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German Pages 294 Year 2007
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 356
§ 284 BGB – zur Vorgeschichte und Auslegung einer neuen Norm Von Birgit Schneider
Duncker & Humblot · Berlin
BIRGIT SCHNEIDER
§ 284 BGB – zur Vorgeschichte und Auslegung einer neuen Norm
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 356
§ 284 BGB – zur Vorgeschichte und Auslegung einer neuen Norm Von Birgit Schneider
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-12364-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Für meinen Vater
„Keine einsichtige Gesetzgebung wird dieses Princip entbehren wollen; es gewährt in zahlreichen Fällen dem Richter die Möglichkeit, die Anforderungen des Rechtsgefühls mit den Mitteln des Rechts selbst zu befriedigen. Dieses Princip enthält auch keine Gefährdung für den Rechtsverkehr; es ist gefährlich nur in der Hand der ungeschickten und leichtfertigen Richter, aber für den Richter dieser Art werden die Gesetze nicht geschrieben.“ Bernhard Windscheid, Zwei Fragen aus der Lehre von der Verpflichtung wegen ungerechtfertigter Bereicherung, Leipzig 1878, S. 29 f.
Vorwort Bei dieser Studie handelt es sich um die leicht überarbeitete und aktualisierte Fassung einer Dissertationsschrift, die von der Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim im Herbstsemester 2006 angenommen wurde. Rechtsprechung und Literatur konnten bis September 2006 Berücksichtigung finden. Prof. Dr. Horst Hagen, Vizepräsident des Bundesgerichtshofs a. D., danke ich ganz herzlich für die überaus zügige und positive Begutachtung meiner Arbeit. Tiefen Dank schulde ich meinem Lehrer, Prof. Dr. Ulrich Falk, der diese Arbeit hervorragend betreut und mich darüber hinaus in meinem beruflichen Werdegang stets gefördert hat. Ferner gilt mein Dank dem gesamten Team des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Rhetorik und Europäische Rechtsgeschichte an der Universität Mannheim, dessen Unterstützung einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Gelingen dieser Studie geleistet hat. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle meine Kolleginnen und Freundinnen Dr. Annette Keilmann und Melanie Bohrer, die mir stets mit Rat und Tat zur Seite standen. Von Herzen danken möchte ich auch meinem Lebensgefährten Sven Bodenmüller für den privaten Rückhalt, den er mir vor allem während der besonders arbeitsintensiven Phasen dieser Studie geboten hat. Zu guter Letzt gilt mein ganz besonderer Dank meinen Eltern, Irene und Dr. Klaus Schneider, die mich zeitlebens unterstützt und diese Studie dadurch erst ermöglicht haben. Mannheim, im Oktober 2006
Birgit Schneider
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 1
Der Reformbedarf Die Rechtslage bis zur Schuldrechtsmodernisierung
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A. Die Stadthallen-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kernaussagen der Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff des Schadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Restitution und Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Differenzhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das schädigende Ereignis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterscheidung nach der Wirksamkeit des Schuldverhältnisses . b) Mangelnde Kausalität der frustrierten Aufwendungen . . . . . . . . . . III. Die Rentabilitätsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Aufwendungen als Berechnungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung der Rentabilitätsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die bereits erbrachte Leistung als Mindestschaden . . . . . . . . . . . . . b) Ausdehnung auf rentable Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nachweis des Verlustgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Begrenzung auf den kommerziellen Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Stadthallen-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Architektenwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Eigentumswohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Restriktiver Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 23 24 26 26 28 29 29 33 34 34 35 35 37 37 39 39 40 41 42
B. Erste Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Behauptung statt Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Beschränkung auf den Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fehlende Begrenzung des Aufwendungsersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44 44 47 48
C. Reaktion: Die Diskotheken-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Erneute Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abgrenzungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rentabilitätsvermutung als Deckmantel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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12
Inhaltsverzeichnis
E. Auswirkungen der geänderten Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Folgen für die Stadthallen-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nachtrag: Der politische Hintergrund der Stadthallen-Entscheidung . . . III. Ausweg für nicht kommerzielle Vertragszwecke? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 55 55 58
F. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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G. Lösungsansätze in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umgehung von § 253 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Oskarverleihungs-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Frustrationslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entgangene Nutzungen und Genüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bedeutungsverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Negatives Vertragsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertrauensschutz als Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatische Haltbarkeit dieses Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Haltung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Berücksichtigung des Schuldnerinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61 61 61 63 64 65 65 66 69 70 70 70 71 74 76 77
H. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 2
Die Reform Die Geschichte einer Norm
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A. Die Stadthallen-Entscheidung nach neuem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über die Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Das Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Frühe Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeiner Vertragskostenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Billige Entschädigung des Frustrationsschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wahl zwischen positivem und negativem Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Schuldrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Ablauf im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Geschichte des § 284 BGB im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Diskussionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die konsolidierte Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Arbeit der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83 83 84 84 85 86 86 89 89 89 90
Inhaltsverzeichnis
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d) Die Beratung im Plenum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Auseinandersetzung im Rechtsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Die Gesetzesbegründung zu § 284 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Motiv des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Angaben zur Anwendung und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleich mit der Reform als Ganzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Der „Wille des Gesetzgebers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung für die Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bindungswirkung des Gesetzgeberwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 3
Risiken und Chancen Problemanalyse und Lösungsansatz
104
A. Die Gefahr der Uferlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der offene Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Subsumierbarer Alltagsfall: „Der Fahrzeugkauf“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Szenarien einer uferlosen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Der Hausumbau“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Der rechtswidrige Streik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Der Taxifahrer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Klassische Austauschverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Notwendigkeit eines Korrektivs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die interessengerechte Entscheidung des Einzelfalls . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesamtwirtschaftliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Folgenberücksichtigung bei der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ein Blick auf die ökonomische Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . c) Lenkungsfunktion des § 284 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine ausreichende Möglichkeit der Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104 104 106 108 108 109 111 112 113 113 114 114 115 116 117 119
B. Abgrenzungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kommerzielle und andere Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Problem der Zweckbündel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Frage nach einer alternativen Zweckverfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 284 BGB als „Stadthallen-Paragraph“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einengung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis III. Ausschluss einzelner Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beschränkung auf die Vertragskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufwendungen zum Erhalt und zur Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ansicht im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsätzliche Bedeutsamkeit der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abgrenzungsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Beschränkung auf das Erfüllungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das schadensrechtliche Bereicherungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Restriktive Auslegung am Beispiel des enttäuschten Vertrauens . . . . . . . 1. Schutzwürdiges Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufwendungen vor Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Im Grundsatz kein schutzwürdiges Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Vertrauen in die Verfügbarkeit am Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verzicht auf eine Rückgabemöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bindendes Vertragsangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Darlegungs- und Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Lösung über den Begriff der Billigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Eigene Bedeutung des Billigkeitselements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Dispositionsfreiheit des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gerechte Risikoverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsunsicherheit versus Einzelfallgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektiv-objektive Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik und Gegenargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unverhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Unbestimmtheit des Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Zumutbarkeit der Ersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wertvergleich als ein Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Förderung des subjektiven Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Zivilrecht . . . . . . . . . . . 3. Blick auf die ökonomische Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Arbeitnehmerprivilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechts-, sittenwidrige und schikanöse Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verletzung der Schadensminderungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fallgruppe der Billigkeit oder § 254 II 1 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 2. Inhalt der Obliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anspruchskürzung und -ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 178 180 180 181
Teil 4
Das dogmatische Fundament Verbesserung der dogmatischen Stimmigkeit und Ablösung der Rentabilitätsvermutung
182
A. Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schadensersatz versus Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Vorteile eines Rechtsbehelfs eigener Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Argumente für eine schadensrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschnitt aus dem negativen Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Meinungsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidung für den Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 284 BGB als selbständige Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . .
182 183 183 184 186 186 188 190
B. Die Alternativitätsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Exklusivität von positivem und negativem Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schwierigkeiten der gegenteiligen Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Teilbare Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Begleit- und Folgeschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schadensersatz neben der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entscheidung des Landgerichts Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Handhabung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
192 192 192 194 195 195 196 198 200
C. Entbehrlichkeit der Rentabilitätsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Angst vor einer neuen Lücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gefahr der divergierenden Weiterentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200 200 203
Teil 5
Einzelfragen Die Tatbestandsmerkmale und ihre Anwendung
205
A. Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205
B. Schadensersatzanspruch statt der Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entbehrlichkeit eines materiellen Erfüllungsschadens . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die verschiedenen Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Grundfall: Nichtleistung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205 206 206 207
16
Inhaltsverzeichnis 2. Beschränkte Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Teilleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mangelhafte Leistung im Kauf- und Werkvertrag . . . . . . . . . . . . . . c) Bedenken und Gegenargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fixaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Leistungsverzögerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schlechtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Argumente für und gegen eine Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutzpflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besonderheiten einzelner Vertragstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schenkungs- und Reisevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leihvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
207 207 208 210 211 211 212 212 215 216 216 218 218
C. Konkurrenzverhältnis zum Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Die bereits erbrachte Leistung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 II. Die Vertragskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 D. Beschränkung auf tatsächliche Verluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entgangener Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Ersatzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gegenansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenz für die Fälle des § 307 BGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Darlehensverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigene Arbeitsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Heranziehung anderer Ersatznormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Werk- und Mietvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigentümer-Besitzer-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auftrag und Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
224 224 224 225 225 226 228 228 229 230 230 231 232
E. Schutzwürdiges Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beginn des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsabschlusskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Maklergebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Der Rücktrittsvorbehalt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfängliche objektive Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückwirkender Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ende des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufwendungen im Zusammenhang des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
232 232 233 233 234 234 236 237 238
F. Zweckverfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I. Zweckerreichung durch anderweitige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
Inhaltsverzeichnis
17
II. Zweckerreichung durch zeitweilige Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein Fall der Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berechnung der abzugsfähigen Nutzungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kausalzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
241 241 243 244
G. Die Einschränkung des letzten Halbsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterscheidung von Primär- und Sekundärzwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kosten des Vertragsschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufwendungen zur Leistungsverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kommerzielle Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erwerbswirtschaftlich tätige Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Privatpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Beispiel in der Entwurfsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beweisschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nichtkommerzielle Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
245 245 247 247 248 249 249 250 250 251 252
H. Abwicklung des Aufwendungsersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herausgabe der erlangten Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schwierigkeiten bei einer Anspruchskürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
253 253 254
I. § 284 BGB und allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
256
Schlussbetrachtung
258
A. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Lückenschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dogmatische Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gefahren und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Weitere Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258 258 259 260 261 263 264
B. Kritik am Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
264
C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
265
Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Personen- und Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
Einleitung Vor nunmehr bald fünf Jahren trat das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts in Kraft. Es gewährt dem Gläubiger eines Schuldverhältnisses, das vom Schuldner nicht ordnungsgemäß erfüllt wird, unter gewissen Umständen einen Ersatz seiner frustrierten Aufwendungen. Die Anspruchsgrundlage hierfür findet sich in § 284 BGB, einer Norm, die gerne als „Neuschöpfung“1 der Schuldrechtsreformer bezeichnet wird. Der Gesetzgeber entschied sich für folgende, knapp gehaltene Formulierung: § 284. Ersatz vergeblicher Aufwendungen. Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden.
In der Tat hat § 284 BGB kein direktes Vorbild im früheren Schuldrecht. Das Bürgerliche Gesetzbuch stellte für den Ersatz frustrierter – oder auch vergeblicher, entwerteter2 – Aufwendungen bis zum Jahr 2002 keine Anspruchsgrundlage bereit. Unbekannt waren die Sachfragen, die durch § 284 BGB einer Lösung zugeführt werden sollten, jedoch keinesfalls. Die Rechtsprechung behalf sich im gewerblichen Bereich bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts mit einer Beweislastumkehr, der sogenannten Rentabilitätsvermutung. Man unterstellte eine kostendeckende Kalkulation des Gläubigers und ersetzte den Schaden, der in der entgangenen Chance auf Amortisierung der getätigten Investitionen lag. Der Wert dieses Nichterfüllungsschadens bestimmte sich nach der Höhe der frustrierten Aufwendungen. Da es sich bei dieser Rechtsprechung um eine über § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO hinausgehende Beweiserleichterung für die Geltendmachung eines entgangenen Gewinns handelte, wurde sie für den Gläubiger nicht nutzbar gemacht, wenn sein Ziel ein immaterielles war. Auf diese Weise kam es zu einer Schlechterstellung desjenigen, der mit seiner Investition weder unmittelbar noch mittelbar einen Gewinn anstrebte. 1 Vgl. Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 2; ähnlich u. a. auch AnwKom/DaunerLieb, § 284 Rdnr. 1: „im bisher geltenden Recht kein Vorbild“; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 1: „Neuerung“. 2 Vgl. zu den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Begriffe Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 45; Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 6.
