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German Pages 377 [365] Year 2004
Ursula
Langkau-Alex
Deutsche Volksfront 1932-1939 Erster Band
Ursula Langkau-Alex
Deutsche Volksfront 1932-1939 Zwischen Berlin, Paris, Prag und Moskau Erster Band:
Vorgeschichte und Gründung des Ausschusses zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront
Akademie
Verlag
Gedruckt mit Unterstützung der Herbert und Elsbeth Weichmann
Stiftung.
ISBN 3-05-004031-9 © Akademie Verlag GmbH, Berün 2004
eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übertragung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teü des Buches darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen Das
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oder übersetzt werden.
Einbandgestaltung: Grube Design Druckvorlage: Peter Rotkehl, Berün
Druck: MB Medienhaus Berün GmbH Bindung: Druckhaus »Thomas Müntzer«
Printed in the Federal
GmbH, Bad Langensalza
Repubüc of Germany
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkungen Abkürzungsverzeichnis
IX XV
Einleitung.
Konstellation der antinationalsozialistischen Gruppierungen Beispiel der Reichspräsidenten-Wahlkampagne 1932
am
1
Schriftsteller Ein Goethe-Deutscher Präsident? Die letzte Säule Die Besiegten
5 6 11 13 17 20 21 26 29 33 35
I.
Emigration
37
Emigrationsland Frankreich Einige Zahlen
und Relationen Soziologisches und Soziales Regionale Verteilung und Problem der Assimilation
41 51 54 58 64
II. Mikrokosmos
69
Keine Wahl? Arbeiterkandidat
Hindenburg-Ausschüsse Schlagt Hitler, darum wählt Hindenburg! steht zu seinem Eid auf die Reichsverfassung Mobilisierung der Arbeiterklasse Solidarität und parteipolitisches Engagement ...
Zur
...
von
Organisationen und Aktionen in Paris, 1933-1935
Die Kommunisten Aktionseinheit der Solidarität am Beispiel des Reichstagsbrand-Gegenprozesses Über die Grenzen der Partei hinaus ...
»Krieg dem Kriege«
mit oder ohne die Sozialdemokratie? Antifaschismus im Pariser SDS ...
71 73 86 90 92 96 100 V
Inhaltsverzeichnis
An der Kulturfront Die Sozialdemokraten in Konkurrenz zu den Kommunisten Hilfsorganisation oder politische Organisation ? »Marxismus« gegen »Reformismus« Kartelle Die Zwischengruppen und die Frage der Einheit
110 116 120 126 128 134 141
III. Emigrantengruppen proben die Einigung
145
Präliminarien Neuanfange und Appelle Vorläufiger und Vorbereitender Volksfrontausschuß Rivalität? Lutetia-Comite und Lutetia-Kreis Kritik Einheitsvertretung der deutschen Emigration Zur Struktur der ersten Volksfrontorganisationen
147 152 160 175 179 187
IV. Chancen der Einheit. Eine Zwischenbilanz
197
Die Die 1. 2. 3.
199 201 203 205 213 214 221 226 230 233 238 240 244 250 250 253
...
Diskussion
beginnt Einschätzung der innerdeutschen Situation Die deutsche Wirtschaftslage
Herrschafts- und Machtverhältnisse Die Opposition a. Die »Arbeiterklasse« b. Die »Mittelschichten« c. Die »Katholiken« d. Das »Bürgertum« VII. Weltkongreß der Komintern und die Frage der Demokratie 1. Einheitsfront, Einheitspartei, innerparteiliche Demokratie 2. Sowjetdemokratie und bürgerliche Demokratie 3. Ein neues Weimar? Was bringt der Front populaire'? 1. Zwei Arten von »Volksfront« 2. Gegen »Opportunismus« ! 3. Vorbild Frankreich 4. Außenpolitische Erwartungen Internationale Konstellation und Kriegsgefahr 1. Korrumpierung durch den Faschismus 2. Abessinien und Völkerbund 3. Die Organisationen der Arbeiterbewegung VI
190 192
255 258
260 260 262 264
Inhaltsverzeichnis
»Volksfront« oder »sozialistische Machtpolitik«? 1. Rückblick und Ausblick 2. Denkmodelle des 19. Jahrhunderts? 3. Verschiedene Arten »sozialistischer Machtpolitik« 4. Antifaschistische Arbeiterfront
270 271 272 276 279
V. Von Lutetia nach Lutetia
285
Vorbereitungen auf Prag
287 293 301 306 311 316 320 322 325 327 335 337 339 349
Der Lutetia-Kreis tagt Zerstörte Hoffnungen Der Claus-Protest Annäherung und Entfremdung Konzentration auf Paris Provozierte Konflikte Die Sozialdemokraten müssen handeln
Konferenzen 1. Vorbereitung und Teilnehmerkreis 2. Vorkonferenzen 3. Die Konferenz vom 2. Februar 1936 a. Zukunftsprogramm oder Tagesprogramm? b. Der Kompromiß
Ergebnisse
355
Vorbemerkungen
»Volksfront gegen Hitler« propagierten bürgerüche Demokraten und christliche Gewerkschaftler Anfang 1932 in der Kampagne zur Reichspräsidentenwahl. Die neue Wortschöpfung »Volksfront« war der ins Militante gesteigerten geistigen und poütischen Lage der Weimarer Repubük, die ihren sprachüchen Ausdruck in aüerlei »Volk«- und »Front«-Kombinationen fand, angepaßt. Die VolksfrontLosung vereinte erfolgreich von den Monarchisten bis zur SPD aüe diejenigen, die mit der Wiederwahl des alten Generalfeldmarschaüs des Ersten Weltkrieges, Hindenburg, die Weimarer Repubük und ihre Verfassung gegen die NSDAP und aüe anderen totaütären Ideologien, mit Namen auch die der KPD auf der äußerst Unken Seite des Parteienspektrums, glaubten retten zu können. Im August 1934, als nach Hindenburgs Tod das Plebiszit über die Vereinigung der Ämter von Reichspräsident und Reichskanzler in der Person Hitlers anstand, übernahm die KPD, dann, im Oktober desselben Jahres in den poütischen Auseinandersetzungen in Frankreich, auch die französische kommunistische Partei, PCF, den WahlSlogan gegen den Nationalsoziaüsmus bzw. den Faschismus. An der Saar, wo die Bevölkerung nach den im Versaüler Friedensvertrag festgesetzten 15 Jahren Völkerbunds-Hoheit über die Zugehörigkeit zu Deutschland oder zu Frankreich abstimmen soUte, vereinten sich aüe Gegner der Rückgüederung an das Deutsche Reich, solange dort das NS-Regime herrschte, in einer auch »Volksfront« genannten Freiheitsfront für den Status quo. Sie wurde von Heinrich Brüning, dem inzwischen in die Emigration getriebenen deutschen Reichskanzler, unter dem die Bewegung »Volksfront für Hindenburg« entstanden war, unterstützt. Die inhaltlichen Wandlungen der Volksfront-Losung, -Propaganda und -Poütik in den folgenden Jahren bis 1939 werden auf ihre aktueüen poütischen Hintergründe, auf die strategischen oder taktischen Intentionen und Impükationen und auf ihre Auswirkungen hinterfragt. Unter anderem werden die auf dem VII. Weltkongreß der Komintern inaugurierte »Taktik des Trojanischen Pferdes« und die Versöhnungsaufrufe der KPD und anderer kommunistischer Parteien thematisiert. Berün und Moskau bildeten in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts die beiden Pole, denen sich die Demokraten in Deutschland und Europa konfron-
tiert sahen. Der sie unmittelbar durch seine Innen- und Außenpoütik physisch bedrohende Nationalsoziaüsmus üeß zunehmend dessen ideologischen Widerpart, den Kommunismus, selbst in Gestalt der bolschewistisch-staünistischen Sowjetunion, als real existierenden Partner im Kampf gegen die nationaüstische, kapitaüstisch-imperiaüstische Reaktion erscheinen. Soziaüsmus und Internationaüsmus, internationale Soüdarität führten die nationalen kommunistischen Parteien IX
Vorbemerkungen die Kommunistische Internationale (Komintern), seit jeher die UdSSR wurde 1934 ein GUed in der Völkergemeinschaft, und Schüde, dem Völkerbund. Paris und Prag wurden die wichtigsten Zentren der deutschen Emigration nach der Übergabe der Kanzlerschaft und damit der Macht in Deutschland an Hider durch Hindenburg am 30. Januar 1933. Sie verkörpern zudem Mitte der dreißiger Jahre Alternativen, zwischen denen die Parteien und die Bürger in Frankreich und in der Tschechoslowakei mehrheitlich wählten: dort den Front populaire, das Bündnis zwischen der soziaüstischen Partei SFIO (Section Française, Internationale Ouvrière), dem PCF, der Radikalsoziaüstischen Partei und kleineren soziaüstischen Parteien, das, auch von den Gewerkschaften und zahlreichen außerparlamentarischen Organisationen getragen, die Parteien der äußersten Rechten zurückdrängte; hier die Sudetendeutsche Partei, die den Anschluß an das Deutsche Reich propagierte und die sozial- und national-demokratischen Parteien sowie die KPC, die aüesamt kein Bündnis eingehen woUten, überflügelte. Damit wurde die demokratische CSR der Erpressung des NS-Regimes preisgegeben. Die poütisch motivierte Emigration aus Deutschland in Frankreich und in der CSR entsprach insofern den »Mustern« der hier verkürzt unter einem subsumierten antifaschistischen Parteien beider Länder, Nenner gemeinsamen als sich in Paris ab Mitte 1935 eine deutsche Volksfrontbewegung entwickelte, während zur selben Zeit in Prag der ExU-Vorstand der SPD, genannt Sopade, und die Auslandszentrale bzw. der westeuropäische Teü des Poütbüros der KPD sich, wenn auch unterschiedüch motiviert, einem Zusammengehen verweigerten (Sopade) oder diese durch zu weit gehende Forderungen und strategisch anmutende taktische Fehler (KPD) abblockte. Der Zerfaüsprozeß des im Februar 1936 in Paris konstituierten »Ausschusses zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront« und der deutschen Volksfrontbewegung im Exü üi Europa verüef trotz verschiedener Anstrengungen zur Wiederbelebung oder alternativer Lösungsversuche bis 1939 ungefähr paraüel zu dem des Front populaire in Frankreich und des Frente popular in Spanien, wenngleich die einzelnen und die kumuüerten Ursachen jeweüs anderer Natur waren. Der tiefere Grund war dennoch aUen gemeinsam. und ihre
Weltpartei,
im
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Makrokosmos, der äußere Rahmen, und Mikrokosmos, die innere Geschichte dessen, was im Titel »Deutsche Volksfront« genannt wird, verweben sich auf den faktischen und struktureüen Ebenen, auf denen sich die hier vorgelegte Unter-
suchung bewegt: -
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X
auf der Ebene der deutschen Organisationen, Institutionen und Einzelpersönüchkeiten in der Emigration; auf der Ebene der internationalen Organisationen der Arbeiterbewegung, vor aUem der
sozialdemokratischen, soziaüstischen und kommunistischen Internationalen, aber auch der gewerkschaftlichen Organisationen und von HUfsverbänden;
Vorbemerkungen auf der Ebene der Staaten (Sowjetunion, westeuropäische Staaten) und der internationalen bzw. zwischenstaatlichen Organisationen (Völkerbund u. a.); nicht zuletzt auf der Ebene der Vorgänge und Akteure innerhalb Deutschlands: des nationalsoziaüstischen Regimes und seiner Gegner. Diese Methode entspricht der notwendigen Historisierung, ohne die die Geschichte der deutschen Volksfrontbewegung und des Volksfrontausschusses in Paris eine Insel in der Exüforschung büebe, die ohnehin immer noch nicht hinreichend in die deutsche (erst recht nicht in die europäische und transatlantische) Geschichte integriert ist. Sie erfüllt zugleich weitgehend die Kriterien einer Sozialgeschichte, indem sie nach den existentieüen und materieUen Bedingungen, nach dem (Über-)Lebenskampf und nach den Mögüchkeiten oder Unmögüchkeiten poütischer Arbeit im Exil und unter dem NS-Regime fragt. Sie vermittelt drittens Einbücke in die innere Geschichte der Parteien, Gruppen und Individuen, ihrer Soziaüsation und ihres Eigen- und Weltbüdes. Mt der Annäherung an das Geschehen versteht sich die Arbeit als Beitrag zum Verständnis der Zeitgeschichte.
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jüngsten Queüen- und Forschungsstand entsprechende voüständige Neubearbeitung meiner Studie Volksfront für Deutschland? Band 1 : Vorgeschichte und Gründung des »Ausschusses zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront«, 1933—1936 (Frankfurt/M. 1977). Beispielsweise konnten die Einigungsversuche von Emigranten(gruppen) stärker an der Verarbeitung der Niederlage der »Volksfront« an der Saar, am widerspruchsvoüen Einigungsprozeß der französischen Linken zum Front populaire und an der konfliktreichen Vorbereitung der Komintern auf ihren VII. Weltkongreß, dann an dessen verbindüchen Ergebnissen festgemacht werden. Unter anderem ergibt sich eine Neubewertung der Konzeption der »antifaschistischen Volksfront« in der Resolution des ZK der KPD von Ende Januar 1935; eine Korrektur der bisherigen Darsteüungen, als sei die Initiative für Gespräche zur Einigung der gesamtdeutschen Emigration Ende des Frühjahrs, Anfang des Sommers 1935 von der KPD ausgegangen; das Novum, daß sich der Annäherungsprozeß zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten in Paris außerhalb des unmittelbaren Zugriffs von »Prag« und »Moskau« voüzog; schüeßüch, daß die Sozialdemokraten und die bürgerüchen Demokraten von Anfang an auf Klärung der Frage der Demokratie und deren Verankerung in einem gemeinsamen Programm und die Vertreter der KPD zu diesbezügüchen Zugeständnissen drängten was sich in deren Zustimmung zur Konstituierung des Volksfrontausschusses (vorläufig »Engerer Ausschuß« des Lutetia-Kreises genannt), der Einsetzung einer Programmkommission und in der »Kundgebung Band 1 ist eine dem
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das deutsche Volk« auf der Lutetia-Konferenz vom 2. Febuar 1936 niederschlug. Damit ist eine erste Zäsur in der poütischen Entwicklung der deutschen Emigration und eine vorläufige Antwort auf die Frage, »Was setzen wir dem Nationalsoziaüsmus entgegen?«, erreicht. an
XI
Vorbemerkungen Band 2 beginnt mit den unterschiedüchen Reaktionen in den direkt oder indirekt beteüigten oder oppositioneüen Organisationen bis hin zu solchen des Auslands und der internationalen Arbeiterbewegung sowie bei Einzelpersonen auf den Verlauf und die Ergebnisse der Lutetia-Konferenz. Das unübersehbare Auseinanderfallen des Volksfrontausschusses markiert die EinsteUung der überparteilich konzipierten Herausgeberschaft der Deutschen Informationen Anfang 1938. Zwischen diesen beiden Daten üegen Ereignisse, die auf ihre Wechselwirkungen zwischen der Existenz, der Arbeit und der Wirksamkeit des Volksfrontausschusses untersucht werden: Die innerkommunistischen Auseinandersetzungen um die »richtige« Volksfrontünie; die Affäre um das Pariser Tageblatt und die Pariser Tageszeitung, in deren Folge z. B. die Schriftsteüer nicht mehr wie 1935 als integrative Kraft fungierten; der Spanische Bürgerkrieg, die Moskauer Säuberungen und Prozesse und die »Trotzkisten«-Hatz; der Zusammenschluß von Sozialdemokraten in Berün zu einer Gruppe Deutsche Volksfront; die Verweigerung der zum Nationalsoziaüsmus in Opposition stehenden Kathoüken in der Emigration und ihre Bestrebungen, mit dissidenten Nationalsoziaüsten und ehemaügen Kommunisten eine christlich-national-konservative Front zu formieren; die Deutsche Freiheitspartei, die Anfang 1937 erstmals an die Öffentlichkeit trat und zunächst aüseits als die erwünschte bürgerüch-demokratische Front der Opposition gegen den Nationalsoziaüsmus innerhalb Deutschlands begrüßt wurde. Dem »Ausbück« auf die organisatorischen und internationalen Ent- und Verwicklungen bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs üegen die zentralen Fragen zugrunde: Was ist »Volksfront«? Was dient ihr und umgekehrt, wozu und wem soü »Volksfront« dienen? Was an ihrem Wirken ist Popuüsmus, was Aübi-Aktivität? Dieses Kapitel leitet über zur Analyse der Debatten um Bündnispartner und Programme. Strategien und Begriffe werden auf ihre Wurzeln und ihre jeweiügen Inhalte bzw. Definitionen hin durchleuchtet; Probleme werden aufgegriffen, die sich bereits in der Phase der Herausbüdung der deutschen Volksfrontbewegung in Paris 1935 zumindest latent zeigten. Ein durchgehendes Problem, das sich mit dem Spanischen Bürgerkrieg und den Verfolgungen innerhalb und von Seiten »Moskaus« potenzierte, war die Frage nach der Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit zwischen der Verhinderung eines Krieges zum Schutz der Sowjetunion, des SteUenwerts des Soziaüsmus in der Planung einer zukünftigen Ordnung und der Wahrung bzw. Wiedergewinnung von Demokratie. Unlösüch damit verbunden zeigt sich der Komplex der zwischenmenschüchen und internationalen Soüdarität. Band 3 enthält 38 zeitgenössische, voUständig wiedergegebene und wo notwendig annotierte Dokumente: Vorschläge, Entwürfe, (tages-)poütische SteUungnahmen, Programme von poütischen Parteien, Gruppen und Einzelpersönüchkeiten von Heinrich Mann bis zu Otto Strasser -, vom Volksfrontausschuß und seinen Unterausschüssen sowie damaüge Resümees des Volksfront-Experiments. Sie ergänzen die Untersuchung, sie bieten die Mögüchkeit, das in Band 1 und 2 Dar-
XII
Vorbemerkungen
gelegte zu überprüfen, und sie gewähren Einsicht in die damaügen Sprachmuster. Eine Chronik erlaubt die schneüe Orientierung über Schlüsseldaten der Vorgeschichte und der Geschichte der Volksfrontbewegung und des Volksfrontausschusses von 1932 (Reichspräsidenten-Wahlkampagne) bis 1939 (Beginn des
Zweiten Weltkrieges) und des organisatorischen Umfelds wie der äußeren historischen Entwicklungen. Das Quellen- und Literaturverzeichnis üstet aUe benutzten öffentlichen und privaten Archive und Bibüotheken, Editionen, Handbücher usw., zeitgenössische Periodika und Einzelveröffentüchungen, Erinnerungen, Tagebücher und Sekundärüteratur auf. Das Register erfaßt Personen (auch heutige Autoren, Herausgeber und Bearbeiter), Organisationen, Institutionen und die zeitgenössischen Periodika in aüen drei Bänden. Diese Arbeit hätte ohne die über viele Jahre gewährte freundliche Hilfe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedensten Abteilungen vom Magazin über Repro-Abteüung, Lesesaal, Referentenabteilung bis zur Direktion der in Band 3 genannten Archive und Bibüotheken nicht geschrieben werden können. Ihre Namen aufzuüsten, würde mehrere Seiten füüen und selbst dann, fürchte ich, würde ich einige Namen vergessen oder nicht mehr rekonstruieren können. SteUvertretend für aüe sei an dieser SteUe dem Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam, in dem seit Jahren mein Arbeitsplatz ist, und den dortigen (ehemaügen) KoUeginnen und KoUegen herzüch gedankt. Über die Personen, die im QueUen- und Literaturverzeichnis unter »Privatarchiv Ursula Langkau-Alex« aufgeführt sind, hinaus bin ich nicht wenigen dankbar verbunden, sei es für Anregungen, Hinweise auf oder Beschaffung, auch Überlassung von Materiaüen oder Vermittlung zu Zeitzeugen und Arbeit in (Privat-)Archiven und Bibüotheken; sei es für Übersetzungshilfen aus dem Russischen oder z. T. kritisches Lesen und Diskussionen; nicht zuletzt für manche Freundschaft. Namentüch möchte ich nennen: Rolf Binner, Dorothée Bores, Michael Buckmiller, Liü Couvé-JampoUer, Michaela Enderle-Ristori, Bernd Florath, Chryssoula Kambas, Helena Kanyar-Becker, Wolfgang Klein, Sigrid Kleinschmidt, Ruth Lieb-Staeheün (f), Einhart Lorenz, Lieselotte Maas, Hartmut Mehringer, Reinhard Müüer, Helmut Müssener, Dieter Neues, Irina Novicenko, Marcus G. Patka, Christian Riechers (f), Tania Schüe, Fred E. Schrader, Zdenék Soüe, Carola Stern, Barbara Vormeier, Claudie Weill. In diese Reihe gehört auch Peter Heyl, mein Lektor beim Akademie Verlag. -
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Besonderer Dank gebührt den Herren Professoren Theodor Schieder (j-) und Hans Mommsen, die seinerzeit gegenüber der Deutschen Forschungsgemeinschaft die personeUe und Sachmittel-Förderung für die Erarbeitung von Band 2 vertreten haben. Der DFG danke ich für die Gewährung der Förderung sowie für den Druckkostenzuschuß für Band 2. Der Herbert und Elsbeth Weichmann Stiftung verdanke ich den Druckkostenzuschuß für Band 1. XIII
Vorbemerkungen Last but
least: Götz
und ist mir mehr als nur ein inteUektueU hat in aU den Jahren meine gelegentlichen an anderen Themen) ertragen, Erholungspausen »erzwungen« und, ebenso wie Thomas Langkau, mich jederzeit auch in technischer Hinsicht unterstützt. Mit Worten aüein ist mein Dank an beide nicht auszudrücken.
Langkau war anregender (Diskussions-)Partner, er Streßausbrüche bei der Arbeit (auch not
Amsterdam, im Mai 2004
XIV
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Ursula Langkau-Alex
Abkürzungsverzeichnis
AA-PA AB ABA ADG ADGB AdK AdK-StA AdsD AEAR AIZ AK AL
Auswärtiges Amt, Poütisches Archiv
AN/P APPP ARAB ARBARK As AZ
Archives Nationales, Paris Archives de la Préfecture de Poüce, Paris Arbetarrörelsens Arkiv och Bibüotek Arbeiderbevegelsens Arkiv og Bibüotek Abschrift Auslandszentrale
BA/B BA/K
Bundesarchiv, Berün Bundesarchiv, Koblenz
Auslandsbüro
Arbejderbevaegelsens Bibüotek og Arkiv Auslandsvertretung der Deutschen Gewerkschaften Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund
Akademie der Künste, Archiv und Bibüothek Akademie der Künste, Stiftung Archiv Archiv der sozialen Demokratie Association des Écrivains et Artistes Révolutionnaires Arbeiter-IUustrierte Zeitung Auslandskomitee
Auslandsleitung
BDIC BL BN BND BNV BPRS BV BVP BZ
Bibüotheque de Documentation Internationale Contemporaine Bezirksleitung Bibüotheque Nationale
CGT CGTU CoU. CSR
Confédération Générale du Travail Confédération Générale du Travaü Unitaire CoUection (Archiv, Sammlung) Tschechoslowakische Repubük
DAF DB-DEA
Deutsche Deutsche Deutsche Deutsche Deutsche
DDP
DDR DF
Bund Neues Deutschland Bund Neues Vaterland Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteüer Bezirksvorstand
Bayerische Volkspartei Berüner
Zeitung
Arbeitsfront Bibüothek, Deutsches Exü-Archiv Demokratische Partei Demokratische Repubük Freiheit (Zeitung) XV
Abkürzungsverzeichnis DFB DFD-MDFB
Deutsche Freiheits-Bibüothek Das Freie Deutschland Mitteüungen der Deutschen Freiheits-Bibüothek -
DFG DFP DI DKD DLM DNVP Ds DSAP DStP DVP DVZ
Ed. EKKI Ex.
FdJ FDJ
FDGB FEAF FZ Ci A GdSt GDW
Deutsche Friedensgesellschaft Deutsche Freiheitspartei Deutsche Informationen Deutscher Kurierdienst Deutsche Liga für Menschenrechte Deutschnationale Volkspartei
Durchschrift, Durchschlag
Deutsche Sozialdemokratische Arbeiter-Partei Deutsche Staatspartei Deutsche Volkspartei Deutsche Volks-Zeitung
Éditions Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale
Exemplar Freie deutsche Jugend Freie Deutsche Jugend (Zeitschrift) Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Fédération des d'AUemagne en France
Émigrés
Frankfurter Zeitung
Gegen-Angriff Gegen den Strom Der
GRP
Gedenkstätte Deutscher Widerstand Geheimes Staatspoüzeiamt Geheime Staatspoüzei German Labor Delegation Gosudarstvennoe poüticeskoe upravlenie (Staatliche Poütische Verwaltung) Gruppe Revolutionärer Pazifisten
HJ
Hitler-Jugend
IAA IAH IEE IfZ
Internationales Antifaschistisches Archiv Internationale Arbeiterhilfe Information von Emigranten für Emigranten Institut für Zeitgeschichte
Gestapa Gestapo GLD GPU
IGB IGK IGPK IISG IKD ILP XVI
Internationaler Gewerkschaftsbund Internationale Gewerkschaftskorrespondenz Internationale Gewerkschafts-Pressekorrespondenz Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis Internationale Kommunisten Deutschlands Independent Labour Party
Abkürzungsverzeichnis
Inprekorr IPTT IRH ISK ITF IVKO
IVRS KAPD KI
KJI KJVD
Internationale Presse-Korrespondenz für Poütik, Wirtschaft und Arbeiterbewegung Internationale des Post-, Telegraphen- und Telephonpersonals Internationale Rote Hufe Internationaler Soziaüstischer Kampfbund Internationale Transportarbeiter-Föderation Internationale Vereinigung der Kommunistischen Opposition Internationale Vereinigung Revolutionärer Schriftsteüer
Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands Kommunistische Internationale (Organisation und Zeitschrift) Kommunistische Jugend-Internationale Kommunistischer Jugendverband Deutschlands Kommunistische Internationale (III. Internationale)
Komintern Korr. KPD KP(D)0, KPO
KPD-Opposition
KPdSU KZ
Konzentrationslager
KPÖ
LA LBI LG LO
MDFB M.d.L. M.d.R. MG MIF
Korrespondenz
Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei Österreichs Kommunistische Partei der Sowjetunion
Landesarchiv Leo Baeck Institute
Landesgruppe Linke Opposition (Bolschewiki-Leninisten) Mitteüungen der Deutschen Freiheits-Bibüothek Mitgüed des Landtags Mitgüed des Reichstags
Manchester Guardian Miners' International Federation
(Internationaler Bergarbeiter-Verband)
Ms MSLN
Manuskript
NB NDB nf NF NKWD
Neu Beginnen Neue Deutsche Blätter die neue front Neue Front Narodnyj komissariat vnutrennych del (Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten) Neuer Roter Stoßtrupp Nationalsoziaüsten, nationalsoziaüstisch Nationalsoziaüstische BetriebszeUenorganisation Nationalsoziaüstische Deutsche Arbeiterpartei Das Neue Tage-Buch Neuer Vorwärts
NRS NS NSBO NSDAP NTB NV
The Monthly Summary of the League of Nations
Abkürzungsverzeichnis NvdS NWB NZZ o.
D.
o.J.
o.O. ORA OSDS o. U. PA
PCF(-SFIC) Port. PSdF PT PTTI PTZ PV Rb RF RFB RGI RGO
RH(D) RK RL RSchr.
RS(D) RSI
RSÖ RST RT Runa RUP SA SAI
SAJ
SAP(D)
SAPMO
SASI SD SDS XVIII
Nachrichten von der Saar Die Neue Weltbühne Neue Zürcher Zeitung ohne Datum ohne Jahr ohne Ort Oberreichsanwalt Opposition im Schutzverband Deutscher Schriftsteller ohne Unterschrift
Privatarchiv Parti Communiste Français, Section de l'Internationale Communiste Portefeuiüe (bei Aktenbeständen) Parti Sociaüste de France (Union Jean Jaurès) Pariser Tageblatt Postal, Telegraph and Telephone International Pariser Tageszeitung Parteivorstand Reichsbanner Schwarz Rot Gold Die Rote Fahne Roter Frontkämpfer-Bund Rote Gewerkschafts-Internationale Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition Rote Hufe (Deutschlands) Rote
Kämpfer Reichsleitung
Rundschreiben Revolutionäre SoziaUsten (Deutschlands) Rote Sport-Internationale Revolutionäre SoziaUsten Österreichs Roter Stoßtrupp
Reichstag
Rundschau-Nachrichten Rassemblement Universel pour la Paix
Sturmabteilung (der NSDAP)
Soziaüstische Arbeiter-Internationale Soziaüstische Arbeiter-Jugend Soziaüstische Arbeiterpartei (Deutschlands) Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Soziaüstische Arbeiter-Sport-Internationale Sicherheitsdienst Schutzverband Deutscher Schriftsteüer
Abkürzungsverzeichnis SED SFIO SIB SIKO
SJI SJV(D) SK
Sopade
Soziaüstische Einheitspartei Deutschlands Section Française, Internationale Ouvrière Sozialdemokratischer Informationsdienst
Sievers-Korrespondenz Soziaüstische Jugend-Internationale Soziaüstischer Jugendverband (Deutschlands) Soziaüstischer Kampf Sozialdemokratische Partei Deutschlands (ParteivorstandsBüro in der Emigration)
SS StAK-HA SW
Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sozialdemokratische Partei Österreichs Sozialdemokratische (Landes-)Partei des Saarlands Secours Rouge (International) Schutzstaffel (der NSDAP) Stadtarchiv Köln, Historisches Archiv Soziaüstische Warte
TB
Das
SPD
SPÖ SPS
SR(I) '
Tage-Buch
UBB
Universitätsbibüothek Basel
UB(L)
Unterbezirk(sleitung)
UdSSR ULA URF
USP(D) UW
UZ VGH
Union der Soziaüstischen Sowjetrepubüken Ursula Langkau-Alex Union für Recht und Freiheit Unabhängige Sozialdemokratische Partei (Deutschlands) Unser Wort Unsere Zeit
VSB(D)
Volksgerichtshof Vierteljahrsbericht Verbindungsmann, Vertrauensmann Volkssoziaüstische Bewegung (Deutschlands)
WB WEB WKKF
Westeuropäisches Büro (der Komintern) Weltkomitee gegen Krieg und Faschismus
VJB
V-Mann
ZA ZfS ZK ZV ZVE
Die Weltbühne
Zentralausschuß Zeitschrift für Soziaüsmus Zentralkomitee Zentralvorstand Zentralvereinigung der deutschen
Emigration
Einleitung Konstellation der antinationalsozialistischen Gruppierungen Beispiel der Reichspräsidenten-Wahlkampagne 1932
am
In der Pubüzistik und Historiographie ist vielfach der 20. Juü 1932, Reichskanzler Franz von Papens Staatsstreich gegen Preußen, als das entscheidende Ereignis dargesteüt worden, das die kampflose Niederlage der ohnehin bereits gelähmten deutschen Arbeiterbewegung und der Weimarer Repubük praktisch einleitete.
Bewußt oder unbewußt kam die Selbstverständnis der SPD nahe
dem zeitgenössischen die der mit von Otto Braun als jener Partei, der kathoüschen mit ZentrumsMinisterpräsident geführten Koaütionsregierung und der Deutschen das letzte partei Staatspartei (DStP)1 parlamentarischdemokratische »BoUwerk« gegen den Nationalsoziaüsmus und gegen die KPD aufgeben mußte.2 Die angeführten, je nach Standort unterschiedüch bewerteten
Forschung weitgehend
—
1
Die DStP war im Juü 1930 aus der Fusion der »Weimarer« ünksüberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) mit dem von antisemitischen Tendenzen nicht freien Jungdeutschen Orden bzw. dessen Volksnationaler Reichsvereinigung hervorgegangen. 2 Siehe etwa Karl Dietrich Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, 2., verb. u. erw. Aufl., Stuttgart usw. 1957, 4. unveränderte Aufl. [nach der 3., aufgrund neuerer Forschungen nur in Einzelformuüerungen und knappen Zusätzen Überarb. Neuauflage], Villingen/Schwarzwald 1964, bes. S. 582ff; ders., »Stufen der Machtergreifung«, in: Karl Dietrich Bracher/Wolfgang Sauer/Bernhard Schulz, Die nationalsozialistische Machtergreifung. Studien zur Errichtung des totalitären Herrschaftssystems in Deutschland 1933/34, Köln Opladen 1960, S. 31-368, hier S. 39f; Erich Matthias, »Der Untergang der alten Sozialdemokratie 1933«, in: VfZG, Jg. 4 (1956), S. 250-286, bes. S. 253ff; Erich Matthias/Rudolf Morsey (Hrsg.), Das Ende der Parteien 1933, Düsseldorf 1960, darin bes. Erich Matthias, »Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands«, S. 99-278, vor aüem S. 125ff, und Siegfried Bahne, »Die Kommunistische Partei Deutschlands«, S. 652-739, vor aüem S. 672ff; ergänzend vgl. z. B. die zeitgenössischen Tagebuchaufzeichnungen des damaügen sozialdemokratischen Poüzeipräsidenten von Berün, Albert Grzesinski, Dok. Nr. 3, in: Albert Grzesinski, Im Kampf um die deutsche Republik. Erinnerungen eines Sozialdemokraten, hrsg. von Eberhard Kolb, München 2001, S. 343— 356, siehe auch Grzesinskis Darsteüung in: ebd., Kap. 23, S. 267ff. [das Manuskript wurde zwischen Oktober und 31. Dezember 1933 (Datum von Grzesinskis »Vorwort«) verfaßt, einige Korrekturen und Ergänzungen bis Februar 1934 nachgetragen, eine französische und eine schwedische Übersetzung erschienen bereits 1934 in Paris bzw. Stockholm vgl. auch meine Rezension in: International Review of Social History (IRSH), Vol. 48 (2003), S. 287ff.]; Aufzeichnung von Otto Wels zum 20. Juü 1932, o. D. [ca. Anfang 1933], Dok. Nr. 1, in: Anpassung oder Widerstand? Aus den Akten des Parteivorstands der deutschen Sozialdemokratie 1932/33, hrsg. und bearb. von Hagen Schulze, Bonn-Bad Godesberg 1975, S. 3—14, dazu die Einleitung, bes. S. XVIff.; aus kommunistischer Sicht und aus der Perspektive des als notwendig erachteten Zusammenschlusses von SPD und KPD nach dem -
-
3
Einleitung Faktoren3 zum Beweis dieser These soüen hier nicht diskutiert werden. Wenn ich in meiner in der ersten Hälfte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts verfaßten Studie Volksfrontfür Deutschland? Band 1, auf die zeitlich frühere Kampagne um die Wahl des Reichspräsidenten 1932 zurückgegriffen habe und das in dieser voüständig überarbeiteten Neuauflage wiederhole, so hatte und hat dies die folgenden, inzwischen auch von nachfolgenden Forschern anerkannte oder weiter-
geführte Gründe: In der Kampagne treten die antinationalsoziaüstischen Organisationen, Gruppierungen und Personen noch einmal als sei es vieüeicht auch nur scheinbar
Handelnde auf. Die KonsteUation der antinationalsoziaüstischen Kräfte, die hier greifbar wird, veränderte sich weder während des letzten Jahres der Weimarer Repubük noch während der folgenden ersten Emigrationsphase wesentlich. Verschiebungen innerhalb der KonsteUation, die spezieü in der Phase der Vorbereitung einer deutschen Volksfront im Ausland zeitweiüg auftraten, bleiben innerhalb des 1932 erkennbaren grundsätzüchen Rahmens. Sowohl in der Wahlkampagne 1932 als auch dann später in den VolksfrontAuseinandersetzungen war die Frage gesteUt: Was setzen wir dem (deutschen) Faschismus entgegen? Die Antworten, die Anfang 1936 auf diese Frage gegeben wurden, unterscheiden sich jedoch von denen von 1932 fast durchgängig. Die Art der Beantwortung der Frage ist jeweils Ausdruck der Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung und von deren gravierendstem Aspekt, dem erbitterten Gegensatz zwischen den beiden großen poütischen Organisation, SPD und KPD. Wenn in der Emigration diese Spaltung als Grund für den Sieg des nationalsoziaüstischen Faschismus erfahren wurde, wenn in den Auseinandersetzungen um die deutsche Volksfront versucht wurde, die in der Weimarer Republik verhärteten FrontsteUungen zu überwinden oder doch im Rahmen einer weitergehenden Strategie mindestens zeitweise zu neutraüsieren, so waren die FrontsteUungen, —
Kriege
zwischen
April
1944 und
August
1945 im mexikanischen Exü
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geschrieben:
Alex-
Abusch, Der Irrweg einer Nation. Ein Beitrag zum Verständnis deutscher Geschichte, Berün 1946, bes. S. 240, Erstausgabe Mexico: Editorial El Libro übre 1945, neubearb. Ausgabe mit einem Nachwort des Autors vom Juü 1949, Berün 1950; unter verfassungspoütischem Aspekt: Wilübalt Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, München 1946, bes. S. 385. ander
3 Machtverlust bis Machtvakuum der demokratischen Parteien; Präsidialsystem seit 1930; Tolerierungspoütik, machtpoütisches Versagen der SPD; mangelndes demokratisches Bewußtsein in Deutschland; gespaltene Arbeiterbewegung und besonders die Feind-
schaft zwischen KPD und SPD; Mängel der Weimarer Verfassung bzw. Unterlassung ihrer Weiterentwicklung; Einflußnahme der ostelbischen Großagrarier, der (Schwer-)Industrie, der Reichswehr, der Beamtenschaft die Reihe üeße sich fortsetzen, vgl. dazu: Wolfgang Michalka (Hrsg.), Die nationalsozialistische Machtergreifung Paderborn usw. 1984; Heinrich August Winkler (Hrsg.), Die deutsche Staatskrise 1930-1933, München 1992 [beachte dort auch die Diskussionen]; detailüert ders., Der Weg in die Katastrophe. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1930—1933, Vorbemerkung und bes. S. 646ff., und zum folgenden siehe S. 51 Iff. —
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Keine Wahl?
wie sie 1932 exemplarisch sichtbar werden, immer schon vorausgesetzt. Kontinuität in der FragesteUung, Verschiedenheit in den Antworten die Kampagne zur Wahl des dritten Präsidenten der Republik bietet sich als Kuüsse für die Darsteüung der Vorgeschichte der »deutschen Volksfront« an. -
Keine Wahl? Die Amtszeit Paul von Hindenburgs üef im Frühjahr 1932 ab. Die Rechte, die 1925 im zweiten Wahlgang den kaiserüchen Generalfeldmarschaü auf den Präsidentenstuhl der Repubük gehoben hatte,4 war nun tief gespalten. Alfred Hugenbergs Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und vor aüem Hitlers NationalsoziaUstische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) steüten sich gegen Hindenburg und »seinen« Kanzler Heinrich Brüning.5 Der Stahlhelm, dessen Ehrenpräsident Hindenburg war, schwankte zwischen diesem Lager und den gemäßigten Konservativen, die an Hindenburg festhalten woüten.6 Hindenburg selbst war amtsmüde. Die am 11. Oktober 1931 in Bad Harzburg zur Harzburger Front7 zusammengeschlossene »nationale Opposition« schien der Rechten für einen Augenbück die Chance zu bieten, sich noch einmal auf Hindenburg zu einigen, diesen für eine
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und nach dem Verbot gerade wieder
Die damals noch kleine
zugelassene
NSDAP
gegen Hindenburg gewesen. Eines der Hauptargumente war die von Hindenburg unterzeichnete Annahme des Young-Plans, vgl. Bracher, Auflösung, S. 443; Otto Braun, Von Weimar zu Hitler, New York [1940], S. 366f; daß Hindenburg nicht mehr unbedingt an Brüning festzuhalten gedachte, zeigt sich in seinem Brief an den ehemaügen GeneralbevoUmächtigten des preußischen Königshauses Friedrich von Berg vom 25. Februar 1932, in: Erich Matthias, »Hindenburg zwischen den Fronten. Zur Vorgeschichte der Reichspräsidentenwahlen von 1932 eine Dokumentation«, in: VfZG, Jg. 8 (1960), S. 75-84, hier S. 78-82 und bes. S. 81; vgl. auch Wolfgang J. Mommsen, »1933: Die Flucht in den Führerstaat«, in: Carola Stern/Heinrich August Winkler (Hrsg.), Wendepunkte deutscher Geschichte 1848—1990, durchges. Neuausgabe Frankfurt/M. 2001, S. 127-158, bes. S. 134f. 6 Vgl. Bracher, Auflösung, S. 443ff; zum Stahlhelm vgl. Alois Klotzbach, Der politische Weg des Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten in der Weimarer RepublikEin Bietrag zur Geschichte der »Nationalen Opposition« 1918—1933, Erlangen 1965; Volker Berghahn, Der Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten 1918-1935, Düsseldorf 1966. 7 Vgl., auch zum folgenden, Volker R. Berghahn, »Die Harzburger Front und die Kandidatur Hindenburgs für die Präsidentschaftswahlen 1932«, in: VfZG, Jg. 13 (1965), S. 64— 82; Bracher, Auflösung, S. 408ff; Winkler, Weg in die Katastrophe, S. 432ff. u. passim; vgl. auch Braun, Weimar, S. 367; Heinrich Brüning, Memoiren 1918—1934, Stuttgart 1970, bes. S. 450ff; kritisch zu Brüning: Andreas Rödder, »Dichtung und Wahrheit. Der Quellenwert von Heinrich Brünings Memoiren und seine Kanzlerschaft«, in: Historische Zeitschrift (HZ), Bd. 265, H. 1 (August 1997), S. 77ff.
aüerdings
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war
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Einleitung zweite Amtszeit zu gewinnen und ihn durch eine parlamentarische Zweidrittelmehrheit unter Umgehung der verfassungsmäßigen Volkswahl erneut zum Präsidenten der Repubük zu machen.8 Versuche Brünings in dieser Richtung,9 bei denen die Reichswehrführung die Funktion des Mitders übernahm,10 wurden von den Konservativen bis hin zum Zentrum11 unterstützt und von der SPD, die dem Düemma einer Wahl ebenfaUs ausweichen woüte, toleriert.12 Sie scheiterten Ende Januar 1932 an den Forderungen Hugenbergs wie Hiders nach Auflösung des Reichstags, nach Übernahme der Reichskanzlerschaft und der Regierung in Preußen.13 Es mußte also gewählt werden. Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise standen aüe Parteien vor der Frage: Wer soü Reichspräsident werden?
Arbeiterkandidat Für die KPD war diese Reichspräsidentenwahl offensichtlich kein Problem mehr wie noch die von 1925.14 Die Klassendiktatur des Kapitals habe, so beurteüte die
Zu einem bereits Anfang 1931 aufgesteüten Plan vgl. Bracher, Auflösung, S. 443ff. Vgl. ebd.; Variationen von Brünings Versuchen bei Brüning, Memoiren, S. 460ff.; vgl. auch als Zeitgenossen Konrad Heiden, Geburt des Dritten Reiches. Die Geschichte des Nationalsozialismus bis Herbst 1933, Zürich: Europa-Verlag 1934, S. 51ff. 10 Zur Roüe der Reichswehrführung vgl. Francis L. Carsten, Reichswehr und Politik 8
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1918-1933, Köln Berün 21965, bes. S. 341ff.; auch Wolfgang Sauer, »Die Mobilmachung der Gewalt«, in: Bracher/Schauer/Schulz, Machtergreifung, S. 685-972, bes. S. 692ff. 11 Zur VorsteUung über »Volkssammlung« oder »Notgemeinschaft«, unter Einschluß oder Bindung des NSDAP, innerhalb der Zentrum-Führung vgl. Rudolf Morsey, »Die deutsche Zentrumspartei«, in: Matthias/Morsey (Hrsg.), Ende der Parteien, S. 279—453, bes. S. 324ff. 12 Vgl. Friedrich Stampfer, Die vierzehn jähre der ersten deutschen Republik, Karlsbad: Graphia 1936, S. 560f; Bracher, Auflösung, S. 447 und dort bes. Anm. 11; vgl. auch das Zitat von Wühelm Sollmann, in: Carl von Ossietzky, »Eiserne Front«, in: Die Weltbühne (WB), Jg. 28, 1932, Nr. 2, 12. Januar, S. 41^13, hier S. 42; nach eigenen Angaben äußerte Otto Braun aüerdings verfassungsrechtliche Bedenken, vgl. Braun, Weimar, S. 371. 13 Zu den verworrenen Verhandlungen vgl. im einzelnen Brüning, Memoiren, S. 460ff., und bes. S. 560ff.; Heiden, Geburt, S. 52f; Braun, Weimar, S. 371; Stampfer, Vierzehn Jahre, S. 561; Paul Meißner, Staatssekretär unter Ebert Hindenburg Hitler. Der Schicksalsweg des deutschen Volkes von 1918-1945, wie ich ihn erlebte, Hamburg 31950, S. 215ff.; Bracher, Auflösung S. 447f.; Werner Conze, »Die poütischen Entscheidungen in Deutschland 1929-1933«, in: Werner Conze/Hans Raupach (Hrsg.), Die Staats- und Wirtschaftskrise des Deutschen Reichs 1929/33, Stuttgart 1967, S. 176-252, bes. S. 227ff.; Winkler, Weg in die Katastrophe, bes. S. 479ff. 14 Vgl. Ossip K. Flechtheim, Die Kommunistische Partei Deutschlands in der Weimarer Republik, Offenbach/M. 1946, S. 124f; Ruth Fischer, Stalin und der deutsche Kommunismus. Der Übergang zur Konterrevolution, Frankfurt/M. 1948, S. 509ff.; Hermann Weber, Die Wandlung -
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Arbeiterkandidat
Lage in Übereinstimmung mit der Komintern, während der Wirtschaftskrise ihre demokratische Maske faüen lassen und sich zunehmend faschistischer Methoden bedient. Die verschiedenen Stadien der Faschismus-Interpretation, ihre komplexen ökonomischen und (partei-)poütischen Impükationen besonders seit 1928 soUen hier nicht erörtert werden.15 Anfang 1932 jedenfalls galten der KPD Nationalsoziaüsmus und Sozialdemokratie als Zwilünge: Für die Durchführung ihres faschistischen Kurses Ueferte der »Nationalfaschismus« der Bourgeoisie die unentbehrüche aggressive Massenbasis aus dem Kleinbürgertum, während der »Sozialfaschismus« zum gleichen Zweck dadurch beitrug, daß er beträchtliche Teüe der Arbeiterklasse im Klassenkampf neutraüsierte.16 Da die Sozialdemokratie bzw. ihre Führung in einer Situation, die die KPD als objektiv revolutionär beurteüte, die von ihr organisierten Massen von der proletarischen Revolution ablenkte, war im Kampf gegen den Kapitaüsmus der Hauptstoß poütisch gegen die Sozialdemokratie zu richten.17 Schon vor der hier paraphrasierten SteUungnahme Thälmanns vom Februar 1932 hatte die KPD als erste Partei einen definitiven Beschluß zur Präsidentschaftskampagne gefaßt. Am 12. Januar 1932 nominierte das ZK den Parteivorsitzenden Ernst Thälmann als »roten Arbeiterkandidaten« unter Losungen wie: »Klasse gegen Klasse!« »Rote Einheitsfront gegen die gesamte Reaktion von Severing bis Hitler!« »Für den Kandidaten der sozialen und nationalen Befreiung gegen den Kandidaten der Tribute und Reparationen!« KPD die
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des deutschen Kommunismus. Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik, Bd. 1, Frankfurt/M. 1969, S. 106f.; eine Andeutung auch bei Kurt Hüler, Köpfe und Tröpfe. Profile aus einem Vierteljahrhundert, Hamburg- Stuttgart 1950, S. 22. 15 Vgl. dazu z. B. Peer H. Lange, Stalinismus versus »Sozialfaschismus« und »Nationalfaschismus«. Revolutionspolitische Ideologie und Praxis unter Stalin 1927-1935, Göppingen 1969; Nicos Poulantzas, Fascisme et dictature. La troisième Internationale face au fasäsme, Paris 1970, bes. S. 157-177; Josef Schleifstein, Die »Sozjalfaschismus«-These. Zu ihrem geschichtlichen Hintergrund, Frankfurt/M. 1980; Leonid Luks, Entstehung der kommunistischen Faschismustheorie. Die Auseinandersetzung der Komintern mit Faschismus und Nationalsozialismus 1921—1935, Stuttgart 1985; Thomas Schmidt, »Die Faschismusdiskussion auf dem VI. Kongreß der Kommunistischen Internationale«, in: Helga Grebing/Klaus Kinner (Hrsg.), Arbeiterbewegung und Faschismus. Faschismus-Interpretationen in der europäischen Arbeiterbewegung, Essen 1990, S. 109-124. 16 Vgl. Bahne, »Die Kommunistische Partei Deutschlands«, bes. S. 658 und die dort zit. Queüen; zur Theorie des Sozialfaschismus vgl. ders., »>Sozialfaschismus< in Deutschland. Zur Geschichte eines poütischen Begriffs«, in: IRHS, Vol. X (1965), S. 211-245. 17 Vgl. spezieU Ernst Thälmann, Der revolutionäre Ausweg und die KPD. Rede auf der Plenartagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands am 19. Februar 1932 in Berlin, hrsg. von der KPD, Berün o.J. [1932], bes. S. 25f.
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Einleitung »Für ein freies und soziaüstisches Rätedeutschland im Bündnis mit der Sowjetunion und dem Weltproletariat gegen den bankrotten Kapitaüsmus!«18 Überzeugt, daß unter der gegebenen »Herrschaft des Kapitaüsmus« kein kommunistischer Kandidat »die Mehrheit der abgegebenen Stimmen« auf sich vereinigen könne, propagierte die KPD, den »Wahlkampf als außerparlamentarische Massenaktion« zu führen. Unmittelbares Ziel war der Sturz der sozialdemokratisch geführten Preußenregierung in den bevorstehenden Landtagswahlen,19 jener Regierung, deren aktiv antikommunistisches Auftreten den Anhängern der Partei seit Jahren den Erfahrungshintergrund für die Theorie vom Sozialfaschismus geüefert hatte: So schlug die sozialdemokratisch geführte Poüzei in Berün zwischen dem 1. und 3. Mai 1929 eine trotz Verbots durchgeführte Demonstration der KPD und die anschüeßenden Barrikadenbesetzungen blutig auseinander, wurden Roter Frontkämpfer-Bund (RFB) und Antifaschistischer Kampfbund verboten und wirkte sich das preußische Beamtengesetz in der Praxis mehr gegen Kommunisten als gegen Nationalsoziaüsten aus.20 In der Poütik der SPD in -
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Siehe, auch für die folgenden Zitate, Die Rote Fahne (RF), 1932, 13. Januar, zit. nach: Hermann Weber (Hrsg.), Der deutsche Kommunismus. Dokumente, Köln Berün 1963, S. 106f; zu weiteren kalkuüerten Losungen vgl. den im übrigen trotz Unbehagens an der DDRGeschichtsschreibung ziemüch KPD-apologetischen Artikel von Joachim Petzold, »SPD und KPD in der Endphase der Weimarer Repubük: Unüberwindbare Hindernisse oder ungenutzte Mögüchkeiten?«, in: Winkler (Hrsg.), Deutsche Staatskrise, S. 77-98, hier S. 77; vgl. auch Autorenkoüektiv unter der Leitung von Günter Hortzschansky, Ernst Thälmann. Eine Biographie, Berün 1986, S. 551f. 15 Vgl. Thälmann, Der revolutionäre Ausweg, bes. S. 25f., 36 und 38; Walter Ulbricht, »Fragen und Antworten zur Präsidentschaftswahl«, in: RF, 1932, 31. März, zit. nach: Walter Ulbricht, Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Aus Reden und Aufsätzen, Bd. I (1918-1933), Berün 1953, S. 571-573; vgl. auch Siegfried Bahne, Die KPD unddasEnde von Weimar, Frankfurt/M. New York 1976, S. 23f; zwischen dem 1. und dem 2. Wahlgang zur Reichspräsidentschaft (13. März bzw. 10. Aprü 1932) wurden die Landtagswahlen für Preußen definitiv auf den 24. Aprü 1932 festgesetzt. 20 Zum Mai 1929 in Berün siehe aus zeitgenössischer kommunistischer Sicht: Werner Hirsch, Blutige Maitage in Berlin, Berün: Internationaler Arbeiter-Verlag o.J. [1929]; Rezeption in der DDR-Historiographie: Thomas Kurz, »Blutmai«. Sozialdemokraten und Kommunisten im Brennpunkt der Berliner Ereignisse von 1929, Berün Leipzig 1988, dazu die Rezension von James Wickham, in: IRSH, Vol. 36 (1991), S. 454ff.; vgl. Evelyn Anderson, Hammer or Anvil. The Story of the German Working Class Movement, London 1945, S. 130; Arthur Rosenberg, Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik, hrsg. von Kurt Kersten, Frankfurt/M. 1955, S. 468; Bahne, »Sozialfaschismus«, S. 233f.; die Aktionen gegen die KPD, die polizeiüchen Überwachungen, Registrierungen usw. sind eindrucksvoü dokumentiert im TeüNL des ehemaügen preußischen (1922-1924) und Berüner Poüzeipräsidenten (1925-1926 und 1930 bis Juü 1932) sowie Innenministers (1926—1930) Albert Grzesinski im Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam (IISG); vgl. auch Grzesinski, Kampf um die deutsche Republik, bes. S. 278ff.; zu einem »Altonaer Blutsonntag« im Juü 1932, der nota bene der Reichsregierung unter Brünings Nachfolger Franz von Papen den will-
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Arbeiterkandidat
Preußen sah die KPD einen der Gründe dafür, daß »die Nazis [...] so frech auftreten, wie es gegenwärtig geschieht«.21 In einem Brief vom 31. Mai 1947 an den ehemaügen sozialdemokratischen preußischen Innenminister Carl Severing sprach der ehemaüge demokratische Staatssekretär im preußischen Innenministerium Wilhelm Abegg im Rückbück von dem »fanatischen Haß der SPD gegen die Kommunisten, der soweit ging, daß Ihre Partei Kräfte und Mittel gegen die Kommunisten eingesetzt und über diesem Zwist das erforderüche Erstarken und die bevorstehende Gegenrevolution eigentlich völfig außer Acht gelassen hat«.22 Die poütischen Zwischengruppen der Arbeiterbewegung, die sich bis dahin aus der Kampagne herausgehalten hatten, reagierten auf die Nominierung von Ernst Thälmann. Internationaler SoziaUstischer Kampfbund (ISK),23 KPD-Opposition (KP[D]0),24 Linke Opposition (LO)25 und Soziaüstische Arbeiterpartei Deutsch—
kommenen Anlaß bot, die von der KPD gehaßte Preußen-Regierung aus dem Amt zu jagen, vgl. den gleichnamigen Artikel von Wolfgang Kopitzsch, in: Arno Herzig/Dieter Langewiesche/Arnold Sywottek (Hrsg.), Arbeiter in Hamburg. Unterschichten, Arbeiter und Arbeiterbewegung seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, Hamburg 1983, S. 509-516; vgl. Winkler, Weg in die Katastrophe, S. 654f. 21 So Ulbricht in: RF, 1932, Nr. 68, 31. März, zit. nach: Ulbricht, Zur Geschichte, Bd. I, S. 572. 22 Brief im Bundesarchiv Koblenz (BA/K): Kleine Erwerbungen, 329/8, Zitat S. 7. 23 Der ISK ging Anfang 1926 aus dem 1917 gegründeten Internationalen JugendBund (IJB) hervor; begründer beider Eüte-Organisationen war der dem deutschen Ideaüsmus der Aufklärung verpflichtete Phüosoph Leonhard Nelson, den ethischen Grundwerten in Poütik und Erziehung entsprach das Bekenntnis zum Soziaüsmus, siehe kurz das Stichwort von Karl-Heinz Klär, in: Lexikon des Sozialismus, hrsg. von Thomas Meyer u. a., Köln 1986, S. 274, und bes. Werner Link, Die Geschichte des Internationalen fugend-Bundes (IJB) und des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK). Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, Meisenheim am Glan 1964, zum folgenden vgl. dort bes. S. 151 ff. 24 Die KP(D)0 wurde in Deutschland Ende 1928 von rechtsoppositioneüen Kommunisten, die sich gegen den ultraünken Kurs der Komintern und der KPD wandten, ins Leben gerufen, mit gleichgerichteten Organisationen in anderen Ländern schloß sie sich zur Internationalen Vereinigung der Kommunistischen Opposition (IVKO) zusammen, siehe das Stichwort von Karl-Hermann Tjaden, in: Meyer u. a. (Hrsg.), Lexikon des Sozialismus, S. 374f., bes. ders., Struktur und Funktion der »KPD-Opposition« (KPO), Eine organisationssoziologische Untersuchung zur »Rechts-Opposition« im deutschen Kommunismus zur Zeit der Weimarer Republik, Meisenheim am Glan 1964, zum folgenden vgl. dort bes. S. 304f; Theodor Bergmann, »Gegen den Strom«. Die Geschichte der Kommunistischen Partei-Opposition, Hamburg 2001. 25 Die deutschen Anhänger von Lev Trockij gründeten 1930 die deutsche Sektion der Linken Opposition (Bolschewiki-Leninisten), siehe grundlegend: Siegfried Bahne, Der Trotzkismus in Deutschland 1931-33. Ein Beitrag zur Geschichte der KPD und der Komintern, Diss. 9
Einleitung lands (SAPD)26 appelüerten nacheinander an aüe Arbeiterorganisationen, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zur Abwehr des Faschismus zu einigen. Thäloder jedenfaUs nicht von vornhermann konnte dieser Einheitskandidat nicht ein27 sein, galt er doch als Protagonist der Sozialfaschismus-Theorie und ihrer Verlängerung, die auf quaütative Gleichsetzung von Preußenregierung, Notverordnungsdiktatur Brünings und Hiderfaschismus hinausüef.28 Zwar stimmten die Zwischengruppen im aUgemeinen mit der KPD dahingehend überein, daß SPD und Freie Gewerkschaften durch ihre Poütik zu objektiven Wegbereitern eines deutschen Faschismus geworden seien; die Theorie vom Sozialfaschismus, jedenfaUs aber deren praktische Konsequenz, die die Sozialdemokratie zum Ziel des »Hauptstoßes« machte, wurde von aüen abgelehnt. In einer Situation, in der der Klassenkampf von Seiten des Gegners offensiv geführt wurde, erforderte nach ihrer Auffassung das gemeinsame strategische Ziel die proletarische Revolution eine Taktik, die zunächst darauf gerichtet sein mußte, gemeinsam mit den Sozialdemokraten den faschistischen Angriff auf die noch bestehenden Arbeiterorganisation abzuschlagen. Durch solche gemeinsame Abwehr war die Basis zu schaffen für eine offensiv gerichtete proletarische Einheitsfront, die aktiv den Kampf um die Macht aufnehmen könnte.29 Über die konkreten Schritte, die auf dem Weg zu einer defensiven Einheitsfront zu unternehmen waren, bestanden allerdings auch unter den Zwischengruppen erhebüche, ideologisch und organisationsimmanent begründete Meinungsverschiedenheiten, die ihren Ausdruck in der Reaktion auf die ThälmannKandidatur fanden. ISK KP(D)0 und Trotzkisten forderten von der KPD schücht, die Kandidatur ihres Parteivorsitzenden zurückzuziehen, um eine Einheitskandidatur mögüch zu machen. Dagegen beschloß der Vorstand der SAP nachdem eine Kandidatur Georg Ledebours schon vorher nach kurzer Diskussion verworfen worden war am 17. Februar, sich für den »Arbeiterkandidaten« -
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phü. Heidelberg 1958; zum folgenden vgl. ders., »Der >Trotzkismus< in Geschichte und Gegenwart«, in: VfZG, Jg. 15 (1967), S. 56-86. 26 Aus der SPD Ende September 1931 ausgeschlossene jahrelange Kritiker der Poütik der Partei gründeten Anfang Oktober 1931 die SAP, der sich dann verschiedene Grup-
aus der KP(D)0, anschlössen, siehe das Stichwort von Walter Fabian, in: Meyer (Hrsg.), Lexikon des Sozialismus, S. 568f, ausführüch Hanno Drechsler, Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD). Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung am Ende der Weimarer Republik, Meisenheim am Glan 1965, zum folgenden dort bes. S. 183ff. 27 Die Trotzkisten bzw. Trockij selbst sprachen der KPD die Priorität bei der Präsentierung eines gemeinsamen Arbeiterkandidaten zu, vgl. Leo Trotzki, Was nun?, Berün 21932, S. 64, und die bei Link, ISK, S. 153, zit. Belegsteüen. 28 Zu zeitweiügen (versuchten) Abschwächungen der Theorie und Praxis des Sozialfaschismus bzw. zu nuancierter Beurteilung des Faschismus vgl. Bahne, »Die Kommuni-
pen, auch u. a.
stische Partei Deutschlands«, S. 667f.; ders., »Sozialfaschismus«, S. 238. 29 Vgl. außer dem bisher Zitierten noch Leo Trotzki, »Diktator Brüning«, in: Nr. 9,1. März, S. 319-326.
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WB, 1932,
Hindenburg-Ausschüsse Thälmann einzusetzen, dies als Ausdruck des Wülens zur proletarischen Einheitsfront. Wahlhilfeangebote wurden aüerdings von der KPD als »sozialfaschistische Betrugsmanöver« zurückgewiesen. Die Sozialfaschismus-Theorie verbot der KPD ein antifaschistisches Bündnis mit den sich seit rund 1930 anbietenden ünkssoziaüstischen und oppositioneUen kommunistischen Parteien und Gruppierungen, das auch von ünksbürgerüchen Demokraten gefordert und gefördert
wurde.30 Nachdem alle Versuche, eine taktische Einigung herbeizuführen, von der SPD negiert, von der KPD abgelehnt worden waren, stimmten dann im März aUe Zwischengruppen in der Wahlparole überein: »Für Thälmann, aber gegen die falsche Poütik der KPD.«31
Hindenburg-Ausschüsse der NSDAP wie von Hugenberg lancierte Gerücht, einen Hohenzoüernals prinzen Präsidentschaftskandidaten aufzusteUen,32 üeß den am 1. Februar 1932 von Konservativen initiierten Hindenburg-Ausschüssen die Funktion zufaüen, monarchistische Gegner des nationalsoziaüstischen Griffs nach der Staatsmacht und mehr oder weniger demokratische Repubükaner bis hin zur Sozialdemokratie zu integrieren, nachdem Heinrich Sahm, der parteüose Oberbürgermeister von Berün, bereits im Januar einen Ausschuß ins Leben gerufen hatte mit dem Ziel, »daß eine geschlossene Volksfront für den Reichspräsidenten von Hindenburg zustandekommt«.33 Grundlage des Integrationsversuchs konnte nur der Das
von
u. a. Drechsler, SAP, S. 185; Ursula Langkau-Alex, unter Mitarbeit von MUos und Hana Mejdrovä, »Von Krieg zu Krieg. Zu den Beziehungen zwischen der Kommunistischen Internationale und den Soziaüstischen Internationalen Eine Zwischenbüanz«, in: IWK, Jg. 39 (2003), H. 4, bes. Abschnitt 3: »Kampf gegen den Sozialfaschis-
30
Vgl.
Hájek
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mus«.
So formuüert vom Parteivorstand (PV) der SAP, vgl. Drechsler, SAP, S. 185; vgl. Link, ISK, S. 153f.; Tjaden, KPO, S. 305; von der Zurückweisung der Zwischengrup-
31
auch
pen durch die KPD und den kritischen Vorbehalten gegenüber der Poütik der KPD ist nichts zu lesen in der Kompüation von Erika Kücküch, »Ernst Thälmann und die Reichspräsidentenwahl 1932«, in: illustrierte historische hefte, hrsg. vom Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, Nr. 41 (1986). 32 Siehe Carl von Ossietzky, »Der Staatenlose«, in: WB, 1932, Nr. 6, 9. Februar, S. 221f, und Frankfurter Zeitung (FZ), 1932, Nr. 113-115, 12. Februar, Titelseite: »Hindenburg vor der Entscheidung. Neue Intrigen Hugenbergs; zu Erwartungen in Industriekreisen, Hitler werde die Monarchie wieder einführen«; vgl. George W. F. Haügarten, Hitler, Reichswehr und Industrie. Zur Geschichte derfahre 1918-1933, Frankfurt/M. 1955, S. 113. 33 Zu den Hindenburg-Ausschüssen vgl. z. B. Bracher, Auflösung, S. 455f; Matthias, zwischen den Fronten«; Stampfer, Vierzehn Jahre, S. 561; zur Initiative von »Hindenburg Sahm vgl. FZ, 1932, Nr. 81-83, 21. Januar, S. 2, zitiert nach: Ursula Langkau-Alex, »Zur 11
Einleitung »nationale« Konsens im außenpoütischen Ziel sein, den VersaiUer Vertrag und hier vordringüch die Reparationen endgültig zu Uquidieren.34 Innenpoütisch und ökonomisch konnten die Ausschüsse kaum integrierend wirken. Erachtete man zur Überwindung der Krise Zusammenarbeit zwischen Industrie und Gewerkschaften für notwendig,35 so kam dies aUerdings besonders in finanzieUer Hinsicht nicht ausgereiften, daher noch nicht konsensfähigen Arbeitsbeschafinnerhalb der SPD und der Gewerkschaften offensichtlich Freien fungsplänen stieß sich aber diametral dem mit entgegen,36 Konzept derjenigen Industrieüen, die die NSDAP zwar nicht unterstützten, die die Gewerkschaften aber durch das Präsidialsystems ausschalten woüten.37 Andererseits verfolgten dieselben Ausschüsse Pläne, den Präsidialkurs poütisch zu verschärfen,38 was die SPD seit den Septemberwahlen 1930 durch ihre parlamentarische Tolerierungstaktik zu verhindern gesucht hatte.39 Als Hindenburg die neuerüche Kandidatur Mitte Februar -
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Begriffs >Volksfront< 1932 bis 1934/1935«, in: Arbeiterbewegung und Faschismus (Soziale Bewegungen. Geschichte und Theorie, Jahrbuch 1), hrsg. von Heinz-Gerhard Haupt u. a, Frankfurt/M. New York 1984, S. 82-105, hier S. 89. 34 Für die SPD vgl. z. B. den Bericht der Reichstagsfraktion auf dem Leipziger Parteivon Wilhelm ersteüt Sollmann, in: Sozialdemokratischer Parteitag in Leipzig 1931 vom tag, 31. Mai bis 5. Juni im Volkshaus. Protokoll, Berün 1931, bes. S. 109f.; Hanns-Erich Kaminski, »Lausanne«, in: WB, 1932, Nr. 3, 19. Januar, S. 83-87, spricht von der »Einheitsfront der Deutschen [...] wenigstens in der Reparationsfrage« (Zitat S. 83); vgl. Winkler, Weg in die Katastrophe, S. 46Iff. und passim (siehe Register dort). 35 Vgl. Haügarten, Hitler, Reichswehr und Industrie, bes. S. 106; Eberhard Czichon, Wer verhalf Hitler zur Macht? Zum Anteil der deutschen Industrie an der Zerstörung der Weimarer Republik, Köln 1967, bes. S. 24ff. und 34ff; Henry Ashby Turner, Jr., German Big Business and the Rise of Hitler, New York Oxford 1985, hier bes. Kap. IV. 36 Vgl. das Referat von Fritz Tarnow, in: Sozialdemokratischer Parteitag Leipzig 1931, bes. S. 49; Rudolf Hüferding, Gesellschaftsmacht oder Privatmacht über die Gesellschaft. Referat, gehalten auf dem 4. AfA-Gewerkschaftskongreß Leipzig 1931 (Unser Weg, hrsg. vom AUgemeinen freien AngesteUtenbund), Berün 1931; vgl. Drechsler, SAP, S. 16ff., wo die für diverse Pläne in der Sozialdemokratie wegbereitende Theorie Hüferdings dargelegt Genesis des
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>Arbeitsbeschaffung< und >Umbau der Wirtschafte. Konzeptionen der deutschen Sozialdemokratie zur Überwindung der Wirtschaftskrise (1930-1933)«, in: Annali (Fondazione Giangiacomo Feltrinelü), Jg. 23 (1983), S. 475-496; Winkler, Weg in die Katastrophe, S. 494ff. und passim. 37 Vgl. dazu vor aüem Fritz Klein, »Zur Vorbereitung der faschistischen Diktatur durch die deutsche Großbourgeoisie (1929-1932)«, in: Gotthard Jasper (Hrsg.), Von Weimar zu wird; Michael Schneider, »Zwischen Die
Hitler. 1930-1933, Köln Literatur.
Berün
1968, bes. S. 141ff.; vgl. ebenfaüs die
unter
Anm. 35 zit.
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Vgl. Bracher, Auflösung S. 430f. und passim; Albert Schwarz, Die Weimarer Republik, 1958, bes. S. 164ff. und 176ff.; Bracher definiert in: Machtergreifung S. 38, das Brüningsche Regierungssystem als »demokratisch-halbparlamentarische Version des Prä38
Konstanz
sidialkabinetts«. 39
12
Vgl. Soümann, in: Sozialdemokratischer Parteitag Leipzig 1931, bes. S.
114ff.
Schlagt Hitler,
darum wählt
Hindenburg!
akzeptierte40 und die NSDAP wenige Tage später die Gegenkandidatur Hitlers proklamierte, nachdem wenige Stunden zuvor Theodor Duesterberg, einer der beiden Führer des Stahlhelm, sich als Kandidat für seine Organisation, für die DNVP und für weitere »nationale Verbände« vorgesteüt hatte,41 wurde das hier angedeutete Düemma der SPD Ergebnis einer seit Jahren verfolgten Poütik offensichtlich. Nicht die Ausschüsse machten schüeßüch Hindenburg zum Kandidaten einer wie auch immer verstandenen staatlichen Integration, sondern eine ratlose SPD. -
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Schlagt Hitler, darum wählt Hindenburg! Die SPD hatte sich auf ihrem Leipziger Parteitag überhaupt nicht42 und später nicht ernsthaft mit der Frage einer eigenen Kandidatur befaßt. Zwar fiel in Parteikreisen gelegentüch der Name des Reichstagspräsidenten Paul Lobe oder der Otto Brauns, des Kandidaten im ersten Wahlgang von 1925 und preußischen Ministerpräsidenten.43 Offensiv aber wurden weder die Kandidaturen Lobe oder Braun noch die Nominierung eines nicht-sozialdemokratischen Kandidaten für die gesamte Arbeiterbewegung betrieben. Verstand sich die SPD von ihrer Weltanschauung her und aufgrund ihres Massenanhangs als »SchutzwaU« gegen den Faschismus bzw. Nationalsoziaüsmus und glaubte sie, durch parlamentarisches Taktieren eigenen Spielraum zu dessen Abwehr offenhalten zu können die anderen Gruppierungen der Arbeiterbewegung erfuhr sie als radikale Gegner und damit Zerstörer der eigenen Defensivposition.44 Überlegungen, sich mit der KPD zu verständigen, fanden Ende 1931 /Anfang 1932 ihren praktischen Ausdruck in kaum mehr als einem einzigen Satz in einer langen Breitscheid-Rede womit er auf die Verurteilung seitens des ZK von terrovom November 1931 —
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40 Vgl. vor aüem FZ, 1932, Nr. 123-125, 16. Februar, Titelseite: »Hindenburg kandidiert. Eine schüchte Begründung«, und Nr. 126—128, 17. Februar, Titelseite: »Dem Vaterlande! Hindenburg übergibt Sahm die Einwilügungserklärung«; zur Begründung seiner Kandidatur vgl. Brief Hindenburg bei: Matthias, »Hindenburg zwischen den Fronten«; vgl. auch die Rundfunkansprache Hindenburgs am 10. März, in: Schulthess' Europäischer Geschichtskalender 1932, S. 55—57. 41 Vgl. dazu Berghahn, »Harzburger Front«, S. 82; Stampfer, Vierzehn Jahre, S. 561; Heiden, Geburt des dritten Reiches, S. 53; vgl. FZ, 1932, Nr. 142-144, 23. Februar, Titelseite: »Harzburger Front zerrissen. Zählkandidatur Duesterberg«. 42
Vgl. Sozialdemokratischer Parteitag Leipzig 1931.
Vgl. Braun, Weimar, S. 372; Bracher, Auflösung, S. 444. Vgl. etwa Sollmann, in: Sozialdemokratischer Parteitag Leipzig 1931, bes. S. 115f, und Breitscheids Referat, in: ebd., bes. S. 103; vgl. auch die Reaktion der SPD auf die Gründung der SAP bei Drechsler, SAP, S. 120ff; zum ganzen Themenkomplex siehe Wolfram Pyta, Gegen Hitler undfür die Republik. Die Auseinandersetzung der deutschen Sozialdemokratie mit der NSDAP in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1989, hier bes. Kap. 9 und 10. 43
44
13
Einleitung ristischer
Propaganda und Praxis in den Reihen der KPD reagierte —,45 und der gleichzeitigen Dämpfung antisowjetischer Pressekampagnen.46 Damaüge SPD-Poütiker und spätere Historiker haben beides als Angebot zu Verhandlunetwa
gen über eine gemeinsame Abwehr des Nationalsoziaüsmus gedeutet.47 Mit gleichem Recht aber läßt sich diese Wendung als taktisches Mittel zur Abwehr des akuten kommunistischen Angriffs auf die »Sozialfaschisten« verstehen und stünde dann mit der Reichspräsidentenwahl in einem nur sehr mittelbaren Zusam-
menhang.
Je drohender der SPD nach Gründung der Harzburger Front im Gegensatz noch zum Leipziger Parteitag48 die Gefahr einer unmittelbar bevorstehenden Machtübernahme des Faschismus erschien, desto mehr glaubte sie, demokratisch-repubükanisches Potential mobiüsieren zu müssen. Entsprach dies schon ihrer Fixierung auf die parlamentarische Repubük und der bisherigen Koaütionsund Tolerierungspraxis gegenüber den »bürgerüchen« Parteien,49 so kam jetzt noch die Furcht hinzu, durch unmittelbare Konfrontation der Arbeiterbewegung mit dem Faschismus einen Bürgerkrieg zu riskieren, an dessen Ende mögücherweise Repubük und Arbeiterorganisationen zerstört wären.50 Der damaüge Berüner Poüzeipräsident Albert Grzesinski schlug im Herbst 1931 vergebüch vor, »einen eigenen demokratischen Kandidaten« aufzusteUen,51 Parteivorstandsmitgüed und Chefredakteur des Vorwärts, Friedrich Stampfer, sprach von einem -
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Vgl. Peter Pistorius, Rudolf Breitscheid, 1874—1944. Ein biographischer Beitrag zur deutParteiengeschichte, Diss. phü. Köln, Schneüdruckdienst Nürnberg 1970, S. 297ff; Winkler, Weg in die Katastrophe, S. 444ff. 46 Vgl. Stampfer, Vierzehn Jahre, S. 557. 47 Vgl. ebd.; weitere zeitgenössische Auffassungen innerhalb der SPD bei Pistorius, Breitscheid, S. 299ff; historische Deutungen u. a. bei Bracher, Auflösung, S. 444; Matthias, 45
schen
»Sozialdemokratische Partei Deutschlands«, S. 154ff.; Bahne, »Kommunistische Partei Deutschlands«, S. 669; skeptischer jetzt auch Winkler, Weg in die Katastrophe, S. 442ff. 48 Vgl. etwa das Referat Breitscheids, in: Sozialdemokratischer Parteitag Leipzig 1931, S. 87ff. 49 Ausführüch darüber Drechsler, SAP, bes. Kap. 1. 50 die Furcht bereits in Sollmanns Leipziger Referat, jedoch auf den war Angeklungen
vgl. Sozialdemokratischer Parteitag Leipzig 1931, S. 108; Breitscheid umReichstagsrede am 23. Februar 1932, diesmal auf die Nationalsoziaüsten zielend, vgl. Bracher, Auflösung, S. 465f. Was die Organisationen der ArbeiterbeweStahlhelm bezogen, schrieb sie in seiner
gung von der Herrschaft der Nationalsoziaüsten zu erwarten hatten, hatte die SPD aus dem »Boxheimer Dokument« lernen können auch wenn sie wenig dagegen unternahm, -
vgl. dazu Bracher, ebd., S. 43ff.; Winkler, Weg in die Katastrophe, S. 448ff.; auch Stampfer, Vierzehn Jahre, S. 555f., und Brief Abegg an Severing vom 31. Mai 1947 (siehe oben Anm. 22). 51 Grzesinski, Kampf um die deutsche Republik, S. 248, in der französischen Übersetzung —
heißt es: »un candidat démocrate indépendant«, vgl. La Tragi-Comédie de la République Allemande. Souvenirs par Albert Grzesinski, Ancien ministre de l'Intérieur en Prusse, Ancien préfet de Poüce de Berün, Paris: Librairie Pion 1934 (vgl. oben Anm. 2), S. 201. 14
Schlagt Hitler,
darum wählt
Hindenburg!
es an Volkstümüchkeit mit dem alten Feldmarschall aufnehmen konnte«.52 Preußens Innenminister Severing dachte »gegen Weihnachten« an den Chefingenieur der Zeppeünwerke und Weltluftschiffahrer Hugo Eckener.53 Der
Mann, »der
aber erklärte
Schlagzeüen
23. Januar 1932 in einem Rundfunkvortrag, der im Vorwärts machte, beiläufig: »Eine Wiederwahl Hindenburgs entspräche auam
ßerdem durchaus dem WiUen der Mehrheit des Volkes«,54 und gab damit nach Meinung der Weltbühne als »tüchtiger Propagandist [...] das Stichwort« für die Aktivitäten des Sahm-Ausschusses.55 Hindenburg bei einer eventueUen Kandidatur zu unterstützen, ihn auch nur dazu zu ermutigen, schien für die SPD noch im Sommer 1931 so gut wie ausgeschlossen. Seine demonstrative Bindung an den Stahlhelm, den dessen Initiative zum Preußen-Volksbegehren vom Frühjahr auch für die SPD als »Organisation zur Vorbereitung des Bürgerkriegs und zur Niederhaltung der arbeitenden Massen Deutschlands«56 erscheinen üeß, machte ihn unmögüch. Denn der Angriff auf Preußen, wo die SPD den Ministerpräsidenten steüte und mit einer »Weimarer« Koaütion regierte, bedeutete den Angriff auf eine Machtposition, die sie mit aUen Mitteln glaubte verteidigen zu müssen, um, wie Otto Braun es for-
muüerte, »dem Proletariat die Rechte und Freiheiten zu erhalten, die es braucht, um auf poütischem, sozialem und allgemein kultureUen Gebiete das unter der Ungunst der wirtschaftlichen Verhältnisse und nicht zuletzt auch durch seine poütische Zerrissenheit verlorene Terrain wieder zu erobern und neues hinzu
gewinnen«.57 gegebene, preußische »Terrain« wie die »Ungunst der wirtschaftlichen Verhältnisse« beschränkte aüerdings die taktischen Mittel stark. Daß der Duaüsmus zwischen Preußen und Reich im Wege der Reichsreform gelöst werden müsse, war preußischerseits seit langem prinzipieU wie realpoütisch anerkannt.58 Die Bindung zwischen dem Reichskanzler und dem Zentrum führte zu einer KonsteUation, in der Kompromisse mit dem preußischen Koaütionspartner von Zugeständnissen an das Präsidialsystem nur schwer zu unterscheiden waren. Die zu
Das
Stampfer, Vierzehn fahre, S. 561. Vgl. Carl Severing, Mein Lebensweg, Bd. 2, Köln 1950, S. 314f. 54 Hier zit. nach: Vorwärts, 1932, Nr. 39, 24. Januar, Morgenausgabe, S. 1: »DeutschFranzösische Verständigung«. 55 Carl von Ossietzky, »Das Hindenburg-Syndikat«, in: WB, 1932, Nr. 5, 2. Februar, S. 151-153, Zitat S. 151; auch die Frankfurter Zeitung nannte Eckener in selbstverständü52
53
chem Zusammenhang mit Sahm, vgl. FZ, 1932, Nr. IS—11, 29. Januar, S. 1: »HindenburgAusschuss«; Eckener gehörte aber nicht zu den Unterzeichnern des Aufrufs vom 1. Februar 1932, vgl. ebd., Nr. 85-87, 2. Februar, S. 2. 56 So Sollmann, in: Sozialdemokratischer Parteitag Leipzig 1931, S. 109. 57 Otto Braun an Karl Kautsky, 19. Februar 1932, zit. nach: Matthias, »Hindenburg zwischen den Fronten«, S. 83. 58 Vgl. Braun, Weimar, S. 354-361; Bracher, Auflösung S. 559ff. und dort zit. Queüen.
15
Einleitung Manier etwa, wie Otto Braun später seinen Vorschlag begründete, das Amt des Reichskanzlers und das des preußischen Ministerpräsidenten in der Person Brünings zu kombinieren,59 fügt sich seinen VorsteUungen über die Reichsreform. Der Zusammenhang aber durch staatliche Finanzkrise ausgelöster, durch Zentrum und Reichsregierung geförderter Wechsel im preußischen Finanzministerium im November 193160 suggeriert, den Vorschlag als Versuch zu interpretieren, der Preußenkoaütion eine außerparlamentarisch-präsidiale Deckung zu verschaffen. Daß dann Braun dazu beitrug, Hindenburg zu einer zweiten Kandidatur zu überreden,61 läge in der Verlängerung derart »preußischer« Realpoütik.62 Gleichwohl verhehlte der Vorwärts nicht, daß unter den als gegeben angenommenen Umständen Hindenburg als »ein Kandidat der Mitte« anzusehen sei.63 Die SPD als Partei konnte sich jedoch längere Zeit nicht entschüeßen, offizieü für Hindenburg einzutreten. Ohne eigenen oder »demokratischen« Kandidaten, die Nominierten aüe poütisch gegen sich, fügte sie sich schüeßüch wieder in das »kleinere Übel«, um größeres zu verhindern. Die Wahlparole der SPD, die der Parteivorstand am 27. Februar veröffentlichte, ist deutlicher Ausdruck ihres Nur-mehr-reagieren-Könnens: »Schlagt Hider! Darum wählt Hindenburg!«64 In der von den Gegnern des Nationalsoziaüsmus herbeigeführten Konkurrenz Thälmann-Hindenburg um den Präsidentenstuhl findet die Spaltung der Linken im weitesten Sinne, die im Rückbück als poütisches Strukturmerkmal der Weimarer Repubük erscheint, auf konstitutioneUer Ebene 1932 ihren anschauüchen Höhepunkt.65 Noch deutlicher vieUeicht als in der Konfrontation der Ar-
—
Vgl. Braun, Weimar, S. 354f. Vgl. ebd., S. 351 ff., und Winkler, Weg in die Katastrophe, S. 475 und die dort in Fortsetzung der Anm. 31 angegebenen Queüen und Literatur. 61 Vgl. Braun, Weimar, S. 368f. 62 Vgl. dazu auch Otto Braun, »Ich wähle Hindenburg«, in: Vorwärts, 1932, Nr. 117, 59
60
10. März, S. 1. 63 Vgl. außer genereü die Berichterstattung über Kundgebungen von Reichsbanner und Eiserner Front von Januar 1932 an besonders: Vorwärts, 1932, Nr. 68, 10. Februar, S. 1: »Um Hindenburgs Kandidatur. Entscheidung in dieser Woche«, hieraus das Zitat; Nr. 75, 14. Februar, S. 1: »Gegen Hitler und Kompanie! Die Parole zum 13. März«; Nr. 87, 21. Februar, S. 1 : »Wer wird Reichspräsident? Weder Hider noch Hiders Hampelmann«. 64 Vorwärts, 1932, Nr. 97, 27. Februar, S. 1: »Schlagt Hitler!«, die Losung steht fett gedruckt am Ende des Aufrufs, der die ganze Titelseite einnimmt. 65 Winkler hat es inzwischen in seinem Nachwort zu Weg in die Katastrophe, die Beobachtung von Friedrich Stampfer im Vorwärts vom 26. Januar 1933 über die soziale Ungleichheit und das ungleiche Selbstverständnis der Arbeiter-Mitgüeder in KPD und SPD und ihre Folgen für Arbeiterklasse und Arbeiterbewegung aufgreifend, so formuüert: »Die Spaltung der Arbeiterklasse in einen Flügel, der Bündnisse mit bürgerüchen Kräften grundsätzüch bejahte, und einen anderen, der eine solche Zusammenarbeit grundsätzüch verwarf, war mithin struktureü bedingt und von Anfang an beides: eine schwere Belastung der Weimarer Repubük und zugleich eine Bedingung ihrer Mögüchkeit.« (Ebd., S. 591.) 16
steht
zu
seinem Eid auf die
Reichsverfassung
...
beiterparteien wird die paralysierende Wirkung dieser Spaltung bei jener Minderheit des deutschen Büdungsbürgertums, die als eigentlicher Träger der Ideologie der Repubük betrachtet werden muß. Greifbar werden ihre Vertreter in Organisationen, die den Anspruch erhoben, überparteiüchen Zielen zu dienen. ...
