt zu Fragen der Auslagerung. In Anlehnung an das Deliktsrecht wird aber jedenfalls eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Auswahl, Einweisung und Überwachung des Auslagerungsunternehmens postuliert. Auch der Abschluss eines schriftlichen Auslagerungsvertrags wird vereinzelt gefordert, um den Wegfall des innerbetrieblichen Weisungsrechts zu kompensieren. 3. In Fragen der Auslagerung verfolgen Aufsichts- und Aktienrecht dieselben Ziele. Beiden ist daran gelegen, das Risiko der Abhängigkeit des Auslagernden vom Auslagerungsunternehmen weitgehend einzudämmen und so Schäden aufgrund einer Schlechtleistung weitestgehend zu vermeiden. Der Vorstand ist daher verpflichtet, bei der Auslagerung auf eine Leistungserbringung hinzuwirken, die der internen vergleichbar ist. Das Aufsichtsrecht verlangt dies, um das Vertrauen der Einleger in „ihr“ Finanzinstitut zu schützen; das Aktienrecht bezweckt, das Vertrauen der Aktionäre und Gläubiger in „ihren“ Vorstand zu schützen. Rechtsgebietsübergreifend kristallisiert sich so ein Rechtssatz heraus, demzufolge eine externe Delegation von Aufgaben weitgehend möglich ist, aber mit der Folgeverantwortung des Vorstands einhergeht, eine ordnungsgemäße Leistungserbringung sicherzustellen. 4. Welche Pflichten ergeben sich aus dieser Folgeverantwortung konkret? Auch hier kann ein maßvoller Blick ins Aufsichtsrecht die Rechtsfindung im Aktienrecht erleichtern. So wird der Abschluss einer schriftlichen Auslagerungsvereinbarung dort ausdrücklich durch das Gesetz gefordert. Auch eine Exit-Strategie wird in regulierten und nicht regulierten Gesellschaften nötig sein, will man sich nicht in zu große Abhängigkeit vom Auslagerungsunternehmen begeben. Im Rahmen des § 91 Abs. 2 AktG müssen zudem diejenigen Risiken mitberücksichtigt werden, die sich aus dem Auslagerungsvorgang an sich ergeben, jedenfalls sobald sie sich zu einer bestandsgefährdenden Entwicklung verdichten. IV. Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern
1. Das Aufsichtsrecht sieht seit jeher strenge Anforderungen an die Wahl von Institutsgeschäftsleitern vor. Seit 2009 gelten ähnliche Regeln für die Wahl des Aufsichtsorgans. Dessen Mitglieder müssen „zuverlässig“ sein und über die „er-
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forderliche Sachkunde“ verfügen (§§ 25d Abs. 1 KWG, 7a Abs. 4 VAG). Hinter der erforderlichen Sachkunde verbirgt sich die Fähigkeit „zum Verständnis der wirtschaftlichen und rechtlichen Abläufe im Tagesgeschehen“. 2. Das Aktienrecht sieht nur vereinzelte Regeln zur Zusammensetzung des Aufsichtsrates vor. Gemäß § 100 Abs. 5 AktG müssen börsennotierte Gesellschaften jedenfalls einen Finanzfachmann in das Gremium bestellen. Weitere Anforderungen wurden aber bereits 1983 durch den BGH in seiner „Hertie“-Entscheidung herausgearbeitet. Hiernach muss jedes Mitglied über „Mindestkenntnisse und -fähigkeiten“ verfügen, um „alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können“. Dies folgt aus dem „Gebot der persönlichen und eigenverantwortlichen Amtsausübung“. Welche Qualifikation konkret verlangt werden kann, ist in der Literatur umstritten. 3. Der Vergleich der aktien- und aufsichtsrechtlichen Vorgaben zeigt deutlich, wie das Aufsichtsrecht bei der eigenen Rechtsfortbildung auf die Erkenntnisse des Aktienrechts zurückgreift. So weist das Erfordernis „erforderlicher Sachkunde“ eine große Nähe zu den 1983 vom BGH geforderten Mindestqualifikationen auf. Auch das „Gebot der persönlichen und eigenverantwortlichen Amtsausübung“ hat Eingang in die aufsichtsrechtliche Kommentarliteratur sowie die Rundschreiben der BaFin gefunden. Das ist beachtlich, da auf diesem Wege Vorgaben, die ausschließlich für die Aktiengesellschaft erarbeitet worden sind, für Institute jedweder Rechtsform verallgemeinert werden. In Fragen der Aufsichtsratsqualifikation findet man somit ein sehr ähnliches Rechtsverständnis im Aufsichts- wie im Aktienrecht vor, die aufsichtsrechtlichen Anforderungen sind also nicht durch ihre besonderen Schutzzwecke überwölbt worden. 