20
Einleitung
Mit der Entwicklung und Veränderung, welche die Rentabilitätsvermutung besonders Anfang der 90-er Jahre durchlief, setzt sich die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 284 BGB kaum auseinander. Einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1986, der Stadthallen-Entscheidung3, schenkte der Gesetzgeber dagegen besondere Aufmerksamkeit. Die Grenze dessen, was die Rentabilitätsvermutung zu leisten vermochte, sowie die Diskriminierung ideeller Vertragszwecke wurden in diesem Urteil besonders greifbar. Ein solches Ergebnis sollte sich nicht wiederholen. Eine politische Organisation hatte damals für eine Vortragsveranstaltung von der Betreibergesellschaft einer Gemeinde eine Stadthalle gemietet. Ein materieller Gewinn war mit der Veranstaltung nicht beabsichtigt, weshalb auch kein Eintritt verlangt wurde. Es ging der Veranstalterin primär darum, sich selbst und ihre Ziele bekannt zu machen. Aufgrund eines schuldhaften Vertragsbruchs der Vermieterin musste die Veranstaltung schließlich abgesagt werden. Der von der Mieterin daraufhin geltend gemachte Schadensersatz in Höhe von mehr als 30.000 DM bestand im Wesentlichen aus einer Entschädigung für die Kosten einer groß angelegten und wegen des Ausfalls der Veranstaltung nutzlos gewordenen Werbekampagne. Die Mieterin verlor den Prozess. Dem Grunde nach schien ihr Anliegen zwar berechtigt; ihre Schadensposten galten jedoch größtenteils als nicht ersatzfähig. Warum die Rechtsprechung bei der Entschädigung für frustrierte Aufwendungen so zurückhaltend verfuhr, wird im ersten Teil dieser Arbeit untersucht. Dazu bedarf es eines Überblicks über das System des allgemeinen Schadensrechts, über die Unterscheidung von materiellen und immateriellen Schäden, von positivem und negativem Interesse und einer näheren Betrachtung der Rentabilitätsvermutung. Des Weiteren sind die abweichenden Lösungsansätze der Literatur auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen, die sich ganz überwiegend für einen Ersatzanspruch aussprachen – wenn auch auf unterschiedlichem Wege. Erwähnt sei an dieser Stelle die Frustrationslehre, die auch in der Verfehlung eines ideellen Zwecks grundsätzlich einen zu ersetzenden Schaden erkennen wollte. Daneben gewann die Auffassung an Zuspruch, man könne die Aufwendungen selbst als kausalen Schaden ansehen, indem man auf den Vertrauensbruch als Haftungstatbestand abstellte. Diese Überlegungen zur Rechtslage vor 2002 sind durch die Normierung von § 284 BGB keinesfalls entbehrlich geworden. Sie geben wichtige Anhaltspunkte für eine sachgerechte Auslegung und helfen, die neue Norm in 3 BGH vom 10.12.1986 – VIII ZR 349/85 –, BGHZ 99, 182 ff. = NJW 1987, 831 ff. = JZ 1987, 512 ff.
Einleitung
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das vorhandene System dogmatisch schlüssig einzuordnen. Außerdem lässt sich nur so klären, ob überhaupt Bedarf für die gesetzgeberische Initiative bestand. Hiernach entscheidet sich, ob § 284 BGB einen breiten Anwendungsbereich einnehmen kann oder ein Nischendasein führen soll. Schließlich ist die Bewertung der bisherigen Rechtslage für die Frage von Bedeutung, ob die Rentabilitätsvermutung parallel zu § 284 BGB fortgelten soll. Kern dieser Arbeit ist die Entwicklung eines Konzepts zur Auslegung des sehr abstrakt gehaltenen und damit in seinem Anwendungsbereich bedenklich weitgehenden neuen Gläubigerrechts. Die Materialien zur Schuldrechtsmodernisierung im Allgemeinen und zu § 284 BGB im Besonderen, denen sich der zweiten Teil dieser Arbeit widmet, scheinen auf den ersten Blick wenig hilfreich, aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit sogar kontraproduktiv. Vielleicht kann dieser Eindruck eines übereilten Gesetzgebungsverfahrens aber auch dazu beitragen, sich von dem „Willen des Gesetzgebers“ zu emanzipieren und auf diese Weise den Weg freimachen für eine Rückbesinnung auf das wesentliche Ziel der Auslegung vertrags- und schadensrechtlicher Vorschriften: die Schaffung einer interessengerechten Risikoverteilung zwischen den Parteien. Gerät dieses Ziel aus dem Blick, könnte § 284 BGB zu einem gefährlichen Instrument eines geschickt agierenden Gläubigers werden. Der weite Tatbestand würde ihm eine Art „Rundumversicherung“ verschaffen, was den Schuldner im Einzelfall in eine Haftungsfalle unzumutbaren Ausmaßes treiben könnte. Sicherlich würden falsche Signale für das Investitionsverhalten des Gläubigers ausgesendet. Diese Risiken wurden im Gesetzgebungsverfahren zumindest nicht offen diskutiert; in der Literatur kommen sie ebenfalls zu kurz. Dort befasst man sich zumeist mit Auslegungsproblemen zu abgegrenzten Bereichen des Tatbestands und der dogmatischen Einordnung von § 284 BGB. Dies alles soll hier nicht außer Betracht bleiben (siehe hierzu Teil 4 und 5), muss sich jedoch einer problemorientierten Herangehensweise unterordnen. Deshalb wird im zentralen dritten Teil der Arbeit das Gefahrenpotenzial von § 284 BGB dargestellt. Begrenzungsversuche aus der Literatur werden auf ihre Tauglichkeit untersucht, um im Anschluss ein eigenes Konzept zu entwickeln. Mit diesem soll es gelingen, dem Ersatzbegehren so weit wie möglich entgegenzukommen. Gleichzeitig sollen aber auch die Schuldnerinteressen gebührend Berücksichtigung finden, damit § 284 BGB einen Beitrag dazu leisten kann, das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner ausgewogener zu gestalten. Vielleicht bewahrheitet sich im Bereich der frustrierten Aufwendungen dann doch, was Claus-Wilhelm Canaris vor dem Rechtsausschuss des deut-
22
Einleitung
schen Bundestags dem neuen Leistungsstörungsrecht optimistisch bescheinigte: „Nirgendwo werden grundstürzende Neuerungen eingeführt. Vielmehr werden nur Mängel beseitigt, die seit Jahrzehnten, ja zum Teil fast schon seit Beginn des Jahrhunderts, bekannt sind. Zwar gibt es Neuerungen, doch sind diese ausnahmslos aus vertrauten Bausteinen zusammengesetzt [. . .].“4
4
Stellungnahme im Rechtsausschuss, Protokoll zur 92. Sitzung, Teil 1, S. 10.
Teil 1
Der Reformbedarf Die Rechtslage bis zur Schuldrechtsmodernisierung A. Die Stadthallen-Entscheidung I. Kernaussagen der Entscheidungsgründe Die als Vermieterin der Stadthalle auftretende Gemeinde hatte ihre Leistung mangels Rücktrittsrechts zu Unrecht verweigert. Der Bundesgerichtshof bejahte deshalb einen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach aus § 325 BGB a. F. beziehungsweise positiver Forderungsverletzung.1 Was den Anspruchsinhalt anging, hielt der VIII. Senat die Kosten für nutzlos gewordene Werbung sowie andere vergebliche Aufwendungen jedoch im Einklang mit der Vorinstanz, dem Oberlandesgericht Düsseldorf, für nicht erstattungsfähig.2 Größter, von der Mieterin geltend gemachter Posten war ein Betrag von 28.869,21 DM für in der Zwischenzeit nutzlos gewordene Veranstaltungswerbung. Dazu kamen 1.740 DM für Honorare und Vergütungen und weitere 703,72 DM Übernachtungs-, Verzehr- und Fahrtkosten für den bereits verpflichteten Gastredner. Dem stand ein vereinbarter Mietzins in Höhe von 615,28 DM gegenüber. Die Begründung des Senats setzt bei der Bestimmung des Vermögensschadens an. Ein solcher sei im vorliegenden Fall nach der Differenzhypothese nicht festzustellen. Aufwendungen, die der Gläubiger im Hinblick auf einen abgeschlossenen Vertrag tätige und die sich durch dessen Nichterfüllung als nutzlos erwiesen, wären auch bei vertragsgetreuem Verhalten des Schuldners angefallen, so dass es grundsätzlich an der erforderlichen Kausalität zwischen haftungsbegründendem Verhalten und Schaden fehle.3 Der Geschädigte dürfe aber vermögensmäßig nicht besser gestellt werden als bei ordnungsgemäßer Vertragsabwicklung. Der Senat verweist im Folgenden auf seine ständige Rechtsprechung zur sogenannten Rentabilitätsvermutung und der hiernach gegebenen Möglich1
Vgl. dazu BGH, NJW 1987, 831–833. Vgl. zur Zusammenfassung der Begründung der Vorinstanz und zur Zustimmung durch den BGH NJW 1987, 831, 834. 3 BGH, NJW 1987, 831, 834. 2
24
Teil 1: Der Reformbedarf
keit, solche frustrierten Aufwendungen im Rahmen der Berechnung des Erfüllungsschadens zu berücksichtigen. Es könne im Grunde widerleglich vermutet werden, dass der Gläubiger seine Aufwendungen durch Vorteile aus der vereinbarten Gegenleistung wieder erwirtschaftet hätte. Im Verlust dieser Kompensationsmöglichkeit liege ein zu ersetzender Nichterfüllungsschaden.4 Im vorliegenden Fall könne sich die Klägerin jedoch nicht auf die Rentabilitätsvermutung berufen, weil sie mit der Vortragsveranstaltung lediglich ideelle Zwecke verfolgte und deshalb die aufgewendeten Kosten auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung nicht wieder erwirtschaftet worden wären. Die Vereitelung des ideellen Vertragszwecks (Bekanntmachung der Veranstaltungsbesucher mit dem Anliegen der Klägerin) sei ein rein immaterieller Schaden, dessen Ersatz § 253 BGB5 entgegenstünde.6 Zu ersetzen sei nur der bereits durch die Vorinstanz zugesprochene Gewinn aus Druckschriftenverkauf und Spenden, der infolge des Ausfalls der Veranstaltung entgangen sei und von der Vorinstanz auf knapp 1.500 DM geschätzt worden war.7 Während des Gesetzgebungsverfahrens zu § 284 BGB wird sich dieses Ergebnis, die weit überwiegende Klageabweisung, als Stein des Anstoßes und Triebfeder für die neue Norm darstellen.