Als
steht zu seinem Eid auf die
Reichsverfassung
Organisation sei die Deutsche Liga für Menschenrechte (DLM) geging Anfang 1922 bruchlos aus dem Bund Neues Vaterland (BNV) hervor. Der BNV war offizieU am 16. November 1914 als Arbeitsgemeinschaft von »geistesschaffenden« Frauen und Männern gegen die annexionistischen Alldeutschen und für schneüen Verständigungsfrieden gegründet worden, hatte sich bis zu dem am 7. Februar 1916 auf Druck der Obersten Heeresleitung für die Dauer des Krieges ausgesprochenen Verbot auch mit Plänen zur Neuordnung der internationalen poütischen und wirtschaftlichen Beziehungen beschäftigt, und war erste
nannt.
Sie
im November 1918
konstituiert worden. In den am 26. November 1918 angenommenen Satzungen hieß es in Paragraph 1 : »Der Bund Neues Vaterland ist eine Vereinigung von Männern und Frauen, die sich zusammenschüeßen, um ohne Verpflichtung auf ein bestimmtes Parteiprogramm an dem Aufbau der deutschen soziaüstischen Repubük auf demokratischer Grundlage und darüber hinaus an dem großen Werke der Völkerversöhnung mitzuarbeiten. Von den Grundsätzen echter Demokratie und Ergebnissen des wissenschaftlichen Soziaüsmus ausgehend, wül der Bund an der geistigen Vertiefung, Propagierung und damit Verwirklichung mitwirken.«66 Die Namensänderung 1922 war Ausdruck des Wülens zu deutsch-französischer Verständigung. Mit der Ligue des droits de l'homme, 1898 als Ligue française pour la défense des droits des l'homme et du ätojen gegründet, und pazifistischen und Menschenrechtsorganisationen in anderen Ländern schloß sie sich noch im selben Jahr zur Fédération internationale des droits de l'homme zusammen. Außerdem bestanden enge Beziehungen zu soziaüstischen Organisationen, zur Soziaüstischen Arbeiter-Internationale (SAI) und zur Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF), zunächst auch zur Internationalen Arbeiterhilfe (IAH), bis die Komintern sie 1923 als »kleinbürgerüche« Organisation brandmarkte. Die Mitgüeder im BND bzw. in der DLM waren teüs bei der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD), nach dem Wiedereintritt des »rechten« Flügels in die (Mehrheits-)SPD der SPD, und in der DDP parteipoütisch engagiert, oder sie waren parteilos. Der SPD war man in kritischer Loyaütät verbunden, ohne doch neu
66 Die Satzungen sind in deutscher Sprache abgedruckt in: Pierre Grappin, Ee Bund Neues Vaterland (1914-1916). Ses rapports avec Romain Rolland, Lyon Paris 1952, S. 119f. -
17
Einleitung deren Antibolschewismus voU zu übernehmen. So beteiügte sich eine Reihe führend z. B. an der GeseUschaft der Freunde des Neuen Rußland.67 Um 1932 zählte die Deutsche Liga für Menschenrechte unter ihren mindestens 1 000 Mitgüedern überwiegend, aber nicht ausschüeßüch, »heimadose Linke«, die keiner Partei (mehr) angehörten,68 die in der Verteidigung der konstitutionellen Freiheitsrechte mit allen verfügbaren pubüzistischen und juristischen Mitteln eine gemeinsame Arbeitsbasis fanden69 und die in ihrer Kritik an der »Realpoütik« der SPD weitgehend mit der neugegründeten SAP übereinstimmten.70 Die innere Widersprüchüchkeit der praktischen Basis wird erkennbar in der personeüen und organisatorischen Verflechtung der DLM mit dem betont national-repubükanischen, sozialdemokratisch geführten Reichsbanner Schwarz Rot Gold (Rb) einerseits,71 der international orientierten Deutschen FriedensgeseU67
Zum
vorigen vgl.
z.
B. Deutsche
Liga für Menschenrechte e.V. (vorm.
Bund Neues Vater-
land, hrsg. von der Geschäftsstelle [der DLM], Berün o.J. [1925]; Otto LehmannRussbüldt, »Die Brücke über den Abgrund«. Für die Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich. Bericht über den Besuch der »Französischen Liga fir Menschenrechte« in Berlin und im Ruhrgebiet, hrsg. von der Deutschen Liga für Menschenrechte, Berün o.J. [1922]; ders., Der Kampf der deutschen Liga für Menschenrechte, vormals Bund neues Vaterland, für den Weltfrieden 1914-1927, Berün 1927; Karl Hoü, Pazifismus in Deutschland, Frankfurt/M. 1988, bes. S. 112-137; zum frühen Antibolschewismus der SPD vgl. Peter Lösche, Der Bolschewismus im Urteil der deutschen Sozialdemokratie 1903-1920, Berün 1967. 68 Aus der USPD waren z. B. ausgetreten: Kurt Tucholsky, Ernst Toüer; aus der DDP Hellmut von Gerlach
um nur
drei Prominente
zu nennen.
Vgl. (bis 1927) Lehmann-Russbüldt, Kampf der deutschen Liga, bes. S. 118ff.; Kurt Tucholsky, Politische Justiz zusammengesteüt von Martin Swazenski, Reinbek bei Hamburg 1980; Kurt R. Grossmann, Ossietzky. Ein deutscher Patriot, München 1963, bes. S. 159-295, auch passim; Heinrich Hannover/Eüsabeth Hannover-Druck, Politische Justiz 1918-1933, Hamburg 1977. 70 Kurt Rosenfeld, eines der prominentesten Mitgüeder der DLM, Strafverteidiger in zahlreichen Prozessen gegen Repubükaner, gehörte zu den Mitgründern der SAP; in Die 69
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Weltbühne von 1931 und 1932 finden sich zahkeiche Artikel, die sich mit der SPD kritisch auseinandersetzen, ebenso, wenn auch relativierender, in Das Tage-Buch (TB), das Leopold Schwarzschüd, Vorstandsmitgüed der Liga 1931-1932, seit 1927 verantwortüch leitete; zur Geschichte der Weltbühne, ihrer Steüung innerhalb der Weimarer Repubük, vgl. Alf Enseüng, Die Weltbühne. Organ der intellektuellen Linken, Münster 1962; István Deák, Weimar Germany's kft-wing intellectuals. A political history of the »Weltbühne« and its circle, Berkeley 1968; Ursula Madrasch-Groschopp, Die Weltbühne. Porträt einer Zeitschrift, Berün 1983; zu TageBuch und Schwarzschüd vgl. Markus Behmer, Von der Schwierigkeit, gegen Illusionen zu kämpfen. Der Publizist Leopold Schwarzschild Leben und Werk vom Kaiserreich bis zur Flucht aus Europa, Münster 1997, vor aüem Kap. 2 und 3. 71 PersoneUe Verflechtung u. a. durch Otto Lehmann-Russbüldt, Heümut von Gerlach, Paul von Schoenaich, Gerhart Seger, Fritz Küster; organisatorische Verflechtung war im KarteU repubükanischer Verbände gegeben, vgl., auch für folgendes, Karl Rohe, Das Reichsbanner Schwarz Rot Gold. Ein Beitrag zur Geschichte der Kampfverbände zur Zeit der Weimarer Republik, Düsseldorf 1966, bes. S. 182f., 394, 314ff. und 325ff.; spezieü zur Zusammenset—
18
steht
zu
seinem Eid auf die
Reichsverfassung
...
(DFG) andererseits,72 deren radikaler Pazifismus und Affinität zur Unken Opposition in ihren Reihen die SPD im Herbst 1931 veranlaßte, Sozialdemokraten die Mitgüedschaft dort zu verbieten.73 Kaum anders denn als Ausdruck dieser Widersprüchüchkeit zwischen gleicherweise überparteiücher national-republikanischer, realpoütischer Abwehr und radikal-repubükanischer Prinzipienfestigkeit läßt sich die Position der DLM im Wahlkampf beschreiben. Öffentlich, als Organisation, verfolgte die DLM ihr Ziel, eine »Einheitsaktion« gegen den Faschismus zustande zu bringen, ganz im Zeichen der Eisernen Front im Rahmen des KarteUs republikanischer Verbände. schaff
Zwar bedauerte der Vorstand intern, daß »die Arbeiterschaft, die in ihrer Geschlossenheit die beste Abwehr dieser drohenden Gefahr darsteüen würde, [...] in sich gespalten« sei.74 Während jedoch die DFG in ihrer Zeitschrift immer wieder SPD und KPD zur Einigung aufrief,75 findet sich Vergleichbares in derjenigen der DLM, Die Menschenrechte, nicht. Am 14. Februar 1932 sprach in Berün auf der Eröffnungskundgebung der Reichskonferenz des KarteUs repubükanischer Verbände als Vertreter der Liga für Menschenrechte Vorstandsmitgüed Hellmut von Gerlach. Unter seinen Mitrednern üeßen wenigstens der Sozialdemokrat Friedrich Stampfer und der Zentrumspoütiker Carl Spiecker kaum Zweifel darüber, die Wiederwahl Hindenburgs zu befürworten. Die Schlußentschüeßung der Reichskonferenz büeb in ihrem Appeü an die »repubükanischen Führerf ]« aUgemeiner:76 »Der Zusammenschluß aller Republikaner verpflichtet die leitenden Staatsmänner, auf die Kräfte dieser schwarz-rot-goldenen Front gestützt, der Not der Zeit mit den Mitteln des sozialen Volksstaates, wie ihn das Werk von Weimar vor-
zung des KarteUs repubükanischer Verbände vgl. FZ, 1932, Nr. 122, 15. Februar, S. 2: »Gegen die Feinde des demokratischen Volksstaates. Berüner Kundgebung des KarteUs der repubükanischen Verbände«. 72 Personeüe Verflechtung u. a. durch von Schoenaich, Seger, Küster, organisatorisch war die DLM mit der DFG und aüen anderen pazifistischen Organisationen im Deutschen Friedenskarteü verbunden, vgl. zum ganzen auch HoU, Pazifismus, S. 189-204. 73 Vgl. Das Andere Deutschland. Organ der DFG, 1931, Nr. 40, 3. Oktober, S. 3; auch Drechsler, SAP, S. 86f.; Rohe, Reichsbanner, S. 189f, zur Gegnerschaft zwischen DFG und
Rbebd.S. 186ff. und 191f. 74
Zitat nach dem Auszug aus dem Jahresbericht der DLM 1931 bei Grossmann, Ossietzky, S. 258f. 75 Vgl. z. B. Das Andere Deutschland, 1932, Nr. 8, 20. Februar, S. 1: »Wer wird Reichspräsident?«, und, nach dem 1. Wahlgang, Nr. 12, 19. März, S. 1: »Hider vor den Toren Preußens. Die Linke in falscher Front«; Chefredakteur der Zeitschrift war Fritz Küster, der innerhalb der DFG die Arbeitsgemeinschaft für ünkssoziaüstische Poütik gegründet hatte und mit dieser der SAP beitrat, vgl. Drechsler, SAP, S. 86f. und 138. 76 Folgende Zitate (bis »Verfassungsgrundlage verneinen«) nach FZ, 1932, Nr. 122, 15. Februar, S. 2: »Gegen die Feinde des demokratischen Volksstaats. Berüner Kundgebung des KarteUs der repubükanischen Verbände«. 19
Einleitung
sieht,
zu
begegnen und nach innen und außen die deutsche Repubük zu ver-
wirklichen.«
Die Wendung gegen die Wahltaktik der KPD ist aUerdings angedeutet, wenn von diesen Führern gefordert wird, »daß sie bei der bevorstehenden Reichspräsidentenwahl und bei den Landeswahlen sich aüein von dem WiUen leiten lassen, den sozialen Volksstaat und ein geordnetes Staatswesen zu sichern und Diktaturgelüste und Terror zu brechen«. Im Kontext der Appelle der Zwischengruppen der Arbeiterbewegung deutücher, wiewohl immer noch als Abwehr des Radikaüsmus von ünks und rechts formuliert, wird diese Pointe dort, wo die Reichskonferenz feststeüt, sie verwerfe »jedes schwächliche Paktieren mit Organisationen, Bünden, Parteien, die den heutigen Staat und seine Verfassungsgrundlage verneinen«. Innerhalb des KarteUs repubükanischer Verbände erscheint die DLM als Verlängerung der sozialdemokratischen Position, wenn am 3. März, nachdem die Kandidaten feststanden, zur Wahl »Gegen Hitler, für Hindenburg« aufgerufen wird weü dieser die »Gewähr für Ruhe und Ordnung« sei und »zu seinem Eid auf die Reichsverfassung« stehe.77 Wie wenig verbindüch dieses korporative Votum für die Mitgüeder war, zeigt exemplarisch die Tatsache, daß unmittelbar nach dem ersten Wahlgang der Exponent einer vöUig entgegengesetzten Auffassung in den Vorstand der Liga für Menschenrechte gewählt wurde: Carl von Ossietzky, verantwortlicher Redakteur der Weltbühne?* —
Mobilisierung der Arbeiterklasse Bereits auf dem Höhepunkt der Verhandlungen um eine parlamentarische Verlängerung der Amtszeit Hindenburgs hatte Ossietzky es als »eine IUusion« bezeichnet, »den Fascismus >abwehren< zu woüen« dadurch, daß man wie die Eiserne Front »ein[en] sozial angehauchte[n] Patriotismus« demonstriere, im übrigen aber nichts gegen die »trockene Fascisierung«, die Brüning als Kanzler und Wühelm Groener als Reichswehr- und Reichsinnenminister herbeiführten, unter-
77 Zitiert nach FZ, 1932, Nr. 170-172, 4. März, S. 4: »Hindenburg-Wahl. Aufruf des KarteUs der repubükanischen Verbände«. 78 Vgl. Die Menschenrechte, 1932, Nr. 3, 22. April, S. 53; zu Ossietzky vgl. u. a. die Arbeiten von Grossmann, Ossietzky, Bruno Frei, Carl von Ossietzky. Ritter ohne Furcht und Tadel, Berün Weimar 1966, die weiteren literaturangaben bei Norbert Frei, »Ossietzky«, in: Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, hrsg. von Wolfgang Benz/Hermann Graml, München 1988, S. 244, und den zum 100. Todestag Ossietzkys am 3. Oktober 1989, in der (beginnenden) Umbruchphase der DDR konzipierten Sammelband: Helmut Reinhardt (Hrsg.), Nachdenken über Ossietzky. Aufsätze und Graphik, Berün 1989. -
20
Solidarität und parteipolitisches Engagement
nehme. Er war überzeugt, daß nur die vereinten Kräfte des Proletariats den Faschismus »auf seinem eigenen sozialen Terrain angreifen« könnten,79 sah dann jedoch mit der Nominierung Thälmanns durch die KPD »aüe Diskussionen über gemeinsames Vorgehen kurzerhand abgeschnitten«.80 Der »Rückzug« der SPD auf Hindenburg aber müsse aüe diejenigen ratlos machen, die gleich ihm bisher wenigstens an Wahltagen ein Votum für diese Partei am ehesten mit ihren radikalrepubükanischen Vorsteüungen hatten vereinbaren können.81 Die Konsequenz, die Ossietzky aus dem Düemma zog, stimmte zwar in der Person »seines« Kandidaten, weniger aber in der Begründung und überhaupt nicht im Adressaten und in der Motivierung seines Appells vom 1. März in der Weltbühne mit der Position der poütischen Zwischengruppen überein. Ossietzky wandte sich an die Parteüosen auf der Linken. Er riet ihnen, da sie ihre Stimme nicht einem »akzeptablen Sozialdemokraten wie Paul Lobe oder Otto Braun« geben könnten, gleich ihm für den »Mann der Linken im Kampfe [... gegen] mehr oder weniger nuancierte Reaktion«, für Thälmann zu stimmen. Erwarteten Einwänden gegen seine Wahl begegnete er schon im voraus mit der FeststeUung, »die Stimme für Thälmann bedeutet kein Vertrauensvotum für die Kommunistische Partei und kein Höchstmaß an Erwartungen«. Aber: »Je besser Thälmann abschneidet, desto deutlicher wird demonstriert, welch einen Erfolg eine soziaüstische Einheitskandidatur hätte haben können, was für Mögüchkeiten noch immer bestehen.«82 Hier wird die Position derjenigen radikalen Repubükaner erkennbar, die durch die Mobiüsierung der Arbeiterklasse die letzten Reste dessen zu retten suchten, was für sie einmal eine demokratisch soziale Repubük hatte werden soüen.
Solidarität und parteipolitisches
Engagement
War eine Position wie die Ossietzkys im Wahlkampf trotz Kritik an der Sowjetunion und an der KPD mögüch,83 so ist umgekehrt von ünksbürgerüchen Sympathisanten mit der Sowjetunion oder mit den underdogs der kapitaüstischen Gesellschaftsordnung nicht automatisch ein Votum für den Kandidaten der KPD
79 Carl hier S. 43.
von
Ossietzky,
»Eiserne Front«, in:
WB, 1932, Nr. 2,
12.
Februar, S. 41^13,
80 Carl von Ossietzky, »Um Hindenburg«, in: WB, 1932, Nr. 3, 19. Januar, S. 81-82, hier S. 82. 81 Carl von Ossietzky, »Gang eins«, in: WB, 1932, Nr. 9, 1. März, S. 311-315, bes. S. 311. 82 Aüe vorigen Zitate ebd., S. 315. 83 Zu Ossietzkys kritischer EinsteUung gegenüber der Sowjetunion und der KPD vgl. auch Grossmann, Ossietzky, S. 209f, und Enseüng, Weltbühne, S. 127f.
21
Einleitung zu erwarten.
Dies läßt sich
kurz skizzieren.
am
Beispiel der Internationalen
Arbeiterhüfe
(IAH)
Im Jahre 1921 zunächst als Hufe für die Hungernden in Rußland gegründet,84 entwickelte sich die IAH unter ihrem Organisator und Generalsekretär Wilü Münzenberg85 zu einer Organisation materieller HUfe bei Hunger wie auch immer entstanden in aüer Welt.86 Der forcierte Anspruch, als überparteiüche Massenorganisation im von der kommunistischen Partei geführten Klassenkampf proletarische Soüdarität zu mobiüsieren,87 kostete mindestens die deutsche Sektion im Jahre 1924 den Verlust von bis dahin wirksamer sozialdemokratischer spontaner Soüdarität und humanitärer Sympathie mit dem russischen Experiment. Nachdem zunächst der Vorwärts Anfang Februar, wenig später eine -
-
Broschüre des AUgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) die IAH als »dritte Säule der kommunistischen Poütik« >enthüUt< hatte, beschloß der Parteitag der SPD dann im Juni, die Mitgüedschaft in SPD und IAH sei unvereinbar; jedenfalls traten aUe prominenten Sozialdemokraten, darunter die bisherigen Mitgüeder des Reichskomitees der IAH, Kurt Rosenfeld und Mathüde Wurm, und fast aUe bis dahin korporativ angeschlossenen Gewerkschaftsgruppen aus
Das Auslandskomitee zur Organisierung der Arbeiterhüfe für die Hungernden in Rußland wurde im August 1921 auf Anregung von Lenin und mit Unterstützung der Komintern gegründet, 1923 in Internationale Arbeiterhüfe umbenannt; zur Geschichte unmittelbar vgl. Wilü Münzenberg, Solidarität. Zehn Jahre Internationale Arbeiterhilfe 19211931, Berün: Neuer Deutscher Verlag 1931, hier bes. S. 194f; ders., FünfJahre Internationale Arbeiterhilfe, Berün: Neuer Deutscher Verlag 1926. 85 Münzenberg war einen Monat vor Gründung der IAH seiner Funktion als Vorsitzender der Kommunistischen Jugend-Internationale (KJI) enthoben worden; zu seiner Biographie siehe das aus persönüchem Erleben wie aus versuchter historischer Distanz geschriebene Buch von Babette Gross, Willi Münzenberg. Eine politische Biographie, Stuttgart 1967, zur IAH vgl. dort S. 125ff. und passim; eine Füüe von Aspekten in: Tania Schüe/ Simone Roche (Hrsg.), Willi Münzenberg (1889—1940). Ein deutscher Kommunist im Spannungsfeld zwischen Stalinismus und Antifaschismus, Frankfurt/M. usw. 1995 (diese deutsche Ausgabe ist wenn mögüch der früheren französischen vorzuziehen, da Fehler und Irrtümer weitgehend korrigiert sind, vgl. Simone Roche (éd.), Willi Münzenberg. Un homme contre. Coüoque International, 26-29 Mars 1992, Aix-en-Provence, organisé par la Bibüotheque Méjanes/ l'Institut de l'Image, Paris 1993, im folgenden werden aber durchweg die einzelnen original deutschsprachigen Beiträge nach Schüe/Roche und die original französischen Beiträge nach Roche zitiert; eine im ganzen denunziatorische Arbeit, da aüe über einen Kamm scherend: Stephen Koch, Double Lives. Stalin, Willi Münzenberg and the seduction of the intellectuals, London 1995; zu weiteren biographischen und autobiographischen Arbeiten vgl. die 84
Bibüographie in Deutsche Volksfront Band 3. 86 Vgl. dazu vor aüem Münzenberg, Solidarität, S. 188-349. 87 Äußeres Zeichen war u. a. die Umsteüung der deutschen Sektion seit 1923 von bis dahin losen Komitees auf eine straff zentraüsierte Organisation mit verpflichteter Einzeloder Koüekrivmitgüedschaft, ebd., S. 31-36, auch Münzenberg, FünfJahre, S. 28. 22
Solidarität und
parteipolitisches Engagement
der IAH aus.88 Institutionaüsierte Zusammenarbeit »ohne Rücksicht auf die poütische und gewerkschaftliche Zugehörigkeit«89 funktionierte seither grosso modo der Linkssoziaüst Genur noch mit einigen soziaüstischen Zwischengruppen org Ledebour, der nach dem Auseinanderfall der USPD in Kommunisten und (Wieder-)Sozialdemokraten eine eigene Gruppe gegründet hatte, präsidierte IAH-Kongressen bis 1927 und auffäUigerweise auch mit ünks von der KPD —
—
operierenden proletarisch-revolutionären Organisationen.90
Bleibend auf nichtkommunistische Kreise erweitern konnte die IAH ihren Einfluß dagegen in Richtung auf die Intelügenz.91 Humanitäre Soüdarität bekam seit Mitte der zwanziger Jahre neue Dimensionen, als die IAH sich zusätzüche Aufgaben steüte. Da waren spezieü in Deutschland Programme und Aktionen auf den Gebieten der Sozialpoütik92 und der Kulturpoütik93; weltweit galt es
Kampf gegen Koloniaüsmus,
gegen
Imperiaüsmus,
gegen Faschismus, gegen
88
Siehe Vorwärts, 1924, Nr. 67, 2. Februar: »Internationale Arbeiterhilfe« ; Die dritte Säule der kommunistischen Politik, IA.H. »Internationale Arbeiterhilfe«. Dargestellt nach authentischem Material, Berün: Verlagsgeseüschaft des AUgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes 1924; Sozialdemokratischer Parteitag 1924. Protokoll mit dem Bericht der Frauenkonferenz Berün: J.H.W. Dietz Nachfolger 1924, S. 138f; die IAH führte die >Enthüüungen< auf den Spitzelapparat der Berüner poütischen Poüzei zurück und konterte mit: Die Säule der proletarischen Selbsthilfe. Eine Antwort auf die Broschüre des ADGB, Berün W: Zentralkomitee der Internationalen Arbeiterhüfe o.J. [1924]; vgl. auch Wüü Münzenberg, Die dritte Säule der kommunistischen Weltpolitik. IA.H., Berlin-Schöneberg: (Druck) G. Sieber & Söhne 1924 (in der Hauptsache ein Rechenschaftsbericht über »Drei Jahre IA.H.«; zum Austritt der Sozialdemokraten und Gewerkschaftsorganisationen vgl. z. B. Münzenberg, Solidarität, S. 357. 89 Aus § 6 des Statuts der IAH, zit. nach: Münzenberg, FünfJahre, S. 31. 90 Vgl. Münzenberg, Solidarität, S. 154—187 und passim. 91 1921 gehörten zu den Mitgüedern der IAH in Deutschland u. a. der Physiker Albert Einstein, der Schriftsteüer Leonhard Frank, der Wirtschaftswissenschaftler Alfons Goldschmidt, der Maler und Grafiker George Grosz, die Pubüzisten Maximiüan Harden und Arthur Hoütscher, die bildende Künstlerin Käthe Koüwitz, der Schauspieler Alexander Moissi, vgl. Münzenberg, FünfJahre, S. 39; seit 1923/24 wurden die InteUektueUen in der der IAH assozüerten KünstlerhUfe der IAH aufgefangen, vgl. Münzenberg, Solidarität, S. 72. 92 Erwähnt seien die Aktionen zur Frauenemanzipation (u. a. für die Abschaffung des Abtreibungsparagraphen 218 des Strafgesetzbuches), zur Sexualreform, zur Kinder- und Jugendfürsorge, vgl. Münzenberg, Solidarität, S. 37-53 und 109-153; die IAH konnte dabei z. T. an ältere, radikal-demokratische Bewegungen anknüpfen, so z. B. an die Vorkämpfer der sexuellen Pädagogik, zu denen der Pubüzist Kurt Hiller, der Arzt Max Hodann, die Poütikerin Helene Stöcker gehörten. 93 Vgl. Münzenberg, Solidarität, bes. S. 69-95; Gross, Münzenberg, bes. S. 181-188; siezum vorigen und auch he, folgenden, Heinz Sommer, Bibliographie von Veröffentlichungen der Internationalen Arbeiterhilfe in Deutschland 1921—1933, hrsg. vom Institut für MarxismusLeninismus, Berün 1986.
23
Einleitung
Krieg.94 Münzenbergs kaum übertriebener Bericht über die Tätigkeit der ersten fünf Jahre der IAH in aüer Welt gut auch für den Anfang der dreißiger Jahre: »Fast aüe ünksgerichteten, prominenten Schriftsteüer, Maler, Schauspieler der europäischen Länder, aber auch viele in außereuropäischen Ländern, haben jede von der IAH durchgeführte Aktion unterstützt. Wir verweisen dazu auf die Aufrufe und Kundgebungen bei verschiedenen Aktionen, die von Hunderten von Prominenten unterzeichnet waren.«95 Tatsächüch ist den Aufrufen, mit denen die großen Aktionen der IAH in der Öffentlichkeit eingeleitet wurden, den Kongressen und Kundgebungen, mit denen sie unterstützt wurden, eines gemeinsam: die frappante Massierung von Prominenz.96 Hier wird ein MobiüsierungsmodeU erkennbar, in dem den mit usw.
94
Im Dezember 1927 hielt die
Liga
gegen
Imperiaüsmus
ihren 1.
Weltkongreß
in
Brüssel, der 2. fand 1929 in Frankfurt/M. statt, vgl. Münzenberg, Solidarität, S. 332-334,
vgl. auch IISG: Sammlung League against Imperiaüsm; zur Liga gegen Koloniaüsmus vgl. kurz Gross, Münzenberg, passim; die Roüe der KPD bei diesen Aktionen steüt in den Vordergrund: Hans Piazza, »Zum Anteü der KPD bei der Ausarbeitung und Durchsetzung der Strategie und Taktik der KI gegenüber der nationalen Befreiungsbewegung«, in: Beiträge ZurGeschichte der Arbeiterbewegung (BzG),]g. 12 (1970), S. 632-640, hier bes. S. 634-639; vgl. ders., »Der Kampf der Komintern für eine antiimperiaüstische Weltfront«, in: BzG, Jg. 11 (1969), S. 239-260, bes. S. 250; im März 1929 fand ein Antifaschistischer Weltkongreß in Berün statt, vgl. dazu Münzenberg, Solidarität, S. 340-342, und Annette Vidal, Henri Barbusse. Soldat de la Paix, Paris 1953, S. 232-235; Vorbereitungen für einen Weltkongreß gegen den imperiaüstischen Krieg, der dann Ende August 1932 in Amsterdam stattfand, begannen im November 1931 (wobei Münzenberg als Organisator die Initiative des französischen kommunistischen pazifistischen Schriftsteüers Henri Barbusse weiterentwickelte), dem Vorbereitungskomitee in Deutschland gehörten unter anderen der Schriftsteller Heinrich Mann und der Physiker Albert Einstein an, vgl. Der Rote Aufbau, 1932, H. 11, l.Juni, S. 493f.: »internationaler Kampfkongreß gegen den Krieg«, siehe auch IISG: Sammlung World Congress against the Imperiaüst War (Amsterdam 1932); zu den verschiedenen genannten Komplexen siehe jetzt auch die Beiträge in: Schüe/Roche (Hrsg.), Willi Münzenberg (1889-1940), bzw. in: Roche (éd.), Willi Münzenberg [zur Zitierweise siehe oben Anm. 85]: Rolf Surmann, »Münzenberg und der Versuch, eine antifaschistischantirassistische Front zu schaffen (1929-1933)«, S. 89-102, franz. S. 79-89; Yves Santamaría, »Organisations de masse et >Lutte pour la paixZieleFlüchtlings aus Deutschland< [...] mit dem des >Emigranten< synonym« ist. Um die politisch motivierte Emigration, die Willen zur Rückkehr einschließt, zu kennzeichnen, entschied er sich für die Bezeichnung »Exil«.8 Die als aktives Mitglied der SAP nach Frankreich geflüchtete Juristin Ruth Fabian und ihre Ko-Autorin Corinna Coulmas bevorzugten Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts »ideologischer Flüchtling< [...], da dieser Begriff auch jene keineswegs unbedeutende Gruppe von Emigranten mit umfaßt, die keinerlei direkte politische Tätigkeit ausübte und nur deshalb das Land verließ, weil sie die Ideologie und die daraus entspringenden Methoden des Nationalsozialismus nicht akzeptieren konnten«.9 Der emigrierte marxistisch geschulte Historiker Arthur Rosenberg hatte bereits 1938/39 dem Mangel an Exaktheit in dem Terminus »Emigration« abzuhelfen versucht: Ausgehend von der These, der Emigration aus Deutschland komme schlechthin das Prädikat »politisch« zu, da ihre Ursache das nationalsozialistische Regime eine politische sei, führte er Hilfsbegriffe ein: »passivpolitisch« wird der »Massenemigration« des jüdischen Bürgertums, »aktivpolitisch« der »Führer«-Emigration, den »Funktionäre [n] der deutschen Demokratie im weitesten Sinne des Wortes« —
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—
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zugeordnet.10
7 Zu relativ frühen Auseinandersetzungen um die Terminologie vgl. z. B. die Referate und Beiträge, in: Protokoll des 11. internationalen Symposions zur Erforschung des deutschsprachigen Exils nach 1933, Kopenhagen, 15.-18. 8. 1972, hrsg. vom Deutschen Institut der Universität Stockholm, Stockholm 1972; vgl., auch zu neu ins Blickfeld gerückten Fakten, wie unter anderem die heutigen Flüchtlingsbewegungen und das weite Feld der Migration, Ursula Langkau-Alex, »Geschichte der Exilforschung«, in: Krohn u. a., HdE, Sp. 1195— 1209, bes. Sp. 1195f. 8 Röder, Großbritannien, S. 14; Hans-Albert Walter gibt nach Erörterung mehrerer Optionen eine entsprechende allerdings historisch eingeengt nur auf die deutschsprachigen bezogene Definition der »politisch Exilierte [n]« jenseits von Nationalität, Rasse, Herkunftsland: es seien diejenigen, die ihr Land »wegen des drohenden oder an die Macht gelangten Faschismus verließen oder deshalb nicht mehr dahin zurückkehren konnten oder wollten, und die im Ausland in irgendeiner politischen, publizistischen oder künstlerischen Form, direkt oder indirekt, gegen den deutschen Faschismus Stellung genommen haben«, siehe Bedrohung und Verfolgung, S. 197ff., hier S. 199. 9 Ruth Fabian/Corinna Coulmas, Die deutsche Emigration in Frankreich nach 1933, München u. a. 1978, S. 19. 10 Arthur Rosenberg, »Zur Geschichte der politischen Emigration«, in: Maß und Wert, 1939, H. 3, im folgenden zit. nach dem auszugsweisen Vorabdruck, in: Pariser Tageszeitung (PTZ), Nr. 869, 17. Dezember 1938, S. 1. -
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40
Emigrationsland
Frankreich
vorliegenden Arbeit habe ich zunächst vorwiegend den Begriff »Emigration« verwendet, da der Focus in erster Linie auf das Asylland Frankreich gerichtet ist; zur Konkretisierung entscheide ich mich für »politisch motivierte« oder auch: »weltanschaulich motivierte« Emigranten. Im Gegensatz zum englischen Sprachgebrauch, an den Röder sich anlehnt, kommt dem französischen »émigré« »emigrant« »émigration« durchaus ein auf das verlassene Land gerichteter poütischer Charakter zu.11 Darüber hinaus haben sich in Frankreich fast alle politisch aktiven unfreiwilligen Auswanderer12, von den Kommunisten bis zu den Republikanern, als Emigranten bezeichnet was sich auch in den Organisationsnamen niederschlug. Als Beispiel für die Verwendung der Begriffe »Exil« und »Emigration« mindestens bis in die enddreißiger Jahre sei ein meines Wissens damals nicht widersprochener Satz13 aus dem Leitartikel der Pariser Tageszeitung vom 18. Januar 1937 zitiert; über Thomas Manns Abrechnung mit dem Hitlerregime in seinem Brief an den Dekan der Universität Bonn heißt In der hier
-
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es
dort:
»Dem sehr ausführlichen Brief [...] entnehmen wir einige Absätze, in denen Thomas Mann erzählt, wie er im Exil zum Emigranten wurde.«
Emigrationsland Frankreich Die Wahl des Emigrationslandes hing zunächst von äußeren, rein praktischen Faktoren ab: relativ schneDes Hinkommen, d. h. Flüchten aus Deutschland; bis mindestens Mitte 1934, als man allgemein das NS-Regime noch nicht gefestigt oder selbst kurz vor dem Zusammenbruch wähnte, hieß das auch: eventuell schnelle Heimkehrmöglichkeit. Des weiteren spielten Freunde und Beziehungen im jeweils in Aussicht genommenen Gastland eine Rolle. So verlegte z. B. die Deutsch-französische Gesellschaft, eine Tochter des Bundes Neues Vaterland bzw. der Liga für Menschenrechte, gleichzeitig mit der Flucht ihres Vorsitzenden Otto Grautoff und vieler prominenter Mitglieder darunter Heinrich Mann, Alfred Kerr, Rudolf Olden, Arnold Zweig, Ernst Toller, Otto LehmannRussbüldt, Hellmut von Gerlach im Frühjahr 1933 ihren Sitz nach Paris, rue Washington Nr. 13.14 —
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11
Röder, Großbritannien, S. 14; Nina Rubinstein, Die französische Emigration nach 1789. Ein Beitrag zpr Soziologie der politischen Emigration. Ausgewählte Schriften, hrsg. und eingel. von Dirk Raith, Graz Wien 2000. 12 Nach der Definition des Begriffs »Emigration« von Helge Pross, Die deutsche akademische Emigration nach den Vereinigten Staaten 1933—1941, BerUn 1955, S. 18. 13 Erst 1938 wehrten sich Bertolt Brecht und Hermann Kesten gegen die Bezeichnung »Emigration/Emigranten«, vgl. Müssener, Emigration in Schweden, S. 71 f. 14 Zur Emigration, zur offizieUen Auflösung von nationalsoziaUstischer Seite im Juü 1934 und zur Neugründung einer den Nazis und der Action Française genehmen Organi-
41
I. Zur
Emigration
Die unterschiedliche Asylpolitik der jeweiligen Länder,15 begründete oder erhoffte Aussicht auf Erwerbsmöglichkeiten und abgesehen von der überwiegend auf eine neue Heimat gerichteten Massenemigration vor allem des jüdischen Bürgertums sinnvolle politische Tätigkeit im weitesten Sinne waren schon Faktoren, die eine oder mehrere kurze Aufenthaltsstationen vor der Niederlassung über einen größeren Zeitraum hinweg bedingten. Frankreich war in den Jahren das europäische Land, das die größte Zahl deutscher Emigranten aufnahm. Auf Druck der französischen Regierung richteten diverse jüdische Organisationen im Juni 1933 gemeinsam das ausdrücklich als a-politisch gekennzeichnete Comité national de secours aux réfugiés allemands victimes de l'antisémitisme ein. Entgegen seinem Namen betreute das Comité national unter der Geschäftsführung von Raymond-Raoul Lambert auch NichtJuden materiell, sozial und juristisch. Finanziell wurde das Comité national, dem kein Deutscher angehörte, zeitweilig u. a. von der Alliance Israelite universelle und dem American Joint Distribution Committee, kurz American Joint genannt, aber auch vom Central British Fundfor German Jewry unterstützt.16 Am 30. Juli 1934 allerdings beschloß die Regierung, das Comité national wieder aufzuheben, am 1. August 1934 wurde das Büro offiziell geschlossen, in anderen Räumen lediglich eine Beratungsstelle fortgesetzt. Damit vergrößerten sich die Schwierigkeiten der Emigranten, Aufenthaltsgenehmigungen, Pässe dringlich seit der deutschen Ausbürgerungsgesetzgebung vom Juli 1933 oder Visa für die Ausreise in andere Länder zu bekommen. Sicherlich wurde das Comité national -
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sation, des Comité France-Allemagne, siehe Auswärtiges Amt, Politisches Archiv (AA-PA), Abt. II, Pol. 2, Frankreich C: Deutsch-französische Gesellschaft, Bd. 6, 24. 6. 1933-13. 5. 1936; vgl. kurz auch: Maximilian Scheer, So wares in Paris, Berlin 1964, S. 202 und 205; zur Entstehungsgeschichte der Deutsch-französischen Gesellschaft vgl. Lehmann-Russbüldt, Kampf der deutschen Uga, S. lOOff. 15 Eine zeitgenössische offizielle Übersicht ist die des damaligen Direktors der Hohen Kommission des Völkerbunds für Flüchtlinge aus Deutschland: Norman Bentwich, The Refugees from Germany, April 1933 to December 1935, London 1936; aus Kurt R. Grossmann/ Arieh Tartakower, The Jewish Refugee, New York 1944, schöpft, angereichert mit Anekdoten: Kurt R. Grossmann, Emigration. Die Geschichte der Hitler-Flüchtlinge 1933-1945, Frankfurt/M. 1969; einer der ersten internationalen Vergleiche: Hans-Albert Walter, Asylpraxis; vgl. ders., Europäisches Appeasement und überseeische Asylpraxis (Deutsche Exilliteratur 1933-1950, Bd. 2, Neue Folge), Stuttgart 1984; auf dem Stand der Forschung bis 1997/98: Krohn u. a., HdE, Abschnitt II: Zufluchtsländer: Arbeits- und Lebensbedingungen im Exil.
"¡Vgl. PT,
Nr. 230, 30. Juli 1934, und Nr. 242, 11. August 1934; Walter, Asylpraxis, allem aber, auch zu den im folgenden angesprochenen Problemen, JeanBaptiste Joly, »L'Aide aux émigrés juifs: Le Comité national de secours«, in: Gübert Badia/Jean-Baptiste Joly/Jean Philippe Mathieu u. a., Us bannis de Hitler. Acceuil et lutte des exilés allemands en France 1933-1939, Paris 1984, S. 37-64; Auflistung und Charakterisierung der »Emigranten(hilfs)organisationen im Raum Paris« bei Julia Franke, Paris eine neue Heimat? jüdische Emigranten aus Deutschland 1933-1939, Berlin 2000, S. 348ff.
S.
270;
vor
—
42
Emigrationsland
Frankreich
nicht nur aus finanziellen Gründen, wie von der Regierung angegebenen, geschlossen.17 Vielmehr steckte dahinter auch der Versuch, auf diese Weise den Zustrom von Emigranten abzubremsen, wie, nach der ersten Aufnahmebereitschaft im Frühjahr 1933, die Aufhebung anderer Hilfsorganisationen beweist.18 Der nach Paris geflüchtete Sozialdemokrat Rudolf Breitscheid schrieb bereits Anfang Oktober 1933, der Erhalt einer carte d'identité sei erschwert. Er erklärte dies damit, die Franzosen wollten einmal das Einschleichen von »Naziprovokateuren« verhindern, zum andern die Zahl derjenigen Juden, »die hier laut und protzig auftreten, und die sich, obwohl sie noch über namhafte Geldmittel verfügen, hartnäckig weigern, die armen Flüchtlinge zu unterstützen [...,] nicht noch vermehre[n]«, um einem »Anwachsen des Antisemitismus« vorzubeugen.19 Die Furcht vor zunehmendem Antisemitismus bestätigte Otto Wels, der Vorsitzende der SPD, deren Rumpfvorstand in Prag sein Büro, genannt Sopade, aufgeschlagen hatte, mit einer Äußerung des französischen Generalkonsuls in Zürich ihm gegenüber bei der Übergabe des Visums für Frankreich im November 1933: »die Masseneinreise deutscher Juden nach Frankreich zwinge doch zu gewissen Beschränkungen«.20 Am 17. Oktober 1933 schrieb Breitscheid der
17
Vgl. PT, Nr. 242, 11. August 1934; IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Rudolf Breitscheid Hertz, 5. August 1934; zum endgültigen Ende des Comité national Ende Juü/Anfang August 1935 vgl. Bentwich, Refugees, S. 107f.; David H. Weinberg, Lesfuifs à Paris de 1933 à 1939, Paris 1974, S. 118ff.; Joly, »L'Aide aux émigrés juif«, S. 60ff.; jetzt Franke, Paris, S. 344, 353 und passim (siehe Register dort). 18 Vgl. dazu Barbara Vormeier, »Dokumentation zur französischen EmigrantenpoUtik (1933-1944) Ein Beitrag«, in: Hanna Schramm, Erinnerungen an ein französisches Internierungslager (1940—1941), mit einem dokumentarischen Beitrag zur französischen Emigrantenpolitik (1933— 1944) von Barbara Vormeier, Worms 1977, S. 157-384, hier bes. Einleitung und Dokumente E 6 und 7; dies, [in einer überarbeiteten franz. Fassung], in: Hanna Schramm/ Barbara Vormeier, Vivre à Gurs. Un camp de concentration français 1940—1941, Paris 1979; dies., »Frankreich«, in: Krohn u. a., HdE, Sp. 213-250, bes. Sp. 129; zur französischen AsylpoUtik siehe auch die Literaturangaben bei Franke, Paris, S. 28f. an
-
19
IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Breitscheid an Hertz, 3. Oktober 1933; ähnUch äußerte sich der Vorsitzende der in Paris wiedergegründeten Deutschen Liga für Menschenrechte, Hellmut von Gerlach, vgl. Walter, Asylpraxis, S. 61 f. 20 IISG, Archiv Soziaüstische Arbeiter-Internationale (SAI), 3525: Otto Wels, »Bericht über die Reise nach Saarbrücken«, 13 S. Ds mit handschr. Korrekturen, Zitat S. 3 (Stationen der Reise waren: Wien, Zürich, Saarbrücken hauptsächüch -, Straßburg, Colmar, Basel; zu reservierter, selbst feindseüger Haltung auch eingesessener französischer Juden gegenüber den aus Deutschland, oder: aus dem »Osten«, geflüchteten oder aus materieüen Gründen immigrierten Juden und zu Standesunterschieden zwischen den emigrierten Juden in Frankreich Phänomene, die in so gut wie aUen AsyUändern zu beobachten sind vgl. Fabian/Coulmas, Deutsche Emigration in Frankreich, S. 45ff.; Juüa Franke, »De véritables >bochesgerechter< auf die demokratischen Länder zu verteilen. Tatsächlich wurde offensichtlich auf administrativem Wege versucht durchzusetzen, was der französische Regierungsvertreter im Dezember 1933 auf der Tagung des Verwaltungsrates beim Hohen Kommissar für deutsche Flüchtlingsfragen in Lausanne vergeblich gefordert hatte.23 In der Praxis scheinen die Verfügungen und Maßnahmen der französischen Regierungsstellen allerdings zunächst nicht so harte Konsequenzen gezeitigt zu haben. Selbst Breitscheid meinte noch
Sopade,
im
Aprü 1934:
»Doch ist die Sache scheinbar nicht so tragisch zu nehmen, da die Anweisungen zunächst nur auf dem Papier stehen. Die Polizei scheut offenbar die Kosten, die Leute an die Grenze zu bringen, und sie sagt sich überdies, daß die anderen Länder sie auch nicht aufnehmen wollen. So bleiben sie ruhig im Lande, und von Zeit zu Zeit wird ein Ausweisungsbefehl erneuert. Man erzählt mir, daß es Orte gibt, in denen die Deutschen kein anderes Legitimationspapier besitzen als eben die Ausweisungsordre.«24 Schärfere Restriktionen setzten erst nach der Ermordung von Außenminister Louis Barthou im Oktober 1934 und dann nach der Volksabstimmung im Saargebiet am 13. Januar 1935, die neue Immigrations-Probleme aufwarf, ein.25 Noch im Januar 1935 übersandte die französische Regierung dem Völkerbund in Genf ein Memorandum, in dem sie diesen rechtlich und vor allem finanziell für die Flüchtlinge verantwortlich machte.26 Eine Verordnung vom 6. Februar 1935 stellte es dem Ermessen eines Präfekten frei, »ob der Fremde die wünschenswerten Garantien zu bieten scheint« für den Erhalt einer Aufenthaltsgenehmi-
IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Ds für Hertz; ähnlich Breitscheid an Hertz persönlich, 1933, ebd. 22 Vgl. PT, Nr. 213, 13. Juli 1934: »Frankreich und die Fremden«; vgl. auch Der Ausweg. Zeitschrift für Umschichtung, Wanderung, Siedlung, 1934, Nr. 2, Dezember, S. 59ff, bes. 21
24. Oktober
S. 61: 23
»Mitteilungen des Hohen Kommissars für Flüchtlingsfürsorge«. Vgl. Walter, Asylpraxis, S. 40f.
IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Rudolf Breitscheid an Hertz, 9. April 1934. Vgl. Breitscheid an Stampfer, 4. November 1934, in: Mit dem Gesicht nach Deutschland. Eine Dokumentation über die sozialdemokratische Emigration. Aus dem Nachlaß von Friedrich Stampfer, ergänz} durch andere Überlieferungen, hrsg. von Erich Matthias, bearb. von Werner Link, Düsseldorf 1968 (künftig zit.: Stampfer, Mit dem Gesicht), S. 225-227. 26 Vgl. PT, Nr. 404, 20. Januar 1935. 24 25
44
Emigrationsland
Frankreich
gung; außerdem mußte der Ausländer »vor allem den Beweis erbringen, daß er nur auf ordnungsgemäße Art und Weise nach Frankreich gekommen sei, d.h. gemäß den in Kraft befindlichen internationalen Abkommen«.27 Maßnahmen der deutschen NS-Regierung, durch Massenausbürgerungen28 der Verpflichtung auf »Rückübernahme deutscher im Ausland hilfsbedürftig gewordener Emigranten« zuvorzukommen,29 einerseits und das Interesse der französischen Regierung an einer allseits einigermaßen befriedigenden Lösung andererseits beschleunigten dann die Zusammenarbeit zwischen deutschen Flüchtlings-Hilfsstellen und französischen Organisationen.30 Unter der Ägide des Völkerbunds wurden Verträge abgeschlossen, die wenigstens die rechtliche, wenn auch kaum die soziale und schon gar nicht die finanzielle Position der Emigranten zu sichern schienen. Zunächst wurden bereits im Mai 1935 die Flüchtlinge aus dem Saargebiet gleich den russischen und armenischen Flüchtlingen dem Internationalen Nansenamt unterstellt.31 Einen Beitrag zu der Durchsetzung dieses Zieles dürfte die
Grossmann, Emigration, S. 12; vgl. vor allem auch Vormeier, »Dokumenfranzösischen Emigrantenpoütik«, Abschnitt IV der Einleitung. 28 Zunächst waren aufgrund des »Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit« vom 14. Juü 1933 nur poUtisch oder kultureü profiüerte Gegner des NS-Regimes ab August 1933 ausgebürgert worden; das Gesetz ist abgedruckt in: Vormeier, »Dokumentation zur französischen Emigrantenpoütik«, S. 275f.; zu den Poütikern siehe M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung Emigration und Ausbürgerung 1933-1945. Eine biographische Dokumentation. Dritte erhebüch erw. und Überarb. Aufl., mit einem Forschungsbericht zur Verfolgung deutscher und ausländischer Parlamentarier im nationalsoziaUstischen Herrschaftsbereich, hrsg. von Martin Schumacher, Düsseldorf 1994; M.d.L Das Ende der Parlamente 1933 und die Abgeordneten der Landtage und Bürgerschaften der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung Emigration und Ausbürgerung 1933—1945. Ein biographischer Index, hrsg. und eingel. von Martin Schumacher, Düsseldorf 1995; Hans-Georg Lehmann, In Acht und Bann. Politische Emigration, NSAusbürgerung und Wiedergutmachung am Beispiel Willy Brandts, München 1976. 29 Siehe AA-PA, AA II, betr. Poütische Angelegenheiten adh. Emigranten Bd. 5, II S.G. 3202, 22. 9. 1935-23. 7. 1938: Saargebiet, Pol. Ang. Emigranten: »Niederschrift über die Sitzung am 28. Dezember 1935 ün Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern«, Ms, 7 S., Zitat S. 2; vgl. ebd.: Aufzeichnungen von [Vicco] von Bülow-Schwante, dat. Berlin, 30. Dezember 1935. 30 Zu den Organisationen siehe Bentwich, Refugees, S. 39^13 und 107-112; vgl. auch 27
tation
Zit. nach: zur
Grossmann, Emigration, S. 13, und Walter, Asylpraxis, S. 59ff. 31 Vgl. Nachrichten von der Saar (NvdS), 1935, Nr. 13, 6. Juni, dort auch Auszüge aus amtlichen Briefen; zur Vorgeschichte vgl. NvdS, 1935, Nr. 11, 16. Mai, und die beigefügte
Denkschrift des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei des Saarlands (SPS), Max Braun, an den Völkerbundsrat vom 14. Mai 1935; zur Frage des Passes für die SaarFlüchtlinge vgl. auch The Monthly Summary of the League of Nations (MSLN), Bd. 16, 1936, Nr. 1, Januar, S. 26. 45
I. Zur
Emigration
Association d'Entraide pour la Sarre geleistet haben, die unter dem Schweizer Rechtsanwalt Dr. Brand die geschädigten und politisch verfolgten Saarländer beim Obersten Abstimmungsgerichtshof vertrat.32 Daraufhin löste die französische Regierung bis September 1935 die insgesamt 67 Saar-Flüchtlingslager wieder auf.33 Ende April 1936 folgte die Auflösung der Beratungsstelle für Saarflüchtlinge in Forbach jedenfalls als Hilfsorganisation -, nachdem die Vereinigung der Saaremigranten entsprechende Verträge mit der französischen Regierung abgeschlossen hatte.34 Schließlich setzte die Regierung auf der Basis des Front populaire unter dem Sozialisten Léon Blum im Einverständnis mit dem Internationalen Nansenamt und dem Völkerbund das Office Sarrois ein; ihm gehörten die Saar-Emigranten Max Braun als Präsident, Philipp Daub (KP), Dr. Edgar Hector jun. (Saarländische Wirtschaftsvereinigung) und Oberregierungsrat a. D. Dr. Ludwig Meyer an.35 Für die reichsdeutschen Emigranten schuf eine Staatskonferenz, die auf Initiative des seit Anfang 1936 amtierenden Hohen Kommissar für die deutschen Flüchtlinge beim Völkerbund, Sir Neil Malcom, vom 2. bis 4. Juli 1936 in Genf tagte, ein »Vorläufiges Übereinkommen betreffend das Statut der Flüchtlinge aus Deutschland«; es wurde am 4. August unterzeichnet.36 Entscheidenden Anteil an -
Vgl. z. B. NvdS, 1935, Nr. 9, 29. April. Vgl. Informationen von Emigranten für Emigranten (IEE), 1935, Mtte September: »Antifaschistische Flüchtlinge schließt die Einheitsfront!« 34 Vgl. »Mitteilung« (der NvdS), 1936, 30. April und 12. Mai, unterzeichnet von den 32 33
Sozialdemokraten Emil Kirschmann und Hanna Kirchner; mit dem 12. Mai 1936 endet die Herausgabe des NvdS. 35 Vgl. IISG, studiezaalmap, lijst Abendroth 1: Vereinigung der Saaremigranten: Rundschreiben Nr. 1 und Nr. 2, beide o. D., in Nr. 2 ein Brief des Ministère des Affaires Étrangères vom 17. November 1936; IEE, 1937, Nr. 1, S. 9-11, dort auch: alle Post für das Office Sarrois war zu richten an Max Braun, 5, rue Lamartine; spätestens seit Anfang 1938 lautete die postalische Anschrift: Max Braun, 55, rue du Faubourg Montmartre, vgl. IISG, NL Hertz, S. 19, Mappe Seh: Alexander Schifrin an Hertz, 15. Januar 1938; siehe auch u. a. zu E. Hector und L. Meyer: Dieter Marc Schneider, »Saarpolitik und Exil 1933-1955«, in: VfZG, Jg. 25 (1977), S. 467-545, bes. S. 487ff. und 515; ausführlich zur Saaremigration, zur Grenz- bzw. Beratungsstelle Forbach, zu Mulhouse und zum Office Sarrois: Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann, Milieus und Widerstand. Eine Verhaltensgeschichte der Gesellschaft im Nationalsozialismus, Bonn 1995, S. 255-274. 36 Text des Vorläufigen Statuts in: MSLN, Bd. 16, 1936, Nr. 7, Juli, S. 225f; vgl. auch zu den Signatarmächten: Vormeier, »Dokumentation zur französischen Emigrantenpolitik«, S. 202f.; für das Folgende vgl. auch: Paul Hertz, »Flüchtlingssorgen und Flüchtlingshilfe, Betrachtungen über die Konferenzen in Paris und Genf«, in: Neuer Vorwärts (NU), 1936, Nr. 163, 26. Juli, Beüage; Grossmann, Emigration, S. 58; das Amt des Hohen Kommissars war Ende 1933 geschaffen und mit dem Amerikaner James MacDonald besetzt worden, der aber zum Ende des Jahres 1935 aus Enttäuschung über die Haltung der demokratischen Staaten demissionierte; einen Insider-, gleichzeitig um Objektivität bemühten Bericht über die Arbeit und die Probleme in Sachen deutsche Flüchtlinge bis Ende 1935 46
Emigrationsland
Frankreich
der Abfassung wie an der Durchsetzung dieses freilich minimal ausgefallenen Statuts hatte der Vertreter der Regierung des Front populaire, Jean Longuet.37 Dieser hatte im Rahmen der am 20. und 21. Juni in Paris stattgefundenen Internationalen Asylrechtskonferenz ein wesentlich umfangreicheres Memorandum mit vorbereitet.38 Im Namen seiner Regierung erklärte Longuet in Genf, daß über das Statut hinaus Frankreich die Ausweisung von Flüchtlingen aufheben und allen bereits in Frankreich lebenden Flüchtlingen die Arbeitsberechtigung erteilen werde. Auf der Grundlage der Genfer Konvention erließ die französische Regierung am 17. September 1936 ein Dekret, nach dem alle Deutschen, die bis zum 5. August des Jahres legal oder illegal die Grenzen Frankreichs als Flüchtlinge überschritten hatten, einen »Ausweis für die aus Deutschland stammenden Flüchtlinge«, der auch zu Reisen in die Unterzeichnerstaaten berechtigte, beantragen konnten.39 Die Entscheidung, ob einer im Sinne der Genfer Konvention »Flüchtling aus Deutschland« sei, lag jetzt bei dem von der Regierung eingerichteten und dem Innenministerium unterstellten Comité
gibt Bentwich, Refugees, bes. S. 55—105; meines Wissens gibt es noch immer keine umfassende Monographie über den Völkerbund und das Problem der Flüchtlinge aus Deutschland und den deutschsprachigen Gebieten Europas zwischen 1933-1939. 37 Longuet war ein Enkel von Karl Marx, Mtgüed des Parteivorstands der französischen Soziaüstischen Partei, Section Française, Internationale Ouvrière (SFIO), und der Exekutive der SAL 38 Vgl. dazu Paul Hertz' Artikel, in: NV, Nr. 163, 26. Juü 1936 (siehe Anm. 36); ferner: Bericht über die »Internationale Konferenz deutscher Emigranten« am 19. und 20. funi 1936 in Paris, hrsg. von der Fédération des Emigrés d'Allemagne en France, hektogr., 14 S. und Anhänge, vorhanden im IISG, studiezaalmap, lijsr Abendroth 321; IEE, o. D. QuU 1936], S. 57: »Das Ergebnis der Zwischenstaatlichen Konferenz«; siehe dazu ausführüch Deutsche Volksfront Band 2, Abschnitt: Die Internationale Asylrechtskonferenz. 39 Das Dekret ist abgedruckt in: Vormeier, »Dokumentation zur französischen Emivon den fünfzehn Staaten, die an der Zwischenstaatlichen KonfeS. 303; grantenpoütik«, renz von Anfang Juü 1936 teünahmen, unterzeichneten sechs die Konvention direkt: Belgien, Dänemark, Frankreich, die Niederlande, Norwegen und die Schweiz, davon nur Dänemark und Frankreich ohne den Vorbehalt eines Plebiszits; die Schlußakte der Konferenz wurde darüber hinaus noch unterzeichnet von der Tschechoslowakei, ferner vom Präsidenten, Vizepräsidenten und Generalsekretär der Konferenz, vgl. MSLN, Bd. 16, 1936, Nr. 7, Juü, S. 225—226; einer handschr. Aufzeichnung von Grzesinski vom 20. August 1936 zufolge hatte Georg Bernhard an dem Tag aus Genf mitgeteüt, das Statut sei »bisher nur erst ratifiziert worden [...] von: Frankreich u[nd] Dänemark [,] die CSR zögern noch. Nicht ratifiziert haben: England, HoUand, Belgien, Schweiz«, IISG, Teü-NL Albert Grzesinski, 2278, Hervorhebungen dort; sowohl damals als auch in der Literatur besteht noch einige Verwirrung über die Unterzeichner- und Ratifizierungsstaaten: vgl. IEE, 1936, 4. Dezember, S. 8—9; Mitteilungen der Zentralvereinigung deutscher Emigranten, Amsterdam, 1937, Nr. 1, 15. Februar, S. 2; Grossmann, Emigration, S. 58; Walter, Asylpraxis, S. 48; Vormeier, »Dokumentation zur französischen Emigrantenpoütik«, S. 202. 47
I. Zur
Emigration
Consultatif, gelegentlich auch Commission Consultative genannt.40 Neben vier Frangehörten dem Komitee vier deutsche Emigranten an: der Sozialdemokrat und ehemalige preußische Innenminister bzw. Polizeipräsident von Berlin, Albert Grzesinski er wurde zum Präsidenten gewählt -, der bürgerliche Demokrat und Chefredakteur der Pariser Tageszeitung (davor Pariser Tageblatt), Professor Georg Bernhard, der Kommunist Willi Münzenberg er mußte Ende 1936 seinen Platz an den nach seiner Ausweisung aus der Schweiz frischgebackenen Leiter der KPD-Landesgruppe Frankreich, Siegfried Rädel, abgeben und der Rechtsanwalt Dr. Theodor Tichauer, Vorstandsmitglied der Association des émigrés Israélites d'Allemagne en France.^1 Die deutschen Vertreter waren von der Fédération des Emigrés d'Allemagne en France (FEAF) delegiert, in der sich seit November 1935 insgesamt 21 Organisationen zusammengeschlossen hatten.42 Auf einer von der FEAF auf den 19. und 20. Juni 1936 nach Paris einberufenen Internationalen Konferenz deutscher Emigranten in allen Ländern Europas wurde die Zentralvereinigung der deutschen Emigration (ZVE) als Dachverband der Emigrantenorganisationen in den verschiedensten Ländern gegründet.43 Sitz der ZVE war Paris, rue Lafayette Nr. 93, Grzesinski wurde zum Geschäftsführer, zosen
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also Generalsekretär bestimmt, G. Bernhard, bereits Präsident der FEAF, übernahm auch hier diese Funktion.44 Im September 1936 erkannte der Völkerbund
Zur Einwanderungs- und Asylpolitik der französischen Sozialisten im Interbellum die Monographie des Insiders Marcel Livian, U Parti Socialiste et l'immigration. U gouvernement Uon Blum, la main-d'œuvre immigrée et les réfugiés politiques (1920-1940), Paris 1982; vgl., auch zum folgenden, Gilbert Badia, »L'émigration en France: ses conditions et ses problèmes«, in: Badia/Joly/Mathieu u. a., Us bannis de Hitler, S. 13-95, hier S. 55-59. 41 Vgl. IEE, o. D. [August 1936], S. 2: »Das Frankreich der Volksfront hilft den deutschen Flüchtlingen«; Albert Grzesinski, »Das Comité Consultatif«, in: IEE, 1937, Nr. 1 (Saar-Sondernummer), o. D.; siehe dazu ausführlicher Deutsche Volksfront Band 2, Abschnitt: Comité Consultatif und Asylrechts-Büro. 42 Zur Gründung der FEAF vgl. unten S. 190ff. 43 Vgl. »Entschließung der Internationalen Konferenz deutscher Emigranten am 19./20. Juni 1936 in Paris«, hektogr., 1 S., Anhang zum Bericht »Internationale Konferenz deutscher Emigranten«; Albert Grzesinski,« Zentralvereinigung der deutschen Emigration«, in: PTZ, Nr. 33, 14. Juli 1936; Kurt Funk [d. i. Herbert Wehner], »Die Vertretung der deutschen Emigration ist einheitlich«, in: IEE, 1937, Nr. 1 (Saar-Sondernummer), o. D.; ausführlicher dazu, auch zu den politischen Implikationen, Deutsche Volksfront Band 2, Abschnitt: Die Zentralvereinigung der deutschen Emigration: Ein Instrument der Volksfront?; Verwirrung über FEAF und ZVE und Unterschätzung aufgrund einer einzigen negativen Einschätzung eines französischen Ministerialbeamten vom Juli 1936 (!) bei Franke, Paris, und dies., »Unerwartet im selben Boot: Politische und jüdische Emigranten aus Deutschland im Paris der dreißiger Jahre«, in: BzG, Jg. 42 (2000), S. 3—19, hier S. 17-19. 44 In der Aufzeichnung von Paul Hertz, in englischer Übersetzung dem Brief von Fred Sanderson an Alfred Baker Lewis von der German Labor Delegation (GLD) vom 31. März 1940 beigefügt, erscheint Grzesinski als Präsident, IISG, NL Hertz, S. 12, Neu 40
vgl.
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Emigrationsland
Frankreich
die ZVE offiziell an. Sie entsandte drei Vertreter in den aus insgesamt 18 Mitgliedern bestehenden Beirat des Hohen Kommissars für deutsche Flüchtlingsfragen beim Völkerbund: Georg Bernhard für die »jüdische Emigration«, Kurt Funk (d. i. Herbert Wehner) für die »nichtjüdische Emigration« nach dessen Abberufung nach Moskau Anfang 1937 erhielt Siegfried Rädel die Funktion, nach Grzesinskis Weiteremigration in die USA im Juli 1937 übernahm er auch dessen Posten als Präsidialmitglied, de facto Vizevorsitzender und Sekretär der ZVE45 und, auf Wunsch der Sopade offiziell nur assozüert -, Paul Hertz für die sozialdemokratische und sozialistische Emigration. Damit endete die bis dahin einzige offizielle Vertretung deutscher Emigranten beim Völkerbund durch ein gemeinsames Komitee des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) und der Sozialistischen Arbeiter-Internationale (SAI), das Anfang 1936 eingesetzt worden war, nachdem u. a. der nach Zürich emigrierte Sozialdemokrat Rudolf Hilferding auf der Januar-Sitzung des Büros der SAI die Vertretung durch den IGB allein als »unbefriedigend« abqualifiziert hatte.46 Die Völkerbundskonferenz vom Februar 1938 in Genf beschloß am 10. des Monats eine neue Übereinkunft, die den Status der staatenlosen Flüchtlinge aus Deutschland ob vom NS-Regime wegen im weiten Sinne politischer Gegnerschaft ausgebürgert oder als politischer Immigrant aus anderen Staaten bereits der Nationalität beraubt in juridischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht gegenüber dem vorläufigen Übereinkommen von 1936 zwar definierte, jedoch letztendlich kaum verbesserte. Die praktische Umsetzung der Konvention wurde im Grunde den über stets weniger finanzielle Mittel verfügenden, an Zahl jedoch zunehmenden Hilfsorganisationen überlassen. Signatarmacht Frankreich, das die meisten Flüchtlinge zu verzeichnen hatte, ratifizierte das Abkommen im Gegensatz etwa zu Belgien und Großbritannien, die dies noch im Frühjahr 1938 taten, erst im August 1945! Daß den Gastländern ausdrücklich das Recht zugebilligt -
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Beginnen W; in Korrespondenzen und Memoranden ün IISG, NL Grzesinski, Nr. 2273, 2274, 2275, 2277, erscheint Grzesinski auch eher als Präsident der er nicht war denn als Präsidialmitgüed; er emigrierte ün JuU 1937 direkt in die USA weiter, zunächst auf ein Touristenvisum, vgl. Eberhard Kolb, »Einleitung« zu: Grzesinski, Kampf um die deutsche —
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Republik, S. 24. 45 Vgl. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Biographisches Lexikon, hrsg. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Berün 1970 (im folgenden zit: GdA, Biographisches Lexikon), S. 372f., vor aüem Elfriede Fölster, »Wer als Kommunist gelebt hat... Siegfried Rädel«, in: BzG, Jg. 15 (1973), S. 1014-1016, bes. S. 1015; die Kurzbiographie in BHB
1 ist in der
Chronologie sehr schematisch.
IISG, NL Hertz, S. 19, XVII: RludolfJ Hülferding], »An den Parteivorstand«, 24. Januar 1936, handschr.; Hüferding spricht von der »Sitzung des Internationalen] Büros«; vgl, auch zum folgenden, IISG, NL Hertz, S. 17, Korr. C: Hertz an Arthur Crispien, 10. August 1936 und 25. November 1936; IEE, 1936, 4. Dezember, S. 8-9; MZDE, 1937, Nr. 1, 15. Februar, S. 2; zu Arbeit und Problemen der ZVE siehe ausführücher in Deutsche Volksfront Band 2, Abschnitt: Die Zentralvereinigung der deutschen Emigration. 46
Siehe
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I. Zur
Emigration
in jedem Falle US-amerikanischen über das Asylrecht zu stellen, bestätigte die auf Initiative des Präsidenten Franklin Delano Roosevelt abgehaltene Konferenz von 32 Staaten im Juli 1938 in Evian, auf der u. a. auch die Organisierung und die Koordinierung der Aufnahme von Flüchtlingen einem Comité Intergouvernemental übertragen wurden.47 Im neuen Völkerbundsstatut zeichnet sich bereits das Paradox ab, daß die Konzentration mehr konservativer, nationalistischer Kräfte innerhalb der demokratisch konstituierten Staaten nicht mehr wie mindestens Frankreich 1933 und 1934 säbekasselnd gegenüber dem Nationalsozialismus relativ günstige Aufnahmebedingungen für die Emigranten bot.48 Die Regierungen paßten sich vielmehr durch ihre Appeasement-Politik der politischen Vorherrschaft des Dritten Reiches in Europa an. Diese Vorherrschaft war in den vorangegangenen Jahren mittelbar, wenn auch vornehmlich aus Gründen der Wahrung der nationalen Sicherheit, gefördert worden.49 Office Sarrois und Comité Consultatif bestanden bis zum Ausbruch des Krieges, ihre Arbeit jedoch wurde zur Farce. Im Laufe der Jahre 1937 und 1938, unter den Regierungen Chautemps und Daladier, häuften sich Aufenthaltsverweigerungen, Ausweisungen, Zwangsaufenthalte in bestimmten entlegenen Orten bis hin zur Einziehung der »carte d'identité«, selbst Vorbeugehaft aus Anlaß des Ribbentrop-Besuchs in Paris Anfang Dezember 1938.50 Von da bis zur Masseninternierung, nach Ausbruch des Krieges, von jüdischen und vor allem antifa-
wurde, ihre wie auch immer verstandene »nationale Sicherheit«
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47
Zum
Nr. 2; Grossmann, Emigration, S. 58ff; vor allem französischen Emigrantenpolitik«, S. 202ff. und 304ff.
vorigen vgl. MSNL, 1938,
aber Vormeier, »Dokumentation
zur
(Dok. 17). Janusgesicht der französischen Außenpolitik bis 1939 legt dar: Elisabeth R. to Appeasesement. A Study in French Foreign Policy, Washington 1942; stärker noch und vor allem die Kontroversen innerhalb der französischen politischen Kreise bis zum Mai 1935 akzentuierend: William Evans Scott, Alliance against Hitler. The origins of the Franco-Soviet Pact, Durham 1962; persönliche Eindrücke über die innenpolitische Konstellation in Frankreich im Hinblick auf die Politik gegenüber NS-Deutschland gibt Rudolf Breitscheid in seinen Briefen an Paul Hertz, bes. im Brief vom 3. Oktober 1933; verschiedene Aspekte sind behandelt in: Us Relations franco-allemandes 1933-1939. Actes du colloque international à Strasbourg 7—10 Octobre 1975 (Colloques internationaux du Centre National de la Recherche Scientifique, no 563), Paris 1976. 49 Erinnert sei an die Duldung der deutschen Aufrüstung, die nur matten Reaktionen auf die Wiedereinführung der Wehrpflicht im Frühjahr 1935, das Stillhalten bei der Rheinlandbesetzung durch deutsche Truppen ein Jahr später, die Nichtintervention trotz deutscher und italienischer Intervention im Spanischen Bürgerkrieg, wobei Léon Blum den konservativen Kräften, vornehmlich aus den Reihen der Opposition, nachgab: ausführlich dazu in Deutsche Volksfront Band 2. 50 IISG, NL Fritz Brupbacher, Nr. 147: Babette Gross an Fritz und Paulette Brupbacher in Zürich, 4. Dezember 1938; vgl. auch Grossmann, Emigration, S. 40 und bes. 48
Das
Cameron, Prologue
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S. 190ff. 50
Einige Zahlen schistisch aktiven
als »réfugié provenant d'Allemagne« aufgrund der anerkannt 1936 oder nicht51 scheint es kein so weiter Schritt Gesetzgebung mehr zu sein. Die Auslieferungen politischer Emigranten an die Gestapo durch die Pétain-Regierung markieren nur den letzten Akt des Verfalls des Asylrechts in Frankreich.
Emigranten
—
von
—
Einige Zahlen Eine exakte Angabe der Zahl der deutschen Emigranten überhaupt wie der speziell in Frankreich ist ein schwieriges Unterfangen. Unterlagen, soweit vorhanden oder zugänglich, beruhen durchweg auf zum Teil groben Schätzungen, die überdies weit auseinandergehen.52 Für Frankreich kommt hinzu, daß hier viele Emigranten illegal lebten. Auch die Rückwanderer- und Repatriierungsquoten vor allem in den ersten Jahren dürften beachtlich hoch sein, wobei nicht selten Druck ausgeübt wurde. So forderte z. B. die Sozialdemokratische Flüchtlingshilfe in Prag im Juli 1934 per Rundschreiben die regionalen Sekretariate der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (DSAP) in der Tschechoslowakischen Republik auf, strengere Kriterien bei materieller Unterstützung von Emigranten anzulegen, und sie wies ausdrücklich auf Möglichkeiten zur Rückkehr nach Deutschland hin, die den Emigranten zu vermitteln seien. In einer Denkschrift
51
In dem Memorandum »The Internment of German
Emigrants in France«, o. U, [wahrscheinüch Ende 1939], heißt es u. a., daß »gegenwärtig ca. 25 000 deutsche Flüchtünge (jüdische sowie eigentüch poütische Emigranten)« interniert seien; erfaßt werden »aUe 17-64jährigen Emigranten männüchen Geschlechts, deren Ursprungsland Deutschland ist«, darüber hinaus aU diejenigen, »die in ihren Aufenthaltspapieren die Bezeichnung >Réfugié provenant d'AUemagne< haben, die also in Verfolg der Spezialgesetzgebung von 1936 durch eine gemischte, aus französischen Behördenvertretern und Vertretern der Emigration zusammengesetzte Kommission als Emigranten anerkannt worden sind«; Frauen würden nur in AusnahmefäUen interniert; Emigranten ohne anerkannte Nationaütät und das betrifft vor aUem die später Gekommenen büeben von der Interrüerung verschont, vgl. IISG, Neu Beginnen, 19; besonders eindrucksvoU unter den vielen gedruckten und ungedruckten Berichten über das Lager Le Vernet z. B. ist der von François Bondy, Rapport sur le Camp du Vernet (Ariège) et sur les conditions de l'arrestation et de l'internement de nombreux étrangers en France, dat. 2. August 1940, hektogr., 9 S., vorhanden im IISG, NL Brupbacher, unter »Varia«. 52 Zum Problem aUgemein vgl. Röder, Großbritannien, S. 15ff.; zur IUustration der unterschiedüchen, selbst in einer einzigen Arbeit nicht kongruenten Zahlenangaben vgl. Grossmann, Emigration, S. 43 und 150f.; noch eindeutiger wird das Problem, wenn selbst der Völkerbund in seinen Schätzungen um 20 000 Emigranten schwankt, die bis Ende 1935 aus Deutschland geflüchtet sein soUen: 80 000 bis 100 000 so jedenfaUs zitiert von Grzesinski im Sommer 1936: »Die Organisierung der deutschen Emigranten«, in: IEE, Sonder-Nr. zum 19./20. Juni 1936; vgl. jetzt auch Franke, Paris, S. 68f. o.
D.
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51
I. Zur
Emigration
der Sopade, die sie im Oktober 1934 einer Dreierkommission der SAI vorlegte, hieß es denn auch: »Inzwischen hat sich die Zahl der [sozialdemokratischen ULA] Emigranten durch die Rückkehr der weniger gefährdeten Genossen nach Deutschland vermindert.« Mit Beginn der großen Verhaftungswellen in Deutschland um 1934/35 war jedoch Zurücksenden »politisch nicht gefährdeter« Genossen kaum mehr möglich. Hinzu kamen die Abwehrmaßnahmen der deutschen Behörden, die bis zum März 1934 allerdings noch nicht richtig griffen: Es waren »doch bereits ca. 10 000 zurückgekommen«, meldete eine »Darstellung über die Lage der deutschen Emigration«. Grzesinski sprach im Juni 1936 davon, daß »rund 18 000 zurückgekehrt« seien.53 Hier sollen dennoch einige Zahlen angeführt werden, um die Relationen, innerhalb derer sich der deutsche Volksfrontausschuß in Paris herausbildete und arbeitete, wenigstens andeuten zu kön-
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nen.
Per 31. Dezember 1933 entfielen nach Grossmann von insgesamt 59 000 Flüchtlingen aus Deutschland 42,4 % auf Frankreich, also rund 25 000.54 Legt man dieselbe Prozentzahl der von Röder geschätzten Gesamtzahl von 60—65 000 zugrunde,55 käme man auf etwa 27 500. Bentwich gibt eine geschätzte Gesamtzahl von etwa 60 000 an, davon entfielen auf Frankreich mindestens bis September 1933 rund 30 000 Emigranten aus Deutschland,56 für Oktober 1933 gibt dagegen Vormeier jetzt 17—20 000 an.57 Der französische Delegierte auf der Tagung des Verwaltungsrates beim Hohen Kommissar in Lausanne, Henry
vorigen vgl. etwa Bentwich, Refugees, S. 42; Wolf Franck, Führer durch die deutsche Éditions du Phénix 1935, S. 33ff; Röder, Großbritannien, S. 15; Walter, Paris: Emigration, Asylpraxis, S. XX; IISG, Neu Beginnen, 1: RSchr. der Sozialdemokratischen Flüchtlingshilfe in Prag an die Sekretariate der DSAP, Juli 1934, 2 S., hektogr.; IISG, NL Hertz, S. 16, le: »Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Ihre Organisation und ihre Tätigkeit unter der Hitler-Diktatur. Bericht des Parteivorstandes, Sitz Prag (Sopade)« (im folgenden zit: Sopade-Bericht an SAI), 27 S., hier S. 23; zu einem beispielhaften Fall der Rücksendung bei der KPD siehe: Heinrich Mann und ein junger Deutscher [d. i. Paul Roubiczek], Der Sinn dieser Emigration, Paris: Éditions du Mercure de l'Europe 1934, S. 5—7; BA/K: Sammlung Schumacher/226, bes. die Akten der Bayrischen Politischen Polizei vom 5. Februar (»Zahlung von Renten, Ruhegehältern und ähnlichen Bezügen an Emigranten«) und vom 29. Juni 1934 (»Rückwanderung der Emigranten«), in einer der Akten dieses Bestandes befindet sich auch die vierseitige hektographierte »Darstellung über die Lage der deutschen Emigration um den März 1934 herum«, daraus das 2. Zitat; auch finden sich Belege zu deutschen Abwehrmaßnahmen unter den in Anm. 29 oben aufgeführten Quellen; Grzesinski in: IEE, Sonder-Nr. zum 19./20. Juni 1936, daraus das 3. Zitat. 54 Vgl. Grossmann, Emigration, S. 151. 55 Vgl. Röder, Großbritannien, S. 15; auf S. 17 wertet Röder die bis dahin von Grossmann publizierten Zahlen, die dann auch in dessen Emigrations-Buch übernommen wurals den, zu niedrig. 56 Vgl. Bentwich, Refugees, S. 33. 57 Vormeier, »Frankreich«, Sp. 216. 53
52
Zum
Einige
Zahlen
Dezember 1933 noch von 30 000 Emigranten aus Deutschland in Frankreich.58 Aus dem Saargebiet kamen nach der Abstimmung am 13. Januar 1935 nach Angaben von Max Braun vom März des Jahres 6 000 Emigranten nach Frankreich,59 darunter eine Anzahl österreichischer Sozialisten, die nach den Februar-Kämpfen von 1934 ihren antifaschistischen Kampf an der Saar fortgesetzt hatten, und nach Röder etwa 800 reichsdeutsche Emigranten.60 Die letztgenannte Zahl dürfte jedenfalls zu niedrig sein; immerhin hatte die Sopade im November 1933 allein 869 sozialdemokratisch organisierte Flüchtlinge aus dem Reich an der Saar statistisch festgestellt.61 Das Internationale Nansenamt zählte bis Mai 1935 offiziell 3 300 reine Saar-Flüchtlinge,62 im Oktober sprach es eine Zahl, die in die Literatur eingegangen ist.63 von »4 000 odd refugees« Mit Stichtag vom 15. Juni 1935 zählte das Internationale Hohe Kommissariat für die aus Deutschland stammenden Flüchtlinge 80 500 Emigranten,64 von denen sich nur noch 25 700 in ganz Europa, darunter 10 000 in Frankreich aufhalten sollten;65 die Saar-Emigranten als Sonderkategorie nicht eingerechnet.66 Diese Zahlen wurden in deutschen Emigrantenkreisen als »zu gering« noch mild um-
Bérenger, sprach Anfang
-
-
-
58
Vgl. Walter, Asylpraxis, S. 41. Vgl. NvdS, 1935, Nr. 3, 10. März:
»Die Saar-Emigration«; nach SoUmann waren es bis zum 13. Februar 1935 bereits 5 000, bis Ende des Monats erwartete er 10 000, vgl. Wilhelm SoUmann an Paul Hertz, 13. Februar 1935, doch am 31. März 1935 berichtete er an Hertz, die Saar-Emigranten gingen »rudelweise« zurück, »weü die Braut oder die Frau schreibt, weil der Schwiegervater beerdigt werden muß oder aus ähnüchen Gründen«, IISG, NL Hertz, S. 18, SoUmann. 60 Vgl. Röder, Großbritannien, S. 16; dort weitere Zahlenangaben. 61 Vgl. AdsD, Emigration Sopade, 171: Statistik der Sopade, Stichtag 30. November 1933. 62 Vgl. Société des Nations, »Communiqué à l'Assemblée, au ConseU et aux Membres de la Société«, No. officiel: A 45, 1935, XII: »Réfugiés russes, arméniens, assyriens, assyrochaldéens, de la Sarre et turc«, vorhanden ün AA-PA, AA II, betr. Poütische Angelegenheiten adh. Emigranten Bd. 5, II SG. 3202, 22. September 1935-28. Juü 1938, Saargebiet, Pol. Ang. Emigranten. 63M5LN, Bd. 16, 1936, Nr. 10, Oktober, S. 311; Röder, Großbritannien, S. 16; Grossmann, Emigration, S. 43; Schneider, »Saarpoütik«, S. 500, dort auch: »Laut einem >Bericht des Reichskommissars für die Rückgüederung des Saarlandes< vom Mai 1936 an den Reichsinnenmirüster hatten zu diesem Zeitpunkt 4 644 Saarländer, darunter 2 014 Juden, das Gebiet verlassen«, so daß Schneider auf »rund 2 500 wohl zum größten Teü poütische Emigranten« einschüeßUch der österreichischen und der reichsdeutschen kommt; vor aUem zu soziologischen und sozialen Aspekten vgl. jetzt Paul/MaUmann, Milieus und Widerstand, S. 78ff. (für die Kathoüken), S. 255ff. (für die Sozialdemokraten), S. 372ff. (für die Kommunisten); auf S. 535: etwa 6 000 Emigrierte. 64 Ende 1935 waren es nach Bentwich, Refugees, S. 127, ungefähr 100 000 Emigranten. 65 Vgl. Franck, Emigration, S. 33ff.; Franck stützt sich auf Angaben des Völkerbundes. 66 Vgl. auch PT, Nr. 468, 25. März 1935, S. 3: »Deutsche Emigranten in Frankreich. Rückbück und Ausbück«. 59
53
Emigration
I. Zur
schrieben.67 Kurt Hiller z. B. errechnete im Mai 1935, daß auf Europa insgesamt 40 000 deutsche Emigranten entfielen,68 und Heinrich Mann schätzte Ende 1935 vor der Expertenkommission des Völkerbunds die Zahl für Frankreich allein auf etwa 35 000,69 wobei er aber höchstwahrscheinlich die Saar-Emigranten in Frankreich dazuzählte.
und Relationen
...