4. Das wäre auch nicht nötig, da Aufsichts- und Aktienrecht auch im Fall der Aufsichtsratsqualifikation dasselbe Ziel, wenn auch im Dienste unterschiedlicher Interessen, verfolgen: Sie sichern durch die Qualifikationsanforderungen die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsorgans. Dadurch ist wiederum die adäquate Überwachung der Geschäftsleitung gewährleistet. Das dient allen Unternehmensbeteiligten. Die Qualifikationsanforderungen an das Aufsichtsratsmitglied leiten sich aus diesen Gründen aber auch notwendig aus seiner Aufgabenstellung ab. Welche Kenntnisse konkret von Nöten sind, kann deswegen nur mit Blick auf den Geschäftsbetrieb des konkreten Unternehmens entschieden werden. Je nachdem wie sich das Unternehmensumfeld entwickelt, können die Qualifikationsanforderungen auch verschärft oder abgeschwächt werden (dynamisches Qualifikationserfordernis). 5. Auch in einer weiteren Frage der aktienrechtlichen Organqualifikation kann dem Aufsichtsrecht ein Denkanstoß entnommen werden. Sowohl Geschäftsleiter als auch Aufsichtsorgane müssen dort ihre persönliche Integrität und ihre Sachkompetenz nachweisen. Im Aktienrecht finden sich dagegen für Vorstände ausschließlich Anforderungen an die Integrität (§ 76 Abs. 3 Nr. 2, 3 AktG) und für Aufsichtsratsmitglieder ausschließlich Anforderungen an die Sachkunde (Hertie). Diese Diffe-
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
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renzierung ist in der Sache nur schwer zu begründen und stellt eine Unvollkommenheit des Gesetzes dar. Richtigerweise müssen auch im Aktienrecht beide Kriterien für beide Organe Berücksichtigung finden. V. Vergütung
1. Nach der Finanzkrise wurde die Vergütung rasch als eine der Hauptursachen für den exzessiven Risikoappetit der Branche identifiziert. Auf der Grundlage internationaler und europäischer Vergütungsregeln hat man das Aufsichtsrecht im Jahr 2010 daher erheblich verschärft. Es enthält seither in §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 6 KWG, 64b VAG und den dazugehörigen Verordnungen detaillierte Anforderungen an die Vergütung von Geschäftsleitern und Mitarbeitern in normalen und „bedeutenden“ Instituten. Die Vergütungsstrukturen müssen nachhaltig und auf die Risikostrategie des Unternehmens ausgerichtet sein: „compensation outcomes must equal risk outcomes“. Das zieht insbesondere für die variablen Vergütungsbestandteile weitreichende Konsequenzen nach sich. Für die Einrichtung und Überwachung der Vergütungssysteme sind das Aufsichtsorgan und die interne Revision zuständig; in einem Vergütungsbericht müssen regelmäßig Details zur Vergütungspolitik und den Einzelvergütungen offen gelegt werden. 2. Im Aktienrecht wurden bereits 2005 und dann ein zweites Mal im Jahr 2009 Änderungen an der Vergütungsregelung vorgenommen (§ 87 AktG). Rückte das VorstOG der Vorstandsvergütung zunächst nur durch zusätzliche Offenlegungsregeln zu Leibe, wurden mit dem VorstAG schärfere Anforderungen an die Vergütungshöhe und die Vergütungsstruktur eingeführt. Insbesondere für börsennotierte Gesellschaften gilt seither das Gebot der Nachhaltigkeit der Vergütungsstruktur. Bei einer Verschlechterung der Lage der Gesellschaft kann der Aufsichtsrat bereits gezahlte Vergütungen ggf. zurückfordern. 