II. Die Prämissen Das allgemeine Schadensrecht befindet sich seit langem in „beträchtlicher Unruhe“.8 In den 70-er Jahren sprach man auch von einer „Krise“9, von einem „desolaten“10 und „verworren[en]“11 Zustand. Im Gesetz findet 4
BGH, NJW 1987, 831, 834. Der BGH bezog sich auf § 253 BGB a. F. Dasselbe würde sich jedoch auch aus § 253 I BGB n. F. ergeben. Das zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften v. 19.07.2002 (BGBl. I 02, 2674 ff.) hat an dem Verbot des Geldersatzes für immaterielle Schäden im Grundsatz nichts geändert. Die Grundregel findet sich nunmehr in § 253 I BGB. Lediglich das Schmerzensgeld hat in Abs. 2 eine allgemeine Ausdehnung erfahren, setzt aber weiterhin eine bestimmte Rechtsgutsverletzung voraus; vgl. u. a. Palandt-Heinrichs, § 253 Rdnr. 2, 5, 12 ff. Im Folgenden wird deshalb jeweils auf die neue Fassung in § 253 I BGB Bezug genommen. 6 BGH, NJW 1987, 831, 834. 7 BGH, NJW 1987, 831, 835. 8 Staudinger-Medicus1983, Vorb. zu §§ 249–254 Rdnr. 31. 9 Stoll, Begriff und Grenzen, S. 5. 10 Lieb, JZ 1971, 358. 11 Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 14; vgl. auch Stoll, Begriff und Grenzen, S. 5. Im Hinblick auf die Auswirkungen des Kommerzialisierungsgedankens Hagen, JZ 1983, 833 „heillose Verwirrung“. 5
A. Die Stadthallen-Entscheidung
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sich keine subsumtionsfähige Definition des Schadens und seines Ersatzes.12 Allgemein geläufige Umschreibungen geraten in Einzelfällen schnell an ihre Grenzen. Das Bedürfnis, konkrete Sachverhalte einer sachgerechten Lösung zuzuführen, animierte Literatur und Rechtsprechung immer wieder zu neuen Ansätzen.13 Auch diese konnten die Diskussion um den Begriff des Schadens und seine Bestimmung jedoch nicht beenden. Ein Grund hierfür liegt sicherlich in dem in § 253 I BGB manifestierten Verbot einer geldwerten Kompensation immaterieller Schäden und dem ständigen Bemühen, dieses zu umgehen.14 Die Beschränkung in § 253 I BGB ist zugleich eine der Prämissen des Bundesgerichtshofs in der Stadthallen-Entscheidung. Dabei mutet der Hinweis auf einen immateriellen Schaden schon auf den ersten Blick seltsam an. Immerhin hat die Klägerin Investitionen getätigt, die sich ganz offensichtlich in einem Vermögensverlust niedergeschlagen haben.15 Die Veranstaltungswerbung und die weiteren Schadensposten verursachten unstreitig materielle Kosten in Höhe von über 30.000 DM. Die Einordnung als ideelle Einbuße ergibt sich erst durch den Weg der Schadensermittlung. Die gewählte Differenzhypothese versperrt den Blick auf die frustrierten Aufwendungen. Die Diskussion um den Schadensbegriff und seine Bestimmung kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erneut aufgerollt werden. Einige Bemerkungen sind jedoch unumgänglich, setzt die Senatsbegründung in der StadthallenEntscheidung doch genau an diesen schadensrechtlichen Grundsätzen an. Die Prämissen des Bundesgerichtshofs sollen und dürfen nicht ungeprüft übernommen werden. Die folgenden Ausführungen müssen sich jedoch auf eine Skizzierung der wohl als herrschend zu bezeichnenden Meinung beschränken. Dargestellt werden nur die Fragen des Schadensbegriffs und seiner Bestimmung, die für die weitere Lösung des Problems der frustrierten Aufwendungen unbedingt erforderlich sind. Dies muss zwangsläufig mit einer gewissen Vereinfachung einhergehen, die jedoch nicht verhehlen soll, dass im allgemeinen Schadensrecht nur weniges als unumstößlich gilt. Staudinger-Schiemann2005, Vorbem zu §§ 249 ff. Rdnr. 35. Vgl. vor allem im Hinblick auf die frustrierten Aufwendungen zahlreiche Monografien aus den 70-er Jahren wie: Braschos, Ersatz immaterieller Schäden; Keuk, Vermögensschaden und Interesse; Küppers, Verdorbene Genüsse; Rengier, Die Abgrenzung des positiven Interesses; Stoll, Begriff und Grenzen; Ströfer, Schadensersatz und Kommerzialisierung; Tolk, Frustrierungsgedanke und Kommerzialisierung. 14 Hohloch, Gutachten und Vorschläge, S. 391; u. a. am Beispiel der Rechtsprechung zur Nutzungsausfallentschädigung Hagen, in: Festschrift für Hauß, S. 91 ff. 15 So auch Stoll, in seiner Anmerkung zur Stadthallen-Entscheidung, JZ 1987, 517, 518; E. Schmidt, in: Festschrift für Gernhuber, S. 426/427 unter Berufung auf die Befragung von ca. 50 „Laienstimmen“. 12 13
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1. Der Begriff des Schadens Die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs definierten den Begriff des Schadens ganz bewusst nicht. Sie sahen völlig zutreffend voraus, dass sie mit einer Begriffsbestimmung kaum alle Bereiche des Schadensrechts befriedigend abdecken könnten. Rechtsprechung und Wissenschaft sollten ungestört durch gesetzliche Vorgaben eine Lösung der weitreichenden Schadensproblematik entwickeln können.16 Als Formel zur Bestimmung des Schadens findet man in den Materialien lediglich den Grundsatz des gemeinen Rechts, wonach der Umfang des verursachten Schadens den Umfang des zu leistenden Schadensersatzes bestimme.17 Gewöhnlich versteht man unter einem Schaden im natürlichen Sinn jede Einbuße, die jemand an seinen Lebensgütern, seiner Persönlichkeit oder seinem Vermögen erleidet18 – kurz gefasst: jede Beeinträchtigung eines Interesses.19 Mit dieser Umschreibung ist wenig gewonnen; sie erfasst materielle, mithin in Geld bewertbare Einbußen und solche rein immaterieller Natur gleichermaßen.20 2. Restitution und Kompensation Die Abgrenzung von Vermögens- und Nichtvermögensschaden – nicht gleichzusetzen mit der Unterscheidung zwischen einem materiellen und einem immateriellen Gut21 – ist von entscheidender Bedeutung für die Frage, ob der Geschädigte eine Kompensation verlangen kann. Neben dem Grundsatz der Totalreparation ist das deutsche Schadensrecht geprägt durch das Prinzip der Naturalrestitution – angedeutet in der Grundnorm des § 249 I BGB. Ein Schaden wird ausgeglichen, indem derjenige 16
Motive Bd. II, S. 18; Mugdan, Materialien Bd. II, S. 10. Vgl. Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid, S. 64–66, 215–222 zum Hintergrund in wissenschaftsgeschichtlicher Hinsicht am Beispiel eines Mitbegründers des BGB. 17 Motive Bd. II, S. 18; Mugdan, Materialien Bd. II, S. 10; vgl. auch Ströfer, Schadensersatz und Kommerzialisierung S. 47. 18 Larenz, SchuldR AT Bd. 1, § 27 II a, S. 426; Esser/E. Schmidt, Schuldrecht Bd. I AT Teilbd. 2, § 31 I, S. 168; MüKo-Grunsky3, Vor § 249 Rdnr. 6. Siehe für weitere ähnliche Definitionen des natürlichen Schadensbegriffs Staudinger-Medicus1983, Vorb. zu §§ 249–254 Rdnr. 33. Vgl. zu abweichenden Versuchen, den Schadensbegriff zu bestimmen die Zusammenstellung bei Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 1 II, S. 29–38. 19 MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 16; genauso die Vorauflage MüKo-Grunsky3, Vor § 249 Rdnr. 6. 20 MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 16; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 2 I 1, S. 50. 21 MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 27.
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Zustand hergestellt wird, der ohne die Schadenshandlung bestünde. Dies zielt in erster Linie auf handfeste äußerlich sichtbare Beeinträchtigungen ab, bei denen eine Wiederherstellung im Sinne einer Reparatur in Betracht kommt.22 Nur wenn eine solche ausscheidet, soll kompensiert werden, indem ein Wertausgleich in Geld erfolgt, § 251 BGB.23 Letzteres beschränkt sich jedoch auf Vermögensschäden. Ist bei einem immateriellen Schaden eine Wiederherstellung ausgeschlossen, wird dem Gläubiger nach § 253 I BGB jeglicher Ersatz versagt.24 Für die Kompensation ist nämlich maßgeblich, ob auch eine wirtschaftliche Vermögenseinbuße, das heißt die mit der Beeinträchtigung eines Vermögensguts verbundene oder im Gesamtvermögen eingetretene, in Geld ausgedrückte Wertminderung des Vermögens25, feststellbar ist. Anderenfalls fehlen geeignete Bemessungsfaktoren, um den Schaden abstrakt bewerten zu können.26 Diese Unterscheidung zwischen materiellen und immateriellen Schäden soll nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch in der Stadthallen-Entscheidung den Ausschlag für die Abweisung der Klage gegeben haben. Der Senat sieht trotz der als Vermögensminderung unzweifelhaften Ausgaben für die Veranstaltungswerbung den Schaden der Mieterin nur als einen solchen von ideeller Natur an. „Nur eine Vermögensminderung, die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist [. . .], ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen.“27 Ein solcher Zusammenhang konnte nur für die verpasste Möglichkeit, für die eigene Organisation und ihr Programm werben zu können, bejaht werden, mithin für einen ideellen Schaden.28 Die Schwierigkeit, einen Kausalzusammenhang zwischen Verletzung der Pflicht aus dem Mietverhältnis und den Aufwendungen der Mieterin festzustellen, hängt mit der allgemein üblichen und auch von der Rechtsprechung angewandten Methode zur Berechnung des zu kompensierenden Vermögensschadens zusammen. Dies führt den Leser der Stadthallen-Entscheidung unmittelbar zur zweiten Prämisse des Bundesgerichtshofs, der Differenzhypothese. 22 Solche Schäden hatten die Begründer des BGB im Sinn, vgl. Esser/E. Schmidt, Schuldrecht Bd. I AT Teilbd. 2, § 31 I, S. 169; Schiemann, Argumente und Prinzipien, S. 165. 23 Stoll, Begriff und Grenzen, S. 7. 24 Stoll, Begriff und Grenzen, S. 8; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, SchuldR AT, Kap. 6 III, S. 130 Rdnr. 261; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 2 I 1, S. 50 und § 5 I 3, S. 214; Staudinger-Schiemann2005, Vorbem zu §§ 249 ff. Rdnr. 46. 25 Larenz, SchuldR AT Bd. 1, § 27 II b, S. 429; MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 28 und § 251 Rdnr. 14. 26 Esser/E. Schmidt, Schuldrecht Bd. I AT Teilbd. 2, § 30 II, S. 163. 27 BGH, NJW 1987, 831, 834. 28 BGH, NJW 1987, 831, 834.
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3. Die Differenzhypothese Die Differenzhypothese geht auf Friedrich Mommsen zurück. Im Jahr 1855 beschrieb er das Interesse „als Differenz zwischen dem Betrag des gegenwärtigen Vermögens einer Person, wie dasselbe nach einem beschädigenden Ereignis sich darstellt und dem Betrage, auf welchen dieses Vermögen ohne die Dazwischenkunft dieses Ereignisses sich belaufen würde“.29
Von diesem Grundsatz gingen auch die Begründer des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus, ohne dass die Differenzhypothese ausdrücklich Eingang in den Gesetzestext fand. In § 249 BGB wird immerhin angedeutet, dass die Norm zur Bestimmung des Schadens einen Vergleich zweier Zustände nahe legt.30 Die Differenzhypothese Mommsens sieht sich zahlreicher Kritik ausgesetzt, weil sie oftmals verkürzt mit einer Definition des Vermögensschadensbegriffs gleichgesetzt wird.31 Der Vergleich der Vermögenslagen soll dann bestimmen, ob überhaupt ein Schaden eingetreten ist. Der Schaden selbst als Beeinträchtigung eines Interesses geht jedoch nicht zwangsläufig mit einer Differenz im Gesamtvermögen einher.32 Mommsen darf man diese Definition des Vermögensschadens als Gesamtgütervergleich vermutlich nicht zuschreiben. Es spricht viel dafür, dass er durchaus zwischen dem Schaden als Summe der Nachteile und Einbußen, die auf dem Schadensereignis basieren und der Bewertung dieses Interesses in Geld unterschied. Erst später wurden diese beiden Stufen zusammengefasst und das Ergebnis des rechnerischen Vergleichs als „der Vermögensschaden“ angesehen.33 Im erstgenannten Sinne soll die Differenzhypothese auch dieser Arbeit zugrunde gelegt werden.34 § 249 BGB, die Grundnorm des Schadensrechts, sieht als Rechtsfolge die Wiederherstellung vor und nicht die Zahlung eines Geldbetrags, wie es bei einer rechnerischen Saldierung das Ergebnis wäre.35 Die summenmäßige Differenz kann deshalb nur für die Kompensation nach § 251 BGB von Bedeutung sein. 29
Mommsen, Beiträge zum Obligationsrecht II: Zur Lehre von dem Interesse,
S. 3. 30
MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 18 f. Vgl. aus neuerer Zeit mit weiteren Nachweisen: Knütel, AcP 202, 555, 571 ff. 32 Lange/Schiemann, Schadensersatz § 1 III 4, S. 43; Stoll, Begriff und Grenzen, S. 17; Schlechtriem, SchuldR AT, Kap. 6 III, S. 97 Rdnr. 189 und Fn. 10. 33 Stoll, Begriff und Grenzen S. 16; Staudinger-Medicus1983, § 249 Rdnr. 6. 34 Lange/Schiemann, Schadensersatz § 1 III 4, S. 43; Stoll, Begriff und Grenzen, S. 17; Schlechtriem, SchuldR AT, Kap. 6 III, S. 97 Rdnr. 189 und Fn. 10. 35 Staudinger-Medicus1983, § 249 Rdnr. 6; ähnlich Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 19. 31
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Auch wenn die Differenzhypothese nicht alle Fälle zufriedenstellend lösen kann,36 ist an ihr aus guten Gründen festzuhalten.37 Sie erweist sich zumindest in einer Vielzahl von Fällen als verlässliches Kriterium,38 vermeidet eine isolierte Bewertung der einzelnen Folgeschäden und verringert das Risiko der Doppelberücksichtigung.39 Es entsteht nur ein einziger Schadensersatzanspruch, der auch den entgangenen Gewinn beinhaltet.40 Stößt der Vermögensvergleich dennoch einmal an seine Grenzen, verbleibt die Möglichkeit einer wertenden Korrektur.41 Damit ist die Differenzhypothese einer rein normativen Bestimmung des Schadensersatzes vorzuziehen, welche das große Risiko in sich birgt, die zumindest einigermaßen klaren Kriterien weiter aufzulösen – bis hin zu einer maximalen Flexibilisierung.42 4. Das schädigende Ereignis a) Unterscheidung nach der Wirksamkeit des Schuldverhältnisses Weder § 249 BGB noch der Differenzhypothese ist zu entnehmen, auf welchen Umstand für den Vergleich der Vermögenslagen abzustellen ist. § 249 I BGB sieht lediglich vor, dass der Zustand wiederherzustellen ist, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Worin aber die Schädigung liegt, muss im Hinblick auf den konkreten Fall beurteilt werden.43 An dieser Stelle werden die ersten Weichen für die Beantwortung der Frage ge36 Beispielsweise würde sich ein gleichzeitiger Vorteil des Geschädigten immer auf die Vermögensdifferenz auswirken, unabhängig davon, ob eine Anspruchskürzung interessengerecht ist. Vgl. allgemein zur Kritik an der Differenzhypothese: MüKo-Grunsky3, Vor § 249 Rdnr. 7; Oetker erkennt in der Folgeauflage einzelne Kritikpunkte an, sieht anders als Grunsky aber keinen Grund, die Differenzhypothese vollständig aufzugeben, vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 21/22. 37 BGH, NJW 1987, 831, 834; Entscheidung des großen Senats zur Nutzungsausfallentschädigung v. 09.07.1986, NJW 1987, 50, 52; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 1 III 4, S. 43; Stoll, Begriff und Grenzen, S. 35; Hohloch, Gutachten und Vorschläge, S. 418; Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 12/13. 38 MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 22. 39 Stoll, Begriff und Grenzen, S. 17. 40 Schlechtriem/Schmidt-Kessel, SchuldR AT Kap. 6 II, S. 129 Rdnr. 257 ff. 41 Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 62; Soergel-Mertens, Vor § 249 Rdnr. 45. Diese Sichtweise entspricht auch der des BGH in der Stadthallen-Entscheidung, NJW 1987, 831, 834; so auch BGH GS, NJW 1987, 50, 51. Vgl. auch Hagen, in: Festschrift für Hauß, S. 83 ff. für zahlreiche Beispiele, in denen der BGH von einer strengen Anwendung der Differenzhypothese aus Wertungsgründen abgewichen ist. 42 Larenz, SchuldR AT Bd. 1, § 27 II a, S. 426/427; Schiemann, in: Festschrift für Hagen, S. 38; derselbe, in Argumente und Prinzipien, S. 175. 43 Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 1 I, S. 28.