Ende 1933 wurde die Relation zwischen rassisch und politisch oder weltanschaulich motivierter Emigration aus Deutschland auf 100 : 20 geschätzt.70 Für das Jahr 1935 ergibt sich aufgrund der Informationen des Hohen Kommissars eine Relation von 100 : 20-29: In diesem 25-29 % sind 5-6000 »Sozialdemokraten«, 6-8000 »Kommunisten«, 2000 »Pazifisten und Demokraten«, 1000 »Katholiken« und 2000 »Oppositionelle unterschiedlicher Richtung«,71 also 16-19 000, zusammengefaßt und 65 000 Juden gegenübergestellt.72
67
schen
z. B. die Ausführungen von Kurt Grossmann, damals Leiter der DemokratiFlüchtlingsfürsorge in Prag, auf der Internationalen Konferenz deutscher Emigran-
Vgl.
19./20. Juni 1936 in Paris, in: Bericht »Internationale Konferenz deutscher Emigranten«, S. 4; vgl. auch die Skepsis von Grzesinski gegenüber diesen Angaben in IEE, Sonder-Nr. zum 19./20. Juni 1936. 68 Vgl. NWB, Jg. 31,1935, Nr. 22, 30. Mai, S. 864. 69 Vgl. den Abdruck von Heinrich Manns Rede in: NWB, 1935, Nr. 51, 19. Dezember, S. 1599ff. 70 Vgl. Bentwich, Refugees, S. 33; zur Relation um 1941 vgl. Röder, Großbritannien, ten am
S. 17f. 71
Hierunter dürften die politischen Zwischengruppen der Arbeiterbewegung, Otto Strassers Schwarze Front und andere Gruppierungen zusammengefaßt sein. 72 Vgl. Röder, Großbritannien, S. 17, auch wiederholt in seinem Beitrag »The poütical Exiles: their Policies and their Contribution to Post-War Reconstruction«, in: BHB 2/1, S. XXVII-XXXIX, hier S. XXX; demgegenüber geht Grossmann, Emigration, S. 43, bei gleicher Unterteüung der politischen oder weltanschaulichen Gegner des NS-Regimes von einer Gesamtzahl von 65 000 Emigranten aus, so daß er auf 40-45 000 Juden kommt. August Hartmann gab aufgrund einer Enquête »von allen Hilfsstellen« im Juni 1936 die Zahl der politischen Emigranten aus Deutschland mit 22 000 an A. Hartmann, »Die wirtschaftliche Lage der politischen Emigration aus Deutschland«, in: IEE, Sonder-Nr. zum 19./20. Juni 1936; Herbert A. Strauss, »Jews in German History: Persecution, Emigration, Acculturation«, in: BHB 2/1, S. XI-XXVI, gibt in Tabelle 1 (S. XV) für die Jahre 1933 bis einschüeßlich 1936 eine Gesamtzahl von 106 000 jüdischen Emigranten aus Deutschland an; Franke, Paris, S. 68, zeichnet in Abbüdung 7 ein Diagramm mit hohen, niedrigen und mittleren Schätzungen, bei letzterer kommt sie bis 1936 auf rund 100 000; für die Saar allein siehe die Angabe bei Schneider, »Saarpolitik«. -
54
und Relationen ...
Die Relationen für die Emigration in Frankreich können auch heute noch nur schätzungsweise und mit allem Vorbehalt gegeben werden.73 In der statistischen Erhebung der Sopade in Prag mit Stichtag 30. November 193374 fehlen jegliche Angaben für Frankreich und die Niederlande, Teilangaben für die Schweiz und Schweden, außerdem sind nur Mitglieder von Organisationen der Arbeiterbewegung und Juden berücksichtigt. Die Zahl der registrierten SPD-Mitglieder oder der nur in Gewerkschaften, im Reichsbanner oder im Arbeiter-Turner- und Sport-Bund (ATSB) Organisierten wird dort mit 1729 angegeben. Vergleicht man diese Zahl mit dem vom Völkerbund gegebenen Schätzwert von insgesamt 3500 zur Sozialdemokratie gerechneten deutschen Emigranten zum Ende des Jahres 1933, so bleiben mehr als 1700 über die Schweiz, die Niederlande und Frankreich zu verteilen; in Frankreich sollen damals 1000 Sozialdemokraten gewesen sein.75 Sozialdemokratische Emigranten hatten im September 1933 bereits von 600 Genossen allein in Paris berichtet.76 Angesichts der Tatsache, daß die Schweiz77 und
Die folgenden Angaben beruhen auf eigenen (Trend-)Berechnungen anhand der bisher oder im folgenden zitierten QueUen und DarsteUungen; zum folgenden siehe im Hinbück auf Zahlen und vor aUem zu poütischen und Mgrationsaspekten der weltanschauUch motivierten Emigration die mit der wichtigsten SpeziaUiteratur versehenen Beiträge in Krohn u. a., HdE von: Hartmut Mehringer, »Sozialdemokraten«; Klaus-Michael MaUmann, »Kommunisten«; Jan Foitzik, »Linke Kleingruppen«; Heinz Hurten, »Christen und Konservative«; Geründe Runge, »Liberale«; Karl HoU, »Pazifisten«. 74 Siehe Anm. 61 dieses Kapitels. 75 Vgl. Bentwich, Refugees, S. 43. 76 Vgl. den Brief von acht sozialdemokratischen Emigranten, in: Manchester Guardian (MG), 1933, 5. September, S. 18. 77 Über die Asylrechtspraxis in der Schweiz ist von Emigrantenseite u. a. nachzulesen: Wilhelm Hoegner, Der schwierige Außenseiter. Erinnerungen eines Abgeordneten, Emigranten und Ministerpräsidenten, München 1959, bes. S. 141ff.; IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Briefe von Breitscheid an Hertz bis Ende August 1933; Kurt Grossmanns Bericht auf der Internationalen Emigrantenkonferenz in Paris am 19./20. Juni 1936: »Hier befinden sich insgesamt 160 Flüchtlinge, neue erhalten kein Aufenthaltsrecht. Alle rechtlichen Bestimmungen sind hier besonders streng.« (Zit. nach: Bericht »Internationale Konferenz deutscher Emigranten«, S. 4); in der Denkschrift »Die juristische und poütische Lage der deutschen Emigration«, o. D. [August oder Anfang September 1936] heißt es über die Schweiz: »Hier ist jede organisatorische Betätigung der Emigranten, selbst in rein geseUschaftücher Beziehung, absolut unzuverlässig [sie, gemeint ist wohl: unzulässig ULA]. Aufenthaltsbewüügungen werden nur äußerst selten, Arbeitsbewilügungen fast nie erteüt.«, vorhanden als Ds, 3 S., ün IISG, Teü-NL Grzesinski, Nr. 2279, Zitat S. 3; siehe jetzt, die wichtigste Forschungsüteratur zusammenfassend: Hermann Wichers, »Schweiz«, in: Krohn u. a., HdE Sp. 375-383, in Sp. 376 schreibt er, daß sich im Zeitraum von 1933 bis 1939 »durchschnittlich nur jeweüs rund 120 poütische Flüchtlinge« in der Schweiz aufhielten, bis 1938 soUen es insgesamt, ohne Berücksichtigung der freiwilügen oder erzwungenen Weiterwanderungen und der Ausweisungen, »nie mehr als 5000 Personen« gewesen sein, »die meisten davon Juden«. 73
-
,
55
I. Zur
Emigration
die Niederlande78 sich gegen
politisch profilierte Emigranten
nach
Möglichkeit
wehrten, politische Aktivität auf jeden Fall, selbst mit juristischen Mitteln, zu verhindern suchten, dürfte die Zahl für Frankreich eher zu niedrig als zu hoch sein, zumal auch nach dem Urteil von Sozialdemokraten selbst die
»allgemeine französische Asylrechtspolitik [...] von Anfang an die sozialistische Emigration in Frankreich verhältnismäßig zahlreich gemacht und ihr auch besonders große öffentliche Bewegungsfreiheit gegeben [hat]«.79 Rechnet man nun zu den Ende 1933 offiziell geschätzten 1000 deutschen Sozial-
demokraten in Frankreich nur 80 % der im November 1933 statistisch erfaßten 869 aus dem Reich an die Saar geflüchteten Sozialdemokraten80 und 40 % der insgesamt 3300 offiziell registrierten saarländischen Flüchtlinge als Sozialdemokraten hinzu, so kommt man für die Zeit um 1935/36 auf eine Zahl von rund 3000 sozialdemokratischen Emigranten in Frankreich. Eine nicht zu erfassende Dunkelziffer illegal Lebender ist dabei noch außer Betracht gelassen, ein Anwachsen der Zahl durch Sozialdemokraten, die erst nach illegaler Arbeit im Reich oder nach Inhaftierung nach Frankreich flüchteten, durch Abwanderung anderer in verschiedene Länder als kompensiert angenommen.81 Von den bis Ende 1935 geschätzten 6—8 000 aus Deutschland emigrierten Kommunisten hielt sich wahrscheinlich ein Drittel bis die Hälfte in Frankreich auf, die meisten aus unterschiedlichen Gründen keine Papiere, kein Geld, aus konspirativen Überlegungen wie z. B. fast alle Spitzenfunktionäre illegal, hierin zum Teil unterstützt von der französischen Roten Hilfe (Secours Rouge)?2 Etwa -
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78 Nach Bentwich, Refugees, S. 43, waren Ende 1933 in den Niederlanden 500 deutsche sozialdemokratisch organisierte Emigranten; im Juni 1936 wurde die Zahl der Flüchtlinge in den Niederlanden insgesamt mit 4000 angegeben, darunter 2500 Deutsche, vgl. Referat Grossmann auf der Tagung am 19./20. Juni 1936 in Paris, in: Bericht »Internationale Konferenz deutscher Emigranten«, S. 4, dort auch scharfe Kritik an der niederländischen Asylrechtspraxis; ebenso in: Grossmann, Emigration, S. 20f.; einen etwas freundlicheren Überblick, weil auch speziell an der literarischen Emigration orientiert, gibt Walter, Asylpraxis, S. 82-91; auf Grund neuerer Forschung zusammenfassend: Ursula Langkau-Alex/ Hans Würzner, »Niederlande«, in: Krohn u. a., HdE, Sp. 321-333. 79 Siehe IISG, NL Hertz, S. 16, la: Materialien zur sozialistischen Konzentration. Zur Information der Mitglieder der sozialdemokratischen Partei Deutschlands, hrsg. vom Auslands-Büro »Neu Beginnen«, abgeschlossen am 27. August 1938, hektogr., 66 S., Zitat S. A7; im folgenden zit.: NB-Materialien Konzentration. 80 Vgl. oben S. 53. 81 Dies gut selbstverständlich nicht nur für Sozialdemokraten; Hartmann gab im Juni 1936 Prozentzahlen aller, in welchem Land auch immer, gezwungenermaßen illegal lebenden poütischen Emigranten aus Deutschland mit der freilich unwahrscheinlich anmutenden Zahl von 80 % an, siehe IEE, Sonder-Nr. zum 19./20. Juni 1936. 82 Vgl. Bentwich, Refugees, S. 43; Carola Stern, Ulbricht. Eine politische Biographie, Köln Berlin 1963, S. 77, sie beruft sich auf Leo Bauer; übrigens ist für die Spitzenfunktionäre der KPD im allgemeinen eine hohe Mobiütät, mindestens zwischen Frankreich, der CSR —
56
und Relationen ...
30-35 % der saarländischen Flüchtlinge dürften ebenfalls der KP angehört haben, so daß man minimal mit insgesamt 3 000 und maximal mit rund 5 500 deutschen Kommunisten in Frankreich zur Jahreswende 1935/1936 rechnen muß. Außerdem hatten sich in Frankreich die Auslandsleitungen von SAP, KP(D)0, ISK, LO (Linke Opposition [Bolschewiki-Leninisten]) niedergelassen; die Zahl ihrer Mitglieder und Anhänger einschließlich der Familienangehörigen hat sich selbst bei vorsichtiger Schätzung insgesamt auf mindestens 300 belaufen.83 Bleiben noch die 2000 »Pazifisten und Demokraten« und die 1000 »Katholiken« aufzuteilen. Rechnet man mit je einem Viertel der beiden Zahlen für Frankreich in der Zeit der beginnenden deutschen Volksfront, so kommt man auf 500 der Erstgenannten und 250 der Letztgenannten. Die Zahl der »Katholiken« kann durch die Saar-Emigration sicherlich als mit 100 gestiegen angenommen werden, wenn man bedenkt, daß sich in der Abstimmungskampagne ein wenn auch kleiner Kreis von Katholiken der saarländischen Freiheits-Front von SPS und KP angeschlossen hatte, selbst wenn einige Prominente in Luxemburg und anderen Ländern Zuflucht fanden. Auch die Zahl der »Demokraten«, besonders aus dem Umkreis der Zeitung Westland, dürfte mindestens ebenso hoch gewesen sein. -
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und der Sowjetunion, anzumerken; sie arbeiteten als »Parteisoldaten« dort, wo sie gebraucht bzw. wohin sie geschickt wurden. 83 Link, ISK, gibt auf S. 177 ledigüch die Information, daß Wüü Eichler ab Ende 1933 in Paris »gemeinsam mit besonders gefährdeten ISK-Mitgüedern die Auslandszentrale auffbaute]«; ebensowenig gibt Drechsler, SAP, Zahlen bekannt, wohl die Namen der Mitgüeder der Auslandszentrale der SAP, von denen aber nur ein kleiner Teü um 1935/36 die Geschäfte in Paris führte (vgl. dort S. 337f.); die SAP-Führer in Paris waren wohl berechtigt, für die außerhalb von Paris arbeitenden AZ-Mitgüeder ihre Stimme abzugeben oder Unterschriften zu leisten; nach mündücher Auskunft von Walter Fabian hatte die SAPGruppe in Paris etwa 70-80 Mitgüeder, davon wurden ün Februar 1937 25 oder 26 ausgeschlossen, sie formierten sich zur Gruppe Neuer Weg, vgl. dazu Deutsche Volksfront Band 2, Abschnitt: SAP und POUM; der Ernst-Eckstein-Fonds so genannt nach dem von den Nazis ermordeten SAP-Mitgründer Ernst Eckstein betreute Mitte der dreißiger Jahre 52 Emigranten, siehe PA-ULA: Wüly Buschak an ULA, 1. März 1981; für die KPD nennt Tjaden, KPO, S. 318, die Zahl von 70 Funktionären, die 1933 emigrierten, die meisten nach Frankreich, auf S. 325 dort: das Auslandskomitee (AK) der KP(D)0 mußte im Frühsommer 1933 seinen Sitz von Straßburg nach Paris verlegen, wo bereits eine KP(D)0von »etwa 25 bis 30 Mitgüeder[n]« bestand; für die LO sind auch keine Zahlen Gruppe bekannt; einerseits scheinen die Trotzkisten eine ziemüche Anziehungskraft auf kritische, jedenfaüs mit der Parteüeitung unzufriedene junge Kommunisten und Sozialdemokraten ausgeübt zu haben, andererseits traten Ende 1934 Trotzkisten in die SP des Saarlandes ein und emigrierten dann als Sozialdemokraten, vgl. NF, 1934, Nr. 20, [Mitte Oktober], Beüage: »Die Krise des Trotzkismus«; UW, 1934, Nr. 36 (52), [Anfang Dezember], S. 1: »Zum Eintritt unserer Saarländischen Genossen in die SSP«, und: »Erklärung« der Internationalen Kommunisten des Saargebiets (Bolschewiki-Leninisten) vom 3. November 1934«. -
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57
I. Zur Emigration
Zusammenfassend läßt sich wiederum mit allem Vorbehalt sagen: 1935/36 hielten sich minimal 7 400 und maximal 9 500 politische und weltanschauliche (im weitesten Sinne) Gegner des NS-Regimes als Emigranten in Frankreich auf. Daß die oben zitierte Gesamtzahl, also einschließlich der rassistisch bedingten Emigration, von 10 000 deutschen Emigranten in Frankreich auf jeden Fall zu niedrig ist, dürfte evident sein.84 Setzt man nun die gerade errechnete Zahl der um es auf eine Kurzformel zu bringen politisch motivierten deutschen Emigration in Frankreich in Bezieder Heinrich Mann geschätzten Gesamtzahl von 35 000, so zeigt zu von hung daß minimal sich, 20,5 %, maximal 27,6 % gegenüber der rassistisch bejene ausmacht. Mindestens die erste Prozentzahl dürfte für die gründeten Emigration Zeit um 1935/36 für Frankreich ziemlich realistisch sein. Die politische deutsche Emigration insgesamt hat Ende 1935 Wolf Franck relativierend wohl recht treffend charakterisiert: »Vierzigtausend Menschen das ist im Höchstfalle die ganze deutsche Emigration. Rechnet man von ihnen noch die achtzehntausend Repatriierten ab [...], so bleibt nur noch die Hälfte übrig. Zwanzigtausend Menschen. Von diesen aber scheiden wieder Tausende und Abertausende aus dem unmittelbaren aktiven politischen Tageskampfe aus, weil sie einen harten, aufreibenden Beruf haben, der ihnen kaum die Muße läßt, eine Zeitung zu lesen, oder weil sie vielleicht zu jener ewigen Masse gehören, die immer nur durch das Gewicht ihrer Passivität den geschichtlichen Druck zu verlagern hilft. Wer bleibt übrig? Ein paar tausend oder gar ein paar hundert nur ...Rote Hüfe< müßte zu diesem Zweck vorübergehend aufhören, eine rein kommunistische Nebenorganisation zu sein, vielmehr als überparteiüche Organisation aufgezogen werden, die es sich zur Aufgabe macht, aUe in Not befindUchen Antifaschisten zu unterstützen, gleichgültig, welcher poütischen Partei sie bisher angehörten.« Die zu büdenden Komitees soUten dann »Kampforgane gegen den Faschismus mit dem Ziele der MassensoUdarität und der Entwicklung revolutionärer Massenorganisation« sein. Und ein Jahr später wies das ZK der KPD in Richtlinien die RHD an, es soUe bei der Werbung antifaschistischer Organisationen und EinzelmitgUeder »großer Wert darauf gelegt werden, daß aüe sozialdemokratischen, SAP- und Brandlergruppen für den koUektiven Anschluß gewonnen und den RH-Funktionären die Rechte zuerkannt werden, innerhalb dieser Organisationen für die Einzelmitgüedschaft zu werben«.23
Problem der Einheitsfront vgl. die unter Anm. 8 dieses Kapitels zitierte Literatur für die zu den Reaktionen auf Seiten der Sozialdemokratie vgl. Matthias, Sozialdemokratie, und besonders Lewis Edinger, German Exile Politics. The Soda! Democratic Executive Committee in the Nazi Era, Berkeley Los Angeles 1956, bes. S. 145ff; für den internationalen Rahmen siehe Franz Borkenau, Der europäische Kommunismus. Seine Geschichte von 1917 bis zur Gegenwart, München 1952, und Juüus Braunthal, Geschichte der Internationale, Bd. 2, Hannover 1963; neuerdings: Langkau-Alex u. a., »Von Krieg zu Krieg. Die Beziehungen zwischen der Komintern und den Soziaüstischen Internationalen«. 22 Vgl. allgemein Steinberg, Widerstand, bes. S. 143, Kalbe, Dimitroff, S. 174ff; auch Walter A. Schmidt, Damit Deutschland lebe. Ein Quellenwerk über den deutschen antifaschistischen Widerstandskampf 1933-1945, Berlin 1958, S. 635ff.; Unser Kampf 200 Beispiele aus dem antifaschistischen Kampf in Deutschland, hrsg. vom ZK der KPD, Prag: Altrichter 1935 (nach Vietzke, Brüsseler Konferenz S. 190, waren Ulbricht und Dahlem die Initiatoren dieser Schrift); als unmittelbares Dokument siehe z. B. den Offenen Brief der RHD an den Prager SPDVorstand, auszugsweise abgedruckt in: RF (Auslandsausg.) vom 20. Dezember 1934: »Es geht um unsere Gefangenen!«; vgl. auch Tribunal vom Mai 1935, bes. S. 4. 23 BA/K, R 58/583: Aktennotiz des Gestapa, VI 43 18/13; ebd.: RSchr. des Inspekteurs der Gestapo, B Nr. 61930. II 1 A 1/J, dat. 7. November 1934, unterzeichnet i. V. Hey-
KPD;
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II. Mikrokosmos
von
Organisationen
und Aktionen
Diese Taktik, speziell gegenüber dem PV der SPD, wurde jedoch im Herbst 1934 nicht mit der bis dahin üblichen Aggressivität und Massivität weiter verfolgt. Mehrere Gründe lassen sich dafür anführen. Unter dem Druck des EKKIPräsidiums setzten sich Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck mit der Option für mehr Flexibilität in der Frage der Einheitsfront gegen die »ultralinks« oder »linkssektiererisch« verharrende Mehrheit im ZK durch.24 Die sozialdemokratischen Widerstandszkkel hatten sich im Gegensatz zu den kommunistischen, die durch ihre Aktivitäten ins Visier der Gestapo geraten und dezimiert waren, als relativ stark und verbreitet, darüber hinaus als ziemlich résistent gegenüber kommunistischen Ab- bzw. Anwerbungsversuchen erwiesen.25 Zum Zwecke eines SeparatAbkommens unternommene Sondergespräche von ZK-Mitgüedern mit dem Arbeitskreis Revolutionärer Sozialisten kurz Revolutionäre SoziaUsten (Deutschlands) (RS[D]) genannt-, der sich im tschechoslowakischen Exil um die PVMitglieder Siegfried Aufhäuser und Karl Böchel gebildet hatte und der in der September/Oktober-Ausgabe des theoretischen Organs der SPD, Zeitschriftfür Sozialismus, eine »Plattform für die Einheitsfront« zur »Diskussion« stellte, zeigen indes das Janus-Gesicht der flexibleren Taktik.26 Entweder sollte durch ein Sepa—
drich, über Richtlinien des ZK der KPD für die RHD; vgl. aügemein die oben unter Anm. 8 dieses 24
Kapitels angegebene Literatur. etwa Vietzke, Brüsseler Konferenz
S- 149ff.; Bahne, »Zur Vorgeschichte der Volksfront«, bes. S. 173ff; Duhnke, KPD, vor aüem S. 89ff. und 150ff.; noch etwas zu den Termini »(ünks-)sektiererisch«, »Unksopportunistisch« und »ultraünks«: es scheint, als würden die beiden ersten mehr in Polemiken, der letztere Terminus mehr in historischen DarsteUungen verwendet vgl. etwa Bahne und Vietzke; aüe meinen jedoch das gleiche
Vgl.
insoweit die in dieser Untersuchung relevante Periode zur Diskussion steht), nämüch die seit dem VI. Weltkongreß der Komintern gängige Theorie und Praxis des »Sozialfaschismus« (bzw. der Einheitsfront »von unten«), die in der Vorbereitungsphase des VII. Weltkongresses z. T. durchbrochen, auf dem VII. Weltkongreß dann sei es auch in Windungen desavouiert wurde; ich komme darauf zurück. 25 Bereits ün Dezember 1933 mußte Pieck auf der 13. Plenartagung des EKKI in Moskau berichten, daß die Gestapo »große Lücken« in die Kader der KPD geschlagen habe, vgl. Wühelm Pieck, Wir kämpfen für ein Ratedeutschland. Bericht über die Tätigkeit der Kommunistischen Partei Deutschlands, Moskau Leningrad 1934, S. 74 und passim; ausführüch Wehner, Zeugnis, S. 63ff; zur Situation der iUegalen KPD bis etwa Sommer 1935 vgl. Duhnke, KPD, S. 189ff., und Hans J. Reichhardt, »Mögüchkeiten und Grenzen des Widerstandes der Arbeiterbewegung«, in: Walter Schmitthenner/Hans Buchheim (Hrsg.), Der deutsche Widerstand gegen Hitler, Köln Berün 1966, S. 169-213, hier bes. S. 189ff.; demgegenüber vermochten vor aüem junge Sozialdemokraten von Anfang 1934 bis etwa Mitte 1935 zahlreiche ülegale Zkkel aufzubauen, vgl. ebd., S. 80ff.; zum ganzen vgl. Vietzke,
(jedenfaUs
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145f.; der Begriff »Zkkel« ist in Anlehnung an Otto Bauers Charakterisierung ülegaler Organisationen gewählt, vgl. Otto Bauer, Die illegale Partei, Paris: ÉditiBrüsseler Konferenz S.
La Lutte Socialiste 1939, S. 58f., 67 und 69. Zß, Nr. 12/13, September/Oktober 1934, S. 375^109: »Der Weg zum soziaüstischen Deutschland. Eine Plattform für die Einheitsfront. Zur Diskussion gesteUt von einem Arbeitskreis revolutionärer SoziaUsten«; zu den öffentlich ausgetragenen Diskussionen zwischen KPD und RS um eine Einheitsfront vgl. die folgenden Ausgaben von ons
26
76
Aktionseinheit der Solidarität
rat-Abkommen mit bis dato als ärgste »Sozialfaschisten« bestempelten Unken Sozialdemokraten der gesamte Exü-Parteivorstand der SPD zu einer Einheitsfront-Vereinbarung genötigt werden; oder der sich vornehmlich aus der SPDLinken aus Sachsen und Thüringen rekrutierende Arbeitskreis, der aus der bereits während die Mehrheit der geflüchteten PVam 19. Mai 1933 in Karlsbad noch ziemUch ratlos in Saarbrücken saß unter der Leitung von BöMtgüeder chel eingerichteten Auslands- und Grenzarbeitsorganisation für den Chemnitzer Parteibezirk hervorgegangen war, soüte als Hebel zur Unterminierung und Diskreditierung des PV dienen. Ulbrichts und Piecks Taktik zeitigte jedoch gegenteiüge Effekte: Die Revolutionären Soziaüsten verweigerten sich; sie woUten nicht durch selbständiges Eingehen auf Angebote der KPD die Sozialdemokratie insgesamt schwächen. Sie stärkten so die Position des Parteivorstands. Dieser seinerseits gewann an »Autorität«, indem er unter Berufung auf seine »Treuhänderschaft« für die Partei während der Zeit der NS-Herrschaft oppositioneUe oder eventueU zu Gesprächen mit Kommunisten bereite Gruppen, wie die RS und Neu Beginnen, mit administrativen Maßnahmen und Entzug finanzieUer Unterstützung bestrafte. Im ZK der KPD kam man nicht umhin, der Stärke des PV innerhalb der deutschen Sozialdemokratie Rechnung zu tragen.27 -
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NWB, 1934: Nr. 45, 30. August, S. 1088-1093; Nr. 43, 25. Oktober, S. 1348-1355; Nr. 44, 1. November, S. 1383—1389; die folgenden 1934er Ausgaben des in Basel erscheinenden Komintern-Organs Rundschau über Politik, Wirtschaft und Arbeiterbewegung (im folgenden zit.: Rundschau [Basel]): Nr. 55, 18. Oktober, S. 2412-2414; Nr. 61, 22. November, S. 2740f; Nr. 62, 29. November, S. 2806-2809; Inprekorr, 1934, Nr. 43, 9. November, darin Brief des ZK der KPD »An die sozialdemokratische Gruppe um Aufhäuser« vom 24. Oktober 1934; zur Einschätzung der RS nach der Veröffentüchung ihrer »Plattform« vgl. vor aUem: Brief Ulbricht an Georgi Dimitroff, nachgedruckt in: Walter Ulbricht, Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Bd. II (Zusatzband), Berün 1968, S. 9-16; Walter [Ulbricht], »Die Plattform der Gruppe revolutionäre Sozialisten«, in: DVZ (I), bes. die Ausgabe vom 31. Dezember 1934 mit Teü II seiner Ausführungen; Wühelm Pieck, »Vorwärts zur Aktionseinheit gegen Faschismus, Krieg und Kapitaüsmus! Fort mit der Spaltung der Arbeiterklasse! (Zur Plattform eines Arbeitskreises revolutionärer Soziaüsten< für die Einheitsfront)«, in: Rundschau (Basel), 1934, Nr. 63, 6. Dezember, S. 2869-2876; Kurt Sauerland, »Der Weg zum soziaüstischen Deutschland (Zum Programm der Revolutionären SoziaüstenHauseein Abkommen zwischen den kommunistischen und sozialdemokratischen Parteien< verhandeln wül und auch die EinsteUung der Angriffe gegen die soziaüstischen Organisationen ins Auge faßt«. -
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28, 27. Mai, S. 237f.; daraufhin nahm auch die Soziaüstische Jugend-Internationale (SJI) eine entsprechende Haltung ein, vgl. IISG, Archiv SJI, 619/2: Brief des hoUändischen Soziaüsten Koos Vorrink, der damals das Sekretariat der SJI für Erich OUenhauer wahrnahm, an Harry Grebasch in Helsingör, 29. Mai 1933. 103 Vgl. dazu z. B. Vorschlag und Brief des Sekretärs der IPTT an den IGB, 30. Juni 1932, vorhanden im IISG, Archiv Postal, Telegraph and Telephone International (PTTI), box 89 (frühere Referenz: Internationale des Post-, Telegraphen- und Telephonpersonals (IPTT), Nr. 15.3: IGB, Diverse Korrespondenz). 104 Text in: Internationale Information, 1933, Nr. 8, 20. Februar, S. 78-80. Nr.
105 So wkd z. B. die Spaltung der Arbeiterklasse beklagt, aber die Komintern nicht als die dkekt Schuldige hingesteUt. 106 Internationale Information, 1933, Nr. 8, 20. Februar, S. 79 und 80 (Zitat). 107 Zit. nach Braunthal, Internationale, Bd. 2, S. 411.
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»Krieg
dem
Kriege«
Andererseits wkd festgesteUt: »Sie [die Komintern] begnügt sich mit der Empfehlung von Verhandlungen in den einzelnen Ländern. Solche Verhandlungen in den einzelnen Ländern können nach unseren bisherigen Erfahrungen leider nur zu leicht von kommunistischer Seite den Charakter von Manövern erhalten und damit zur Vergiftung der Situation und zur Steigerung anstatt zur Verminderung des Mißtrauens in der Arbeiterbewegung führen.«108 Die SAI empfahl darum auch »den ihr angeschlossenen Parteien dringend, sich aUer Sonderverhandlungen zu enthalten«.109 Darunter fiel dann auch die Teünahme an von Kommunisten organisierten Veranstaltungen.110 Dennoch erschienen 200 Soziaüsten Franzosen die meisten, bekannte deutsche Namen finden sich nicht auf dem Antifaschistischen Arbeiterkongreß Europas, der vom 4. bis 6. Juni 1933 in Paris stattfand.111 Bei der Vorbereitung des Kongresses waren die IAH selbst und zunächst auch das aus dem Amsterdamer Kongreß von 1932 hervorgegangene Weltkomitee gegen den imperiaüstischen Krieg in den Hintergrund gedrängt worden. Daß dann Letztgenanntes doch noch durch Barbusse, RoUand und Gide im Präsidium repräsentiert war, ist wohl überwiegend der Tatsache zuzuschreiben, daß Vorbereitung wie Durchführung des Kongresses von 1933 schUeßUch französischen Organisationen übergeben werden mußte.112 Während von den deutschen Kommunisten Wilhelm Koenen und Wilhelm Florin hervortraten,113 büeb Münzen-
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Internationale Information, 1933, Nr. 12, 6. März, S. 104. Internationale Information, 1933, Nr. 18, 31. März, S. 150. 110 Vgl. Internationale Information, 1933, Nr. 28, 27. Mai, S. 238. 111 Vgl. hierzu das Pressebulletin des Antifaschistischen Arbeiterkongresses Europas, ExtraAusgabe, o. D., danach waren 2 500 Delegierte insgesamt anwesend, darunter 70 Deutsche; Kalbe, Dimitroff, S. 210, führt dagegen 3 309 Delegierte auf, darunter 120 Deutsche; die Teünehmer aus den Reihen der SFIO wurden später gemaßregelt, vgl. Lefranc, Front Populaire, S. 39. 112 Die dänische Regierung verbot die Abhaltung des Kongresses zu Ostern 1933 in die tschechoslowakische Kopenhagen, Regierung verweigerte Prag als Tagungsort; das von Berün nach Organisationskomitee, Kopenhagen ausgewichen, siedelte dann schüeßüch in die Arbeitsräume von Barbusse über, rue Lafayette Nr. 237, vgl. 1GPK 1933, Nr. 17, 4. März; BA/K, R 58/561: RSchr. der NachrichtensammelsteUe im Reichsministerium des Innern IAN 2162 cV3.4., Berün, 11. April 1933, an die NachrichtensteUe der Länder betr. Rundbrief des Zentralen antifaschistischen Einheitskomitees an die antifaschistischen Bezirkseinheitskomitees; vgl. zum Kongreß überhaupt auch Richard Gyptner, 109
»Der Antifaschistische S. 99-109, bes. S. 104.
Arbeiterkongreß Europas
im
Jahre 1933«,
in:
BzG, Jg.
1
(1959),
113 Florin nahm unter dem Pseudonym »(Wühelm) Müüer (Berün)« teil wobei das in Parenthese Gesetzte mal wohl, mal nicht oder nur zum Teü in den Queüen auftaucht und hielt als »Vertreter des Zentralantifaschistischen Einheitskomitees Deutschland« eines der Hauptreferate; Wühelm Koenen trat unter dem Pseudonym »Bernhard (Schulz) aus Hamburg« auf, vgl. den Bericht Die Eröffnung des Kongresses, o. D., hektogr., worin auch die -
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II. Mikrokosmos
von
Organisationen und Aktionen
berg im Hintergrund.114 Auch deutsche Mitglieder des Weltkomitees gegen den imperialistischen Krieg aus dem Kreis der bürgerlichen Intellektuellen, wie Heinrich Mann und Albert Einstein sie hatten 1932 allerdings nur Grußbotschaften geschickt,115 waren mit ihrer Wahl in das Komitee jedoch einverstanden —, scheinen jetzt bewußt ins Abseits gestellt worden zu sein, zumindest verhielten sie -
sich so.116
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mit oder ohne die Sozialdemokratie?
Auf dem Antifaschistischen Arbeiterkongreß Europas setzte Florin in seinem Referat die Akzente, die den Kongreß beherrschen sollten. Hintergrund seiner Ausführungen, wie dann des Aufrufs des Kongresses, war die These vom »Sozialfaschismus« und »Völkerbundsimperialismus«.117 Die Identität der Interessen und die Abhängigkeit der einen internationalen Institution von der anderen stellte Florin her, damit beide zum Ziel des »Hauptstoßes« machend: »Die II. Internationale ist ein Anhängsel des Völkerbundes, wenn er kracht ist auch die II. Internationale zu Ende.«118
übrigen Präsidiumsmitgüeder aufgeführt sind (vorhanden
ün AdsD); das Zentralantifaschistische Einheitskomitee ist aus der Antifaschistischen Aktion der KPD hervorgegangen, die 1932 einsetzte und sich sowohl gegen die NSDAP als auch gegen die SPD richtete, vgl. hierzu Die Antifaschistische Aktion. Dokumentation und Chronik Mai 1932 bis Januar 1933, hrsg. und eingel. von Heinz Karl und Erika Kücküch unter Mitarbeit von Elfriede Fölster und Käthe Haferkorn, Berün 1965. 114 Nach Gross, Münzenberg, S. 270, durfte Münzenberg nicht hervortreten, weil die französischen kommunistischen Organisationen dies als Einmischung in ihre Angelegenheiten aufgefaßt hätten; nach David Caute, Communism and the French Intellectuals 1914— 1960, London 1964, S. 107, war Münzenberg dennoch »running die show from behind the scenes«. 115 Vgl. dazu die Kongreß-BuUetins von 1932 im IISG, World Congress against the ImperiaUst War (Amsterdam 1932); als Beispiel konischer Kritik von Seiten der Sozialdemokratie vgl. z. B. Adolf Sturmthal, »Der Antikriegskongreß. Eine kommunistische Demonstration«, in: Leipziger Volkszeitung, 1932, Nr. 207, 3. September, S. If. 116 Felix Boenheim aüerdings, 1932 der Hauptreferent in der Ärztekommission des Antikriegs-Kongresses und ebenfaUs in das Weltkomitee gegen den imperiaUstischen Krieg gewählt, saß seit Febraur 1933 in NS-Haft vgl. Kalbe, Dimitroff, S. 195; Braunbuch I, S. 147; Ruprecht, Boenheim, S. 197ff. 1,7 Referat MüUer [d.i. Wühelm Florin], in: Zweites Tagesbulletin des Antifa-Kongresses, 4. Juni 1933, der Aufruf des Kongresses ist ün »Entwurf« sowohl gedruckt als auch hektographiert erhalten und umfaßt je fünf Seiten. 118 Vgl. Zweites Tagesbulletin; die SAI hatte in ihrem Aufruf vom 19. Februar 1933 (vgl. Anm. 104 dieses Kapitels) sehr wohl Skepsis gegenüber dem Völkerbund vorgebracht; die Haltung der Komintern und ihrer Sektionen gegenüber SAI und Völkerbund aber war seit 1928 unverändert gebüeben, vgl. etwa Punkt 31 der Resolution des VI. Weltkongresses -
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mit oder ohne die Sozialdemokratie? ...
Nuancierende oder eine andere Taktik fordernde Beiträge zum Kongreß akzentuierten die vorherrschende Linie eher, als daß sie sie abschwächten. Eine direkte Auseinandersetzung auf und nach dem Kongreß um die einzuschlagende Taktik und das deutliche Übergewicht der Kommunisten fand zwischen dem unabhängigen französischen Abgeordneten Gaston Bergery, früher Vizepräsident der Radikalsoziaüstischen Partei und im März 1933 Mitgründer des Front commun contre le Fasásme, und dem Kommunisten Jacques Doriot, Bürgermeister von Saint-Denis, statt.119 Barbusse selbst brachte die von Amsterdam ausgegangene Antikriegsbewegung120 in Gefahr, an ihrem Ziel, die Massen auf überparteiücher Basis gegen den imperiaüstischen Krieg und für den in den Sympathisantenkreisen als legitim erachteten Schutz der Sowjetunion zu mobilisieren,121 vorbei zu streben, als er erklärte, das Weltkomitee gegen den imperiaUstischen Krieg trete dem Antifaschistischen Kongreß geschlossen bei.122 Mit seiner Unterstützung fusionierten dann im August 1933 das Antikriegskomitee des Amsterdamer Kongresses und das auf dem Pariser Kongreß gegründete Zentralkomitee der Antifaschistischen -
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der Komintern vom 29. August 1928, in: Hans-Joachim Lieber/Heinz Ruffmann (Hrsg.), Der Sowjetkommunismus. Dokumente, Bd. 1, Köln Berün 1963, S. 336f.; ferner die folgenden Artikel in: Rundschau (Basel), 1933, Nr. 31, 25. August, S. 1153f: »Die Pariser Konferenz der II. Internationale. Eine Konferenz der Wegbereiter des Faschismus und des Interventionskrieges«; ebd., S. 1158f.: H. Waldecki, »Vandervelde >bekämpft< den Faschismus«. 119 Vgl. Brief des SchriftsteUers Oskar Maria Graf an den Kongreß, in: Antifaschistische Front, 1933, Nr. 11/12, 2. Juni; verantwortlich für diese Zeitschrift, die vom Organisationsbüro zur Einberufung des Antifaschistischen Arbeiterkongresses Europas herausgegeben wurde, war Wilhelm Koenen; vgl. auch »Déclarations pour le Congrès antifasciste européen de Paris (4 juin 1933), présentées par l'opposition communiste internationale de gauche (bolcheviks-léninistes)«, in denen eingetreten wkd u. a. für Verhandlungen auf der Basis der Vorschläge der SAI, gegen eine Einheitsfront nur von unten, gegen die Theorie des Sozialfaschismus, gegen die Poütik der RGO, vorhanden in: Archives Nationales, Paris (AN/P), 14 AS 139; vgl. Pressebulletin des Antifaschistischen Arbeiterkongresses Europas, Nr. 6; Lefranc, Front Populaire, S. 39^45; Guérin, Front populaire témoignage militant, S. 62f. und 73ff; 1934 wurde Doriot aus dem PCF ausgeschlossen, wen er vorzeitig für die Einheitsfront »von oben und von unten« eingetreten war und der Linie des PCF bzw. der Komintern nicht gefolgt war; er ging später zu den Faschisten über. 120 Kalbe, Dimitroff, S. 196 und passim, läßt eine Reihe von nationalen und internationalen Antikriegs-Demonstrationen Revue passieren, wobei er aUerdings stets den Akzent auf die initiatorischen und organisatorischen Leistungen der Kommunisten legt; zum Terminus »Bewegung« sei Barbusse zitiert: »Il faut dke >mouvementVerbannten und Verbranntem, [...] aUe Vertreter des wahren, vom Dritten Reich verfolgten deutschen Schrifttums« zur Gründung des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller Ausland zu sammeln; als Kontaktadresse wurde David Luschnat angegeben.141 Bereits in der ersten Juniwoche hielt die Pariser Ortsgruppe ihre erste größere Versammlung ab.142 In den Reden und Erklärungen war die Programmatik, die den SDS in Paris er stand dann für die SchriftsteUer-Emigranten in ganz Frankreich in den folgenden Jahren charakterisieren soUte, schon angelegt. Da war zum ersten die Aufgabe, den emigrierten SchriftsteUern Schutz zu geben in dem Sinne, daß Verbindungen zu französischen KoUegen, Verlagen, Zeitschriften- und Zeitungsredaktionen und das zu aUererst zu den französischen Behörden hergesteUt wurden.143 Diese Aufgabe fiel anfangs dem zum Vorsitzenden gewählten Rudolf Leonhard zu, der bereits 1927 nach Frankreich gegangen war und sich von dort mit der OSDS soüdarisiert hatte.144 Gegen Ende des Jahres 1934 wurde der SDS auch ins französische Vereinsregister eingetragen und damit legaüsiert.145 Schutz geben hieß aber auch neben anderen Protek—
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141 Vgl. Scheer, Paris, S. 176f.; Kantorowicz sprach damals davon, dies sei eine Privatinitiative von Rudolf Leonhard und ihm selbst gewesen, vgl. die aktion, 1933, Nr. 8, S. 6; in seiner Rückbetrachtung »Fünf Jahre Schutzverband deutscher SchriftsteUer im Exü«, in: Das Wort, 1938, H. 12, Dezember, S. 60-76, führt Kantorowicz dann die Namen von Initiatoren und Gründern auf: Anna Seghers, Rudolf Leonhard, Alfred KureUa, Theodor Balk, Ernst Leonard, Gustav Regler, Ludwig Marcuse, Fritz Schiff, Hans A. Joachim, sich selbst und schüeßüch Max Schröder; Bruno Frei fügte dieser Liste damals noch Entil J. Gumbel hinzu, vgl. »Fünf Jahre Schutzverband deutscher SchriftsteUer im Exil«, in: Internationale Uteratur- Deutsche Blätter, 1938, H. 10, S. 142-148, hier bes. S. 143. 142 Vgl. die aktion, 1933, Nr. 7, 15. Juni, S. 3: »Schutzverband deutscher SchriftsteUer im Ausland«. 143 Vgl. Rudolf Leonhard, »Die Rolle und Aufgaben der Berufsgruppen in der Emigration. Ein Beispiel: der Schutzverband Deutscher SchriftsteUer«, in: IEE, Sonder-Nr. zum 19./20. Juni 1936. 144 Vgl. Uxikon sozialistischer deutscher Uteratur (1963), S. 321; Aktionen, S. 383; Leonhard büeb Vorsitzender bzw. im Vorstand der Pariser Sektion des SDS bis zu deren praktischer Auflösung bei Ausbruch des Krieges; zur Literatur über den SDS in Paris vgl. noch bes. Sabine Thiel Kaynis, Der SDS (Schutzyerband Deutscher Schriftsteller) in Berlin und Paris. Geschichte eines freiheitlichen Verbandes und seines Schriftführers David Luschnat, Diss. University of Cincinnati, 1973, als Manuskr. gedruckt bei Ann Arbor; Alfred Kantorowicz, Politik und Uteratur im Exil, Hamburg 1978, S. 147ff; Dieter Schüler, »Der Pariser Schutzverband Deutscher SchriftsteUer (Société aUemande des gens de lettre, siège Paris). Eine antifaschistische Kulturorganisation im Exü«, in: Exilforschung Bd. 6, München 1988, S. 174ff. 145 Johannes R. Becher [an die Internationale Vereinigung Revolutionärer Schriftsteller (JVRS)], Paris, 15. Dezember 1934, in: Zur Tradition, S. 684-686, hier S. 684.
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II. Mikrokosmos
von
Organisationen und
Aktionen
tionsaufgaben146 -, sich für die in Deutschland inhaftierten Kollegen einzusetzen. erste große Kundgebung wurde für Carl von Ossietzky veranstaltet; weitere folgten, so für Ludwig Renn.147 Im Spätsommer oder Frühherbst 1934 wurde der Erich-Mühsam-Fonds gegründet, »zur Retttung der eingekerkerten Schriftsteller Deutschlands, zur Unterstützung ihrer Frauen und Kinder und zur UnterstütDie
zung der Witwen und Waisen der Getöteten«.148 Da war zum zweiten der dezidierte Anspruch, deutsche Literatur vor der Welt zu repräsentieren. Kantorowicz fand 1936 die zum geflügelten Wort gewordene Formel: »In unserem Lager ist Deutschland«.149 Daß hier ein militantes, stark national bezogenes (um nicht zu sagen: nationaHstisches) Element sichtbar wird dessen Korrelat übrigens in der Formel »Deutschland ist vom Feinde besetzt«150 zu finden ist -, sei an dieser Stelle nur festgehalten. Mit dem Anspruch, Vertreter des »wahren deutschen Schrifttums« zu sein, stellte sich zunächst das Problem, ob die Schriftsteller sich unter dem alten, seit 1908 bestehenden Verbandsnamen in der Emigration neu formieren sollten, ob die »Tradition« der OSDS fortgesetzt oder ob etwas namentlich wie inhaltlich Neues geschaffen werden sollte.151 Hatte man sich in Paris schon frühzeitig für den alten Namen —
146 Dazu gehörten u. a.: Lesungen von Buchmanuskripten vor aüem junger, bisher unbekannter Autoren und Aussprache darüber; juristische Hufe bei Vertragsabschlüssen mit Verlagen; finanzieUe Unterstützung (mittels Sammlung oder Veranstaltung) von mitteUosen KoUegen; Betreuung von Theaterstücken und Sorge für (Ur-)Aufführungen durch die dem SDS angeschlossene Schauspieltruppe so wurde z. B. die Aufführung von Brecht-Stücken in Paris ermögücht. 147 Vgl. Frei, »SDS«, S. 143; Kantorowicz, »SDS«, S. 71 f.; Der Schriftsteller, 1934, H. 3, August; zahkeiche Belege finden sich ab 1934 in NWB, zumeist unter der Rubrik »Ant-
worten«. 148
Erich Mühsam, Anarchist, Mitgründer der Bayerischen RäterepubUk 1919, innerhalb des SDS vor 1933 bei der Opposition, war am 10. Juü 1934 im KZ Oranienburg nach Folterung gestorben; zu seiner Biographie vgl. Heinz Hug, Erich Mühsam. Untersuchungen zu Leben und Werk, Glashütten/Taunus 1974; in NF, 1934, Nr. 20, Mitte Oktober, wkd unter der Rubrik »Notiz« berichtet, seine Witwe, Zenzl Mühsam, habe sich in einem Brief an den SDS von diesem Fonds distanziert. 149 So der Titel eines Reden und Aufsätze enthaltenden Buches von Kantorowicz, Paris: Editions du Carrefour 1936. 150 1935 gab das Internationale Antifaschistische Archiv in Paris (dazu ausführücher weiter unten) ein Buch u. d. T. Deutschland vom Feinde besetzt. Die Wahrheit über das Dritte Reich. Bilder und Dokumente (Paris: Editions du Carrefour) heraus; in denselben Kontext gehört der Buchtitel von Rudolf Olden, Hitler der Eroberer. Die Entlarvung einer Legende (Berün: MaUk-Verlag 1933 Olden büeb anonym, als Verfasser wurde angegeben: »von einem deutschen Poütiker«) -, oder das Wort von der »Fremdherrschaft« der Nazis über Deutschland oder Heinrich Manns Formuüerung: »Die Deutschen sind jetzt weniger als je die Nation, die sie sein woUen, denn sie sind unterworfener als je«, H. Mann, Sinn Emigration, S. 36. -
151
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Vgl. Kantorowicz, »SDS«, S. 62f.
Antifaschismus im Pariser SDS so waren mit der Gleichschaltung des SDS in Deutschland Ende voUends mit seiner offizieUen Auflösung im Dezember 1933152 aUe Zweifel Juü, die Zeit zwischen den beiden genannten Ereignissen, also in den In beseitigt. Herbst 1933, datierte man später die Gründung des SDS in Paris;153 um diese Zeit üeß man auch den Zusatz »(im) Ausland« fallen.154 Wie sehr man sich als Erbe und Erneuerer des alten SDS verstand, iUustriert die Aufforderung an die deutschsprachigen SchriftsteUer in Österreich und der Tschechoslowakei, sich diesem Pariser SDS bzw. seinen Sektionen in Wien und Prag anzuschUeßen.155 Paris wurde auch in den folgenden Jahren die Führung zuerkannt, wobei die Priorität der Gründung und die Mitgüederstärke rund 150156 vieUeicht weniger eine RoUe spielten als vielmehr die Arbeit, die dort geleistet wurde. Schüeßüch gab der SDS in Paris auch die für aUe anderen Sektionen verbindüche Verbandszeitung heraus; sie trug auch dies wieder als Zeichen des »Erbes« den alten Titel Der Schriftsteller unà schloß an die alte Jahrgangszählung an.157 Zum dritten war da die selbstgesteUte Aufgabe: »Zusammenfassung aUer antifaschistischen Kräfte in der deutschen Literatur und darüber hinaus auch die Gewinnung der nichtfaschistischen«, wie Kantorowicz es fünf Jahre später formuUerte.158 Dieses Sammlungskonzept aber stieß sich 1933/34 noch diametral mit den Auffassungen in Kreisen des Bundes proletarisch-revolutionärer SchriftsteUer (BPRS), der sich in Paris, Wien, Prag wieder konstituiert hatte, wie es scheint noch vor der offizieUen Gründung des SDS in Paris im Oktober 1933.159 Na-
entschieden,
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Vgl. dazu Aktionen, bes. S. 329-335. Vgl. Kantorowicz, »SDS«, und Frei, »SDS«. 154 Vgl. Bericht Becher in: Zur Tradition, hier S. 578. 152 153
Ebd. sowie S. 571 und 573; zu den wechselnden Namen der SchriftsteUerorganisationen in Prag vgl. Franz Carl Weiskopf, Unterfremden Himmeln, Berün 1948, S. 71; weitere Sektionen des SDS büdeten sich dann in England, Belgien, Dänemark, HoUand, Schweiz, Luxemburg, Südafrika, Mexiko und USA (Schutzverband Deutsch-amerikanischer SchriftsteUer, ab 1938 in New York), vgl. Kantorowicz, »SDS«, S. 66; dort auch Namen von SchriftsteUern, die mit den Sektionen jeweüs eng verbunden waren. 156 Die Mitglieder lebten aber zum großen Teü in der Provinz; die Mitgüederstärke scheint sich von Herbst 1933 bis Juni 1936 etwa konstant gehalten zu haben, vgl. z. B. den Bericht Bechers in: Zur Tradition, S. 577; Leonhard, in: IEE, Sonder-Nr. zum 19./20. Juni 1936. 157 Jahrgang 21 war von 1933 (die ursprüngliche Zählung), 1934 fahren die Emigranten in Paris fort mit Jg. 22, Schriftleiter ist Leonhard, rue Duchêne, Nr. 1. 158 Kantorowicz, »SDS«, S. 63; vgl. auch den Sammlungsaufruf zur Wiedergründung des SDS oben, S. 101. 159 So jedenfaUs, was den BPRS betrifft, Bruno Frei an ULA, 31. August 1971; nach Bechers Angaben zählte der BPRS in Paris im Spätsommer 1933 »ca. 30 Genossen«, vgl. Zur Tradition, S. 577; zu den unterschiedlich angegebenen Daten über die offizieUe Gründung oder organisatorische Festigung des SDS in Paris vgl. Dieter Schüler/Regine 155
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II. Mikrokosmos
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Organisationen
und Aktionen
mentlich Bruno Frei in Prag, Alfred Kurella in Paris160 und Johannes R. Becher forderten eine strenge Abgrenzung zwischen »antifaschistisch« und »nichtfaschistisch«. So bestempelte Kurella Thomas Manns Roman Joseph und seine Brüder als »Geist vom Geiste der Henker Deutschlands«, und er verstieg sich zu der Empfehlung: »Wenn ich Herr Goebbels wäre, ich würde den Verfasser ohne Zaudern zum Festdichter ernennen!« Und Becher bemängelte »theoretische Unklarheit« u. a. im »Kulturteil des >Braunbuchs< [...], wo ziemüch unterschiedslos alle verbrannten und verbannten Schriftsteller behandelt werden«.161 Das Epitheton »antifaschistisch« wollten diese BPRSler nur auf solche Schriftsteller angewendet wissen, die sich zur »proletarischen« Literatur und ihren revolutionären Zielen bekannten. Wer nicht (mehr) an die proletarische Literatur glaubte oder an der von Moskau und der KPD noch stets aufrechterhaltenen These vom Fortschreiten der revolutionären Entwicklung zweifelte, zeugte von »trotzkistischen Tendenzen« deren geduldige, nichtsdestoweniger durchgreifende Bekämpfung Becher sich zur Aufgabe gemacht hatte.162 Mit »nichtfaschistisch« aber wurden aüe Schriftsteller belegt, die die damals gültigen parteiprogrammatischen Krite—
Herrmann, »KultureUe Tätigkeit deutscher Künsüer und Pubüzisten im französischen Exü 1933 bis 1939«, in: Dieter Schüler/Karlheinz Pech/Regine Herrmann/Manfred Hahn, Exil in Frankreich (Kunst und Literatur im antifaschistischen Exü 1933-1935, Bd. 7), Leipzig 1981, S. 127-370, hier S. 133ff. und bes. Anm. 32 auf S. 531f. Ob KureUas Berufung nach Moskau auch eine Art Maßregelung war, bleibe dahingesteüt; jedenfaUs berichtete Walter Benjamin an Bertolt Brecht der Brief wurde vom Hrsg. auf »vermutlich Januar 1934« datiert: »Kurella hat die Leitung von Monde mindestens zeitweüig abgeben müssen und ist zur Berichterstattung nach Moskau gefahren« in: Zur Aktualität Walter Benjamins, aus Anlaß des 80. Geburtstages von Walter Benjamin hrsg. von Siegfried Unseld, Frankfurt/M. 1972, S. 33. 160
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Siehe Alfred KureUa, »Die Dekadenz Thomas Manns«, in: Internationale Literatur, 1934, Nr. 2, März/April, S. 155-158, er bezog sich auf Bd. 1 des Romans; Becher, in: Zur Tradition, S. 580, bezog sich ¡caí Braunbuch 1, S. 146—181; Sprachrohr von Frei, der übrigens erst 1934 MitgUed der KPD wurde, war die von ihm gemeinsam mit F. C. Weiskopf und 161
Wieland Herzfelde in Prag gegründete dann von Münzenbergs Apparat finanzierte Zeitschrift Der Gegen-Angriff, Instrukteur und KontroUeur seitens der KPD, mit dem Frei »regelmäßig in einer konspkativen prager Wohnung zusammen[traf|«; war Herbert Wehso Frei an ULA, 15. ner Januar 1971; Frei selbst bedauert in »Die deutsche antifaschistiUterarische sche, Emigration in Prag 1933-1936«, in: Weltfreunde, Prag 1967, S. 361-371, rückbückend die damaüge Polemik z. B. gegen Heinrich Mann und Alfred DöbUn und die Auseinandersetzungen mit Rudolf Olden und Emü J. Gumbel über die »Kriterien des Antifaschismus« (ebd., S. 365); vgl. ders., Papiersäbel, S. 168f. 162 Vgl. Zur Tradition, S. 577 und 581 f. (aus dem Bericht Bechers vom Herbst 1933, hier bes. auf die Pariser Emigration bezogen), ferner S. 673f. (aus dem Bericht Bechers über eine Reise nach Prag, Zürich und Paris vom Oktober/November 1934) und S. 776, Anm. 296, wo der theoretische und poütisch-praktische Hintergrund der Literaturdebatte wenigstens angedeutet wkd; eingehendere Orientierung über Letztgenanntes bei Gaüas, Literaturtheorie, S. 210-212 (Anm. 22). -
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Antifaschismus im Pariser SDS
rien des Antifaschismus und (des Ziels) des Schreibens nicht anerkannten, die »privat« arbeiteten, ferner diejenigen, die innerhalb Deutschlands in die »innere Emigration« gegangen waren. Und als z. B. Heinrich Mann im Neuen Vorwärts das Manifest des PV der SPD in Prag zum 30. Januar 1934163 begrüßte, weü er darin ein »revolutionäre[s] Mindestprogramm« für »Verhandlungen mit dem Ziele der unbedingten, restlosen Einigung« aller Soziaüsten, d. h. einschüeßUch der KPD, sah,164 konnte dies in strengen BPRS-Augen nur als Bestätigung einer schon am Ende der Weimarer Zeit aufgesteüten These aufgefaßt werden. Diese These besagte, daß trotz »soziale [r] Gesinnung[, die] sehr wohl die Lebens-Kreise des Proletariats berührte oder gar schnitt«, »Heinrich Heine, Herwegh, Georg Büchner, FreiUgrath, Gerhart Hauptmann, Heinrich Mann und Richard Dehmel [...], aUe mehr oder minder intensiv, Produkt und Parteigänger (aber auch Auftragnehmer) der bürgerüchen, kapitaüstischen Welt darsteUen«,165 mithin als Vorbüd für proletarisch-künstlerisches Schaffen auszuschUeßen seien. Auf die Gegenwart bezogen schrieb Becher: »Das Vorbüd dieser mit uns kämpfenden SchriftsteUer ist nicht ein Hauptmann, nicht ein Heinrich Mann, ist nicht ein Untertan, gleichgültig, welchen pompösen Namen er trägt ihre Vorbüder sind Marx und Lenin, ist ein Gorki und vor aUem die revolutionäre Arbeiterbewegung selbst.«166 QuaHfizierte doch das ZK der KPD durch die Feder Ulbrichts damals das Prager Manifest im Zeichen der Parole der Einheitsfront >von unten< und »für den Kampf um die Sowjetmacht«167 so: »Wenn die Sozialdemokratie über revolutionären Kampf spricht, so meint sie damit nur die Ausnutzung des revolutionären Kampfes des Proletariats im Interesse der Wiedereinschaltung der Sozialdemokratie in den kapitalistischen Herrschaftsapparat. Das bedeutet aber unter den Bedingungen der weiteren Erschütterung des Kapitaüsmus und des revolutionären Aufschwungs in Deutschland nichts -
»Kampf und Ziel des revolutionären Soziaüsmus. Die Poütik der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands«, in: NV, 1934, Nr. 33, 28. Januar, siehe Dokument 9 in Deutsche Volksfront Band 3. 164 Heinrich Mann, »Revolution und Einigkeit«, in: NV, 1934, Nr. 36, 18. Februar, S. das hier Zitierte ist dort hervorgehoben. If; Beüage, 165 So Paul Zech in: Die literarische Welt, 1929, Nr. 28, 12. Juü; zit. nach: Aktionen, S. 175. 166 Johannes R. Becher, »Kühnheit und Begeisterung. Der 1. Mai und unsere Literatur-Revolution«, in: Die Unkskurve, 1932, Nr. 5, S. 1—11, hier S. 11; nachgedr. in: ZurTradition, S. 414-433, hier S. 432f. 167 Von der Sozialdemokratie bis zur Bourgeoisie wurde »Sowjetmacht«, »Sowjetdeutschland« gerne als Eingüederung Deutschlands in die Sowjetunion interpretiert; die KPD ihrerseits förderte dies dadurch, daß sie zum einen meist »Sowjet« statt das deutsche Wort »Räte« setzte, zum anderen die Interessen (oder den Schutz) der Sowjetunion als höchste Aufgabe der Partei heraussteUte. 163
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II. Mikrokosmos
von
Organisationen
und Aktionen
anderes als die aktive Teilnahme der SPD
an
der faschistischen
Unterdrückung der
Arbeiterklasse.«1^ Wenn dennoch Leonhard 1936 sagen konnte, »der SDS war von Anfang an eine Einheitsorganisation, in ihm war die Einheit ohne Mühe verwirklicht; in bemerkenswerter Weise haben Schriftsteller aller antinationalsozialistischen Richtungen im SDS kollegial und kameradschaftlich zusammengearbeitet«,169 und wenn Kantorowicz zwei Jahre später vom SDS als »so etwas wie eine Volksfront« sprach,170 so formuHerten sie nicht nur ihr eigenes und das damalige Selbstverständnis des SDS; sie beschrieben, was sie selbst allem Anschein nach von Anfang an intendiert hatten. So lautete Paragraph 1 der Satzung des SDS in der
Emigration:
»Die Gewerkschaft Deutscher Schriftsteller (SDS) ist die Berufsvertretung derjenigen deutschen Schriftsteller in Deutschland und im Ausland, welche sich der Unterdrückung und Verfolgung des freien Schrifttums durch den Faschismus nicht unterwerfen und die Herrschaft des Faschismus in Deutschland bekämpfen.«171 Andere Komponenten freilich waren es, die den Erfolg ihres Sammlungskonzepts erst ermöglichten. Wiewohl schwerlich losgelöst voneinander zu verstehen, seien einige um der Anschaulichkeit willen einzeln hervorgehoben wobei weder Chronologie noch »Gewicht«, so überhaupt zu messen, die Reihenfolge bestim—
men.
Die Mitarbeit von vor allem in der KPD integrierten oder ihr nahestehenden Schriftstellern bei den von der IAH und der IRH inspkierten Organisationen, Aktionen, Publikationen, die sämtlich mehr oder weniger über die Parteigrenzen hinausgingen, wurde bereits skizziert. Rückwirkungen auf die Arbeit im SDS wie auf die politischen Diskussionen der im Exil wiederum gebildeten »Fraktion kommunistischer Schriftsteller« innerhalb des SDS, die ihren Rückhalt im BPRS haben sollte, dürfen als sicher gelten. Immerhin kritisierte Becher im Herbst 1933, »daß die Leitung der Parteifraktion außerordentlich schwach ist, daß man
168 Walter [Ulbricht], »Das kapitaüstische Rettungsprogramm der SPD und die RoUe der >Linken< (Der Zweck der sozialdemokratischen Programmerklärung)«, in: Kl, 1934,
Nr. 12, 20. Juni, S. 981-1002, hier S. 996; eine entsprechende Beurteüung des SopadeManifests in: DVZ (I), Werbe-Nr. o. D. [Anfang Februar 1934], S. 7: »Die Weimarer Traditionskompagnie als >totale< Revoluzzer!« •69 Leonhard, in: IEE, Sonder-Nr. zum 19./20. Juni 1936. 170 Kantorowicz, »SDS«, S. 61. 171 Zit nach: Lexikon sozialistischer deutscher Literatur (1963), S. 453; vgl. auch Frei, »SDS«, S. 143; es wkd aUerdings nicht deutlich, wann diese Satzung aufgestellt wurde.
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Antifaschismus im Pariser SDS
[...] in der Parteifraktion darüber diskutiert: war der Volksentscheid richtig oder nicht«.172 Ein weiterer Impuls ist in der Verbindung desselben Schriftstellerkreises über den BPRS mit der Association des Ecrivains et Artistes révolutionnaires (AEAR) zu suchen. Als Organisation entwickelte sich die AEAR seit Anfang 1934 zur Befürworterin, dann wenn auch in bescheidenem Rahmen Mit-Organisatorin eines breiteren Bündnisses zur Verteidigung demokratischer Rechte in Frankreich; dabei knüpfte sie an die Freiheit-Gleichheit-Brüderiichkeit-Ideen der Französischen Revolution von 1789 und an deren geistige Vorbereiter an.173 SchüeßHch gab Becher selbst, damals Sekretär der IVRS, auf dem I. Unionskongreß der Sowjetschriftsteller im August 1934 in Moskau in Anwesenheit der nichtkommunistischen deutschen Schriftsteller Ernst Toller er gehörte dem SDS in England an -, Oskar Maria Graf und Klaus Mann den Anstoß, die Abgrenzung zwischen »antifaschistisch« und »nichtfaschistisch« fallenzulassen,174 nachdem bereits Karl Radek in seinem Referat eine vorsichtige Öffnung über den Kreis der Kommunisten hinaus vorbereitet hatte. Becher überbrückte damit die tiefen Gegensätze und auch Unsicherheiten angesichts eigener bisheriger Positionen und des noch Ungewissen zukünftigen poütischen Kurses, die sich außer in den Reden der beiden Genannten auch mit der Eröffnungsrede von Maxim Gorki und, auf der anderen Seite, der Kritik von Willi Bredel an Radek offenbarten. Diese Phänomene soüten sich ein Jahr später auf dem VII. Weltkongreß der Komintern und auch noch auf der folgenden »Brüsseler« Parteikonferenz der KPD wiederholen.175 Als Kriterien des Antifaschismus erscheinen nach dem Kongreß der SowjetschriftsteUer »Haß auf den Faschismus« und als Korrelat »Liebe zur Wahrheit und Freiheit«. Beide hatte Bechers Meinung nach Heinrich Mann in seinem Buch Der Haß116 vereinigt; er habe damit die »Feder —
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Zur Tradition, S. 581; Fraktionsleiter der kommunistischen SchriftsteUer im SDS der gemütlichere Österreicher Kisch, Vorstandsmitgüed des BPRS und Vizepräsident des SDS; zu seiner Biographie vgl. Marcus G. Patka, Egon Erwin Kisch. Stationen im Leben eines streitbaren Autors, Wien Köln Weimar 1997, hier S. 166ff. 173 Vgl. z. B. die aktion, 1933, Nr. 7, 15. Juni, S. 3: dort sind Kisch und Theodor PUvier als Redner vor der AEAR angekündigt; der von Becher im Herbst 1933 signaüsierten mangelnden Zusammenarbeit zwischen BPRS und AEAR wurde dadurch abgeholfen, daß man gegenseitig einen Verbindungsmann in die Leitung der anderen Organisation schickte, vgl. Zur Tradition, S. 577f.; zur AEAR, der so gut wie aUe ünksbürgerüchen bis kommunistischen SchriftsteUer Frankreichs angehörten, vgl. u. a. Caute, Communism, S. 44ff., 108, 114f. und 240. 174 Vgl, auch zum folgenden, die programmatische Rede Bechers, »Das große Bündnis«, in: Internationale Literatur, 1934, Nr. 5, S. 26-33, zit. nach: Zur Tradition, S. 591-608. 175 Vgl. Karl Radek, »Die moderne Weltliteratur und die Aufgaben der proletarischen Kunst«, in: Internationale Literatur, 1934, Nr. 5, S. 3-25; Wüü Bredels Kritik an Radek, in: Zur Traditon, S. 609-613. 176 Heinrich Mann, Der Haß. Essays, Amsterdam: Querido-Verlag 1933. 172
war
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II. Mikrokosmos
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Organisationen
und Aktionen
des Romanciers mit der des poütischen Streiters« vertauscht.177 Die von der KPD später betriebene Loskoppelung von »Antifaschismus« und »SoziaUsmus« bahnt sich hier an, wenn Heinrich Manns Worte in seiner Grußbotschaft an den Unionskongreß der SowjetschriftsteUer: »Die antifaschistische Literatur ist nicht notwendig absichtsvoU antifaschistisch; sie ist es schon dadurch, daß sie auf der Gewissensfreiheit besteht.« »Die antifaschistische Literatur ist in WkkJichkeit die einzige deutsche Literatur; vor aUem, weil nur sie die Gedanken- und Gewissensfreiheit behalten hat, dann aber auch kraft ihres Leidens.« ohne Widerspruch oder Ergänzung hingenommen werden. Dabei hatte H. Mann seinen Satz: »Sie [die antifaschistischen SchriftsteUer] werden in der Mehrzahl soziaHstisch denken«, sogleich wieder eingeschränkt mit dem Nachsatz: »die Hauptsache bleibt, daß sie überhaupt woUen«.178 Was laut Becher »jetzt, besonders nach dem 30. Juni«, zählte und hier schloß er die »gleichgeschalteten« SchriftsteUer ausdrücküch ein —,179 waren nicht länger Meinungsverschiedenheiten über poUtische Ideen und Bewegungen, deren Praxis und Ziele.180 Vielmehr galt der Wüle, für die »Sache der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft [...] die HersteUung des großen Kampfbündnisses, der gemeinsamen Front gegen Faschismus und imperiaUstischen Krieg« in Angriff zu nehmen.181 Als »Sache der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft« aber erscheinen die »großen Namen und Werke der Vergangenheit [...] Goethe, Lessing, Hegel, HölderUn, Schiller, Büchner, Heine und aUe die andern, die Vorläufer und Mithelfer gewesen sind beim Bau der klassischen Kultur von den Zeiten der Renaissance bis zum letzten Jahrhundert«.182 —
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177 So Becher in seinem Referat, zit. nach: Zur Tradition, S. 602; Becher nannte auch Lion Feuchtwanger, auf den die (neuen) Antifaschismus-Kriterien zuträfen, vgl. ebd., S. 601. 178 Heinrich Manns Grußbotschaft, 13. Juni 1934, in: Internationale Uteratur, 1934, Nr. 4, S. 167-168, zit. nach: Zur Tradition, S. 650f. 179 Zur Tradition, S. 607. 180 Becher erinnert (in »Das große Bündnis«, in: ebd., S. 602f] bei Heinrich Mann z. B. an »manches Wort gegen den Kommunismus«, daß er »zuweüen den betrügerischen Phrasen der deutschen Sozialdemokratie Glauben geschenkt« habe, und er fährt fort: »Wk werden >Nein< sagen zu manchen von seinen Ideen und Verkündigungen. Aber wk achten und ehren den tapferen antifaschistischen Kämpfer«; und bei Feuchtwanger moniert er in der Vergangenheit »manches konische, von einer wkküchen Kenntnis der deutschen Arbeiter nicht befruchtete Wort gegen die kommunistische Bewegung«; bei beiden konstatiert er milde »noch Furcht [...] vor den Gewalten dieser [proletarischen ULA] Revolution«. 181 Ebd., S. 608. 182 Ebd., S. 606. -
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Das nationale »Kulturerbe«183 und damit die Tradition dessen, was als »Humanismus« bezeichnet wurde,184 war für Becher dann der Schlüssel »für die Gewinnung der Sympathisierenden bzw. der uns noch Fernstehenden«185 für die »Einheitsfront [...] auf dem Gebiete der Literatur«. Auf dem Moskauer SchriftsteUerkongreß hatte Becher, sich der Grußadresse von Heinrich Mann anschüeßend, bereits gesagt: »Im Namen dieses künftigen Deutschland [...] werben wk für das Bündnis aUer ehrUchen Hasser des Faschismus und der Kulturbarbarei.«186 Dieses Ziel impUzierte, daß die Polemik gegen bürgeriiche SchriftsteUer und andere eingesteUt werden mußte.187 Es impUzierte darüber hinaus, daß national wie auch international angesehene bürgerUche SchriftsteUer als Integrationspersonen gewonnen werden mußten. So steUte denn Becher während seiner Rundreise im Oktober und November 1934 den persönUchen Kontakt zu Heinrich Mann her, nachdem bereits der Moskauer SchriftsteUerkongreß ihm als einem derer, die »tapfer ihre edle Pflicht als beste Freunde der werktätigen Menschheit erfüllen, seinen brüderlichen Gruß« übermittelt hatte.188 Becher gewann Heinrich Mann für die Idee der »Notwendigkeit der Sammlung der üterarischen Kräfte« und dafür, »sich auch für das Präsidium einer solchen breiten Vereinigung zur Verfügung zu steüen«.189 Diese »breite Vereinigung« wurde dann im Pariser SDS und in der Deutschen FreiheitsbibUothek reaUsiert. Am 15. Dezember 1934 berichtete Becher von Paris aus an die IVRS in Moskau, daß der SDS reorganisiert sei und daß in den Vorstand »mit größtmögUchster Eüe Hein(rich) Ma(nn) und Feu(chtwanger) einbezogen werden soUen«.190 Auf der Jahreshauptversammlung
S. 592 und 605£; zum Problem des »Kulturerbes« innerhalb des BPRS hier herrschte die Tendenz vor: Was lernen wk daraus? Was können wk für die proletarische Revolution verwenden und wie? vgl. ebenfaüs ebd., S. 389f. und 783; Referenzen auf Beiträge in RF finden sich in: Uxikon der sozialistischen deutschen Uteratur (1963), S. 419f; zum ganzen vgl. auch GaUas, Uteraturtheorie, S. 60f., 101 und 157-163; Walter Faehnders, Proletarisch-revolutionäre Uteratur der Weimarer Republik, Stuttgart 1977; zu den Folgen des Unionskongresses und der Konzeption von »Kulturerbe« vgl. u. a. Manfred Lefèvre, Von der proletarisch-revolutionären zur sozialistisch-realistischen Uteratur, Stuttgart 1980, S. 352-367. 184 Vgl. Becher, in: Zur Tradition, S. 604; zum »Humanismus« siehe weiter unten. 185 Bericht Bechers über die Reisen nach Prag, Zürich und Paris (Oktober/November 1934), in: ZurTraätion, S. 669-683, hier S. 670. 186 Ebd., S. 675 und 603. 187 Vgl. z. B. ebd., S. 680; vgl. auch Frei, in: Weltfreunde, S. 363; ders., Papiersäbel, S. 168; im Brief an ULA vom 31. August 1971 fixiert Frei die Rüge Bechers an seiner »ultraünken« Haltung gegenüber H. Mann auf die Zeit um den SchriftsteUerkongreß in Moskau. 188 Vgl. Resolution zum 2. Punkt der Tagesordnung (Referat Radek), in: Internationale Uteratur, 1934, Nr. 4, S. 166f., dort auch weitere lobenswerte Nennungen, u. a. André Gide und George Bernard Shaw. ™ Zur Tradition, S. 671. 190 Ebd., S. 684—686, hier S. 684; Ergänzungen in Klammern von den Herausgebern. 183
vor
Vgl. ebd.,
1933
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des SDS am 28. Januar 1935 wurden beide dann in das neue Präsidium gewählt, dem im übrigen Rudolf Leonhard, Johannes R. Becher, Ernst Leonard, Alfred Kantorowicz und Anna Seghers angehörten.191
An der Kulturfront Diese Wahl und ihre Akzeptierung seitens der IVRS erscheint freilich auch als die logische Konsequenz von Entwicklungen innerhalb der deutschen Emigration in Frankreich seit Anfang 1934. Heinrich Mann selbst hatte sich mit seinen Plädoyers für geistige und politische Klärung in den Parteien und Gruppierungen mit dem Ziel der Sammlung zur deutschen Emigration, die Sprachrohr auch für die innerhalb Deutschlands zum Schweigen Gebrachten sein sollte, als deren Integrationsfigur empfohlen.192 Auf der anderen Seite war das Welthilfskomitee für die Opfer des deutschen Faschismus erfolgreich in das Gebiet vorgestoßen, das die »Kulturfront« genannt wurde. Im Januar 1934 organisierte Kantorowicz in seiner Eigenschaft als Leiter des Internationalen Antifaschistischen Archivs (IAA) jenes Archivs, das im Zusammenhang mit der Arbeit an den Braunbüchern und den Vorbereitungen des Reichstagsbrand-Gegenprozesses erst provisorisch, dann nach einem Beschluß der Komintern unter der Ägide von IAH und Welthüfskomitee systematisch angelegt worden war und auch weiterhin als Quellengrundlage für PubHkationen der Éditions du Carrefour und anderer diente193 ein Initiativkomitee, das seine bereits im Juni 1933 geäußerte Idee der »Errichung einer deutschen Bibliothek in Paris mit allen in Deutschland verfemten oder verbrannten Büchern«194 verwirklichen sollte.195 Dem Komitee gehörten als »Initiatoren« Romain Rolland, Lucien Lévy-Bruhl, H. G. Wells und Lion Feuchtwanger an. Unter den weiteren französischen, englischen und deutschen Namen tauchen
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191
Vgl. UZ, 1935,
H.
2/3, Aprü,
S. 70f.; Schüler u.a., Exil in
Frankreich, S. 521,
Anm. 18.
Vgl. H. Mann, »Revolution und Einigkeit«; ders., Sinn Emigration, darin bes. den »Schule der Emigration«. Essay 193 Vgl. den damaügen Bericht von Kantorowicz an das KPD-Poütbüro, »Entwicklung des antifaschistischen Archivs< und der >Bibüothek des verbrannten Buches«Bund proletarisch-revolutionärer SchriftsteUerreaüstischen Humanismus< einleiten kann.«210
Wolfgang Klein, hrsg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR. ZentraUnstitut für Literaturgeschichte, Berün 1982 (künftig zit.: Klein (Bearb.), Paris 1935); zur Kritik an ideologie-konform bedingter Nichtauswahl von Reden und Diskussionsbeiträgen und an einigen >Erläuterungen< vgl. u. a. die Rezension von Ursula Langkau-Alex, in: Internationale Wissenschaftliche Korrespondenz Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (IWK), Jg. 20 (1984), S. 85f; die Besprechung von Ralph Schock, in: Die Feder. Zeitschrift der IG Druck und Papier für JournaUsten und SchriftsteUer, 1983, Nr. 11, S. 42f. (Nachdruck in: Frankfurter Hefte, 1984, Nr. 4, S. 70 und 72), führte zu einem teüweise polemischen offenen Briefwechsel, vgl. in: Die Feder, 1984, Nr. 2 und Nr. 4; zu einigen Nachträgen zur Geschichte vor, zu und nach dem Kongreß vgl. Werner Herden, Wolfgang Klein, Eberhard Brüning, Christel SchneUe und Brigitte Sandig in: Weimarer Beiträge. Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturtheorie, Jg. 31 (1985), Nr. 6; ebd., Nr. 7, S. 1161-1191: »Pariser Kongreß 50 Jahre danach. Ein Rundgespräch«; vgl. ferner u. a.: Wolfgang Klein (Hrsg.), »Rudolf Jacob Humm. Rede auf dem Pariser SchriftsteUerkongreß 1935«, in: Zeitschrift für Germanistik, Jg. 7 (1986), S. 435^144; Dieter Schüler, >»Die Grenze der Kultur gegen die Politik. Zu Robert Musüs Rede auf dem Pariser Kongreß 1935«, in: ebd., Jg. 9 (1988), -
S. 274-289. 208 Vgl. dazu besonders die Referate von Henri Barbusse, Paul VaiUant-Couturier, Johannes R. Becher, Anna Seghers, Klaus Mann, Ludwig Marcuse, Emü Ludwig, André
Ilja Ehrenburg. Vgl. u. a. Franck, Führer Emigration, S. 9; auch
Gide und 209
sehr früh Klaus Mann an Walter A. Berendsohn, 11. Oktober 1933, in: Exil-Uteratur, S. 296; eines der schlagendsten Produkte dieser Ideologie ist später das Buch von Siegfried Marck, Der Neuhumanismus als politische Philosophie, Zürich: Verlag der Aufbruch 1938. 210 H. Mann, »Wk sind da«, in: PT, 1935, Nr. 565, 30. Juni, S. 3; vgl. Die Sammlung, H. S. ebenso R[obert] Bkeuer], »Heinrich Mann und Lion Feucht724; 1935, 12, August, -
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An der Kulturfront
Brecht war einer der ganz wenigen, die sich explizit gegen Schlagworts dieser Art wandten; den vorgebrachten Begründungen der »Barbarei«, die alle letztlich in der Feststellung von »vernachlässigter Erziehung des Menschengeschlechts« gipfelten, hielt er entgegen: »Die Roheit kommt nicht von der Roheit, sondern von den Geschäften, die ohne sie nicht mehr gemacht werden können. [...] Kameraden, sprechen wir von den Eigentumsverhältnissen.«211 Die entgegengesetzte Position setzte sich durch, von dem Chefredakteur des Zentralorgans des PCF, Paul Vaillant-Couturier, folgendermaßen charakterisiert: »[...] im Lager des Proletariats bedeutet Klassenkampf heute den Kampf für die Kultur.«212 Ergebnis dieser Entwicklung war der völlige Verfall der Konzeption einer »proletarischen Kultur« auf der Grundlage marxistischer Theorie, so wie diese jedenfalls vom BPRS innerhalb des Rahmens der IVRS wenn auch nicht widerspruchsfrei anvisiert worden war. Der Verfall manifestiert sich in drei sich potenzierenden Etappen: Die im April 1934 durch Egon Erwin Kisch, Gustav Regler, Ludwig Turek und Walter Schönstedt eröffnete »ArbeiterbibUothek«, welche nach dem im Februar des Jahres »auf der Flucht« erschossenen Mitglied des ZK der KPD John-Schehr-Bibliothek getauft wurde, verschwindet sehr bald aus den Annalen obgleich sie vermutlich weiter bestand.213 Das offensichtlich mit der Intention der Beobachtung und wissenschaftlich fundierter Analyse von faschistischen Staaten und faschistischen Tendenzen in anderen Ländern geplante Institut zum Studium des Faschismus (INFA) gerät sukzessiv sowohl finanziell als auch ideologisch unter den Einfluß derjenigen Institution, deren Gegengewicht es allem Anschein nach hatte werden sollen, wird im Sommer 1935 schließlich von dieser aufgesogen: dem Internationalen Antifaschistischen Archiv bzw. der Deutschen Freiheitsbibliothek.214 Der Schlußstrich -
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wanger auf dem SchriftsteUerkongreß. Das wahre Deutschland spricht«, in: PT, 1935, Nr. 561, 26. Juni; Zur Tradition, S. 809. 211 Zit. nach: MDFB, 1935, H. 4, 27. Juni. 212 Zit. nach: UZ, 1935, H. 6/7, S. 50. 213 Die Bibüothek war formeU der Arbeiteruniversität in Paris angegüedert, die Confédération Générale du Travail Unitaire (CGTU) hatte Räume in ihrem Haus in der Avenue Mathurin Moreau Nr. 8 zur Verfügung gesteUt; vgl. DVZ ß), 1934, Nr. 11, 26. April; Der Schriftsteiler, 1934, H. 3, August, S. 7. 214 Zum INFA, das Ende 1933 mit Unterstützung von Brecht gegründet wurde, vgl. IISG, NL Korsch, Nr. 37: Partos an Korsch, 7. Januar 1934, 23. April 1935, 8. August 1935; ebenfaüs den in diesem Briefwechsel enthaltenen Handzettel zwecks Werbung von »Freunden des INFA«, wo in franz. Sprache die Ziele und die »patrons« aufgeführt werden; da die Namen der »patrons« fast identisch mit denen der DFB sind, ist anzunehmen, daß der Werbezettel bereits aus der Zeit des verstärkten Einflusses des IAA bzw. der DFB stammt; vgl. Briefe Walter Benjamins an Brecht, und zwar von »vermutlich Januar 1934« (dort heißt es u. a.: Kurt Kläber suche »weiter Geld für sein Institut«) und vom
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endgültig mit der Auflösung des BPRS im Zusammenhang mit der Selbstüquidation der IVRS im Dezember 1935 gezogen, die noch Anfang der sechziger Jahre in der DDR so begründet wurde: wird
»Ekie weitere Vereinigung ausschüeßUch soziaüstischer SchriftsteUer wäre ein Hemmnis für die zu schaffende einheitliche Kampffront der fortschrittlichen humanistischen Literaturschaffenden gegen den Faschismus gewesen.«215
Die Sozialdemokraten Der Start der deutschen Sozialdemokraten in Frankreich, eine funktionsfähige Organisation aufzubauen, verüef ungleich schwieriger und langsamer als der der Kommunisten. Ihnen stand keine internationale Organisation, vergleichbar der IAH und der IRH, zur Verfügung, an die sie hätte anknüpfen können. Die SAI arbeitete weitaus weniger expansiv und zugleich zentraUstisch als die Komintern; sie griff auch nicht in die Fraktionsauseinandersetzungen ihrer Sektionen ein, beschränkte sich vielmehr auf eine SchiedsgerichtsroUe.216 Die emigrierten Mitgüeder des Parteivorstandes217 sorgten sich in ihrer Mehrheit zunächst von
6. Oktober 1934, in: Aktualität Benjamins, S. 33 bzw. 36; eigenartig im Vergleich zu diesen Dokumenten sind die Erinnerungen von Arthur Koestler ans INFA, vgl. Koestler, Writing S. 242ff; der dort angeführte Peter Maros ist Otto Biha (Bihalji), der auch unter dem Pseudonym Peter Merin arbeitete, vgl. zu Biha auch Arthur Koestler, Arrow in the Blue, London 1952, S. 233-236); Gaüas, Uteraturtheorie, bes. S. 229 und passim; noch eigenartiger verhält es sich mit der Anschrift des INFA bzw. mit den verschiedenen Angaben darüber: Koestler, Writing S. 243, nennt: 25, rue Buffon; Guérin, Front populaire témoignage militant, S. 63: Avenue de l'Observatoire; auf dem von Partos für seine Briefe an Korsch benutzten Papier steht gedruckt: 22, rue des Fossés-St.-Bernard, und diese Anschrift findet sich auch in einer Notiz von Monde, 1934, Nr. 307, 10. August, S. 10, über das vom INFA als Band 1 in seiner Schriftenreihe herausgegebene Buch von S. Erckner [d. i. Albert Schreiner], L'Allemagne, champ de manœuvre. U fascisme et la guerre, Paris: Librairie ESI 1934, deutsche Ausgabe: Exerzierplatz Deutschland, Paris: Éditions Bernard Rosner 1934. 215 Uxikon sozialistischer deutscher Uteratur (1963), S. 261; vgl. auch ebd, S. 135. 216 Dies wkd vor aUem deutlich bei den oben bereits angeführten Konflikten zwischen RSD, NB einerseits und Sopade andererseits 1934/35, in denen von aUen Seiten mal Friedrich Adler um Vermittlung gebeten wurde, mal eine Dreier-Kommission der SAI schüchten soUte, vgl. die Korrespondenzen, Denkschriften usw. in Beständen des IISG, u. a.: Neu Beginnen, 8; NL Hertz, S. 16, lf; SAI, 3468-3476; erwähnt sei auch der ...