3. Anhand der Vergütungsregulierung lässt sich der Stufenbau von Aufsichts- und Aktienrecht noch einmal verdeutlichen. Die Vergütungsverordnungen greifen ausdrücklich auf den Wortlaut des § 87 Abs. 1 AktG zurück und erheben die aktienrechtliche Regelung damit zum rechtsformübergreifend gültigen Standard der Vorstandsvergütung im Finanzsektor. In einem zweiten Schritt geht das Aufsichtsrecht jedoch in Umfang und Regelungstiefe weit über die Vorgaben des Aktienrechts hinaus. So fordert es nachhaltige Vergütungssysteme nicht nur für Vorstände, sondern für alle Mitarbeiter eines Finanzinstituts, insbesondere die sog. „Risk Taker“. Die Vergütung müsse nicht nur nachhaltig, sondern auch risikoorientiert erfolgen; detaillierte Vorgaben für die Gestaltung der variablen Vergütungsbestandteile sind die Folge. Die Vergütungsregeln sind damit ein herausragendes Beispiel für ein Gebiet der Corporate Governance, das aus dem Aktienrecht übernommen, aber durch die aufsichtsrechtlichen Schutzzwecke unverkennbar überformt worden ist. 4. Die Gründe dafür liegen ähnlich wie beim Risikomanagement: Das Bankengeschäft ist aufgrund seiner Refinanzierungsstruktur in besonderem Maße auf kurzfristige Zeithorizonte ausgerichtet. Eine Vergütung, die sich allein an Stich-
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
tagsergebnissen orientiert, potenziert diesen Effekt und blendet langfristige Risiken schrittweise aus. Das erhöht die Krisenanfälligkeit des Bankgeschäfts und steht damit in Widerspruch zu den Schutzzwecken des Aufsichtsrechts. Zum Schutz der Institutskunden und zugleich im Dienst des öffentlichen Interesses muss der Nachhaltigkeitsgedanke daher von außen an die Vergütungspolitik herangetragen werden. Für Aktiengesellschaften gilt das nicht im selben Maße. Insbesondere findet sich dort keine Regel, nach der der Risikoappetit des Managements ausschließlich auf die Interessen der stakeholder auszurichten ist. Ein solcher Vorrang existiert nur im Aufsichtsrecht. 5. Gleichwohl kann das Aufsichtsrecht auch in diesem Fall zur Klärung aktienrechtlicher Zweifelsfragen beitragen. So kann die Umgestaltung des § 87 AktG im Jahr 2009 in vielerlei Hinsicht als missglückt bezeichnet werden und hinterlässt daher diverse Auslegungsfragen, zum Beispiel was unter einer mehrjährigen Bemessungsgrundlage für variable Vergütungsbestandteile zu verstehen ist. Einige Kommentatoren verstehen dies als Pflicht zum absoluten Zahlungsaufschub für mehrere Jahre. Ein Blick in die Vergütungsverordnungen zeigt indes: Dermaßen streng geht nicht einmal das Aufsichtsrecht zu Werke, das einen Zahlungsaufschub von „nur“ 40 – 60 % der variablen Vergütung fordert. Außerdem wird dort strikt zwischen dem Zahlungsaufschub und der mehrjährigen Bemessungsgrundlage getrennt. Eine strengere Auslegung kann auch im Aktienrecht nicht gelten.
Schluss Kann die Corporate Governance von Banken und Versicherungen maßgebend für die Unternehmensführung in jeder Aktiengesellschaft sein? Die Antwort hierauf ist nicht so einfach, wie einige Autoren dies glauben machen wollen. Insbesondere kann ein bloßer Verweis auf den Spezialitätsgrundsatz die Frage nicht abschließend klären, ist dieser doch selbst methodisch überraschend wenig ausgeleuchtet. Nötig ist vielmehr eine differenzierte Herangehensweise, die jede einzelne Norm mit Bedacht auf ihren materiell-rechtlichen Gehalt abklopft und Gemeinsamkeiten aktien- und aufsichtsrechtlicher Normgebung sichtbar macht. Auf diesem Wege können „allgemeine Grundsätze“ guter Unternehmensführung ans Licht gehoben und im Rahmen der Auslegung von §§ 93, 116 AktG fruchtbar gemacht werden. Die Suche nach Gemeinsamkeiten schärft zugleich den Blick für die Unterschiede der beiden Rechtsbereiche, so dass am Ende der Untersuchung nicht nur die Konturen eines „Allgemeinen Teils“, sondern auch jene eines „Besonderen Teils“ der Corporate Governance schärfer als zuvor hervorstechen. Die Auseinandersetzung mit der Ausstrahlungswirkung ist somit in jeder Hinsicht eine Bereicherung für den aktienrechtlichen Diskurs, solange sie mit Fingerspitzengefühl und der notwendigen Rückbindung an die Instrumente der Methodenlehre geführt wird.