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stellt, ob die Organisation im Stadthallen-Fall ihre Werbekosten kompensieren kann oder nicht. Der Bundesgerichtshof sieht das schädigende Ereignis in der Weigerung, die Stadthalle zur Verfügung zu stellen: „Handelt es sich wie im vorliegenden Fall um die Nichterfüllung eines Vertrages, so liegt der Schaden in der Differenz zwischen der vorhandenen Vermögenslage und derjenigen, die bei ordnungsgemäßer Erfüllung eingetreten wäre.“44
Mit dieser Aussage befindet sich der Senat im Einklang mit der überwiegenden Meinung in der Literatur, die bei Verletzung einer gültigen Verbindlichkeit das Erfüllungs- oder positive Interesse ausgleichen will.45 Das Erfüllungsinteresse wurde bisher im Rahmen des Anspruchs auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung ersetzt, welcher sich im Wesentlichen auf §§ 325, 326, 440, 463, 635 BGB a. F. stützte. Seit der Modernisierung des Schuldrechts kennt das Gesetz den Begriff des Schadensersatzes statt der Leistung. Dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers und der wohl überwiegenden Meinung in der Literatur mit dem bisherigen Schadensersatz wegen Nichterfüllung gleichbedeutend sein und nur eine begriffliche Änderung darstellen.46 Die terminologische Neuerung soll den Sinngehalt des Anspruchs besser treffen, weil der Schadensersatz nicht die Erfüllung, sondern die Leistung ersetze. Der Begriff des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung knüpfe an den Grund des Ersatzanspruchs an, der Begriff des Schadensersatzes statt der Leistung dagegen an dessen Funktion, nämlich den Ersatz der Primärleistung.47 Außerdem erforderte der gleichzeitige Austausch des Begriffs der Nichterfüllung durch den der Pflichtverletzung eine Anpassung der übrigen Terminologie.48 Die Nichterfüllung als zentraler Begriff stellte nach Auffassung der Schuldrechts44
BGH, NJW 1987, 831, 834. Vgl. z. B. Lange/Schiemann, Schadensersatz § 2 IV 1, S. 63; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 39 II 1, S. 268; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 109 am Beispiel des Käufers; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, SchuldR AT, Kap. 6 VII, S. 144 Rdnr. 282 ff.; Schack, JZ 1986, 305, 307, so auch schon Staub in seinem HGB-Kommentar im Anh. zu § 374 HGB Anm. 25 und 58 und auch das RG z. B. in seiner Entscheidungen vom 13.03.1902, RGZ 50, 255, 263 und v. 19.02.1930, RGZ 127, 245, 248. 46 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 280, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 133 ff.; Schellhammer, Schuldrecht, S. 572 Rdnr. 1274; Emmerich, Leistungsstörungen, § 13 I, S. 195 f.; Otto, Jura 2002, 1, 8; Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D II 1 b, S. 87 Rdnr. 34; Canaris, ZRP 2001, 329, 332; Gsell, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2001, S. 106. 47 Begründung des Gesetzesentwurfs zu §§ 280 ff., Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 136/137. 48 Medicus, in: Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, 3. Kap. B III 3, S. 94 Rdnr. 56. 45
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modernisierer zu sehr auf den Erfolg, nämlich das Ausbleiben der Erfüllung ab, so dass sich Schlechterfüllung und Verletzung von Schutzpflichten schwer darunter fassen ließen.49 Der neue Begriff der Pflichtverletzung soll dagegen für alle Arten von Pflichten gleichermaßen gelten. Die Umbenennung blieb nicht kritiklos, impliziert sie doch zugleich eine gewisse Vorwerfbarkeit, obwohl Pflichtverletzung und Verschulden voneinander zu trennen sind.50 Des Weiteren setzt sich mittlerweile die Einsicht durch, dass mit dem sprachlichen Wechsel durchaus auch eine inhaltliche Veränderung einhergeht. Der Gesetzgeber sah in § 281 und § 280 I BGB insbesondere auch die Unterscheidung zwischen Mangelschaden und Mangelfolgeschaden aus dem bisherigen Kaufrecht verwirklicht.51 Dies ist nicht ausnahmslos richtig. Die Unterscheidung nach Äquivalenz- und Integritätsinteresse, wie bisher bei § 463 BGB a. F. und der Haftung aus positiver Vertragsverletzung, ist mit den neuen Vorschriften nicht deckungsgleich.52 Entscheidend sollte vielmehr sein, ob eine Fristsetzung zur Nacherfüllung erfolgsversprechend ist. Die Erfüllung muss den Schaden noch revidieren können.53 Als wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen Schadensersatz statt und einem solchen neben der Leistung scheint sich demnach der Sinn und Zweck einer Nacherfüllung durchzusetzen.54 Für die hier zu behandelnden Fragen kann der Schadensersatz statt der Leistung immerhin aber insoweit mit dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung gleichgesetzt werden, als der Gläubiger keine Erfüllung seines Anspruchs mehr verlangt, insbesondere die geschuldete Leistung ablehnt und stattdessen eine Kompensation seiner auf der Pflichtverletzung beruhenden Schäden in Geld begehrt.55 49
Vgl. hierzu schon U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 1 I, S. 2–7. Medicus, in: Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, 3. Kap. A II 1, S. 84 Rdnr. 3 f.; Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/ Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 C I 1 c, S. 74 Rdnr. 14, insb. auch Fn. 47. 51 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 437, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 225. Kritisch dazu, dass dieses Gegensatzpaar auch schon nach altem Recht missverständlich angewandt wurde und noch nie trennscharfe Kategorien der Mangelund Mangelfolgeschäden existierten MüKo-Ernst, § 280 Rdnr. 65. 52 Vgl. u. a. Palandt-Heinrichs, § 280 Rdnr. 18; MüKo-Busche, § 634 Rdnr. 38; Schellhammer, MDR 2002, 301, 304. 53 Vgl. hierzu im Einzelnen Ady, ZGS 2003, 13, 14; P. Huber, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 13 E I 2 a, S. 349 ff. Rdnr. 99 ff.; Grigoleit/ Riehm AcP 203, 727, 735. A. A. MüKo-Westermann, § 437 Rdnr. 33. Er hält die Unterscheidung nach Mangel- und Mangelfolgeschaden für maßgeblich, räumt andererseits aber auch ein, dass „manches streitig“ sei und die Einordnung in diese Schadensgruppen evtl. neu überdacht werden müsse (Rdnr. 34). Fragt man nicht nach dem Sinn einer Nachfristsetzung, muss man außerdem als Korrektur § 281 II BGB extensiv anwenden, MüKo-Busche, § 634 Rdnr. 38. 54 Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D II, S. 86 ff. Rdnr. 34 ff; MüKo-Ernst, § 280 Rdnr. 65; MüKo-Busche, § 634 Rdnr. 37; S. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005, S. 41 ff. 55 Emmerich, Leistungsstörungen, § 13 I, II, S. 196 f. 50
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Liegt die Pflichtverletzung dagegen darin, dass die Verbindlichkeit erst gar nicht zustande gekommen ist, soll der Geschädigte so gestellt werden, als habe er auf das Zustandekommen des Geschäfts nie vertraut.56 Zu ersetzen ist das negative Interesse. Dies sind die Verluste, die dem Geschädigten entstanden sind, weil er auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts vertraut hat.57 Hierzu gehören als typische Bestandteile die Ausgaben, die im Hinblick auf das Geschäft getätigt wurden und die sich dann als nutzlos herausstellten – die frustrierten Aufwendungen.58 Diese strikte Trennung nach der Wirksamkeit des Vertrags wird zu den „überkommenen Grundsätzen der Schadensberechnung“ gezählt.59 Sie ist jedoch weder im Gesetz in §§ 249 ff. BGB noch in der Differenzhypothese als Mittel zur Bestimmung des Schadensersatzes zwingend angelegt. Auch im wirksamen Schuldverhältnis ist eine Vertrauensverletzung denkbar. Freilich fand sich im Bürgerlichen Gesetzbuch bisher fast ausschließlich dann eine Norm für den Ersatz des negativen Interesses, wenn das Schuldverhältnis zwischen den Parteien gerade nicht wirksam zustande gekommen war. Gesetzlich geregelte Fälle sind, beziehungsweise waren, insbesondere die §§ 122, 179 II BGB und § 307 BGB a. F. sowie Anwendungsfälle des bisher gesetzlich nicht geregelten Rechtsinstituts der culpa in contrahendo (nunmehr §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB). Von Bedeutung ist der Ersatz des negativen Interesses dann, wenn dieses ausnahmsweise höher ist als das positive.60 Dies ist gerade dann der Fall, wenn das Geschäft keinen Gewinn abgeworfen hätte, ein Erfüllungsschaden also zu verneinen ist, der Gläubiger jedoch Aufwendungen getätigt hatte, die sich durch die Pflichtverletzung als nutzlos erweisen.
56 Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 2 IV 1, S. 63; MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 123; Schack, JZ 1986, 305, 307. 57 Schack, JZ 1986, 305, 307; Rengier, Die Abgrenzung des positiven Interesses, S. 16; Larenz, SchuldR AT Bd. 1, § 27 II a, S. 431; MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 124. Nur ausnahmsweise führte ein Verschulden bei Vertragsschluss zum Ersatz des Erfüllungsschadens, wenn ein gültiges Schuldverhältnis zwar zustande gekommen war, ohne die Pflichtverletzung des Schuldners jedoch für den Gläubiger günstigere Bedingungen enthalten hätte. Diese Fälle des wirksamen aber nachteilhaften Vertrags sind jedoch vergleichsweise selten, vgl. Palandt-Heinrichs § 311 Rdnr. 58 f., genauso auch schon Palandt-Heinrichs60, § 276 Rdnr. 101. Sie haben für die frustrierten Aufwendungen keine große Bedeutung, so dass sie hier außer Betracht bleiben. 58 Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 4; Küppers, Verdorbene Genüsse, S. 63. 59 BGH v. 21.04.1978, BGHZ 71, 234, 237. 60 MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 126; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 2 IV 2, S. 64.