Brief von Rudolf Breitscheid an Friedrich Adler, 9. November 1933, in dem vorgeschlagen wkd, die SAI soUe bei den Auseinandersetzungen innerhalb der SFIO vermitteln
(IISG, SAI, 3453). 217
Von den 20 auf der Reichskonferenz von 26. April 1933 gewählten Vorstandsmitgüedern emigrierten: die beiden Vorsitzenden Otto Wels und Hans Vogel, Siegfried Aufhäuser, Karl Böchel, Siegmund Crummenerl, Georg Dietrich, Paul Hertz, Marie Juchacz, Erich OUenhauer, Erich Rinner, Wühelm Sollmann, Emil Stahl und Friedrich Stampfer;
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Die Sozialdemokraten
wie die innerdeutsche Organisation vor der Versei; Wels war aus diesem Grunde schon vor drängung Illegalität seiner Emigration persönlich vorübergehend aus dem Büro der SAI ausgetreten.218 Diese Politik des PV endete erst, als man einsah, daß weitere Anpassungsversuche zum einen höchstwahrscheinUch doch nichts nützen würden, zum anderen den völligen Verlust der Identität und Integrität als sozialdemokratische, antifaschistische Partei mit sich bringen würde.219 Als Sopade in Prag dann zog sich der Rumpfparteivorstand einschließlich einiger Mitarbeiter220 mehr und mehr auf die These zurück, es gelte, das Mandat der letzten Reichskonferenz der Partei vom April und der Parteivorstandssitzung vom 4. Mai 1933 zu verwalten eine Position, die die Sopade selbst als »Treuhänderschaft« bezeichnete.221
Saarbrücken
aus
in die
vornehmlich,
zu retten
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vgl, auch zur weiteren Personalgeschichte des Exüvorstands, Der Parteivorstand der SPD im Exil. Protokolle der Sopade 1933—1940, bearb. von Mariis Buchholz und Bernd Rother, Projektleitung Herbert Obenaus und Hans-Dieter Schmid, Bonn 1995 (künftig zit.: Buchholz/Rother, Protokolle der Sopadé), hier S. XlXff. 2,8 Dieser Prozeß hatte bereits vor der Emigration der meisten PV-Mtgüeder eingesetzt; dazu gehörten Reisen u. a. von Breitscheid, Hertz, Schiff und Stampfer ins Ausland mit dem Zweck, ausländische Presseberichte über Nazi-Terror etc. zu dementieren und die Aufhebung des Verbots der eigenen Parteipresse zu erwkken, vgl. Dok. 9: Sitzung des Parteiausschusses am 14. März 1933, in: Schulze, Anpassung oder Widerstand?, S. 167ff.; Interview Paul Hertz in: Sozialdemokraten, Kopenhagen, 27. März 1933; als Anpassungsversuche der SPD um der Rettung ihrer Organisation wülen interpretierten Crispien und Dittmann ihre sowie Breitscheids und Hüferdings NichtWiederwahl in den PV im April 1933: sie seien »als zu revolutionär und zu international geopfert worden, um die NaziBestien zu beruhigen«, so Dittmann aus Zürich am 29. Juni 1933 an Vandervelde; vgl. auch Arthur Crispien an den PV bzw. an Wels, o. D. [etwa April 1933] (beide AdsD, NL Wilhelm Dittmann, Ordner Emigration Zürich I); zum Austritt von Wels aus dem Büro der SAI vgl. Internationale Information, 1933, Nr. 19, 1. April; AdsD, »Die Sozialdemokratische Partei und Hitler. Der Weg in die IUegaütät« [1933], Ds, 40 S., bes. S. 7-9. 219 Vgl. dazu Günter Plum, »Volksfront, Konzentration und Mandatsfrage. Ein Beitrag zur Geschichte der SPD im Exü 1933-1939«, in: VfZG, Jg. 18 (1970), S. 410-442, hierbes. S. 416f. 220 Der Umzug von Saarbrücken nach Prag war am 21. Mai beschlossen worden, am 2. Juni wurde die SAI davon unterrichtet, vgl. die Denkschrift »Die Sozialdemokratische Partei und Hitler« (siehe Anm. 218), S. 24f.; zur organisatorischen Struktur der Sopade in Prag vgl. jetzt Buchholz/Rother, Protokolle der Sopade, S. XXXff.; zum »Rumpfparteivorstand« im engeren Sinne gehörten: Wels, Vogel, Crummenerl, Hertz, OUenhauer, Rinner (bis Herbst 1933 noch ülegal in Deutschland) und Stampfer; Böchel und Aufhäuser (letzterer ab Herbst 1933 in der CSR) wurden auch vor ihrem Ausschluß aus dem PV kaum zu Entscheidungen hinzugezogen; SoUmann, Dietrich und Juchacz büeben bis zur Abstimmung im Januar 1935 im Saargebiet, danach gingen sie zunächst nach Frankreich (Dietrich und Juchacz) bzw. Luxemburg (SoUmann). 221 Dazu ausführUch Plum, »Volksfront«; in etwas aUgemeineren Rahmen: Werner Röder, »Emigration und Widerstand. Zum Problem der poütischen Legitimation des Exüs«, in: Widerstand, Verfolgung und Emigration. Studien und Berichte aus dem Forschungsinstitut
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II. Mikrokosmos
von
Organisationen
und Aktionen
praktischen Konsequenzen üeß dieser Anspruch kaum Raum für kgendwie poütisch motivierte organisatorische Festigung außerhalb der CSR, geschweige denn für Diskussionen über »Fragen, die für die Zukunft der BeweIn seinen
eine
gung von entscheidender Bedeutung sein können«.222 Versuche solcher Art wurden mit Argusaugen überwacht. Die Sopade scheute dabei ebensowenig wie das ZK der KPD davor zurück, Spitzeldienste von ergebenen Genossen zu akzeptieren; so bewarb sich im August 1935 ein Hans Kaiser (Pseudonym von Georg Rössing) bei dem ihm bekannten Hans Vogel mit Erfolg als Zuträger von Interna der RSD, dessen innerem Kreis er angehörte.223 FäUe, die dem PV kraß erschienen, wurden mit diszipünarischen Maßnahmen und Entzug finanzieller Unterstützung geahndet. So wurden die beiden Revolutionären SoziaUsten Aufhäuser und Böchel Anfang 1935 aus dem Parteivorstand ausgeschlossen; der Gruppe NB wurden ebenfaUs wegen »organisatorischer Sonderbestrebungen«
finanzieUe Mittel entzogen.224
derFriedrich-Ebert-Stiftung, Bad Godesberg 1967, S. 120-142; am 2. Dezember 1936 schrieb Hertz aUerdings im Zusammenhang mit den Gruppenauseinandersetzungen innerhalb der SPD an Breitscheid: »0[tto] W[els] fühlt sich seit langen nicht mehr als Treuhände«, sondern nur noch als Führer einer Gruppe«; einen ganz anderen Begriff von Treuhänderschaft gebrauchte dagegen Hertz selbst: er unterhielt auch nach dem Bruch zwischen Sopade und NB 1934/35 Kontakte mit NB, ab Ende 1935/Anfang 1936 wurde die von ihm verantwortlich redigierte, vom Prager PV herausgegebene Monatsschrift für iUegale Verbreitung im Reich, Sozialistische Aktion, von NB mit geprägt, vgl. KMem, Neu Beginnen, S. 182 (siehe auch unten Anm. 231); Anfang 1936 übernahm er die KontroUe der Finanzen von NB, um »meine Pflicht als Treuhänder gegenüber aüen Teüen der Partei auch weiterhin [zu] erfüllen« so Paul Hertz am 16. Juni 1940 an den Untersuchungsausschuß im FaU Paul Hagen, IISG, NL Hertz, S. 12: Neu Beginnen W. -
222 Siehe IISG, NL Hertz, S. 16, le: Denkschrift »Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Ihre Organisation und ihre Tätigkeit unter der Hitler-Diktatur. Bericht des Parteivorstandes, Sitz Prag (Sopade)«, Ds, 27 S., in Hertz' Handschrift auf der ersten Seite: »Okt 1934 vorgelegt der von der SAI eingesetzten Dreier Komm.«, Zitat S. 4. 223 Vgl. AdsD, Emigration Sopade, 103 und 104; auch sei an die berühmt-berüchtigte Aktentaschen-Affake erinnert (Karl Böchel vergaß seine Aktentasche im Prager Büro der Sopade; die darin befindüchen Akten wurden fotokopiert und gegen ihn und Aufhäuser sowie Neu Beginnen verwendet) vgl. hierzu kurz die »MaterialzusammensteUung über organisatorische Sonderbestrebungen in der Partei«, in: Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 229238. 224 Die wichtigsten Ereignisse, die diesen Beschlüssen vorausgingen, memoriert Plum, »Volksfront«, S. 425f., bes. Anm. 62; vgl. auch Buchholz/Rother, Protokolle der Sopade, S. XXVIff. und die dortigen Referenzen auf ArchivaHen und Forschungsüteratur; aus persönüchen Aufzeichnungen von Paul Hertz läßt sich schüeßen, daß die poütischen Kontroversen von der Sopade dankbar aufgegriffen wurden, um Gruppen »abzustoßen«, die sie wegen ihrer eigenen katastrophalen Finanzlage nicht mehr untersrützen konnte, vgl. IISG, NL Hertz, S. 20, XXIII. -
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Die Sozialdemokraten
Schließüch war die Schwesterorganisation, die Section Française, Internationale Ouvrière (SFIO), eher ein Hindernis denn ein Partner für den Aufbau einer deutschen sozialdemokratischen Organisation in Frankreich: 1933 war die SFIO in eigene innerparteiüche Auseinandersetzungen verstrickt, die den gleichen Ausgang wie 1931 in der SPD Spaltung und Neugründung (der SAP) zu nehmen drohten und die schließlich mit der Gründung des Parti Socialiste de France (Union Jean Jaurès) (PSdF) im November/Dezember 1933 endeten. Im Gegensatz zur SAP jedoch, die eine Abspaltung von klassenbewußten revolutionären Marxisten war, welche den Reformismus und die TolerierungspoHtik der SPD angesichts der anwachsenden Stärke der NSDAP nicht länger mitmachen wollten, verstanden sich die Protagonisten der PSdF als »Neo-Sozialisten«. Sie wollten eine »Bolschewisierung« ebenso wie eine Erstarrung der SFIO als Vertreterin des Proletariats verhindern; in der Bekämpfung von Kapitalismus und Faschismus steuerten sie einen auf die Mittelschichten gerichteten nationalen Kurs im Bündnis mit der Arbeiterklasse an.225 Seit Frühsommer 1934 wurde die politische Entfernung zwischen der deutschen SPD und der französischen SFIO durch die unterschiedliche SteUung zur Frage der Einheitsfront mit den Kommunisten immer größer was wiederum sowohl positiv als auch negativ auf die sozialdemokratische Emigration in Paris auswirkte. Paradoxerweise vermieden ab 1936 die dann selbst zu Befürwortern einer deutschen Volksfront Gewordenen, aUen voran Rudolf Breitscheid, jeden nach außen hin sichtbaren persönlich-poHtischen Kontakt, um auch nur den Anschein einer Beeinflussung des Front populaire zu vermeiden.226 Die Verbindung -
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Siehe dazu auch IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Breitscheid an Hertz, 17. Juni, 17. Ok15. November 1933; IISG, SAI, 3459: Breitscheid an Adler, 9. November 1933, mit der Bitte um »einen offiziellen Vermittlungsversuch«; C. H. Wiedijk, Het mieuwe socialisme< van dejaren dertig. Frans en Nederlands neo-socialisme gedurende de grote depressie (IISG Research Amsterdam 38), 2000, bes. Kap. 3. Paper 226 Breitscheid war und büeb ein mehr oder weniger persönücher Freund von Léon Blum, Paul Boncour, Georges Monnet, Pierre Viénot dieser steUte dem Exüanten auch eine Wohnung zur Verfügung und anderen französischen SoziaUsten; zu seinem poütisch gestörten Verhältnis zu ihnen in der Periode (der Vorbereitung) des Front populaire, vgl. IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Briefe Breitscheid an Hertz 1935/36, bes. Brief vom 14. Januar 1936; damit habe ich meine Formuüerung in Volksfront für Deutschland?, daß z. B. Breitscheid jeden poUtischen Kontakt vermieden hätte, nuanciert, da sie auch meiner folgenden DarsteUung der Aktivitäten Breitscheids nicht ganz gerecht wurde; Marcel Livian hat in Le Parti Socialiste et l'immigration. Le gouvernement Léon Blum, la main-d'œuvre immigré et les réfugiés politiques (1920-1940), Paris 1982, S. 198ff., vom Standpunkt des Freundes und Zeitzeugen er war u. a. Generalsekretär der Commission d'Immigration meine damaüge Einschätzung vehement bestritten, jedoch seinerseits meinen Text überinterpretiert (was wk schriftlich und mündüch ausdiskutiert haben, auch aufgrund des Briefwechsels, den H. Ehrmann mit Herrn Livian und mit mk führte und in dem eine dritte Sicht, ebenfaüs die eines Zeitzeugen, ins Feld geführt wurde, vgl. auch unten Anm. 228). 225
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zwischen den deutschen Sozialdemokraten in Frankreich und der SFIO bzw. direkt zu Léon Blum hielt seit Frühjahr 1934 bezeichnenderweise ein junger Genosse, der zur Gruppe Neu Beginnen (NB)227 gehörte, Heinrich Ehrmann.228
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den Kommunisten
Noch ein weiterer Faktor wkkte hemmend auf die Entwicklung der Sozialdemokraten in organisatorischer und poütischer Hinsicht in der Emigration: die Aktivität der Kommunisten, sowohl innerhalb als auch außerhalb Deutschlands. Mochte die SPD zurecht die Widerstandsaktionen von Kommunisten als selbstmörderisch bezeichnen, eine Nachahmung von eigenen Leuten als unverantwortüch verwerfen: die Aktionen selbst Aktionen überhaupt verfehlten weder in den sozialdemokratischen Reihen noch, da von den Kommunisten propagandistisch geschickt ausgenutzt, im Ausland ihre Wkkung. Einer der ersten prominenten Kritiker der Führung bzw. Nicht-Führung der SPD war Phüipp —
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Beginnen ist seit der bereits zitierten Arbeit von KUem eine ganze Reihe Erinnerungs- und ForschungsHteratur erschienen, wk werden sie im Laufe der Darstellung zitieren; hier seien nur aufgeführt: Hans J. Reichhardt, »Neu Beginnen. Ein Beitrag zur Geschichte des Widerstandes der Arbeiterbewegung gegen den Nationalsoziaüsmus«, in: Jahrbuch fir die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Bd. 12 (1963), mit einem Vorwort von Hans Herzfeld; Jan Foitzik, Zwischen den Fronten. Zur Politik, Organisation und Funktion linker politischer Kleinorganisationen im Widerstand 1933 bis 1939/40, Bonn 1986, Abschnitte 2.4, 3.3.4, 4.2.2.1 und passim; Walter Loewenheim, Geschichte der Org [Neu Beginnen] 1929—1935. Eine zeitgenössische Analyse, hrsg. vonJan Foitzik, Berün 1995. 227
Zu Neu
von
Heinrich Walter Ehrmann verstarb 1994 als Henry W. Ehrmann, emeritierter Professor für Staatswissenschaft am Dartmouth CoUege, in Hanover/NH, USA; nach Gestapo-Schutzhaft war ihm im März 1934 die Flucht über die Niederlande nach Paris geglückt (hier eine Korrektur zu: BHB 1); seine verschiedenen Pseudonyme: Paul Bernard sein offizieller, auch auf der carte d'identité vermeldeter Name in Frankreich -, innerhalb von NB Paul und/oder Paul Bernhard, Olga und Sieburg, als Autor in ZfS Fritz Alsen, Paul Scheffler (nach KUem, Neu Beginnen, S. 57 Anhang, Ehrmann selbst kann sich nicht mehr daran erinnern) dies aUes mündüche Bestätigungen von Ehrmann via Frau LiU CouvéeJampoller, Amsterdam, aufgrund meines Briefes an Ehrmann vom 18. November 1973, dann im Brief von Ehrmann an ULA vom 10. September 1982, worin auch Bemerkungen zu meiner und Livians PubUkation (vgl. oben Anm. 226) und: daß er den Kontakt zu Blum der Vermitdung von »alten Soziaüsten« verdankte, im »Einverständnis« mit Breitscheid »unsere Beziehungen zur SFIO gesondert« hielt, daß sich jedoch »die Beziehungen zwischen Paul Bernard und Blum [...] sachUch nach der Regierungsübernahme [von Blum ULA] 1936« derart änderten, daß er auch in »Emigrantenfragen« auf Blums Kabinettschef André Blumel verwiesen wurde, Brief Ehrmann an ULA und weitere Korrespondenz zwischen beiden im PA-ULA; die Kontakte in Frankreich von SAP, KP(D)0 und anderen, links von der SPD Stehenden (aber nicht KPD) üefen zu Unken oder miütanten MitgUedern der SFIO, vgl. Guérin, Frontpopulaire témoignage militant, S. 58ff. 228
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als einer jener »Novemberverbrecher«, die als erste dem NS-Regime zum Opfer fallen sollten, fast unmittelbar nach Hitlers Regierungsantritt emigriert; an Wühelm Dittmann schrieb er am 15. März 1933 von Karlsbad aus u. a.: »Je länger ich darüber nachsinne, um so unverständlicher wird mir die Passivität daheim. Wie ich höre, soll die Stimmung gegen einige Gen[ossen] sehr bös sein.« Auch Victor Schiff warnte am 24. April 1933 also zwei Tage vor der Reichskonferenz der SPD und der Wahl eines neuen Vorstands den PV vor den Folgen einer Kapitulation vor Hitler.229 Nach Drängen und Hinweisen auf die drohende Gefahr einer Abwanderung vieler Mitglieder zur KPD Warnungen, die vornehmlich von ehemaligen USPDlern wie Breitscheid, Crispien, Dittmann und Hüferding, alle im April 1933 aus dem Parteivorstand royiert, weil sie als von den Nazis verfolgte »Novemberverbrecher« bereits ins Ausland emigriert waren, ausgesprochen wurden230 entschloß sich der PV, das Zentralorgan der Partei vom 18. Juni 1933 an wenigstens wöchentlich wieder herauszugeben; dieses und andere Schriften auch illegal in Deutschland zu verbreiten;231 sich Scheidemann
er war
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Zu den Widerstandsaktionen der Kommunisten und den hohen Verlusten vgl. Partei Deutschlands«, S. 690ff.; ausführücher, auch zu Agitation und Propaganda der KPD-Führung, Duhnke, KPD, S. 101-109 und 116ff.; Beatrix Herlemann, Die Emigration als Kampfposten. Die Anleitung des kommunistischen Widerstandes in Deutschland aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden, 1982, S. 22ff.; zur (Nicht-)Vorbereitung der KPD auf die IUegaütät vgl. Johann Wachder, Zwischen Revolutionserwartung und Untergang. Die Vorbereitung der KPD auf die Illegalität in den Jahren 1929-1933, Frankfurt/M. u. a. 1983; Brief von Scheidemann im AdsD, NL Dittmann, Emigration Zürich I; Brief Schiff, Ds, im IISG, SAI, 3451. 230 Vgl. den gemeinsamen Brief von Otto Landsberg, Rudolf Breitscheid, Arthur Crispien und Wühelm Dittmann an den PV in Berün Wels und Vogel waren damals noch dort vom 18. April 1933 aus Zürich, in dem sie auch für die Gründung einer Parteizeitung zum Kampf gegen das Hitler-Regime plädierten, Kopien im AdsD, NL Dittmann, Emigration Zürich I, und ün IISG, SAI, 3456; vgl. ebenfaüs IISG, NL Hertz, S. 19, XVII: Hüferding an Hertz, 14. Juni 1933; zur Interpretation ihres Ausschlusses aus dem Parteivorstand vgl. oben Anm. 218. 231 Vom Herbst 1933 an erschien ansteUe der bis dahin für die ülegale Verbreitung in Deutschland bestimmten Dünndruckausgabe des Neuen Vorwärts die Sozialistische Aktion, verantwortlich redigiert von Paul Hertz, übrigens auch einem ehemaügen USPDler; ferner wurden in der Folgezeit aüe Erklärungen programmatischen Inhalts seitens der Sopade als Flugblätter oder Broschüren mit Tarntiteln nach Deutschland gesandt; das theoretische Organ Zeitschriftfür Sozialismus (Nr. 1: »Soziaüstische Revolution«), unter der Herausgeberschaft von Rudolf Hüferding in zunehmendem Maße von Hertz gestaltet die sudetendeutschen Sozialdemokraten Ernst Sattler und Wenzel Horn fungierten hier wie beim Neuen Vorwärts nur im presserechtlichen Sinne als Herausgeber bzw. Verantwortlicher Redakteur -, wurde bezeichnenderweise ebenso wie die Deutschland-Berichte der Sopade, herausgegeben von Erich Rinner und zusammengesteüt aufgrund der z. T. sehr kritischen Berichte der Grenzsekretäre, nur im Ausland verbreitet; zum ganzen vgl. bes. Edinger, Exile, S. 48ff. und 55ff.; zu Hertz' Arbeit und dem Schicksal der Sozia/istischen Aktion und 229
Bahne, »Die Kommunistische
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mit dem programmatischen Aufruf »Zerbrecht die Ketten!« an die MitgUeder zu wenden.232 Ist der Aufruf auch eine Reaktion auf den Konflikt mit den im Reich verbüe-
PV-MitgUedern um die Frage der Taktik gegenüber dem NS-Regime,233 so der Uegt Hauptakzent doch darauf, sich als Partei neben der KPD zu profilieren: Auf der einen Seite grenzt sich der Prager PV mit dem Bekenntnis zur demokratischen RepubUk und dem Selbstverständnis als demokratische soziaüstische Partei von der Konkurrenz ab; nach der anderen Seite empfiehlt er sich als eine marxistische, eine kämpfende Partei. Ebenso erscheint die auf der Parteivorstandssitzung in Prag vom 14. Juni 1933 lancierte Idee einer Internationalen GeseUschaft zur Rettung (Verteidigung) der Demokratie234 als Ausdruck des Bestrebens, dem Welthüfskomitee für die Opfer des deutschen Faschismus nicht aUeki das Feld in der Organisierung und benen
der ZJS vgl. Ursula Langkau-Alex, >»Es gut, die Menschen zu verändern ...Deutschland-Berichte< der Sopade«, in: Benage zur Wochenzeitung Das Parlament, Bd. 31, 1986, S. 27-38; zum Vorsprung der KPD und ihrer Unterorganisationen hinsichtlich der Pubükationsorgane vgl. Duhnke, KPD, S. 116ff.; Bahne, »Die Kommunistische Partei Deutschlands«, S. 709; Reichhardt, »Neu Beginnen«, S. 187f. 232 Der Aufruf ist in Nr. 1 des Neuen Vorwärts vom 18. Juni 1933 abgedruckt; er wurde auch als Flugblatt ülegal in Deutschland verbreitet. 233 Zu dem Konflikt vgl. Matthias, Sozialdemokratie, S. 174; Edinger, Exile, S. 42f.; Resümee bei Reichhardt, »Neu Beginnen«, S. 174f; vor aüem jetzt Schulze, Widerstand oder Anpassung?, Dok. 10-13, und Buchholz/Rother, Protokolle der Sopade, ProtokoU Nr. 2; die Abgrenzung des Prager PV zum BerUner PV um Paul Lobe wkd außer aus dem Text des Aufrufs »Zerbrecht die Ketten!« vor aUem deutüch in dem Vorwort des Flugblatts: »Der in Karlsbad erscheinende >Neue VorwärtsFreunde Europas< [...] vorbeigehen«, beide Briefe im IISG, NL Hertz, S. 19, XVI; weder aus den genannten Ländern noch aus Dänemark und der Schweiz ist weiteres über die geplante GeseUschaft belegt. 243 IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: R. Breitscheid an Hertz, 24. Oktober 1933; vgl. ebd.: Hertz an Gerhard Breitscheid, 2. Dezember 1933. 244 Vgl. IISG, SAI, 3459: Breitscheid aus Amsterdam an Adler, 17. Juü 1933, daraus das Zitat, und NL Hertz, S. 19, XVI: Breitscheid aus Oxford an Hertz, 9. JuU 1933. 245 Karl Frank, offizieUes Pseudonym der ersten Emigrationszeit: Wüü MüUer, war von der KPD via KP(D)0, SAP, SPD zur Mües- bzw. Neu-Beginnen-Gruppe gestoßen; als Neuüng, nicht vertraut mit der schon seit ein bis zwei Jahren geübten konspkativen Arbeit der »Organisation«, wurde er im Mai 1933 mit dem Auftrag der Eröffnung eines Auslandbüros nach Prag geschickt, vgl. Reichhardt, »Neu Beginnen«, S. 15; Kurzbiographie von Llrsula Langkau-Alex, in: Meyer u. a., Uxikon des Sozialismus, S. 178; BHB 1. 246 Vgl. IISG, Neu Beginnen, 1: Wüü MüUer aus London an Crummenerl, 22. November 1933; EUen Wilkinson war die Sekretärin des Weltfülfskomitees. an
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durch seine Vertrauensleute fortgesetzt wurde, hatte nicht den gewünschten Erfolg. Es sei denn, man wollte den auf dem Parteitag der Labour Party in Southport im Herbst 1934 angenommenen Antrag »wonach die Mitglieder sich jeder dem Hilfskomitee für die mit Verbindung Opfer des deutschen und österreichischen Faschismus< enthalten sollen, da es eine Hilfsorganisation der Kommunistischen Partei sei« als Erfolg von Breitscheids, Müller/Franks u. a. Arbeit werten. Eher jedoch dürfte diese Entscheidung mit den Auseinandersetzungen innerhalb der SAI um die Frage einer Aktionseinheit oder weitergehend Einheitsfront mit den Kommunisten zusammenhängen.247 Das Welthilfskomitee arbeitete, z. T. dank des Reichstagsbrand-Gegenprozesses und des Ausgangs des Leipziger Prozesses, stärker denn je weiter. Nach Dezember 1933 hört man nichts mehr von der Idee des PV.248 Er war deutlich zu spät gestartet, wie schon im Juli der mit Breitscheid befreundete ehemals Berliner, zu der Zeit Pariser Korrespondent des Manchester Guardian, Frederic A. Voigt signalisierte: »Es ist höchste Zeit, daß einer von der SPD hinfahrt (nach London) und sich dort aufhält. Es ist in England eine sehr starke anti-Nazi Stimmung (es stimmt garnicht, daß sie abgeflaut ist), und die Versammlungen sind fabelhaft. Aber das Geld fließt in die Taschen der Kommunisten oder maskiernicht weil besondere kommunistische Sympathien vorten Kommunisten handen sind, sondern teils, weil man maskierte Kommunisten nicht immer als solche erkennt und teüs, weil man von der SPD überhaupt nichts sieht oder erfahrt... Das einzige was von Nicht-Kommunisten erreicht worden ist, ist daß ich bei der Verteüung der Gelder es handelt sich um Hunderte von Pfunden -, die aus England an den Mönzenberg-Ausschuß [sie] fließen, ein Mitbestimmungsrecht habe. Ich kann wenigstens verhindern, daß sie zu rein kommunistischen Zwecken verwendet werden. Es werden Kindertransporte -
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Zit. nach:
Sozialistische Aktion, 1934, Anfang November, S. 7: »Kongreß der Labour
Party«. 248 Der Brief Gerhard Breitscheids an Hertz vom 6. Dezember 1933 war der letzte, der aufzufinden war; die Idee selbst war bis dahin mehrfach modifiziert worden: von einer GeseUschaft auf oder knapp unter Regierungsebene (Hertz an Breitscheid, 24. Juni 1933), über eine durch Privatmittel finanzierte, von den Regierungen gerade unabhängige, internationale Stiftung (Hertz an Breitscheid, 4. Oktober 1933) wogegen Gerhard Breitscheid mit Brief vom 11. November 1933 an Hertz argumentreich protestierte-, bis zu einer GeseUschaft, die dem Völkerbund untersteUt werden soUte (G. Breitscheid an Hertz, 11. November 1933), wogegen aber wiederum Hertz aufgrund seiner persönüchen Eindrücke von der Herbsttagung des Völkerbunds größte Skepsis äußerte (Hertz an G. Breitscheid, 2. Dezember 1933); schUeßüch wurde die Idee aUein auf die Lösung des FlüchtUngsproblems reduziert (Hertz an G. Breitscheid, 2. Dezember 1933, ausdrücküch die Meinung von Rudolf Breitscheid wiedergebend); die Skepsis von Breitscheid-Sohn im Brief an Hertz vom 6. Dezember 1933 gegenüber dieser Konzeption, dazu noch im Rahmen der Flüchtlingskommission des Völkerbunds, verhaute ins Nichts; sämtliche zitierte Korrespondenz im IISG, NL Hertz, S. 19, XVI. -
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eine dringende Notwendigkeit, es müßten Tausende von KinDeutschland heraus aber es läßt sich nicht vermeiden, mit Kommunisten zu arbeiten, denn sie sind in dieser Beziehung sehr tüchtig und sehr mutig (der Transport muß sich heimüch voUziehen) und von der SPD ist überhaupt niemand vorhanden, mit dem man arbeiten könnte f...].«249
organisiert dern
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aus
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Hilfsorganisation oder politische Organisation? dem Bedürfnis, das Flüchflingsproblem zu lösen, die erste Organisation von deutschen Sozialdemokraten einschüeßüch Gewerkschaftlern in Paris: das Comité de secours aux réfugiés allemands. Siegfried Aufhäuser, einziges dkekt nach Paris emigriertes PV-MitgUed, leitete es. Doch bereits im August 1933 resignierte er, etwas später ging er in die CSR. Die Gründe für seine Resignation entspringen dem zweifachen Düemma, dem sich die Sozialdemokratie fast während der ganzen Emigrationsjahre konfrontiert sehen soUte: Geldmangel jedenfaUs wurde kaum Geld für Aufgaben in der und für die Emigration selbst zur Verfügung gesteUt250 und poUtisch-ideologische Auseinandersetzungen.251 Diese kreisten zunächst einmal um die Frage nach der poUtischen Verantwortlichkeit der Partei für die Machtübernahme der Nationalsoziaüsten und um die Konsequenz, die die Partei aus der Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft zu ziehen habe.
Konkret entstand
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Zitat aus Originalbrief von Tony Breitscheid an Crummenerl, datiert »Küsnacht/ Zürichsee, Hotel Sonne, den 7. JuU 1933«, in dem diese Passage abgeschrieben aus einem Brief von Voigt an sie, mit handschr. Bleistiftnotizen und -Unterstreichungen von Hertz, vorhanden im IISG, NL Hertz, S. 19, XVI. 249
Sopade gab ihr Geld vornehmUch für Pubükationen (Zeitschriften, Flugblätter, aus, die vor aUem für den ülegalen Vertrieb im Reich bestimmt waren, das wkd besonders deutlich aus den Aufzeichnungen von Hertz, IISG, NL Hertz, S. 20, XXIII; vgl. für die erste Emigrationszeit IISG, SAI, 3524: »Denkschrift über die ParteiArbeit vom April bis November 1933«, 31 S., Masch. mit handschr. Korrekturen, o. U. [wahrscheinUch von Crummenerl ersteUt]; vgl. im ganzen die kurze Zusammenfassung bei Buchholz/Rother, Protokolle der Sopade, S. XXVIff. (»Finanzen«), und S. XXXVIff. (»PubUkationsorgane«). 251 Zu beiden Problemen Briefe von Siegfried Aufhäuser: am 19. Juni 1933 schrieb er an Hertz, der in dem Comité de secours aux réfugiés poütischen Auseinandersetzung aufgrund allemands seien »heute so viele unserer Funktionäre in den persönUchen Streit verwickelt, daß ich einige Zeit zu tun haben werde, um diesen Konflikt zu entspannen«, siehe IISG, NL Hertz, S. 17: Korr. A; am 11. August 1933 schrieb Aufhäuser an Friedrich Adler: »Die FlüchtUngsorganisation ist organisatorisch umgesteUt [...]. Leider hat auch diese Organisation kein Geld, während aUe Flüchtünge nach Paris abgeschoben werden«; ferner äußerte er den »dringenden Wunsch, Paris bald zu verlassen«, IISG, SAI, 3457. 250
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politische Organisation?
Der finanziellen Not des Comité de secours aux réfugiés allemands wie auch der Klage Aufhäusers über die mangelnde Solidarität der SFIO252 begegnete die SAI nach ihrem Pariser Kongreß vom 21. bis 25. August 1933 mit der Gründung des Comité Matteotti Français; seinem Exekutivkomitee gehörten an: (Félix Pierre?) Dupont (CGT), Salomon Grumbach (SFIO), Walter Schevenels (IGB) und Gerhard Kreyssig (ehemals ADGB), der auch als Schatzmeister fungierte.253 Doch scheint es, als seien auch im Matteotti-Comité poütische und persönliche Differenund bald zu seiner praktischen Auflözen ausgetragen worden, die letztlich führten. der in ersten März-Hälfte 1934 trat Kreyssig aus der sung Spätestens Leitung aus,254 im Aprü war das Komitee dann »so gut wie aufgelöst«, hielt »nur noch gelegentlich Sprechstunden«, doch verschwand es erst 1936 aus den Annalen.255 Die Auseinandersetzungen in beiden Hilfsorganisationen sind wohl größtenteils auf die beiden politischen Gruppen zurückzuführen, die sich jeweils parallel, aber unabhängig und inoffiziell bildeten. Die erste war die Deutschsprachige Sozialistische Gruppe, getragen vornehmlich von jungen Sozialdemokraten, d. h. MtgHedern der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). Die Aktivität der Jungen in der Emigration ist ein Spiegelbüd der Aktivität der Jungen im Widerstand innerhalb NS-Deutschlands.256 Wieweit Aufhäuser sich aktiv beteiligte, war nicht fest-
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Aufhäuser im oben zitierten Brief an Adler: »[...] aber es ist wkküch besser, wenn hier in Paris kein Vertreter aus Prag sitzt. Dann muß eben die Partei des Landes etwas tun, während jetzt der Prager Vertrauensmann [d. i. Aufhäuser selbst ULA] den Bützableiter für aüe spielen muß«; Livian, Parti Socialiste, S. 192ff, legt den Finger auf noch zwei Punkte: erstens, daß die SFIO auch andere Emigranten(-organisationen) unterstützte wovon sein ganzes Buch eindrucksvoU zeugt -, doch dreht er an dieser SteUe Aufhäusers Klage gegenüber Adler und die Einsetzung des französischen Matteotti-Comité (siehe dazu ün folgenden) chronologisch um, zweitens auf das poütisch bedingte schwierige Verhältnis einmal Aufhäusers, zum anderen der SFIO-Führung zur Sopade; vgl. insgesamt auch Thalmann, »L'immigration aüemande«, bes. S. 149-161. 253 Vgl. Briefkopf des Comité Matteotti Français, postaüsche Anschrift: 154, rue de l'Université; Sprechstundenzimmer, Bibüothek, Aufenthaltsraum für Emigranten waren untergebracht in der rue Baudricourt Nr. 56 (IISG, SAI, 1427); in einen Aufruf an »Arbeiter, Gewerkschafter, SoziaUsten aUer Länder« hatte das Komitee zur Verwaltung des MatteottiFonds am 11. Aprü 1933 mitgeteüt, es habe beschlossen, den ursprüngüch für die Opfer des Mussoünischen Faschismus gegründeten Matteotti-Fonds so genannt nach dem 1924 ermordeten itaüenischen SoziaUsten Giacomo Matteotti auch auf die deutsche Arbeiterklasse auszuweiten, vgl. Internationale Information, 1933, Nr. 22, 24. Aprü, S. 177f. 254 IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Breitscheid an Hertz, 19. März 1934. 255 Ebd., Breitscheid an Hertz, 9. April 1934; vgl. Livian, Parti Soäaliste, S. 30f. 256 Vgl. IISG, studiezaalmap, Ujst Abendroth 302: Memorandum »Zur Psychologie der iUegalen Arbeit. Von einem iUegalen Arbeiter«, Masch., 2 S., oben Unks handschr. vermerkt: »15. Januar 1934«; IISG, NL Hertz, S. 9, Neu Beginnen D: »Die deutsche Sozialdemokratie im Jahr der faschistischen Machtergreifung« (vgl. Anm. 27, S. 77); BA/K, R 58/458: Denkschrift der MUes-Gruppe »Das ülegale Deutschland«, o. D. [etwa Sommer 252
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zusteUen, ist aber aufgrund seiner oben zitierten Briefe, in denen er seine VermittlerroUe unterstreicht, unwahrscheinüch. Noch im Frühjahr 1933 entwickelte
Deutschsprachige Soziaüstische Gruppe zu einem Sammlungszentrum junger Emigranten aus den verschiedensten Parteien SPD, KPD, SAP, LO —, die versuchten, »durch gemeinsame Diskussionen die alten Gegensätze, die die einzelnen Parteien bisher voneinander getrennt hatten, auszugleichen«.257 Der Versuch, der als Zeichen des gesteigerten Problembewußtseins dieser Jungen nach dem Schock vom 30. Januar und seinen Folgen zu werten ist, schlug jedoch sich die
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fehl. Vor aUem die älteren kommunistischen Funktionäre, die im Sommer 1933 nach Paris kamen, scheinen ihre Jugend sofern sie nicht abwanderte258 wieder fest in den Griff bekommen zu haben. Das Pariser Tageblatt berichtet jedenfaUs in seinem Artikel über »Junge Soziaüsten in der Emigration« vom 17. Januar 1934, die kommunistische Gruppe bestehe zum größten Teü aus Studenten, und sie setze »die Taktik der deutschen Partei fort [...]. Sie ist staUnistisch und sucht den Hauptfeind immer noch bei den anderen Arbeiterparteien.«259 -
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dagegen entwickelte sich seit etwa August 1933 das Verhältnis der Pariser Gruppe der SPD, der rein sozialdemokratischen Nachfolgerin der Deutschsprachigen SoziaUstischen Gruppe, zu ihrem Parteivorstand. »Alte« Linke, die gerade nicht den Sprung in die SAP gewagt hatten260 wie Alexander Schifrin und Kurt
Anders
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1934] ; zur Literatur siehe u. a. Reichhardt, »Mögüchkeiten und Grenzen des Widerstandes Arbeiterbewegung«, S. 177; Drechsler, SAP, S. 332ff; KUem, Neu Beginnen, bes. Kap. III; weitere Literatur im Zusammenhang der weiteren DarsteUung. 257 PT, 1934, Nr. 37, 17. Januar: »Junge Soziaüsten in der Emigration. Die Arbeiten der einzelnen Gruppen«. 258 Arkadij Gurland zufolge schloß sich eine Reihe junger Kommunisten den Trotzkisten an mündliche Auskunft von Gurland an ULA in Amsterdam am 26. Aprü 1974; dennoch soU die kommunistische Gruppe sehr stark gewesen sein. 259 Vgl. Anm. 257. 260 Zur Unterscheidung »alte Linke«/»neue Linke« innerhalb der SPD vgl. vor aUem Edinger, Exile, S. 78-90, deutsche Ausgabe, übersetzt von K. H. Tjaden, Sozialdemokratie und Nationalsozialismus. Der Parteivorstand im Exil von 1933—1945, mit einer Einleitung von Sigmund Neumann, Hannover Frankfurt/M. 1960, hier S. 61-82; Moraw, Parole Einheit, gibt auf S. 16-21 in Zitaten die jeweiüge »Analyse« in den programmatischen Schriften der Unken Organisationen wieder; zur Reaktion der »alten Linken« bzw. Teüen davon auf die Gründung der SAP 1931 aus ihrem eigenen »Klassenkampf«-Kreis heraus vgl. Drechsler, SAP, S. 122-128, vgl. auch S. 79f£; eine die Literatur bis etwa 1985 zusammenfassende Beschreibung der einzelnen »Linke [n] Spüttergruppen in der deutschen Arbeiterbewegung am Ende der Weimarer Republik«, ihrer »Faschismusanalyse«, SteUung zur »Einheitsfront« und »Vorbereitung auf die IUegaUtät«: Foitzik, Zwischen den Fronten, S. 23-46.
der
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und »neue« Linke aus dem (Um-)Kreis der Miles- bzw. Neu Beginnen-Gruppe, die aus der SAJ-Opposition angefüllt wurde,262 scheinen zusammen mit neuesten Kritikern der Parteiführung263 die Pariser Gruppe der SPD dominiert zu haben.264 Die Gruppe scheint zunächst viele Mitglieder gehabt zu haben, wenn sie auch im Vergleich zur Gesamtzahl deutscher Sozialdemokraten in Paris klein genannt werden muß. Der Rückgang der Mitgliederstärke kann auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden: Einmal wurden die »unpolitischen«, d. h. die nach Meinung der »Autoritäten« in der Gruppe mehr emotional denn aktivpoHtisch motivierten Emigranten mehr und mehr zurückgewiesen; Kriterium der »Auslese« war der Grad der Exponierung vor und nach der Machtergreifung des Glaser261
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261 Alexander Schifrin, auch: Schifrin, war Anfang der 20er Jahre als Menschewik zur SPD gestoßen, u. a. Mitarbeiter an HUferdings Zeitschrift Die Gesellschaft; Kurt Glaser, Arzt aus Chemnitz, persönUcher und poütischer Freund von Karl Böchel; zu beiden ausfuhrücher BHB 1. 262 Vgl. dazu Denkschrift »Die deutsche Sozialdemokratie im Jahr der faschistischen Machtergreifung« (siehe oben Anm. 27, S. 77), S. 15f.; Kliem, Neu Beginnen, S. 40ff.; Reichhardt, »Neu Beginnen«, S. lOff.; Foitzik, Zwischen den Fronten, S. 130ff.; Brigitte Seebacher-Brandt, Biedermann und Patriot. Erich Ollenhauer ein Sozialdemokratisches Leben, Inauguraldiss. an der FU Berün 1984, Rheinbreitbach 1984, bes. S. 79ff.; Matthias, »Der Untergang«, S. 198ff.; ders., »Sozialdemokratische Partei Deutschlands«, S. 242ff. (und hier bes. den auszugsweisen Abdruck der Denkschrift »Der BerUner Jugendkonflikt« vom Aprü 1933, von Erich Schmidt; ein voUständiges Ms, hektogr., mit handschr. Verbesserungen, 29 S., befindet sich ün IISG, NL Hertz, S. 9, Neu Beginnen D); vgl. auch die Erinnerungen z. B. von Erich Schmidt, Meine fugend in Gross-Berlin. Triumph und Elend der Arbeiterbewegung 1918—1933, Bremen 1988, und Gerhard Bry, Resistance. Recollections from the Nazi Years, als masch. Skript mit handschr. Korrekturen broschiert, West Orange, NJ/USA 1979. 263 Hier dürften die Beispiele von Crispien, Dittmann u. a. Schule gemacht haben; vgl. außerdem Konrad Heiden, »Wer führt?«, in: Zß, 1933, Nr. 2, S. 46-48; vgl. auch IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Breitscheid an Hertz, 29. Juni 1933: das Ergebnis einer Rundreise durch die Auslandszentren zusammenfassend, berichtet er über die »recht ablehnende Stimmung gegenüber der Zusammensetzung des Prager Parteivorstandes«, selbst Erich Kuttner woUe ein Buch schreiben, »in dem die PoUtik der Partei in den letzten Jahren kritisiert werden soU«; Kuttner, geb. 1887, war vor 1933 preußischer Landtagsabgeordneter und hatte eher zum rechten Flügel gehört; das Buch kam nicht zustande, wohl findet sich im IISG, NL Erich Kuttner unter Nr. 139b ein Manuskript, »Der Untergang der deutschen Sozialdemokratie«, 50 S.; zur Biographie von Kuttner siehe die erste Skizze von Bart de Cort, »Wenn nur die Sache siegt«. Erich Kuttner 1887-1942, Amsterdam 1990, und jetzt Maximiüan Ingenthron, »Wenn nur die Sache siegt«. Erich Kuttner (1887-1942). Publizist und Politiker, Mannheim 2000. 264 Kreyssig war wohl auch MitgUed der Gruppe, dagegen scheint Breitscheid sich zunächst abseits gehalten zu haben; außer mit den Sondierungen für die Internationale GeseUschaft zur Verteidigung der Demokratie beschäftigte er sich als Beobachter der Pariser Szene, Franzosen wie Emigranten eingeschlossen, wovon u. a. sein Briefwechsel mit Hertz zeugt. —
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NationalsoziaUsmus und die damit zusammenhängende unmittelbare Gefährdung innerhalb des Reiches. Zum anderen soU sich z. B. das Comité Allemand unter Baron de Rothschild gegen die Festigung von deutschen ArbeiterEmigranten in den französischen Arbeiterregionen gewandt haben: diese würden »nur noch roter«.265 So konnte denn die Vermittlung (oder Abschiebung) von Sozialdemokraten ins Midi beiden sehr unterschiedüchen Zielen dienen. Zum dritten zog sich ein Teil der Sozialdemokraten auf die Position zurück, es sei unsinnig, die Sozialdemokratie in der Emigration fortsetzen zu woUen; weder der Sopade noch den Oppositionsgruppen wurde eine Legitimation zuerkannt. Diese Sozialdemokraten pflegten dann nur noch ihre persönüchen Kontakte wozu die Angst vor Spitzeln beigetragen haben mag-, und zwar sowohl im Ausland als auch ins Reich hinein.266 Die Pariser Gruppe der SPD nun modifizierte im November 1933 das drei Monate zuvor beschlossene Grundsatzprogramm und erweiterte es von 13 auf 14 Thesen.267 Darin wurde der bisher von der Sopade demonstrierte Revolutionierungsprozeß der Partei bloßgelegt: Gegenüber der Prager These, derzufolge der deutsche Faschismus »aUein von der Lüge [lebt]«, ergo durch permanentes Verbreiten der »Wahrheit« nach drinnen und draußen zu schlagen sei,268 bestand —
So Thalmann gegenüber ULA; diese Aussage findet sich nicht in ihrem Aufsatz »L'immegration aUemande«. 266 MündUche Auskunft von Gurland an ULA; Gurland hatte nach eigenen Angaben nicht der Klassenkampfgruppe angehört, wie Drechsler, SAP, S. 21 ff, schreibt, auch war er aus poUtischem Dissens nicht, wie bei Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 231, Anm. 9, behauptet, MitgUed der Pariser RS-Gruppe um Glaser und Schifrin, obgleich mit Erstgenanntem persönüch befreundet; seinen Erzählungen und zeitgenössischen Schriften nach zu urteüen, war Gurland ein unabhängiger Analytiker des Marxismus, vgl. die kurze Biobibüographie in BHB 1. 267 Das 13-Thesen-Programm ist unvoUständig abgedruckt in der damals hektographiert erscheinenden Zeitschrift der SAP die neue front (nf), September 1933; wahrscheinüch bezieht sich folgende Passage aus einem Brief von Phiüpp Scheidemann, den er unter der Deckadresse »Josef Witternigg, Nationalrat und Gemeinderat der Stadt Salzburg«, am 30. August 1933 an Dittmann in Zürich schrieb, auf ein vervielfältigtes Manuskript der 13 Thesen: »Mt dem Ergebnis der S.A.J. in Paris bin ich sehr unzufrieden. Ich hätte mk eine Tat erwartet. AUes Papier, aUes talmudistische Auslegung des Marx. So geht es nicht weiter. Wk müssen handeln.« (Brief im AdsD, NL Dittmann, Emigration Zürich I); vgl. zu den Programmen der Pariser Gruppe der SPD auch KUem, Neu Beginnen, 265
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S. 95.
268 Vgl. »Zerbrecht die Ketten!«, in: NV, 1933, Nr. 1, 18. Juni, zugleich auch als niégales Flugblatt; Revolution gegen Hitler. Die historische Aufgabe der deutschen Sozialdemokratie (von Curt Geyer aufgrund von Diskussionen innerhalb Deutschlands niedergeschrieben, vom PV in Prag als Heft 1 der Schriftenreihe Probleme des Sozialismus 1933 sowie als Broschüre für den Ulegalen Gebrauch unter dem Tarntitel Julius Cäsar, Der gallische Krieg pubUziert) und die sich daran anschUeßende Diskussion vor aUem im NV; »Novembergelöbnis —
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in Paris auf dem, was man als »wahren Marxismus« verstand.269 Auf die Praxis bezogen hieß das: Positiver Kampf für den Sozialismus anstelle eines (negativen) Antifaschismus (These 1), und zwar vor dem Zusammenbruch des Dritten Reiches infolge von wktschaftlichem Chaos oder infolge eines Krieges (Thesen 8, 9); Grundsätzliche Absage an den Reformismus, an die (bürgerliche) demokratische Repubük und die damit verbundenen Kompromisse und Konzessionen man
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(Thesen 2, 3,10,11):
Statt dessen revolutionärer Kampf um die Eroberung und weitere Verteidigung der ganzen Macht in Staat und Wktschaft (Thesen 4, 5) mit dem Ziel der Verwirklichung der wahren Demokratie »in der klassenlosen, sozialistischen Gesellschaft« (These 6) und der »Errichtung der Diktatur des revolutionären Proletariats« als deren »Basis« (These 10); Einheit der deutschen Arbeiterklasse (These 7), unter Führung einer revolutionären, sich von der Vergangenheit lösenden (These 12) und die »Errichtung der proletarischen Herrschaft« wollenden SPD (These 13), deren leitende Funktionen »Menschen übertragen werden [müssen], die mit der Vergangenheit nicht belastet sind« (These 14).270 Es ist nach allem bisher über die Pariser Gruppe der SPD Gesagten nicht verwunderlich, daß diese Thesen im wesentlichen sowohl mit den Auffassungen des RS-Kreises als auch mit denen der NB-Gruppe, deren Auslandsleitungen in Karlsbad bzw. Prag saßen, überemstimmten; der Nachweis eines direkten Einflusses dürfte freilich schwierig zu führen sein. Im Gegensatz zu NB, die im September 1933 ihre Programmschrift »Neu Beginnen!« veröffentlichten,271 konnte der RS-Kreis seine programmatische Schrift »Der Weg zum sozialistischen Deutschland« im wesentlichen eine Reaktion auf das Manifest der Sopade zum -
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aUes für die Revolution«, in: NV, 1933, Nr. 21, 5. November; eine Analyse der SopadePosition gibt Edinger, Exile, S. 44ff. 269 Die verschiedenen Linksströmungen, die sich innerhalb der deutschen Sozialdemokratie herausgebüdet hatten, und den Einfluß des Austromarxismus auf die Klassenkampfgruppe vor 1933 hat als einer der ersten Drechsler z. T. kritisch herausgearbeitet, SAP, bes. S. 1-32; vgl. auch die andere Perspektive bei Gerd Storm/Franz Walter, Weimarer Linkssozialismus und Austromarxismus. Historische Vorbilder für einen »Dritten Weg« zum Sozialismus?, Berün 1984. 270 Vgl. nfi 1934, Nr. 4, 2. Februarhälfte, Beüage S. 1: »Die Thesen der Pariser SPDGruppe«; die SAP pubüzierte damals in ihrer Zweiwochen-Zeitschrift auch Verlautbarungen der SPD-Gruppe, die selbst über kein Pubükationsorgan verfugte. 271 Mües [d. i. Walter Loewenheim], Neu Beginnen! Faschismus oder Sozialismus. Als Diskussionsgrundlage der Sozialisten Deutschlands (Probleme des Soziaüsmus, H. 2), Karlsbad: Verlagsanstalt Graphia 1933; zur Entstehungsgeschichte der Schrift vgl. Reichhardt, »Neu Beginnen«, S. 15ff.; vgl. u. a. auch Richard Löwenthal, »Die Schrift >Neu Beginnenk 50
Jahre danach«, in: IWK,]g. 19 (1983), S. 561-670.
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30. Januar 1934 erst im Herbst 1934 pubUzieren.272 LedigUch Aufhäuser hatte sich schon vorher programmatisch exponiert zu einer Zeit, da er noch im Flüchtlingskomitee in Paris arbeitete. Auf der Pariser Konferenz der SAI im August 1933 hatte er der bisherigen, auf den Stimmzettel fixierten, aber wenig machtbewußten Poütik der SPD abgeschworen; für Gegenwart und Zukunft hatte er den Klassenkampf des vereinten deutschen Proletariats Keime der Einheit sah er aUerdings nur in der Jugend heranreifen (ein Bezug wahrscheinUch auf die Deutschsprachige Soziaüstische Gruppe) -, für das Deutschland nach Hitler eine vorübergehende »Erziehungsdiktatur« gefordert. In der Periode der Erziehungsdiktatur soUten sich vor aUem die jetzt zu Hitler gelaufenen Mittelschichten um das Proletariat scharen.273 Die daraufhin innerhalb der Sozialdemokratie entbrannte Diskussion über »Diktatur« im aUgemeinen, »Diktatur des Proletariats« und »Demokratie« im besonderen wurde z. T. sehr emotional ausgetragen.274 NB- und RS-Kreis reagierten auf die Thesen der Pariser Gruppe der SPD anscheinend reserviert. Jedoch erklärte sich die AZ der SAP in Paris im wesentUchen einverstanden.275 Unter Berufung auf die 14 Thesen lehnte die Pariser Gruppe der SPD dann auf ihrer MitgUederversammlung vom 8. Februar 1934 das Manifest276 des PV zum 30. Januar ab.277 In ihrer scharfen Kritik, die gleichermaßen auf den Inhalt -
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»Der Weg zum soziaüstischen Deutschland. Eine Plattform für die Einheitsfront. Zur Diskussion gesteüt von einem Arbeitskreis revolutionärer Soziaüsten«, in: Zß, 1934, Nr. 12/13, September/Oktober, S. 375^109; vgl. dazu Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 229238, und bes. die Anmerkungen. 273 Zu Aufhäusers Rede vgl. Internationale Information, 1933, Nr. 46, 24. August, S. 462— 465. 274 Zur Diskussion über »Diktatur« »Demokratie« vgl. NV, bes. von Ende August bis Oktober 1933. 275 Vgl. das redaktioneUe Vorwort zum Abdruck der 14 Thesen in: nf, 1934, Nr. 4; vgl. Anm. 270. 276 Siehe Deutsche Volksfront Band 3, Dokument 9; zu Entstehung, Autorschaft von Hüferding und Diskussionen bis zur Veröffentlichung des Manifests vgl. Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 197-225; eine ausführüche Betrachtung der (Vor-)Geschichte des Manifests aus Sicht der SED-Ideologie bei Dieter Lange, »Das Prager Manifest von 1934«, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG), Jg. 20 (1972), S. 843-872, auf S. 860ff. annotierter Abdruck des Manifests; mehr oder weniger kritische Auseinandersetzungen mit dem Manifest in der BRD u. a. von Wolfgang Runge, Das Prager Manifest von 1934. Ein Beitrag zur Geschichte der SPD, Hamburg 1971 (eine Neuausgabe der Fassung von 1963); Uta Petersen/Wolfgang Henze, Das Prager Manifest der SPD von 1934, Vorwort von Uwe Naumann, Hamburg 1983; der damaügen DKP nahestehend: Johannes Klotz, Das »kommende Deutschland«. Vorstellungen und Konzeptionen des sozialdemokratischen Parteivorstandes im Exil 1933—1945 zu Staat und Wirtschaft, Köln 1983, S. 56—76, vgl. auch die positiveren Einschätzungen der RSDPlattform ebd., S. 77-92. 277 Vgl. Nachwort zum Abdruck der 14 Thesen in nf, siehe oben Anm. 270; vgl. auch KUem, Neu Beginnen, S. 96, Anm. 93; die Erklärung der Pariser Gruppe der SPD gegen das 272
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des Manifests wie auf den Führungsanspruch der Prager zielte, traf sie sich wiederum mit den beiden dominanten sozialdemokratischen Oppositionsgruppen.278 Der definitive Bruch mit Prag wurde jedoch durch den auch in Paris vorherrschenden Antikommunismus überwiegend im Sinne von Antistaünismus279 aufgeschoben. Im März nämlich wurden zwanzig Mitglieder aus der Pariser Gruppe der SPD ausgeschlossen mit der Begründung, sie gehörten gleichzeitig zwei Organisationen an und betrieben »Fraktionsarbeit im stalinistischen Interesse«; sie hatten einen vom WKKF initiierten Aufruf an Hamburger Arbeiter im Zusammenhang mit einer Kampagne zur Freüassung von Thälmann mit unterzeichnet.280 Als nächstes versuchten einige Mitglieder der Pariser Gruppe der SPD, ein »Kartell deutscher proletarischer Revolutionäre« mit der Auslandsleitung der SAP und der LO sie nannte sich jetzt offiziell Internationale Kommunisten Deutschlands (IKD) zu forcieren. Ihre dem Vorstand der SPD-Gruppe am 15. März vorgelegte Resolution wurde aber auf der Mtgliederversammlung vom -
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Manifest ist u. a. Reformismus«.
abgedruckt in: UW, 1934, Nr. 10 (26), 4. Märzwoche: »Wider den Neo-
Vgl. Siegfried Aufhäuser, »Bemerkungen zum Aufruf des Parteivorstandes«, in: NV, 1934, Nr. 36, 18. Februar, Beüage S. 1; »Kampf und Ziel des revolutionären SoziaUsmus«, Erklärung o. U. (höchstwahrscheinUch von NB) Februar 1934, 5 S., Ds mit handschr. Verbesserungen, IISG, Neu Beginnen, 8; »Unheübare Phantasten, verspätete Jakobiner. Zu den Thesen der geschlagenen Parteigeneräle« (eine SteUungnahme sowohl zum Prager Manifest als auch zu Thesen des ZK der KPD, als Manuskript an NWB geschickt, dort abgelehnt), o. U. (höchstwahrscheinUch aus dem NB-Kreis), o. D. [Frühjahr 1934], Orig. mit handschr. Verbesserungen, 6 S., IISG, Neu Beginnen, 5; Paul Hertz 278
schrieb am 19. Februar 1934 (er selbst dat. fälscfüich: »1933«) an Otto Nathan, Alexander Schifrin habe ein »14seitiges Memorandum ausgearbeitet, das er an viele Leute versandt hat«, darin gehe er vor aUem auf das Problem der neuen Führung der SPD ein; es sei im ganzen »derselbe Gedankengang, den ich [Hertz] bei Aufhäuser fand«, IISG, NL Hertz, S. 18, Korr. N; ein Memorandum von Schifrin Ueß sich bisher nicht finden, wohl sind folgende Artikel Schifrins nachzulesen: »Revolutionäre Sozialdemokratie«, in: Zß, 1933, Nr. 3, Dezember, S. 81—91; »Die Konsequenzen des revolutionären Programms«, in: Zß, 1934, Nr. 9, Juni, S. 281-293. 279 In der Erklärung der Pariser SPD-Gruppe gegen das Prager Manifest war auch die »ideologische Verrottung bei der KPD und bei der Komintern« angeprangert worden; Schuld daran seien der bürokratische Zentrismus der Stalin-Ära und die Abhängigkeit der Komintern-Sektionen von der russischen »StaatspoUtik« (UW, 1934, Nr. 10 [26], 4. März-
woche). 280 Vgl.
Albert Wrage, »Gegen die konterrevolutionäre Sozialdemokratie. Die Auflöder Pariser SPD«, in: Rundschau (Basel), 1934, Nr. 23, 29. März, S. 868-869; »Die sung Spaltung der pariser SPD-Gruppe und die >Rundschau«LinkenKartell< herrührende[n], aber durch die Auflösung des >Kartells< gefährdete[n] Freundschaftsbezeichnungen« anknüpfen.295 Hinzu kamen taktisch und ideologisch bedingte Meinungsverschiedenheiten zwischen NB- und RS-Leitung, die vor allem —
ßig interne Rundschreiben; der RS-Kreis in der CSR gab zwar erst ab Juü 1935 die RJ"Briefe heraus, konnte vorher jedoch Der Gegenstoß. Antifaschistische Korrespondenz in Prag 1933 bis 1934 herausgegeben von Max Seydewitz, weitgehend als Kommunikationsmittel nutzen. 294
Vgl. IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Breitscheid an Hertz, 19. Juü 1934, und Hertz an
Breitscheid, 24. Juü 1934; Werner Ernst Heinrich Karl Thormann, UnkskathoUscher Jour-
naüst seit den frühen Weimarer Jahren, war noch vor 1933 vom Zentrum zur SPD übergetreten, hatte 1934 zusammen mit Schifrin ein Pressebüro in Paris, schrieb unter den
Pseudonymen Ernst Henrichsen, Karl Henrichsen (auch Heinrichsen), K. H. in der Zeitschriftfür Sozialismus, vgl. hierzu und zu weiteren biographischen Angaben, ergänzend zur Kurzbiographie in BHB 1: Ursula Langkau-Alex, »>Die Zukunftx der Vergangenheit oder >Die Zukunft< der Zukunft. Zur Bündnispoütik der Zeitschrift zwischen Oktober 1938 und August 1939«, in: Hélène Roussel/Lutz Winckler (Hrsg.), Deutsche Exilpresse und Frankreich
a. 1992, S. 123-156, hier S. 128-130. Zum vorstehenden siehe nacheinander: IISG, Neu Beginnen, 8: [Auslandsbüro von Neu Beginnen] an Aufhäuser und Böchel, 1. und 6. November 1934; AdsD, Emigration Sopade, 103: Bericht Hans Kaiser, November/Nr. 1 [1935]; IISG, Neu Beginnen, 48: Denkschrift »Zum Leitungswechsel in der Organisation, Mitteüung an die Genossen ün Ausland«, dat. 16. Juü 1935, unterz. »ImB«, 8 S., hektogr.; zu dem erwähnten »KarteU« siehe unten S. 139f.
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die Frage der Einheitsfront mit der KPD betrafen. Führende Neubeginnler, so auch Karl Frank, waren (zunächst) strikt antikommunistisch eingesteUt, was sich meistens aus ihrer Biographie erklärt. Hinzu kam, wie Reichhardt formuüert, »der Beschluß [...], der zu Beginn der IUegaütät gefaßt worden war, jede Berührung mit der KPD abzulehnen und aüe Mitgüeder der >Organisation< aus Sicherheitsgründen herauszuziehen, nachdem an manchen Orten im Februar und März 1933 viele Kommunisten, oft sogar in geschlossenen Gruppen, zur NSDAP übergetreten waren«.296 Für Kreyssig und Breitscheid erstgenannter ein treuer Anhänger des PV, letztgenannter zwar kritisch, aber um Loyaütät bemüht, in jedem FaUe jedoch Gruppenbüdungen poUtischer Art innerhalb der Partei abhold297 war es keine große Mühe, ihren Einfluß wieder in der Pariser Gruppe der SPD zur Geltung zu bringen.298 Gegen Ende des Jahres 1934 war die Gruppe anscheinend ziemUch zerrüttet, an die SteUe von Marck ein Mann namens Koss als Vorsitzender getreten, der jedoch wenig Vertrauen genoß.299 Sehr sicher jedoch verhielt sie sich passiv, gerade zu einem Zeitpunkt, als in die verkrampfte Stagnation des Verhältnisses der internationalen und nationalen Sozialdemokratie zur Komintern und ihren Sektionen einige Bewegung kam. Folgendes war geschehen: Im Anschluß an die ergebnislos verlaufene Unterredung zwischen Adler und Vandervelde als Vertreter der SAI einerseits, Cachin und Thorez als Vertreter der Komintern andererseits im Oktober 1934 wegen des Bergarbeiter-Aufstandes in -
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Reichhardt, Neu Beginnen, S. 28, Anm. 37; grundsätzUche SteUungnahmen zur Frage der Einheitsfront 1933 bis 1935 sind nachzulesen in Mües, Neu beginnen!, und in der RSDPlattform »Der Weg zum soziaüstischen Deutschland«. 297 So reagierte Breitscheid heftig auf die Schrift Neu beginnen!; die Kritik von Aufhäuser und Böchel am Prager Manifest; die RS-Plattform; den Eklat zwischen PV-Mehrheit und PV-Minderheit im Januar 1935 und schüeßüch auf die Aktivitäten der Pariser SPDGruppe selbst, vgl. IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Briefwechsel Breitscheid-Hertz 19331935; vgl. auch die z. T. sehr psychologisierende DarsteUung von Pistorius, Breitscheid, S. 338ff., und die dort zitierten QueUen. 298 Vgl. IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Briefwechsel Breitscheid-Hertz, vor aUem aus der ersten Hälfte 1935; Breitscheid spricht jetzt übrigens von der Pariser »Ortsgruppe«. 299 So fragte laut Abschrift des Gestapa Ehrmann aüas Bernhard am 24. November 1934 im Brief an »Lieber Genosse Marc [sie]«: »Würden Sie den Brief [von Wilü MüUer. d. i. Karl Frank ULA] persörüich unterschreiben? Oder können Sie noch für die Ortsgruppe zeichnen? Meinen Sie ich soUte mit Koss über die Sache sprechen (ohne noch von der Tatsache des KarteUs etwa[s] zu erwähnen).«, BA/K, R 58/458; vgl. im IISG, NL Hertz, S. 19, XVI, auch Hertz' Klage vom 27. Februar 1935 gegenüber Breitscheid über die Schwächen von Koss: er steUe in einem »eüenlange[n] Brief [...] so viele Fragen interner und parteitaktischer Art [...], daß ich weder die Zeit vor aUem aber nicht die Neigung hatte, diese Antwort persönUch zu erteüen«; zu Koss habe ich bisher keine biographischen Angaben gefunden; dem Brief von Böchel an Kurt Glaser vom 10. August 1934 zufolge hatten »Leute wie Gurland [...] die große Pariser Gruppe zur Freude des PV zu einem einflußloser Häuflein heruntergewirtschaftet«, zit. nach: Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 231 ff. 296
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Kartelle
Asturien300 legte die Mehrheit der in der Exekutive der SAI vertretenen Parteien nach heftiger Debatte auf der Exekutivsitzung im Antwortschreiben an die Vertreter der Komintern fest, daß die Entscheidung für oder gegen eine Einheitsfront bei den jeweiligen Landesparteien Hege.301 Damit war das seit der Resolution von Mitte März 1933 geltende Prinzip der Mehrheitsentscheidungen durchbrochen und das Verbot von Alleingängen einzelner Parteien aufgehoben. Den Delegierten von sieben angeschlossenen Parteien Section Française, Internationale Ouvrière (SFIO), Partido Sociaüsta Italiano (PSI), Revolutionäre Sozialisten Österreichs (RSÖ), Sozialdemokratische Partei Rußlands (SDAPR/Menschewiki), Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS), Partido Socialista Obrero Español (PSOE) und der polnische Bund war dies jedoch zu wenig; einmütig erklärten sie sich für die Einheitsfront auch zwischen SAI und Komintern.302 Ein in der CSR gebildetes »geheimes KarteU«, dem das Auslandsbüro von NB, der RS-Kreis, die Arbeiter-Turner, die Prager Freidenker-Gruppe und einige Grenzsekretäre der Sopade angehörten, stimmte anfängüch sowohl dem Beschluß der Mehrheit in der Exekutive der SAI als auch und vor allem der Erklärung der »Sieben« zu.303 Vergeblich wartete vor allem die Prager Gruppe der SPD-
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IISG, SAI, 3041, Bl. 39-58, und 3042, Bl. 17-31. Brief an Cachin und Thorez, in: Internationale Information, 1934, Nr. 52, 17. November, S. 574f. 302 Ebd., S. 575; die Auseinandersetzungen innerhalb der SAI, die Radikaüsierung einzelner Parteien, die Folgen des Beschlusses der November-Sitzung 1934 auf nationaler und internationaler Ebene sind unter verschiedenen Gesichtspunkten und FragesteUungen, mit unterschiedüchen Wertungen und mehr oder weniger ausführUch in der Literatur dargesteUt; kurze Charakteristik einiger Forschungsergebnisse so u. a. die Beiträge in Enzo CoUotti (Hrsg.), L'Internazionale Opereta e Socialista tra le due guerre (Annaü Fondazione Giangiacomo FeltrineUi, Jg. 23 [1982/84]), und die Beiträge, bes. der von Bruno Groppo, »Die gelähmte Internationale. Zur poütischen Entwicklung der soziaUstischen Parteien in Europa nach 1933«, in: Heinrich August Winker (Hrsg.), Die Krise des europäischen Sozialismus in der Zwischenkriegszeit (Geschichte und GeseUschaft, Jg. 17 [1991], H. 2), S. 220-241; Gerd-Rainer Horn, European Socialists repond to Fascism. Ideology, Activism and Contingency in the 1930s, New York Oxford 1996; AutorenkoUektiv unter der Leitung von Werner Kowalski, Geschichte der Sozialistischen Arbeiter-Internationale (1923-1940), Berün 1985; Ursula Langkau-Alex, »Internationaler Soziaüsmus oder Volkssoziaüsmus? Das Spannungsfeld antifaschistischer Konzeptionen in der Soziaüstischen Arbeiter-Internationale der dreißiger Jahre«, in: Bert Becker/Horst Lademacher (Hrsg.), Geist und Gestalt im historischen Wandel. Facetten deutscher und europäischer Geschichte 1789—1989. Festschriftfür Siegfried Bahne, Münster u. a. 2000, S. 347-368, hier S. 347f., Anm. 2-6. 303 Zum »geheimen KarteU« vgl. den unter Anm. 299 zitierten Brief von Bernhard an Marck vom 24. November 1934, dazu den ebenfaUs in As des Gestapa vorüegenden Brief von (WiUi MüUer) an »Werte Genossen« vom 20. November 1934, der eine vorläufige Fassung der KarteU-Erklärung enthält, BA/K, R 58/458; verschiedene Fassungen und Entwürfe der KarteU-Erklärung, auch einer Erklärung nur von NB und RS an die SAI, ün 300 301
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II. Mikrokosmos
von
Organisationen
und Aktionen
Zeichen aus Paris, daß die Gruppe dort sich der Erklärung anschUeßen werde.304 Inwieweit sich bei deren passiver Haltung einmal die Abstinenz einiger der anvisierten Partner des »geheimen KarteUs« dazu gehörten
Emigranten auf ein
Antwerpen emigrierte Freidenker Max Sievers, das ins Saargebiet emigrierte PV-Mitgüed Georg Dietrich, Grenzsekretär Erwin Schöttle (Pseudonym George), der Rote Stoßtrupp —,305 zum anderen das Lavieren von Aufhäuser und -
der nach
Böchel zwischen KarteU, Sopade und ZK der KPD306 und drittens der Rückzug der Auslandsleitung von NB aufgrund der Proteste illegaler Genossen gegen eine Einheitsfront mit den Kommunisten307 auswkkte, bleibe hier dahingesteUt. Mit dem Zustrom der Emigranten aus dem Saargebiet nach dem 13. Januar 1935 veränderte sich die Situation der SPD-Gruppe in Paris noch mehr zu ihren Ungunsten. Die saarländischen Sozialdemokraten besaßen in Max Braun und seinen z. T. aus dem Reich gekommenen engen Mitarbeitern eine Führung, die sich gegenüber dem PV in Prag durchgesetzt hatte und bei der SAI anerkannt war. Vor aUem aber war sie bis zur Abstimmung jedenfaUs auf eine sowohl unmittelbar praktische als auch ideologische Zusammenarbeit mit den Kommunisten eingespielt; kennzeichnend für letzteres war die Kampagne-Losung »Für Deutsch-
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IISG, Neu Beginnen, 5 und 8; vgl. auch IISG, SAI, 3514: RSchr. »Kart.«, Prag, 2. November 1934; RSchr. an »Werte Genossen«, 20. November 1934, o. U., und »Erklärung An aUe Mitgüeder der Exekutive der SAI und an das Sekretariat«, o. U., o. D. 304 Auf einer Versammlung der Prager SPD-Emigranten hauptsächüch Grenzsekretäre und Vertrauensleute mit Vertretern des PV wurde am 20. Dezember mit 27 gegen 16 Stimmen eine Entschüeßung angenommen, in der die Haltung der PV-Vertreter auf der SAI-Exekutivtagung in Paris verurteüt und verlangt wurde, daß der PV die Erklärung der Sieben unterzeichne und sofort Verhandlungen mit der KPD einleite so handschr. Aufzeichnung von Hertz vom 20. Dezember 1934, IISG, NL Hertz, S. 20, XXIII, und »Entw. der EntschUeßung«, masch. Orig. mit handschr. Verbesserungen, 1 S., IISG, Neu Beginnen, 5. 3°5 Vgl. Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 229-238. 306 Vgl. dazu vor aUem den Brief von Böchel an Aufhäuser, 7. Dezember 1934, in dem Bedenken des Karlsbader RS-Kreises gegen die KarteU-Erklärung angemeldet werden, aus Sorge um eine mögUche »Kompromittierung der Linken«; Bochéis taktische Ratschläge laufen darauf hinaus, einmal »durch einen Mittelsmann« zu versuchen, daß die KPD »von sich aus ein Angebot an den PV.« mache, zum anderen als PV-Minderheit »und mögüchst diesmal im Einverständnis mit G[eorg] Dfietrich] sofort bei dem Bericht über die Pariser Sitzung [der SAI] einen formuUerten Antrag einreichen, daß der PV. von sich aus ein Verhandlungsangebot macht« (auszugsweise in und zit. nach: Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 236; Kopie des Briefes mit handschr. Bitte an Wüü (MüUer), sich mit »Sepp« (NB-Pseudonym für Siegfried Aufhäuser) in Verbindung zu setzen, im IISG, Neu Beginnen, 5. 3°7 IISG, Neu Beginnen, 5: R. [Abkürzung nicht aufgelöst] an WilU MüUer, 18. Dezember 1934; am 6. Dezember 1934 hatte MüUer in einem Brief an Böchel und Karl Lange hervorgehoben, er warte noch auf »die Antwort unserer Freunde«, zit. nach: Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 234. -
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Die
Zwischengruppen und die Frage der Einheit
land gegen Hitler«. Kam noch hinzu, daß die Sozialdemokraten von der Saar mit dem Selbstbewußtsein auftreten konnten, nicht kampflos wenn auch unerdem Dritten Reich das Feld geräumt zu haben.308 In wartet hoch geschlagen der nächsten Zeit schlief die Pariser SPD-Gruppe; wer noch arbeitete, handelte allein oder höchstens mit ein paar engen Freunden zusammen.309 —
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Die
Zwischengruppen und die Frage der Einheit
Der Hauptgrund für die Nichtrealisierung der Ziele des »Kampfkartells« zwischen SPD-Gruppe und der AZ der SAP ist in der von vornherein verschiedenen Konzeption der von beiden Seiten angestrebten revolutionär-marxistischen Einheitspartei zu suchen. Die Mehrheit der in der SPD-Gruppe übriggebliebenen PV-Oppositionellen wollte nicht die alte Partei destruieren und an ihrer Stelle einen bildlich gesprochen Neubau errichten. Sie wollte vielmehr, unter Einbeziehung der verschiedenen Linksströmungen, die sich im Widerstand herausbüdeten, einen Außenposten hatten oder nicht hatten, die SPD von innen her erneuern, reorganisieren, revolutionieren. Letzteres beinhaltete nach den Worten von Schifrin: Abkehr von der Tradition von »Lassalle und Schweitzer über Vollmar und David zu Ebert und Leipart sowie der Politik seit dem 4. August 1914«; statt dessen Rückkkehr zu der als Kontinuität gesehenen Linie von »Marx, Engels, über Wilhelm Liebknecht und August Bebel zu Luxemburg über den Hüferding des >Finanzkapitals< zur USPD«.310 Damit war, zum Teü wenigstens, auch der Rückweg von Kommunisten zum Ausgangspunkt der KPD geöffnet. Ansonsten scheinen sich die oppositionellen —
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Zu den Voraussetzungen der Abstimmung und ihres Ergebnisses an der Saar vgl. Maria Zenner, Parteien und Politik im Saargebiet unter dem Völkerbundsregime 1920-1935, Saarbrücken 1966; ausführUch seitdem, eher der Sozialdemokratie verhaftet: Patrik von zur Mühlen, »Schlagt Hitler an der Saar!« Abstimmungskampf, Emigration und Widerstand im Saargebiet 1933-1935, Bonn 1979; der DKP-Sicht verhaftet: Luitwin Bies, Klassenkampf an der Saar 1919—1935. Die KPD im Saargebiet im Ringen um die soziale und nationale Befreiung des Volkes, Frankfurt/M. 1978. 309 »MateriaUen zur soziaüstischen Konzentration«, IISG, NL Hertz, S. 16, la, S. 3: »Abgesehen von der verbleibenden Grenzorganisation an der Saar bestand jedoch lange Zeit keine organisatorische Zusammenfassung der deutschen Sozialdemokraten in Frankreich. Eine in den ersten Jahren entstandene Pariser Gruppe scfüief ein. Die im Volksfront-Ausschuß beteiügten Sozialdemokraten handelten zunächst ohne sozialdemokratische Organisation, mit Ausnahme der in dieser Zeit gegründeten Arbeiterwohlfahrt.« 310 Alexander Schifrin, »Revolutionäre Sozialdemokratie«, in: Zß, 1933, Nr. 3, S. 86f.; ähnüch die Schrift Neu beginnen!; vgl. auch die in den oben zitierten Richtlinien der Pariser Gruppe der SPD zutage tretende Ideologie und Praxis der alten Sozialdemokratie, siehe dazu die informative Studie von Hans-Josef Steinberg, Sozialismus und deutsche Sozialdemokratie. Zur Ideologie der Partei vor dem 1. Weltkrieg Hannover 1967. 308
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II. Mikrokosmos
von
Organisationen
und Aktionen
Sozialdemokraten in Paris, jedenfaUs als Gruppe, vorerst wenig um die KPD gekümmert zu haben. Die AZ der SAP konnte sich die Konstruktion einer solchen neuen Partei nur nach der vöUigen Destruktion (der Reste) von SPD und KPD, einschUeßUch der beiden Internationalen, vorsteUen. Erst auf den Trümmern dieser Organisationen wäre, nach sorgfältiger theoretischer und organisatorischer Vorbereitung, das Neue, die »wahrhaft kommunistische« Einheitspartei samt einer neuen Internationale zu errichten.311 Die ersten Schritte in dieser Richtung Gespräche mit ISK, KP(D)0, Roter Stoßtrupp, LO bzw. IKD brachten aber bis zum Sommer 1935 mehr und mehr die ideologischen Gegensätze und die, jeweüs den anderen zugeschobene, Verantwortung für die Fehler in der Vergangenheit zutage, als daß sie konkrete Ergebnisse gezeitigt hätten.312 Die SAP war noch nicht bereit, den Anspruch, selbst »KristaUisationspunkt« für eine neue kommunistische Partei zu sein, aufzugeben; darüber hinaus wehrte sie sich gegen die sofortige Büdung einer rV. Internationale, wie dies von Trockij gefordert wurde.313 Im Herbst 1934 sah die AZ der SAP vorübergehend in der in Deutschland sich herausbüdenden Gruppe Neuaufbau einen neuen Ansatzpunkt zur ReaUsierung ihrer Ideen,314 die sie im übrigen im internationalen Rahmen durchzusetzen versuchte.315 Das Scheitern aUer Versuche der Auslandsleitungen der Zwischengruppen und hier dürfen NB und RS hinzugerechnet werden316 —, die notwendig erachtete Einheit der deutschen Arbeiterklasse auf der Grundlage marxistischer Prinzipien voranzutreiben, kann aber nicht aUein auf ideologische, taktische, rein gruppenegoistische Gegensätze und auf den diese fördernden Umstand der Emigration zurückgeführt werden. Gerade für die ihrem Selbstverständnis nach fundamental auf die Einheit ausgerichteten Gruppen war die Nichtexistenz einer intakten Auslandsorganisation der Gewerkschaften ein entscheidender Mangel. Die ADGBFührung hatte sich mit ihrem Versuch zur Anpassung an das NS-Regkne, der in —
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Vgl. Erbe, Der Sieg des Faschismus, S. 58ff; Drechsler, SAP, S. 338f. Vgl. Erbe, Der Sieg des Faschismus, S. 47f., 67 und passim. Über eine durch Vermittvon lung Trockij und Angeüka Balabanoff zustande gekommene Konferenz am 11. Oktober 1933 im Volkshaus von Antwerpen zwischen SAP, KP(D)0, ISK üegt ein 4 Seiten langer, aber offenbar nicht sehr gut informierter Bericht vor, mit handschr. Datumsvermerk »IV. 34?«, in BA/K, R 58/458: »Abschrift zu Ref. D. 6241«; vgl. auch Guérin, Front populaire témoignage militant, S. 58-61; ausführUch Foitzik, Zwischen den Fronten, S. 176ff. 313 Dazu Drechsler, SAP, S. 339-342; vor aüem jetzt, die Auseinandersetzungen auch in der Internationalen Arbeitsgemeinschaft (IAG) mit Büro in London, in der sich Unks311
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soziaüstische Parteien und Trockijs Internationale Kommunistische Liga (IKL) zusammengeschlossen hatten, mit berücksichtigend, Buschak, Undoner Büro, Kap. IV. 314 Vgl. Das Banner, 1934, Nr. 10, S. 7: »Ein AppeU zum Neuaufbau«. 3>5 Vgl. Drechsler, SAP, S. 338-341. 316 Sie hatten, wie auch bei Foitzik, Zwischen den Fronten, nachzulesen, eigene Vorstellungen über die Einheit der deutschen Arbeiterklasse entwickelt und versuchten diese zu reaüsieren; sie wurden von SAI und IGB respektiert.