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Stichwortverzeichnis Allgemeine Rechtsgrundsätze 164 f. Anlageberatung 68, 140 f., 192 Ansteckungsgefahr 258 Auffangordnungen 25, 84 – 96, 113, 116, 121, 125, 133, 139 f., 313, 315 Aufsichtsarbitrage 61 Auslagerungsvereinbarung 246 f., 252, 258, 261, 319 Ausstrahlungswirkung 24 f., 140, 143, 146 f., 156, 160, 163 f., 168 – 170, 172, 174, 176, 178, 180, 188, 190, 208, 214 – 216, 230, 233, 237, 253 – 255, 276, 305, 310, 315, 317, 323 Bankenaufsicht 43, 46 f., 49 – 54, 56, 59 f., 62 – 65, 67, 69, 75, 82, 134, 137 f., 143, 180 f., 185, 193 f., 196 – 202, 209, 211, 214, 218 – 220, 222 – 225, 235, 245 f., 248, 257, 262 f., 267, 282, 287 f., 290, 292, 305, 313 Bankenunion 45, 63 f. Bankgesellschaftsrecht 100 Bank-runs 50 Basel III 47, 56, 60, 127, 218 Baseler Ausschuss 44, 47, 53, 56, 82, 137, 180 f., 185, 245, 248, 254, 267, 287 f., 290, 292, 305, 313 Beteiligungstransparenz 141 f. Bonuszahlungen 284, 290, 309, 311 Börsengesellschaftsrecht 97, 100 Chief Risk Officer 225, 245, 295 Compliance 24, 26, 47, 56 f., 68, 78, 80, 95, 100, 130, 132, 134 f., 137, 140, 143, 149 f., 154, 172, 182, 184 – 188, 191 – 221, 224 f., 227 f., 230 – 233, 236 f., 239, 241, 243 – 245, 248, 256 f., 261, 269, 281, 295, 316 f. Compliance-Beauftragte 197, 199, 206 Compliance-Funktion 195 f., 198 f., 201 f., 316 f.
Corporate Governance 23, 26 – 29, 31, 39, 42, 46 f., 83, 124, 136, 138 f., 144, 149, 151 f., 155, 159, 168, 170, 172 f., 175, 180, 191, 312 Corporate Governance in Finanzinstituten 38, 60, 268 CRD IV 26, 48, 57, 60, 177, 183, 196, 216, 218, 220, 222, 225, 262 – 265, 267 f., 284 – 295 DCGK 27, 35, 82, 97, 180, 183, 204, 226, 229, 263, 271, 275, 284, 296 – 299, 302 f. Debt-governance 44, 46, 81, 136, 144, 146, 150, 282, 312, 315 Derogation 105 f., 108, 110 – 112, 314 Einheit der Rechtsordnung 83, 88 f., 101 – 105, 108, 110 – 112, 114, 121, 142, 148, 163, 168, 314 Einlegerschutz 44, 46, 53, 144, 146 Equity-governance 44, 81, 136, 143, 146, 312 Erforderliche Sachkunde 266, 269, 277, 320 Europäische Finanzmarktaufsicht 60 Europäische Rechtsetzung im Bankenaufsichtsrecht 48 Exzessive Vergütungspraktiken 286 Fachliche Eignung 55, 266, 269, 277, 283 Finanzkrise 32, 34, 38, 41, 44, 46, 48, 59 f., 62, 66, 73, 79, 98, 126, 144 f., 152, 189, 217, 236, 262, 264, 279, 282, 284, 286, 296, 307, 321 Fit & proper test 265, 268 Formelle Normrelationen 110 Funktionales Gesellschaftsrecht 135 Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats 279 Funktionsschutz 53, 68, 75, 144 Gebot der Spartentrennung 76 Geschäftsleiterkontrolle 47, 54, 69, 264 f.