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b) Mangelnde Kausalität der frustrierten Aufwendungen Folgt man der Unterscheidung des Bundesgerichtshofs, so ist das Ergebnis des Stadthallen-Falls, die Nichtersatzfähigkeit der Werbekosten, zwingend.61 Die Parteien hatten nämlich einen wirksamen Mietvertrag geschlossen, den die Beklagte schlichtweg nicht erfüllen wollte. Das Erfüllungsinteresse erfasst die Werbeaufwendungen, auch wenn sie sich unstreitig als Einbuße im Vermögen niedergeschlagen haben, mangels Kausalität nicht. Ursächlichkeit im Sinne der conditio sine qua non-Formel gilt jedoch als eine der zwingenden Grundsätze des Schadensrechts.62 Als kausaler Schaden lässt sich lediglich die Verfehlung des vom Gläubiger verfolgten Zwecks einstufen, so dass eine Unterscheidung zwischen materiellen und immateriellen Einbußen zum Tragen kommt. Kein Problem stellt sich, wenn der Gläubiger im Rahmen der Differenzhypothese auch einen entgangenen Gewinn geltend machen kann. Dann sind seine frustrierten Aufwendungen nämlich mittelbar in den darauf gerichteten Ersatzanspruch einbezogen. Auszugleichen ist dem Gläubiger zwar nur sein Nettogewinn, das heißt, die erzielte Gegenleistung, beispielsweise aus einem Weiterverkauf oder einer Vermietung, abzüglich der hierfür getätigten Aufwendungen. Letztere schlagen grundsätzlich als Minus-Posten in der Vermögenslage des Gläubigers zu Buche. Indem der Gläubiger aber wirtschaftlich so gestellt wird wie bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung, sind die Aufwendungen nicht mehr als zwecklose Einbuße anzusehen. So verlieren sie ihren Charakter als Schaden und werden in gewisser Weise „ausgeglichen“. Schwierigkeiten können lediglich bei der Frage des Nachweises eines konkret entgangenen Gewinns auftreten. Weiß der Geschädigte aufgrund der schon weit gediehenen Planung eines Folgegeschäfts, welchen Erlös er erzielt hätte, und kann er dies auch darlegen und beweisen, stellt sich der Betrag unproblematisch als Vermögensschaden dar. Kann er den mutmaßlichen Ertrag nicht beziffern, helfen ihm § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO. Er kann den entgangenen Gewinn geltend machen, den er unter gewöhnlichen Umständen erzielt hätte. Der Richter kann dessen Höhe aufgrund einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit schätzen. Es handelt sich um eine Beweiserleichterung, die sich insbesondere an Kaufleute und gewerblich Tätige richtet, bei denen ein regelmäßiger Umsatz leicht nachweisbar ist. Wollen sie über den üblichen Betrag hinaus einen entgangenen Gewinn geltend machen, bleibt ihnen nur die Möglichkeit des vollen Beweises. 61
U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 39 II 2, S. 270/271. Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 3 I, S. 75; Larenz, SchuldR AT Bd. 1, § 27 III, S. 432; MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 98. 62
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Teil 1: Der Reformbedarf
Lässt sich dagegen ein solcher entgangener Gewinn nicht nachweisen oder war er überhaupt nicht angestrebt, helfen dem Gläubiger auch die gesetzlichen Beweiserleichterungen nicht weiter.63 Dann wird ein Ersatz für die Kosten, die ihm bereits entstanden sind und die sich nunmehr als nutzlos erweisen, besonders interessant.64 Mit der strikten Beschränkung des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung auf das positive Interesse ist man allerdings in der Situation gefangen, die Aufwendungen nicht als kausal ansehen zu können.65 Schon früh mühte sich die Rechtsprechung, einen Ausweg aus diesem dogmatischen Dilemma zu finden: Sie entwickelte die Rentabilitätsvermutung.
III. Die Rentabilitätsvermutung 1. Die Aufwendungen als Berechnungsfaktor Lässt sich ein entgangener Gewinn weder konkret noch mittels der Beweiserleichterungen in § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO darlegen, soll man nach Ansicht der Rechtsprechung wenigstens vermuten können, „daß der enttäuschte Vertragspartner seine Aufwendungen durch Vorteile aus der vereinbarten Gegenleistung wieder erwirtschaftet hätte [. . .].“66 Der Schaden liegt im Verlust dieser Kompensationsmöglichkeit, dessen Höhe mit Hilfe der tatsächlich aufgewendeten Kosten bestimmt wird.67 Damit gelingt es, an der gängigen Differenzhypothese als Vergleich der tatsächlichen Vermögenslage mit der im Falle ordnungsgemäßer Erfüllung festzuhalten und auch das Kausalitätserfordernis nicht aufgeben zu müssen. Grundlegend für diese Rechtsprechung ist der Äquivalenzgedanke.68 Leistung und Gegenleistung sollen sich in einem gegenseitigen Vertrag wertmäßig so entsprechen, dass auch noch die Kosten für die Aufwendungen vom Wert der Gegenleistung ausgeglichen werden, beziehungsweise 63
Wiedemann, in: Festschrift für Ulmer, S. 1275. Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 34. 65 Vgl. z. B. BGH, NJW 1987, 831, 834; BGH, BGHZ 71, 234, 237; SoergelWiedemann, § 325 Rdnr. 52; Timme, ZfS 1999, 502; Messer/Schmitt, in: Festschrift für Hagen, S. 426; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 2 IV 4, S. 66; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 39 II 2, S. 270/271; Rengier, Die Abgrenzung des positiven Interesses, S. 31; Schackel, ZEuP 2001, 248, 249; Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 2. 66 BGH, NJW 1987, 831, 834. 67 Schackel, ZEuP 2001, 248, 249. 68 Messer/Schmitt, in: Festschrift für Hagen, S. 430; Hagen, LM § 251 BGB Nr. 25 Bl. 2; Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 3, 26; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 82. 64
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dass die Investitionen sich durch den zu erzielenden Gewinn wieder amortisiert hätten.69 Die Rentabilitätsvermutung gilt als prozessuale Darlegungs- und Beweiserleichterung für den Gläubiger. Dem Schuldner steht – zumindest in der Theorie – der Gegenbeweis offen.70 Der Ersatz frustrierter Aufwendungen über die Rentabilitätsvermutung kommt nur dann in Betracht, wenn der Gläubiger nicht schon einen Anspruch auf Ersatz seines entgangenen Gewinns innehat. Anderenfalls ist für die Vermutung im Interesse der Vermeidung einer doppelten Entschädigung kein Raum.71 2. Entwicklung der Rentabilitätsvermutung a) Die bereits erbrachte Leistung als Mindestschaden Die Rentabilitätsvermutung hat ihren Ursprung bereits lange vor der Zeit des Bundesgerichtshofs, ja sogar noch vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Das Reichsgericht und zuvor schon das Reichsoberhandelsgericht72 gingen davon aus, dass sich Leistung und Gegenleistung wirtschaftlich entsprechen. Betont wurde der synallagmatische Zusammenhang der Leistungen, der zu dem Schluss führte, dass zumindest die vom Schuldner zu erbringende Gegenleistung als Mindestbestandteil des Schadens zu berücksichtigen sei. So liest man in einer Entscheidung des Reichsgerichts: „Dabei bildet [. . .] der Kaufpreis, den der Käufer gezahlt hat, einen Rechnungsfaktor. Und wenn auch der Käufer nicht ohne weiteres unter dem Gesichtspunkt 69 BGH, WM 1977, 1089, 1090; BGH, BGHZ 71, 234, 238; BGH, NJW 1987, 831, 834; BGH, NJW 1999, 2267; MüKo-Grunsky3 Vor § 249 Rdnr. 12 e, f; Oetker hält die Rentabilitätsvermutung wegen § 284 BGB für obsolet, so dass auch eine nähere Kommentierung dazu in der Folgeauflage gestrichen wurde, vgl. MüKoOetker, § 249 Rdnr. 48; Timme, ZfS 1999, 502, derselbe, JZ 2000, 100, 101. 70 U. a. BGH, BGHZ 71, 234, 238; BGH, NJW 1987, 831, 834. Vgl. auch Leonhard, AcP 199, 660, 664; Messer/Schmitt, in: Festschrift für Hagen, S. 427; Staudinger-Otto2001, § 325 Rdnr. 85. Der Gegenbeweis gelingt jedoch nur selten und ist von der Rechtsprechung immer weiter zurückgedrängt worden, vgl. hierzu die Ausführungen unten unter Teil 1 A.III.3., S. 37 f. und Teil 1 C., S. 49 ff. 71 BGH v. 24.09.1999, NJW 1999, 3625, 3627 = LM 2000, § 325 BGB Nr. 31, Bl. 1, 3 und Anm. Schiemann, LM 2000, § 325 Nr. 31, Bl. 4; BGH v. 15.03.2000, NJW 2000, 2342, 2343/2344; Gillig, Nichterfüllung und Sachmängelgewährleistung, S. 421; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 39 II 3, S. 274; Staudinger-Otto2001, § 325 Rdnr. 85; Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 33; Stoll, in: Festschrift für Duden, S. 652. 72 Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts v. 18.06.1878, ROHGE 24, 106/107.
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des Schadensersatzes geltend machen kann, daß er mit Rücksicht auf den Vertrag Aufwendungen gemacht habe, die er sonst nicht nötig gehabt hätte, wenn er ferner nicht den gezahlten Kaufpreis als solchen zurückverlangen darf, so wird doch dessen Betrag als der erste handgreifliche Schaden in Betracht kommen.“73
Ausschlaggebend für die Entwicklung der Rentabilitätsvermutung war die damalige, durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts geänderte, Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die Schadensersatzansprüche neben einem Rücktritt nicht zuließ. Waren schon Leistungen erbracht, konnten diese nur über einen Rücktritt vom Vertrag rückgängig gemacht werden, was im Gegenzug alle weiteren Schadensersatzansprüche sperrte.74 Begehrte man stattdessen Schadensersatz, konnte die eigene Leistung nach der Surrogationsmethode nicht zurückverlangt, sondern nur anstelle der nicht erhaltenen Gegenleistung ein Ersatz gefordert werden. Man wollte auf diese Weise ein faktisches Nebeneinander von Schadensersatz und Rücktritt verhindern.75 Zwar wurden immer wieder Stimmen laut, die zu widerlegen versuchten, dass dem Gesetz eine solche strikte Alternativität immanent sei. Sowohl Praxis als auch überwiegende Lehre hielten jedoch daran fest, wenngleich sie sich allgemein missbilligend hierzu äußerten.76 Der Ausschluss jeglicher Rückzahlungen im Rahmen des Schadensersatzes konnte nur Unzufriedenheit auslösen. Der Schuldner dürfte dann nämlich Leistungen des Gläubigers behalten, ohne eine Gegenleistung hierfür erbringen zu müssen.77 So stellte es sich als adäquate Lösung dar, das Geleistete als reinen Rechnungsfaktor in die Schadensberechnung miteinzubeziehen.78 Dabei sollte es unerheblich sein, ob die Leistung des Gläubigers den Wert der Gegenleistung überstieg und sich das Geschäft eigentlich als wirtschaftlich ungünstig erwiesen hätte.79 73 RG v. 19.02.1930, RGZ 127, 245, 248; ähnlich RG v. 13.03.1903, JW 1913, 595, 596 „sein geringster Schaden“; vgl. auch BGH, NJW 1987, 831, 834; BGH v. 22.06.1977, WM 1977, 1089, 1090; BGH v. 21.04.1978, BGHZ 71, 234, 238; BGH v. 26.03.1999, NJW 1999, 2267. 74 Staub in seinem HGB-Kommentar Anh. zu § 374 Anm. 25; RG v. 13.03.1913, JW 1913, 595, 596; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 37 I, S. 199; MüllerLaube, JZ 1995, 538, 539; Roth, JuS 1999, 220, 221. 75 Emmerich, Leistungsstörungen, § 13 III 2, S. 203 f. 76 Emmerich4, Leistungsstörungen, § 11 II 3, S. 133/134; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 37 I, S. 199; Roth, JuS 1999, 220, 221. 77 U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 37 II, S. 201/202. 78 RG v. 13.03.1913, JW 1913, 595, 596. 79 RG v. 13.03.1913, JW 1913, 595, 596; Leonhard, AcP 199, 660, 662; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 37 II, S. 201/202 weist zu Recht darauf hin, dass die Rentabilitätsvermutung hierfür unwiderlegbar sein muss, was die Rechtsprechung so deutlich nicht offen legt.