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Die
Zwischengruppen
und die
Frage
der Einheit
der Teilnahme an der Feier zum 1. Mai 1933 gipfelte, völlig diskreditiert; die Organisation selbst war am Tage darauf zerschlagen worden.317 Erst 1935 bildete sich eine Auslandsvertretung der Deutschen Gewerkschaften (ADG), unter »Patronage« des IGB; sie hatte ihren Sitz in Komotau in der CSR und war sehr eng mit der Sopade verbunden.318 Erst 1937 wurde die »Landesgruppe Frankreich« der ADG gegründet.319 Für den in diesem Kapitel behandelten Zeitraum fiel also die bis zum Sieg des Nationalsoziaüsmus von den Zwischengruppen trotz aller Kritik und unberührt von den jeweiligen taktischen Konzeptionen einzig anerkannte Integrationsorganisation weg.320 Adressat ihrer (Einheits-)Theorien und praktischen Anweisungen zur Gewerkschaftsarbeit konnten jetzt nur noch ihre jeweiligen Zirkel innerhalb des Reichs sein; es fehlte das Korrelat, eben die zentrale Gewerkschaftsorganisation, die koordinierend und korrigierend sowohl in der Emigration als auch ins Reich hinein hätte wirken können.321 Die Zusam—
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Vgl. Hannes Heer, Burgfrieden oder Klassenkampf. Zur Politik der sozialdemokratischen Gewerkschaften 1930-1933, Neuwied Darmstadt 1971; Wolfgang Abendroth, Die deutschen Gewerkschaften. Weg demokratischer Integration, Köln 1954, S. 22-34; Hans-Gerd Schumann, Nationalsozialismus und Gewerkschaftsbewegung. Die Vernichtung der deutschen Gewerkschaften und der Aufbau der »Deutschen Arbeitsfront«, Hannover Frankfurt/M. 1958, bes. S. 49-75; Quellen Zur Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung im 20. Jahrhundert, Bd. 4: Die Gewerkschaften in der Endphase der Republik 1930—1933, hrsg. von Hermann Weber, Klaus Schönhoven und Klaus Tenfelde, bearb. von Peter Jahn unter Mitarbeit von Deüev Brunner, Köln 1988, Einleitung, S. 48ff., und Dokumente, bes. S. 821 ff. 318 Vgl. IISG, PTTI, 168 (ehem.: IPPT, 78, Nr. 5.5.4): hektogr. RSchr. vom Januar 1936, unterzeichnet von Heinrich Schüestedt, der als Sekretär fungierte; Kreyssig wkd dort als Mitarbeiter in Frankreich genannt; vgl. jetzt, auch zum folgenden: Quellen zur Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung im 20. Jahrhundert, Bd. 5: Die Gewerkschaften im Widerstand und in der Emigration 1933—1945, hrsg. von Siegfried Melke und Hermann Weber, bearb. von Siegfried Mielke und Matthias Frese, Köln 1999 (im folgenden zit.: Melke/ Frese, Quellen deutsche Gewerkschaftsbewegung Bd. 5); wk kommen an passender SteUe auf Darstellung und Dokumente zurück. 319 Vgl. BA/K R 58/560: RSchr. Nr. 1 der Auslandsvertretung der Deutschen Gewerkschaften (A.D.G, Sitz Komotau), Landesgruppe Frankreich, dat. Paris, 16. November 1937, 317
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unterzeichnet
vom
W. Schevenels für den
IGB,
von
Bruno
Süss, Heinrich Hafner, Ernst
Langendorf. 320 Vgl. Drechsler, SAP, S. 233f, 265f, passim; Link, ISK, S. 136ff., 146ff.; Tjaden, KPO, S. 224-238; bis Frühjahr 1936 sind konkrete praktische Ansätze zum (Neu-)Aufbau der Freien Gewerkschaften nur sehr sporadisch. 321 So gab jede Organisation, einschüeßüch Sopade und KPD (die zunächst ihre RGOPoUtik fortsetzte), z. B. bei den Vertrauensratswahlen 1933 und 1934 ihren iUegal arbeitenden Funktionären andere Anweisungen, wie sie sich zu verhalten hätten; es scheint aber auch, daß dem IGB nicht an einer Zusammenarbeit mit außerhalb der Sozialdemokratie stehenden Gewerkschaften und Gruppen gelegen war; so beunruhigte sich z. B. Schevenels, der Generalsekretär des IGB, ün Brief an WilU Müüer vom 26. September 1935 über heimüche Vereinheitlichungsbestrebungen der gewerkschaftlichen und poüti-
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II. Mikrokosmos
von
Organisationen
und Aktionen
menarbeit von ISK, NB und SAP mit der von Edo Fimmen geleiteten ITF ist ein Symptom für diesen Mangel, der dadurch andererseits nur in technischer Hinsicht und auch hier nur begrenzt ausgegUchen werden konnte: mit Hufe der ITF wurden die illegalen Schriften und die Anweisungen an die jeweiügen Zkkel
durchgegeben.322
Als erste fiel die KP(D)0 aus der theoretisch noch immer geltenden Konzeption der Zwischengruppen, wonach der Gewerkschaft die Funktion der Integration zugemessen wurde, heraus: Ihre Gewerkschaftsarbeit in der Illegaütät zielte deutlich und vornehmUch auf die Eroberung der Führung innerhalb einer wiedervereinigten KPD.323 Damit isoUerte sie sich von den anderen. SchüeßUch
wiederum die Saarländer, genau: etwa 100 Gewerkschaftler aus dem Saargebiet, die die Situation in Paris auch in dieser Frage verändern soüten.324
waren es
Propagandaarbeit in Deutschland (Gewerkschaftskomitee in Berlin), kündigte gleichzeitig einen internationalen Fonds zur Koordinierung unter IGB-Leitung und einen Kongreß des Koordinationskomitees an, IISG, Neu Beginnen, 8. 322 Vgl. Kliem, Neu Beginnen, S. 60f, 117, passim; Drechsler, SAP, S. 337, 340; Link, ISK, S. 178ff., 216f.; zur ITF vgl. jetzt Dieter NeUes, Widerstand und internationale Solidarität. Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (II t) im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, sehen
Essen 2001. 323 Vgl. Tjaden, KPO, S. 327f.; GdSt, 1934, Nr. 4, Mitte November: »Zusammenarbeit zwischen KP und KP(O) im Saargebiet«. 324 Siehe dazu Deutsche Volksfront Band 2, Abschnitte: Arbeitsausschuß zur Bildung der Volksfront im Saargebiet; Koordinationsausschuß deutscher Gewerkschafter.
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III.
Emigrantengruppen proben die Einigung Im Spätfrühling/Frühsommer 1935 werden verschiedene, teils parallel laufende Initiativen erkennbar, die deutsche Emigration in Frankreich in einer antifaschistischen Front zu einigen. Die Werbeoffensiven, Appelle, Organisationsprozesse, Rivalitäten, Kritiken und Strukturen werden in diesem Kapitel bis Anfang November 1935 nachgezeichnet.
Präliminarien Bei der vom Völkerbundsrat buchstabengetreu des Versailler Friedensvertrages auf den 13. Januar 1935 festgesetzten Volksabstimmung an der Saar war die antinationalsoziaüstische Freiheitsfront, oder: Volksfront wie der ehemaüge ZentrumspoUtiker und Reichskanzler Brüning sie Anfang Januar 1935 in einem Telegramm ermutigend angesprochen,1 die KPD sie bereits im Dezember 1934 genannt hatte mit ihrer Position des »status quo« der Deutschen Front aus bürgerUchen Parteien, kathoüscher Zentrumspartei, NSDAP und Gewerkschaften und deren Parole »Heim ins Reich!« überdeutUch unterlegen. Das Wahlbündnis zwischen der sozialdemokratisch-kommunistischen Einheitsfront und dem überkonfessioneUen Deutschen Volksbund für christlich-soziale Gemeinschaft aus ehemaügen ZentrumspoUtikern, einigen Geistlichen, Protestanten, christlichen Gewerkschaftlern, der Liga für Menschenrechte und mehr oder weniger Uberalen Demokraten aus dem Umkreis der Emigranten-Wochenzeitung Westland (ab 2. Dezember 1934: Grenzland)2 löste sich auf, die gesamte Statusquo-Bewegung, zu der auch andere (soziaüstische) Parteien und Gruppierungen gehört hatten, fiel wieder in ihre Einzelorganisationen und Partikularinteressen auseinander: Es gab nichts mehr zu wählen, aUenfaUs die eigene Identität zu verteidigen, und der Exodus begann spätestens nach der von aUen Regierungen, -
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1 Der Text des Telegramms, zu einem undatierten Plakat von 33,5 cm (hoch) x 48 cm (breit) aufgemacht, ist vorhanden im IISG, BG Dl 5/442 (vormals: Ikonographie: B 9837) und lautet wörtlich: »telegramm [-] Volksfront hohenzoUernstr [-] übermitteln sie den saarlaendern meine herzUchsten wuensche im kämpf fuer leben freiheit kkche [—] heinrich bruening« ([-] steht hier für Absätze/neue Zeüe); dazu, unter Nr. BG D15/441, ein trapezförmiges Plakat, mit grüner Aufschrift: »Konfisziert«. 2 An Westland, das als »Unabhängige deutsche Wochenzeitung« von Emigranten aus dem Reichsgebiet gegründet, von Siegfried Thalheimer in Saarbrücken herausgegeben und erstmals am 11. November 1933 erschienen war, arbeiteten allerdings auch sozialdemokratische (Konrad Heiden) und kommunistische oder der KPD zumindest nahestehende (Bernard von Brentano, Maria Leimer) Journaüsten mit; durch einen Strohmann üeß Goebbels die Zeirung aufkaufen, die Redakteure setzten sie als Grenzland bis zum Abstimmungstag fort, vgl. Maas, Handbuch Exilpresse, Bd. 1 (Grenzland), Bd. 2 (Westland) und zur Charakteristik beider Bd. 4, S. 506-510; vgl. Helmut Hksch, »Siegfried Thalheimer und die Widerstands-Wochenzeitung Westiand«, in: Düsseldorf '45. Bilanz Kultur und Gesellschaft von 1933 bis in die Nachkriegszeit, Düsseldorf 1992, S. 219-231. -
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147
IM.
Emigrantengruppen proben
die
Einigung
einschkeßüch der der UdSSR, mehr oder weniger laut begrüßten offizieUen Rückgüederung der Saar ans deutsche Reichsgebiet am 1. März 1935.3 Gravierender als der Auflösungsprozeß der ohnehin losen Status-quo-
Bewegung, weü die Durchbrechung der Sozialfaschismus-Poütik der Komintern vom Sommer 1934 rückgängig machend, war, daß auch der am 2. Juk 1934 geschlossene, mit einer gegenseitigen Nichtangriffs-Klausel versehene Aktionsein-
Saarlands (SPS) und der KPD/Saar zerbrach. Der von den beiden Unterzeichnern des Pakts, dem Sozialdemokraten Max Braun und dem Kommunisten Fritz Pfordt, gemeinsam heraus-
heitspakt zwischen der Sozialdemokratischen Partei des
Aufruf an die Saarbevölkerung, der zwei Tage nach der Abstimmung und die Erklärung »Die Einheitsfront gegen die Sozialreaktion an der erschien, Saar kämpft weiter und mahnt: Nun Einheitsfront gegen Sozialreaktion im ganzen Reich«, die auf einer Kundgebung in Saarbrücken am 29. Januar 1935 von sieben Organisationen beschlossen wurde, waren die letzten Zuckungen.4 Die SPS-Führung hatte den Pakt zunächst nur bis zum 13. Januar 1935 terminiert sehen woUen. Diese Position war aber noch einige Wochen vor einer diesbezügüchen Kritik von Wilhelm Florin, Mitgked des ZK der KPD, vom Oktober 19345 mit einem federführend von Braun formukerten Programm poktischer, wirtschaftlicher und sozial-kultureUer Forderungen, das für die Einheitsfront zu ihr zählten sich auch u. a. der Soziakstische Schutzbund und die Saarländische Soziaüstische Partei wie für das gesamte lose Status-quo-KarteU galt, aufgegeben worden. Es wurde erstmals auf einer Großkundgebung am 26. August 1934 in Sulzbach bekanntgemacht, von der KPD/Saar akzeptiert und im Dezember gemeinsam aktuaüsiert. Es soUte nach dem erhofften Sieg von
gegebene
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Zum Glückwunsch der UdSSR (Außenminister Litvinov) vgl. oben, S. 81; zur Dtevgl. oben, S. 141, Anm. 308, besonders, weü u. a. auch völkerrechtliche Probleme erörternd, von zur Mühlen, Schlagt Hitler an der Saar, S. 195-243; ergänzend zum Saarkampf siehe die dreibändige anthropologisch-soziologisch orientierte Untersuchung von Klaus-Mchael MaUmann und Gerhard Paul, Widerstand und Verweigerung im Saarland 1935— 1945, Bonn 1989-1995, dort ist der Abstimmungskampf allerdings eher Foüe für die DarsteUung der folgenden Jahre, zudem weitgehend in einzelne Biographien und poütische Gruppierungen zerspüttert ich komme an anderen SteUen auf DarsteUungen in den einzelnen Bänden zurück. 4 Vgl. Die Saar-Volksstimme, 1935, Nr. 12, 15. Januar; Rundschau (Basel), 1935, Nr. 11, 28. Februar, S. 588, die Erklärung ist unterzeichnet von: »Kommunistische Partei Saar, Kommunistischer Jugendverband, Internationale Arbeiterhüfe Saar, Sozialdemokratische Landespartei der Saar, Soziaüstische Arbeiterjugend, Arbeiterwohlfahrt, Das Präsidium des Saarländischen Sozialpoütischen Kampfkongresses«; der in NvdS, 1935, Nr. 7, 9. April, abgedruckte Glückwunsch der »Freiheitsfront Saargebiet« an die Danziger Sozialdemokraten zum Erfolg bei den Wahlen vom 7. April war nurmehr von dem sozialdemokratischen Kreis um Braun abgegeben. 5 W. MüUer [d. i. W. Florin], »Die Bedeutung des Kampfes für den Status quo ün Saargebiet«, in: Rundschau (Basel), 1934, Nr. 55, 18. Oktober, S. 2394-2396, hier S. 2395. 3
ratur
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Präliminarien
einer autonomen, parlamentarisch fundierten Regierung des »freien Saarstaats« unter dem Mandat des Völkerbunds verwirklicht werden. Hatten Komintern-Funktionäre im Frühsommer 1934 die KPD/Saar zu dem ersten offizieUen Pakt seit 1923 zwischen einer ihrer Sektionen mit einer der SAI angeschlossenen Partei drängen und sie von ihrer irrealen Parole »Rote Saar im Räte-Deutschland« abbringen müssen, wobei Herbert Wehner eine entscheidende MittlerroUe erfüUte, so warf sie ihr jetzt mittelbar, zu erkennen in Selbstkritiken und Apologien von KPD-Funktionären, vor, den nationalen Aspekt vernachlässigt, krationalen Triebfedern ungenügende Beachtung geschenkt und sich von der SPS ins Schlepptau genommen zu haben. Die Hauptschuld an der Niederlage wurde, außer auf die von den Nationalsoziaüsten beherrschte Deutsche Front und ihren Terror, auf die »Chefs« der Sozialdemokraten und KathoUken an der Saar abgewälzt: die Sopade und den Klerus bzw. den Vatikan.6 Die Niederlage der Einheitsfront und Volksfront an der Saar ereignete sich just in der Phase, in der die Kominternführung intern noch über die Linie des VII. Weltkongresses, der nach dem Wülen von Dimitroff eine Wende hin zu einem positiveren Verhältnis zur Sozialdemokratie bringen soUte, stritt; der Beginn des Kongresses war bereits vom September 1934 auf den 15. März 1935 verschoben worden (und begann schUeßUch erst am 15. JuU 1935).7 Die Ratlosigkeit, die Ambivalenz der Konzeption von Einheitsfront und Volksfront zeigt sich in der Resolution des ZK der KPD vom 30. Januar 1935, die, wie bereits gesagt, auf Druck der Kominternführung nach einer Sitzung voUer Tumulte verabschiedet wurde. Der Titel »Proletarische Einheitsfront und antifaschistische Volksfront zum Sturz der faschistischen Diktatur« erweckt den Eindruck, als
6 Richter (d. i. Hermann Schubert, Mtgüed des ZK der KPD) z. B. hatte in seinem Artikel »Im Kampf um die Saar«, in: Die Internationale, mimeograph. Ausgabe, 1934, H. 4 [erschienen frühestens im August], S. 36-40, Parteigenossen für den Starus quo agitiert und sich gegen »die chauvinistische FragesteUung: die Saar ist ein deutsches Land, die Saareinwohner sind Deutsche« (S. 39) gewandt; zur nachträgüchen (Selbst-)Kritik und Apologie innerhalb der KPD vgl. etwa Abschnitt »Der Saarkampf und seine Lehren« in der ZK-Resolution vom 30. Januar 1935 (siehe dazu den nächsten Absatz und Anm. 8); Rundschau (Basel), 1935, Nr. 4, 24. Januar, S. 189f.: Ernst Bayer [d. i. Alexander Abusch], »Die Saar>abstimmung< der Reichstagsbrand-Stifter«; ebd., Nr. 7, 7. Februar, S. 379f: kein Spiegelbild für Deutschland«; ebd., Nr. 8, 14. Februar, Ernst Bayer, »Die Saar S. 407f: G. S., »Der Saarkampfund die Einheitsfront«; ebd., Nr. 10, 21. Februar, S. 503f: Jan Jansen, »KathoUken und Saarabstimmung»; Kl, 1935, H. 4, 20. März, S. 288-300: Fritz David, »Die Abstimmung an der Saar«; vgl. Duhnke, KPD, S. 162. 7 Siehe Brief Dimitroff an StaHn, l.Juü 1934, mit Staüns handschr. Unterstreichungen und Kommentaren, in engl. Übersetzung in: Dimitrov and Stalin 1934—1943. Utters from the London 2000, Soviet Archives, ed. by Alexander DaUin and F. I. Fksov, New Haven S. 13f, Teü-Faksimüe des russischen Originals auf S. 15; zur Verschiebung des Weltkongresses vgl. ebd., S. 12 (Schluß der Einleitung der Herausgeber zum zitierten Brief); zum VII. Weltkongreß selbst siehe unten, bes. S. 233ff. -
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149
IM.
Emigrantengruppen proben
die
Einigung
woUe die KPD für das ganze nationalsoziaüstische Deutsche Reich fortsetzen, was die KPD/Saar mit Unterstützung zunächst einer Minderheit im ZK der KPD sie wurde erst am 27. Oktober 1934 vom EKKI gegen die Mehrheit der Ultraknken gestützt—, im Saarkampf seit dem 2. Juk 1934 verfolgt hatte. Nichts erweist sich bei genauer Lektüre als minder wahr.8 Im Gegensatz zur Poktik im Saarland zwischen Juk 1934 und Januar 1935, als man sich auch an der Entwicklung in Frankreich orientierte dort hatten die Parteiführungen von PCF und SFIO am 27. Juk 1934 nach widersprüchkchen Verhandlungen ebenfaüs einen, mit einer gegenseitigen Nichtangriffsklausel, versehenen Aktionseinheitspakt (pacte d'unité d'action) abgeschlossen und zu den Kantonalwahlen im Oktober des Jahres gemeinsam erfolgreich unter den Arbeitern, Bauern und Mittelschichten gegen die faschistischen Organisationen im Lande, gegen Wktschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Hunger, gegen die Notverordnungen der Regierung der Union nationale und für die Verteidigung der demokratischen Freiheiten agiert9 -, verfolgte die KPD für das nunmehr um das Saarland reichere nationalsoziakstische Deutschland die alte Taktik: Einheitsfront »von unten«, auf Betriebs-, Orts- und Bezkksebene und ein Abkommen mit der Opposition in der SPD gedacht war an die Revolutionären SoziaUsten, wie wir gesehen haben, womit aUerdings die -
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Vgl. oben, S. 81 und Anm. 40; außer in der vierzehntägüch erscheinenden KI, wie angegeben, ist die Resolution seinerzeit vorher veröffentlicht in: Rundschau (Basel), 1935, Nr. 10, 21. Februar, S. 551-555; danach wiederabgedr. in: Horst Laschitza/Siegfried Vietzke, Deutschland und die deutsche Arbeiterbewegung 1933-1945, Berün 1964, S. 304—317; vgl. Protokoll der »Brüsseler Konferenz« der KPD 1935, hrsg. von Erwin Lewin, Elke Reuter 8
dort
und Stefan Weber, München 1997, S. 866-868: Abdruck der Resolution des Poütsekretariats des EKKI vom 19. Januar 1935; gegen einige der Interpretationen der Resolution von in der Anm. 40, oben S. 81, genannten Autoren vgl. die Erörterung der Ungleichzeitigkeit, inhaltüchen und organisatorischen Ungleichheit in der poütischen Entwicklung wie in der Begriffsbestimmung von »Einheitsfront« und »Volksfront« bei PCF und KPD bei: Langkau-Alex, »Zur Genesis des Begriffs Volksfront«; siehe in diesem Zusammenhang z. B. auch: MüUer (Berün) [d. i. W. Florin], »Die geeinte antifaschistische Volksfront stürzt die faschistische Diktatur«, in: Rundschau (Basel), 1935, Nr. 8, 14. Februar, S. 417—419. 9 Der Parte d'unité d'action umfaßte sechs konkrete Punkte: Mobüisierung der Werktätigen (»population laborieuse«) gegen die faschistischen Organisationen, für deren Entwaffnung und Auflösung; Verteidigung der demokratischen Freiheiten, Forderung des Verhältniswahkechts und Auflösung des Parlaments; Agitation gegen die Kriegsvorbereitungen; Agitation gegen die Notverordnungen; Agitation gegen den faschistischen Terror in Deutschland und in Österreich, für die Freüassung von Thälmann und Karl Seitz und aüe eingekerkerten Antifaschisten vgl. Dok. Nr. 5, in: Lefranc, Histoire du Front populaire, S. 467-469; zur Geschichte vgl. die DarsteUungen und Deutungen z. B. bei dem soziaüstischen Zeitgenossen und Historiker Lefranc, ebd., S. 44 und 51—55, bei dem ehemaügen kommunistischen Funktionär Albert Vassart: CéUe and Albert Vassart, »The Moscow Origins of the French >Popular FrontVolksinteressen< gegen kapitaUstische Ausbeutung, Unterdrückung und Terror, woraus letztlich der »Kampf gegen die faschistische Diktatur, [... der] Kampf für die Aufrichtung der Diktatur des Proletariats, zur Schaffung eines freien soziaüstischen Räte-Deutschlands« resultieren soUte. Viel mehr aber noch als nach außen war die Resolution ein an die Parteimitgüeder gerichtetes Dokument, mit einer Kampfansage an die für die aufgezählten Fehler und Versäumnisse der Partei in der Vergangenheit schuldig befundenen »Versöhnler«.10 In ihrem ersten Kommentar zur Saarabstimmung nannte die Sopade fast die gleichen Gründe für die Niederlage der Status-quo-Front, die vorausgesehen, aber nicht in dieser Höhe (90,8 %) erwartet worden war, wie die Kommunisten. Als wichtigste der »Lehren von der Saar« sah sie, noch vorsichtig formuUert: »Der nun abgeschlossene Kampf an der Saar hat manche Dinge in einem neuen Lichte gezeigt. Auch denen, die bisher in der Büdung einer sozialdemokratisch-kommunistischen Einheitsfront das große Zaubermittel erbUckt haben, das alle Proletarierherzen gewinnt, und alle Kerker des Klassenstaates sprengt, mag er zu denken geben [...].«n Den Kampf »um Deutschland« gedachte sie offensichtlich ohne die Kommunisten zu führen, denen sie aUerdings in einem folgenden Artikel Mut, Aktionsfähigkeit, Kampfgeist, Umlernen und Konzessionsbereitschaft hinsichtlich des Programms für die Interimszeit des Status quo, jedoch Befangenheit in »alte[r] abgelebte [r] kommunistische [r] Phraseologie« und Mangel an »Psychologie« vorwarf.12 Es Idingt noch nicht an, was später fast übereinstimmende Meinung in der Sopade war: daß eine Einheitsfront mit den Kommunisten das Kleinbürger-
Laschitza/Vietzke, Deutschland und die deutsche Arbeiterbewegung S. 317; zum innerparteilichen Diskurs der Resolution vom 30. Januar 1935 vgl. auch Duhnke, KPD, 10
Zit. nach:
S. 150ff. 11 Siehe NV, 1935, Nr. 84, 20. Januar, Titelseite: »Lehren von der Saar. Die Saar ist verloren wk kämpfen um Deutschland!«, auch zum folgenden kurzen Zitat; vgl. zu ähnüchen oder anderen Kommentaren Gerhard Paul, Max Braun. Eine politische Biographie, St. Ingbertl987,S. 98f. 12 NV, 1935, Nr. 85, 27. Januar, S. 3: Hannes Wink, »Die Niederlage an der Saar«; vgl. Sozialistische Aktion, 1935, Ende Januar, (S. 7): »Wie die Saar fiel. Ein ungleicher Kampf«, wo den KathoUken vorgeworfen wkd, »voUständig« versagt zu haben. —
151
III.
Emigrantengruppen proben
die
Einigung
und das Bürgertum in die Arme Hitlers treiben werde. Im übrigen war man in Prag mit den »Sonderbestrebungen« der PV-Mitgüeder und Revolutionären SoziaUsten, Aufhäuser und Böchel, und mit der Miles- bzw. Neu BeginnenGruppe voUauf beschäftigt, sorgte sich höchstens noch um die Saar-Flüchtlinge, wie im Neuen Vorwärts und in den ProtokoUen der Vorstandssitzungen nachzulesen ist. turn
Neuanfange und Appelle Ende Mai
1935, knapp zwei
Monate nach Rückgabe man kann auch sagen: des Saarlandes an NS-Deutschland -, griff Max Braun den »GedanAuskeferung ken einer großen Freiheits- oder Volksfront für den Kampf gegen Hitler« wieder auf, diesmal für die gesamte Emigration aus Deutschland. Die gezielte Werbung für seine Idee setzte er bei den emigrierten Demokraten und den Kathoüken aus dem Saarland und vor aUem bei jenen aus dem Reich an, die die Status-quoKampagne an der Saar von außen, von Frankreich oder anderen Emigrationszentren aus, auf mannigfaltige Weise und öffentkch unterstützt hatten. Auf einer Rundreise besprach er sich in Paris zunächst mit Georg Bernhard, dem Chefredakteur des Pariser Tageblatts. »Ende Juni« folgte ein zweites Gespräch mit Bernhard, bei dem der Sozialdemokrat (Menschewik) Georg Juri Denicke Braun nennt ihn gleich fast aüen Mit-Emigranten mit seinem Pseudonym [Professor, oder: Georg] Decker anwesend war. Mit Denicke aüas Decker hatte Braun von 1933 bis zum Januar 1935 poütisch und journalistisch an der Deutschen Freiheit zusammengearbeitet. Über das »vollkommene [] Einverständnis« beider Gesprächspartner informierte er WiUi Münzenberg über dessen engsten Mitarbeiter und Sekretär des WelthUfskomitees für die Opfer des Hitler-Faschismus, Hans Schulz, da Münzenberg selbst abwesend war. Danach nahm Braun direkte Verbindung »zur kathokschen Seite auf, die grundsätzkch zusagte« und versprach, bis »zum 15. August« offizieU zu antworten und Namen anzugeben. Über dieses Zwischenergebnis unterrichtete er u. a. seine ehemaügen Mitarbeiter bei der SaarVolksstimme Konrad Heiden und Max Hofmann, sowie Emil Kirschmann, der nach seiner Flucht nach Saarbrücken Parteisekretär der SPS war.13 —
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13 Siehe Landesarchiv Berün (künftig zit.: LA Berün), Rep. 200, Acc. 3983 (Teü-NL Albert Grzesinski), Nr. 2: RSchr. Braun an »Sehr geehrte Freunde!«, 4. August 1935, hektogr., daraus die Zitate; vgl. ebd. den etwas summarischeren Brief von Braun an Sopade, 6. August 1935, Ds von As, beide Briefe mit RSchr. Braun vom 10. August 1935 an »Werte Genossen« geschickt (ebd.); Paul, Max Braun, S. 97—99, erkennt in Brauns durchgängigen Bemühungen um »eine Neuauflage der Saar-Einheitsfront« ohne daß er auf diese Episode eingeht ein »Nichtbegreifen« der poütischen und psychologischen Reaütäten an der Saar vor und nach der Abstimmung und ein Versteifen darauf, daß die Niederlage Terror, Manipulation, Fälschung und Verrat zuzuschreiben sei. -
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152
Neuanfänge
und
Appelle
Am 10. Juni war Max Braun in London mehr oder weniger zufäUig mit Bruno Frei, dem Chefredakteur des Gegen-Angriffs in Prag, zusammengetroffen. Er übergab ihm ein Exposé »über die außen- und innenpoütische Bedeutung einer solchen Sammlung«, wie er sie mit Georg Bernhard besprochen hatte.14 Zwei Tage vorher hatte Der Gegen-Angriff'unter der Losung »Man muß etwas tun!« vorgeschlagen, eine »Deutsche Einheitsfront gegen [den] Hitler-Terror«, die die Unterstützung der Opfer einschüeßen soUte, zu schaffen, und die Leser zu »Zuschriften an die Redaktion« aufgefordert.15 Zur Erklärung dieses Aufrufs bieten sich mehrere Interpretationen an: Frei woUte oder soUte die Ablehnung des Vorschlags des ZK der KPD vom 1. Juni 1935 durch den Prager PV der SPD, ein deutsches Hüfskomitee »für die Opfer des Terrors und deren Angehörige zu büden« aus KPD, SPD, »Vertreter[n] der KathoUken, der InteUektueüen und anderer antifaschistischen Kreise«,16 auffangen und auf diese Weise neu und am PV der SPD vorbei lancieren; die deutschen Emigranten soUten auf den 7. SoUdaritätstag der IAH, der gegen Ende Juni in Paris stattfinden soUte, vorbereitet werden; eine Kombination beider Motive. Vom 22. Juni an veröffentlichte der Gegen-Angriffeinige Wochen lang unter der Rubrik »Man muß was tun!« SteUungnahmen unter anderen von Alfred Kerr, Hanns Eisler, Rudolf Leonhard, Balder Olden, Emil J. Gumbel, Heinz Liepmann, Klaus Mann, Oskar Maria Graf, Josef Halperin, Ernst ToUer. Sie alle waren SchriftsteUer, Pubüzisten, und sie hatten sich im September 1934 für den Status quo an der Saar erklärt was insgesamt auf eine gezielte MobiUsierung auch im HinbUck auf den bevorstehenden SchriftsteUerkongreß hindeutet.17 Max Braun selbst erschien am 22. Juni neben Wilü Münzenberg, dem Generalsekretär der IAH, und dem Regisseur und Theatermacher Erwin Piscator mit einem direkten Beitrag zum Soüdaritätstag, von der Redaktion als »zugleich eine Antwort auf den AppeU des >Gegen-Angriff«< präsentiert.18 Der 7. Soüdaritätstag der IAH fand am 23. Juni 1935 im Pariser Vorort Montreuü statt; das war am dritten Tag des Internationalen SchriftsteUerkongresses zur Verteidigung der Kultur in Paris. MögUcherweise wurde der von einem Initiativ-
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14 Vgl. die in der vorigen Anm. zitierten Schreiben Brauns vom 4. und 6. August 1935, Zitate aus dem Brief an die Sopade vom 6., worin das Zusammentreffen mit Frei ausdrücküch als »ZufaU« bezeichnet und auf »anfangs Juni« datiert ist, der Monatstag ist im RSchr. vom 4. August angegeben. 15 In: GA, 1935, Nr. 23, 8. Juni, S. If. 16 Zitate aus dem Brief des ZK der KPD an den »Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Prag«, 1. Juni 1935, IISG, NL Hertz, S. 16, lg, vgl. oben, S. 78. 17 Vgl. von zur Mühlen, Schlagt Hitler an der Saar, S. 215. 18 GA, 1935, Nr. 30, S. 2: Max Braun, »Opfert den Opfern!«; ebd., S. 3: WiUi Münzenberg, »Für das heldenhafte Proletariat«; auf ders. Seite: Erwin Piscator, »Was tatest Du in dieser Minute?«; ebd., S. 6: Beginn des Abdrucks von SteUungnahmen zum AppeU des
Gegen-Angriffs.
153
IM.
Emigrantengruppen proben
die
Einigung
komitee französischer SchriftsteUer, an dessen Spitze Henri Barbusse stand, Anfang April 1935 für den 3. Juni und folgende Tage angesetzte SchriftsteUerkongreß verschoben, nachdem die IAH im Mai ihren Termin definitiv festgesetzt hatte.19 Eine zeitliche Kombination beider Veranstaltungen konnte ihren gemeinsamen tieferen Zielen, der Sammlung und Stärkung der Antifaschisten, größere Resonanz verleihen. Sprach der SchriftsteUerkongreß die InteUektueUen an, so manifestierte sich auf der IAH-Soüdaritätstagung das »Volk«: mehr als 60 000 Menschen nahmen teü, organisiert in Parteien wie PCF, SFIO, Radikalsoziaüstische Partei, in Gewerkschaften, Unken Frontkämpfer-Verbänden, überparteiüchen Organisationen mit humanitären Zielsetzungen wie die Ligue des droits de l'homme. Kurz: es war eine Demonstration des und für das Rassemblement populaire, wie die Nichtkommunisten, voran die SFIO, den Front populaire vorerst noch nannten.20 Die Soüdarität mit den deutschen Hitlergegnern, die sich an der Kampagne zur Freüassung von Thälmann entzündet und selbst zur Einigung zwischen den französischen Kommunisten und SoziaUsten beigetragen hatte, mündete nun in den Mahnruf an die »Vertreter aUer antifaschistischen Parteien und Organisationen Deutschlands«, sich endüch zu einigen: »Denkt an die ungeheuren Opfer, die ihr gemeinsam bringen mußtet; denkt an euer versklavtes und gefoltertes Volk; denkt an den Frieden der Welt! Vereint eure Kräfte gegen den Todfeind der Menschheit, den Faschismus.«21 Von Emigranten, die jahrelang vergebkch das gleiche gefordert hatten, wurde der Montreuü-Aufruf als wülkommene Einmischung in die Auseinandersetzungen, ja Feindschaften innerhalb der deutschen antifaschistischen Emigration begrüßt. Heinrich Mann etwa würdigte den Aufruf darum als für die Zukunft vieUeicht vielversprechende »große Neuheit«.22
Vgl. Henri Barbusse, »Un congrès international des écrivains«, in: Monde, Nr. 330, April 1935, S. 3; Aufruf der IAH in: UZ, 1935, H. 4/5, Mai, S. 72f. 20 Vgl. Eine Aufgabe. Die Schaffung der deutschen Volksfront, hrsg. von der Deutschen 19
5.
Freiheits-Bibüothek in Paris, Basel 1936, S. 3f. 21 Zitat aus dem Montreuü-Aufruf, in: GA, 1935, Nr. 27, 5. JuU, S. 2: »Einheitsfront gegen Hitler AppeU an aüe deutschen Organisationen, die für Frieden und Freiheit kämpfen«; eine redaktioneUe Vorbemerkung macht den PV in Prag für das bisherige NichtZustandekommen der deutschen Einheitsfront verantwortlich; vgl. ebd., Nr. 26, 29. Juni, mit einer ausführüchen Berichterstattung über Montreuil und mit Polemiken gegen die Parteüeitung der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakei (DSAP) und gegen die Sopade, denen die SFIO als leuchtendes Beispiel für Einheitsfront entgegengehalten wkd. 22 Heinrich Mann, »Eine große Neuheit«, in: NWB, 1935, Nr. 36, 5. September, S. 1119-1122; Nachdruck in: Heinrich Mann, Verteidigung der Kultur. Antifaschistische Streitschriften und Essays, Hamburg 1960 (Sonderausgabe der Wissenschaftlichen BuchgeseUschaft Darmstadt), S. 181-186; in: Eine Aufgabe, S. 4—6, sind seinerzeit u. d. T. »Die große Neuheit« nur die letzten fünf Absätze übernommen worden. -
154
Neuanfänge
und
Appelle
Tage nach Montreuü und einen Tag nach dem Ende des SchriftsteUerkongresses, auf dem nach den Worten des PubUzisten Wolf Franck die Deutschen zur Selbsterkenntnis gelangten, »aber noch [...] wortlos auseinander[gingen]«,23 folgte im Pariser Tageblatt der Leitartikel von Konrad Heiden, »Heraus ein Aufruf an die Emigranten, sich auf ihre Aufgabe aus der ZerspUtterung!«24 sich sammeln und zu einigen zum Kampf für Freiheit und Soziazu zu besinnen, Usmus, die er als Äquivalente sah, und zur Neugestaltung Deutschlands und Europas. Es war der erste Beitrag im Pariser Tageblatt überhaupt, der sich poUtisch mit der deutschen Emigration befaßte. Heidens AppeU darf auch als Resultat der Informationen von Braun über seine Gespräche mit Chefredakteur Bernhard und Denicke gewertet werden; Brauns oben zitierte Datierung »Ende Juni« wäre demnach etwas großzügig zu sehen. Mögücherweise half darüber hinaus die Agitation von kommunistischen KoUegen im Umkreis des SchriftsteUerkongresses.25 Noch Ende Juni wandte sich August Stern, der ehemaüge (Chef-)Redakteur von Westland und Grenzland,26 Autor dann des Aufrufs »Vorwärts zur Einheit!«,27 zusammen mit Wilhelm Koenen von der KPD »an eine Reihe von Leuten [...], um die Konstituierung eines Vorbereitenden Ausschusses zur Schaffung der Volksfront zu besprechen«.28 Vor dem Hintergrund der hartnäckigen Weigerung des SPD-Vorstands in Prag, mit dem Zentralkomitee der KPD eine Einheitsfront einzugehen, einerseits, der noch Ungewissen Entscheidungen des bevorstehenden VII. Weltkongresses der Komintern andererseits, muß Koenens Aktivität als offizieUer >VersuchsbaUon< der KPD-Führung erscheinen, war er doch Mitgüed des Zentralkomitees. Für diese Deutung spricht eine Passage aus Wilhelm Piecks »Notizen zur Lage der KPD« vom 1. Juü 1935: »Es ist zu überlegen, ob wk nicht mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit treten, eine Konferenz einzuberufen, auf der die Frage der Schaffung der Einheits- und Volksfront gesteUt [...] wkd.«29 Drei
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23 Wolf Franck, Führer durch die deutsche Emigration (Phoenix-Bücher, Nr. 4), Paris: Éditions du Phénix 1935, S. 53. 24 In: PT, 1935, Nr. 657, 26. Juni, Titelseite. 25 Siehe dazu Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, BerUn (künftig zit.: SAPMO), Ry 1, I 2/3/418 (Film: FBS 278/12580), Bl. 8-9: Bernard [d. i. W. Koenen], »An Eiche!« [d. i. Poütbüro/Pieck in Moskau], 17. August 1935, handschr. oben S. 1: »Betr. S.P.D. Besprechungen. Eüt.«, Datum des Eingangsstempels: »29. Aug. 1935«. 26 PA-ULA: Helmut Hksch, selbst einst Mitarbeiter an beiden Zeitschriften, an ULA, 25. Aprü 1979: Stern sei nicht Chefredakteur (wie in Volksfront für Deutschland?, dann in BHB 1, angegeben), sondern nur Lokakedakteur gewesen. 27 In: Volksfront, Nr. 2, 1. Septemberhälfte 1935. 28 Scheer, Paris, S. 133f. 29 Zit. nach: Vietzke, Brüsseler Konferenz S- 195.
155
III.
Emigrantengruppen proben die Einigung
Ein mit 11. Juü 1935
datierter, vermutlich ebenfaUs von Pieck verfaßter und dem
Poütbüro vorgelegter »Diskussionsvorschlag zur Volksfrontpoütik in Deutschland« besagte: »Einen offenen Brief an den sozialdemokratischen Parteivorstand, an den Vorstand der Zentrumspartei, an alle kleinen Spüttergruppenf,] die gegen die Hiderdiktatur kämpften[,] zu richten, mit dem Ziel der Organisierung einer gemeinsamen Konferenz aller gegnerischen Organisationen des faschistischen Regimes in Deutschland.« Der Brief soUte vom ZK der KPD ausgehen und so die Punkte 1 bis 3 unter »Weitere Vorschläge« »in Abschrift an aüe großen Zeitungen Europas geschickt [...,] in hunderttausend Exemplaren im Lande verbreitet [... und] durch die dazu beauftragten Personen, an aüe Organisationen der Sozialdemokratie, der Zentrumspartei und andere Gruppen im Auslande, im Inlande sowie in Danzig überreicht werden«. Er hatte »Not, Unterdrückung, physische und seeüsche Marterung«, des weiteren »Kulturrückgang«, »Gewissenszwang«, »Terrorf ]«, »Unfreiheit« zu thematisieren. Oberstes Ziel war, »um Frieden und Freiheit wülen den Sturz der Hitlerdiktatur schneüstens herbeizuführen«, wozu sich das ZK der KPD bereit erklärte, »mitjeder Organisation [...] z/lsammen^!iar^eiten und zusammen zu kämpfen«. Ferner soUte das ZK »aUen in Deutschland existierenden oppositioneüen Organisationen vorschlagen], in einer gesicherten, nicht öffentlichen gemeinsamen Konferenz [...] zu der einen Frage SteUung zu nehmen: »Wie können wir zusammenarbeiten und zusammenkämpfen [sie] für Frieden, Freiheit und Brot[J für das gemeinsame Ziel, den Sturz der faschisti-
-
schen Diktatur«. Dabei soUte aUerdings »auf prinzipieüe Erörterungen« verzichtet werden. Der letzte, fünfte Punkt unter »Weitere Vorschläge« lautet: »Das Z.K gibt Direktiven an die Partei und erläßt gleichzeitig eine Aufforderung an die sozialdemokratischen und kathoüschen Anhänger im Lande zur Zusammenarbeit zu schreiten und ülegale Volksfrontkomitees zu büden.« Und unter Punkt 4 heißt es: »Münzenberg wird beauftragt[J im Namen des Z.K. mit einer Anzahl von Persönkchkeiten, darunter auch der Zentrumspartei[,] Besprechungen zu ma-
chen.«30
30
Aüe Zitate und
11. 7. 35.
Paraphrasierungen
Diskussionsvorschlag
zur
nach SAPMO,
Volksfrontpoütik
in
Ry 1, I 2/3/418,
Bl. 2-4:
»/L
Deutschland«; Vietzke, Brüsseler
Konferenz S. 195ff., behandelt das Dokument sehr kurz und geht ausführUch nur auf einen Brief der KPD-Führung an die KPD-Organisation in der vom Völkerbund garantierten Freien Stadt Danzig vom 14. Juü 1935 ein: mit der SPD und dem Zentrum sei eine »Volksfront« herzusteUen, die Opposition von Deutschnationalen gegen die NSDAP auszunutzen, eventueU eine Volksfront-Regierung zu propagieren und ein Minimalprogramm aufzusteUen. 156
Neuanfänge und Appelle Der hier ziemüch ausführlich wiedergegebene »Diskussionsvorschlag« interessiert aus mehreren Gründen. Er zeigt, daß nach wie vor die Taktik der Einheitsfront »von unten« gut, um eventueU ein Abkommen mit den Parteispitzen zu erreichen, wie auch in den Berichten, Resolutionen und Artikeln in aUen Ausgaben der illegal in Deutschland verbreiteten Reichsausgabe der Roten Fahne, mehr noch als im GegenAngriff nachzulesen. Eigene Verluste in der Ulegalen Arbeit, auf die wk noch zurückkommen werden, durch Einflußnahme auf SPD- und ZentrumsAnhänger zu kompensieren, dürfte eines der Motive für diese Agitation und
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Propaganda gewesen sein; daß die KPD-Führung der SPD, die immerhin aufgelöst wurde, aber schon vorher (TeU-)Vorstand und Büro im Exil eingerichtet hatte, den gar nicht mehr existierenden Vorstand der selbstaufgelösten Zentrumspartei gleichsten. Dies, zusammen mit der vorgesehenen Agitierung der (ehemaügen) Mitgüeder von »kleinen SpUttergruppen«, von vieUeicht klandestinen Zkkeln innerhalb Deutschlands und Gruppen im Ausland, bedeutet reaüter nichts
anderes, als daß die »Antifaschistischen Aktion« von 1932 noch immer das GrundmodeU ist; daß nur die Gegenwart zählen, die PoUtik in der Vergangenheit und vor aUem
ein nach-nationalsoziaUstisches Deutschland nicht zur Debatte stehen soU. Weg und Ziel sind in der ZK-Resolution vom 30. Januar 1935 festgeschrieben: »durch die Gewinnung der Verbündeten aus aUen Schichten des werktätigen Volkes die breiteste antifaschistische Volksfront herzusteUen zur Volksrevolutionfür ein freies sozialistisches Deutschland der Rätemacht7«;31 daß die Wahrung des Friedens wieder Priorität erhält und Münzenberg, wie bereits vor 1933, damit betraut werden soU, der KPD fernstehende Persönüchkeiten dafür zu gewinnen. Mit der Friedensfrage wkd nach dem vom PV der SPD abgelehnten Angebot des ZK der KPD vom 1. Juni 1935, über die >SoUdarität< »aUe Kräfte zusammenzufassen«, die im ebenso abgelehnten Vorschlag vom 1. April enthaltene Idee, in Deutschland gemeinsame Komitees gegen Hitlers KriegspoUtik zu bilden, wieder an die erste SteUe gerückt.32 —
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31 KI, 1935, Nr. 8, 20. Aprü, S. 662, Hervorhebung dort, nicht so bei Laschitza/Vietzke, Deutschland und die deutsche Arbeiterbewegung S. 305. 32 Zitat aus dem Brief des ZK der KPD an den »Vorstand der Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands in
Prag«, 1. Juni 1935, vgl. oben Anm. 16 dieses Kapitels; siehe zum in Deutschland vom 1. April 1935 auch oben, S. 153 und Komitees gemeinsamer Angebot 81; vgl. dazu auch W.-F., »Einheitsfront gegen Hitlers KriegspoUtik«, in: Rundschau (Basel), 1935, Nr. 16, 4. April, S. 823-826 die Initialen stehen wohl für Walter [Ulbricht] und Franz [Dahlem]; RF, Reichsausgabe, 1935, Anfang April, S. If.: »Gegen Krieg, Hunger -
und Faschismus! Für Frieden, Freiheit und Brot! Aus dem Manifest des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands gegen die faschistische Müitärdienstpflicht«;
157
III.
Emigrantengruppen proben
die
Einigung
Die Argumente des PV der SPD gegen die Einheitsfront-Vorschläge des ZK der KPD bewegten sich stets auf den Linien: Manöver der KPD zur Unterwanderung der SPD und letztlich zur Zerstörung der Autorität des Parteivorstands, und: die kommunistischen ZeUen sind mit NS-Spitzeln durchsetzt. Die strikten Vorbehalte konnten im nachhinein, Anfang 1936, am Beispiel der Abkommen zwischen den Bezirksleitungen der SPD und der Roten Hufe in Berün-Brandenburg vom Juni 1935 mit konkreten Vorwürfen der ersteren gegen die Poütik der Roten Hufe belegt werden.33 Indes, allein schon das Zustandekommen der schriftlich festgehaltenen und unterzeichneten Abkommen vom 16./20. Juni dürfte, obgleich vom ZK der KPD der RHD vorgegeben und auf gemeinsame »Hufe für die Opfer des faschistischen Terrors«, »Aufbringung der Unterstützungsmittel« und »Abwehrkampf gegen den faschistischen Terror, sowie gegen Spitzel und Verräter« beschränkt, die Erarbeitung des »Diskussionsvorschlagfs] zur Volksfrontpoütik in Deutschland« beflügelt haben.34 Mitte Juü reagierte Bruno Frei auf das Exposé, das Max Braun ihm in London überreicht hatte. Er schrieb aus Prag, so Braun im Rundschreiben vom 4. August 1935, »mein Eindruck von der Wichtigkeit und Nützkchkeit der Aktion ist heute, wenn mögkch, noch stärker als bei unserer Zusammenkunft«, doch bat er, so Braun weiter, jedoch nicht wörtlich zitierend, »um etwas Geduld [...], da die Abwesenheit mehrerer Freunde ihn etwas behindere«.35 Daß Münzenberg am siehe auch die mimeographierte, für Innerdeutschland bestimmte, undatierte Sonderausgabe der Kommunistischen Internationale mit Dokumenten und Beschlüssen der KPD und des KJVD, wo unter Dok. I, »Die antifaschistische Einheitsfront und antifaschistische Volksfront zum Sturz der faschistischen Diktatur«, auf das Gesetz vom 16. März 1935 im Stile der ZK-Resolution vom 30. Januar 1935 mit der Aufforderung zur Einheitsfront und Volksfront gegen die »sozialdemokratische Ideologie und opportunistischen EntsteUungen unserer Parteüirüe« geantwortet wkd, vorhanden ün BA/K, R 58/408, dort handschr. von Ref. A 1A (A) versehen mit: »Bin d. 30. 10. 35«. 33 Siehe, auch zum folgenden, IISG, NL Hertz, S. 16, lg: »Material über das Abkommen zwischen den Bezirksleitungen der SPD und der >Roten Hüfe< in Beriin-Brandenburg«, 6 S. hektograph., o. D., auf S. 1 oben in Hs OUenhauer: »E O«, mit dem Abkommen (erstes Abkommen) vom 16. Juni, dem »Vorläufige[n] Zusatzabkommen« vom selben Tag und dem »Ausführungsabkommen« zur organisatorischen, »überparteüichen« Verfestigung vom 22. Juni 1935; ein eingehefteter, handschr. Zettel, dat. »Berün, 30. 12. 35«, lautet: »Hiermit bestätigen wk, daß die Tatsache des im Juni 1935 zwischen den BerUner Leitungen der S.P.D. und R.H.D. abgeschlossenen Einheitsabkommens dem Parteivorstand der S.P.D. in Prag schriftlich spätestens Ende Dezember zur Kenntnis gebracht
wurde.« 34 GA brachte die Vereinbarung aüerdings erst in Nr. 29 vom 19. JuU 1935, jedoch groß aufgemacht auf der Titelseite: »Einheitsfront gegen Hitler-Terror in Berün. Kampfvereinbarungen zwischen SPD Berün-Brandenburg und Bezkksvorstand der Roten Hufe«. 35 Zitate aus RSchr. Braun vom 4. August 1935; gegenüber der Sopade gab Braun im Brief vom 6. August 1935 Freis Mtteüung unpersönüch wieder: »daß man kommunistischerseits von der Mögüchkeit und Wichtigkeit einer solchen Aktion heute noch
158
Neuanfänge 20. Juü eine Reihe
und
Appelle
PersönUchkeiten anschrieb, um den »SammlungsgedanwoUte Braun hoffnungsvoll »als Antwort auf meine Initiaken[ ]« besprechen, als KP« Antwort der tive, sehen, setzte aber vorsichtshalber ein »Wenn« hinzu.36 Seiner Ansicht nach konnte es sich »nicht darum handein, die Zahl der Komités um eines zu vermehren, sondern nur darum, dem antihitlerischen Kampf eine gemeinsame Spitze zu geben, über deren außen- und innenpoUtische Bedeutung ebenso wie über ihre poUtische Zweckmäßigkeit hier keine näheren Erläuterungen gegeben zu werden brauchen«. Da er Eüe geboten sah, drängte er die Empfänger seines Rundschreibens auf schnelle Antwort an seine »vorläufig^]« Adresse: »PostschUessfach 44, ForbachMoseUe France«, doch schlug er gleichzeitig vor, »die Initiative für die erste vorbereitende Sitzung den Herren Georg Bernhard, Johannes Hoffmann (f. d. KathoUken), Wilü Münzenberg und mir zu überlassen«.37 von
zu
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stärker beeindruckt als bei unserer Londoner Zusammenkunft sei«, die Bitte um »Geduld« wurde nicht kolportiert beide Schreiben im LA Berün, Rep. 200, Acc. 3983 (siehe oben Anm. 13 dieses Kapitels). 36 Ebd., »Sammlungsgedanken[ ]« im Brief an die Sopade, die weiteren Zitate aus RSchr.; Münzenberg hatte folgende PersönUchkeiten angeschrieben: Georg Bernhard, Max Braun, Lion Feuchtwanger, Karl Emonts, Hellmut von Gerlach, Victor Basch, Emü J. Gumbel, Rudolf Olden, Hans Siemsen, Anna Siemsen, Hugo Simon, Kurt Rosenfeld, Ernst ToUer; Braun fügte im RSchr. hinzu: Georg Decker, Rudolf Hilferding, Max Hofmann, Konrad Heiden, Albert Grzesinski, Emil Kirschmann, Karl Raloff, Hans Hirschfeld, Gerhard Seger, Rudolf Breitscheid; Münzenberg war offensichtUch vom PoUtbüro, das am 15. und 16. JuU getagt hatte, autorisiert worden, zur Poütbüro-Sitzung vgl. Karlheinz Pech, Die Kommunistische Partei Deutschlands im Ringen um einen antifaschistischen deutschen Volksfrontausschuß im Exil in Frankreich (1934 bis Sommer 1936), Diss. zur Promotion B, Instirut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, September 1986, als Ms vervielfältigt, S. 53f. (künftig zit.: KPD Volksfrontausschuß); ein auf den 2. August 1935 datierter Brief von Münzenberg wohl, wie so oft, die Unterschrift in der Handschrift seines Sekretärs Hans Schulz, denn er selbst nahm am VII. Weltkongreß der Komintern in Moskau teü war an Otto Klepper gerichtet, vermutlich auch an Carl Spiecker; dem Brief Kleppers an Spiecker vom 8. August 1935 ist zu entnehmen, daß auch Robert René Kuczynski, FeUx Boenheim und Otto Lehmann-Russbüldt zu den Angesprochenen gehörten, vgl. Bundesarchiv Berlin (künftig zit.: BA/B), N 2290 (NL Carl Spiecker), Bd. 8, Bl. 18: Klepper an Spiecker, 8. August 1935, und Bl. 19: Klepper an Münzenberg, 8. August 1935. 37 AUes Vorstehende aus RSchr. Braun vom 4. August 1935 (siehe oben Anm. 13). -
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159
IM.
Emigrantengruppen proben
die
Einigung
Vorläufiger und Vorbereitender Volksfrontausschuß Inzwischen hatten in Paris bereits mehrere Zusammenkünfte in losem Kreise stattgefunden, auf denen über die verschiedenen Anregungen zur Zusammenfassung der Kräfte seit der ersten Juni-Hälfte diskutiert wurde.38 Neben Stern und Koenen finden sich unter den Teünehmern der ersten Sitzungen folgt man einem Brief von Maximikan Scheer an Hermann Budzislawski, den Herausgeber und Chefredakteur von Die Neue Weltbühne (NWB) in Prag, von Anfang Oktober 1935:39 die SchriftsteUer Heiden, Leonhard, Scheer; der Historiker George W. F. HaUgarten, der eine Dozentur an der Ecole des Hautes Etudes Internationales in Paris erhalten hatte; der frühere Frankfurter Soziologie-Professor Gottfried Salomon, der inzwischen am Institut Germanique der Sorbonne in Paris lehrte;40 die Ärzte Boenheim und Glaser; »Leute vom ISK«, darunter wohl Wüü Eichler.41 Es fäUt -
3« Vgl. Scheer, Paris, S. 112f. und S. 147; vgl. SAPMO, Ry 1, I 2/3/418, Bl. 8-9: Bernard [d.i. W. Koenen] »An Eiche!« [d.i. PoUtbüro/Pieck], 17. August 1935 (siehe Anm. 25 dieses Kapitels), dort sind die ersten informeUen »Einzelbesprechungen und Korrespondenzen« auf die Zeit noch vor, dann während des SchriftsteUerkongresses datiert (den IAH-Soüdaritätstag erwähnt er nicht); insofern könnten Datierung und Substanz eines Spitzel-Berichts über eine »Arbeitssitzung« im Hotel Angleterre in Paris am 22./23. |uü 1935 zutreffen, auf der hauptsächüch darüber diskutiert worden sei, »ein internationales Nachrichtenbüro ins Leben zu rufen« und »neue Aufklärungsarbeit in Deutschland« zu starten; an Teünehmern wobei bei den Namen Skepsis geboten ist werden genannt: »4 Kommunisten (3 Franzosen und 1 Deutscher), 3 ISK.-Leute (2 Deutsche, 1 Tscheche), 2 SAP.-Leute (Deutsche), 1 SPD.-Mann (Emigrant Heine) und 1 Jude (Redakteur vom >Pariser TageblattS 4< meldet«. 39 Für das Folgende vgl. Scheer an Budzislawski, 3. Oktober 1935, in: Scheer, Paris S. 132-135; Klaus Mammach hat in sein Buch Widerstand 1933-1939. Geschichte der deutschen antifaschistischen Widerstandsbewegung im Inland und in der Emigration, Berün 1984, S. 239ff, die chronologische Verzerrung aktiver, d. h. über eine Unterschrift hinausgehender Beteüigung z. B. von Breitscheid und der SAP in seiner vorhergehenden Veröffentlichung Die deutsche antifaschistische Widerstandsbewegung 1933-1939, BerUn 1974, S. 151ff., nicht mehr -
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übernommen. 40 Im französischen Exü fügte er seinem Namen stets »Delatour« hinzu: SalomonDelatour. 41 Dies erheUt sich aus später darzusteUenden Aktionen und Reaktionen von Eichler; in dem unter Anm. 38 dieses Kapitels zitierten Spitzelbericht aus Frankreich wird gemeldet, daß »die alten Leute vom >Internationalen soziaüstischen Kampfbund< festen Fuß fassen« konnten in der »marxistischen Einheitsfront in Frankreich, die vorwiegend unter
160
Vorläufiger
und Vorbereitender Volksfrontausschuß
auf, daß die genannten PersönUchkeiten größtenteüs pazifistischer Gesinnung sind. In dieses BUd fügt sich HeUmut von Gerlach, der bis zu seinem plötzUchen Tod
am 1. August 1935 an zwei Besprechungen der »Initiativgruppe«, wie Koesie nannte, teilnahm. TatsächUch waren mit dem AppeU des Gegen-Angriffs vom 8. Juni und waren mit Briefen von Seiten der Redaktion oder von Koenen, dann von Münzenberg am 20. JuU gezielt Unks-sozialdemokratische bzw. soziaüstische und parteüose Pazifisten angesprochen worden.42 Nachdem von Gerlach die Aufforderung des Gegen-Angriffs vom 8. Juni, »zu dem Vorschlag der Schaffung einer Einheitsfront gegen den Hitler-Terror SteUung zu nehmen«, gut einen Monat später damit beantwortet hatte, daß ihm angesichts seiner Rekonvaleszenz in den französischen Alpen einerseits, der »Wichtigkeit des Gegenstandes« andererseits »nichts, besser als etwas« erscheine, reagierte er auf einen nochmaUgen Brief vom 20. Juü neun Tage später mit dem Hinweis, daß er »bei seiner Rückkehr nach Paris sofort zu einer Sitzung eines Komitees eingeladen wurde, wo der vom >Gegen-Angriff< angeregte Gedanke erörtert wurde«.43 Folgt man den Nachrufen von Helmut Hksch und Kurt Grossmann, so stand von Gerlach der Idee einer deutschen Volksfront skeptisch gegenüber; für gemeinsames politisches Handeln hielt er die Zeit nicht reif, solange nicht das aUgemeine, »unpoUtische« Flüchtüngsproblem gelöst war;44 zudem galt er als »ehrUcher Gegner der Kommunisten«.45 Wenn sich Gerlach dennoch kurz vor seinem Tode zunächst zu informeUer Teünahme entschloß, lassen sich seine Motive nur extrapoUeren: Mit Rudolf Leonhard befreundet, wurde er von diesem wahrscheinUch zu dem Schritt bewogen, auch mag Münzenbergs Brief von Einfluß gewesen sein. Die eigene enge Zusammenarbeit mit der Ligue des droits de l'homme, die dem Front populaire angehörte Gerlach war, als Vorsitzender der deutschen Liga für Mennen
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kommunister [sie] Leitung steht«; Sabine Lemke-MüUer, Ethischer Sozialismus und soziale Demokratie. Der politische Weg Willi Eichlers vom ISK zur SPD, Bonn 1988, S. 115, sagt spezieU darüber nichts aus. 42 Vgl. SAPMO, Ry 1,1 2/3/418, Bl. 8-9: Bernard (d. i. W. Koenen) »An Eiche!« (d. i. Poütbüro/Pieck), 17. August 1935 (siehe oben Anm. 25 und 38 dieses Kapitels); vgl. die Namen der veröffentlichten Respondenten auf den Gegen-Angnff-Appe]l, oben S. 153, und die Namen der Adressaten des Münzenberg-Briefs vom 20. JuU in Anm. 36 oben. 43 Vgl. GA, 1935, Nr. 32, 10. August, S. 6: »Helmuth von Gerlach. Seine letzten Stunden im Dienste der Einheitsfront« hier ist übrigens der Todestag auf den 3. August, der G^-Aufruf auf den 6. Juni datiert; der im Artikel zitierte Brief vom 20. JuU könnte der von Münzenberg sein, dann würde auch verständUch, was Scheer, Paris, S. 134, schreibt, daß nämUch Gerlach Münzenberg antwortete, er sei zur Mitarbeit in einer breiten Antihitlerfront gern bereit, wies ihn aber darauf hin, daß bereits ein Ausschuß bestehe, dem »Priorität« zukomme: »aUe Bemühungen müssen sich dort konzentrieren«. 44 Vgl. Bichette [d. i. Helmut Hksch], »Helmuth von Gerlach und die deutsche Volksfront«, in: Volksfront, Nr. 1, 2. Augusthälfte 1935. 45 Kurt Grossmann, »Der letzte deutsche Demokrat«, in: NWB, 1935, Nr. 32, 8. AuS. gust, 1000-1003, hier S. 1003. -
161
III.
Emigrantengruppen proben die Einigung
schenrechte in der Emigration, »Kommissar für die Angelegenheiten deutscher Mit-Exiüerter« dort46 -, mag von Einfluß gewesen sein. Hatten sich doch die Pariser Organisationen des Front populaire Ende Juü noch einmal nachdrücklich in die Diskussionen der deutschen Emigranten, wie, mit wem und auf welcher Basis eine antifaschistische Einheits- oder Volksfront gebüdet werden könne, eingeschaltet: Auf einer Massenkundgebung gegen den Terror in Deutschland in Boulogne-Bülancourt richteten sie einen »Appeü an das für Frieden und Freiheit kämpfende deutsche Volk und seine Organisationen«, auf der Basis der Soüdarität die »Einheit des antifaschistischen Kampfes« herzusteüen.47 Durch persönkchen Einfluß oder durch die französische Entwicklung motiviert, hat Gerlach in jener Sitzung anscheinend den Eindruck gewonnen, daß die Volksfront eventueü das Problem der Sammlung der isoüerten, heterogenen Gegner des Nationalsoziaüsmus lösen könne. Laut Scheer regte er an, zur Erweiterung des Kreises der Diskutanten Verbindung mit Unken Kathoüken, mit dem Herausgeber des Neuen Tage-Buchs, Leopold Schwarzschüd, und mit Professor Emü J. Gumbel in Lyon aufzunehmen; den Kontakt zu Georg Bernhard, dem Chefredakteur des Pariser Tageblatts, woüe er selbst hersteUen.48 Vor aüem aber beschäftigte von Gerlach zu der Zeit das Problem, wie der Widerstand der westüchen Regierungen gegenüber dem Dritten Reich gestärkt oder überhaupt erst entfacht werden könne. In dem unvoüendet gebüebenen, posthum in der Neuen Weltbühne veröffentlichten Artikel, »Friedensgefährdender Pazifismus«, befaßte er sich mit den Zugeständnissen Englands an die Hitlerregierung im Flottenabkommen vom 18. Juni 1935 und der trotz Unterzeichnung des Beistandspaktes mit der Sowjetunion vom Mai des Jahres schwankenden Haltung Frankreichs; einen »Dreibund London Paris Berün« könnten vieüeicht nur noch die deutschen Emigranten in Frankreich im Bündnis mit der Komintern bzw. ihren deutschen und französischen Sektionen —, die bis jetzt auf ihrem VII. Weltkongreß in Moskau einen Lernprozeß zur »Realpoütik«, das heißt Erkennen der »Hidergefahr«, demonstriert habe, verhindern.49 Die Friedensfrage indes hatte, wie Koenen an Pieck und Poktbüro berichtete, »sowohl [für] die Pazifisten, wie die Sozialdemokraten und die kommunistisch —
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»HeUmuth von Gerlach«, in: NTB, 1935, H. 32, 10. August, S. 757f. Kundgebung mit etwa 10 000 Teilnehmern am 27. Juü 1935; Aufruf in: GA, 1935, Nr. 32, 10. August, S. 2: »Wk beschwören Euch: Macht Schluß mit der Zerspütterung! Die Pariser Volksfront an die deutschen Antifaschisten«. 48 Scheer, Paris, S. 134; mit Schwarzschüd und Bernhard wäre dann auch die Assoäation Professionelle des Journalistes émigrés en France— ün Vorstand saß übrigens auch von Gerlach organisatorisch erfaßt gewesen; die persönüche Beziehung zu Bernhard erklärt sich daraus, daß von Gerlach damals Redakteur am Pariser Tageblatt war. 49 HeUmuth von Gerlach, »Friedensgefährdender Pazifismus«, in: NWB, 1935, Nr. 34, 22. August, S. 1061—1063, und im Anschluß daran je ein Zitat aus Briefen Gerlachs vom 21. und 24. Juni 1935. 47
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Vorläufiger
und Vorbereitender Volksfrontausschuß
Sympathisierenden« nicht die Priorität, wie von der KPD-Führung im HinbUck auf das »Projekt eines Weltfriedenskongresses« gewünscht. Im Gegenteü, sie setzten gegenüber der >Fraktion< der Kommunisten durch, daß über die bündnispoütischen Aspekte einer Volksfront diskutiert werde. Dazu gehörte ihrer Meinung nach, daß »die Zusammenfassung von PersönUchkeiten keineswegs ausreiche«, daß vielmehr »die Zusammenfassung aUer organisatorischen Zentren der deutschen Bewegung in der Emigration erforderüch, und ganz entscheidend sei, daß die großen Parteien, SPD und KPD mitmachen«.50 Sie verlangten, daß ein
Ausschuß instaUiert und daß führende Demokraten und KathoUken aus der ehemaügen Zentrumspartei herangezogen würden aUerdings war man sich nicht einig, welche -, und sie setzten durch, daß als Name weder »Deutscher Ausschuß für Frieden und Freiheit«, wie von den Kommunisten als Neuausgabe eines 1934 installierten, jedoch wegen organisatorischer und personeUer Mängel eingegangenen Komitees gegen Krieg und Faschismus vorgesehen, noch unverbindlich nur »Vorläufiger Ausschuß«, sondern »Vorläufiger Ausschuß zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront« stehen soüte. Noch Ende JuU 1935 erfolgte so eine erste organisatorische und inhaltliche Fixierung. Eine festere organisatorische Form des Vorläufigen Ausschusses wurde in der ersten Hälfte des Monats August reaUsiert, gleichzeitig aber auch stillschweigend dem >Parteienproporz< wieder Tribut gezoUt, als man sich auf den Namen »Vorbereitender Ausschuß zur Schaffung einer deutschen Volksfront« einigte und ein oberstes Gremium zusammensteUte aus zwei Kommunisten, zwei Sozialdemokraten, einem »Sympathisierenden« und einem »UnksbürgerUchen Demokraten«. Die beiden Charakterisierungen und die Hierarchie der Unterschriften unter den Dokumenten, auf die ich weiter unten eingehe, lassen auf Lion Feuchtwanger und Ernst ToUer schUeßen. Auf wiederholtes »Drängen« der Teilnehmer an den verschiedenen Sitzungen wurde Heinrich Mann, mit Erfolg schüeßüch, gebeten, den Vorsitz zu übernehmen.51 Die vor aüem von den Nichtkommunisten gewünschte organisatorische Fundierung eines gemeinsamen Spitzen-Ausschusses wurde dadurch erreicht, —
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50 AUe Zitate aus Bernard an Eiche, 17. August 1935 (siehe oben Anm. 38), vgl. dort auch für das Folgende; die Idee, einen Weltfriedenskongreß zu organisieren, wie er dann vom VII. Weltkongreß der Komintern beschlossen wurde, war zweifeUos beeinflußt von dem Erfolg des Peace Ballot, der »Volksabstimmung für den Frieden«, die in England auf Initiative des Präsidenten der Uague of Nations Union, Viscount Edgar Algernon Robert Gascoyne Cecü, nach bereits im Jahre 1934 begonnener Kampagne Anfang Juni 1935 mit rund 12MiUionen Stimmen erfolgreich abgeschlossen worden war wobei aUerdings nicht aUe 5 Fragen gleichviel Zustimmung erhalten hatten; vgl. Adelaide Livingstone in coUaboration with Marjorie Scott Johnston, The Peace Ballot. The Official History. With a Statistical Survey of the Results by Walter Ashley, Conclusion by Viscount Cecü, London: Victor GoUancz Ltd., June 1935. 51 Vgl. Bernard an Eiche, 17. August 1935 (siehe Anfang der vorigen Anm.). -
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IM.
Emigrantengruppen proben
die
Einigung
daß führende Persönüchkeiten angesprochen wurden, >ihre< Organisation dem (Vorläufigen bzw. Vorbereitenden) Ausschuß und seinem Kreis anzuschüeßen und mit einigen Personen zu vertreten. Mitte August standen unter einem später von Koenen als »Entwurf« bezeichneten, tatsächüch auch nie veröffentlichten Aufruf zur »Sammlung und Einheit« folgende Organisationen und deren Ver-
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treter:
»Schutzverband deutscher SchriftsteUer vertrfeten] d[urch] Heinrich Mann, Rudolf Leonhard, Erich Weinert Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft [vertreten durch] Dr. A[nselm] Ruest Deutsches Comité [sic] gegen Krieg und Faschismus [vertreten durch] Dr. [Feüx] Bönheim [sie], Bernard Schultz [d. i. Wühelm Koenen], WiUy [sie]
Münzenberg Vereinigung sozialistischer Arzte [vertreten durch] Dr. [Rudolf] Neumann, Dr. [Fritz] Fränkel Deutsche Sektion d. Intern. Juristischen Vereinigung: Kurt Rosenfeld, Dr. Leon Lambert [d. i. Leo Zuckermann] Verband Deutscher Journaksten i. d. Emigration: Georg Bernhard.«52 Die »ersten Aufgaben« einer »Deutsche [n] Volksfront gegen den Hiderfaschismus«
lauten dort: »1. Förderung des gemeinsamen Kampfes gegen die braune Diktatur außerhalb und innerhalb Deutschlands. 2. Gemeinsame Hufe für alle Opfer des Kampfes. 3. Kampf gegen die Kriegsgefahr und für den unmittelbaren und dauerhaften Frieden.« Die Hinzufügung, daß »Helmuth von Gerlach« »bei der Aussprache über diesen Aufruf [...] die Zustimmung gegeben« habe, dient der weiteren Legitimierung, obgleich Miüy Zirker, von Gerlachs Mitarbeiterin bis zu seinem Tode, für die Deutsche Liga für Menschenrechte noch nicht offizieU zugesagt hatte, der Soziaüstische Studentenbund hingegen wohl. Man bemühte sich noch, vom »Verband der jüdischen Emigration (Docmar) und dem deutschen Komite (Fritz Wolff)« -
52 Vgl. SAPMO, Ry 1, I 2/3/418, Bl. 10-11: »Sammlung und Einheit«, Beilage zum Brief Bernard an Eiche, 17. August 1935 (siehe vorige Anm.), die Kommata zwischen den Namen sind von ULA gesetzt, im Dokument stehen die Namen untereinander; zu Fritz Fränkel, der nicht in BHB erfaßt ist, vgl. Ruprecht, Felix Boenheim, S. 414f. und passim; Klepper dürfte zumindest indkekt den von ihm als Arzt und als »sehr netter und poütisch interessierter Mann« geschätzten Fränkel, der wie er »einige Monate« auf Palma de Mallorca zugebracht hatte, mit Münzenberg in Kontakt gebracht haben, vgl. BA/B, N 2290/8, Bl. 58: Klepper an Spiecker, 31. Oktober 1935.
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Vorläufiger
und Vorbereitender Volksfrontausschuß
Kommission bzw. Comité allemand -, von der »Frauenüga für Frieden und Freiheit« und von der »Neda« Unterschriften zu erhalten.53 Hier wird nach außen hin fortgesetzt, was Scheer über die ersten Zusammenkünfte und den Vorläufigen Ausschuß zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront schreibt: »Die meisten Mitarbeiter des Ausschusses gehörten keiner Partei an.«54 Zutreffender aber ist es, davon zu sprechen, daß sich hier eine >Überparteiüchkeit< abzeichnet, die in den nächsten zwei bis drei Jahren Organisation und Arbeit im Zeichen der Volksfront kennzeichnen soUte: Wer keine Pvcreifunktion ausübte, trat oft, selbst wenn er Parteimitglied war, als Vertreter überparteiUcher Emigrantenorganisationen auf: z. B. Glaser (SPD, Richtung Revolutionäre Soziaüsten) für die Pariser Gruppe der wiedergegründeten Liga für Menschenrechte, Heiden (SPD) für den SDS; Scheer aUerdings war nach eigenen Worten »an den Beratungen als Pubüzist und SchriftsteUer ohne Auftrag seitens einer
gemeint ist Deutsche
Organisation beteiligt«.55 Mit der organisatorischen Verfestigung
erwuchsen neue Probleme, die besonders die Sozialdemokraten und die Kommunisten betrafen. Münzenberg, dann auch der Vorläufige Ausschuß zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront hatten sich an Einzelpersonen gewandt, dabei versäumt, sofort Verbindung mit (den Resten) der Pariser Ortsgruppe der SPD aufzunehmen. Max Braun wurde erst auf den 2. August zu einer Sitzung eingeladen, gemeinsam vom Schutzverband deutscher SchriftsteUer, von der Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaft und vom Weltkomitee gegen Krieg und Faschismus. Im Brief vom 6. August bat er den PV in Prag »im Interesse der gemeinsamen Sache«, einen der Ihren »zu beauftragen, an den Vorbesprechungen und Vorbereitungen teüzunehmen, ohne daß damit eine offizieUe Vertretung der SPD verbunden ist oder eine Verantwortung entsteht«. Dem am 2. August abwesenden Georg Bernhard berichtete er, daß er den Eintritt in »ein kleines Komitee [...], das sich mit den übrigen Initiatoren der Emigranten-Einigung in Verbindung setzen soU«, abgelehnt habe.56 Die Abwesenheit von Koenen »3 Wochen Urlaub« schrieb dieser euphemistisch am 17. August an Pieck und von Münzenberg (bekanntUch beim VII. Weltkongreß der Komintern in Moskau) sowie die offizieU inoffi-
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53 Siehe ersten Teü der vorigen Anm.; »Comité gegen Krieg und Faschismus« steht handschr. über durchgestrichenem »Sekretariat im Comité Mondial «, ebenfalls handschr. hinzugefügt: »Neda«, d. i. die Abkürzung für Notgemeinschaft emigrierter deutscher Ärzte, angesiedelt bei der HICEM, vgl. Franke, Paris, S. 357. 54 Scheer, Paris, S. 133. 55 Ebd., S. 132. 56 Vgl. Braun an Sopade, 6. August 1935 (siehe oben Anm. 35), und: Auszug aus Brief Braun an G Bernhard, »der Moritz [d. i. Hubert von Ranke ULA] in die Hände gefaUen ist«, im Brief Münzenberg [handschr. Initialen »W M«] an »Liebe Freunde«, 23. September 1935, oben handschr. »Kopie an S [? oder als Ziffer >8< ?]«, SAPMO, Ry 1, I 2/3/418, Bl. 29. -
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IM.
Emigrantengruppen proben
zieüe
die
Einigung
Weigerung des PV, sich zu beteiügen, mögen zur Weigerung Brauns beige-
tragen haben.
Entsendung des KPD-Funktionärs Leo(n) Lambert nach Prag Anfang August, vordergründig, um den PV zur »Beteiligung an einer von uns vorbereiteten Schweizer Konferenz für Unabhängigkeit und Freiheit« zu bewegen, hatte ledigüch dazu geführt, daß der Emissär zwar »im Büro des SPD-Vorstandes« vor aüem mit Erich OUenhauer sprechen konnte, dieser das Gespräch aber auf die poütische Frage der Volksfront zuspitzte. Einziges Resultat war, daß OUenhauer Breitscheid schriftlich beauftragte, sich mal im Kreis des Vorbereitenden Ausschusses umzusehen. Den Auftrag erledigte Breitscheid dadurch, daß er den Entwurf des AppeUs »Sammlung und Einheit« begutachtete »Er hatte keine Einwände gegen den Inhalt«, meldete Koenen und um Zusendung an die Sopade bat.57 Ein weiteres Gespräch von Lambert mit OUenhauer am 18. August am Rande der Exekutivsitzung der SAI in Brüssel und eine Einladung zur Sitzung des Vorbereitenden Ausschusses am 20. August in Paris führten ebensowenig zu einem positiven Ergebnis. OUenhauer versteckte sich hinter einer noch ausstehenden Entscheidung des PV und dahinter, daß man ja Breitscheid beaufDie
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tragt habe.
Dieser wurde Mtte August massiv von Lambert und Leonhard im Auftrag des Vorbereitenden Ausschusses (bzw. Koenens) bearbeitet, auch Konrad Heiden schaltete sich ein. Obgleich Breitscheid sich ausdrücklich »nicht zu den kritiklosen Gefolgsleuten des P.V. rechnete«, reagierte er dem Parteigenossen gegenüber äußerst reserviert. Er lehnte eine Beteiligung an der »Zusammenfassung einer Reihe von kterarischen und halbpoütischen Vereinen und einiger bekannterer Einzelpersonen« ab: Die »Nichtkommunisten« (d. h. die Sozialdemokraten) hätten »nicht die Autorität ihrer offizieUen Parteüeitung hinter sich«, was die Zusammenarbeit mit »zum Teü getarnte [n] kommunistische [n] Organisationen«, obgleich sie ihn selbst »an sich nicht schrecken« würde, erschwere. Darüber hinaus überzeugten ihn »Absichten und Wkkungsmögkchkeiten der Einheitsfront/ so wie sie jetzt gedacht ist«, nicht. Was Breitscheid zu der Zeit begrüßt und unterstützt hätte, wäre der »Versuch« gewesen, »eine Basis für ein, wenn auch nur an bestimmte Grenzen gebundenes, gemeinsames Auftreten der drei Arbeiterparteien (S.P.D., K.P.D. und S.A.P.) zu finden«.58 Im Gegensatz zu anderen Mitgkedern der Pariser SPD-Ortsgruppe nahm dann auch Breitscheid bis zum November 1935 weder an einer Sitzung des Volksfrontkreises noch an Gesprächen
57 Siehe Bernard an Eiche, 17. August 1935, daraus die Zitate bis auf das letzte, das Koenen handschr. unter »Sammlung und Einheit« gesetzt hat (zu beiden Dok. siehe oben Anm. 52); vgl. auch SAPMO, Ry I, 2/3/418, Bl. 23-24: Bernard an Eiche, 26. August 1935, mit dem Bericht von »Leo« über sein Gespräch in Prag und zum folgenden über die weitere Entwicklung der Bemühungen um den PV der SPD. 58 AUe Zitate: Breitscheid an Konrad Heiden, 20. August 1935; Kopie für Paul Hertz im IISG, NL Hertz, S. 19, XVI. —
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Vorläufiger
und Vorbereitender Volksfrontausschuß
zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten teü, wie er selbst in seinem Brief 2. November 1935 an Hertz bezeugt.59 Wohl unterzeichnete er verschiedeworauf wk noch zurückkommen. ne Denkschriften Bei einer von Heiden arrangierten Besprechung unter vier Augen am 27. August zeigte Breitscheid sich Koenen gegenüber offen und konstruktiv, insofern er auch eine Verständigung zwischen den Parteüeitungen, dann aber direkt von Führung zu Führung für wünschenswert hielt und wenn mögüch dazu beitragen woUte, aber in Sachen seiner Beteiligung am Vorbereitenden Ausschuß nicht zugängUch. Noch einmal schnitt er die Frage an, die er schon bei seinem ersten Gespräch mit Koenen am 14. August gesteUt hatte und die diesen in Verwkrung und auch anderen gegenüber, so auch jetzt wieder zu ausweichenden Antworten brachte: Wie steht die KPD-Führung zur Volksfront und zu dem Pariser Ausschuß? Fest als Partei? Haben die Kommunisten das Mandat der ParteifühDiese Gretchen-Frage war ein Düemma für die KPDrung oder nicht? und sollte bleiben. Die stereotype, oft gewundene Antwort war: es Führung, der Parteivorstand der SPD sich nicht offizieU beteiligt, können wir das Solange auch nicht tun.60 Als weiteres Düemma für die KPD erwies sich in der ersten Augusthälfte, daß die Nichtkommunisten über programmatische Fragen einer Volksfront, über >Was kommt nach Hitler?LinieAußenarbeit< gesteuert; seine Anschrift war die Pariser Adresse seines Sekretärs, Rudolf Leonhard: 1, rue Henri Duchêne, Paris 15e.66 Wenn Leonhard nicht in Paris war, handelte Maximilian Scheer als sein SteUvertreter.67 Mit den auf aktueUe Ereignisse und Mißstände eingehenden Aktionen konnten Koenen und Genossen zwar die Frage nach einem poUtischen Programm in von
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an
nationaler Soziaüstischer Kampfbund (IJB/ISK), Box 28: RSchr., Ds, an »Liebe Freunde«, Oktober 1935, o. U., hier »Blatt -2-« (ist jedoch S. 3). 66 Vgl. SAPMO, Ry 1, I 2/3/418, Bl. 44-45: pok.] »221-98-267[,[ 3. 10. 35. Mitteilungen aus Paris. Betr. Freiheitsausschußsitzung am 26. 9. 35 in Paris. Vertrauüch!«; ebd., Bl. 46-48: As Brief o. U. [höchstwahrscheinUch von Koenen], ohne Adressat [dem Inhalt nach ursprüngüch an das KPD-Büro in Prag], mit Stempel »Sekretariat ErkoU« [kyriUisch], handschr. dat.: »Nov. 1935«, hier bes. Bl. 48; vgl. AdsD, IJB/ISK, 39: RSchr., Ds, an »Liebe Freunde«, Paris, 10. Oktober 1936, o. U., daran angeheftet ein Bericht, 3 S. Ds, o. D., unterz. »Annette« [d. i. Nora Block(-Platiel)], worin es heißt: »Wk haben einen Delegierten bei den Sitzungen des sogenannten >Volksfront-KomiteesPersönUchkeit< beizutreten«.90 Der Radikal-Pazifist Berthold Jacob, eigentüch Berthold Jacob Salomon, Vorstandsmitgüed der Deutschen Liga für Menschenrechte in der Emigration, Sektion Straßburg, war Anfang September aus dem Gestapo-Gefängnis in BerUn entlassen worden, wohin er nach seiner Entführung aus Basel im März 1935 gebracht worden war. Wie vor 1933, als er in Büchern und vor allem in der Weltbühne Fememorde, geheime -
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Gross, Münzenberg S. 292, und, auch zum folgenden, S. 244f, spielt auf das Komitee Das Freie Wort an, das, im August 1932 auf Initiative von Georg Bernhard zusammen mit u. a. H. Mann, Lehmann-Russbüldt, Rudolf Olden, gegründet, am 19. Februar 1933 in der Krolloper in BerUn noch einmal eine antinationalsoziaUstische Kundgebung organisierte diesmal war Münzenberg der Stimulator; ausführiieh darüber der damaüge Sekretär des Komitees, Kurt Grossmann, in: Ossietzky, S. 340-347; von der Volks frontbewegung mitgerissen, schrieb Grossmann 1936 unter seinem Pseudonym Felix Burger, auf dem Kongreß in der KroUoper seien »zum ersten Mal Demokraten, KathoUken, Sozialdemokraten, Gewerkschaftler, Kommunisten gemeinsam aufgetreten, sozusagen die >Front populakeneues< Mandat (Münzenberg) gegen >altes< Mandat (Koenen), womit auch ein Führungsanspruch einherging, zumal das Poütbüro der KPD am 1. September des weiteren beschlossen hatte was Münzenberg nicht entgangen, vieUeicht sogar mitgeteüt worden sein dürfte -, daß Koenen in absehbarer Zeit aus Paris nach Prag zur »Leitung der Emigrantenorganisation der KPD« abgezogen werden soUte.94 Somit würde Münzenberg die Leitung der KPD-Organisation in Paris zufaUen, da Dahlem und Ulbricht gemeinsam für die operative Auslandsleitung der KPD in Prag und gleichzeitig für den Westteil des Poütbüros verantwortlich waren. Münzenberg berichtete jedoch an das Poütbüro, daß auf einer Besprechung zwischen ihm, Adolf Deter und Koenen »eine voüe Übereinstimmung in der Linie Eurer Direktiven sofort erzielt und festgesteUt« worden sei. Daraufhin nahm er an einer Sitzung des »Vorbereitenden Komitee [s] für die Schaffung der deutschen Volksfront« teü. Von den anwesen—
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Kurzbiographie in: BHB 1; zu Entführung und Freüassung von Berthold Jacob, Interesse deutscher Instanzen (Gestapo, SD, Reichswehr/Wehrmacht) an der deutschen Emigration, zur Haltung Frankreichs und Englands gegenüber Nazideutschland und zur AsylpoUtik der Schweiz -Jacob wurde just am 20. September 1935 nach Frankreich ausgewiesen vgl. WiUi, FallJacob. 92 PA ULA, Bruno Frei an ULA, 31. August 1971: »... wiewohl dieser Vorsitzender des Vorbereitenden Ausschusses bzw. Aktionsausschusses war und büeb.« 93 UZ, 1934, H. 8/9, September, Sonder-Nr. »Einheitsaktion«, Zitat S. 1. 94 Vgl. Pech, KPD Volksfrontausschuß (siehe oben Anm. 36), S. 57 und zur Frage einer mögüchen »Rivaütät« S. 56, dort löst er aUerdings in dem von ihm herangezogenen Brief Münzenbergs vom 23. September 1935 den Decknamen Andre [sie] fälschüch als Dahlem auf, vgl. den folgenden Text und die Anm. 95. 91
zum
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177
III.