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Stichwortverzeichnis
Grundrechtliche Berührungspunkte 170 Grundsatz der Funktionentrennung 237 Hertie-Urteil
271, 277
IDW 133, 208, 228 Interne Revision 199 f., 222, 224 f., 229, 237, 243 f., 257, 318, 321 Kollisionsregeln 105 f., 108, 110, 112, 314 Koordination von Rechtsnormen 25, 105 Kriseninduzierte Regulierung 189 Lamfalussy 62 f., 80, 187, 269 Legal transplant 139 Legalitätspflicht 131 – 134, 315 Leitmaxime des Verwaltungshandelns 33 Lex specialis 106 – 109, 112, 129, 314 Liikanen 41, 49 f., 54, 56, 58, 65 – 67, 218, 264, 290 f., 294 Lücke 111, 156 f., 159, 315 MaComp 68, 182, 187, 193, 196 – 199, 201 f., 245 f., 313 Malus und Clawback-Regelungen 291 MaRisk 57, 182, 184, 187, 195 f., 198 – 200, 202, 209, 212, 219 – 226, 240 – 248, 313 Materielle Normrelation 130 MiFID II 69, 82, 178, 264, 267 Nachhaltigkeit 287 f., 300, 304 – 306, 310, 321 Normenkoordination 105 Organisationspflichten 136, 164, 170, 172, 188, 193 f., 205, 211, 228, 230, 242 Outsourcing 57, 78, 80, 237 – 242, 244, 246, 248 f., 251, 253 – 258, 260 f., 319 Prinzipal-Agenten 28, 81, 136, 150, 307 Prinzipienbasierte Regulierung 184, 187 Proportionalitätsgrundsatz 57, 185, 188, 196, 246, 281 Public enforcement 134, 139 Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern 26, 262, 271, 280, 319 Qualitative Regulierung 56, 80, 138, 186
Rechtserkenntnisquelle 156, 168, 209, 315 Rechtsfortbildung 125, 156 f., 159, 250, 320 Rechtsordnung als System 101 f. Regulatory capture 134, 180 Risikoappetit 40, 44, 235, 307 f., 312, 318, 321 f. Risikocontrolling 221, 223 – 226, 318 Risiko-Governance 217 f., 236, 282 Risikomanagement 24 – 26, 57 – 59, 78, 80, 95, 135, 140, 143, 173, 182, 185 f., 194 f., 198 – 200, 202, 211, 216 – 229, 231 – 239, 241, 243 f., 248, 256 – 258, 261, 267, 269, 277, 281, 288, 310, 312, 317 f., 321 Risikomanagement-Funktion 225 Risikostrategie 221 f., 231, 235, 248, 287, 292, 305, 321 Risikoträger 295 Risikotragfähigkeit 185, 219, 221 Rundschreiben der BaFin 57, 82, 91, 133, 169, 182 – 184, 188, 209, 220, 313, 320
Sachkunde 263, 265 – 267, 273, 275 – 277, 283, 320 Say on pay 32, 303 Schutz der Versicherungsnehmer 74, 145 Schutzzweck der aktienrechtlichen Governance 143 Schutzzweck der aufsichtsrechtlichen Governance 144 Schutzzwecke des Bankaufsichtsrechts 53 Schutzzwecke des Versicherungsaufsichtsrechts 131 Soft Law 133, 180 f., 183 f., 209, 313 Solvency II 62, 69 f., 75 f., 78 – 82, 138, 177, 185 – 188, 195 f., 198 – 200, 202, 210, 217, 219 f., 224 – 226, 233, 240, 244, 248, 254, 260, 265, 268 – 270, 285, 313 Spezialität der Rechtsdurchsetzung 152 Spezialitätsgrundsatz 107, 109, 115, 129, 323 Standardsetting 82, 180 f. Steuerungsinstrumente 89, 91, 93, 95 f., 98, 115, 137, 142 f., 146, 150, 154 f., 303, 313 Strukturnormen 174 Systembildung 94, 164, 168, 175, 189
Stichwortverzeichnis Too big to fail 40, 52 Transformationsfunktion
49, 234
Unternehmensinteresse 32, 35 f., 81, 145, 150, 172, 211, 259, 282, 313, 317 Unternehmensorganisationspflichten 91, 97, 120 f., 149 – 151, 155, 170, 172 – 174, 184, 194, 205, 208, 239 f. Variable Vergütung 288, 291, 301, 311 Vergütung 26, 31 f., 35, 44, 57, 60, 78, 130, 149 f., 189, 197, 274, 284, 286, 288 – 291, 294 – 299, 301 f., 304 – 312, 316, 321 f. Vergütungsausschuss 292 f., 295, 302, 305 Vergütungsbericht 286, 293, 321 Vergütungs-Governance 286, 292, 296 Vergütungsstruktur 286 f., 289, 297, 299 – 301, 305, 321
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Verhaltensnormen 174 Versicherungsaufsicht 63, 70, 72, 74 f., 78 – 80, 263 Vollharmonisierung 70, 177 f. Vorbehalt der Systemkompatibilität 114 Vorstandsvergütung 150, 183, 189, 297 – 300, 302 – 307, 321 Wechselspiel von Geltungsvermutung und Widerlegungsmöglichkeit 115, 119, 121, 123, 314 Wertpapieraufsicht 64 Wertpapier-Compliance 193 Widerspruchsfreiheit 103 – 105, 114, 314 Zuverlässigkeit
263 – 265, 268, 270, 277