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b) Ausdehnung auf rentable Aufwendungen Später stellte das Reichsgericht nicht mehr in erster Linie auf die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ab, sondern auf die mutmaßliche Rentabilität der zusätzlichen Aufwendungen. Dies entsprach einer Ausdehnung des ersatzfähigen Schadens auf alle Aufwendungen, die mit Rücksicht auf den Vertrag erfolgen.80 Wörtlich führte der Senat aus: „Ebensogut kann der Käufer Ersatz für jede andere Aufwendung unter dem Gesichtspunkt verlangen, daß er sie durch den Vorteil der erwarteten Lieferung der Kaufsache wieder eingebracht haben würde [. . .]. Es ist eben ‚bei der Schadensersatzrechnung davon auszugehen, daß sich die beiderseitigen Leistungen nach dem Parteiwillen als gleichwertig gegenüberstehen. Der Käufer hat den vereinbarten Preis bewilligt, um die Gegenleistung zu erhalten. Erhält er diese Gegenleistung nicht, so muß ihm das vergütet werden, was er vergeblich hingegeben und aufgewendet hat, um die Gegenleistung zu erhalten. Das ist sein geringster Schaden.‘“81
Diese Entwicklung führte dazu, dass in den Entscheidungsgründen des Bundesgerichtshofs und auch schon des Reichsgerichts oftmals zwei Ansätze parallel zur Begründung des Ersatzanspruchs angeführt wurden. Zum einen sollen die Leistungen äquivalent sein, zum anderen aber auch noch die getätigten Aufwendungen in den Ersatzanspruch miteinbezogen werden. Letzteres geschieht teilweise, indem vermutet wird, die Leistung des Gläubigers zuzüglich seiner Aufwendungen entspreche dem Wert der schuldnerischen Leistung. Dies ist jedoch nur bei weniger kostenintensiven Aufwendungen wie den klassischen Vertragskosten denkbar. Bei größeren Investitionen wird deshalb eher darauf abgestellt, dass sich diese später durch ein Folgegeschäft wieder amortisiert hätten. Der Schaden liege nunmehr im Verlust der Kompensationsmöglichkeit. Die Kombination beider Ansatzpunkte erschwert den Umgang mit der Rentabilitätsvermutung.82 3. Nachweis des Verlustgeschäfts Dem Schuldner steht der Nachweis offen, dass der Gläubiger sich auf ein Verlustgeschäft eingelassen hat und seine Aufwendungen auch im Erfüllungsfall nicht ersetzt bekommen hätte.83 Der Rentabilitätsvermutung wird auf diese Weise der Boden entzogen. 80
Leonhard, AcP 199, 663; Müller-Laube, JZ 1995, 538, 539. RG v. 19.02.1930, RGZ 127, 245, 248; vgl. auch Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 48; Leonhard, AcP 199, 662; Messer/Schmitt, in: Festschrift für Hagen S. 426. 82 Ähnlich Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 135. 83 Stoll, in: Festschrift für Duden S. 641, 642; Leonhard, AcP 199, 663; Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 49. 81
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Teil 1: Der Reformbedarf
Voraussetzung hierfür ist allerdings nicht nur eine Entkräftung der Vermutung sondern der volle Beweis des Verlustgeschäfts. Faktisch erreichte man damit eine „Umkehrung der Beweislast“.84 Von einer bloßen Beweiserleichterung, wie der Bundesgerichtshof es zuweilen und auch in der Stadthallen-Entscheidung formuliert,85 kann keine Rede sein. Wenn aber die Rentabilitätsvermutung gerade dort ihren Anwendungsbereich hat, wo der Gläubiger ein Geschäft zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken vornimmt, einen konkreten oder auch nur üblichen Gewinn jedoch nicht darlegen kann, wird es dem Schuldner ebenso wenig gelingen, das Gegenteil zu beweisen. Der Schuldner kann unter Umständen die Vermutung in Zweifel ziehen, wenn für die Verlustträchtigkeit des Geschäfts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Die verbleibenden Unsicherheiten gehen jedoch zu seinen Lasten, sodass sich der Gläubiger noch immer auf die Vermutung berufen kann. Demzufolge sind nur wenige Fälle zu finden, in denen die Rentabilitätsvermutung als widerlegt angesehen wurde. Hatte der Gläubiger einmal die Basis für die Vermutung schaffen können, indem er eine Gewinnerzielung als Folge einer ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung in Aussicht stellen konnte, wurde seinem Antrag auf Ersatz seiner frustrierten Aufwendungen im Großen und Ganzen stattgegeben. Die Stadthallen-Entscheidung ist kein Beispiel für eine widerlegte Vermutung. Bei dem zugrundeliegenden Sachverhalt verblieb nämlich von vornherein „für die Anwendung dieser Grundsätze kein Raum“.86 Als Ausnahme einer erfolgreichen Widerlegung stellt sich eine Entscheidung aus dem Jahre 1993 dar.87 Die Parteien hatten einen Mietvertrag über erst noch zu errichtende Geschäftsräume geschlossen. Beide waren zum Rücktritt berechtigt, falls es nicht zu der erwarteten Verkehrsanbindung des Bauprojekts kommen sollte. Als der Vermieter später aus diesem Grund tat84
So wörtlich: RG v. 19.02.1930, RGZ 127, 245, 249. Vgl. z. B. BGH, NJW 1987, 831, 834, im selben Absatz verlangt der Senat interessanterweise vom Schuldner auch den Beweis des Gegenteils. Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 35 und S. 225/226 will die Rentabilitätsvermutung dagegen nur als Erfahrungssatz im Sinne eines Anscheinsbeweises gelten lassen, der lediglich durch gegenteilige Indizien entkräftet werden muss. Allerdings setzt er sich dabei nicht mit den anders lautenden Urteilen des BGH und des RG auseinander. Ungenau im Hinblick auf die Anforderungen des Gegenbeweises auch Emmerich, in: Festschrift für Otte, S. 110. 86 BGH, NJW 1987, 831, 834. 87 BGH v. 30.06.1993 – XII ZR 136/91 –, BGHZ 123, 96 ff. = NJW 1993, 2527, beachte dazu jedoch auch die Anmerkung von Medicus, der die Entscheidung im Ergebnis für richtig hält, in der Begründung aber bereits einen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach verneint und deshalb die Rentabilitätsvermutung für entbehrlich hält, EWiR 1993, 855, 856. 85
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sächlich zurücktrat, verlangte der Mieter einen Ersatz für die von ihm bereits gezahlte Maklerprovision. Der Senat sah die Rentabilitätsvermutung als widerlegt an, weil hier nicht sicher davon ausgegangen werden konnte, dass bei ungestörter Abwicklung des Geschäfts die nutzlos gewordenen Aufwendungen durch die Vorteile der Gegenleistung aufgewogen worden wären.88 Mit erfolgtem Rücktritt verliere der Mieter nämlich die Möglichkeit, mit Hilfe der Gegenleistung die Kosten für den Maklerlohn wieder zu amortisieren. Aufgrund des vertraglichen Rücktrittsrechts bestand keine hinreichend gesicherte Aussicht auf Rentabilität.89 4. Die Begrenzung auf den kommerziellen Zweck a) Die Stadthallen-Entscheidung In der Literatur regte sich zunächst kaum Widerspruch gegen die Rentabilitätsvermutung, vermutlich weil man mit ihren Ergebnissen einverstanden war. Auch die dogmatische Konstruktion fand Anklang, konnte man doch auf diese Weise mit dem gängigen Schadensbegriff und der gewohnten Differenzhypothese operieren.90 Dementsprechend waren die Entscheidungen, die in späteren Urteilen des Bundesgerichtshofs von diesem selbst als grundlegende zur Rentabilitätsvermutung zitiert werden, in den wesentlichen Passagen äußerst knapp. Oftmals lässt sich nur aus der Art des zugesprochenen Schadensersatzes schließen, dass der Senat die Einbußen über den Weg der Rentabilitätsvermutung ersetzte.91 Im Ausgangsfall der Stadthallen-Entscheidung wurde der Anspruch auf Ersatz der Werbeaufwendungen nichtsdestoweniger abgewiesen. Die Rentabilitätsvermutung konnte nicht fruchtbar gemacht werden, „weil die Klägerin mit der Nutzung der Stadthalle bzw. mit der geplanten Veranstaltung einen ideellen Zweck verfolgte und sie die dafür aufgewendeten Kosten auch bei Durchführung des Mietvertrages nicht wieder hereinbekommen hätte.“92
Die Vermutung, die getätigten Investitionen hätten sich wieder amortisiert, ist auf Verträge mit kommerziellen Zwecken beschränkt. Eine – wenn 88
BGH, NJW 1993, 2527. BGH, NJW 1993, 2527, 2528. Für weitere Fälle einer erfolgreichen Widerlegung vgl. BGH v. 15.03.1990 – I ZR 149/88 –, NJW 1990, 2543 f. In diesem Fall stand fest, dass der Kläger mit seinem Geschäft einen Verlust gemacht hätte. Vgl. auch BGH v. 18.09.1985, NJW 1986, 659 ff. (Milchpulver-Entscheidung): Bei Interventionskäufen der öffentlichen Hand werden Verluste einkalkuliert. 90 Stoll, Freiburger Begegnungen, S. 60; Schackel, ZEuP 2001, 248, 250; Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 50; Staudinger-Medicus1983, § 249 Rdnr. 129. 91 Vgl. z. B. BGH v. 22.09.1971, BGHZ 57, 78 ff. und BGH v. 28.05.1995, WM 1975, 897 ff. 89
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auch nur die entwerteten Aufwendungen abdeckende – Gewinnerwartung ist dann von vornherein ausgeschlossen, wenn der Vertrag alleine der Verwirklichung eines immateriellen oder konsumtiven Zwecks dienen soll. Als Schaden, den die Mieterin in der Stadthallen-Entscheidung geltend machen konnte, lässt sich lediglich die Vereitelung des Vertragszwecks qualifizieren, der in der Bekanntmachung der Besucher mit dem Anliegen der Klägerin bestand. Dieser Zweck ist ein ideeller und nicht mit den Aufwendungen selbst gleichzusetzen. Seiner Ersatzfähigkeit steht § 253 I BGB entgegen.93 Deshalb sah sich der Bundesgerichtshof gezwungen, die Klage auf Aufwendungsersatz abzuweisen.94 Die Beschränkung der Rentabilitätsvermutung auf Verträge zu rein kommerziellen Zwecken ist dieser Rechtsprechung somit immanent. Erstmals in der Stadthallen-Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof diese Konsequenz allerdings so offen ausgesprochen. Aus früherer Zeit finden sich zwei weitere Urteile, bei denen aus demselben Grund ein Mindestschaden in Höhe der getätigten Aufwendungen verneint wurde. In beiden Fällen war diese Unterscheidung nach dem Vertragszweck jedoch nicht alleine ausschlaggebend für die Klageabweisung, so dass den Urteilen nicht dieselbe Aufmerksamkeit wie der Stadthallen-Entscheidung zuteil wurde. b) Der Architektenwettbewerb95 1982 klagte ein Architekt gegen den Veranstalter eines Architektenwettbewerbs auf Schadensersatz, weil er aufgrund einer angeblich verspäteten Einreichung seines Entwurfs nicht zum Wettbewerb zugelassen worden war. Er verlangte einen beträchtlichen Ersatz für seinen vergeblichen Zeitaufwand und die für seinen Beitrag angefallenen Kosten. Der Bundesgerichtshof wies die Klage mit der Begründung ab, die Chance auf einen Preis im Wettbewerb neben 42 weiteren Mitbewerbern sei nur gering und ein Gewinn deshalb keinesfalls sicher gewesen. Wenn auch 92
BGH, NJW 1987, 831, 834; genauso auch OLG Saarbrücken v. 20.07.1998, NJW 1998, 2912, 2913 für den Fall einer „geplatzten“ Hochzeitsfeier wegen doppelter Vermietung der Räumlichkeiten. 93 BGH, NJW 1987, 831, 834. 94 Zwar macht die Klägerin auch einen entgangenen Gewinn geltend, den sie durch Druckschriftenverkauf und Spenden erwirtschaftet hätte, so dass Grundlage der Veranstaltung ein Motivbündel war. Auf die Frage der Rentabilität hat dies jedoch keine entscheidenden Auswirkungen, da der zu erwartende Gewinn die Aufwendungen bei weitem nicht gedeckt hätte. Dies war auch nie beabsichtigt gewesen, so dass die Gewinnerzielung nur als zu vernachlässigender Nebenzweck anzusehen ist. 95 BGH v. 23.09.1982 – III ZR 196/80 –, NJW 1983, 442 ff. = DB 1983, 1427 ff.