Emigrantengruppen proben
die
Einigung
»ca. 9 Leuten« sagten ihm nur die »einzigen zwei poütisch interessierten Leute« zu, und das waren Konrad Heiden und Kurt Glaser, die Münzenberg dann auch zu einer größeren, zwar von Max Braun vorgeschlagenen, von ihm jedoch »vorbereitete[n]Volksbund< od[er] so was gründen zu woUen mit den KathoUken (dem Saar-Hoffmann nämUch) zusammen. Das wäre eine schöne Geschichte, wie sie Hitler nicht besser erfinden könnte, um jede oppositioneU-bürgerUche Opposition, wozu noch nicht mal die Anfange vorhanden, im Keim zu ersticken.«98 Max Braun versuchte, den PV direkt für die bevorstehende Besprechung zu gewinnen, bekam jedoch auf seinen Brief, in dem er auch das Ziel der Sitzung die Büdung eines »Führerratfs]«, so jedenfaUs Hertz keine Antwort.99 nannte
den
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95 Vgl. zum vorstehenden einschUeßüch der Zitate: Münzenberg an PoUtbüro, 23. September 1935 (siehe oben Anm. 87), Deter und Koenen sind mit ihren Decknamen angegeben: Andre [sie] bzw. Bernard; vgl. dazu Scheer, Paris, S. 134, er nennt Münzenberg immer »Verleger X«. 96 Siehe oben, S. 167. 97 IISG, NL Hertz, S. 19, XVII: Hüferding an Hertz, 15. September 1935. 98 IISG, NL Hertz, S. 19, XVII: Hüferding an Hertz, 13. August 1935. 99 IISG, NL Hertz, S. 19, XVII: Hertz an Breitscheid, 15. September 1935.
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Lutetia-Cornité und Lutetia-Kreis
Lutetia-Cornité und Lutetia-Kreis
Versammlung am 26. September 1935 im Hotel Lutetia war die erste größere poütische Sitzung in der Emigration; sie fand unter der Bezeichnung »Freiheitsausschuß-Sitzung« statt.100 Zu den in den QueUen und der Literatur kursierenden Die
Zahlen und Namen der Teilnehmer können nunmehr Korrekturen und Ergänzungen vorgenommen werden, auch wenn endgültige Klarheit letztendüch nicht zu erzielen ist. Eine »Liste der Freunde für ein freies Deutschland, die an der Sitzung am 26. September teünahmen, oder sich dafür erklärten«, enthält 51 Namen, die bis auf die vier ausdrücklich als Kommunisten aufgeführten, nach poUtisch-geseUschaftUchen Kriterien, nicht nach Weltanschauung oder Glauben eingeteüt sind; jedoch nahmen nicht aUe aufgeführten Personen teü.101 So war Otto Klepper in der Schweiz, wo er sich mit Carl Spiecker getroffen hatte, erkrankt was ihn der Entscheidung, ob er nun der Einladung nach Paris Folge leisten soUte oder nicht, enthob.102 Auch Robert René Kuczynski und Ernst -
Siehe SAPMO, Ry 1,1 2/3/418, Bl. 44-45: [Dok.] »221-98-267[J 3. 10. 35. Mitteilungen aus Paris. Betr. Freiheitsausschuß-Sitzung am 26. 9. 35 in Paris. Vertrauüch!«; vgl. ebd., BL 39-40: KurzprotokoU »Sitzung am 26. September [handschr. hinzugefügt:] 1935«, dort handschr. auf S. 1: »51 Teilnehmer«. toi Vgl. ebd., Bl. 41—43, die Liste ist auch wiedergegeben bei Karlheinz Pech, »Die geseUschaftüche Situation in Frankreich und die Bedingungen für die antifaschistischen Emigranten«, in: Dieter Schüler/Karlheinz Pech/Regine Hermann/Manfred Hahn, Exil in Frankreich, Leipzig 1981, S. 520f, doch sind ihm Ferngebüebene entgangen; hier seien um des Gesamtzusammenhangs wülen die Namen nach der zitierten Liste wortgetreu wiedergegeben, aUerdings ohne die Ziffern: »Von sozialistischer und gewerkschaftücher Seite: Max Braun, Emü Kkschmann, Alexander Schifrin, Viktor [sie] Schiff, Conrad [sie] Heiden, Dr. Kurt Glaser, Max Hoffmann [sie], Hans Siemsen, Anna Siemsen, Professor Decker, Ernst ToUer, Karl Emonts, Karl Hoeltermann, Kurt Rosenfeld, Dr. Max Wolff, Professor Geb, Wühelm Kiefer (christl. Gew.), Dr. Werner Thormann, Dr. Walter Friedlaender, Imbusch jun. (christl. Gew.), MueUer (Vitus HeUer-Gruppe), August Siemsen[.] Von bürgerUch-demokratischer Seite[:] Heinrich Mann, Berthold Jacob, Professor Robert Kuczinski [sie], Otto Klepper, früh, preuß. Minister, Georg Bernhard, Leopold Schwarzschüd, Dr. Felix Boenheim, Lion Feuchtwanger, E. J. Gumbel, Otto Lehmann-Russbüldt, Rudolf Olden, Hugo Simon, Prof. Gottfried Salomon, Professor Dessauer, Rudolf Leonhardt [sie], Dr. Hans Meyer [sie: Mayer], Frau Müly Zkker, Dr. Wolfgang HaUgarten, Wolf Frank [sie], Reisener [sie], Liga für Menschenrechte, Dr. Bach (früher >WestlandEinzelgänger< neben der des öfteren angedeuteten »Kathoüschen Gruppe« aus Zentrumspoütikern im Reich und an der Saar anzusehen ist. Mt Wühelm Kiefer und (Heinrich, auch: Heinz) Imbusch jun. waren aüerdings zwei christüche Gewerkschaftler anwesend. Werner Thormann war zwar Kathoük, aber Mitgüed der SPD und folgüch auf der soziaüstischen und gewerkschaftüchen Seite eingereiht, während Kirschmann ihn in seinem Bericht zu den »Kathoüken« rechnet, so wie er auch den Schweizer Theologen Fritz Lieb, der von 1929 bis zu seiner Entlassung im Herbst 1933 als außerordentücher Professor Östüches Christentum in der Vergangenheit und Gegenwart an der Universität Bonn gelehrt hatte und stets MtgUed der SPD war, als »Protestant« aufführt. Als Teilnehmer sind auch die in keinem der beiden zitierten Dokumente genannten letzterer trat als Vertreter der Hanns-Erich Kaminski und Helmut Hirsch auf ebenso zu doch wohl Maximiüan Scheer, verzeichnen, »Westland-Gruppe« »durch ein Versehen unsererseits« nicht vertreten (es stand dagegen war der ISK auch kein ISK-Vertreter auf der Liste).104 Von Heinrich Mann präsidiert, von Münzenberg geleitet, stand die Sitzung weitgehend im Zeichen der »wichtigsten Erklärungen« des VII. Weltkongresses der Komintern soweit sie bis dahin in die nichtkommunistische Öffentlichkeit gedrungen waren. Wilhelm Koenen erläuterte sie als erster Redner, später unterstützt und ergänzt von Münzenberg. Der steUte, nach einer Reihe von kritischen Interventionen so hatte HaUgarten, dessen umfangreiche Studie über den Vorkriegsimperialismus gerade erschienen war, die »Klärung der Haltung zur Schwer-
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vgl. BA/B, N 2290/8: Klepper an Spiecker [er schreibt stets: »Herr Mnisterialdkektor«], Bl. 25: 5. September 1935 (siehe auch oben Anm. 85), und Bl. 57: 4. Oktober 1935, daraus das Zitat. 103 Vgl. Bericht »Über die Besprechung in Paris am 26. September 1935 nachm[ittags] 3 Uhr im Hotel Lutetia«, o. D., o. U. [Verfasser ist Emü Kirschmann, vgl. IISG, NL Hertz, S. 19, XVII: Hertz an Hilferding, 3. und 7. Oktober 1935], (im folgenden zit.: Bericht Besprechung 26. 9. 1935), vorhanden u. a. im Landesarchiv Berün (LA Berün), Rep. 200, Acc. 3983 (Teil-NL Albert Grzesinski), Nr. 2, und im AdsD, Emigration Sopade, 190, wonach gekürzte Wiedergabe, in: Wüü Jasper, Heinrich Mann und die Volksfrontdiskussion, Bern Frankfurt/M. 1982, S. 139-141. 104 Zu Kaminski vgl. die folgende DarsteUung; zu Hksch dessen Brief an ULA vom 25. April 1979 im PA ULA; zu Scheer vgl. seinen Brief an Budzislawski vom 3. Oktober 1935, in: Scheer, Paris, S. 132-135; zum ISK: AdsD, IJB/ISK, 28: RSchr. vom Oktober 1935 (vgl. oben Anm. 65). -
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Lutetia-Comité und Lutetia-Kreis
industrie und dem Junkertum« verlangt105 als Ziel der Partei »eine Repubük nach Weimarer Muster«, aber soziaüstisch, vor. Zu deren Erringung entwickelte er eine stufenweise Zusammenfassung aller antihitlerischen Kräfte, deren Mttelpunkt die proletarische Einheitsfront büdete. Der Sozialdemokratie zollte er ausdrücküch Anerkennung als »Machtfaktor [...,] der in Deutschland selbst arbeitet und große Arbeit leistet«.106 Aus dem Bericht von Kirschmann destüüerte Hertz als Programm der KPD zur Sammlung aUer Antifaschisten: »Erringung der demokratischen Repubük mit weitgehenden poütischen Freiheiten, insbesondere mit Reügionsfreiheit« soUe Ziel sein, und: »Im Zentrum der gesamten poütischen Tätigkeit soUe der Gedanke der Nationalversammlung stehen«.107 Obgleich Koenen gleich zu Anfang betont hatte, daß er »nicht als offizieüer Parteivertreter, aber in voüem Einvernehmen mit seiner Partei teilnehme und spreche und nicht nur seine persönkche, sondern auch die Auffassung seiner Partei vertrete« was dann selbstverständüch auch für Münzenberg galt -, nahm die Mehrheit der 45 bis 50 Versammelten die Selbstkritik wegen Fehlern in der Vergangenheit und das Bekenntnis zu demokratischen Freiheiten einschüeßüch und besonders der Gewissensfreiheit, wie vom Katholiken Wühelm Kiefer und vom Protestanten Fritz Lieb hervorgehoben, mit Genugtuung und Erleichterung doch als offizieüe Linie der KPD auf.108 Im Hinbück auf die bevorstehende Emigrantenkonferenz vom 2. Februar 1936 schrieb Victor Schiff rückbückend: »Eines der Haupthindernisse [für das Zusammengehen von Sozialdemokraten und Kommunisten ULA] war ideologischer und grundsätzkcher Art: das Problem der Demokratie. Die Verhandlungen des Komintern Kongresses haben die Mögüchkeit einer Überbrückung dieses prinzipieUen Gegensatzes gezeigt. Die Erklärung Münzenbergs auf der erwähnten Gründungskonferenz [d. i. Besprechung vom 26. September 1935 ULA] haben weitgehend klärend gewkkt. Das Gleiche gut für das andere, besonders für uns Deutsche wichtige Problem der Glaubensfreiheit und des Reügionsschutzes.«109 -
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Wolfgang HaUgarten, Vorkriegsimperialismus. Die soziologischen Grundlagen der Außenpolitik europäischer Großmächte bis 1914, Paris: Éditions Météore/Éditions du Carrefour [in Kommission] 1935; Zitat von HaUgartens Forderung nach KurzprotokoU »Sitzung am 26. September 1935« (siehe oben Anm. 100). 106 Siehe Bericht Besprechung 26. 9. 1935, zit. nach: Jasper, Heinrich Mann, S. 141. 107 IISG, NL Hertz, S. 19, XVII: Hertz an Hüferding, 7. Oktober 1935. 105
108 Zu vorstehendem, einschüeßüch der Anzahl der Teilnehmer und Zitat, vgl. Bericht Besprechung 26. 9. 1935, nach: Jasper, Heinrich Mann, S. 140f.; laut KurzprotokoU »Sitzung 26. September 1935« (siehe oben Anm. 100) forderte Deb, »in feste Verbindung mit den breiten Massen der hitlerfeindüchen Protestanten zu kommen, die Müüonen betragen«; er
meinte die Bekennende Kkche. "» Victor Schiff, »Das Ziel«, Originalbeitrag in: MDFB, 1936, Nr. 10, vgl. auch Hertz an Hüferding, 7. Oktober 1935 (siehe oben Anm. 107).
Februar,
S.
2-4; 181
IM.
Emigrantengruppen proben die Einigung
Schiff hatte sich noch
vor der Lutetia-Versammlung vom 26. September, nach mit Gespräch Münzenberg und Einsichtnahme in die Liste der Eingeladenen, von der mit dem VII. Weltkongreß der Komintern eingeleiteten Wende in der kommunistischen Poütik überzeugt gezeigt. Dauerhaftigkeit glaubte er in der Existenz der »U.S.S.R. und insbesondere ihre[r] Roten Armee« verbürgt, die »sich als das stärkste BoUwerk gegen den Hitler-Faschismus erweisen und daher von jedem Antifaschisten verteidigt werden müssen«, wie er am 22. September an Münzenberg schrieb. In dem Brief, der dem Sekretariat von Dimitroff weitergeleitet wurde, legte Schiff ferner seine Gedanken zu einer »soziaUstisch-kommunistischen Einheitsfront« dar. Wesentliche Elemente zum GeUngen waren: »Burgfrieden«, »Unterlassung aUer gegenseitigen Angriffe«, »Verzicht auf Kritik gegenüber den anderen Parteien der Soziaüstischen und der Kommunistischen Internationale« und in diesem Zusammenhang »mögüchst wenig von der Vergangenheit« zu sprechen, sowie der Übergang von Einzelpersonen auf eine Verständigung »zwischen den zentralen Auslandsvertretungen unserer beiden Parteien [..., die] nun einmal die Trägerinnen und Vertreterinnen des aUergrößten Teils des illegalen Organisationsapparates« seien. Die Zusammenarbeit von Kommunisten, Sozialdemokraten, bürgerüchen Demokraten und KathoUken konnte seiner Meinung nach die »Einheitsfront in der Arbeiterbewegung« fördern, doch gerade hier sah er Widersprüche. Er plädierte daher für eine langsamere Gangart, »einstweüen nur Aktionen von FaU zu FaU«, und warnte vor »theatraUschen Gesten Proklamationen, Verfassungsentwürfe [n] und dergl.« ebenso wie vor einem »Führer«: »Ich sehe in unserer gesamten Emigration noch keinen deutschen Masaryk.«110 Auf der Lutetia-Bespechung vom 26. September selbst bedauerte Schiff, »daß er nicht in der glücküchen Lage wie Koenen sei, im Einverständnis mit seiner Partei zu sprechen«. Es entsprach seiner von der »außerordentüchen Bedeutung der Zusammenarbeit mit der offizieUen Sozialdemokratie, die wahrscheirüich über den bedeutendsten ülegalen Apparat im Reiche verfüge«, daß er erklärte, sich, wie bereits mehrfach geschehen, darum bemühen zu woUen, den Parteivorstand in Prag zu gewinnen; obgleich die »letzte Antwort, die er auf sein Drängen erhalten habe, [...] zu 75 % ablehnend gewesen« sei, gebe er die »Hoffnung« nicht auf.111 Und er setzte sich in Briefen an Stampfer und Wels,
einem
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Überzeugung
SAPMO, Ry 1,1 2/3/418, Bl. 30-33: Victor Schiff an »Werter Genosse« [Münzenberg], 22. September 1935, As, Stempel auf S. 1: »Sekretariat Tov[arisca] Dimitrova« [kyrilUsch], von Münzenberg mit Brief vom 23. September ans PoUtbüro in Moskau geschickt, ebd., Bl. 29 (vgl. oben Anm. 56). 111 Bericht Besprechung 26. 9. 1935, zit. nach: Jasper, Heinrich Mann, S. 140f.; ergänzend zu unserer bisherigen DarsteUung der Ablehnung einer Einheits- und Volksfront des PV der SPD und chronologisch bis Oktober 1935 weitergehend vgl. Buchholz/Rother, Protokolle der Sopade, S. 126-129 (Dok. Nr. 46-48): in den Parteivorstandssitzungen wird 110
182
Lutetia-Comité und Lutetia-Kreis
und
als Wels nach Paris kam in persönkcher Unterredung dafür ein, daß die Sopade mit Vertretern des ZK über eine Zusammenarbeit unterhandele.112 Auch Glaser und Schifrin, die sich hier zum nachträgüchen Ärger des gut informierten Breitscheid zum erstenmal als »Revolutionäre SoziaUsten« erklärten und damit den Anspruch einer Gruppenvertretung andeuteten, sprengten nicht den Rahmen der Einmütigkeit,113 der sich während der Versammlung zwischen Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerkchen Demokraten zur Frage der parlamentarischen Demokratie herauskristaUisierte.114 Für eine »kleine Minderheit« aUerdings war gerade diese Einmütigkeit Anlaß zu heftiger Kritik. Eine »Richtung Kaminsky« bezeichnete »als ihr Ziel die soziaüstische Revolution« und forderte als Vorbedingung »der Zusammenarbeit mit Prag« eine »Prüfung der Vergangenheit«, d. h. der Frage nach der Schuld am Sieg des Nationalsoziaüsmus.115 Münzenberg wies diese Opposition im Verein mit Schiff scharf zurück.116 -
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»Einheitsfront« nicht diskutiert, sondern ledigüch in Berichten oder Briefen erwähnt und wer auch innerhalb der SAI dafür oder dagegen ist. 112 IISG, NL Hertz, S. 19, XVII: Hertz an Hüferding, 3. Oktober 1935, und Hüferding an Hertz, 25. Oktober 1935. 113 Vgl. Bericht Besprechung 26. 9. 1935, in: Jasper, Heinrich Mann, S. 141; vgl. den ktitisch-vorwärts drängenden Artikel von Schifrin, »Deutsche Volksfront«, in: MDFB, 1935, Nr. 41, 10. Oktober, S. 1292-1295; IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Breitscheid an Hertz, 2. November 1935; er datiert die Sitzung fälschüch auf den 28. September; Breitscheid nahm nicht teü, »da wk erst am 15. Oktober [aus der Schweiz ULA] zurückgekehrt sind«; und er fährt fort: »Ich würde aber trotz Einladung wahrscheinüch auch nicht hingegangen sein, wenn ich hier gewesen wäre.« 114 HaUgarten, Memoiren, S. 214f., schrieb damals in sein Tagebuch: »Volksfront: Kreuzung von Gewissensfreiheit und Soziaüsmus. Jede Gruppe bewilügt der anderen, was sie wünscht. Qui trompe-t-on ici? Die KPD-isten tun, als ob sie an Demokratie glaubten; sie reden es sich selbst ein; ich bin skeptisch.« 115 Vgl, auch zum folgenden, Bericht Besprechung 26. 9. 1935 (Original siehe oben Anm. 103 dieses Kapitels-, die Kaminski-Passage hat W.Jasper ausgelassen); Hertz an Hüferding, 7. Oktober 1935 (siehe oben Anm. 107), daraus die Zitate; im KurzprotokoU »Sitzung am 26. September 1935« (siehe oben Anm. 100) wird Kaminskis Intervention als »äußerst widerspruchsvoU, stark anarchistisch« charakterisiert; »Vergangenheitsbewältigung« war bereits Ende Juü auf einer Besprechung des Vorläufigen Ausschusses zentrales Thema gewesen: Gerlach hatte ein »Rede-DueU [...] mit einem sehr sympathischen, aber leider doch allzuradikalen Juristen« ausgefochten; nach Meinung des Chronisten wurde »die ganze Tragödie der deutschen Dnken noch einmal vor Augen [geführt], in der die einen die >Eisernen Front< der anderen als >blechern< ausschimpften, statt in gemeinsamem Interesse durch biegsames, aber kräftiges Vorgehen eine stählerne Front zu büden« (Bichette [d. i. Helmut Hksch], »Helmuth von Gerlach und die deutsche Volksfront«, in: Volksfront, 1935, Nr. 1, 2. Augusthälfte). -
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Victor
Schiff, »Das Ziel«, in: MDFB, 1936, Nr. 10, Februar, S.
2.
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IM.
Emigrantengruppen proben
die
Einigung
Dezidiert sozialdemokratischer Beitrag zu der Versammlung am 26. September waren die von Georg Decker ausgearbeiteten, von Max Braun vorgelegten Richtlinien für einen zu gründenden »Bund >Das kommende DeutschlandFreies DeutschlandDas kommende Deutschlandrichtigen< Strategie gegen Faschismus/NationalsoziaUsmus und Krieg und der erforderUchen Taktik gegenüber der Sozialdemokratie abgeschlossen. zur
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i°4
In der UdSSR bekam der VII. Weltkongreß anscheinend auch weniger PubUzität, die Veröffentiichungen im Kominternorgan Rundschau (Basel) ab Nr. 34, 1. August 1935, bis Nr. 74, 18. Dezember 1935, sind teüweise Kommentare, teüweise übernommene und zwischendurch paraphrasierte Auszüge aus Pravda und lsvestija oder Korrespondentenberichte; die Hauptreferate und vor aüem die Schlußdiskussionen und -reden sind aber ausführUch(er) wiedergegeben; erst 1939 erschien ein gebundenes »Gekürztes stenographisches ProtokoU« in deutscher Sprache, offensichtüch so zusammengestrichen, daß es für die Situation und die Taktik von 1939 brauchbar wurde, vgl. VII. Kongreß der Kommunistischen Internationale, Moskau: Verlag für fremdsprachige Literatur 1939. 105 Vgl. Protokoll des VI. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale. Thesen, Resolutionen, Programm, Statuten, 2 Bde., Reprint Erlangen 1972, in Bd. 2, Teü 3, insbes. die Resolution »Der Kampf gegen den imperiaUstischen Krieg und die Aufgaben der Kommunisten«, S. 1077, bes. § 5, S. 109f.; vgl. u. a. Lange, Stalinismus, bes. S. 312ff.
234
VII.
Weltkongreß
der Komintern und die
Frage
der Demokratie
Der Initiator der neuen Linie, Georgi Dimitroff, wurde, von Staun bereits designiert, zum Generalsekretär der Komintern gekürt.106 Noch wichtiger und weitreichender erscheint, daß mit der Wahl Frankreichs eine Entwicklung zum Vorbüd erhoben wurde, in der seit der gewaldosen Durchführung des poütischen Generalstreiks im Februar 1934 durch SFIO, CGT, PCF um nur die wichtigsten Organisationen zu nennen revolutionäres antifaschistisches Potential in den folgenden kantonalen und munizipalen Wahlen in erfolgreiche Zusammenarbeit der Parteien im parlamentarischen Rahmen kanaüsiert werden konnte. Pieck bezeichnete dies in seinem Bericht über die Tätigkeit des EKKI als »revolutionäre Taktik«. In diesen Kanon gehört auch die verkündete Revision der »revolutionären« Gewerkschaftspoütik und Hinwendung zu den Freien, den sozialdemokratischen Gewerkschaften.107 Wie wurde nun in der deutschen Emigration auf den VII. Weltkongreß reagiert, von dem man aus der kommunistischen (Tages-)Presse, voran L'Humanité, erfuhr? Es war den meisten deutschen Emigranten und nicht nur diesen klar, daß die Sanktionierung des in Frankreich bisher schon rein quantitativ erfolgreich verlaufenden pacte d'unité d'action und dessen Ausweitung zum Rassemblement -
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106
Dem VII. Weltkongreß lagen die nur unwesentlich ergänzten »MateriaUen« vor, die die Vorbereitenden Kommissionen zum ursprüngüch vorgesehenen Kongreßtermin im Herbst 1934 abgeschlossen hatten, vgl. Die Kommunistische Internationale vor dem VII. Weltkongreß. Materialien, hrsg. vom Büro des Sekretariats des Exekutivkomitees der Komintern, Moskau Leningrad: Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR, JuU 1935; beachte dort die Vorbemerkung; zu Stalins Haltung vgl. u. a. dessen handschriftliche Unterstreichungen und Kommentare ün Brief von Dimitroff vom 1. Juü 1934, in dem dieser die wesentlichen Punkte des Entwurfs semer Kongreßrede zusammenfaßt, in: Dimitrov and Stalin 1934—1943. Litters from the Soviet Archives, ed. by Alexander DaUin and F. I. Fksov, New Haven London 2000, S. 13-16, auf S. 15 Faksimüe der ersten Seite des Briefs; Dimitroff soü vieles über den Nationalsoziaüsmus gelernt haben aus der umfassenden Arbeit von Hans Günther, die aber erst Ende 1935 im Druck erscDen, Der Herren eigner Geist. Die Ideologie des Nationalsozialismus, Moskau Leningrad: Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR 1935; vgl. dazu das Nachwort von Lothar Berthold und Dieter Lange in dem von ihnen hrsg. Reprint, Berün 1983, dort auch, daß Günther am 4. November 1936 in Moskau verhaftet und am 10. Oktober 1938 in der Haft an Typhus verstorben sei (S. 321). 107 Zur schwankenden, widersprüctüichen Poütik und Entscheidungsfindung innerhalb der Komintern und der KPdSU(B) vor aUem seit Oktober 1932 Dimitroffs erster Empfehlung ans EKKI, die Einheitsfronttaktik gegenüber der Sozialdemokratie ge-
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schmeidiger anzuwenden,
da die bisherige kategorische Forderung an die Mitgüeder der sozialdemokratischen Parteien, zur kommunistischen Partei überzutreten, wenig erfolgreich gewesen sei -, vgl. im einzelnen Langkau-Alex u. a., »Von Krieg zu Krieg«, Abschnitt »4. Der Weg zur Einheitsfront >auf neue Art< und zur >Volksfront< gegen Krieg und FascDsmus, 1934—1935«; da im folgenden das Augenmerk auf Reaktionen in der deutschen Emigration üegt, sei zur Literatur über den VII. Weltkongreß, soweit nicht an anderen SteUen zitiert, auf die BibüograpDe in Deutsche Volksfront Band 3 verwiesen.
235
IV. Chancen der Einheit. Eine Zwischenbilanz
oder Front populaire, ferner die Propagierung eines als »dialektisch« bezeichneten Wechselspiels von Einheitsfront und Volksfront im Weltmaßstab primär im außenpoUtischen Interesse der Sowjetunion begründet lagen. Daß es legitim sei, sich selbst zu schützen, angesichts der existentieUen Bedrohung von Seiten des deutschen und des japanischen Faschismus,108 wurde von niemandem bestritten; die Frage aber, wie dies zu geschehen habe, wurde sehr unterschiedUch beantwortet. Während poUtisch so divergierende PersönUchkeiten wie Gerlach, Hüler, Max Braun, Budzislawski, Stampfer und Otto Strasser die auf dem VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale inaugurierte Taktik der »Einheitsfront auf neue Art« und darüber hinaus die der Volksfront als Hinwendung Moskaus zur »RealpoUtik« werteten,109 beurteüten SAP, KP(D)0 und IKD besonders die Volksfront-Taktik als einen eklatanten Bruch mit den marxistischleninistischen Prinzipien des revolutionären Internationaüsmus; als erster Schritt bei diesem Abirren wurde die bereits im Herbst 1924 von Staun ventilierte, offizieU im April 1925 inaugurierte Doktrin vom Aufbau des SoziaUsmus in einem Lande ausgemacht.110
i°8
Der itaUenische Faschismus war außenpoütisch nicht primär gegen die Sowjetunion gerichtet, außerdem bestand seit dem 2. September 1933 ein Nichtangriffspakt und Freundschaftsvertrag zwischen Itaüen und der UdSSR. 109 Vgl. Hellmuth von Gerlach, »Friedensgefährdender Pazifismus«, in: NWB, 1935, Nr. 34, 22. August, S. 1061-1063; Kurt Hüler, »Dimitroff«, in: NWB, 1935, Nr. 39, 26. September, S. 1227-1232; ders., »Die Logik im RoUstuhl. Zur Antikriegsresolution des VII. Weltkongresses der Komintern«, in: PT, 1935, Nr. 655, 28. September; SteUungnah-
Max Braun zu Dimitroffs Aufruf in: AIZ, 1935, Nr. 49, 5. Dezember; Budzislawskis Artikel in NWB zwischen August und Dezember 1935, bes. auch: »Um Hitlers Erbe«, in: Nr. 47, 21. November, S. 1465-1469; Otto Strasser, »Moskau befiehlt Kurswechsel...«, in: DR, 1935, Nr. 16, 1. September-Nr., bes. S. 2; »Kongreß der Komintern«, in: NV, 1935, Nr. 117, 8. September, Beüage S. 3fi, ebenfaUs in: Sozialistische Aktion, September 1935; in den meisten der genannten Artikel kommen die Wörter »RealpoUtik« oder »Realpoütiker« vor, in den anderen werden sie umschrieben. n° Vgl. für die AZ der SAP: »Wohin treibt die Komintern? Zum VII. Weltkongreß«, in: NF, 1935, Nr. 16, Mitte August; »KPD üquidiert den Kommunismus«, in: NF, 1935, Mitte November, und in: MDFB, 1935, Nr. 7, 22. November, S. 12f. (eine Auseinandersetzung mit Ulbrichts in russischer Sprache erschienenem Artikel »Der VII. Weltkongreß der Komintern und die Kommunistische Partei Deutschlands«); schon vor Beginn des VII. Weltkongresses hatte die SAP das zu erwartende Ergebnis kommentiert in: NF, 1935, Nr. 14, Mitte Juü: »Einigung Staun Vandervelde? Der Weg zur Einheit«; den Eintritt der Sowjetunion in den Völkerbund hatte sie als Abschluß des Prozesses zur Liquidierung der revolutionären Außenpoütik gebrandmarkt siehe: »Sowjetunion im Völkerbund«, in: Das Banner, 1934, Nr. 9; der Abschluß des Beistandspakts zwischen UdSSR und Frankreich galt ihr als Bestätigung dieses Urteüs siehe die Protestresolution vom 2. Mai 1935 an das Internationale Büro für revolutionäre soziaUstische Einheit, abgedr. in: »Trotzkismus oder revolutionäre RealpoUtik«; für die KP(D)0 vgl. Tjaden, KPO, bes. S. 328-338, und die dort zitierten Referenzen; für die IKD z. B. Leo Trotzki, »Die Volksfront und die Aktionsme
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236
VII.
Weltkongreß
der Komintern und die
Frage
der Demokratie
Kriterien für die im Prinzip positive Beurteüung der Beschlüsse des VII. Weltkongresses seitens der Erstgenannten waren: die Erkennung der tödüchen Gefahr des (Hider-)Faschismus, einmal für die Sowjetunion selbst, zum zweiten für die Arbeiterklasse international wie für die Bewegungsfreiheit, im geistigen wie materieUen Sinne, einer Reihe anderer Schichten und Klassen, insbesondere der InteUektueUen, zum dritten für die demokratisch konstituierten Staaten; die Anerkennung der Sozialdemokratie als Vertreterin von Prinzipien und Interessen eines großen Teüs des westeuropäischen Proletariats; die Anerkennung der bürgerüchen Demokratie als (Kampf-)Boden für wirtschafts- und geseUschaftspoütische Veränderungen. Zweifel büeben vielen und in den verschiedensten parteipoktischen Gruppierungen aUerdings hinsichtlich der »Ehrüchkeit«, der »Dauer«, letztlich: der »wahren« Ziele der kommunistischen Wende. Im Zusammenhang mit der proklamierten »Einheitsfront auf neue Art« als Kampfform des Proletariats gegen den Faschismus und als Vorbereitung auf die »Einheitspartei«111 stießen sich Sopade-Kreise, NB-Gruppe, aber auch SAP und KP(D)0 zunächst an der mangelhaften Selbstkritik der Komintern im aügemeinen, der deutschen Kommunisten im besonderen wegen der seit dem VI. Weltkongreß betriebenen Poütik.112
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komitees«, in: UW, 1936, Nr. 1 (69), Anfang Januar, S. 2 dieser Artikel trägt das Datum »26. November 1935« und ist vor aUem an Frankreich orientiert; anders dagegen: 0[skar Fischejr, »Einheitsfront und Volksfront in DeutscDand«, in: UW, 1935, Nr. 12 (64), Anfang Dezember, S. 3. 111 Vgl. Georgi Dimitrow, »Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den FascDsmus. Bericht zum 2. Punkt der Tagesordnung des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, erstattet am 2. August 1935«, in: Georgi Dimitrow, Arbeiterklasse gegen Faschismus, Straßburg: Prometheus Verlag o.}., bes. S. 81 ff; vgl. auch die Resolution zum Bericht des Genossen Georgi Dimitroff, angenommen am 20. August 1935, in: Pieck/Dimitroff/TogUatti, Offensive, S. 269ff. 112 Vgl. Dr die SPD: »Kongreß der Komintern«, in: NV, 1935, Nr. 117, 8. September; Gregor Bienstock; »Die Umgruppierung der Komintern«, in: Zß, 1935, Nr. 24/25, September/Oktober, S. 787ff, auszugsweise in: MDFB, 1935, Nr. 6, 1. November, S. 7£; eine sehr kritische Analyse von NB: Der 7. Weltkongreß der Komintern, Ds, o. D. [etwa September 1935], 3 S. (IISG, Neu Beginnen 40); vgl. auch KHem, Neu Beginnen, S. 170ff., für die SAP: »Komintern übt Selbstkritik. Der VII. Weltkongreß und wk«, in: NF, 1935, Nr. 17, Anfang September, S. 1 und 3; »Einheits- und Volksfront. GrundsätzUche Bemerkungen zur neuen KominternpoUtik«, in: NF, 1935, Nr. 19, Anfang Oktober, Beüage S. 1; nach Tjaden, KPO, S. 333f., herrschte bei der KP(D)0 mit Kritik gemischte Freude über die Beendigung der ultralinken Poütik vor; das gleiche läßt sich von Hüler sagen vgl. »Dimitroff«, in: NWB, 1935, Nr. 39, 26. September, S. 1227-1232, bes. S. 1231. -
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237
IV. Chancen der Einheit. Eine Zwischenbilanz
Weiterhin
galten den Sozialdemokraten einschüeßüch der NB-Gruppe die Beja der »Pflicht« der Kommunisten zur Kritik bei ungenügend sozialdemokratischer erachteter Leistung für die Einheitsfront und die prinzipieUe Ablehnung eines Burgfriedenspakts zwischen Komintern und SAI wie zwischen den jeweüigen LandesparteUeitungen obgleich im FaUe der Saar und Frankreichs 1934 zugestanden113 als Zeichen dafür, daß die Sozialdemokratie doch nicht vielmehr das »Pferd« sein dürfe, dessen »Kutscher« die Partner, gleichberechtigter Kommunistische Partei spielen würde. Und die von Dimitroff angeführten fünf Bedingungen für die poUtische und organisatorische Vereinigung der beiden Parteien waren ihnen im Zusammenhang mit der Forderung an die Adresse der kommunistischen Parteien nach »Disziplin und bolschewistische^] Stählung [...] in der unversöhnüchen Haltung gegenüber aUen Abweichungen von der Linie des tonung des Rechts,
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Bolschewismus«114 Beweis dafür, daß das Ziel, die Sozialdemokratie zu vernichten, die SAI in die Komintern zu überführen, wie eh und je bestehe.115
1.
Einheitsfront, Einheitspartei, innerparteiUche Demokratie
Der RS-Kreis sah hingegen in der neuen Einheitsfrontparole der Komintern die Bestätigung seiner eigenen bisherigen Konzeption, von der er sich ein revolutionäres Zueinanderwachsen der beiden Internationalen versprach. Die fünf Bedingungen für die Schaffung der Einheitspartei erkannte er als »in der heutigen
113 Lefranc vermutet, daß sich die französischen Soziaüsten an der Forderung Breitscheids vom Februar 1933 nach einem »Burgfriedensvertrag« bzw. »Nichtangriffspakt« (pacte de non agression) orientierten, vgl. Front populaire (1974), S. 52, Anm. 2, und S. 439, Text des Pakts dort S. 467ff. 114 Zu den vier besonders hervorgehobenen »Prinzipien«, die auf dem VII. Weltkongreß aufgesteUt wurden, vgl. der Reihenfolge nach: Dimitroff, »Arbeiterklasse«, S. 28, 33, 82, 116 (Zitat); die fünf Bedingungen ansteUe der 21 Bedingungen von 1920 lauteten (S. 82f): »Diese Vereinigung (von kommunistischen und sozialdemokratischen Parteien) ist nur mögUch: erstens, unter der Bedingung der voUständigen Unabhängigkeit von der Bourgeoisie und des voUständigen Aufgebens des Blockes der Sozialdemokratie mit der Bourgeoisie; zweitens [...] der vorherigen HersteUung der Aktionseinheit; drittens [...] der Anerkennung der Notwendigkeit des revolutionären Sturzes der Herrschaft der Bourgeoisie und der Aufrichtung der Diktatur des Proletariats in der Form der Sowjets; viertens [...] des Verzichts auf Unterstützung der eigenen Bourgeoisie im imperiaUstischen Krieg; fünftens [...] des Aufbaus der Partei auf der Grundlage des demokratischen Zentraüsmus, der die Einheit des WiUens und der Aktion gewährleistet und an Hand der Erfahrung der russischen Bolschewiki erprobt wurde.« Die 21 Bedingungen sind u. a. abgedruckt in: NoUau, Internationale, S. 388-393; Braunthal, Geschichte der Internationale, Bd. 2, S. 557-561. 115 Vgl. bes. Bienstock, »Umgruppierung der Komintern« (siehe Anm. 112); das Büd vom »Kutscher« und »Pferd« stammt aus dem Artikel: »Kongreß der Komintern«, in: NV, 1935, Nr. 117, 8. September; weitere Belege bei Edinger; Exile, bes. S. 158ff. -
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VII.
Weltkongreß
der Komintern und die
Frage
der Demokratie
Situation
zwangsläufig gewordene^ Selbstverständüchkeiten« an; freüich sei die Einheitspartei für Deutschland vorerst nur in der Emigration reaüsierbar.116 Die KP(D)0 wiederum glaubte das von ihr fundamental erachtete Leninsche
Prinzip des »demokratischen Zentraüsmus« mit der Betonung auf dem Adjektiv in der Komintern- und KPD-Konzeption der Einheitspartei nicht gewährleistet. Die Beschlüsse des VII. Weltkongresses hinsichtlich einer Einheits- und —
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Volksfront könnten aber nur dann nicht zu einer »Wiederholung und der vielfachen Steigerung der Fehler von 1923 in Deutschland« führen, wenn ein »Minimum« an »innerparteiücher Demokratie« gehandhabt werde, d. h. schücht: wenn die »WiederhersteUung der kommunistischen Einheit« erreicht und die wieder aufgenommene KP(D)0 in der Lage sein werde, sich mit ihrer Kritik durchzusetzen.117 Die SAP sah die Aufhebung des demokratischen Zentraüsmus in dem vom Weltkongreß zugestandenen »Selbstbestimmungsrecht der Parteien«, dies bedeute in Wahrheit eine dkekte Untersteüung unter die KPdSU(B), konkret: unter die Diktatur Staüns. Sie vertrat wie die KP(D)0 die Auffassung, daß abgesehen weder die von der mangelnden Garantie einer innerparteüichen Demokratie der noch KPD der SPD oder in die befähigt gar befugt seien, Richtung Führung auf eine Einheitspartei zu agieren, und sah schon vor Beginn des VII. Weltkongresses für sich die Aufgabe der Förderung und Zusammenfassung »aüer gesunden Kräfte« zu einer »neuen, wahrhaft kommunistischen Internationale« -
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gesteüt.118 Der gleichen Meinung in bezug auf die
theoretischen Quaütäten von KPD die IKD zugetan; außerdem sahen sie noch nicht einmal die organisatorischen, geschweige denn die poütischen Voraussetzungen von beiden »Partnern« gegeben: Zur Verwkküchung einer Einheitsfront und deren Entwicklung zur Einheitspartei gehöre »in erster Linie das Bestehen einer revolutionären, marxistischen Partei« als deren Keim sie sich selbst verstanden; die Auflösung der II. und der III. Internationale zugunsten der neuen, revolutionären, bolschewistisch-leninistischen IV. Internationale war ohnehin selbstverständüch. Den Pferdefuß der Einheitskonzeption aber sahen sie in der »Volksfront«: sie sei und SPD
waren
-
116
Vgl. RS-Briefe, Juü 1935, S. 8, und Oktober 1935, S. 6; ähnüch Otto Bauer, Zwischen
Zwei Weltkriegen?
Vgl. dazu Tjaden, KPO, bes. S. 333; vor aüem aber: Stellungnahme KPO, Abschnitt V: Fragen der proletarischen Einheit, S. 8, bes. Punkt 42, und GdSt, 1935, Nr. 5, November, S. 3—6: »Die Ergebnisse des VII. Weltkongresses der kommunistischen Interna117
Die
tionale«, Zitat S. 6. 118 Vgl. NF, Nr. 17, Anfang September (siehe oben Anm. 112); ebd., Nr. 14, Mtte Juü: »Der Weg zur Einheit« dort das Zitat; vgl. auch in: ebd., Nr. 20, Mtte Oktober, Beüage S. 2: »Der Kominternkongreß über Deutschland«; ebd., Nr. 21, Anfang November: »Zur -
Frage der Einheitspartei«.
239
IV. Chancen der Einheit. Eine Zwischenbilanz
»nichts anderes als die vöUig auf den Kopf gesteUte und voUständig nach rechts umgekrempelte alte Theorie vom >Sozialfaschismusfür die Schaffung eines »freien Volksstaates«, den sie sich als >eine verbesserte Auflage von 1918 mit Zwangsmaßnahmen gegen die Bourgeoisie< vorsteUen« (S. 179). 142 Siehe Deutsche Volksfront Band 3, Dokument 9: Sopade, »Prager Manifest«. 143 Ulbricht in: Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. II, bes. S. 78ff. 144 Protokoll der »Brüsseler Konferenz«,Teil *> s- 74-132 (Pieck) Lewin/Reuter/Weber, Vgl. und S. 133-181 (Florin); prägnante Zitate bei Sywottek, Volksdemokratie, S. 55ff. 145 Vgl. Schwarzschüd, »Eine Aufgabe«; ders., »ABC des Vierten Reiches«, in: NTB, 1935, Nr. 46, 16. November, S. 1090-1093, auszugsweise in: MDFB, 1935, Nr. 7, 22. November, S. 4—7; eine entgegengesetzte, desülusionierte Einschätzung der Reichswehr durch Brüning findet sich bei: Harry Graf Kessler, Tagebücher 1918-1937, Frankfurt/M. 1961, S. 745f. 146 Vgl. Rede von Levi auf dem Gründungsparteitag der KPD (Spartakusbund) am 30. Dezember 1918, in: Paul L^vi, Zwischen Spartakus und Sozialdemokratie. Schriften, Aufsätze, Reden und Briefe, hrsg. und eingeleitet von Charlotte Beradt, Frankfurt/M. Wien 1969, S. 12-19. 147 »Was eint die Volksfront? Für welche Forderungen ist der gemeinsame Kampf aüer Hitlergegner mögüch?«, in: GA, 1935, Nr. 40, 5. Oktober, S. 1, auch veröffendicht in: RF. Reichsausgabe, Mitte Oktober, S. If, vgl. Deutsche Volksfront Band 3, Dokument 10.1. -
246
VIL
Weltkongreß
der Komintern und die
Frage
der Demokratie
wurf des »Manifests« der »Brüsseler« Parteikonferenz ging die uneingeschränkte Forderung ein: »Wk werden dafür kämpfen, daß die Volksmassen in einer freien Wahl eine Nationalversammlung büden, daß wkksame Maßnahmen gegen den Faschismus, gegen die Kriegstreiber ergriffen werden.«'48 Hier zeigt sich ein Kompromiß zwischen der taktischen Linie und dem eigentlichen Motiv des neuen Kurses: die von uns bereits zitierten Berichte von Koenen seit Juü des Jahres 1935 aus Paris besagten klar, daß ohne Eingehen der Kommunisten auf Uberal-sozial-demokratische VorsteUungen und Praxis in der Vergangenheit eine poütische Zusammenarbeit mit Sozialdemokraten und bürgerUchen Demokraten so gut wie nicht mögUch war. AUerdings erfuhr die Außenwelt bis ungefähr Mitte Dezember nichts über die »Brüsseler« Parteikonferenz und ihre Ergebnisse. Das dann für die parteiüberschreitende Öffentlichkeit bestimmte »Manifest« war inzwischen von einer Kommission des neuen Poütbüros überarbeitet und am 1. Dezember verabschiedet worden. Die Wahl einer Nationalversammlung war darin nicht mehr enthalten. Hier wkkten sich zweifellos die zwischen Mitte Oktober und Ende November 1935 innerhalb der Komintern wieder verstärkt aufgekommenen Zweifel über Anwendung und Nutzen der »Einheitsfront auf neue Art« und der Volksfront aus. AktueUen Anlaß bot den Skeptikern vor aUem der vom faschistischen Itaüen vom Zaum gebrochene Krieg in Abessinien.149 Entgegen dem zur Schau gesteUten Optimismus in der KPD, daß »Organe der Volksfront« eine Wiederholung der Fehler der Partei im Jahre 1923, besonders in Sachsen, vermeiden helfen würde, stützten KP(D)0 und IKD ihre Verurteüung des Einheitsfront- und Volksfrontkurses von Komintern und KPD gerade auf die negative Erfahrung jener Ereignisse.150 Anfang des Herbstes 1923 hatte das EKKI den KPD-Vorsitzenden Heinrich Brandler nunmehr, seit 1933, gemeinsam mit seinem damaUgen Weggefahrten August Thalheimer Leiter des -
Zit. nach: Lewin/Reuter/Weber, Protokoll der »Brüsseler Konferenz«, Teü 2, S. 824— 828, hier S. 827 (Abdruck nach dem ProtokoU). 149 Siehe dazu weiter unten S. 262-265, 345ff. und Dokument 10.2 in Deutsche VolksBand 3; Veröffentüchung des »Manifests« in seiner endgültigen Fassung damals in: front Rundschau (Basel), 1935, Nr. 72, 12. Dezember, S. 2823-2825; GA, 1935, Nr. 50, 14. Dezember, S. If.; und als iUegale Flugschrift für das Reich, datiert auf Oktober 1935, siehe BA/K, R 58/564 und Faksimüe Nr. 49, in: Pikarski/Uebel, Antifaschistischer Widerstandskampf der KPD Flugblatt; Nachdruck, ebenfaüs datiert auf Oktober 1935, als Anhang in: •48
Der neue Weg zum gemeinsamen Kampffür den Sturz der Hitlerdiktatur. Referat und Schlußwort auf der Brüsseler Konferenz der Kommunistischen Partei Deutschlands, Oktober 1935, BerUn 1960; jetzt nach Rundschau (Basel) siehe oben -, in: Lewin/Reuter/Weber, Protokoll der »Brüsseler Konferenz«, Teü 2, S. 828-831. i5" Für die KP(D)0 siehe z. B. GdSt, 1935, Nr. 5, [ca. November], S. 3-6: »Die Ergebnisse des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale«; für die IKD siehe weiter unten Zitat und Anm.; für die KPD vgl. auch noch einmal kurz Vietzke, Brüsseler Konferenz S- 227; Lewerenz, »Fragen der Faschismus-Analyse«, S. 748f. -
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IV. Chancen der Einheit. Eine Zwischenbilanz
Auslandskomitees der KP(D)0 in Paris und die KPD-Führung in Sachsen unter Berufung auf die 21 »Bedingungen der Aufnahme in die Kommunistische Internationale« gezwungen, in die dortige, bis dahin ledigüch unterstützte SPD-
Mnderheitsregierung einzutreten. (Gleiches geschah dann in Thüringen.)
Das Charakteristikum dieser Einheitsfront »von unten und von oben«, bestand darin, daß die sächsische Regierungs-SPD im Gegensatz zur »Reichs«-SPD, die Anfang August der Großen Koaütion unter dem DVP-Poütiker Gustav Stresemann beigetreten war (und sie Anfang November wieder verüeß), ünksgerichtet war und also in Opposition zu ihr stand und als solche von kommunistischer Seite als Hebel gegen die große Konkurrenz-Partei in der Repubük —
gedacht war.
Unmittelbares Ziel war jedoch, auf >legale< Weise Waffen beschaffen zu könDies war die vor-entscheidende Phase für die seit einigen Monaten von führenden Funktionären der Kommunistischen Partei Rußlands (Bolschewik!) und der Komintern vorangetriebenen Pläne und Beschlüsse zur Vorbereitung der KPD auf einen bewaffneten Aufstand, der der Auftakt sein soüte für den revolutionären Kampf um die Macht in der ganzen Repubük. Am Ende soüten stehen: die Befreiung vom deutschen und französischen Kapitaüsmus bzw. ImperiaüsFrankreich hatte im Januar des Jahres das Ruhrgebiet besetzt —, die mus Niederschlagung des anstürmenden Faschismus/Nationalsozialismus und die »Errichtung von Sowjets in Deutschland«, für die Staun politische Leitsätze nen.
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vorschlug.
Drei Faktoren brachten die Pläne zum Scheitern und bereiteten der KPD Deutschland-weit eine herbe Niederlage, zuoberst ein mehrmonatiges Verbot: Eine Massenbewegung, die den Aufstand hätte tragen können, war, wie Brandler zunächst richtig eingeschätzt hatte, trotz der Streikweüen inmitten der u. a. durch eine wahnwitzige Inflation gekennzeichneten wirtschaftlichen und poütischen Krise noch lange nicht gegeben. Die propagagierte Bündnisstrategie mit dem Ziel einer »Arbeiter- und Bauern-Regierung«, die zwischen dem EKKI und den Vertretern der KPD-Sektion entwickelt worden war, griff weder in der Partei noch bei den ins Auge gefaßten Schichten. Darüber hinaus schien sich nach dem Eintritt der SPD in die Reichsregierung und deren erste Maßnahmen zu einer Normaüsierung die Lage etwas zu beruhigen, was auch die sozialdemokratische Führung in Sachsen beeinflußte. Die Reichsregierung verhängte eine Reichsexekution gegen Sachsen, üeß Reichswehrtruppen einmarschieren und die legale SPD-KPD-Regierung ab-
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setzen. -
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Die in Moskau ausgeheckten Aufstands- und Revolutionspläne und die Direktiven an die auch selbst in sich zerrissene deutsche Partei waren nicht einheitlich; sie spiegeln vielmehr die innerparteiüchen Machtkämpfe nach dem Tode Lenins wider. In Moskau ging Staun aus ihnen als Sieger über Trockij hervor. Über das EKKI kam schüeßüch die Anweisung an die KPD, die Aufstandsvorbereitungen abzubrechen. Ledigüch in Hamburg kam der
VII.
Weltkongreß
der Komintern und die
Frage
der Demokratie
Aufstand durch ein Mißverständnis zum Ausbruch und führte, weü total isoüert, in eine schneüe Niederlage.1''1 Die Unterbindung des totalen Aufstands im Oktober 1923 vergüchen die IKD nun mit der Volksfrontpoütik der Komintern 1935: »Schon einmal, 1923, gab Stalin den deutschen Kommunisten den Rat, nicht die Dummheit eines revolutionären Aufstandes zu begehen. Wie wenig Interesse heute, 1935, Staun an der revolutionären Bewegung hat, ist offenkundig. Die Revolution ist für die staünistische Bürokratie längst eine Angelegenheit vor aüem der GPU.«152 Die SAP griff in ihrer Ablehnung der kommunistischerseits vorgesteUten Volksfront-Koaütionspoütik und hier bezog sie sich vor aüem auf Ulbrichts Darlegungen in Bolschewik155 auf das historisch erste Beispiel der praktischen Auswirkungen des von Bernstein begründeten theoretischen Revisionismus zurück, den sie in der sozialdemokratischen Praxis während der Weimarer Repubük hatte fortsetzen sehen: auf den von Jean Jaurès unterstützten Eintritt des SoziaUsten Alexandre Mülerand in das bürgerüche Kabinett Waldeck-Rousseau und dessen »Verrat« an den Prinzipien des Soziaüsmus.154 Unter Heranziehung von Rosa Luxemburgs früherer Kritik an dem französischen Experiment quaüflzierte die SAP denn auch die Volksfront-Konzeption der KPD als »Mülerandismus« und als: »KPD üquidiert den Kommunismus«.155 -
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Vgl. die Dokumentation Deutscher Oktober 1923. Ein Revolutionsplan und sein Scheitern, hrsg. von Bernhard H. Bayerlein, Leonid G. Babicenko, Fridrich I. Fksov und Aleksandr Ju. Vatün, Berün 2003 (mit Vorwort von Hermann Weber und Beiträgen von Fridrich I. Firsov, Pierre Broué und Karsten Rudolph), StaUns Vorschläge dort S. 141ff.; frühere Arbeiten: Tjaden, KPO, S. 2-37, bes. S. 28ff.; Marie-Luise Goldbach, Karl Radek und die deutsch-sowjetischen Beziehungen 1918—1923, Bonn-Bad Godesberg 1973, bes. S. 124—133; Angeüka Voß, »Der >Hamburger Aufstand< im Oktober 1923«, in: Angeüka Voß/Ursula Büttner/Hermann Weber, Vom Hamburger Aufstand zur politischen Isolierung. Kommunistische Politik 1923—1933 in Hamburg und im Reich, Hamburg 1983, S. 9-54; Hans-Joachim Krusch, »Zum Zusammenwirken von KI und deutscher Sektion in der Frage der Arbeiter- und Bauern-Regierung im JaDe 1923«, in: BzÇ, Jg. 15 (1973), S. 757—773, negiert die paraUel verlaufenden Aufstandsvorbereitangen, die Niederlage der KPD im Oktober 1923 scDebt er am Ende in wenigen Sätzen den »rechten Führern der Sozialdemokratie« und der »Gemeinsamkeit mit der Bourgeoisie auf der Grundlage des Antikommunismus und Antisowjetismus« in die Schuhe (S. 772). 152 0[skar Fische]r, »Einheitsfront und Volksfront in Deutschland«, in: UW, 1935, 151
Nr. 12 153 154
(64), Dezember, S. 3
Vgl. oben S. 214, Anm. 42.
Mülerand war von 1899 bis 1902 HandelsmiDster im Kabinett Waldeck-Rousseau; wurde von Kritiker-Seite dann auch vom Kabinett »Waldeck Mülerand« gesprochen. 155 Vgl. »WoDn treibt die Komintern?« und: »Grundsätzüches zur Volksfrontregierung«, in: Das Banner, September 1935; »Der Kominternkongreß über Deutschland«, in: NF, 1935, Nr. 20, Mtte Oktober; »KPD üquidiert den Kommunismus«, in: ebd., Nr. 22, es
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IV. Chancen der Einheit. Eine Zwischenbilanz
orientierte sich die SAP ebenso wie die anderen Zwischender deutschen Arbeiterbewegung in ihrer Kritik an dem neuen Komingruppen tern-Kurs an Aussprüchen von Lenin, während umgekehrt Komintern und KPD ihre Volksfronttaktik ebenfaUs vornehmüch mit Lenin-Zitaten absicherten. Freiüch bezogen sich beide Seiten jeweüs auf verschiedene Schriften. Komintern und KPD zitierten vor aUem den Taktiker Lenin, der die von außen bedrohte (bolschewistische) Revolution ob in ihrem ersten Stadium, ob nach ihrer endUchen Durchführung durch vorübergehendes Eingehen von Kompromissen zu retten suchte, und hier wiederum voran die Schriften Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution und die Kinderkrankheit des Kommunismus. Die anderen bevorzugten den mehr prinzipieUen Theoretiker und Praktiker, den Strategen Lenin, vor aUem dessen Schrift Was tun?X5(' Im
aUgemeinen
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Was
bringt der Frontpopulaire}
deutschen Emigranten betonten, Frankreich sei nicht wobei die Akzente Deutschland, jedoch zum Teü sehr verschieden gesetzt wurden. Eine in doppelter Hinsicht aUgemeine Orientierung aUgemein einmal auf die Emigration selbst bezogen, zum anderen im HinbUck auf Inhalt und Formen des Antifaschismus in Frankreich ist jedoch nicht zu verkennen. Die meisten
poütischen
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1. Zwei Arten von »Volksfront« Für die Komintern und für die KPD als Partei schüeßüch auch schien die Sache einfach. Es wurde zunächst nicht auf den fundamentalen Unterschied zwischen einer Einheits- und Volksfrontpoütik zur Abwehr des Faschismus und einer offensiven zum Sturz ¿es Faschismus eingegangen. Und so konnte Ulbricht dann dem Deutschland von 1935 das aktueUe Beispiel Frankreichs entgegenhalten:
Mitte November, beide Artikel auch auszugsweise in: MDFB, 1935, Nr. 6, 1. November, S. 9f. bzw. Nr. 7, 22. November, S. 12f. i5i Lenin, »Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution« (1905), in: ders., Sämtliche Werke, Wien BerUn 1929ff, Bd. VIII, S. 33-172; ders., »Der >RadikaUsmusimperiaUstischen< Staaten zuweüen etwas blauäugige Studie: Ingeborg Plettenberg, Die Sowjetunion im Völkerbund 1934 bis 1939. Bündnispolitik zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung in der internationalen Organisationfür Friedenssicherung: Ziele, Voraussetzungen, Möglichkeiten, Wirkungen, Köln 1987, siehe in unserem Zusammenhang dort Kap. 6.
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IV. Chancen der Einheit. Eine Zwischenbilanz
wurde auch in der gesamten deutschen Sozialdemokratie, einschüeßUch NB, RSD, SAP und ISK, und in der SAI grundsätzUch anerkannt. In der von Paul Hertz für die Sopade redigierten Sozialisischen Aktion hieß es sogar, daß die »Weltbedeutung der Sowjetmacht« unbestritten sei, und »daß die Abwehr dieser Hetze [der Nationalsoziaüsten gegen die Sowjetunion] keine Parteisache der Kommunisten, sondern eine Aufgabe der ganzen Arbeiterbewegung ist«.218 Dies war als Prinzip, unabhängig von der Staatsform und der Innenpoütik, jedoch im Interesse einer noch zu schaffenden »wkküchen Demokratie« in der UdSSR, bereits in einer einstimmig angenommenen Resolution auf dem Gründungskongreß der SAI im Mai 1923, in der im übrigen der demokratische Soziaüsmus gegen die bolschewistische Diktatur gesetzt war, aufgenommen.219 Die Sopade und ihre Anhänger befanden sich in einem Düemma, das vorläufig nicht zu lösen schien: Eine Organisation, die die Außenpoütik der Staaten und die Parteipoütik verschiedener weltanschauücher Provenienz auf das Ziel, den Frieden zu erhalten, zu koordinieren versucht hätte wie dann der Rassemblement Universelpour la Paix (RUP) -, gab es noch nicht. Erinnert sei noch einmal: Die Sopade fürchtete, eine Einheitsfront mit der KPD werde abgesehen von dem Risiko für die eigene Partei vor aUem diejenigen Schichten und Klassen in Deutschland in die Arme des Nationalsoziaüsmus (zurück-)treiben, die für dessen Sturz als Kampfgefährten notwendig erachtet wurden wegen der Propa»bolschewistischen Auf der vom anderen Seite war da die mit Chaos«. ganda auch der mit daß Hiderdeutschland zeranderen, KPD, geteüte Überzeugung, schlagen werden müsse. Es sei im Innern, was die itaüenische Propaganda von Abessinien dort gab es aUerdings noch Sklaverei behauptete: »ein Land der Greuel und der Barbarei«, nach außen die Inkarnation des Krieges. Der Neue Vorwärts nahm bereits im Juü 1935 zu beiden faschistischen Staaten SteUung: »Die Diktaturen sind der Krieg. Sie zerstören die Gesittung, mit der Gesittung die Demokratie, mit der Demokratie das Recht, mit dem Recht den Frieden, es bleibt das Faustrecht der rohen Gewalt, der Krieg.«220 —
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Sozialistische Aktion, 1935, November, S. 1: »Zum 9. November«; vgl. ebd., 1935,
Anfang Juni: »Kommunistische Außenpoütik. Schwenkung der Moskauer Internationale«;
für den gesamten Zeitraum von 1933—1945, mit den verschiedenen Implikationen, vgl. Udo Vorholt, Die Sowjetunion im Urteil des soziasldemokratischen Exils 1933-1945. Eine Studie des Exilparteivorstandes der SPD, des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes, der Sozialistischen Arbeiterpartei und der Gruppe Neu Beginnen, Frankfurt/M. usw. 1991; das >Verhältnis< zur Sowjetunion ist der Fixpunkt in der umfangreichen Studie von Rainer Behring, Demokratische Außenpolitik für Deutschland. Die außenpolitischen
Vorstellungen deutscher Sozialdemokraten im
Exil 1933-1945, Düsseldorf 1999; zu Behrings fragwürdiger Methode, die »idealtypische« SPD (Mehrheits-Sopade) glorios abzuheben von der/den pauschaüerten »Linken«, siehe meine ausführUche Kritik, in: IWK,}g- 38 (2002), S. 253-256. 219 Vgl. Braunthal, Internationak, Bd. 2, S. 284-291. 220 Zitate nach: NV, 1935, Nr. 110, 21. Juü, S. 1: »Die Schande des 20. Jahrhunderts. Die Barbarei herrscht im Herzen
266
Europas«.
Internationale Konstellation und
Kriegsgefahr
Von Hitlers Außenpoütik hatte Stampfer bereits 1934 gesagt, sie wiederhole »aüe Fehler des Kaiserreiches in gigantischer Vergrößerung« und begehe »aüe Dummheiten Wühelms II. in verzehnfachtem Format noch einmal«. Logische Folge sei ein neuer europäischer Krieg »und die Zerstörung Deutschlands«, d. h. die »Zerstükkelung« weü die Entwaffnungs- und Reparationspoütik der Siegermächte nach 1918 nichts geholfen habe. Stampfers Schlußfolgerung: »Der Nationalsoziaüsmus ist der Todfeind und die Lebensgefahr Deutschlands. Kampf gegen ihn ist nicht nur international-soziaüstische, er ist auch nationale Pflicht.«221 schien sich im Herbst 1935 nur im Rahmen des Völkerbunds soweit auf die internationale Poütik bezogen verwirklichen zu lassen. Vom deutschen Volk, der Propaganda von der Bedrohung des Vaterlandes durch den Bolschewismus und seinen Verbündeten ausgesetzt, war in dieser außenpoütischen KonsteUation anscheinend nicht die ErfüUung der »nationalen Pflicht« zu erwarten. Auch Hoegner z. B. schrieb am 27. Oktober 1935 an Breitscheid: »Hoffentüch läßt man die Dinge nicht so weit treiben, daß es doch noch zu einem europäischen Kriege kommt. Wie das itaüenische würde wohl auch das deutsche Volk in seiner Gesamtheit zur Verteidigung des Vaterlandes begeistert in die Reihen einschwenken.«222 Breitscheid, der offenbar sowohl an der Bereitschaft der »unterdrückten Massen« zur »Auflehnung« gegen die faschistische Willkürherrschaft als auch an der Standfestigkeit »der durch Verträge zur Kriegsverhütung verpflichteten Mächte« innerhalb des Völkerbunds zweifelte, formuüerte etwas später: »Der Satz, wonach Kampf gegen den Faschismus Kampf gegen den Krieg ist, läßt sich auch umkehren: Kampf gegen den Krieg ist Kampf gegen den Faschismus.«223 Der internationalen Arbeiterklasse sah er die Aufgabe gesteüt, diesen Kampf zu organisieren, voranzutreiben, zu koordinieren eine Position, die der des ISK und der RSD nahe kam. Aufhäuser konzentrierte sich auf die besondere Aufgabe der deutschen Arbeiterklasse, als er schrieb: »Hat der Weltkrieg und die Frage der Kriegskredite die Einheit der deutschen Arbeiterklasse zerbrochen, so muß der Kampf gegen Kriegsgefahr und Fascismus ihre Einheit wiederhersteüen und zum Sieg des Soziaüsmus führen.«224 -
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221 AUe Zitate: Friedrich Stampfer, »Treibt DeutscDand zum neuen Krieg? Rettung Dcht durch Krieg, sondern vordem Krieg!«, in: NV, 1934, Nr. 43, 8. April, S. 1. 222 Zit. nach: Hoegner, Außenseiter, S. 155. 223 AIZ, 1935, Nr. 49, 5. Dezember, Sonder-Nr. zum 2. Jahrestag des Freispruchs von Dimitroff; Breitscheid war zu einem Beitrag aufgefordert worden. 224 S. Aufhäuser, »Etappen der Einheitsfront«, in: NWB, 1935, Nr. 49, 5. Dezember, S. 1536-1541, Zitat S. 1541.
267
IV. Chancen der Einheit. Eine Zwischenbilanz
Ähnüch hatte RS-Freund Schifrin bereits
August 1935 geschrieben, dabei die beiden ideologischen und geseUschaftspoUtischen Pole, um die sich letzten Endes aUes wie im Magnetfeld ordnen mußte Sowjetunion und Nazi-Deutschland im
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stärker markierend: »Die Frage der proletarischen Einheit wkd immer mehr zu einer deutschen Aufgabe. Der deutsche Soziaüsmus muß und wkd zur Erkenntnis kommen: der Block des europäischen Proletariats, das die Spaltung überwindet und sich an die Spitze der Volksmassen steUt, wkd mit der Sowjetunion die stärkste poütische Macht der Epoche darsteUen.«225 Offenbar glaubte Schifrin nicht daran, daß Hider in Friedenszeit zu stürzen sei. Paradox optimistisch üest sich seine Skizze der mögüchen zukünftigen Entwicklung zumal im Kontext der Tatsache, daß auch er zu denjenigen gehörte, die die Einheitsparole der Komintern als aus dem Bedürfnis der Sowjetunion nach äußerem Frieden erwachsen und gerade darum als »ehrUch« erachteten:226 »Schon donnern die itaüenischen Kanonen in Afrika; morgen können die Truppen des itaüenischen Faschismus Ägypten stürmen, können die britischen Kriegsschiffe die itaüenischen Hafenstädte beschießen, kann Hider das Baltikum okkupieren, kann die gewaltige Kraft der Roten Armee gegen einen deutschen Angriff eingesetzt werden.«227 Daraus folgerte er unmittelbar: »Der deutsche Antifascismus muß noch vor den großen internationalen Erschütterungen seinen Kampfweg bestimmen.« Das noch im August signaUsierte »Düemma« der Komintern »eine reaüstische opportunistische PoUtik im Dienste einer außenpoUtischen Situation oder eine reaüstische soziaUstische Poütik mit großen Zielen und
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großen Perspektiven«228 sah Schifrin jetzt, im Oktober 1935, -
Deutschland betraf:
anscheinend
gelöst, jedenfaUs
soweit
es
»[...] proletarische Einheit und Volksfront für Deutschland. Für Beides muß systematisch, gleichzeitig und paraUel gekämpft werden, es ergänzt sich.«229 Zwiespältig büeb hingegen auch in der Folgezeit die Haltung z. B. Kurt Hülers: Hatte er im Unksüberalen Pariser Tageblatt zu Recht die eklatanten Widersprüche in den Beschlüssen der VII. Weltkongresses der Komintern registriert und auf-
225 Alexander Schifrin, »Chancen der Einheit«, in: NWB, 1935, Nr. 34, 22. August, ZiS. 1071. 226 Vgl. z. B. auch Otto Bauer, »Einheitsfront in der Weltpoütik«, in: Der Kampf, 1935, 10. Oktober, auszugsweise in: MDFB, 1935, Nr. 6, 1. November, S. 5—7, hier bes. S. 6; Gerlach, »Friedensgefährdender Pazifismus«; Max Brauns SteUungnahme in: AIZ, 1935, Nr. 49, 5. Dezember, Sonder-Nr. Dimitroff. 227 Alexander Schifrin, »Deutsche Volksfront«, in: NWB, 1935, Nr. 31, 10. Oktober, S. 1292-1995, dieses und das folgende Zitat S. 1295. 228 Schifrin, »Chancen der Einheit« (siehe Anm. 225), S. 1070. 229 Schifrin, »Deutsche Volksfront«, S. 1292.
tat
268
Internationale Konstellation und
Kriegsgefahr
dieser befürchtet, mit der »Einerseits-Andererseits-Taktik« werde »das Vertrauen gerade jener Werktätigen verscherzt, die man gewinnen möchte, und sei's auch nur für die Einheitsfront«;230 in der seit über einem Jahr die Einigung der Parteien der Arbeiterbewegung pubüzistisch fordernden und fördernden Neuen Weltbühne2^ schrieb er: »Was Dimitroff lehrte, was der Siebente Weltkongreß annahm, war zwar ein scharfes Abweichen von der seit Jahren gültigen revolutionären Methodik, aber aües andre als ein AbfaU von der Normative der proletarischen Revolution, in den Opportunismus, vielmehr aus höchster Weisheit Dienst an ihr. Das gut grade auch für die Empfehlung einer konterreaktionären Volksfront/, dieses (in Frankreich schon fast geformten, in Deutschland erst noch zu formenden) Gebüdes, das nach rechts weit hinausreicht über jene Rote Einheit, für deren Verwkküchung sich seit 1926 besonders die deutsche Gruppe Revolutionärer Pazifisten unter beharrüchem Schweigen der Ebertiden, Sabotieren der Zentristen, Geifern der Ultralinken unermüdlich eingesetzt hat. Eine Volksfront, dem Sinne nach, die von freiheitlich und sozial gerichteten Gruppen des Bürgertums bis ganz ünks reichen soüte, kein >Einheitsbrei< sondern ein Zweckverband, zur Niederhaltung des gemeinsamen Feindes, zur Abwehr aüer Attentate auf die spärüchen Errungenschaften von 1918, zur Durchsetzung eines fortschrittlichen Mndestprogramms (während einer Periode kapitaüstischer Stabiüsierung, ohne revolutionäre Situationen), wurde bereits 1924 in der >Weltbühne< gefordert; meine am 6. März dort veröffentüchte Rede hieß >Der Wille zum Wege«232 Die Zeiten waren verändert, die KonsteUation der Faschismus in Deutschland in Gestalt des Nationalsoziaüsmus war an der Macht und die Wege auch; also kam es auf den »Wülen« an, einen neuen Weg zu finden oder einen alten (wieder) zu entdecken.233
grund
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Kurt HiUer, »Die Logik im RoUstuhl. Zur Antikriegs-Resolution des VII. Weltkongresses der Komintern«, in: PT, 1935, Nr. 655, 28. September; die eklatantesten Widersprüche waren für Hüler: Einheitsfront auf neue Art und Primat der bolschewistischen Parteidiszipün; Forderung nach Kampf der kommuDstischen Parteien gegen Rüstungsausgaben bei gleichzeitiger Verteidigung »der nationalen Freiheit und Unabhängigkeit des ganzen Volkes gegen jegüche Unterdrückung und Ausbeutung«. 231 Vgl. auch den Rechenschaftsbericht von Budzislawski über die Tätigkeit der NWB auf dem Gebiete der Einigung der Gegner der Nationalsoziaüsmus in seinem Artikel: »Um Hiders Erbe«, in: NWB, 1935, Nr. 47, 21. November, bes. S. 1467. 232 Kurt Hüler, »Dimitroff«, ta: NWB, 1935, Nr. 39, 26. September, S. 1227-1232, Der S. 1231 f. 233 Vgl. auch Kurt Hüler, »Dreibund gegen den Satan«, in: NWB, 1935, Nr. 40, 3. Oktober, S. 1261-1264. 230
269
IV. Chancen der Einheit. Eine Zwischenbilanz
»Volksfront« oder »sozialistische
Machtpolitik«?
Die Diskussionen und Kontroversen um Art, Form und Inhalt einer zu bildenden Front gegen den deutschen Faschismus, so wie sie sich seit Sommer 1935 darsteUen, sind auch und das kam bisher ein wenig zu kurz Ausdruck der gewandelten EinsteUung der Emigranten zur Tatsache der Emigration selbst. In den ersten Jahren herrschte das Erstaunen oder Erbittertsein über den Sieg des Nationalsoziaüsmus in Deutschland vor; waren die Gedanken meist rückwärts gerichtet; mündete die Frage, wie es dazu hatte kommen können, in Betrachtunselten Selbstanklagen.234 Gedanken über den »Sinn« der gen und Anklagen noch selten eines der frühesten Dokumente ist die in der waren Emigration Reihe »Streitschrift des Europäischen Merkur« 1934 in Paris erschienene Broschüre Der Sinn dieser Emigration von Heinrich Mann und einem jungen Deutschen. Die »Aufgabe«, die der Emigrations-Parteivorstand der SPD am 18. Juni 1933 mit dem Aufruf »Zerbrecht die Ketten!« demonstrativ zu erfüUen begann235 und in den nächsten Monaten mit verschiedenen Periodika bis in den Mai 1934 forsetzte, wurde, wie bei anderen Organisationen auch, spätestens nach der Euphorie im unmittelbaren Zusammenhang mit den Ereignissen um den 30. Juni 1934 hinter der Beschäftigung mit der eigenen Organisation und ihrer Absicherung gegen Kritiker aUmählich zurückgesteUt. Im Gegensatz zu den anderen Parteien und Gruppen, welcher Couleur auch immer, geriet auch der Saarkampf vom Sommer 1934 bis Januar 1935 für die Sopade nicht zu einem poütischen Lichtbück: Sie lag mit der SPS, mit den RSD und mit der Mües- bzw. Neu Beginnen-Gruppe in Fehde, wie wk bereits gesehen haben, und konzentrierte ihre Kräfte vornehmüch darauf. Der Ausgang des Saarplebiszits und das gut für aUe Gruppierungen wkkte ernüchternd: die Fragen, Anklagen begannen —
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von neuem.
Die in der BibUographie angeführten Werke von 1933 und 1934 Bernhard, Grzesinski, Heiden, Historicus (d. i. Arthur Rosenberg), H. Mann (Der Haff), R. Olden, Schwarzschüd, Stampfer, Sternberg sind ein Bruchteü nur der Literatur, die sich unmittelbar mit dem Sieg des Faschismus in Deutschland und seinen Ursachen beschäftigte; vgl. u. a. Sigrid Schneider, Das Ende Weimars im Exilroman. Literarische Strategien zur Vermittlung von Faschismustheorien, München 1980, sie analysiert Ernst Glaeser, Lion Feuchtwanger, Oskar 234
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Maria
Graf, F. C. Weiskopf. NV, 1933, Nr. 1, 18. Juni, S. 1; vgl. dazu auch Friedrich Adler, »Die Aufgabe der Emigration in der vergewaltigten Partei«, in: Internationale Information, 1933, Nr. 32, 10. Juni, S. 275-280; demgegenüber waren die SAP-Broschüre von Otto Erbe, Der Sieg des Faschismus in Deutschland und die Aufgabe der Arbeiterklasse, und die Broschüre Neu beginnen! vor 235
aUem auf die Aufgaben in Deutschland gerichtet, noch enger: zunächst auf die sche und organisatorische Erneuerung der deutschen Arbeiterbewegung.
270
ideologi-
»Volksfront« oder »sozialistische Machtpolitik«?
1. Rückbück und Ausbück 1935 sah der Journaüst Wolf Franck, Mtarbeiter diverser ExUdes französischen Rundfunks und Herausgeber sowie Hauptautor zeitschriften, des hektographierten Periodikums Heute und Morgen/Aujourd'hui et Demain, den Abschluß dieser »bisherigen (gleichsam negativen) Entwicklungsünie« und die Herausbüdung ihres »positiven Korrelats« heraufziehen: Die Emigranten würden sich ihres materieüen und geistigen Status als Emigranten bewußt. Als Ursache führte er einmal die wirtschaftliche Krise, das materieUe Elend der Emigranten an, die zur Aktivität über die (eigene) poütische Gruppe hinaus zwängen, zum anderen maß er der Entwicklung der geistigen Aktivität, der üterarischen Tätigkeit und Öffentlichkeitsarbeit in den zweieinhalb Jahren eine entscheidende Rolle zu: »Die Literatur wurde zum eigentüchen moraüschen Inhalt des Organisationslebens [,... die] Organisationen begannen, Ausdruck und Träger einer sinnvoüen sozialen Funktion zu werden.«236 So finde denn die beginnende Krise im Dritten Reich eine Emigration vor, die ihre »Aufgabe« zu erkennen beginne. Als Schlußstein der bisherigen »praktischen Arbeit« in Paris bis hin zum Vorläufigen Ausschuß zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront wertete er die Beteüigung von Schwarzschüd vor aüem deshalb, weil dieser »von der Peripherie der deutschen Emigration« her komme. Für Franck war denn auch im August 1935 die deutsche Volksfront »heute kein Wunschtraum mehr, keine graue Theorie, kein hohler Begriff; sie ist eine Reaütät, die bereits an der Arbeit ist«, und zwar in der und für die Emigration.237 Wenn hier noch einmal der Standpunkt eines bürgerüchen SchriftsteUers ausführücher zitiert wurde, so, um die folgende Zusammenfassung der verschiedenen Positionen zur Frage einer deutschen Einheits- und Volksfront plastischer zu machen; zugleich aber auch, um ein wichtiges Detail im vorhinein hervorzuheben: Die bürgerüchen Emigranten, die InteUektueUen jedenfaUs, hatten auf keinen organisierten poütischen Anhang innerhalb Deutschlands Rücksicht zu nehmen, so wie dies der Fall war bei den Parteien und Gruppen der Arbeiterbewegung, auch bei den Poütikern der ehemaügen Zentrumspartei doch treten diese zunächst kaum in Erscheinung.
Schon im
August
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[Wolf Franck], »Volksfront«, in: Heute und Morgen; 1935, Nr. 48/50, 10. August, 37-43, Zitat S. 40, voriges Zitat S. 41, die folgenden S. 42 und 43; eine Charakterisierung dieser »Wochenschrift Dr Poütik, Wktschaft und Kultur« mit ihren eigentüchen Jahrgangszählungen gibt Maas, Handbuch Exilpresse, Bd. 4, S. 254—256. 237 Vgl. auch Heute und Morgen, 1935, Nr. 52, 24. August, S. 87f.: »Volksfronder«. 236
S.
271
IV. Chancen der Einheit. Eine Zwischenbilanz
2. DenkmodeUe des 19. Jahrhunderts? Der Wkrwarr der Begriffe und Begriffsbestimmungen rund um die »Front«, die darin war sich jedenfaUs die poütische Emigration einig dem Hiderfaschismus mit seiner Vorspiegelung einer »Volksgemeinschaft« entgegengestellt werden müsse, erscheint zunächst schwer durchdringbar. Daß »Marxisten« im Jahre 1935 und später zwischen »soziaüstisch« und »antifaschistisch« unterscheiden und mit HUfe dieser Terrnini noch weiter zu differenzieren versuchen,238 daß »Liberale« hingegen an der Gleichsetzung festhalten,239 macht das Dickicht nicht durchschaubarer. Wenn aber »antifaschistisch« gleich »antibarbarisch« oder positiv gewendet gleich »humanistisch« (mit welchen weiteren Attributen auch immer); wenn »barbarisch« gleich »mittelalterlich« oder irgend vergleichbarem Rückschritt gesetzt wkd,240 dann scheint ein Anhaltspunkt greifbar. Bei Walter Ulbricht Uest sich das so: »Wir wollen uns in der Volksfront mit aUen ehrüchen Wissenschaftlern, Künsdern und InteUektueUen zum gemeinsamen Kampf verbünden. Wk sind die Erben der besten Traditionen von Schüler, der in den >Räubem< und im >Wühelm TeU< zum Freiheitskampf gegen die Tyrannen rief; von Goethe, der aufrief: Allen Gewalten zum Trotz sich erhaltene Der große Lehrmeister des SoziaUsmus, Friedrich Engels, der vor 40 Jahren starb, sagte: >... wir deutschen Sozialisten sind stolz darauf daß wir abstammen nicht nur von SaintSimon, Fourier und Owen, sondern auch von Kant, Fichte und Hegel.c So sind wk im Kampf gegen die mittelalterliche Finsternis des Faschismus, für Aufklärung und Fortschritt, für die Verteidigung der Kultur auch die Erben von Kant, Fichte und Hegel.«241 -
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Vgl. oben S. 107ff; zum Problem vgl. Plum, Widerstand. Selbstverständüch gilt dies nicht für alle bürgerüchen Hitlergegner, ebensowenig wie die erste Aussage für alle Theoretiker und Praktiker der Arbeiterbewegung gilt; zu denjenigen, für die es wohl gut, gehörten u. a. H. Mann, Gumbel, August Stern; auf die Problematik ihres »SoziaUsmus« wkd in Kapitel V dieses Bandes weiter eingegangen, siehe 238 239
unten, S. 343f.
Außer dem folgenden Zitat vgl. Anm. 241 vgl. etwa: Piecks Ausspruch von der »bestiaüschen Räuberbande«, in: Pieck/Dimitroff/Togüatti, Offensive, S. 39; Stampfer spricht davon, daß »sich in der Hitlerdiktatur die asiatische Despotie, das Feudalsystem und absolutistische Reaktionen der Zeit nach 1848 rekapituüeren«, siehe »Diktatur der Deklassierten«, in: NV, 1935, Nr. 125, 3. November, Beüage S. 3; vgl. auch etwa Hüler, »Dimitroff«, bes. S. 1230. 241 Walter Ulbricht, »Über die Notwendigkeit der Einheits- und Volksfront, aus der Diskussionsrede auf dem VII. Weltkongreß [...], 7. August 1935«, in: Ulbricht, Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Bd. II, 2. Zusatzband, S. 9-33, Zitat S. 28£, das hier kursiv Gesetzte ist dort kleiner gedruckt. 240
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»Volksfront« oder »sozialistische
Machtpolitik«?