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nicht mit gleicher Deutlichkeit wie in der Stadthallen-Entscheidung, ergibt sich aus den Urteilsgründen doch, dass der Senat zum einen nur das Erfüllungsinteresse für ersatzfähig hielt und nicht den Frustrationsschaden,96 und zum anderen, dass ein Ersatz für immaterielle Schäden abzulehnen sei.97 Dazu kam, dass die Aufwendungen des Klägers sich auf ein Vierfaches des möglichen Preisgeldes beliefen, so dass eine Vermutung, er hätte seine Aufwendungen durch Vorteile der Gegenleistung wieder eingebracht, von vornherein entkräftet war.98 Des Weiteren handelte es sich bei dem Preisausschreiben nach § 661 BGB um ein einseitiges Rechtsgeschäft, so dass schon die Grundlage für die Rentabilitätsvermutung – die Annahme, Leistung und Gegenleistung stünden sich gleichwertig gegenüber – Probleme bereitete. Rückt man den Verlust der Kompensationsmöglichkeit in den Vordergrund, ist ein Ersatz nicht mit derselben Ausschließlichkeit zu verneinen, aber ebenfalls zweifelhaft. Der Bundesgerichtshof ließ diese Frage letztlich mangels Entscheidungserheblichkeit offen.99 c) Die Eigentumswohnung100 In einem etwas anders gelagerten Fall einer verspäteten Leistung hatte der Bundesgerichtshof einen Aufwendungsersatz auf Basis der Rentabilitätsvermutung bereits im Jahr 1978 abgelehnt, da der Vertrag keinem kommerziellen Zweck diente. Der Beklagte hatte beim Verkauf einer noch zu errichtenden Eigentumswohnung einen verbindlichen Termin für die Bezugsfertigkeit zugesichert, diesen später jedoch nicht eingehalten. Die Kläger konnten erst mit zehnmonatiger Verspätung einziehen. Sie forderten deshalb hilfsweise zu einer Nutzungsausfallsentschädigung einen Ersatz für ihre vergeblichen Gemeinschaftskosten. In der Zeit, in der sie ihre Wohnung noch nicht nutzen konnten, mussten sie bereits Betriebs- und Wohngeld zahlen. Der Senat hielt diese Kosten auch unter Berücksichtigung der Rentabilitätsvermutung nicht für ersatzfähig, weil sie ersichtlich nicht dem Zweck der Vermögensmehrung der Kläger dienten. Der bloße Nutzungsvorteil alleine könne die Aufwendungen nicht wieder einbringen.101 Für die Renta96
BGH, NJW 1983, 442, 443. BGH, NJW 1983, 442, 444: Als Gegenleistung könnte man nur die mögliche Chance auf einen Gewinn einordnen. Einen Anspruch hatte der Kläger nicht. 98 BGH, NJW 1983, 442, 443. 99 BGH, NJW 1983, 442, 443. 100 BGH v. 21.04.1978 – V ZR 235/77 –, BGHZ 71, 234 ff. = NJW 1978, 1805 ff. = JZ 1978, 566 ff. 101 BGH, BGHZ 71, 234, 239 ff. Siehe auch die Anmerkung von Hagen, dem Senatsvorsitzenden, in LM Nr. 25 zu § 251 BGB Bl. 2, wonach die „gedankliche 97
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Teil 1: Der Reformbedarf
bilitätsvermutung, die in dieser Entscheidung erstmals auch als solche bezeichnet wurde, war deshalb kein Raum. Der Senat befürchtete auch, dass anderenfalls derjenige Eigentümer, der die Wohnung nicht selbst nutzen wolle, schlechter stünde, da ihm der Einwand entgegen gehalten werden könnte, die Vermietung hätte sich als Verlustgeschäft herausgestellt.102 Eine Entschädigung für den Nutzungsausfall wurde aufgrund der rein immateriellen Einbuße abgelehnt. Eine Abweichung von der klassischen Differenzhypothese zur Bestimmung des ersatzfähigen Schadens hin zu normativen Erwägungen hielt man für nicht angebracht.103 Zumindest auf dem Bausektor gäbe es nämlich die reale Möglichkeit, sich gegen solche Nachteile im Voraus mit Hilfe einer Vertragsstrafenvereinbarung abzusichern.104 d) Restriktiver Ersatz immaterieller Schäden Dieser Ausschluss einer Kompensation für immaterielle Frustrierungen steht im Einklang mit der allgemeinen Konzeption des deutschen Schadensrechts.105 Das Bundesverfassungsgericht stellte in anderem Zusammenhang einmal fest, „nirgendwo im Westen bleibe eine unrechtmäßige Tat so häufig wie in Deutschland ohne zivilrechtliche Sanktion, weil sie ‚nur‘ einen immateriellen Schaden verursache.“106
Hauptziel des Schadensersatzes, so wie ihn das Bürgerliche Gesetzbuch ursprünglich vorsah, war der komplette Ausgleich von Vermögensabflüssen unter Einschluss vereitelter Vermögenszuwächse. Immaterielle Interessen wurden dagegen weitgehend ausgeblendet. Sie sollten nur ausnahmsweise zu einer angemessenen oder billigen Entschädigung in Geld führen, wie Grundlage“ der Rentabilitätsvermutung „überschritten“ sei, wenn nur ein immaterieller Wert angestrebt werde. 102 BGH, BGHZ 71, 234, 241 f. 103 BGH, BGHZ 71, 234, 241 f. Allerdings ist bei dieser Entscheidung darauf zu achten, dass sie erging, bevor der große Senat eine Entschädigung wegen Nutzungsausfalls grundsätzlich anerkannte. Evtl. könnte man auch hier an einen solchen Anspruch denken, vgl. dazu BGH GS v. 09.07.1986 – GSZ 1/86 –, NJW 1987, 50 ff. In diese Richtung auch Hagen, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 7, S. 16; Hagen/ Brambring, Der Grundstückskauf, S. 228. 104 BGH, BGHZ 71, 234, 242, wobei der Senat offen legte, dass im Bereich des Massenverkehrs diese Möglichkeit ausscheide und sich deshalb u. U. etwas anderes ergeben könnte. 105 U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 39 II 5, S. 279. Auch das österreichische Recht spricht sich im Grundsatz gegen einen Vermögensersatz für immaterielle Schäden aus, vgl. Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 39 ff. 106 Soraya-Beschluss des BVerfG v. 14.02.1973, BVerfGE 34, 269, 289.
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etwa in § 847 BGB a. F. oder später in § 651f II BGB angeordnet. Diese Ausrichtung des Gesetzes ist keineswegs zwingend und basiert auf einer Orientierung an einer „Eigentümer-/Markt-Gesellschaft“ und dem Wunsch des historischen Gesetzgebers, nur das für ersatzfähig zu erklären, was auch „marktgängig“ war.107 Immaterielle Schäden ließen sich in dieses Bild schwerlich einpassen, da sie sich nicht „auf Heller und Pfennig“108 berechnen lassen. Den Begründern des Bürgerlichen Gesetzbuches ging es im Wesentlichen darum, das richterliche Schätzungsermessen so gering wie möglich zu halten. Die Bewertung immaterieller Interessen ist nur durch eine subjektive Einschätzung möglich, was tunlichst vermieden werden sollte.109 Man glaubte, dass „Gewinnsucht, Eigennutz und Begehrlichkeit übersteigert“ würden. „Prozesse aus unlauteren Motiven“ und „schikanöse Klagen“ wurden befürchtet.110 Die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs blickten mit Unmut auf das Nachbarland Frankreich, in dem die Gerichte nach ihrem Ermessen einen weitreichenden Anspruch auch für immaterielle Interessen gewährten.111 Schließlich konstatierte der historische Gesetzgeber der deutschen Bevölkerung ein vermeintliches allgemeines Rechtsbewusstsein und eine Volksauffassung, die eine solche Stärkung der Gläubigerrechte im immateriellen Bereich untersagten.112 Den betroffenen Gläubiger verwies man auf die als ausreichend erachtete Möglichkeit, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren.113 Diese Konzentration auf den typischen Warenverkehr, der sich problemlos in Geld bewerten ließ, erwies sich schnell als zu einseitig, so dass es zu zahlreichen Aufweichungen durch Gesetzgeber114 und Rechtsprechung115 107 Esser/E. Schmidt, SchuldR Bd. I AT Teilbd. 2, § 30 I, S. 156; ähnlich Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 36. 108 Esser/E. Schmidt, SchuldR Bd. I AT Teilbd. 2, § 30 II, S. 163. 109 Mugdan, Materialien Bd. II, S. 515; Stoll, Begriff und Grenzen, S. 18; Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 77. 110 Mugdan, Materialien Bd. II S. 517; vgl. auch Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 31; Diederichsen, in: Festschrift für Klingmüller, S. 68. 111 Mugdan, Materialien Bd. II, S. 517; Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 31. 112 Mugdan, Materialien Bd. II, S. 515; Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 34 ff., mit Hinweis darauf, dass es ein solches Empfinden wohl nie gegeben hat und dass die Argumentation der Kommission bereits frühzeitig widerlegt wurde. 113 Mugdan, Materialien Bd. II, S. 517; Stoll, Begriff und Grenzen, S. 38. Anzumerken sei allerdings, dass auch die Kommissionen zum BGB sich in diesem Punkt nicht von vornherein einig waren. Ein Vorentwurf des Gesetzes, der sich an Ihering orientierte, gewährte sogar weitreichenden Ersatz für immaterielle Schäden. Erst nach einer Sondersitzung lehnte die 2. Kommission diesen Vorschlag ab, vgl. dazu Braschos, Ersatz immaterieller Schäden, S. 23 ff.; Ströfer, Schadensersatz und Kommerzialisierung, S. 165.
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kam. Die Grenze zwischen materiellem und immateriellem Schaden verschwamm zunehmend.116 Dies trug erheblich zu den anfangs dargestellten kritischen Einschätzungen des deutschen Schadensrechts bei. Im Grundsatz wird trotzdem zu Recht daran festgehalten, dass bei der Verletzung von immateriellen Interessen der Geschädigte keinen Geldersatz für seine Einbuße erlangen darf. Anderenfalls wäre das Haftungsrisiko für den Schuldner kaum noch überschaubar und würde sich immer weiter ausdehnen.117 So kommt man auch bei vertraglichen Pflichtverletzungen zu dem Ergebnis, dass der Gläubiger keine Entschädigung alleine für den Umstand fordern darf, dass sein mit dem Vertrag verfolgter Zweck vereitelt werde, es sei denn dieser Zweck hätte sich in einem materiellen Gewinn niedergeschlagen. Damit ist jedoch keine Antwort auf die Frage gefunden, ob nicht für die materiellen Einbußen in Form der frustrierten Aufwendungen ein Ersatz gewährt werden sollte.
B. Erste Kritik Die Klageabweisung im Stadthallen-Fall war vor dem Hintergrund dieser Prämissen somit konsequent. Trotzdem stellt sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugleich als Wendepunkt dar, von dem an sich in der Literatur begründeter Widerspruch gegen die mittlerweile Jahrzehnte alte Rentabilitätsvermutung regte.118
I. Behauptung statt Vermutung Die Vermutung, ein Geschäft sei grundsätzlich für beide Parteien rentabel, widerspricht der Lebenserfahrung.119 In vielen Fällen haben nicht ein114 Vgl. u. a. § 651f II BGB im Reisevertragsrecht oder auch die Sondergesetze zum Patent- und Urheberrecht. Siehe auch Stoll, Begriff und Grenzen, S. 23 und Fn. 54; derselbe, Haftungsfolgen, S. 14. 115 Zu nennen sind z. B. die Rechtsprechung zu dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Kommerzialisierungsgedanken, vgl. u. a. Lange/Schiemann, Schadensersatz § 2 I 2, S. 53/54 und den Seereisefall des BGH v. 07.05.1956, NJW 1956, 1234. Der Reisegenuss wurde als Vermögenswert angesehen, weil er erkauft werden könne und damit kommerzialisiert sei. Vgl. kritisch zum Seereisefall als Auslöser der Rechtsprechung zur Nutzungsausfallentschädigung Hagen, JZ 1983, 833 ff. 116 Staudinger-Medicus1983, Vorb. zu §§ 249–254 Rdnr. 30; § 253 Rdnr. 18 ff.; Diederichsen, in: Festschrift für Klingmüller, S. 69; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 2 I 3, S. 56. 117 Lange/Schiemann, Schadensersatz § 2 I 3, S. 56. 118 Schackel, ZEuP 2001, 248, 250. 119 Stoll, in: Freiburger Begegnungen, S. 61; Müller-Laube, JZ 1995, 538, 542.
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mal Leistung und Gegenleistung einen annähernd gleichen Wert. Anderenfalls wären große Gewinnspannen im wirtschaftlichen Bereich gar nicht denkbar. Oftmals wird der Erwerber einer Ware oder Dienstleistung deren Wert nicht kennen und schon deshalb einen überhöhten Preis akzeptieren. Dies gilt vermutlich für eine Vielzahl von Geschäften des täglichen Lebens, in denen der Verbraucher keinen Einblick in Kalkulation und Gewinnspanne des Herstellers oder Händlers nehmen kann. Daneben sind Situationen denkbar, in denen der an einer Leistung Interessierte wissentlich einen überhöhten Preis in Kauf nimmt, um das begehrte Objekt tatsächlich zu erhalten, sei es, dass es am Markt schwer erhältlich ist oder die sofortige Lieferung für ihn entscheidende Bedeutung hat. Der Liebhaber wird einen überhöhten Preis ebenso in Kauf nehmen wie der Spekulant, der auf eine spätere Wertsteigerung hofft. In all diesen Fällen darf nicht unterstellt werden, dass Leistung und Gegenleistung äquivalent seien. Die Vermutung einer Rentabilität offenbart sich somit in Wahrheit als wenig fundiert.120 Dabei ist der Grund für diese Konstruktion der Rechtsprechung leicht zu erkennen. Man konnte auf diese Weise im Interesse des Gläubigers die Alternativität von Schadensersatz und Rücktrittsrecht umgehen.121 Es müsste als evident ungerecht empfunden werden, würde der Vorleistende seine bereits erbrachten Zahlungen nicht zurückfordern können, wenn der Schuldner seine Leistungspflicht nicht erfüllt.122 Schließlich ist es Grundlage des synallagmatischen Vertrags, dass die Leistung nur zu dem Zweck erbracht wird, um die begehrte Gegenleistung zu erhalten. Nur so erklärt sich auch die Inkonsequenz der Rechtsprechung, bei der Einbeziehung der Gegenleistung in den ersatzfähigen Schaden nicht nach kommerziellen und ideellen Zwecken zu differenzieren.123 Der Begriff des Mindestschadens, den die Rechtsprechung an dieser Stelle gerne gebraucht, soll die Problematik überdecken. Diese Gerechtigkeitserwägungen können jedoch die Kritik an der dogmatischen Konstruktion der Rentabilitätsvermutung nicht mildern. Stellt man alleine auf eine subjektive Äquivalenz ab,124 widerspricht dies den Grundsätzen des Schadensrechts, wonach sich die Höhe eines Schadensersatz120 Müller-Laube, JZ 1995, 538, 539. Er spricht auch von einer „unbeweisbare[n] Spekulation“, S. 542. 121 Die Alternativität von Schadensersatz und Rücktritt wurde im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung aufgegeben, wie § 325 BGB ausdrücklich klarstellt. Dies ist ein weiterer Grund, warum über die Berechtigung der Rentabilitätsvermutung neu nachgedacht werden muss. Vgl. hierzu die Ausführungen unten unter Teil 4 C., S. 200 ff. 122 U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 37 II, S. 201 f. Vgl. auch die Ausführungen oben unter Teil 1 A.III.2.a), S. 35 f. 123 Tröger, ZIP 2005, 2238. 124 U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 37 II, S. 201/202 und § 39 II 3, S. 274: Die Schadenshöhe soll nicht empirisch, sondern normativ zu bestimmen sein.