Nun war, nur am Rande sei's vermerkt, Fichte kein unumstrittenes »Vorbüd« in der deutschen Emigration: Während Ludwig Marcuse ihn dabei den Autor des Geschlossenen Handelsstaats und der Rechtslehre von dem der Reden an die deutsche Nation trennend als den Schöpfer der »Zentral-Idee«, eben eines »materiaüstischen« Humanismus, pries, unter der »sehr verschiedene Gegner des Faschismus« zu sammeln wären, lehnte Heinrich Mann ihn als Einflüsterer chauvinistischer Parolen pauschal ab.242 Der oben signaüsierte Anhaltspunkt enthüllt sich dem kritischen Historiker als Rückgriff auf die Auseinandersetzungen zwischen dem Bürgertum, das sich mit der ökonomischen Entwicklung des Kapitaüsmus herausbildete, und den Kräften und Mächten der alten feudalen und halb- oder nachfeudalen Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisse. Dies ist um so merkwürdiger, wenn man bedenkt, daß der Faschismus gerade die Folge des bis an die Grenze des Zusammenbruchs voll entwickelten Kapitaüsmus, wenn auch nicht unbedingt als einzig mögüche Form, analysiert worden war. In der Reproduktion des bürgerüchen Emanzipationskampfes trifft sich die KPD nun mit Sozialdemokraten und bürgerüchen Demokraten. AUerdings glaubten z. B. Heinrich Mann, Kurt Hüler, Otto Klepper und andere, daß die bürgerüche Revolution in Deutschland noch überhaupt nicht zu Ende geführt sei. Sie orientierten sich dabei an der weit verbreiteten Überzeugung von der Unmündigkeit bzw. »Knechtschaft« des Klein-
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bürgertums.243
Ein kleiner Exkurs sei hier gestattet: Die damals recht unreflektierte, weü aus der Aneignung der »bürgerüchen« Büdung in der Arbeiterbewegung zu erklärende Anknüpfung an kultureües und poktisches »Erbe« der Vergangenheit erfuhr in der 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ihre »theoretische« Begründung. In der damals aktueüen Auseinandersetzung zwischen Ost und West spezieU auf deutschem Boden knüpften Historiker an Dimitroffs Darlegungen auf dem VII. Weltkongreß der Komintern an, nämüch daß es sich bei dem »Sieg des deutschen Faschismus über die Weimarer Repubük um die >Ablösung einer Staats-
242
Yg[ Ludwig Marcuse, »Der FaU Humanismus« [Rede auf dem I. Internationalen SchriftsteUerkongreß zur Verteidigung der Kultur], in: NTB, 1935, H. 29, 20. Juü, S. 691 ff., zit. nach: MDFB, 1935, Nr. 5, Ende Juü, S. 13f., Zitate S. 14; zu H. Manns negativem Urteil über Fichte, bereits in der Zeit vor dem SchriftsteUerkongreß pubük gemacht, vgl. u. a. Sinn Emigration, S. 31 f. 243 Für HiUer vgl. »Dimitroff« (siehe Anm. 232), bes. aber »Dreibund gegen den Satan« (siehe Anm. 233) und »Zwischen den Dogmen«, in: NWB, 1935, Nr. 50, 12. De-
S. 1580-1584, und Nr. 51, 19. Dezember, S. 1611-1614; zu H. Mann, der die Barbarei des FascDsmus dennoch als Vor-Faü in eine neue Epoche und Dcht Rückschritt verstand, vgl. Der Haß, bes. aber »Die ScDcht Pachulke«; vgl. in diesem Zusammenhang auch Brechts »Notizen zu Heinrich Manns >Mut«< vom 3. März 1939 und »Heinrich Mann« vom März 1946, in: Bertolt Brecht, Gesammelte Werke, Bd. 19: Schriften zur Literatur und Kunst 2, FrankDrt/M. 1967, S. 466ff. bzw. 480ff.; vgl. Otto Klepper, »Europäische Freiheit«, ta: NTB, 1936, H. 52, wiederabgedr. in: AfDFB, 1937, Nr. 15, Januar, S. 35-38.
zember,
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IV. Chancen der Einheit. Eine Zwischenbilanz
form der Klassenherrschaft der Bourgeoisie, der bürgerUchen Demokratie, durch eine andere, durch die offene terroristische Diktatur^ handelt, die ihrerseits Ausdruck wesentlicher Umgruppierungen innerhalb der imperiaUstischen Bourgeoisie ist, deren reaktionärste und aggressivste Kreise die poUtische Macht übernehmen«. FolgUch sei »auch in den hochentwickelten imperiaüstischen Ländern, in denen in den vorangegangenen Jahrhunderten die bürgerüch-demokratische Revolution antifeudalen Charakters bereits durchgeführt war und wo sich die sozial-ökonomischen Voraussetzung für den SoziaUsmus herausgebüdet hatten, die demokratische Umwälzung erneut notwendig« geworden, und zwar »gegen jene geseUschaftüchen Kräfte [...], die die demokratischen Rechte und Freiheiten des Volkes sowie die parlamentarisch-demokratische Staatsform potentieü bedrohten bzw. in den faschistischen Staaten bereits Üquidiert hatten d. h. sie [die demokratische Revolution ULA] mußte antifaschistischen, antiimperiaUstischen Charakter tragen«.244 Zu fragen ist abet und hier wiederhole ich, was ich bereits in Volksfront für Deutschland? (1977) geschrieben habe, worauf noch keine Antwort formuüert ist und hier auch nicht geleistet werden kann, da sie methodisch ganz anders angefaßt werden müßte zu fragen ist also, ob die KPD 1935 bei der Werbung von Bündnispartnern mit »aUgemein-demokratischen« Parolen, wie es hieß, nicht ihr theoretisch unterbautes Selbstverständnis als antikapitaüstische revolutionäre Partei zur Diskussion steUte; ob sie nicht zu sehr von der sozial-ökonomischen Grundlage und der Voraussetzung der Entwicklung zum Faschismus eben von dem kapitaüstischen System abstrahierte, rein ethische Kategorien gegenüber der »Barbarei« des Faschismus zu sehr betonte, was sich darin zeigt, daß die Partei zum einen nun ebenfaUs den Katalog der Menschenrechte an die oberste SteUe der Programmpunkte des antifaschistischen Kampfes rückte,245 daß sie zum anderen die Peripherie der »antifaschistischen Volksfront« bis auf Trevkanus und ähnUche Kreise in der Bourgeoisie auszudehnen dachte,246 daß sie schüeßüch —
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244
AUe Zitate nach Vietzke, Brüsseler Konferenz S. 209, das Zitat im Zitat stammt von zur theoretischen Begründung der erneut erstrebten demokratischen Revolution griff Vietzke selbst auf ein Lenin-Zitat von 1899 zurück, vgl. ebd., S. 226; vgl. auch Lewerenz, »Fragen der Faschismus-Analyse«, S. 749; dies., Die Analyse des Faschismus durch die Kommunistische Internationale. Die Aufdeckung von Wesen und Funktion des Faschismus während der Vorbereitung und Durchführung des VII. Kongresses der Kommunistischen Internationale (19331935), Berün 1975 (Druck der Diss. von 1971), bes. S. 159ff. 245 Das m. W. erste Dokument der KPD, das von der »Verteidigung der Menschenrechte gegen die faschistische Barbarei« spricht, ist der Brief des ZK vom 1. Juni 1935 an die Sopade, vgl. oben, S. 153, sowie die Dokumente 10.1 und 10.2 in Deutsche Volksfront Band 3. 246 Demgegenüber Ueß der bürgerUche Demokrat Franck die Peripherie der Volksfront bei Thomas Mann und dem Ökonomen C. Volo enden, vgl. Heute und Morgen, 1935, Nr. 52, 24. Oktober, S. 87f., und Nr. 48/50, 10. August, S. 44-52: »C. Volo, Automatisierung der Wirtschaft«, und S. 53—57: »Erlesenes: Thomas Mann, Aus einer Vorrede«.
Dimitroff;
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»Volksfront« oder »sozialistische
Machtpolitik«?
bürgerüch-demokratische Formen, nämüch Nationalversammlung und Koaütionsregierung, propagierte, die sich schon einmal als für die Emanzipation der Arbeiterklasse nicht taugüch erwiesen hatten.247 (Daß die KPD-Führung selbst schwankte, beweist die Tatsache, daß in die Endfassung des »Manifests« der »Brüsseler« Parteikonferenz die »Nationalversammlung« nicht aufgenommen wurde, Pieck sie jedoch im Juni 1936 wieder aus der Schublade hervorzog worauf ich im zweiten Band der Deutschen Volksfront zurückkommen werde.) Zu fragen ist weiter, ob nicht Lenin und seine vornehmüch auf Rußland zugespitzten theoretischen und taktischen Konzeptionen zu wörtlich genommen werden; ob nicht de facto hinter den Marx der nach-48er Jahre zurückgegangen wird: ob nicht (früh-)Überale und frühsoziaüstische »utopistische«, nach Engels -
Denkmodeüe zutage treten. Verkürzt formuüert, zielten diese Denkmodeüe, soweit sie auf der poütischen Ebene lagen, darauf ab, daß »Arbeiterschaft« und »Bürgertum« nur durch die gemeinsam durchzuführende Revolution zur Freiheit gelangen könnten; auf sozialem Gebiet galt einzig der »oisif«, d. h. der nur sein Kapital arbeiten und durch Ausbeutung akkumuüeren lassende »Müßiggänger« als der zu Bekämpfende, der Fabrikdirektor hingegen wurde brüderkch zu den »laborieux«, den »Arbeitenden« gezählt.248 Im Gegensatz zu Kommunisten und Sozialdemokraten versuchten hingegen die Zwischengruppen der Arbeiterbewegung jeweüs, in ihren antifaschistischen Sammlungs- und Kampfkonzeptionen die historische Erfahrung zu verarbeiten, da die Grundsätze der Menschenrechte und die durchgeführte bürgerüche Revolution der Arbeiterklasse nicht die erhoffte Befreiung gebracht hatten; daß vielmehr erst durch die bürgerüche Revolution und trotz der Grundsätze der Menschenrechte sich der Kapitaüsmus so weit entwickeln konnte, daß er in der Periode äußerster, von ihm selbst hervorgebrachter Krisen Grundsätze und bürgerüche Demokratie mitschleuderte und beide durch den Sprung nach vorne in den Faschismus schüeßüch vernichtete. So erinnerte z. B. der RS-Kreis in seinem Bulletin marxistischer Forschungsarbeit daran, daß »seit mehr als einem Jahrhundert den Arbeitern« eine wktschaftliche Situation wie die des »Stadiums des Spätkapitaüsmus« der Gegenwart »voraus-
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Vgl. z. B. die Kritik von Budzislawski: Die BündDsvorsteUungen der KPD erinneran die »Große Koaütion«, siehe »Vor dem Hungerwinter«, in: NWB, 1935, Nr. 43, 24. Oktober, S. 1337-1341, bes. S. 1340). 248 Auch Gumbel z. B. sprach von der Enteignung der »agrarischen und tadustrieUen Drohnen [...] zugunsten der Arbeitsamen«, vgl. Gumbel, »Kommt mit uns!«, in: MDFB, 1935, Nr. 6, 1. November, S. 8f.; der gerade in der Volksfrontperiode von den Kommunisten so strapazierte Terminus »Werktätige«, »werktätiges Volk«, ist vor diesem Hintergrund noch einmal auf seinen ideologischen Gehalt zu überprüfen, in Deutsche Volksfront Band 2 komme ich auf diese Problematik u. a. ün Zusammenhang mit der von der Wirtschaftskommission des Volks frontausschusses erarbeiteten Denkschrift Der Lohn der Arbeiterschaft ten
fatal
im III. Reich
zurück, siehe auch Deutsche
Volksfront Band 3, Dokument 33.
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IV. Chancen der Einheit. Eine Zwischenbilanz
gesagt worden war«, in der die
Entscheidung für den Soziaüsmus oder für den Absturz in die Barbarei getroffen werden müsse. Auch weite Kreise der Arbeiterklasse hätten sich in dieser Situation für den Faschismus entschieden, infolge des »ideologische [n] Zusammenbruch [s] der reformistischen Poütik«. Die KP(D)0 Elsaß meinte in ihrem Oigan Arbeiter-Politik von der zweiten Novemberwoche 1935: »Die Nationalversammlung, zu deren Unterstützung sich heute die Führung der KPD bereit erklärt, wkd eine Festung der Konterrevolution sein.« Diese Losung müsse »zusammen mit der Volksfront als eine schwerste opportunistische Entgleisung von den kommunistischen Arbeitern Deutschlands abgelehnt [...] werden«.249 3. Verschiedene Arten »soziaüstischer Machtpoütik« Die KPD wurde in ihrer öffentüch bekundeten Poütik lebhaft unterstützt von Leopold Schwarzschüd. Dieser hielt den Befürchtern und kategorischen Gegund in dieser Reihe standen neben den Zwischennern eines »neuen Weimar« gruppen der Arbeiterbewegung einschüeßüch Neu Beginnen und RSD unter anderem Otto Strasser, Wühelm SoUmann250 vor, schon der Vergleich entbehre -
jegücher Grundlage: »Sie
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übersehen, daß die Lage
von 1918 heute auf den Kopf gesteUt ist. Was 1918? Die SoziaUsten als ganzes betrachtet, hatten damals im Nogeschah vember 100 Prozent der Macht in der Hand. Daraufgingen Ebert und Noske hin und warfen am ersten Tag 50 Prozent wieder weg. Das war der Ursprung aUes folgenden. Es scheint nicht, daß man das vergleichen kann mit einer Lage, in der man nur über 0 Prozent verfügt und in der die Frage sich erhebt,
Bulletin marxistischer Forschungsarbeit, August 1935, Zitate S. 10f; zu den Alternativprogrammen der RSD siehe außer dem im Abschnitt »Antifaschistische Arbeiterfront«, unten S. 279ff, behandelten Dreistufenplan Dokument Nr. 4 in Deutsche Volksfront Band 3; Zitate der KP(D)0 Elsaß nach dem auszugsweisen Abdruck des Arbeiter-Politik-Arnkels »Zurück zu Weimar«, in: MDBF, 1935, Nr. 7, 22. November, S. 13-15, hier S. 15; für die 249
NB-Gruppe vgl. z. B. »Zum 9. November«, in: Sozialistische Aktion, 1935, November, 6 S.; Ds des Originalmanuskripts im IISG, Neu Beginnen, 32; für die SAP siehe: »Richtünien für revolutionäre soziaüstische Poütik«, in: Das Banner, 1935, Nr. 13, April, sowie die Artikelserie »Was kommt nach Hitler?«, in: NF, 1935, Nr. 24, Mitte Dezember, und die folgenden Nummern des Jahrgangs 1936, jeweils Beüage, S. 1; vgl. im übrigen oben, S. 225f. 250 In Ergänzung zu den Anm. 73, 110, 112, 249 dieses Kapitels und zu dem Abschnitt »Ein neues Weimar?« vgl. Otto Strasser, »Nie wieder Weimar!«, in: DR, 1935,
20, auszugsweise in: MDFB, 1935, Nr. 8, 15. Dezember, S. 16; ein Zitat daraus: »Nicht Koaütionsregierung sondern Revolutionsregierung ist die Aufgabe mach Hitlerd«; Wilhelm SoUmann, Sozialistische Machtpolitik.
Nr.
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»Volksfront« oder »sozialistische
Machtpolitik«?
man gewült ist, solange bei diesem 0 zu bleiben, bis man die ganzen 100 erhält, oder ob man gewült ist, Ueber 50 Prozent zu akzeptieren.«251 Schwarzschild selbst hatte sich für die 50 Prozent entschieden; er führte historische Vorbüder an, bei denen in einem »äußerst kritischen Augenbück [...] eine partieüe Interessen-Identität« zwischen Exponenten grundverschiedener Weltan-
ob
schauungen und poütischer Systeme zu einem taktischen Bündnis geführt hätten. Als markantestes Beispiel springt hier Lenin heraus: Dieser habe, nachdem die ersten Friedensverhandlungen von Brest-Litovsk gescheitert waren und Ludendorff eine neue Rußland-Offensive begann, den Entschluß gefaßt, die KriegsaUianz mit den imperiaUstischen Mächten England, Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika gegen das kaiserüche Deutschland zu erneuern.252 Um eine prinzipieüe Gegenposition zu Schwarzschild und zur damaügen Taktik der KPD zu ülustrieren, sei zwischendurch Budzislawski zitiert. Auch er knüpfte an Lenins historisch verbürgte Einsteüung in dieser konkreten Situation an; er sah darin ein Beispiel sinnvoüer weü reaüstischer und zweckgebundener Bündnispoütik. AUein: Budzislawski unterschied (gleich Lenin) eindeutig zwischen reiner »Waffenbrüderschaft«, um »den gemeinsamen Feind« niederzuringen«, und Koaktion auf der Grundlage eines gemeinsamen Programms: »[...] die Volksfront, die sich gegen Hider büden wkd, kann und wird keinen wie immer gearteten Feind des Dritten Reiches auf die andere Seite der Barrikade stoßen; aber der Antifascist kann und wkd sich in der Vorbereitung seiner Aktionen nur mit ausgesprochenen Gegnern des autoritären Systems an einen Tisch setzen.«253 Um wieder zu Schwarzschüd zurückzukehren: In umgekehrter Analogie zu der Alternative, vor die sich seiner Meinung nach Lenin damals gesteüt sah »Entweder einen Teü aufzugeben oder aües verüeren« —, befinde sich jetzt die deutsche Emigration: Entweder »wenigstens einen Teil der poütischen Existenz wieder zu gewinnen« und das sei nur mögüch mit der Zielsetzung einer »neuefn] Demokratie«, was wiederum »tatsächüch schon die Akzeptation des Bündnisses, der kleinen, großen und größeren Koaütion« impüziere oder auf aUes zu verzichten, indem die Forderung einer »anderefn] Diktatur«, d. h. der Diktatur des Proletariats aufgesteüt werde. Das Gegenargument, eine Koaütion ohne Grenzen nach rechts mache von vornherein >»neue, furchtbare Niederlagen des deutschen Proletariats unausbleibüchRundwanderweg< an. Die Handlungsabläufe bewegen sich zunächst vom Lutetia-Kreis und Lutetia-Comité in Paris hin nach Prag, zum Exil-Parteivorstand der SPD und dem westeuropäischen Teil des Politbüros bzw. der Auslandsleitung der KPD. Sie kulminieren in den für alle nah und fern Beteiligten wenn auch aus unterschiedlichen Gründen enttäuschenden Verhandlungen zwischen je zwei Vertretern der beiden Parteiführungen am 23. November 1935. Der Weg führt weiter von einem Solidaritätsakt einiger prominenter Sozialdemokraten und Kommunisten in Paris, der, obgleich inhaltlich-ideologisch problematisch und Gräben zwischen »Prag« und »Paris« weiter vertiefend, letztendlich die Front der Einheitswilligen über die Reihen der Kommunisten und Sozialdemokraten hinaus weiter zusammenführt. Die Lutetia-Konferenz vom 2. Februar 1936, die drei Jahre nimmt man die Reichspräsidenten-Wahlkampagne von 1932 hinzu: vier Jahre der Suche wenigstens einer Minderheit unter den Gegnern des Nationalsozialismus nach einer Antwort auf die Frage »Was setzen wir dem Nationalsozialismus entgegen?« vorläufig abschließt, wird in allen ihren Einzelheiten, vom Organisatorischen bis zum Programmatischen, analysiert. -
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Vorbereitungen auf Prag Noch bevor die »Brüsseler« Parteikonferenz der KPD in Kuncevo förmüch beschloß, daß sich die Partei erneut offizieü an den Prager Vorstand der SPD wenden soUte, um eine persönüche Aussprache zwischen den jeweDgen Vertretern zu erreichen, und das ZK den Beschluß mit einem Brief vom 10. November 1935 reaüsierte,1 bereitete Münzenberg, der Dcht an der Konferenz teilnahm, in Paris und von Paris aus unter Sozialdemokraten den Boden hierfür. An Wühelm SoUmann, dem in Luxemburg lebenden PV-Mtgüed der SPD, war ihm viel gelegen, doch schaltete er anscheinend auch Mttelsmänner ein. Am 3. Oktober schrieb er ihm eher zurückhaltend, er hoffe, ihn bei der Interparlamentarischen Konferenz, die am 23. und 24. November in Brüssel stattfinden soUte, zu treffen.2 In Victor Schiff hatte Münzenberg nach der Lutetia-Versammlung vom 26. September einen bemühten >Mttier< zur Sopade. Schiff plädierte in einem Brief an Stampfer für die Aufnahme der »Verbindung mit Münzenberg« und in einem Brief an Otto Wels, »zu persönkchen Verhandlungen nach Paris« zu kommen.3 Wels fuhr auch tatsächüch nach den Büro- und Exekutiv-Sitzungen der SAI am 10. und 11., und einer gemeinsamen Sitzung der Exekutive mit dem Ausschuß des IGB am 12. Oktober, auf der die Erweiterung der im Juü 1935 vorbereiteten Antikriegsaktion und die gemeinsame Antikriegskommission im Vordergrund
1
Zu dem Brief an den Prager PV vgl. oben S. 283 und zugehörige Anm. 276; vgl. auch Brief Pieck an Dimitroff, 29. Oktober 1935, in: Lewin/Reuter/Weber, Protokoll der »Brüsseler Konferenz«, Teil 2, S. 879-881, Der S. 881. 2 Siehe StAK-HA, 1120, 558/IV-2-15: Münzenberg an SoUmann, 3. Oktober 1935; für Hertz' Mtteüung an HüferDng vom 3. Oktober 1935, »Münzenberg bearbeitet auch dauernd SoUmann, auf seine Kosten nach Paris zu kommen« IISG, NL Hertz, S. 19, XVII -, und SoUmanns Mitteüung an Hertz vom 1. November 1935, daß Münzenberg »seit ekligen Wochen ein sonderbares Interesse för mich hat« ebd., S. 18, Korr. SoUmann finden sich bis Anfang November 1935 weder im MikroDm-Bestand des Nachlasses SoUmann im StAK-HA noch im Nachlaß Hertz des IISG Belege; am 25. Oktober teüte Münzenberg SoUmann ledigüch mit, daß De Interparlamentarische Konferenz verlegt worden sei, siehe StAK-HA, 1120, 558/IV-2-18; am 23. September 1935 schrieb Münzenberg aber nach Moskau, SoUmann habe ihm »geschrieben, daß er sich mit mk treffen möchte«, SAPMO, Ry 1,1 2/3/418, Bl. 29; weitere Belege wären in SAPMO-Beständen zu suchen. 3 Zitate nach Brief Hertz an »Deber Rudolf [HüferDng]«, 3. Oktober 1935, IISG, NL Hertz, S. 19, VII. -
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V. Von Lutetia nach Lutetia
standen,4 mit OUenhauer zusammen von Brüssel nach Paris. Am 14. Oktober hatte ein Gespräch mit Schiff, in dem dieser unter anderem mitteüte, er habe »eine
er
Niederschrift einer
gemeinsamen Verständigung
mit
Münzenberg gemacht«.5
Wels forderte einen Zusatz zu dem Entwurf— den Schiff ihm offenbar vorlegte -, dessen Kernsatz lautete: »Es üegt im Interesse des gemeinsamen Kampfes, dessen Grundsatz und Ziel der Sturz des barbarischen Hitler-Regimes und die WiederhersteUung der demokratischen Volksrechte ist, auch die letzten Symptome des Bruderkampfes zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten resdos zu beseitigen.«6 Über »den Inhalt des Gesprächs zwischen Schiff u[nd] Wels« zeigte sich Münzenberg bereits am nächsten Tag gegenüber Hilferding, der nach Paris gekommen war, in einer längeren Besprechung unterrichtet. Wie Hüferding weiter berichtet, teüte Münzenberg ihm mit, die Komintern beabsichtige durch Ulbricht und Dahlem mit der Sopade verhandeln zu lassen »über eine gemeinsame Erklärung gegen die Kriegsgefahr u[nd] deutsche Aufrüstung, über die Notwendigkeit des Kampfes für Erringung der Demokratie und über die event[ueUe] Organisierung einer gemeinsamen Hilfsgemeinschaft, evfentueü] unter Aufgabe der Roten Hilfe, ein Projekt, über das Hertz schon unterrichtet sei«. Doch eine »Vereinbarung über Burgfrieden u[nd] Kampf um Demokratie erschiene ihm [Münzenberg ULA]
persönlich bedeutsamer als Erklärungen gegen den Krieg«. Münzenbergs Angebot, »seinen mit Schiff zusammen ausgearbeiteten Entwurf«, den er ja kenne, zu ergänzen, lehnte HUferding ab, obgleich er schon im Mai 1935 nach dem Einheitsfront-Angebot der KPD vom 1. April gegen die steigende Kriegsgefahr einen »Nichtangriffspakt« gefordert hatte und seit dem VII. Weltkongreß der Komintern als zusammen mit der Fesdegung auf »Demokratie« dem einzig Mögüchen zwischen den beiden Parteiführungen darauf bestand: Er sei nicht beauftragt und nur zur persönüchen Information in Paris, lautete seine Antwort an Münzenberg. Dem PV in Prag empfahl HUferding: »Keine Ablehnung von vornherein der Verhandlungen; eventueU Burgfriedensvereinbarung unter Fesdegung des Kampfes -
Siehe dazu IISG, SAI, Nr. 666, 667 und 3043, vgl. auch oben S. 265, Anm. 216. Siehe Bericht Wels auf der SPD-Vorstandssitzung am 18. Oktober 1935, in: Buchholz/Rother, Protokolle der Sopade, Zitat S. 131; das Datum des 14. ist zu eruieren aus Brief Hüferding an Hertz, 25. Oktober 1935, IISG, NL Hertz, S. 19, XVII. 6 SAPMO, Ry 1, I 2/3/419, Bl. 34 (Film: FBS 278/12580): »Entwurf Schiff Münzenberg. (mit dem vom Genossen Wels geforderten Zusatz)«, 1 S. masch., mit handschr. An- und Unterstreichungen und unten handschr. datiert: »ende [sie] September '35«; vgl. ebd., Bl. 46-48: dreiseitiger Bericht ohne Titel über vertrauüche Nachricht, daß der PV der SPD »vom 24. bis 30. 11. eine Sitzung« abhalten werde, vor aüem aber Bericht über Besprechungen in Paris am 21. und 22. November 1935, o. U., wahrscheirüich von Wehner verfaßt, handschr. auf S. 1 oben: »Nov. 1935«, mit Stempel in kyrüüscher Schrift: »Sekretariat ErkoU«, auf S. 1 Datierung des Entwurfs auf »schon kurz nach der ersten Besprechung [...], die vor einiger Zeit, kurz vor meinem Eintreffen stattfand« gemeint sein kann nur der 26. September 1935. 4 5
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Vorbereitungen
auf
Prag
Demokratie, aber keine gemeinsamen Erklärungen darüber hinaus, kerne Einheitsfront/ u[nd] keine Übertragung der >VolksfrontDeutsche Volksfront ist unabhängig von irgend einem Lande oder einer Internationale.«
um
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Siehe, auch Dr De Zitate, IISG, NL Hertz, S. 19, XVII: »(Pariser Besprechungen)«, 4 S. handscD., fik De Sopade dem Brief HüferDngs an Hertz, Zürich, 25. Oktober 1935, 2 S. handschr., beigeDgt, nachdem offenbar HüferDngs Brief an Hertz vom 17. Oktober noch von Paris aus in Prag Dcht angekommen war; am 17. Oktober berichtete auch Münzenberg über De Aussprache mit HüferDng ans PoUtbüro, siehe SAPMO, Ry 1, I 2/3/418; daß er Hüferding »in Desen Tagen« treffen werde, hatte er bereits im Brief vom 23. September angekündigt, ebd., Bl. 29. 8 Dokument, 1 S. masch., Ds, o. D., vorhanden im IISG, Neu Beginnen, Mappe 2; siehe Dokument 3 in Deutsche Volksfront Band 3. 9 Vgl. Pieck an Dimitroff, 29. Oktober 1935 (siehe Anm. 1 Deses Kap.). 10 Für HüferDng, der am 21. Oktober nochmals eine, jedoch kurze, Besprechung mit Münzenberg hatte, vgl. oben Anm. 7; für Breitscheid vgl. dessen Brief an Hertz, 6. November 1935, IISG, NL Hertz, S. 19, XVI. 7
289
V. Von Lutetia nach Lutetia
Gegenüber dem oben zitierten Entwutf mit der von Wels geforderten Burgfriedenserklärung, von dem Schiff gegenüber Ernst Reuter in Ankara rund drei Monate später als »unsere gemeinsame, zunächst bescheidene Verhandlungsplattform« sprach, die Pieck und Dimitroff laut Münzenberg »gebüUgt hätten«,11 enthält die »Vereinbarung« nicht mehr die Passage: »Die Frage der künftigen Gestaltung der deutschen Arbeiterbewegung wird jedoch in erster Linie entschieden werden müssen durch die heroischen ülegalen Kämpfer selbst«. Auch ist die vorsichtige Formuüerung weggefaUen, daß dennoch unausgesprochen: in der Emigration »gemeinsame Aktionen, die dem Ziele des Sturzes des Hider-Regimes und der Wiederherstellung demokratischer Volksrechte dienen, schon jetzt mög—
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Uch sind und von FaU zu FaU vereinbart werden können«.12 Statt dessen wkd davon gesprochen, daß »jede ZentraUeitung einen Kampfplan und ein Programm« aufsteUen soUte, über die dann »in gemeinsamer Beratung Übereinstimmung herbeizuführen« sei.13 Mit Max Braun besprach Münzenberg den vom ZK der KPD vorgegebenen Plan, gemeinsam ab Mitte Januar 1936 eine Wochenzeitung herauszugeben; sie soUte Einheitsfront und Volksfront zum Sturz des NS-Regimes und Aufbau eines neuen Deutschlands mit »demokratischen Rechten und Freiheiten« fördern und die durch den Beistandspakt vom Mai 1935 eingeleiteten französisch-sowjetischen Bemühungen zur Verhinderung eines Krieges unterstützen. Die KPD dachte dabei an die Umwandlung der Parteizeitung Der Gegen-Angriff}* Breitscheid warnte Braun, wie er an Hertz schrieb: »Nach außen hin müsse der Anschein kommunistischen Einflusses nach größter MögUchkeit vermieden werden. Es dürfte deshalb auch Münzenbergs Name als Herausgeber nicht genannt werden. Ferner hätten sie sich vorher die Sicherheit zu schaffen, daß die französischen Behörden dem Erscheinen des Blattes keinen Widerstand entgegensetzten. In einem Augenbück, wo Laval versuche, mit Hider in freundUche Beziehungen zu kommen, sei diese Gefahr besonders groß usw.«15 Breitscheids Vorsicht, nur ja nicht aufzufaUen, vorzupreschen und auf keinen FaU sich dem Prager PV gegenüber üloyal zu verhalten, zeigt sich auch in seiner Ablehnung des aUerdings ganz auf »Volksfront« gerichteten Vorschlags von F. C. Weiskopf, als Sozialdemokrat wöchentlich abwechselnd mit Heinrich Mann, —
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11 Schiff an Reuter, 7./10. Januar 1936, abgedruckt in: Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 254—257, hier S. 255; einige Zeüen vorher schrieb Schiff, daß es sich um eine mit Münzenberg »vereinbarte erste Etappe eines Nichtsangriffspaktes mit Bereitschaft zur Prüfung von gemeinsamen AktionsmögUchkeiten von FaU zu FaU« handele. 12 Wie Anm. 6 oben, erster Teü. 13 Siehe Anm. 8 oben. 14 Vgl. SAPMO, Ry 1, I 2/3/418, Bl. 29: Münzenberg an PoUtbüro, 23. September 1935; im selben Bestand: Telegramm Pieck an Münzenberg, 19. Oktober 1935; vgl. Pech, »Die geseUschaffüche Situation in Frankreich ...«, S. 89, dort auch das Zitat. 15 IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Breitscheid an Hertz, 9. November 1935.
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Vorbereitungen auf Prag einem Katholiken und einem KommuDsten »mit einem kurzen Artikel über ein selbstgewähltes Thema« in der Arbeiter-Illustrierten Zeitung {AIZ) zu erscheinen. Er entschloß sich erst zur Mtarbeit, als Hertz ihm dringend riet, auf diese Weise die sozialdemokratische Stimme hören zu lassen und zur Annäherung zwischen KPD und SPD beizutragen; Hertz selbst sei dies als Mitglied der Sopade leider nicht in dem Maße möglich.16 War aü diesen Bestrebungen die aügemeine Richtung gemeinsam, so gingen doch unmittelbare Zielsetzungen und Erfolgserwartungen auseinander. Die Kommunisten steuerten dkekt auf einen Einheitsfrontpakt zwischen dem sozialdemokratischen PV und dem ZK der KPD; dagegen war die Erwartung der meisten beteDgten Sozialdemokraten vorsichtiger auf einen modus vivendi gerichtet, wobei bei Schiff, Breitscheid und Hüferding, wie wir sahen, der Gedanke mitspielte, die KPD jetzt auf »Demokratie« festzulegen.17 Für die meisten Zwischengruppen galt es, die Form einer mögüchen Absprache zwischen den beiden Parteiführungen so zu beeinflussen, daß sie selbst in eine Einheitsfront aüer soziaüstischen OrgaDsationen mit einbezogen würden. Das Mttel, mit dem man von Paris aus diese Ziele verfolgen konnte, war wiederum allen gemeinsam und in seiner Reichweite begrenzt: Der Versuch, die Haltung der Sopade von außen zu beeinflussen. Die Entscheidung jedenfaüs mußte in Prag faUen. Dort versuchten die Unterhändler des ZK, Ulbricht und Dahlem, durch Artikel18 und Sondierungsgespräche die eigentüchen Verhandlungen vorzubereiten, noch bevor ein offizieüer Brief geschrieben war. Aber schon bei den Versuchen, persönüche Kontakte herzusteUen, zeichneten sich Schwierigkeiten ab: Ledigüch Aufhäuser, Böchel und Seydewitz, die »Revolutionären SoziaUsten«, fanden sich zu einem Gespräch bereit.19 Bei Hertz enthüüte schon ein mißglückter Kontaktversuch Ulbricht hatte unter dem Namen »Walter« seine Wohnung aufgesucht, ihn selbst aber Dcht angetroffen20 dessen prekäre Situation innerhalb der Sopade. Wels reagierte mit »Entrüstung« auch nur auf die Mögüchkeit eines Gespräches von Hertz mit Ulbricht; daß Stampfer ihm zuriet, erschien ihm als Faüe, ihn »unter demselben Vorwurf wie seinerzeit gegen Aufhäuser« loszuwerden so schrieb er jedenfaüs an Breitscheid.21 Da zu aüem Überfluß Der Gegen-Angriff'drei —
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Vgl. IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Briefwechsel Breitscheid-Hertz, 2. November (dort Zitat), 6. und 9. November 1935, 3. Januar 1936. 17 Die Beispiele von ScDff, Breitscheid und Kuttner, De Plum, Volksfront, S. 430 an«
1935
führt, sind aus der Zeit nach dem 23. November 1935. i» Walter, Das Gebot der Stunde, in: NWB, 1935, Nr. 45, 7. November, S. 1410-1414. 19 Vgl. AdsD, Emigration Sopade, 103: Hans Kaiser-Bericht an H. Vogel Nfovember]/ Nr. 3, [1935]. 2° Vgl. IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Hertz an Breitscheid, 6. November 1935. 21 IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Hertz an Breitscheid, 12. November 1935; das ProtokoU der Parteivorstandssitzung vom 7. November 1935, in: Buchholz/Rother, Protokolle der 291
V. Von Lutetia nach Lutetia
Tage nach Ulbrichts >konspkativem< Besuch im Hause Hertz auch noch direkt in
ihn appeUierte,22 gewann Hertz die Überzeugung, daß »Besprechungen zwischen Kommunisten und uns [der Sopade] durch private Gespräche mit mk in keinem FaUe gefördert« würden.23 Hertz' Meinung wurde in etwa bestätigt, als die Sopade am 18. November über ihre Haltung zum Brief des ZK vom 10. des Monats beriet, von der wk aUerdings nur aus einem Brief von Hertz wissen:24 Wels und Curt Geyer Hertz nennt ihn mit seinem Pseudonym Kurt Klinger woUten überhaupt nicht reagieren, Stampfer befürwortete ledigüch eine schriftliche Antwort, »die man mündüch erläutern könne, ohne sich in eine Aussprache einzulassen« im übrigen hatte Stampfer seinen Standpunkt wenigstens dem kleine Kreis der Leser seines Deutschen Kurierdienst bekannt gemacht.25 Nur Crummenerl, dem Kkschmann eindringüch geschrieben hatte, der PV soUe seine negative Haltung gegenüber der KPD aufgeben, unterstützte Hertz »in der Auffassung, daß zwar von einer Einheitsfront keine Rede sein könne, man aber doch statt der feindlichen freundeinem Offenen Brief
an
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Sopade, S. 138, vermerkt trocken: »Genosse Hertz bittet um eme Entscheidung, ob der Vorstand eine Besprechung zwischen ihm und dem Vertreter der Kommunisten, Walter, wünscht. [...] Hertz möchte sie nur zulassen für den FaU, daß der Vorstand den Wunsch nach einer solchen Besprechung hat. Es wkd festgesteUt, daß bei dem Parteivorstand ein solcher Wunsch nicht besteht.« 22 Vgl. GA, 1935, Nr. 45, 9. November. 23 Wie Anm. 21 oben, erster Teü. 24 Siehe zum folgenden, einschUeßUch des Zitats, Hertz an HUferding, 18. November 1935, also unmittelbar nach der Sitzung geschrieben, in: Buchholz/Rother, Protokolle der Sopade, S. 139—142, Ger bes. S. 140f; Findeisen, »Zu den Einheitsfrontverhandlungen am 23. November 1935 G Prag«, in: BzG, Jg. 8 (1966), S. 676-694, bes. S. 680f., hat Geht zwischen der KonsteUation auf der Parteivorstandssitzung am 18. November, wie von Hertz dargesteUt, und anderen, aber nicht ganz kongruenten Positionen im Parteivorstand dem Hüferding ja nicht mehr angehörte -, die aus anderen, von ihm aber Geht offengelegten Dokumenten zu eruieren sind, unterscGeden, als er schrieb, daß Crummenerl, Hertz, Hilferding, Stampfer und Vogel für, Geyer, OUenhauer, Rinner und Wels gegen Verhandlungen gewesen seien; auf ihn beriefen sich Gnk/MattGas, in: Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 241, Anm. 2, und Duhnke, KPD, S. 170, Anm. 115; die Briefe von Hertz hatten sie Geht -
eingesehen.
Friedrich Stampfer, »Sozialdemokraten und Kommumsten in Deutschland«, in: Deutscher Kurierdienst, 1935, 6. November; entscheidend in dem Artikel ist, daß Stampfer eke proletarische Einheitsfront ffir überhaupt nicht notwendig hält; als Argument führt er an, daß die »Kraft« auch der vereinigten soziaUstischen deutschen Arbeiter »noch nicht groß genug« sein werde, »die Macht des Feindes zu brechen. Dazu bedarf es einer >Einheits front«, in der nicht nur för Sozialdemokraten und Kommunisten, sondern für alle Platz ist, die für die Befreiung Deutschlands von der Hitlerdiktatur kämpfen woüen.« Daß Stampfers »Einheitsfront« eine aUgemeine »Volks-Front« wäre, geht aus seinem letzten Satz hervor: »Die Forderung des Tages ist nicht die sozialdemokratisch-kommunistische Einheitsfront, sondern die antinationalsoziaüstische Konzentration«. 25
292
Der Lutetia-Kreis
tagt
schaftüche Beziehungen anbahnen müsse«.26 Wahrscheinüch angesichts des Drucks aus Paris und aus Forbach, gestützt auch durch die Meinung Hüferdings27 setzte sich die Position Hertz-Cummenerl durch. Jedoch schloß Wels »durch einen Trick« Hertz von den Verhandlungen aus und bestimmte Stampfer und Vogel als Unterhändler für den 23. November.28 Hertz' Überlegungen fir eine Verständigung mit der KPD gründeten in der Lage der SPD und der Büdformung über sie innerhalb Deutschlands, in der Emigration und im Ausland. Wie er an Hüferding schrieb, war er sich mit Breitscheid einig, daß eine Volksfront nur im Ausland und für dieses Bedeutung haben könne und Der war eben auch die SPD offizieü gefragt —, keinesfaüs aber im Inland, dort müßten KPD und SPD sich verständigen. Er bestritt Münzenbergs Einschätzung gegenüber Hüferding, die SPD sei im Lande organisatorisch viel stärker als die KPD, Dcht jedoch, daß die Meinungen auch von Sozialdemokraten gegenüber der Sowjetunion und den Kommunisten seit dem Wktschaftsaufschwung und dem VII. Weltkongreß der Komintern positiver geworden seien. Während die KPD-Verbindungen ins Inland offensichtüch gut seien und die KommuDsten jetzt eine viel größere Aktivität im Inland entfalteten, habe die Sopade seit dem Konflikt mit Aufhäuser und Böchel »so gut wie kerne Verbindung mehr« mit einer Reihe von iUegalen Zkkeln und Kadern in Westsachsen, Mtteldeutschland, Thüringen, außerdem sei sie von Berün vollkommen abgeschnitten und bestünden kaum Verbindungen mit dem Rheinland und einem Teü von Süddeutschland.29 -
Der Lutetia-Kreis tagt Die Art, wie zum Beispiel die Revolutionären SoziaUsten in Paris auf das Bekanntwerden des Verhandlungstermins reagierten, wird man als einen letzten Versuch betrachten müssen, den Ausgang der Verhandlungen zwischen ZK der KPD und Sopade zu beeinflussen. Folgt man dem Bericht des Sopade-Spitzels bei den RS in
« IISG. NL Hertz, S. 19, XVII: Hertz an HüferDng, 18. November 1935; zum Brief Kkschmann an Crummenerl vgl. ebd., S. 19, XVI: Hertz an Breitscheid, 12. November 1935. 27 In seinem bereits zitierten Brief an Hertz vom 25. Oktober 1935 (siehe oben Anm. 7), hatte HüferDng auch das notwenDge EigeDnteresse des PV gegenüber den »verschiedenen Gruppen« angesprochen, und bereits am 19. September hatte er im Kontext der Bemühungen Münzenbergs um ihn an Hertz geschrieben, der PV könne sich »nicht so wie bisher« um die Frage der Einheitsfront drücken, dabei auf De Schweiz Dngewiesen, wo die »Sache trotz des bisherigen Sträubens [...] zunächst in Form der Dstenverbindung« komme, IISG, NL Hertz, S. 19, XVII. 28 Vgl. Hertz an HüferDng, 18. November 1935, in: Buchholz/Rother, Protokolle der Sopade, beachte dort auch die Anm. 5 auf S. 141. 29 IISG, NL Hertz, S. 19, XVII: Hertz an Hüferding, 30. Oktober 1935.
293
V. Von Lutetia nach Lutetia
Karlsbad, Georg Rössing aüas Hans Kaiser, so wurde die
für den 23. November des Lutetia-Kreises Zusammenkunft kurzfristig vorverlegt, und Böchel, geplante dem November auf Informationsund Werbereise durch deutsche und seit 11. österreichische Emigrationszentren im »Westen« Niederlande, Belgien, Frankreich, Schweiz gerade in Bern, als ihn ein Telegramm von Glaser mit der diesbezügüchen Nachricht erreichte, reiste eüends nach Paris.30 In Zusammenarbeit mit seinem persönUchen Freund Glaser, der schon vorgearbeitet hatte, gelang es ihm zunächst, für seine RS-Gruppe, aber auch für eme soziaUstisch orientierte Volksfront ein paar Gerne Erfolge zu buchen. Im Vorfeld der proletarischen Einheitsfront einigte er sich mit Koenen und Münzenberg trotz Differenzen vor aUem hinsichtlich der »Taktik des Trojanischen Pferdes« »auf ein freundnachbarüches Zusammengehen«. In der Frage der Volksfront und ihrer Struktur erreichte er von Münzenberg das Zugeständnis, die Taktik, »nur mit Einzelpersonen und Geht mit Gruppen zu verhandeln, damit die Aussichten mit dem Parteivorstand Geht zerstört würden«,31 aufzugeben und fürderhin Gruppen anzuerkennen. Auf derselben Ebene lag die Bemühung, die SAP an der Volksfront zu beteiügen, was voraussetzte, daß der Widerstand der KommuGsten aUgemein gegen deren Teünahme überwunden und die Polemik Schifrins32 gegen sie mindestens entschärfte werden mußte. Auf IGtiative Glasers hin wurden Fröüch und Fabian noch kurzfristig für die Sitzung des Lutetia-Kreises am 22. November —
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eingeladen.
Bochéis Vorgehen war die Konsequenz der Volksfront-Diskussion der RSD, am 7. November G Karlsbad stattgefunden hatte.33 Dort hatte die Meinung überwogen, daß eine »Volksfront im SGne Dimitr[offs] mit aUen antihiderischen bürgerUchen Schichten« die Gefahr einer Wiederholung der poütischen Machtübernahme durch die Bourgeoisie und der Unterdrückung der Arbeiterklasse wie in der Weimarer RepubUk in sich trage. Dagegen war nach der Konzeption der RS die MögUchkeit der proletarischen Revolution, G welcher orgamsatorischen Form auch immer, offenzuhalten, und dem entsprach eine Taktik: »In die Volksfront hinein und sie von innen revolutioGeren«.
die
AdsD, Emigration Sopade, 103: Hans Kaiser-Berichte D[ezember]/Nr. 1 und Dezember]/Nr. 12, [1935]; vgl. SAPMO, Ry 1,1 2/3/419, Bl. 46-48, Bericht o. U., vermutüch von Wehner verfaßt, handschr. oben rechts auf S. 1 datiert: »Nov. 1935«, und Stempel in kyriUischer Schrift: »Sekretariat Erkoü«: 3seitiger Bericht ohne Titel, beginnend mit der Information aus einem Brief Crummenerls Ger »Crummenau« an eGen Freund »im Lande«, »daß in der Zeit vom 24. bis 30. 11. eine Sitzung des PV stattfinden werde, die sich mit der Einheitsfront beschäftigt. Die Einheitsfront müsse abgelehnt werden«: aus Unzweckmäßigkeit für Innerdeutschland und Erhöhung der »Gefahr der Verhaftungen« und »3.) in Frage 30
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komme höchstens ein Nichtangriffspakt«. 3t Ebd. 32 Vgl. oben S. 253 und die dazu gehörende Anm. 166. 33 Vgl. dazu auch oben, S. 206, Anm. 14.
294
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Der Lutetia-Kreis
tagt
verständigte sich in Paris denn auch dahingehend mit den SAP-Vertretern Jakob Walcher, Paul Fröüch und Walter Fabian. Wie aus dem von Hans Kaiser überüeferten Bericht Bochéis vor der Versammlung der Revolutionären Böchel
SoziaUsten in Karlsbad am 23. Dezember hervorgeht, war die AZ der SAP in Paris eigentüch aües andere als glücküch, als Böchel mit dem Vorschlag ankam, jetzt doch in den Lutetia-Kreis einzutreten; beider Analysen besonders über die Lage in Deutschland, die ziemüch gleich waren, hatten, jedenfaüs vorläufig, eine Beteiügung noch ausgeschlossen.34 Aus anderen, seit dem Erscheinen von Volksfrontfür Deutschland? zugängüch gewordenen Queüen und Publikationen ist ersichtüch, daß eine erneute LutetiaKonferenz mindestens von Münzenberg und Genossen in Paris unmittelbar nach (Kenntnis von) dem Brief des ZK der KPD an den Prager PV der SPD vom 10. November für den 22. November 1935 angesetzt war. So erhielt z. B. Otto Klepper in seinem ExUort Palma de MaUorca von Münzenberg »etwas dringüche Einladungen zu den Sitzungen am 22. d. M[ona]ts und den nächsten Tagen«, die auf den 12. und den 13. November datiert waren.35 Am 21. November fand eine Vorbesprechung zwischen Sozialdemokraten und KommuDsten statt. Erstmals war aus Amsterdam im Auftrag der dortigen SPD-Gruppe Erich Kuttner angereist. Breitscheid nahm zum zweiten Mal das erste Mal am 6. November neben Braun, Denicke (Decker) und Schiff an einer über »Volksfront« teü. Auf kommunistischer Seite waren nun MünBesprechung Deter und »Ljubschinski« (d. i. evtl. Peter Maslowski?) zenberg, Wehner, Koenen, anwesend. »Im Mttelpunkt stand eine Information, die ich den Leuten [den Sozialdemokraten ULA] über unsere Konferenz und über unsere Absichten gab«, berichtete Wehner.36 Er, der auf der »Brüsseler« Parteikonferenz nach einer —
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34
zur
Siehe AdsD, Emigration Sopade, 103: Hans Kaiser-Bericht D[ezember]/Nr. 12 [1935]; Haltung der SAP vgl. z. B. NF, 1935, Nr. 21, Anfang November, S. 3: »Der >Arbeits-
kreis revolutionärer SoziaüstenEinheitsfrontx handeln soüte. [...] Nein Ueber Hertz, wenn kgendwer in Paris oder in Prag oder sonstwo glauben soUte, jetzt sei die Stunde für Fraktionsbüdungen gekommen, so krt er schwer. Die Dinge wachsen zu sehr ins Große, als daß die alten Spaltungen, Trennungen, Schiebungen noch kgendwelche Bedeutung haben könnten. [...] Entweder man geht zu den Sowjets, die eine russisch revolutionäre Angelegenheit bleiben, oder man sucht eme wkküch deutsche Volksbewegung. Ich sehe da keinen Mttelweg f..].«85 Aber SoUmann war Dcht die einzige Enttäuschung. Die Sozialdemokraten und KommuDsten in Paris hatten aufgrund ihres beiderseitig gewonnenen Eindrucks er
»ein[es] verhältnismäßig weitgehende[n] Entgegenkommenfs]« während dessen Besuch in Paris Ende Oktober
von Hüferding gehofft,86 dieser werde sich dem
besuchten, AA-PA, AA II, Pol. 2, Frankreich C: Frontkämpfer, Bd. 2; dort auch weitere Dokumente, ebenso in Bd. 3. 82 Vgl. Lefranc, Front populaire, S. 77, 87 f. und für OrgaDsationsnamen S. 56f. 83 Vgl. SoUmann, »Soziaüstische Machtpoütik«, bes. S. 762f. 84 Vgl. oben S. 279 und Anm. 257; eine offene Frage ist, inwieweit sich Radeks Analyse -
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Aufkommen und Sieg des itaUeDschen FascDsmus auf dem IV. Weltkongreß der Komintern jetzt verzögert auswkkte, inwieweit bewußt daran angeknüpft wurde zu Radeks Analyse insbesondere DnsichDch der Frontkämpfer vgl. Nolte, Theorien über den Faschismus, S. 18f., 22f. und vgl. den Text des ItaUeners ZiborD dort auf S. 79ff.; im »Lettre Ouverte au Gouvernement AUemand« des Comité Thaelmann (vgl. oben, S. 91 und De dazugehörende Anm. 90) hatte es bereits geheißen: »On n'épargne même pas de grands blessés de guerre comme les députés Graef, Schumacher et Maddalena et les chefs des Syndicats comme Husemann, Funk et Jacob ont été lâchement assassinés.« 85 IISG, NL Hertz, S. 18, Korr. SoUmann: Sollmann an Hertz, 8. März 1936; aus dem Brief geht hervor, daß SoUmann auf eine Konferenz in Prag hoffte, auf der über De Frage einer »deutschen Volksbewegung« eine gründüche Aussprache stattfinden soüte. 86 So Breitscheid an Hertz, 28. Januar 1936, IISG, NL Hertz, S. 19, XVI; vgl. ebd., S. 19, XVII: HUferdtag an Hertz, 25. Oktober 1935, über seine Besprechungen mit Münzenberg, vom
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309
V. Von Lutetia nach Lutetia
gemeinsamen Protest anschüeßen und so mit ihnen eG Fanal für den Prager PV setzen, sich weGgstens im FaU der Soüdarisierung mit poUtischen Haftungen wie von den PV-Vertretern selbst am 23. November gegenüber den ZK-Unterhändlern als Mögüchkeit offen gelassen87 verhandlungsbereit zu zeigen. Statt dessen lehnte Hüferding Ge Unterzeichnung ab mit der Begründung, er könne Geht »mit Mördern gegen Mord« protestieren. In einem weiteren Brief an Hertz verdeutUchte er seinen kompromißlosen Standpunkt G Sachen FreGeit und Demokratie -
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auf der einen, Knechtschaft und Diktatur auf der anderen Seite: »Deshalb lehne ich jedes Zusammengehen mit den Kommunfisten], solange sie für Diktatur und Terror sind, ab. Ich verstehe Geht, wie man mit Mördern und Terroristen und das sind Ge Staun und ihre Anbeter heute so wie je gemeinsam gegen Mord und Terror protestieren kann. Mk ist es auch Wurscht, ob irgendwo Arbeiter zusammengehen woUen oder Geht, denn ich bin kein Bedienter der Arbeiter, sondern Vertreter eGer Idee«.88 Diese »unbegreifliche Begründung« konnte sich der enttäuschte Breitscheid nur aus HüferdGgs »finanzieUek] Abhängigkeit« von der Sopade und der Tatsache, »daß er [Hüferding] so weGg wie jeder andere [im Prager PV] den tatsächüchen poütischen Umständen Rechnung tragen wül« und Ueber »auf Ge Unzufriedenheit G gewissen bürgerUchen und namenGch in kathoUschen Kreisen« spekuUere, erklären.89 Daß Wels wiederum es unter seGer Würde fand, auf den Brief von Max Braun »wegen des Aufrufs von Heinrich Mann aus AGaß der Hinrichtung von Claus« auch nur zu reagieren, wunderte Mitunterzeichner Kkschmann kaum noch. Selbst bekannte er Hertz gegenüber, »daß auch mk weder Form noch Inhalt zusagte«, und er vermutete: —
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Bernhard und Schwarzschüd; dabei hat er nach eigenen Aussagen mit Münzenberg, ScGff und anderen Sozialdemokraten und KommuGsten gutes Einvernehmen gehabt. 87 Auf Ulbrichts und Dahlems Vorschläge zu gemeGsamer Arbeit G der Gefangenenhüfe (vgl. Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 247 und 249) antworteten Vogel und Stampfer zwar Geht dkekt; in der den ZK-UnterhänGern am 23. November überreichten Denkschrift Zur Frage der Einheitsfront heißt es aUgemeG: »Diese prinzipieUen Gegensätze zwischen KommuGsten und Sozialdemokraten brauchen keG unüberwindliches Hindernis für eG Zusammengehen der beiden Parteien von FaU zu Fall zu sein.« (Zit. nach: Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 253.) 88 IISG, NL Hertz, S. 19, XVII: HUferGng an Hertz, Paris, 25. Dezember 1935 (erstes Zitat), und: Zürich, 29. Januar 1936 (zweites längeres Zitat), Geser Brief ist krtümüch auf 1935 datiert und entsprechend in Ge Submappe 1935 eingeordnet. 89 IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Breitscheid an Hertz, 28. Januar 1936; aus dem Brief geht hervor, daß Hertz offensichGch HUferGng Vorwürfe gemacht hat wegen seiner Weigerung und vor aUem wegen der Begründung; Breitscheid zoUt Hertz dafür »meinen voUen BeifaU«; Hüferding wurde als Herausgeber der Zß von der Sopade bezahlt; Breitscheid war stolz darauf, zwar zu hungern, aber vom PV unabhängig zu sein.
310
Annäherung
und
Entfremdung
»Wahrscheinüch ging es vielen anderen Leuten so. Faktisch sind meines Wissens auch nur sehr wenig Unterschriften eingegangen.«90 Hertz aber entschuldigte seine Prager Genossen: »Der Aufruf von Heinrich Mann wegen Claus war Dcht glücküch. Es war aUerdings auch Dcht zu erkennen, ob uns der voüständige Wortlaut unterbreitet worden ist. Du darfst deshalb in der Nichtbeantwortung der Aufforderung zur Unterzeichnung keine weitgehenden Schlüsse knüpfen [sie].«91
Annäherung und Entfremdung Daß Ernst Reuter von seinem Emigrationsort Ankara aus seine »grundsätzüche Zustimmung zu den gemeinsamen Aufruf« gab,92 Kuttner in Amsterdam und Hoegner in Zürich ebenfaUs Dcht zurückstanden,93 konnte die Pariser Sozialdemokraten zwar »außerordentüch« freuen, ebenso die sofortige Reaktion auf die Hinrichtung von Claus von Seiten der seit Juni 1935 bestehenden Einheitsfront in Berün94 und schüeßüch die persönüche Entscheidung von Hertz, den Protest in die Januar-Ausgabe der Sozialistischen Aktion aufzunehmen und ihn so unter Sozialdemokraten im Reich zu verbreiten. Doch die gemeinsamen Aktionen gegen die Claus-Hinrichtung soüten zur Vertiefung des Grabens zwischen IUegalen und Sopade, zwischen Paris und Prag und auch zwischen einfachen Mtgüedern und Funktionären der Sopade führen. So reagierte z. B. Richard Hansen, Grenzsekretär für Norddeutschland und in Dänemark ansässig wo die Sozialdemokratie sehr pikiert auf Hertz' Kühnheit.95 Die äußerst kommunistenfekidüch war veröffentüchte eine Sopade eigene Erklärung; sie vermied es, je den Pariser Protest wie die Berüner Reaktion zu erwähnen.96 -
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90
IISG, NL Hertz, S. 17, Korr. Ki: Kkschmann an Hertz, 5. Februar 1936.
Ebd., Hertz an Kkschmann, 14. Februar 1936. So ScDff an Reuter, sehr erfreut, am 7./10. Januar 1936, zit. nach: Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 254f.; Reuter ging 1935 nach zeitweüiger KZ-Haft zunächst nach England, dann in De TDkei; dort wurde er Berater im Drkischen Wirtschafts- und Verkehrsmtaisterium; vgl. WiUy Brandt/Richard Löwenthal, Ernst Reuter. Ein Leben für die Freiheit. Eine politische Biographie, München 1957; Ernst Reuter, Schriften-Reden, hrsg. von Hans E. Hirschfeld und HansJ. Reichhardt, Bd. 2: Artikel. Briefe. Reden 1922-1946, Berün 1973. 93 ScDff an Stampfer, 27. Januar 1936, in: Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 257ff., bes. 91
92
S. 259. 94 Zu dem Einheitsfrontabkommen zwischen dem Bezkksvorstand der SPD und der Bezkksleitung der RHD in Berün vgl. Moraw, Parole Einheit, S. 38—42; zum Protest der Berliner vgl. PT, 1935, Nr. 737, 19. Dezember. 95 IISG, NL Hertz, S. 17, Korr. H: Hansen an Sopade, 11. Februar 1936; vgl. ebd., S. 18, Korr. SoUmann: SoUmann an Hertz, 8. März 1936. 9(1 Vgl. NV, 1935, Nr. 132, 22. Dezember, S. 2: »Mord«; ScDff an Stampfer, 27. Januar in: 1936, Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 257ff.
311
V. Von Lutetia nach Lutetia
In Paris bemühten sich KommuGsten und Sozialdemokraten, jeder auf seine taktische Weise, den Graben, den sie offensichtlich noch Geht so groß glaubten, trotz der mehr oder rründer tiefen Skepsis, durch rationale Argumente zu über-
brücken. Münzenberg gestützt auf Ge bürgerüchen BündGspartner wie auf Ge für Ge proletarische Einheitsfront gesprächsbereiten Sozialdemokraten und SoziaUsten in Paris und Prag-Karlsbad versuchte Anfang Januar 1936, Ge Argumente des Prager PVgegen eGe Einheitsfront,/^ ein neues, besseres Weimar im SGe hart zu entkräften. Dabei steUte er Ge bisher im Lutetia-Kreis von ihm selbst und Koenen aufgesteUte Kampfparole eGes DeutscUand mit aUen Freiheiten und Büdung einer Nationalversammlung ebenso in den Hintergrund wie das außerhalb desselben von Genossen wie Ulbricht immer wieder betonte Beharren auf dem letzen Ziel, Sowjetdeutschland: »Heute geht es Geht um Ge StabGsierung emer bürgerUchen RepubUk oder um den Kampf für Ge unmittelbare Schaffung eines Sowjetdeutschland, sondern darum, die brutalste und reaktionärste faschistische Diktatur, die unterschiedslos soziaUstische und kommunistische Arbeiter, Bauern und Mittelständler, das ganze Volk Deutschlands knechtet und unterdrückt, die Hiderregierung zu stürzen. Das ist Ge erste und wichtigste Aufgabe, Ge vor uns aUen steht. Diese Aufgabe aUein muß Ge Struktur und Taktik aUer wkküchen Arbeiterparteien und freiheitüchen OrgaGsationen bestimmen.«97 Konziüant deutete Münzenberg an, daß beide Seiten vielleicht doch dieselben BündGspartner meinten, wenn er schrieb: »Es gibt bürgerUche, und besonders kleinbürgerliche Gruppen und Bewegungen, Ge eGe revolutionäre ArbeiterWasse für ihren Kampf mindestens neutraUsieren, wenn mögüch gewinnen muß, und es gibt bürgerUche, besonders großbürgerüche, reaktionäre Gruppen, Ge für diesen Kampf Geht zu gewinnen smd, und mit denen ein Paktieren nur auf Kosten der Interessen des schaffenden Volkes mögUch ist.«98 Auf das ScGcksal von Claus Gnweisend und den PV bei seGen eigenen Worten nehmend forderte er im Namen der eingekerkerten Sozialdemokraten und KommuGsten, daß weGgstens Ge »EGheitsaktion« der Soüdarität mit diesen sofort geschaffen werde.99 —
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97 Wüü Münzenberg, »1936 das Jahr der Schaffung der deutschen Volksfront«, in: Rundschau (Basel) 1936, Nr. 1, 2. Januar, zit. nach: MDFB, 1936, Nr. 9, 10. Januar, S. 1-5, Ger S. 2; inzwischen war auch das »Manifest« der »Brässeler« Konferenz in Rundschau (Basel) veröffentlicht, in dem die Schaffung einer Nationalversammlung nicht mehr vorkam (1935, Nr. 73, 12. Dezember, S. 2823-2825) wir haben bereits darauf hingewiesen und kommen ausführüch im Zusammenhang mit der Darlegung in Deutsche Volksfront Band 2, Abschnitt: Zur Standpunktsuche in der KPD, darauf zurück. 98 Münzenberg, »1936 das Jahr der Schaffung der deutschen Volksfront«, S. 2. 99 Ebd., S. 5, auf S. 4 zitiert Münzenberg aus NU'vom 18. August 1935, wo es über Claus und Mitangeklagte heißt: »Sie werden faUen [,...] wenn nicht ausdrückUche Kund-
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Annäherung
und
Entfremdung
Breitscheid wandte sich am 24. Januar 1936 zum erstenmal seit dem Beginn der Einigungsbestrebungen in Paris direkt an die Sopade. Bisher hatte er sich in dieser poütisch relevanten Frage nur Hertz gegenüber geäußert, die Funktion des (Für-)Sprechers beim PV ScDff überlassen. Nun antwortete Breitscheid auf die Kritik der Sopade an semer Mtarbeit an der AIZ. Dabei machte er aus seiner persönüchen EinsteUung weder nach der Seite Prags noch nach der der KommuDsten ein Hehl. »Soweit und solange die KommuDsten die Demokratie als erstrebenswertes Ziel bezeichnen, soüten wir im aügemeinen sowohl wie in unserem Interesse diese EinsteUung benutzen. Dabei sind Schlagworte wie >EinheitsfrontSoziaUstische Aktion««,105 geäußert hatte, sahen DaGem und ScGff sich in ihrer pessimistischen Einschätzung der Sopade bestätigt. Breitscheid erhielt zwei Rundschreiben des PV an Ge »Grenzsekretäre und Vertrauensleute«.106 In dem ersten, datiert vom 24. Januar 1936 und nur davon soU zunächst Ge Rede sein verpflichtete der PV aufgrund emes Gternen Beschlusses vom 17. Januar aUe seine Funktionäre usw. auf Ge Ablehnung von Vereinbarungen orgaGsatorischer oder soüdarischer Art mit KPD und RHD.107 Die Stoßrichtung gegen BerUn und Paris, gegen Ge Claus-Aktionen wird deuGch, auch wenn Ge Proteste selbst Geht erwähnt und nur aUgemein, ohne Berün zu nennen, Ge Bestrebung der RH, Abkommen mit sozialdemoGatischen -
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102
Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 257ff, Ger S. 258.
103
Handschriftlicher Zusatz von Breitscheid zu seGem mascGnengeschriebenen Brief Hertz vom 2. November 1935, IISG, NL Hertz, S. 19, XVI. 104 Siehe Anm. 102, Zitate Ger S. 260. 105 IISG, NL Hertz, S.19, XVI: Breitscheid an Hertz, 28. Januar 1936. 106 Offenbar erhielt in Paris nur Breitscheid Ge Rundschreiben vgl. Briefe Schiff an Stampfer, 27. Januar 1936 (handschr. Postskriptom) und 6. Februar 1936, beide in: Stampfer, Mit dem Gesicht, hier bes. S. 260f. 107 Das RSchr., worin auch über Ge Parteivorstandssitzung vom 17. Januar berichtet wird, ist abgedr., in: Buchholz/Rother, Protokoklle der Sopade, S. 143—145; vgl. dort auch zu den Zitaten im folgenden Absatz. an
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314
Annäherung
und
Entfremdung
zu schüeßen, als Verstärkung der »Einheitsfrontbewegung von werden. Die eigentüche Stoßrichtung wird aUerdings verschleiert; gewertet der PV begründet sein Verdikt mit der Entdeckung der »Existenz einer kommunistischen Fraktion« in Prag, »die ihre Tätigkeit in der sozialdemokratischen Emigration nach aüen Regeln kommuDstischer Zersetzungsarbeit leistete«.108 Da Breitscheid die »Affäre« mindestens seit Anfang Januar bekannt war, er sie mit Münzenberg und Dahlem »sehr ernst« besprochen hatte und auch inzwischen von Hertz über mögüche Konsequenzen der Sopade gewarnt worden war,109 dürfte ihn der von Prag aus vorgeschobene Anlaß von Beschluß und Rundschreiben kaum in seiner Entscheidung, von Faü zu Faü in Einzelfragen ein Zusammengehen herbeizuführen«110 —wie im FaU Claus auch ausgeführt-, schwankend gemacht haben. Im Gegenteü: Aus der Tatsache, daß Breitscheid die »Affäre« mit den KommuDsten besprach und sie dann zunächst auf sich beruhen üeß,111 nachdem Dahlem ihm versichert hatte, »daß die kommunistische Parteüeitung an den Dingen unbeteDgt sei, und daß sie jeden derartigen Versuch von Zeüenbüdungen ablehne und verurteüe«,112 kann man wohl schüeßen, daß seit Dezember das gegenseitige Vertrauen in Paris gewachsen war. Bestätigt wird dies durch Briefe von ScDff und Kirschmann; die rationale Entscheidung, hier und jetzt mit der Einigung zunächst der beiden großen Parteien, SPD und KPD, zu beginnen, sei es auch in bescheidenem Rahmen, büeb von dem Mißtrauen gegenüber einigen führenden KommuDsten, die (meistens oder noch) Dcht in Paris waren, unberührt. Schiff stellte Münzenberg und »Kurt« (Funk, d. i. Herbert Wehner) als
Organisationen
unten«
108 Ebd.; es handelt sich um das Emigrantenhaus »Letnaheim« in Prag, in dem z. T. dem RS-Kreis nahestehende Sozialdemokraten wohnten; aus der undatierten, aber erst nach dem 6. März 1936 zusammengesteUten Dokumentation der Sopade vorhanden im AdsD, Emigration Sopade, 19 wird nur eins deuDch, daß Der Sozialdemokraten sich dem PV in der Ablehnung einer Einheitsfront begründet in einem Vortrag von OUenhauer im Letnaheim widersetzten und mit (einem) Kommunisten Besprechungen über gemeinsame Grenz- bzw. ülegale Arbeit führten; vgl. auch Anm. 3 auf S. 144 zu dem in der vorigen Anm. zitierten Abdruck des Rundschreibens des PV. 109 IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Breitscheid an Hertz, O.Januar 1936, und Hertz an Breitscheid, 22. Januar 1936. 110 So, schrieb Breitscheid am 28. Januar 1936 an Hertz (ebd.), habe er auch Münzenberg und Dahlem gegenüber gesprochen. 1'' Erst am 11. Februar 1936 äußerte sich Breitscheid in dieser Sache wieder, Desmal an die Adresse des PV dkekt, und er zitiert offenbar von den Argumenten überzeugt einen Brief Dahlems an ihn (Brief in der Sopade-Dokumentation über die Affäre Letnaheim [vgl oben Anm. 108]; Hertz antwortete Breitscheid am 13. Februar 1936, De Sache sei wohl von den Kommunisten bestellt gewesen, räumte jedoch ein: »Aber vieüeicht weiß in diesem FaU die rechte Hand Dcht, was De Unke getan hat.« JedenfaUs Delt auch er den FaU für zu klein, »um irgend eine Konsequenz zu rechtfertigen«, doch sei »De herrschende Meinung [...] gegenteiüg«, IISG, NL Hertz, S. 19, XVI. 112 IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Breitscheid an Hertz, O.Januar 1936. -
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V. Von Lutetia nach Lutetia
»ohne Manöver« Ulbricht und Dahlem (wobei er offensichtUch noch an den Dahlem der Prager Verhandlungen vom 23. November dachte) gegenüber. Und Kkschmann schrieb an Hertz: »Wk sind uns in der Beurteüung der QuaUtät gewisser kommumstischer Führer wahrscheGUch genau so eküg, wie in der besürnmter Methoden, von denen dieser oder jener sich noch Geht frei machen kann«. Aber: »Solche SchönheitsfeGer kann man auch bei uns entdecken.« Er räumte für sich persönüch noch ein: »VieUeicht kamen mk Ge Erfahrungen aus dem Abstimmungskampf im Saargebiet zu HUfe.«113
verständigungsbereit
Konzentration auf Paris Seit Ende November 1935 zeichnete sich deuGch ab, daß Ge Ekügungsbewegung Gnerhalb der G Europa verstreuten poUtischen deutschen Emigration sich wenigstens für Ge nächste Zeit auf Paris als OrgaGsationszentrale konzentrieren soUte. Zwei Faktoren sind als Ursache zu nennen: Einmal meG aUgememer Natur Ge günstige Lage der deutschen Emigration im Frankreich der Front populaire-rSewegung, dazu Ge Massierung und besondere Konsteüation der deutschen Emigranten vor allem G und um Paris selbst. Kerne Gruppierung außerhalb Frankreichs versuchte vorläufig, von sich aus ernsthaft und zielstrebig eine Verständigung der Parteien untereinander herbeizuführen, ein ähnüches oder alternatives orgaGsatorisches GebUde wie den Lutetia-Kreis aufzubauen. So ekügte man sich z. B. auf der SPD-Emigrantenversammlung G Prag nach dem 23. November 1935, nachdem zunächst der PV von verscGedenen Leuten kritisiert worden war, auf den »Standpunkt des negativen Abwartens«.114 Der zweite und besondere Grund sind Ge gescheiterten Verhandlungen zwischen ZK und PV G Prag. Das ZK der KPD konzentrierte sich jetzt ebenfaUs auf den Pariser Volksfrontkreis auch wenn Ulbricht und Pieck sich zurückhielten. ÄhnUch wie im Saarkampf delegierte es jedenfaUs von Zeit zu Zeit jetzt führende Mitgüeder nach Paris, Ge sich aber offensichGch dem dortigen SG rasch anpaßten so DaMem und Wehner. Der JournaUst Bruno Frei übersiedelte Anfang März 1936, »um bei der pubüzistischen Arbeit der zu gründenden Deutschen Volksfront Ge KPD zu vertreten«.115 —
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113 Zitate von ScGff aus Brief an Reuter, 7./10. Januar 1936, in: Stampfer, Mit dem Gesicht, S. 255f; Zitate von Kkschmann aus Brief an Hertz, 5. Februar 1936, IISG, NL Hertz,
S.
17, Korr. in
Vgl.
Ki. Hertz' Memorandum »Ich
gehe bei meiner SteUungnahme ...« (siehe oben, 305, Anm. 68), S. 2; vgl. Ge Broschüre Ein Mann ruft, Millionen antworten: Einheit Einheit Einheit, Basel: UGversum-Bücherei o.J. [Februar 1936], S. 34. 115 PA ULA: Bruno Frei an ULA, 31. August 1971; so auch bereits G Frei an ULA, 15. Januar 1971; er erGelt nach eigenen Aussagen den Auftrag von Ulbricht, als Geser von S.
Moskau nach
316
Prag (zurück-)kam;
es
ist aber nicht
ausgeschlossen,
sogar höchst wahr-
Konzentration auf Paris
Der RS-Kreis in der CSR hatte sich mit Bochéis Teilnahme an der Sitzung des Lutetia-Kreises am 22. November zwar nachdrücküch, aber noch mit Vorbehalten eingeschaltet. Der definitive Anschluß wurde gemäß der auf die Einigung der Arbeiterklasse gerichteten Strategie unumgängüch, nachdem Böchel auf seiner »Westreise« kein anderes organisatorisches Gebüde außerhalb der Gruppierungen der Arbeiterbewegung, das Einfluß auf den Einigungsprozeß hätte nehmen können, hatte verwkküchen können.116 Die Auslandsleitung der NB-Gruppe in Prag zeigte sich zwar noch reserviert; auf organisatorischem Gebiet war sie vornehmüch mit den Resten aus der Spaltung der Mües- und NB-Gruppe beschäftigt. Ihre Analyse der »Eigentümüchkeiten« des Lutetia-Comités und der poütischen Lime der KPD117 üeß jedoch früher oder später eine ähnüche taktische Entscheidung erwarten, wie sie der RS-Kreis und auch die AZ der SAP bereits getroffen hatten. Die SPD-Ortsgruppen in Stockholm und Amsterdam hier war Kuttner bereits aktiv geworden waren mindestens auf aufmerksames Beobachten der Entwicklungen in Paris eingesteüt.118 In Paris selbst wurde am 19. November 1935 eine Institution gegründet, die zwar keinen direkten Einfluß auf die organisatorische Entwicklung der deutschen Volksfront in der Emigration hatte, die aber dennoch als geistig integrierender Faktor eine RoUe spielte: die Freie Deutsche Hochschule.119 Hier wurde in den -
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scheinUch, daß er
ein alter Mitarbeiter von Münzenberg von Desem »angefragt« worden De geplante kommuDstisch-sozialdemokratische Zeitung (mit) zu leiten vgl. den Text oben, S. 290 mit Anm. 14 und unten S. 358. 116 Vgl. AdsD, Emigration Sopade, 103: Hans Kaiser-Bericht November]/Nr. 1, [1935]; Hans Kaiser-Bericht D[ezember] /Nr. 12, [1935]. 117 Vgl. Dokument 2 in Deutsche Volksfront Band 3. 118 Vgl. De Resolution der Stockholmer Ortsgruppe der SPD in: Ein Mann ruft, S. 34; zu Kuttner vgl. oben S. 295. 119 Vorankündigung von Johann Schmidt (d. i. Lászlo Radványi), dem desigDerten Dkektor: »Freie Deutsche Hochschule in Paris. Eine notwenDge Neugründung«, in: PT, 1935, Nr. 706, 19. November, S. 4; anonymer Bericht »Eröffnung der >Freien Deutschen Hochschule«Das kommende Deutschlandjüdische Mache«. Ich denke dabei jetzt ausschUeßüch an Münzenbergs Pariser Komitee. Wenn von 50 BeteGgten [eme Anspielung auf Ge Versammlung vom 26. September 1935, auf der das Lutetia-Comité gegründet wurde ULA] Ge gute Hälfte Juden smd, so ist das zwar aus der Zusammensetzung der emigrierten InteUektueUen zu verstehen, aber es ist unklug, und ich bin überzeugt, Sie geben mk darin recht. Georg Bernhard z. B. hat aUerlei QuaUtäten, aber daß er sich gerade gut macht als Sturmbock gegen HiderfJ muß ich bestreiten. Ich schreibe so etwas nur zu Ihnen und Geht anderen Leuten, obwohl man es Ger knmer wieder, auch von Juden hören kann.«146 Ähnüch notierte GrzesmsG G eGem Memorandum: »Ein aufrütteGdes Echo wkd Ge Büdung der Volksfront« in Deutschland kaum auslösen. Hinzu kommt, daß der verhältnismäßig große AnteU inteUektueUer Juden, G der Hauptsache Journaüsten, bei der heutigen starken antisemitischen EinsteUung in Deutschland Geht sehr werbend wirken wkd, Geknehr Anlaß zu Angriffen geben wkd, Ge sehr wohl hätten vermieden werden können. Leider geht aber für diese rein praktisch-taktische Überlegung Leuten wie Georg Bernhard, Leopold Schwarzschüd, Professor Gumbel usw. jegüches GefüG ab.«147 -
IISG, NL Hertz, S. 18, Korr. Sollmann: SoUmann an Münzenberg, 20. Januar 1936, Kopie für Hertz; persönUche Einladung Münzenbergs im StAK-HA, 1120/562/IV-4-18. 146 IISG, NL Hertz, S. 18, Korr. SoUmann: SoUmann an Hertz, 20. Januar 1936. 147 LA Berlin, Rep. 200, Acc. 3983, Nr. 2: »Versuche zur SchafGng einer Anti-HitlerFront deutscher Emigranten. Vorbereitungen für Ge Zeit nach Hitler in DeutscGand«, 6 S. Ds., handschr. am oberen Rand mit Tinte: »14. 12. 35«, ünks oben: »G«, vgl. dazu den Brief ebd., Grzesinski an Otto Braun, 28. Januar 1936. 145
326
Konferenzen
1.
Vorbereitungen und Teünehmerkreis
Konferenz im Hotel Lutetia wurde schüeßüch ziemüch kurzfristig 26. Januar auf den 2. Februar 1936 verschoben.148 Der Wunsch nach sorgfältigerer Vorbereitung und Rekrutierung eines umfangreicheren Teilnehmerfel-
Die
erneute
vom
des
aüem aus den Reihen der Arbeiterparteien als Gegengewicht zu den bürgerüchen InteUektueUen war einer der Gründe. Hauptgrund war jedoch Rücksichtnahme der nichtkommunistischen Einberufer auf die KommuDsten, von denen einige, so auch Franz Dahlem, noch in Prag aufgehalten worden waren. Die dortige Auslandsleitung einschüeßüch der Mitgüeder des Poütbüro der KPD hatte sich in seiner Differenzierungstaktik zwischen Sopade, »Pariser« einschüeßüch den »Unken« Sozialdemokraten, sprich den Revolutionären SoziaUsten, und denen in der CSR, verheddert, die Annäherung an letztere durch eine kommunistische Fraktion im Emigrantenheim Letna die doch ans Licht kam aufs Spiel gesetzt.149 Zudem waren sie sich über den zu fahrenden Volksfront-Kurs trotz oder gerade wegen der »Brüsseler« Parteikonferenz nicht einig. Wie Pieck später notierte, gab der Prager Teü des Poütbüros am 21. Januar 1936 »für das Auftreten unserer Genossen auf dieser Beratung [am 2. Februar 1936] Anweisung [...], daß die Beratungen in der Hauptsache auf die Hufe für das Land eingesteüt werden müssen und das Schwergewicht auf die Erörterung aktueüer Aufgaben, Kampf gegen Teuerung und Terror, zu legen ist. Ausserdem soUte die Zusammenkunft benutzt werden, um die anwesenden Sozialdemokraten zu veranlassen, eindeutig zu der Frage der Einheitsfront Steüung zu nehmen, besonders zu einem Abkommen des ZK der KPD mit dem PV der SPD«.150 Man woUte nicht noch einmal riskieren, daß die vorgegebene Taktik, wie auf der Lutetia-Sitzung vom 22. November 1935 geschehen, durch Konzessionen an die Bürgerüchen und Entgegenkommen an die Sopade in Gestalt eines Entwurfs für einen Nichtangriffspakt unterlaufen würde. Dahlem wurde mit einem entsprechendem Mandat ausgestattet. Am 25. Januar wurde die endgültige Marschroute für die Lutetia-Konferenz in einem Brief fixiert und als Direktive angebüch sofort nach Paris geschickt; doch kam der Brief dort nicht rechtzeitig an.151 vor
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148
Siehe
z.
B. De
Einladungen von H. Mann an Fritz Deb,
1936, UBB,NL 043, Aa 711. i49Vgl. oben S. 315. 150 Zitiert nach SAPMO, Ny 4036/558,
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11. Januar und 20. Januar
Bl. 94-150: »Übersicht über De Arbeit der KPD seit dem VII. Weltkongress im Zusammenhang mit der Arbeit des Ausschusses zur Vorbereitung etaer Deutschen Volksfront in Paris / von Wühelm Pieck«, masch., mit handschr. Korrekturen und Streichungen, Zitate Bl. 107. 151 SAPMO, Ry 1,1 2/3/419, Bl. 19-20: »Brief für Paris«, gez. »Eure Freunde«, 25. Januar 1936, der Brief trägt einen Eingangsstempel vom 15. Februar 1936; vgl. SAPMO, Ny
327
V. Von Lutetia nach Lutetia
der zeitlichen VerscGebung fiel Ge Lutetia-Tagung vom 2. Februar 1936 mit zwei in ihren Absichten und Wkkungen entgegengesetzten EreigGssen zusammen: emmal mit dem außerordenGchen Nationalkongreß der SFIO, auf dem Bündnis und Programm des Rassemblement populaire bzw. des Front populaire bekräftigt wurden infolgedessen konnte kein französischer SoziaUst bei den deutschen Emigranten-Konferenzen anwesend sein -, zum anderen mit der VeröffenGchung einer neuen ErGärung des Prager Exü-Vorstands der SPD zum 30. Januar!52 Max Braun aber hatte in der Zwischenzeit aUe Hebel in Bewegung setzen können, um den sozialdemokratischen Einfluß zu verstärken: Er lud eine ganze Reihe von Sozialdemokraten zu der bevorstehenden Konferenz ein, Ge außerhalb von Paris wohnten, vor allem auch Leute aus den Grenzsekretariaten, dann auch Hoegner, Crispien beide in der Schweiz und Paul Hertz von der Sopade!53 Breitscheid schätzte am 28. Januar die Teilnehmerzahl der Sozialdemokraten auf »mindestens 20 [...], darunter nur sehr wemge aus dem Aufhäuserkreis«!54 Auch machträgüche« EGladungen waren noch mögUch geworden: So scHckte Münzenberg, der sich überhaupt um >ProblemfäUe< gekümmert zu haben scheint, an Walcher und seine »Freunde« eme von Heinrich Mann im Auftrag des Präsidiums des provisorischen Lutetia-Komitees gezeichnete Einladung vom 13. Januar, da »man« sie während seiner mehrwöcGgen Abwesenheit von Paris »übersehen« habe; so sandte Heinrich Mann »Für das Präsidium« noch am 27. Januar 1936 dem sozialdemokratischen Bergarbeiterfunktionär Franz Vogt in Amster-
Infolge
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4036/515: masch. Notizen Pieck »Zur Entwicklung und Festigung der Partei / OrgaGsations- und Kaderfragen / WilU Münzenberg (1917), 1935-1940«: GerBl. 12-13; Pieck, der weder an der Beratung teügenommen noch den Brief mit formuüert hatte, datiert Ger den Brief auf den 21. Januar 1936; PA ULA: Notizen Gespräch ULA mit Franz Dahlem.
Zum Nationalkongreß der SFIO am 1. und 2. Februar vgl. U Populaire, 2. und 3. Februar 1936; das »Programme du Rassemblement populake« vom 12. Januar 1936 ist u. a. abgedruckt in: Lefranc, Histoire du Front populaire, S. 475—479; »Für Deutschland gegen Hiüer!«, in: NV, 1936, 2. Februar, siehe Deutsche Volksfront Band 3, Dokument 15, dazu auch Deutsche Volksfront Band 2, Abschnitt: Die Sopade und Gre Anhänger. 153 Vgl. AdsD, Emigration Sopade, 194: Schwarz [d. i. Georg Reinbold], »Ergänzende Mitteüung zur Pariser Konferenz der Volksfront«« zu seGem Brief vom 6. Februar 1936 an die Sopade; IISG, NL Hertz, S. 17, Korr. Ki: Kkschmann an Hertz, 5. Februar 1936. 154 IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Breitscheid an Hertz, 28. Januar 1936; dort auch, daß Breitscheid Hertz gerne dabei hätte am 2. Februar; am 20. Januar hatte Breitscheid ährüich an Hoegner geschrieben, dabei Vergütung der »Reise- und Aufenthaltskosten [...] durch das Komitee« und Hufe bei der Erlangung eines französischen Visums in Aussicht gesteUt, vgl. IfZ, F 205: Korr. Wühelm Hoegner-Rudolf Breitscheid 1934-1941, Bl. 121, doch letzteres klappte nicht, vgl. ebd., Bl. 122-123: Hoegner an Breitscheid, 29. [Januar 1936]; auch Crispien hatte Paßschwierigkeiten, während Hertz das gleiche Hemmnis zum Anlaß nahm, seine »Unlust« zu rationaüsieren und ansonsten Gchts von sich hören Ueß, vgl. IISG, NL Hertz, S. 17, Korr. Ki: Kkschmann an Hertz, 5. Februar und 20. Februar 1936; Hertz an Kkschmann, 14. Februar 1936. 152
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328
Konferenzen
dam eine der unpersönüchen Einladungen (»Sehr geehrter Herr!«),155 doch Vogt reiste nicht nach Paris. Aufgrund der Einladung beschloß die AZ der SAP am 23. Januar, einen mittleren Kurs zwischen KPD und Revolutionären SoziaUsten (RS), soweit von beiden bislang demonstriert, zu fahren, um und Der ist das deutüch von der KPD unterschiedene Motiv die proletarisch-revolutionären Mögüchkeiten zu fördern. Das ProtokoU hielt fest: »nicht Konstituierung eines Volksfront-Komités und nicht Schaffung einer Plattform- oder ProgrammKommission, sondern Bildung eines Ausschusses der beteiügten Organisatio-
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nen] zur Organisierung gemeinsamer Aktionen«.156 Die genaue Anzahl und die Namen der Emigranten, die an der Lutetia-Kon-
ferenz vom 2. Februar persönüch teilnahmen, sich durch Mandat vertreten Ueßen oder sie nur begrüßten, können auch heute nicht als hundertprozentig gesichert vorgesteüt werden. Die unterschiedüchen Angaben in den in Volksfrontfür Deutschland? zitierten Referenzen157 erfahren keine endgültige Klärung, wohl Präzisierungen, auch Eüminierungen, durch die Dokumente, die seitdem zugängüch geworden sind. Am präzisesten erscheint die Teünehmerüste, die Münzenberg mit einem kurzen Bericht an Dimitroff schickte,158 auch wenn sie teüweise den Charakter einer Liste der Eingeladenen hat, die für den 26. Januar zugesagt hatten. Sie
ARBARK, SAP, 6,48,53: Münzenberg an [Walcher], 22. Januar 1936, dazu H. Mann, EiDadung, datiert 13. Januar 1936 (Nr. 54); Einladung an Vogt im IISG, NL Franz Vogt, 155
Nr. 26.
Zitiert nach ARBARK, SAP, 1, 7, 5: ProtokoU der AZ-Sitzung vom 23. Januar 1936. IISG, NL Hertz, S. 17, Korr. Ki: Kkschmann an Hertz, 5. Februar und 20. Februar 1936 mit der »Aktennotiz über De Besprechungen im Hotel Lutetia am Sonntag, den 2. Februar 1936«, De wahrscheinüch von seinem Freund aus dem Saarkampf Max Moritz Hofmann angefertigt wurde, dort: »über Hundert« (und nur wemge Namen); ebd., S. 19, XVI: »Bericht von Breitscheid« (steht handscD. oben auf dem MascDnenskript), 3 S., dort: »ungefähr 120 Personen anwesend«, mit Brief Breitscheid am 6. Februar 1936 an Hertz; AdsD, Emigration Sopade, 194: Schwarz, »Ergänzende Mitteüungen ...« (siehe oben Anm. 153), Schwarz hatte übrigens an keiner der Zusammenkünfte vom 1., 2. und 3. Januar 1936 teügenommen, seine Berichte an den PV steUte er anscheinend, subjektiv angereichert, aufgrund eines Teünehmerberichtes zusammen; Hertz darüber: »[...] machte Dcht den Eindruck besonderer Objektivität. Ob das an seinem Gewährsmann üegt oder an ihm selbst, vermag ich natürüch Dcht zu beurteüen. Ich neige zu der letzteren Auffassung, da mk Ludwig-Saargmünd, den ich als Berichterstatter vermute, immer als ein sehr ruDg denkender Mensch erscDenen ist.« (ebd., Hertz an Kkschmann, 14. Februar 1936); Duhnke, KPD, und Gross, Münzenberg, beriefen sich beide auf Schwarz, letztere fügt krigerweise Klaus Mann der Ueß aber Dchts von sich hören und Feuchtwanger als Teilnehmer Dnzu; weitere Dteratur-Referenzen waren Findeisen, SPD (wir kommen noch öfter auf ihn zurück), und Klaus Mammach, Widerstandsbewegung, vgl. ders., Widerstand 1933—1939. Geschichte der deutschen antifaschistischen Widerstandsbewegung im Inland und in der Emigration, Berün 1984, auf S. 242 schreibt er von »rund 100 Teünehmern«. is» SAPMO, Ry 1, I, 2/3/420, Bl. 34-35: HerDrt [d. i. Münzenberg] an Diehls [d. i. Dimitroff], 10. Februar 1936, es handelt sich augenscheinüch um eine Abschrift, in der De 156 ,57
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Jahreszahl mit »35« angegeben ist. 329
V. Von Lutetia nach Lutetia
gibt in jedem FaU den Kreis der Interessierten (oder der meisten derjeGgen, an
denen Ge verscGedenen Einlader interessiert waren) an und sei deshalb im folgenden wiedergegeben. Durch von mk Gnzugefügte Ergänzungen, Erläuterungen oder Korrekturen wkd so doch ein hohes Maß an Sicherheit gewonnen.
»Sitzung am 2. Februar 1936!59 Sozialisten
7.
Teilnehmer Rudolf Breitscheid, Victor ScGff, Max Braun, Robert Breuer, Dr. Brauer, Dr. Glaser, Erich Kuttner, Max Hoffmann [richtig: Hofmann], Hoffmann (KGserslautern) [d. i. Wühekn Hofmann], Prof. G. DeGcke, Alexander ScGfrin, Dr. [Otto] Kkchheimer, Emü Kkschmann (M. d. R.)160, Ernst Roth (M. d. R.), H[einrich] Becker (M. d. R.), Aldolfj Ludwig, Fftiedrich] Wfilhelm] Wagner, Dr. [Hans] Hkschfeld, H[ekirich] Ritzel (M. d. R.), [Hermann] Pétri (M. d. L.), Hans Siemsen, [Walter A.] Friedländer, Walter Oettinghaus, [Kurt] Löwenstein, Dr. Max Wolfjf]161, Dr. [Gerhard] Kreyssig162, Dr. Horchheimer [richtig: Dr. Max Horkheimer]163, Jacob Walcher, Paul FröUch, Dr. [Walter] Fabian164.
a)
159
Ebd., BL 36-38, Vorlage für Ge folgende, Ge Namen horizontal ansteUe von vertikal
Wiedergabe, notwenGg erscheGende Ergänzungen in [ ] und Umlaute bei Nasie so richtig sind; eGe andere As ebd., Bl. 42-43; vgl. die Variante der Namenfolge, die bei Pech, KPD- Volksfrontausschuß, S. 182-184, nach ebd., aber ohne Blattangabe, mit teüweise falschen Identitätszuweisungen; eine im Auftrag von Franz Dahlem angefertigte und zugesandte As, deren Vorlage nicht mit den beiden soeben zitierten überein zu stimmen scheint, befindet sich kn PA ULA. i60 Kkschmann war am 2. Februar 1936 beruffich verGndert, vgl. IISG, NL Hertz, S. 17, Korr. Ki: Kkschmann an Hertz, 5. Februar 1936. 161 Wolff wurde zuerst von Konrad Reisner und seiner Frau Else, geb. Schwitzgebel, am 5. JuU 1988 gegenüber ULA identifiziert; Daten von Max Wolff: geb. am 14. März 1905 in Metz, Soziologe und Jurist, während der Referendarzeit auch beim Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs tätig, ab März 1933 Rechtsanwalt in Berün, am 31. März 1933 Emigration über Ge Schweiz nach Paris, dort kleine Anwaltspraxis, am 29. April 1939 in Ge USA weiteremigriert, vgl. IISG, NL VlaGmk S. Vojtinskij [Woytinsky], 7, III/1/e, 3: Wolffan Woytinski [sie], 19. Mai 1939; in Paris war Wolff MitgUed der RSD-Gruppe, Ge laut Else Reisner aus etwa 15 Personen bestand, darunter sie selbst, Ernst Richard Frohs, einem namens Riha, und den bekannten Kurt Glaser und Alexander ScGf(f)rin; Walter A. Krafft gehörte ebenfaUs dazu. 162 Kreyssig hatte eine Teilnahme abgelehnt, vgl. AdsD, Emigration Sopade, 67: Kreyssig an Sopade, 7. März 1936. 163 Horkheimer, identifiziert von Else und Konrad Reisner, war Anfang 1936 zu Besuch in Paris, vgl. Chryssoula Kambas, Walter Benjamin im Exil. Zum Verhältnis von Uteraturpolitik und Ästhetik, Tübingen 1983, S. 158, Anm. 2. aufführende men,
330
wenn
Konferenzen
b) Vertreten waren durch Mandat: [Georg] Dietrich, Afrthur] Crispien, [Fritz] Dobisch, Marie Jucha[c]z, [Wühelm] Dittmann, Staatsanw[alt] [Wühelm] Hoegner, Boik (A.D.G.B.) [richtig: Max Bock] c) Begrüßt haben die Konferenz: Max
Sievers, Benno Marx, Rosenfeld Kurt [sie], Tom Sender, Karl Emonts,
August Siemsen, Grzesinski (nahm an der SP-Sitzung am Montag teü), Aufhäuser, Böchel, Seydewitz,165 Salomon Schwarz [d. i. Georg Reinbold], Karl Höltermann, Anton Döring, [Nathan] Nathans166, Anna Siemsen II.
Bürgerlich demokratische Gruppe.
Teilnehmer. Heinrich Mann, Leopold Schwarzschüd, Georg Bernhard, Prof. Kuczinski [Dr. Robert René Kuczynski]167, Prof. [Gottfried] Salomon, Berthold Jacob, E. J. Gumbel, Ernst ToUer168, Hugo Simon, Otto Lehmann-Rußbüldt [sie], Emil Ludwig, Rudolf Leonhardt [sie], Müly Zirker, Dr. [Ludwig] Marcuse, Fritz Wolf[f]169, Alfred Kerr, Heinfz] Pol, Prof. [Fritz] Lieb170, Ernst Leonard,
a)
,64 Findeisen, SPD, Dhrt Fabian Dcht auf, nennt jedoch Rosi Wolfstein-FröUch (SAP), doch sie erhielt erst im Mai 1936 ein auf vier Wochen befristetes Visum und erst im August 1936 ein Dauervisum für Frankreich, bis dahin lebte sie in Brüssel, fremdenpoüzeDch gemeldet per Adresse des soziaüstischen Ministers Paul Henri Spaak, siehe PA ULA: Aufzeichnung Gespräch Rose Fröüch-ULA, Frankfort/M., 6. September 1979. i'5 Hinter den Namen von Aufhäuser, Böchel, Seydewitz steht in der Vorlage eine
Klammer, besagend: »Der Pariser Vertreter der Gruppe rev. SoziaUsten, Dr. Glaser, erklärte, daß sich De Revolutionären SoziaUsten als Gruppe der Bewegung anschUeßen und
diese untersDtzen.« i66 NaDans war SteUvertretender Generalsekretär der Internationalen TransportarbeiterFöderation (ITF), Sekretär der Eisenbahner-Sektion der ITF, Redakteur der Zeitschrift Faschismus; er kam am 28. Juü 1937 beim Absturz des DDenflugzeugs Amsterdam-Paris über Brüssel ums Leben, vgl. AdsD, Bestand Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) II, 2,24: »Tätigkeitsbericht des Sekretariats der ITF für De Sitzung des Exekutivkomitees vom 15. und 16. 11. 1937 in Amsterdam ...«, hektograph. i7 PA ULA: Jürgen Kuczynski an ULA, 3. Juni 1986. 168 Walter Fabian am 16. August 1988 telefoDsch gegenüber ULA: Er habe ToUer, dessen Gesicht er kannte, Dcht gesehen. i69 Bei Findeisen, SPD, ist der Redakteur des Pariser Tageblatts der Sozialdemokratie zu-
gerechnet. 170
Der Schweizer protestantische Theologe war Mitgüed der SPD, wurde im Bericht Breitscheid über De Konferenz vom 2. Februar 1936 und schon vorher auf der Teünehmerüste der Tagung vom 26. September 1935 auch als solcher gezählt, vgl. oben S. 179, Anm. 101; Franz Dahlem rechnete in seinem Bericht »Zur Pariser Konferenz«,
von
331
V. Von Lutetia nach Lutetia
Wolf Franck, Ernst Feder, Hilde Walter171, Maximüian Scheer, Dr. [Franz] Hirschler172, Dr. Karl [sic] Msch, Dr. Walter Hof[f]mann173, [Konrad] Reisner174, Hans Wehl [richtig: Hans WüheUn von Zwehl]175, Frau GeUri [?], Büette [richtig: Bichette, d. i. Helmut Hksch]176, Ernst Mertens, Karl Krüger177, Ad. [wohl: Ed(uard)] Fuchs178, Hans BerUner179, Erich [evd. das KPD-Mitgüed Fritz Apelt], Block [evd. Ernst Bloch], [Charles] Rappoport180
datiert 9. März 1936, ffir Ge Besprechung im EKKI (dazu ausführüch Deutsche Volksfront Band 2, Abschnitt: Die KommuGsten) auch »einige ernst zu nehmende Protestanten, Ge mit der BekenntGskkche zusammenhängen«, zu den Teünehmern, nannte aber keine Namen; eine As des Berichts im folgenden zit.: Bericht Dahlem befindet sich im PA ULA. 171 Konrad Reisner, der mit Fülde Walter im Freundeskreis Carl von Ossietzky eng zusammenarbeitete, kann sich nicht erinnern, sie dort gesehen zu haben: »Wo immer Münzenberg & Co. was zu sagen hatten, Gelt sie sich fern«, so Reisner an ULA, 10. Dezember 1986, PA ULA; zu Hüde Walters EGsteUung s. auch Ge Dokumentation eines memorierenden Briefwechsels zwischen Gr und Gert (d. i. Else) und Konrad Reisner aus dem Jahre 1955 u. d. T.: »So war es in Paris!«, in: exilOgraph, Nr. 12, Herbst 2003. 172 HkscGer war SPD-MtgUed und wurde in anderen Gsten als solches geführt. 173 SchriftsteUer, Akten über ihn befinden sich G Deutsche BibüoGek Deutsches ExüArcGv, Frankffirt/M. (DB-DEA): ArcGv American GGld for German Cultural Freedom. 174 Reisner war SAP-Mtgüed, vertrat am 2. Februar 1936 und später jedoch die Deutsche für Liga Menschenrechte, siehe PA ULA: Briefwechsel Konrad und Else Reisner-ULA und Aufzeichnungen von Gesprächen ab 1985. 175 JournaUst, SPD-MtgUed, hatte im Saarland gearbeitet bei/für Volksstimme, Westland, Neue Saarpost, vgl. BHB 1. 176 Hksch vertrat Ge dem Aktionsausschuß für FreGeit in DeutscGand angeschlossene Westland-Gmppz, poütisch bezeichnet(e) er sich als »Trotzkisten«, siehe hierzu: PA ULA: H. Hksch an ULA, 24. September 1979 und 25. ApG 1980. 177 Zu Gm vgl. Karl Pitt Krüger, »Le Catalan à Potsdam«, in: Exilés en France. Souvenirs d'antifasästes allemands émigrés (1933—1945), Introduction de GUbert Badia, Paris 1982, S. 233-246; HUdegard Feidel-Mertz/Hermann Schnorbach, Uhrer in der Emigration. Der Verband deutscher Uhreremigranten (1933—39) im Traditionszusammenhang der demokratischen Uhrerbewegung, Weinheim usw. 1981, S. 105, 200, 222. 178 Zu dem KGtorhistoriker Fuchs, u. a. NacGaßverwalter von Franz Mehring, vgl. Alexander Maier, in: Simone Barck u. a. (Hrsg.), Uxikon sozialistischer Uteratur. Ihre Geschichte in Deutschland bis 1945, Stuttgart Weimar 1994, S. 154-156. 179 Walter Fabian am 18. Juni 1988 telefonisch gegenüber ULA: Der Name sei eins seiner Pseudonyme gewesen, doch sei er am 2. Februar 1936 unter seinem richtigen Namen aufgetreten (vgl. auch oben); Ger handelt es sich woG um den kommunistischen Theaterschaffenden und JournaUsten Hans Rudolf Rodenberg, der den Decknamen Hans Berüner -
-
-
-
führte, vgl.
BHB 1.
Dieser 1865 in WUna geborene Pubüzist war damals MtgUed des PCF und Pariser Korrespondent der Isvestija, vgl. IISG, NL Charles Rappoport. 180
332
Konferenzen
[b)] Begrüßt haben die Konferenz: Otto Klepper, Lion Feuchtwanger, Rudolf Olden, Gertrud Baer, [Wühelm] Abegg, Prof. [Alfred] Meusel, Prinz Hubertus z. Löwenstein, Konrad Heiden, Prof. [Siegfried] Marck III. Katholische
Gruppe:
a) Teilnehmer: Wühelm Kiefer, Otto
Pick, [Walter] Eberhard181,
Dr.
[Paul Ludwig]
Lands-
berg182 b) Begrüßt haben die Konferenz: [Carl] Sp[iecker] (nahm an mann183, [Johannes]
der Hoffmann184
Vorstandssitzung teü),
Dr. Werner Thor-
Deckname von Walter (oder auch: Eberhard) Schoppen, geb. am 21. August 1886 in Viersen, nach 1933 Mitbegründer von Neue Saarpost, soU 1936 im Dienst der französischen GeheimpoUzei gestanden haben, 1946/47 Chefredakteur der Neuen Saarbrücker Zeitung gab in den 1970er Jahren in Paris eine Emigranten-Korrespondenz heraus, vgl. IfZ, M 1500, Nr. 12. i82 In Volksfrontfür Deutschland?, S. 309, Anm. 163, ist, Breitscheid folgend, Landsberg als kathoUscher Professor aus Münster vorgesteUt, tatsächüch war er Privatdozent in Bonn und nur SympatDsant, Dcht jedoch MitgUed der Kathoüschen Kirche, siehe PA ULA: Notizen eines Gesprächs in Paris mit Prof. Dr. Lenz-Medoc, der nach dem AbscDuß des Konkordats zwischen dem NS-Regime und der Kurie (20. JuU 1933) nach Frankreich emigrierte; vgl. Konrad Feüchenfeld, »ChrisDches Volksfrontverhalten. Mit einem Exkurs über Paul Ludwig Landsberg«, in: Wolfgang Frühwald/Heinz Hurten (Hrsg.), Christliches Exil und christlicher Widerstand. Ein Symposion an der Katholischen Universität Eichstädt 1985, Regensburg 1987, S. 55-59, Der S. 66f. '83 Thormann war Ende der Weimarer RepubUk der SPD beigetreten, er schrieb unter den Pseudonymen Ernst (auch: Karl) Henrichsen (auch: Hetarichsen) und K. H. in deren Zeitschrift für Sozialismus, zu seiner Karriere vgl. Ursula Langkau-Alex, >»Die Zukunft« der Vergangenheit oder >Die Zukunft« der Zukunft? Zur Bündniskonzeption der Zeitschrift zwischen Oktober 1938 und August 1939«, in: Hélène Roussel/Lutz Wtackler (Hrsg.), Die deutsche Exilpresse undFrankreich 1933-1940, Bern usw. 1991, S. 123-156, hier S. 128-130 und Anm. 29 und 30 auf S. 150f.; ausffihrücher zu Thormanns Weimarer Zeit, den Austritt aus dem Zentrum 1930 bestätigend, aber den Eintritt in De SPD bestreitend: Petra Weber, 81
»Goethe und der >Geist von Weimar«. Die Rede Werner Thormanns bei der Verfassungsfeier in der Paulskkche am 11. August 1932«, in: VfZG, Jg. 46 (1998), S. 109-135, Der
S. 119f.
•84 In Volksfront für Deutschland? war krigerweise De Teünahme von Spiecker und Hoffmann angenommen worden; daß Spiecker an der »Vorstandssitzung« teünahm, mag darauf zurückzuffiDen sein, daß er mögücherweise wieder etamal seine Wohnung zur Verfügung steUte.
333
V. Von Lutetia nach Lutetia
IV. Kommunisten
a) Teilnehmer [WUü] Münzenberg, Franz [Dahlem], Marius [d. i. PhGpp Dengel], André R. [d.i. Adolf Deter]185, Beifort [d.i. Erich Bkkenhauer], Walter [Ulbricht], Rohde [d.i. Josef MGer]186, [Peter] MaslowsG, LjubschmsG [?], [Albert] Schremer, [Hans] Stein [d. i. Fritz Beer], A. Rudolph [evtl. Ewald Funke], Jack [evd. Jacques, d. i. Fritz Nickolay], August [Hartmann, d. i. Kurt Schmidt], Ernst [d. i. Hans Kippenberger], Alfred Kantorowicz, Bodo Uhse, Gustav Regler, WUU Bredel«!87 Von den msgesamt 125 Personen, deren Namen auf der Liste stehen, sind also nur 91 als Teilnehmertier großen Emigrantenkonferenz vom 2. Februar 1936 im Pariser Hotel Lutetia registriert. Von diesen 91 waren aber mindestens vier, wahrscheinUch aber fünf Kirschmann, Kreyssig, Daub, Hüde Walter und eventueU Ernst ToUer, wahrscheinUcher aber Ulbricht Geht anwesend, und Spiecker auch Geht auf der VoUversammlung, so daß aufgrund der Liste nur von 85 namenGch bekannten Teünehmern gesprochen werden kann. Auf Ge Zahl 118, Ge erstmals in der zur Werbung Gnerhalb der Emigration bestimmten Broschüre Eine Aufgabe. Die Schaffung der deutschen Volksfront™ auftaucht, kommt man, wenn man Ge 33 Personen, Ge Ge große Konferenz ausdrücklich begrüßten oder sich durch Mandat vertreten Ueßen und dazu gehörte GrzesinsG Geht -189, hGzuzäGtl90 -
—
-
185
Die
Gestapo hatte Deter aUas AnGé R. bereits
als
Transportgewerkschaftler iden-
tifiziert, siehe BA/K, R 58/725, Bl. 61. 186 Vgl. Hermann Wichers, Im Kampf gegen Hitler. Deutsche Sozialisten im Schweizer Exil 1933-1940, Zürich 1994, S. 347, Anm. 68. 187 Der von Findeisen, SPD, noch genannte Phüipp Daub traf sich laut Bericht DaGem
(siehe oben Anm. 170) am 2. Februar 1936 mit dem Sopade-Grenzsekretär Gustav Ferl in Brüssel; in Volksfrontfür Deutschland? hatte ich aufgrund der damaügen Referenzen ferner genannt: Alexander Abusch, Hermann Matern, WüheUn Koenen und Herbert Wehner, letztgenannter war auf keinen FaU in Paris, Koenen war wohl schon nach Prag abgereist.
Deutsche FreGeitsbibUoGek (Hrsg.), Eine Aufgabe. Die Schaffung der deutschen Volksfront, Basel: UGversum-Bücherei 1936, S. 29. 189 Noch am 28. Januar 1936 hatte Grzesinski im Brief an Otto Braun zur Begründung 188
seiner Abstinenz
von
einer »Einheitsfront der demokratischen Elemente mit den Kom-
muGsten, deren Bedeutung m. E. auch vielfach überschätzt wkd«, Ge aktoeUe »taktische[ ]
Lage«, Ge »poUtischen Vorgänge[ ] der Vergangenheit« und Ge >Bolschewistenhetze< miteinander verknüpfte, vorhanden im LA BerUn, Rep. 200, Acc. 3983, Nr. 2. 190 Findeisen, SPD, eruierte anhand seiner nicht spezifizierten QueUe(n) 91 Teünehmer, zählte auf nicht nachvollziehbare Weise nur 27 nicht mit Namen genannte Personen, welche Zustimmung vorab bekundeten oder sich durch Mandat vertreten Ueßen, Gnzu und kam so auch auf 118 Teilnehmer, vgl. dort Anm. 63 zu Text S. 36; Dahlem sprach in seinem Bericht (siehe oben Anm. 170) von »ca. 130 Leute [n]«, Ulbrichts Name fehlt dort ebenso -
wie in anderen Berichten.
334
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Konferenzen
Vergessen sind auf den Listen von kommunistischer Provenienz, soweit mir bekannt, die beiden zur Plenarsitzung vom 2. Februar eingeladenen und auch anwesenden ISK-Vertreter, Erich Lewinski und Wüü Eichler; sie traten aüerdings als Mitgüeder des Aktionsausschusses für Freiheit in Deutschland auf.m Mt ihnen
erhöht sich die Zahl der Anwesenden auf 87. Addiert man die sieben Sozialdemokraten, die sich per Mandat vertreten Ueßen, so kommt man auf 94 Teünehmer; wül man großzügig sein und die Revolutionären SoziaUsten Aufhäuser, Böchel und Seydewitz als durch Glaser vertreten werten, so hätte die Teünehmerzahl 97 betragen, also immer noch unter den auch damals und dann in der Literatur oft zitierten »[ca.] hundert«. Die Aktennotiz, die Kkschmann an Hertz schickte, ist ein Gemisch aus parteipoütischen, weltanschauüchen und soziologischen Kategorisierungen und führt auf: 19 »Sozialdemokraten«, 23 »KommuDsten«, 8 »andere soz kaustische] Gruppen« womit die 3 SAPler, 3 RSDler und 2 ISKler gemeint sein dürften—, 12 »Demokraten«, 8 »Kathoüken«, 3 »Protestanten«, 25 »Andere bürgerüche Gruppen und Unabhängige (SchriftsteUer)« und 6 »Berufsorganisationen«, und kommt damit auf 104 Teilnehmer.192 Das Elend der Überüeferungen ist komplett! —
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2. Vorkonferenzen
großen Konferenz bereiteten sich zwei »Blöcke« in jeweüs geschlossenen Veranstaltungen auf die kommenden Ereignisse vor. Problemlos
Am Vorabend der
beim SDS zugegangen zu sein: Den Vertretern des »freiheitüchen Bürgertums« ob parteiengagiert oder bewußt ungebunden war die poütische Lage klar, die Situation im Reich und die Aufgabe der Emigration zu beidem sprach Heinrich Mann. Seine Rede mündete in die Essenz: »Am 20. Dezember 1935 wurde die Einheitsfront zwischen KommuDsten und Sozialdemokraten Wkküchkeit. Die Volksfront der Deutschen ist im Werden, Hitlers Massenbasis verengt sich. Die revolutionäre Demokratie folgt auf eine Pöbelherrschaft und muß Ordnung und Gesittung und Freiheit
scheint
es
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bringen.«193
Entscheidender für den Verlauf der Konferenz des nächsten Tages und über diese hinaus waren die verschiedenen >Klausurbesprechungen< im kleinsten, kleinen und größeren Kreis der »Vertreter der Arbeiterparteien« am 1. Februar. Zunächst gelang es Dahlem und Münzenberg, Breitscheid, der dem »ganzen -
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AdsD, IJB/ISK, Box 29: Wüü Eichler an Heinrich Mann, 6. Februar 1936; vgl. ebd.: (Monatsantwort), 8,12. Mai 1936, gez. V. E. [Victor Eclair, d. i. Eichler]; ebd., Box 30: VJB (Vierteljahresbericht), III, 3. Oktober 1936, gez. Annette [d. i. Nora Block(-Platiel)]. "I
MA
»Aktennotiz über De Besprechungen ün Hotel Lutetia 157 Deses Kap.). 1" Zit. nach: PT, 1936, Nr. 786, 6. Februar. 192
1936«
am
Sonntag, den 2. Februar
(siehe oben Anm.
335
V. Von Lutetia nach Lutetia
>Volksfrontrummel< sehr skeptisch gegenüber« stand, kn Gespräch zu dritt davon zu »überzeugen«, daß nur durch Zusammenarbeit von KommuGsten und Sozialdemokraten »Ge Zusammensetzung des Kreises selbst und des Vorstandes aUmähUch zu ändern und durch HGzuziehung neuer Kräfte (Perspektive: offizieller Vertreter des PV und der KathoUken) ein ernstzunehmendes Organ zu schaffen« sei!94 Konkretes vereinbarten die drei schon auf dem Gebiet der Soüdarität und zwar für InnerdeutscWand (Thälmann-Komitee) und für Ge Emigration (Schaffung einer einheiGchen Emigrantenorganisation für aUe Länder und Vertretung beim Völkerbund) und auf dem Gebiet der PubUzistik (gemeinsame —
Pressekorrespondenz).
—
Laut Dahlem erörterten danach Breitscheid, Braun, Kuttner, ScGff und ScGfrin (wobei Ge Hinzuziehung dieses RS-Vertreters in dem Zusammenhang äußerst unwahrscheinüch ist) mit ihm, Münzenberg und Birkenhauer aUas Nikolaus eine Reihe von HemmGssen, Ge einer sozialdemokratisch-kommuGstischen Emheitsfront entgegenstanden, G erster Lküe die aUgemeine Haltung und jüngste Direktive des Prager PV der SPD, aber z. B. auch die durch die KommuGsten ausgelöste Letnaheim-Affäre, Ge Dahlem aUerdings, auch in eGem für aUe Sozialdemokraten bestimmten Brief an Breitscheid, herunterzuspielen versuchte. Sie legten sodann Vorentscheidungen für den Verlauf der großen Konferenz am nächsten Tag fest. Diese besprachen sie laut Dahlem und Münzenberg noch am selben Abend G einem größeren Kreis von rund 30 Vertretern der Arbeiterparteien, Ge meisten unter Gnen Sozialdemokraten, und holten sich deren Zustimmung!95 Breitscheid berichtete dagegen nur von ««^»Besprechung der Vertreter der Arbeiterparteien«, an der von sozialdemokratischer Seite außer ihm selbst »Ge Genossen ScGff, Kuttner, Hirschfeld, Braun, Hoffmann (Saar) [d. i. Max Moritz Hofmann] und DeGcke teünahmen«;196 weitere Namen nannte er Geht, Ge drei RS-Leute, Ge zu seinem Verdruß wieder als Sondergruppe aufläßt sich jedoch GnsichGch traten, unterscUug er wohl bewußt. der wichtigsten Vorentscheidungen feststeUen, wie auch ein Rundschreiben der AZ der SAP bezeugt!97 Sie betrafen:
ÜbereGstimmung
194
PA ULA: Bericht
Dahlem, auch für folgendes.
DaUem, ebd., schrieb von »etwa 15-16 SPD-Leute[n] (darunter 3 RS), 3 SAPLeutefn] (Walcher, Pad FröGich [sie], Fabian) und von uns [d. h. der KPD ULA] 6-7 195
Leute[n]«; Münzenberg
aUas Herfurt berichtete an Dimitroff aUas Diehls von »ca. 30 TeUnehmern, 8 von uns, 3 Vertreterfn] der SAP, 3 Rev. SoziaUsten und 18 SPD-Richtung Breitscheid, ScGff, Braun«, siehe SAPMO, Ry 1,2/3/420, Bl. 34-35, und vgl. oben Anm. 158; zur Letnaheim-Affäre siehe oben S. 315; mit »Nikolaus« als Deckname von Bkkenhauer ist meine frühere Zuordnung und darauf fußende Vermutung, daß Wehner teilgenommen habe, -
falsifiziert.
IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Bericht Breitscheid (siehe oben Anm. 157). AdsD, NL Brandt, AUg. Korr. 1933-1946: RScG., gez. Jim (d. i. Jacob Walcher), 1936, Nr. 1,12. Februar, S. 4—6, zum folgenden vgl. dort S. 4f.; Wilü Jasper, Heinrich Mann und die Volksfrontdiskussion, Bern Frankfurt/M. 1982, hat auf S. 144f. leGgUch auszugs196
'97
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336
Konferenzen
1) Gemeinsame Programmatik und taktische Mttel, um in Deutschland selbst Einheitsaktionen der Arbeiter zu fördern, um des weiteren Kathoüken, Bauern, städtisches Kleinbürgertum, Inteüektueüe als Verbündete der Arbeiterklasse im Kampf gegen das NS-Regime zu gewinnen, soüten vorerst DntangesteUt werden. 2) Die Arbeiterparteien würden jeden Entwurf für ein Programm ablehnen, die intern vorüegenden einer Kommission übergeben, auch jegüche Programmdiskussion unterbinden, allenfaüs einer aügemein gehaltenen Grundsatzerklärung zustimmen. 3) Ein bereits von Kuttner und Bkkenhauer vorformuüerter Amnestie-Aufruf soüte der Voüversammlung zur Annahme vorgelegt und zum dritten Jahrestag des Reichstagsbrandes veröffentücht werden.198 Aügemein für die Zukunft vereinbarten die Sozialdemokraten, KommuDsten und SoziaUsten noch, daß ihre Arbeiterparteien den proletarischen Kern der Volksfront büden soüten, daß keine Entscheidungen im größeren Kreis ohne ihre Zustimmung getroffen werden dürften und daß »Aufrufe und sonstige Pubükationen nicht im Namen der Parteien (dies deswegen, weil die SPD offizieü nicht vertreten ist) und auch nicht durch Einzelpersonen, sondern in einer aUgemeinen umschreibenden Form [zu] unterzeichnen« seien.199 Es war nur folgerichtig, daß Breitscheid, der als Anführer« der größten Fraktion der Arbeiterparteien und ohnehin als der für die KommuDsten inzwischen wichtigste Sozialdemokrat in Paris die Sitzung geleitet hatte, auch beauftragt wurde, »auf der Voüversammlung kurz die Ansichten der Vertreter der Arbeiterparteien zusammenzufassen«.200 3. Die Konferenz
vom
2. Februar 1936
Breitscheid entledigte sich seiner Aufgabe am 2. Februar 1936 nach überstimmender Meinung, auch der von poütisch ihm entfremdeten Parteigenossen, »ausgezeichnet loyal«.201 Er hatte unter anderem die unterschiedüchen organisatorischen und ideologischen Bedingungen hervorgehoben, unter denen die Mtgüeder der Arbeiterparteien und die Einzelpersonen zusammenarbeiteten und die deshalb Fraktions- oder Gruppenzwang ausschlössen. Auf die Schwierigkeiten der Sozialdemokraten eingehend, hatte er ausgeführt:
weise den Teü ab der »Plenarsitzung« abgedruckt (in der Vorlage Mitte S. 5 bis S. 6, drittter Absatz), darin jedoch De römische II als arabische gelesen (Jasper: »am 13. 11. (?) auch im >Pariser Tageblatt««) und die »Vorlegung der Deklaration« in der Vorlage [Hervorhebung von ULA] als »Verlegung«. 198 Vgl. auch »Aktennotiz« (siehe oben Anm. 192 bzw. 157). i" Zit. nach: RSchr. Jim (siehe oben Anm. 197). 200 wie Anm. 196. 2°i IISG, NL Hertz, S. 18, Korr. SoUmann: SoUmann an Hertz, 14. Februar 1936.
337
V. Von Lutetia nach Lutetia
»pVTJeine sozialdemokratischen
Freunde und ich müssen persönUche Verantwortung übernehmen, bestimmt auf der einen Seite durch Ge uns von unserem Gewissen aufgezwungene Erkenntnis von der Notwendigkeit des Zusammenstehens der Arbeiterklasse im Kampf gegen den FascGsmus.«202 In der Verlängerung der Vorentscheidungen wie den Ausführungen von Breitscheid lag es auch, daß auf der VoUversammlung im Hotel Lutetia, der Heinrich Mann präsidierte, zum »PersönUchkeitssG« zurückgekehrt wurde. Zum 1. Punkt der ursprüngüchen wie der am Vortag defmitiv festgelegten Tagesordnung, emer Kampagne für »VoUamnestie und FreGeit aUer poUtischen Gefangenen« G DeutscGand,203 referierte wie verabredet Erich Kuttner. Er spitzte Ge Begründung des Amnestie-AppeUs, den er Ge Versammlung anzunehmen bat, zu auf zwei AufgabensteUungen, worüber Gnerhalb der Emigration kn Prinzip bestand: EiGgkeit SoUdarität mit den Opfern des pervertierten Rechts in Deutschland zu üben; »der Welt zu zeigen, wie es G DeutscGand wkldich ist«.204 Hemrich Mann verlas den Text, der noch in der Nacht von emer Redaktionskommission umgearbeitet worden war und nunmehr, dem Verlangen eküger Vertreter der Arbeiterparteien entsprechend, viel stärker den Akzent darauflegte, »Ge Welt über Ge G Deutschland herrschenden Zustände aufzuklären und eventueU Ge AntifascGsten des Auslandes zu entsprechenden Schritten zu veranlassen.«205 Mit eiGgen »unwesenGchen Abänderungen« nahm Ge VoUversammlung den Amnestie-AppeU emstimmig als MaGfest »An AUe« an.206 -
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Bericht Breitscheid (siehe oben Anm. 157), S. 2. Zit. nach: IISG, NL Franz Vogt, Nr. 26: EinladungsscGeiben H. Mann vom 27. Januar 1936 mit folgender »provisorischek] Tagesordnung«: »1. Bericht über Ge Einheitsverhandlungen und Beschluß über eine erste gemeinsame Aktion Gi In- und Auslande für Ge Erkämpfong der VoUamnestie und FreGeit aüer poUtischen Gefangenen, 2. Definitive Konstituierung des Komitees und Festsetzung des Namens, 3. VerscGedenes«. 204 Zit. nach: »Aktennotiz«, S. 1; zu den vorhergehenden Amnestieforderungen siehe z. B. NV, 1935, Nr. 114, 18. August; EinheitsfrontvorscWag des ZK der KPD zu den Verhandlungen am 23. November 1935 (siehe oben S. 303, Anm. 60); Manifest der UGon ffir Recht und FreGeit Hertz war damals MitgUed -, auszugsweise in: NWB, 1935, Nr. 50, 1. Dezember, S. 1592; Amnestie-Aufruf der Internationalen Juristenkonferenz vom 1. Dezember 1935, abgedruckt u. a. in: Tribunal, Januar 1936, S. 5, hektograph. Exemplar von Schwarz mit Brief vom 6. Februar 1936 an Sopade gescGckt (zur Internationalen Juristenkonferenz vgl. auch oben S. 313 und Ge dazugehörige Anm. 101); Breitscheid, »Schritt ffir Schritt«; Lion Feuchtwanger, »Für eine Weltaktion«, G: NWB, 1936, Nr. 5,30. Januar, S. 42. 205 IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Bericht Breitscheid (siehe oben Anm. 157); vgl., auch zum folgenden einschUeßüch des Zitats, »Aktennotiz« (siehe oben Anm. 157 bzw. 192). 206 Das Manifest »An AUe« wurde zuerst abgedruckt in: GA, 1936, Nr. 8, 22. Februar, S. 2; es folgten u. a. Rundschau (Basel), 1936, Nr. 10,27. Februar, S. 393f; PT, 1936, Nr. 808, 28. Februar, S. 2; NF, 1936, Nr. 5, Anfang März, Beilage S. 2 aUe mit etwas anderer Präambel; nach PT, einschUeßUch der Prämbel, und mit einem Nachwort gab Ge Broschüre 202 203
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338
Konferenzen
Wenn auch nicht für Innerdeutschland bestimmt, soUte nach dem Wülen der Versammelten vom 2. Februar der Amnestie-Appeü doch Ausgangspunkt für die erste umfassende »Einheitsaktion« in der Emigration werden. Der »provisorische Vorstand« der Konferenz wandte sich denn auch auftragsgemäß »an die Vorstände der SPD und KPD, an die Liga für Menschenrechte, an die Vertreter der christüchen Gewerkschaften und an die Vertreter aüer deutschen oppositioneüen Parteien und Organisationen«.207 a. Zukunftsprogramm oder Tagesprogramm? Als zweiter Punkt der Tagesordnung war eine »Aussprache über die geplante, gemeinsame Deklaration der Versammlung« vorgesehen; hierzu referierte kurz Georg Bernhard.208 Gumbel las die ün Kreis der bürgerüch-demokratischen Mtgüeder des Lutetia-Comités Schwarzschüd, Bernhard, Gumbel, Heinrich Mann bereits für den 26. Januar ausgearbeitete Deklaration vor; sie war zu Beginn der Konferenz verteüt worden. Die bürgerüche Mehrheit im Lutetia-Comité bzw. provisorischen Vorstand des Lutetia-Kreises hatte damit einen Entwurf von Seiten der KPD oder aller Vertreter der Arbeiterparteien das wkd nicht deutüch ad acta gelegt. Die Vertreter der Arbeiterparteien ihrerseits Welten die programmatischen Entwürfe der vier, die dem Comité vorlagen, unter Verschluß. Doch unprogrammgemäß erzwangen Schwarzschüd, Emü Ludwig und andere bürgerüche Demokraten, unterstützt auch von Gumbel, eine Diskussion über die Frage, was nach Hitler kommen soüe. Sie hängten die Diskussion auf an der Frage, »ob die Deklaration etwa auch weitergehende programmatische Punkte enthalten soüte oder nicht«.209 Schwarzschüd hatte seinen selbst erwählten Auftrag von der Lutetia-Versammlung am 26. September 1935 eine Verfassung für das Deutschland nach Hitler zu entwerfen zwar nur teüweise erfüüt. In den fertigen Teüen aber enthüüt sein Entwurf einen Konservatismus, der wahrscheinüch auch die meisten bürgerüchen Teünehmer erschreckt hat, den er selbst aber durchzusetzen gewült zu sein —
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schien.210
Eine Aufgabe. Die Schaffung der deutschen Volksfront, hrsg. von der Deutschen Freiheitsbibüothek, Basel: UDversum-Bücherei 1936, auf S. 29f. das MaDfest wieder; siehe Dokument 12 in Deutsche Volksfront Band 3. 207 Eine Aufgabe, S. 30. 208 Vgl. »Aktennotiz«, S. 2; vgl, auch zum folgenden, PA ULA: Bericht Dahlem, und RSchr. Jim, Nr. 1/1936 (siehe oben Anm. 197). 209 »Aktennotiz«, S. 2. 21° Vgl. kurz Mammach, Widerstandsbewegung, S. 155; eine im Kern woD zutreffende DarsteUung der von Schwarzschüd eingenommenen Position gibt der, in der Datierung und AufzäDung der Teünehmer aUerdings ungenaue, Bericht der StaposteUe Köln an das Gestapa in Berün vom 4. März 1936, BA, R 58/1: Aktenzeichen II. 848/36: »Betrifft. Volkskongreß in Paris am 16. 2. 1936«, 4 S.
339
V. Von Lutetia nach Lutetia
Selbst bei einem nur kurzen Vergleich des Schwarzschüdschen Verfassungsentwurfs mit dem von Georg Bernhard, der den Auftrag dazu am selben Tag wie jener erfragt und erhalten hatte, fallen trotz der Gemeinsamkeiten besonders in den Fragen der Behandlung der Nationalsoziaüsten und ihrer Helfershelfer sowie auf dem Gebiet der äußeren Friedenssicherung (z. B. Struktur der Streitkräfte, Zusammenschluß der europäischen Staaten) vor aüem die Unterschiede auf.211 Schwarzschüd läßt sich einerseits pedantisch z. B. über die Rechte des Individuums, auch gegenüber dem Staat, über die Modaütäten der Reichstagswahl und wobei die Ausvor aüem über die Orgamsation und Funktion der Presse aus der doch bewußtes zu als Punkt, führungen letztgenanntem Gegenstück zum der in Weimarer wie Hugenbergschen Presse-Imperium Repubük zur Goebbelsschen Propagandamaschinerie im Dienste der Staatsmacht konzipiert sein soüte, mindestens leise an die »Karlsbader Beschlüsse« der Metternich-Ära erinnern. Auf der anderen Seite unterläßt Schwarzschüd es, die für ein Deutschland nach Hider überaus wichtigen ökonomischen, juristischen, sozial- und erziehungspoütischen Grundsätze zu bestimmen. Genau dies tat aber Bernhard. Zum Teü sehr detaüüert baute er in seinen VerfassungsentwurfSicherungen sowohl für den Übergang von der nationalsoziaüstischen Wiükürherrschaft zur Demokratie als auch für das »IV. Reich« selbst ein: Orgamsation und Funktion von Beamtentum,212 Justiz, Erziehung und Unterricht, vor aüem aber von Wirtschaft und Finanzen sind seine vornehmüchsten Punkte. Auf einen vereinfachenden Nenner gebracht, bietet Schwarzschüd ein Programm, das einige sehr ausgewählte Probleme in ihrer Verfahrensweise abhandelt, während Bernhard Grundsätze üefert, die von den klassisch-bürgerüchen Idealen -
Verfassungsentwurf von Leopold Schwarzschüd in der Denkschrift des AK der Materialien zur Volksfront, o. D. [ca. ApD 1936], hektograph. As, 23 S., Der S. 7-12, siehe Dokument 8 in Deutsche Volksfront Band 3; Verfassungsentwurf von Georg Bernhard in: ebd., S. 1-7, siehe Dokument 7 in Deutsche Volksfront Band 3; die KP(D)0 begründete einleitend die Verbreitung beider Entwürfe: »Diese Entwürfe sind bisher Dcht 211
KP(D)0,
veröffenDcht worden und offenbar denken weder De Verfasser dieser Entwürfe, noch De IDtiatoren daran, Dese Dokumente selber bekanntzumachen. Wir holen das nach, um den kommuDstischen Arbeitern zu zeigen, wer eigenDch die bürgerüchen Partner der sogenannten Volksfront sind.« Denkschrift im IISG, stuDezaalmap, üjst Abendroth 433. 212 Bernhard hatte anscheinend auch seine Forderung vom 26. September 1935 (siehe oben S. 186) wahr gemacht und eine Dste der Beamten und RegierungsmitgUeder zusammengesteUt; demnach soUten u. a. Heinrich Mann Reichspräsident nach mündlicher Auskunft von Walter Fabian an ULA war Deser tatsächüch von Münzenberg dazu ausersehen -, Bernhard selbst Finanzmtaister, Victor ScDff Botschafter in Paris und Breitscheid Botschafter in London werden, vgl. Brief Schwarz an Sopade, 6. Februar 1936, AdsD, Emigration Sopade, 194; IISG, NL Hertz, S. 19, XVI: Hertz an Breitscheid, 11. Februar 1936: »[...] ist offenbar in hämischer Absicht eine Regierungsüste mitgeteüt worden. [...] Jedoch halte ich De Sache Dr so belanglos, daß ich Sie bitte, sie uns [d. h. der Sopade] gegenüber Dcht zu erwähnen«; vgl. auch Pistorius, Breitscheid, S. 365. -
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340
Konferenzen
beflügelt sind: den Freiheits- und Gleichheitsrechten wozu auch internationale Pflichten wie Rechte (KoloGen, Mandatsgebiete) gehören -, verbunden mit emer den negativen Erfahrungen der deutschen Entwicklung seit November 1918 entsprungenen VorsteUung über Ge Notwendigkeit konkreter sozio-ökonomischer und sozialpoUtischer Aufgaben der neuen demokratischen Reichsregierung. Im Gegensatz zu Schwarzschüd war Bernhard auch davon überzeugt, Ge vordringüchste und wichtigste Aufgabe sei zunächst, »Ge soziaUstischen Parteien zu einigen«. Es ist anzunehmen, daß er diese schon früher formulierte, auch an die Adresse der NichtsoziaUsten gerichtete Forderung in der Programmdiskussion am 2. Februar wiederholte, sie gegenüber denjeGgen, die gleich SchwarzschUd sofort zur »größten Koaütion« überzugehen geneigt waren, verteidigte.213 Als Grundlage der EGigung über den Kern der soziaüstischen Parteien Gnaus erscGen Bernhard »eG fest umrissenes MGdestprogramm« unerläßUch. Dieses müsse, ohne »Konzessionen« an einen »uGdaren bürgerUchen Mischmasch [...] jene frGhekUchen bürgerUchen Ideale zu verwkküchen [trachten], Ge auch der menschüchen Sehnsucht der deutschen Arbeiterschaft entsprechen«, sich aber auch »in der Emigra-
tion und in der Heimat [...] auf Ge frGheiGchen und revolutionären MittelscGchten erstrecken«. Gerade der städtische und bäuerUche Mittelstand müsse davon überzeugt werden, »daß Geht nur kern Chaos, sondern in WkkUchkeit etwas viel Besseres, auch als die unvoUkommene Repubük von Weimar, das Hidersystem ablösen wird«.214 Es war Gumbel, der ein solches Mindestprogramm unter dem Titel »Minimalprogramm der deutschen Volksfront« für Ge Konferenz vom 26. Januar bzw. 2. Februar ausgearbeitet hatte.215 Fertigen Programmen für Ge Zeit nach Hider, noch bevor überhaupt konkrete Pläne zu dessen Sturz bestanden, hatte er sich frühzeitig widersetzt. »Wk woUen Geht, wie 1848 und 1918, mit dem Aufbau einer Verfassung beginnen, Ge zu schön ist, um der Not standzuhalten, welche poUtische Rechte verspricht und wktschaftUche Sicherungen unterläßt.«216 Sein nun vorgelegtes ScGiftstück war als Aktionsprogramm für die ersten sechs Monate nach dem Sturz Hitlers gedacht.217 Wie die Voraussetzungen für ein Inkrafttreten dieses Programms geschaffen werden soUten, bleibt ungesagt. Auch wkd Geht deuGch, ob Ge Verfassungsnorm von Weknar grundsätzüch als Rechts-
213
»Gemeinsame Front«, in: NWB, 1936, Nr. 5, 30. Januar, Diskussion vgl. kurz auch Mammach, Widerstandsbewegung«,
Vgl. Georg Bernhard,
S. 138—140, hier S. 139; S. 155.
zur
214
Bernhard, »Gemeinsame Front«, S. 140. Vgl. AdsD, Emigration Sopade, 194: »Minimalprogramm der deutschen Volksfront«, E. J. Gumbel, o. D., hektograph., 1 S., von Schwarz am 1. Dezember 1936 mit Begleit-
215 von
brief an 216 217
Sopade gescGckt, siehe Dokument 5 in Deutsche Volksfront Band 3.
E. J.
Gumbel, »Kommt mit uns!«, in: AfDFB, 1935, Nr. 6, 1. November, S. 8f. Vgl. Erläuterung in: NWB, 1936, Nr. 5, 30. Januar, S. 131 f. Gumbels
341
V. Von Lutetia nach Lutetia
grundlage bzw. als Richtschnur betrachtet wkd oder ob sich die Regierung (stülschweigend scheint Gumbel eine Volkfront-Regierung vorauszusetzen) zeitüch begrenzte diktatorische Voümachten zumessen wird. Die Punkte, die auf »poütische Sicherungen« zielen soüen, um zu »verhindern, daß der Weg über die Freiheit Sklaverei führt«,218 sind kaum mehr als ein Zurück zum Status quo ante 20. Juü 1932. Weitgehende ökonomische Sicherungen für die neue Staatsordnung der »Freiheit«219 sucht man ebenfaüs vergebüch; nur vage wird von »planwktschaftüchefr] Leitung aüer dem Reich und den Ländern gehörigen Betriebe durch das Wktschaftsministerium« gesprochen (Punkt 13). Die kapitaüstische Wirtschaftsordnung scheint im Prinzip Dcht angetastet zu werden; die Vermögensenteignung der Nationalsoziaüsten und der ehemaügen Fürsten, die Aufteüung der Fidei-Kommisse und die Nationaüsierung finanzschwacher Betriebe faüen so gut wie mcht ins Gewicht. Gegenüber der Weimarer Verfassung ist ledigüch die Forderung nach Schaffung eines »Volksheeres«, das an die Stelle der Reichswehr treten soü, neu (Punkt 18); Der wird auf die Programmatik der Vorkriegssozialdemokratie Volkswehr, Volksheer, aügemeine Volksbewaffnung zurückgezu neuer
griffen.220
-
Es ist nicht
—
verwunderüch, daß die Vertreter der Arbeiterparteien ein solch
vages Mmmalprogramm ablehnten. »Einigermaßen entsetzt« hatte sich Klepper, der als Lutetia-Comité-Mtgüed ein Exemplar erhalten hatte, in einem persönüchen Brief an Spiecker geäußert. »Gumbels Mindestprogramm« quaüfizierte er als »eine Mschung von alten sozialdemokratischen Requisiten und Emigrantenressentiment«. Geradezu »erschrocken« war er »darüber, daß Heinrich Mann es als ausgezeichnet bezeichnet« hatte.221 Heinrich Mann indes erachtete es ebenfalls als nicht genügend und arbeitete darum einen »Vorschlag für Ergänzungen des Gumbel'schen Mnimalprogramms der Deutschen Volksfront« aus.222 Wirtschaftüche, poütische und juristische Sicherungen des neuen Staates stehen hier ebenso wie bei Bernhard, wenn auch nur kurz umrissen, voran. Da H. Mann aber überzeugt ist, daß die ökonomischen,
218
Zitate ebd.
Vgl. Gumbel, »Kommt mit uns!«. Vgl. z. B. das Gothaer Programm von 1875. 221 BA/B, N 2290/8, Bl. 77: Klepper an Spiecker, 24. Januar 1936. 222 AdsD, Emigration Sopade, 194: »Vorschlag für Ergänzung des Gumbel'schen Minimalprogramm der Deutschen Volksfront von Heinrich Mann«, o. D., hektograph., 2 S., siehe Dokument 6 in Deutsche Volksfront Band 3; ich vermag Jasper, Heinrich Mann, S. 146, Dcht zu folgen, der in diesen Ergänzungen einen Bernhards und Schwarzschüds Entwürfe »zusammenfassenden]« »Vermittlungsvorschlag« sieht, jedoch weist er zu Recht auf andere Schriften von H. Mann hin, in denen »die FührungsroUe der Intellektuellen bei der »sitDchen Erziehung« [...] propagiert« wkd (S. 147); vgl. dazu auch Ursula [Langkau-]Alex, Heinrich Mann. Schriftsteller und Politiker im Exil in Frankreich (Sendung des WDR-Hörfonks Köln am 13. Oktober 1965 und 17. März 1966, als Ms. vervielfältigt, 28 S., Standort u. a. Deutsche BibUothek, FrankDrt/M.). 219
220
342
Konferenzen
sozialen, juristischen, innen- und außenpoütischen Maßstäbe und Maßnahmen des »Volksstaates« auf Dauer ihre Geltung nur werden behaupten können, wenn aUe (deutschen) Menschen zu neuen, vernünftigen, verantwortungsbewußten, kurz: zu »sitGchen« Menschen herangebüdet sind, legt er den Schwerpunkt seines Ergänzungsprogramms auf Ge Erziehung; sie ist Ge Hauptfunktion des »Volksstaates«, zugleich seine Legitimierung. Rein äußerUch erinnert dies an Ge »Erziehungsdiktatur«, die z. B. Aufhäuser als erste Phase für das Deutschland nach Hitler gefordert hatte.223 Der wesenGche UnterscGed zwischen beiden läßt sich Gdessen an dem Demokratie-VerständGs Heinrich Manns darlegen. »Demokratie ist die Zusammenfassung persönUch erzogener Menschen«, schrieb er 1934.224 Der Demokratie entgegen stehen dann »Vorurteüe«, »VerständGslosigkeit« und »Überhebung« eines BekenntGsses über ein anderes, emer Klasse über Ge andere und auf diese Phänomene wendet H. Mann Ge TermiG »Entfremdung«, »Selbstentfremdung«, »Sichselbstfremdsein emes Volkes« an.225 Es ist deutlich, daß damit Wnter Marx zurückgegangen wird, daß Ge etGsche Kategorie Ge rem sozial-ökonomische prävaUert. So erscheint denn auch Ge geforderte »Soziaüsierung« als eG Gebot der Ediik; sie zielt Geht primär auf Ge Kapitaleigenschaft der Produktivkräfte, sondern auf deren Mißbrauch durch Einzelne bzw. auf Ge Unterbindung dieses Mißbrauchs, zielt letztüch auf VeraUgemeinerung der »Demokratie«, auf Aufhebung der Klassengegensätze. »Soziaüsierung« wird so eine Sache der »einsichtigen«, der »anständigen« Menschen »Oben« übrigens Geht aUein bei «ozialen Liberalen« wie Heinrich Mann, Gumbel, Bernhard.226 »SoziaUsierung« wkd, da aus der vorwiegend der Marxschen Tradition entstammenden analytischen Beziehung auf die Arbeiterklasse in ihrer konkreten geseUschaftüchen Situation gelöst, schüeßüch mit »Nationaüsierung« identifiziert eme grobe Vereinfachung, vor der beispielsweise Léon Blum bereits gewarnt hatte.227 Doch auch HeGrich Manns Programm war am Vorabend bereits von den Vertretern der Arbeiterparteien abgelehnt worden. Günstigere Chancen mochten sich im vorhGeG GejeGgen, voran Ge Revolutionären SoziaUsten, ausgerechnet haben, -
—
—
223
Vgl. oben, S.
132. Heinrich Mann, Sinn Emigration, S. 39. 225 Heinrich Mann, »Deutschland ein Volksstaat«; zum Verständnis des Mannschen Volksfrontprogramms vgl. auch ders., »Die Deutschen und ihre Christen«, in: NWB, 1936, Nr. 2, 9. Januar, S. 36-41; ders., »Es kommt der Tag«, in: NWB, 1936, Nr. 5, S. 130f., wiederabgedruckt in: Eine Aufgabe, S. 25. 224
-
Vgl. z. B. [Nathan Nathans], »Die Einheitsfront der anstänGgen Menschen, von einem bekannten deutschen Gewerkschaftsführer«, in: MDFB, 1936, Nr. 9, 10. Januar, S. 17-19. 227 In einer Artikelserie im Populaire vom Juü und August 1935 hatte Blum u. a. klar was NationaUsierungen unter den gegebenen Verhältnissen bedeuten würden: gemacht, »EUe[s] sont un moment de l'évolution capitaUste et non pas un moment de la Révolution sociale«, zit. nach: Lefranc, Front populaire, S. 95. 226
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V. Von Lutetia nach Lutetia
die mcht Überale Grundsätze und Verfassungen, sondern ein Programm zur Soüdarisierung und Organisierung der Massen innerhalb Deutschlands, verbunden mit einer Antwort auf die Frage nach dem endüchen Ziel über den Sturz des Regimes hinaus, bestimmt sehen woüten. Sie konnten dabei immerhin an öffentüche Steüungnahmen der Zwischengruppen wie auch im groben an die Ausgangspunkte der Beschlüsse der »Brüsseler« Konferenz der KPD anknüpfen. Es darf angenommen werden, daß zumindest Glaser und Schifrin den Programmentwurf von Böchel kannten, den dieser innerhalb der RS-Gruppe in Karlsbad zur Diskussion gesteüt und dabei die Hoffnung ausgesprochen hatte, daß es dem Gumbelschen Programm vorgezogen werden würde. Interpretiert man den Bericht von Rössing aüas Hans Kaiser an Hans Vogel, so suchte Böchel ein aktueües Aktionsprogramm der Einheitsfront der Arbeiterklasse so mit einem Aktionsprogramm der Volksfront zu verbinden, daß die Mögüchkeit der proletarischen Revolution offengehalten wurde. Vermutüch deckt sich der Entwurf mit Bochéis Beitrag »Der Aktionsradius der Volksfront«, den die Neue Weltbühne in ihrer Nummer 5 vom 30. Januar 1936 veröffentüchte. Darin wkd der Mangel des Dreistufenplans der RS, nämüch keine konkreten Übergangslosungen zu bieten, ausgegüchen.228 Doch die Revolutionären SoziaUsten hatten sich schon am Vorabend der einträchtigen Blockade von Sozialdemokraten, Kommunisten und SAPlern hkisichtüch eines Programms welcher Art auch immer gebeugt. Lehnten die Vertreter der SAP ein Volksfront-Programm oder auch nur ein Programm in Richtung eines sozial-überal-demokratischen Bündnisses aus proletarischen«, an Lenin orientierten Prinzipien ab, und Ueßen sich die Sozialdemokraten von Breitscheid leiten, der sowohl auf proletarisch-demokratischsoziaüstischen Positionen beharrte, als auch dem Prager PV gegenüber loyal handeln
228 Karl Böchel, »Der AktionsraDus der Volksfront«, in: NWB, 1936, Nr. 5, 30. Januar einer Spezialnummer unter dem Motto »Unsre Antwort auf drei Jahre Hider« -, S. 133-135 (auszugsweise in: Eine Aufgabe, S. 132f.); zum Dreistufenplan der RS vgl. oben, S. 279ff; vgl. auch De Einordnung des Programms in De Analyse soziaUstischer ProgrammvorsteUungen bis Mitte 1936 in Deutsche Volksfront Band 2, Abschnitt: Die SoziaUsten: Zwischenbilanz im WanDungsprozeß; AdsD, Emigration Sopade, 103: Hans Kaiser Bericht F[ebruar]/Nr. 1, [1936]: »2 Konferenzen der RS am 29. und 30. 1. in K[arlsbad]«, dort heißt es u. a. hämisch: »Der Sinn [des Böchel-Programms] soU sein, daß man nach dem Sturze Hiders in Deutschland] sofort weiß, was man zu tun hat. Die Teünehmer nahmen De Sache sehr ernst und waren durch viele Ergänzungsvorschläge bemüht, dafür zu sorgen, daß nach der Bö[chel]-Revolution in Deutschland] Dchts an praktischen Arbeiten vergessen werde. So schlug man vor, es soUe der Schutz der Sparer noch aufgenommen werden und noch etwas mehr über De Außenpoütik der Volksfront-Regierung gesagt werden.« Mit dem obigen Text ist meine Vermutung in Volksfrontfür Deutschland?, S. 159, daß Böchel sein Programm an [Otto] Friedländer mit nach Paris gab oder ihn damit vertraut machte, revidiert; sie beruhte auf der Zuordnung des RSDlers Friedländer auf aüen Dsten jeweüs ohne Vorname zu Otto Friedländer in Prag, Walter A. FrieDänder in Paris konnte ich erst aufgrund später erschlossener QueUen mit dem dortigen RS-Kreis in Verbindung bringen. -
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Konferenzen
woUte G der Hoffnung, Gn doch noch fik eme EGheitsfront gewinnen zu können, so war Ge Konferenztaktik des PoUtbüros der KPD, Ge Dahlem führend zu vertreten hatte, noch weitaus vielscGchtiger bestimmt. Es war der KPD-Führung noch Geht gelungen, ein Volksfrontprogramm zu erarbeiten, das als Plattform zu BündGsgesprächen aUseits hätte überzeugen können. Die Schwierigkeiten, Ge sich emer solchen Aufgabe entgegensteUten, waren aUerdings vornehmüch in taktischer Hinsicht mnerhalb des ZK, auf dem VII. Weltkongreß der KorGntern und auf der »Brüsseler« Konferenz der KPD teüweise schon diskutiert oder zumindest angerührt worden.229 Das Mamfest der »Brüsseler« Parteikonferenz, das noch auf der Lutetia-Versammlung vom 22. November 1935 im Mittelpunkt hatte stehen soUen, bUeb, wie bereits oben signaüsiert, m seiner pubUzierten Fassung GnsichGch der demokratischen Institutionen (z. B. Nationalversammlung) Gnter den Erwartungen einer ReGe von Sozialdemokraten und von bürgerUchen Demokraten zurück. In Gstorischer Rückschau lassen sich zudem folgende Faktoren als hemmend erkennen: In ihrem Volksfront-Eifer drohte Ge KPD von den auf eine proletarische Strategie und Taktik pochenden Zwischengruppen ob im Lutetia-Kreis oder Geht Unks überholt zu werden, während sie von der Sopade und ihren Anhängern nicht ernst genommen wurde. BUeben Ge überalen Bürger als BündGspartner; doch selbst ein äußerst sozial-überales Volksfrontprogramm aus diesem Kreis, schriftüch als BündGsplattform fixiert, hätte Ge KPD Geht akzeptieren können, woUte sie Geht ihre Glaubwürdigkeit als proletarisch-revolutionäre Partei von sich aus zur Diskussion steUen. Umgekehrt stand fest, daß Ge BürgerUchen einem soziakevolutionären Programm mit dem Ziel der Diktatur des Proletariats Geht zustimmen würden. Darüber Gnaus waren inzwischen mnerhalb der Komintern-Führung Differenzen über den Nutzen einer Volksfront spürbar geworden was wohl der tiefere Grund für Ge Änderungen im »Mamfest« der »Brüsseler« Parteikonferenz war. Togüattis Diskussionsrede auf der »Brüsseler« Konferenz der KPD war, was Ge AufgabensteUung für Ge KPD im antifascGstischen Kampf betraf, popuUstisch und voUer Gnerer Widersprüche gewesen, auch in ihrer impüziten Hinwendung zu einer wie Sywottek es ausgedrückt hat »Restauration der Ordnung und Poütik der Weimarer Repubhk« (m ihrer ideeUen Gestalt, Ge trotzdem von Komintern und KPD von Anfang an bekämpft worden war, möchte ich hinzufügen). Als Vertreter des EKKI hatte TogUatti Ge deutschen Genossen »vor einer schematischen Wiederholung und Anwendung der Lküe des VII. Weltkongresses« in der Frage emer Volksfront-Regierung gewarnt, hatte das von der KPD noch stets G Ehren gehaltene »Programm zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes« von 1930 als »veraltet« abgestempelt. »Es Gente dem Zweck, das Pro-
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Zu den Ausführungen und Zitaten bei Sywottek, Volksdemokratie, bes. S. 51ff., vgl. jetzt ffir Ge letztgenannte Konferenz Lewin/Reuter/Weber, Protokoll der »Brüsseler Konferenz«. 229
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gramm der Sowjetmacht überhaupt in Deutschland zu propagieren.« Hatte er auf dem VII. Weltkongreß der Komintern über »Die Vorbereitung des imperiaUstischen Krieges und die Aufgaben der KI« Bericht erstattet, so verlangte er nun von der KPD, in erster Lime eine Poütik gegen den Krieg zu propagieren, und zwar mit genau den gleichen nationaüstischen Losungen wie im »Programm zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes«, die auch die außenpoütische Propaganda der NSDAP getragen hatten und nun die Außenpoütik NS-Deutschlands trugen: »Annulüerung des Versaüler Vertrags«, »Vereinigung aüer Deutschen«, »Liquidierung des polnischen Korridors«; aües soüte »durch Freiwilügkeit und auf dem Wege der internationalen Verständigung« geschehen. Voraussetzung war der Sturz des NS-Regimes durch die Anwendung der »Taktik des Trojamschen Pferdes« und die Ausnutzung jegücher oppositioneüen Regungen wo und in welchen geseUschaftüchen Schichten auch immer mit Hufe einer »konkreten poütischen Plattform, in der die Interessen und Bestrebungen aüer dieser verschiedenen Schichten in Erwägung gezogen werden«. An oberster SteUe stand die »Wiederhersteüung sämtücher demokratischer Freiheiten«.230 In der Sorge um den Ausbruch eines »fascDstischen« Krieges, die durch Anzeichen einer deutsch-französischen Annährung genährt wurde, gründeten auch die weitergehenden, im Grunde entgegengesetzten Differenzierungen von Dmitri Manuü'sDj in seiner Rede vor dem Moskauer und Leningrader Parteiaktiv im November 1935. Er wandte sich von der aügemeinen Volksfront-VerbrüderungsEuphorie ab, wie sie bei Togüatti deutüch spürbar ist, und betonte unmißverständüch, daß eine Volksfront nur auf der Grundlage des Klassenkampfes der »einheitüchen Arbeiterfront« gegen die Bourgeoisie und den Einfluß der Sozialdemokratie konzipiert werden dürfe, daß Regierungen der Einheitsfront oder der Volksfront »nicht Regierungen gewöhnücher Zeiten, sondern Regierungen der Phase
230
Togüattis Bericht auf dem VII. Weltkongreß ist unter seinem Decknamen »Ercoü« abgedruckt in: VII. Kongress der Kommunistischen Internationale. Gekürztes stenographisches Protokoll, Moskau: Verlag für fremdspracDge Dteratur 1939, S. 380-445, Nachdruck in: Pieck/ Dimitroff/Togüatti, Offensive des Faschismus, der inzwischen verstorbene itaüeDsche Historiker, u. a. Herausgeber einer Reihe von Bänden der Opere von Togüatti, Ernesto Ragioneri, interpretierte Togüattis Rede als auch versteckten Zweifel, ob De Volksfront letzten Endes das Problem des Schutzes der SowjetuDon werde lösen können; obige Zitate nach dem Abdruck der deutsch gehaltenen Rede von Ercoü in: Lewin/Reuter/Weber, Protokoll der »BrüsselerKonferenz«, Teil 2, S. 630-643, Der S. 638 und, für das letzte Zitat, S. 639; identisch gekürzte, in den Passagen über De Aufgaben der KPD aber voUstänDge, stilistisch jedoch manchmal vom Protokoll etwas abweichende zeitgenössische Pubükationen sind: Ercoü, Die antifaschistische Einheitsfront und die nächsten Aufgaben der KPD. Rede auf der Brüsseler Konferenz der KPD (Oktober 1935), Moskau: Verlagsgenossenschaft Ausländischer Arbeiter in der UdSSR 1936; ders., Die antifaschistische Einheitsfront und die nächsten Aufgaben der KPD. Rede des Vertreters des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale auf der Brüsseler Konferenz ^er KPD (Oktober 1935), Strasbourg: EDtions Prométhée o.J. [1936]; vgl. Interpretation und mein Zitat aus Sywottek, Volksdemokratie, S. 55ff. 346
Konferenzen
der
poUtischen Krise«, und zwar auch nur in den noch Geht faschistischen Län-
dern, sem könnten.231
ManGl'sGjs FrontsteUung gegen Ge »Bourgeoisie« und Abgrenzung von der »Sozialdemokratie« war das Gegenteü der Gassenübergreifenden Volks fronttaktik der KPD-Führung, so wie sie sie unterscGedslos in Danzig durchzuführen trachtete und für Inner-Deutschland propagierte. In der vom Völkerbund garantierten Freien Stadt Danzig herrschten damals äußere Bedingungen, Ge auch nach dem maGpuüerten Wahlerfolg der NSDAP im April 1935 eher mit Frankreich 1934/35, auf kernen FaU aber mit der Situation im Reich zu vergleichen waren. AUes, was in Danzig noch legal von Seiten der antinationalsoziaUstischen Parteien gegen Ge poUtischen und wktschaftiiehen Maßnahmen des seit den April-Wahlen von der NSDAP beherrschten Senats wenn auch zunehmend auf engerem Spiekaum unternommen werden konnte, war kn Reich längst Geht mehr mögUch. In Danzig konnte trotz aUer BeGnderungen durch den nationalsoziaUstisch zusammengesetzten Senat das Beispiel der Linken in Frankreich angewandt werden.232 —
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»Lehren der Einheitsfront in Frankreich« war auch ein Artikel von Franz Dahlem überschrieben; er begleitete die verspätet pubUzierten »Informationen über Ge Januartagung [1936] des PoUtbüros der KPD«, in denen eine Reihe von Angriffsflächen des NS-Regimes im Deutschen Reich benannt war.233 Unreflektiert büeben indes Ge fundamentalen UnterscGede in den Bewegungsmögüchkeiten in einem noch demoGatischen Staat oder in dem noch -
Manuilski, »Die ErgebGsse des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale«, G: Rundschau (Basel), 1935, Nr. 67,21. November, S. 2613-2631, Zitate S. 2627, G 231
D.
der Unken Spalte auch Ge Definition der »faschistische [n] Kriege«: »Die imperiaUstischen Kriege, Ge die Bourgeoisie für die Werktätigen vorbereitet, werden ebenfaUs faschistische Kriege sein, Kriege, die keinen Unterschied zwischen Hinterland und Front, zwischen kämpfender Armee und friedücher Bevölkerung machen werden, Kriege auf Entfernung, Kriege der MaschGen, der Gase, der Bakterien.« Zur Unruhe in Moskau über eine deutschfranzösische Annährung vgl. z. B. AA-PA, AA II, Pol. 2: Poütische Beziehungen zwischen DeutscGand und FranGeich, Bd. 36: Bericht des deutschen Botschafters in Moskau von der Schulenburg vom 12. November 1935 über scharfe Artikel in Pravda und Isvetija u. a. von Karl Radek. 232 Dazu ausführüch Vietzke, Brüsseler Konferenz S. 196ff.; vgl. auch Sywottek, Volksdemokratie, S. 53f. 233 Franz [Dahlem], »Lehren der Einheitsfront in FranGeich«, in: GA, 1936, Nr. 6, 8. Februar, S. 6; »Einheitsfront heißt gemeinsamer Kampf. Informationen über die Januartagung des PoUtbüros der KPD«, in: ebd., S. 4, auch als illegales Flugblatt nach Deutschland eingeschleust, siehe Dok. 56 in: Pikarski/Uebel, Antifaschistischer Widerstand der KPD Flugblatt; der Text ist im Wortlaut teüweise identisch mit dem auf den 1. Januar 1936 datierten Artikel von Ulbricht, »Antifaschistische Einheit der Weg zum Sturz Hitlers. Über die Brüsseler Reichsparteikonferenz der KPD«, abgedruckt in: Ulbricht, Reden undAufsätze, S. 18-22; zum »Brief für Paris« vom 25. Januar 1936 siehe oben S. 327f; vgl. auch das Begrüßungstelegramm des ZK der KPD zum VIII. Parteikongreß des PCF, in: L'Humanité, 1936, 26. Januar, S. 4: »Le salut au Congrès de nos Partis frères«. -
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V. Von Lutetia nach Lutetia
demokratischen Danzig und unter einer fascDstischen, besonders der nationalsoziaüstischen Diktatur. AUerdings entsprachen die Losungen, die zum Kampf gegen Terror, Konzentrationslager, Massenprozesse, Kriegsvorbereitung, Lebensmittelknappheit usw. vorgeschlagen wurden, jenen, die bereits in den wenigen bis dahin durchweg spontan, d. h. ohne Anleitung aus der Emigration, lokal geschlossenen Vereinbarungen zwischen kommunistischen und sozialdemokratischen Grappenleitungen in der IUegaütät festgelegt worden waren doch büeben diese infolge der Überwachungen durch Gestapo, nationalsoziaüstische Vertrauensräte in den Betrieben und freiwilüge Spitzeldienste durchweg Papier.234 Vergleicht man diese Position mit den öffentüchen Verlautbarungen nach dem VII. Weltkongreß der Komintern und mit den Äußerungen der KommuDsten in den deutschen Volksfrontorganisationen in Paris 1935, die Nationalversammlung, Volksfront-Regierung usw. zum Inhalt hatten, so läßt sich ermessen, in welch schwieriger Position sich Dahlem befand, vor der Mehrheit der Versammelten, denen die Hintergründe und Motive der kommunistischen Poütik fremd waren, einen Stülstand, ja, einen Rückzug in der Diskussion um die Volksfrontprogrammatik, soweit sie die Frage »Was kommt nach Hitler?« betraf, vertreten zu müssen.235 Münzenberg hatte es am Vorabend leicht gehabt, als er ledigüch vor Vertretern der Arbeiterparteien auf die neue Lime einzuschwenken brauchte. Er konnte Einigkeit in der »Zielsetzung« »WiederhersteUung der demokratischen Grundrechte« als Voraussetzung für die Verwirküchung weitergehender Ziele feststeUen und ebenso Einigkeit erwarten, indem er eine Repubük mit demokratischen Grundrechten inhaltüch mcht näher bestimmte.236
halbwegs
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234 Vgl. auch Walter [Ulbricht], »Der nächste Schritt«, ta: NWB, 1936, Nr. 5, 30. Januar, S. 143-146; auch in: MDFB, 1936, Nr. 10, Februar, S. llf., und in: Eine Aufgabe, S. 48-50; vgl. zu DaDem noch: »Die Dtaren von Siemens«, in: NWB, 1936, Nr. 3, 16. Januar, S. 73-77, Auszüge in: MDFB, 1936, Nr. 10, Februar, S. 5-8, und in: Eine Aufgabe, S. 23-25. 235 Sywottek, Volksdemokratie, S. 229, Anm. 277, zitiert Vietzke: »... De KPD-Führung [habe] sich im JuU 1935 dahingehend geetaigt, Programme für ein Nach-Hkler-Deutschland erst dann auszuarbeiten >wenn Voraussetzungen gegeben« seien«; in der Zwischenzeit hatten sich KPD-Führer wie Koenen, Münzenberg, Florin, auch Ulbricht und das dürfte meine DarsteUung deuDch gemacht haben einmal durch den VfL Weltkongreß und De Forderung von Togüatti auf der »Brüsseler« Parteikonferenz, zum anderen durch De bürgerüchen InteUektueUen und De »freiheiDchen Bürgerüchen« auf den vorhergehenden LutetiaKonferenzen, in spezifischer Weise auch durch De Sopade und tare Anhänger in der Programmatik Dr Nach-Hitler-Deutschland mitreißen lassen; das ErgebDs war der Entwurfdes, »MaDfests« der Parteikonferenz. 236 Vgl. »Aktennotiz« (siehe oben Anm. 157, daraus De Zitate); RSchr. Jim 1936, Nr. 1 (siehe oben Anm. 197); Gross, Münzenberg, S. 293, die sich auf Schwarz' Mitteüungen beruft, daher aüerDngs auch De große Konferenz am folgenden Tag auf den 6. Februar datiert, dem Datum der ersten Mitteüung von Schwarz; zu Münzenbergs Schwenkung vgl. auch: WüU Münzenberg, »1936 das JaD der Schaffung der deutschen Volksfront«, in: Rundschau (Basel), 1936, Nr. 1, 2. Januar, zit. nach: Eine Aufgabe, S. 33-37, Der S. 36. -
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Konferenzen
Die Debatte am 2. Februar kn Hotel Lutetia Ueß Ge tiefgreifenden Unterschiede der ideologischen, politischen und taktischen Positionen, vor allem hinsichGch der Funktion des Lutetia-Kreises und seines Vorstandes, der Aufgabenstellung für Innerdeutschland sowie der Interpretation von »Demokratie« aufbrechen. Der Graben, der vor allem zwischen den bürgerUchen SchriftsteUern, Ge einen Geht geringen Einfluß auf manche der als Vertreter überparteGcher OrgaGsationen auftretenden Nicht-Funktionäre in den Arbeiterparteien hatten, auf der einen Seite und den Vertretern der Arbeiterparteien untereinander auch keineswegs eimg auf der anderen Seite Gaffte, konnte dank einer gescGckten Rede von Dahlem, sekundiert von Münzenberg, der bislang stets Ge BGgerüchen ermuntert hatte, mit Mühe überbrückt werden. Zu »einer Kampfdiskussion« kam es besonders zwischen Breitscheid, der schon wegen des Vorpreschens der bürgerüchen Demokraten im Lutetia-Comité mit ihrer Deklaration wütend Ge Konferenz verlassen woUte, und Schwarschüd sowie zwischen Kuttner und Emü Ludwig, der die Parteivorstände für »bankrott« erklärte; schüeßUch wiesen auch Breitscheid, Dahlem und Münzenberg veremt Ge Kritik von Ludwig und Gumbel am Prager SPD-Vorstand zurück.237 —
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b. Der Kompromiß Den Sozialdemokraten und KommuGsten gelang es schUeßUch, Ge teüweise ausartende Diskussion um Zukunfts- oder Tagesprogramm zurückzuzwingen zu ihrem Ausgangspunkt: dem Text der geplanten »ErGärung« der Konferenz. Aus dem Gedanken heraus, daß ein Platzen(lassen) der Konferenz nur Schaden anrichten könne und daher so DaGem »unter keinen Umständen eintreten dürfe«, hatte er sich in einer kurzen Beratung mit Münzenberg, Max Braun und Breitscheid darauf geeüiigt, einen Kompromiß anzusteuern. Die Vorlage der ErGärung oder Deüaration der bürgerüchen Demokraten sie trägt in Grer letzten Fassung deuGch Ge Handschrift von Heinrich Mann soUte mit zwei Änderungen als »Kundgebung an das deutsche Volk«238 verabscGedet werden: Als erstes strichen Ge vier den ersten Absatz unter: »Sie erklären und fordern:« »1. VergUchen mit diesen elementaren Rechten stehen aUe Sonderrechte einzelner Parteien und Gruppen, ohne daß sie die Arbeit für ihre programmatischen Ziele aufgeben, solange zurück, bis in Deutschland folgende aUgemein gültige und fundamentale Postulate verwkldicht sind:« -
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237 Vgl., auch für folgendes, PA ULA: Bericht Dahlem seiner Meinung nach gehörten der »[MussoüniJBiograph Emü Ludwig, Lehmann-Russbild [sie] usw.« nicht auf «üe Konferenz; ebd.: Notizen Gespräch Dahlem-ULA im September 1978; ebd.: Dahlem an ULA, 10. August 1981; vgl. Herfurt an DieGs (siehe oben Anm. 195), dort das »KampfGskussion«-Zitat; »Aktennotiz« (siehe oben Anm. 157); RSchr. Jim 1936, Nr. 1 (Anm. 197); Bericht Breitscheid (Anm. 157). 238 Dokument 13 in Deutsche Volkfront Band 3; vgl. das Dokument mit den unten folgenden Änderungen, zitiert nach PA ULA: Bericht DaMem. -
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V. Von Lutetia nach Lutetia
und ersetzten Gn durch: »1. Daß sie unter gegenseitiger
Achtung Grer Sonderziele zusammentreten, kämpfen, bis in Deutschland folgende aUgemein
gemeinsam solange gültige und fondamentale Postulate verwkkUcht sind«. zu
um
Zweitens strichen sie den Schlußabsatz: »Der engere Ausschuß wkd beauftragt, durch geeignete Sachbearbeiter eme Plattform zur Sammlung aUer Oppositionsgruppen aufsteUen zu lassen. Diese Gemeinschaft hat Ge Aufgabe, ein Programm auszuarbeiten, das Ge Grundlagen für eG Deutschland der FreGeit und des Friedens, der Gesittung, der Reinlichkeit und des Rechts, und emer starken, selbstbewußten, gegen den Mißbrauch durch übermächtige wktschafrliche Kräfte gesicherten und energischen Demokratie der Arbeitenden in Stadt und Land sem wird.« Statt dessen soUte es heißen »(natürlich vom Vorstand formuUert)«, wie Dahlem in seinem Bericht Gnzufügte: »Sie beschüeßen, aUes zu tun, um Ge Sammlung aUer Oppositionsgruppen zu erreichen und aUes vorzubereiten, was Ge Grundlage für ein Deutschland der Freiheit und des Friedens usw. usw. ...