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anspruchs gewöhnlich objektiv bestimmt und nicht nach dem Wert, den die Parteien einer Sache beimessen.125 Ebenso wenig ist durchweg ein gemeinsamer Parteiwille feststellbar, wonach die Leistungen als äquivalent gelten sollen. Der Verkäufer eines Sammlerstücks ohne nennenswerten objektiven Wert wird nicht von der Gleichwertigkeit seiner Leistung ausgehen, wenn er dieses zu einem erstaunlich hohen Preis verkaufen kann. Er wird seinen Gewinn vielmehr auf sein Verhandlungsgeschick oder die Verblendung seines Vertragspartners zurückführen. Auch wenn ein Vertragspartner einen dringenden Bedarf an seiner Leistung dazu ausnutzt, den Preis in die Höhe zu treiben, kommt keineswegs ein Konsens über die Gleichwertigkeit der Leistungen zustande. Die Ausdehnung der Rentabilitätsvermutung auf alle im Hinblick auf das Geschäft getätigten Aufwendungen des Gläubigers ist derselben Kritik in noch stärkerem Maße ausgesetzt. Wiederum müsste man unterstellen können, dass der Gläubiger so vernünftig wirtschaftet und seine Investitionen derart kalkuliert, dass diese sich nicht verlustbringend auswirken, sondern vom Wert der Leistung gedeckt wären.126 Dies kann nicht als Spiegel der Lebenswirklichkeit angesehen werden, was aber Voraussetzung für eine solche prozessuale Vermutung sein sollte. Zu bedenken ist auch, dass der Gläubiger auf diese Weise mittels seiner Investitionen über den mindestens zu erzielenden potenziellen Gewinn und damit die Höhe seines Schadensersatzes entscheidet. Unabhängig davon, wie viele Aufwendungen er tätigt, soll stets vermutet werden, dass diese sich rentiert hätten. Bei ein und demselben Kaufgeschäft wäre der zu erwartende Erlös im Rahmen eines Weiterverkaufs somit umso höher, je mehr der Gläubiger investierte. Hierbei unterlaufen viel zu häufig Kalkulationsfehler, als dass man davon ausgehen dürfte, der Gläubiger könnte den zu erzielenden Gewinn durchweg richtig vorhersehen. Sicherlich ist es sachgerecht, eine Entschädigung auch für nicht bezifferbare wirtschaftliche Vorteile, die im Falle der Vertragserfüllung entstanden wären, zusprechen zu wollen.127 Der Vertragsbruch sollte nicht deshalb sanktionslos bleiben, weil das Erfüllungsinteresse schwer zu bewerten ist. Die Gewinnvermutung als eine das tägliche Leben widerspiegelnde Gewissheit anzusehen, überzeugt als Lösung jedoch nicht. Kritisch betrachtet stellt sich die Rentabilitätsvermutung letztlich als ein „Kunstgriff“128 und „Re125 Müller-Laube, JZ 1995, 538, 542; E. Schmidt, in: Festschrift für Wiedemann, S. 431. 126 So U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 39 II 3, S. 274; Stoll, Haftungsfolgen, S. 320. 127 Stoll, Freiburger Begegnungen, S. 61. 128 Medicus, EWiR 1993, 855, 856.
B. Erste Kritik
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chentrick“129 dar, der dazu dient, ohne Verstoß gegen rechtsdogmatisch als bindend angesehene Prämissen zu einem im Ergebnis gewünschten Schadensersatzanspruch des Gläubigers zu gelangen.
II. Die Beschränkung auf den Geschäftsverkehr Auch ein zweiter Kritikpunkt tritt in der Stadthallen-Entscheidung deutlich hervor. Die Vertragsverletzung bleibt trotz der Rentabilitätsvermutung immer dann sanktionslos, wenn der Gläubiger keine materiellen Interessen verfolgt. Dann nämlich fehlt jede Basis, von einer möglichen Rentabilität zu sprechen.130 Der Gläubiger ohne wirtschaftliche Ziele wird benachteiligt. Auch wenn sich diese Ungleichbehandlung dogmatisch vielleicht in das System einpasst,131 ist sie rechtspolitisch unerwünscht. Im Grunde geht es dem Gläubiger nämlich nicht um einen Ausgleich für die Verfehlung seines sicherlich schwer zu bewertenden Zwecks. Vielmehr möchte er Ersatz für seine frustrierten Aufwendungen, die sich eindeutig in einer berechenbaren materiellen Vermögenseinbuße niedergeschlagen haben. Alleine mit Praktikabilitätserwägungen ist eine Ungleichbehandlung der Gläubiger deshalb kaum zu rechtfertigen. Im Hinblick auf den Grundsatz pacta sunt servanda ist es nicht akzeptabel, dass eine Pflichtverletzung das eine Mal mittels der Rentabilitätsvermutung sanktioniert wird, das andere Mal der Schuldner dagegen keine Folgen fürchten muss.132 Genauso wenig ist nachvollziehbar, dass der Gläubiger eines einseitigen oder gesetzlichen Schuldverhältnisses nicht geschützt wird.133 Letztlich stellte die Vermeidung der Sanktionslosigkeit 129
Müller-Laube, JZ 1995, 538, 539. Schackel, ZEuP 2001, 248, 254; Müller-Laube, JZ 1995, 538, 542 für konsumtive Zwecke. Genauso der BGH selbst in seiner Stadthallen-Entscheidung, NJW 1987, 831, 834. 131 U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 39 II 5, S. 279–281. Huber hält diese Lücke auch für gerechtfertigt: „Die Fälle sind aber nicht so gewichtig, daß sie es rechtfertigen könnten, de lege lata diese beide Prinzipien [gemeint sind die Beschränkung des Nichterfüllungsschadens auf das positive Interesse und die Ablehnung von Geldersatz für immaterielle Schäden, Anm. der Verfasserin] in Frage zu stellen.“ Zu bedenken ist aber, dass Huber sich dabei alleine auf ideelle Zwecke beschränkt und die Rentabilitätsvermutung beispielsweise auf den Grundstückkauf für private Nutzung als eigenwirtschaftlichen Zweck anwenden will. Außerdem will er bei einer vorsätzlichen Pflichtverletzung über § 242 BGB zu einem Anspruch gelangen. Die Sanktionslosigkeit ist damit auf einen sehr kleinen Bereich beschränkt. 132 Kritisch im Hinblick auf die Sanktionslosigkeit auch Emmerich, JuS 1987, 489, 490. 130
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Teil 1: Der Reformbedarf
doch auch das wahre Motiv für die Entwicklung der Rentabilitätsvermutung dar.134 Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung in der Charakterisierung der Gläubigerzwecke kein einheitliches Bild zeigt. Prinzipiell setzt die Rentabilitätsvermutung eine Gewinnerzielungsabsicht als verfolgten Zweck voraus. Der Bundesgerichtshof lässt hierfür freilich den bloßen geschäftlichen Hintergrund des Gläubigers ausreichen. Erwirbt der gewerbetreibende Gläubiger ein Grundstück, soll dies die Anwendung der Vermutung rechtfertigen, auch wenn primär die Nutzung als Betriebsgrundstück für die eigene Produktionshalle im Vordergrund steht und nicht etwa eine Veräußerung oder Vermietung. Kauft derselbe Gläubiger das Grundstück, um sein Eigenheim darauf zu bauen, fehlt die Gewinnerzielungsabsicht, weil diesmal der konsumtive Zweck in den Vordergrund gestellt wird.135 Weitere Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich auch zu marktstrategischen und spekulativen Zwecken. Bedenkt man, dass die Rentabilitätsvermutung in den allerwenigsten Fällen widerlegt werden kann, stellen sich diese schwierigen Unterscheidungen durchweg als entscheidungserheblich dar. Warum der Gläubiger in dem einen Fall des Vertragsscheiterns auf einen Kostenersatz hoffen kann und in dem anderen nicht, ist nicht einzusehen.
III. Fehlende Begrenzung des Aufwendungsersatzes Die Höhe und die Art der getätigten Aufwendungen hatten für die Frage, ob ein Ersatz mittels der Rentabilitätsvermutung zugesprochen werden soll, anfangs keinerlei Bedeutung. Der Schuldner, der sich bereits in einer schwierigen Beweissituation befand, wurde nicht etwa durch eine höhenmäßige Beschränkung des Schadensersatzanspruchs oder eine inhaltliche Überprüfung der Aufwendungen geschützt. Typische ersatzfähige Aufwendungen waren die Vertragskosten bei Grundstückskaufverträgen, die Kosten der notariellen Beurkundung und der Grundbucheintragung, genauso wie mögliche Maklergebühren. Allerdings 133 Vgl. zur Frage, ob die Rentabilitätsvermutung in diesem Falle greifen kann, die Anmerkungen zur Architektenwettbewerb-Entscheidung oben unter Teil 1 A.III.4.b), S. 40. 134 Müller-Laube, JZ 1995, 538, 542; Stoll, Anmerkung zur Stadthallen-Entscheidung, JZ 1987, 517, 518. 135 U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 39 II 3, S. 279/280 will solche eigenwirtschaftlichen Zwecke allerdings von der Rentabilitätsvermutung umfasst sehen. Vgl. auch Fn. 131. Hier eine Gewinnerzielung als beabsichtigt anzusehen, ist jedoch eine Unterstellung, Müller-Laube, JZ 1995, 538, 542; Weitemeyer, AcP 205, 275, 279.
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sprach der Bundesgerichtshof auch einen Ersatz für die Kosten zu, die durch den Umbau einer Fabrikhalle anfielen, soweit diese Halle für den Kaufgegenstand, eine Produktionsmaschine, benötigt wurde.136 Folgeinvestitionen des Gläubigers wurden allgemein als ersatzfähig angesehen. Sogar Kosten für Subunternehmerverträge, die sich nicht mehr rückgängig machen ließen, wurden zugesprochen.137 In einer Entscheidung aus dem Jahre 1977138 sprach der Bundesgerichtshof einer Pächterin eines Speiselokals Ersatz für die Kosten eines Küchenausbaus zu. Die Gaststätte hatte die Klägerin von der Betreiberin einer Fortbildungsschule für einen Zeitraum von zehn Jahren gepachtet und sich verpflichtet, 150–200 Personen zu Mittag verköstigen zu können. Die Pächterin erwarb zusätzliches Kücheninventar und stellte einen zweiten Koch ein. Im Prozess verlangte sie nunmehr Schadensersatz, weil sich diese Aufwendungen aufgrund der geringen Gästezahl unter den Kursteilnehmern von etwa 15 am Tag als nutzlos erwiesen. Die Beklagte habe ihr zugesagt, einen deutlich größeren Teil der bis zu 800 Teilnehmer der Lehrgänge veranlassen zu können, in der Gaststätte zu Mittag zu essen. Der Bundesgerichtshof gab der Klage auf Basis der Rentabilitätsvermutung statt, soweit – was im Wege der Zurückverweisung noch zu klären war – die Beklagte tatsächlich zugesagt hatte, für entsprechende Gästezahlen zu sorgen. Die vielleicht übertriebene Höhe der Investitionen, die immerhin zu einer Verdoppelung der Kapazität der Küchen geführt hatten, wurde vom Senat nicht thematisiert. Insgesamt ist festzustellen, dass der Bundesgerichtshof den Begriff der Aufwendungen nicht problematisierte. Soweit davon ausgegangen werden konnte, dass die Investitionen sich bei ordnungsgemäßer Erfüllung wieder amortisiert hätten, wurden diese vollständig auf den Schuldner abgewälzt.139
C. Reaktion: Die Diskotheken-Entscheidung Auf den zuletzt genannten Kritikpunkt, die fehlende Begrenzung des Ersatzanspruchs, reagierte der Bundesgerichthof in einer Entscheidung aus dem Jahre 1991.140 Der V. Senat schränkte die Rentabilitätsvermutung in 136 BGH v. 25.09.1975 – VIII ZR 179/73 –, BGHZ 65, 107, 113/114 = NJW 1976, 43, 44. 137 BGH v. 22.09.1971 – VIII ZR 38/70 –, BGHZ 57, 78, 80/81. 138 BGH v. 22.06.1977 – VIII ZR 240/75 –, WM 1977, 1089 ff. 139 Vgl. zu der „unbekümmerten“ Zusprechung hoher Schadensrechnungen auch Müller-Laube, JZ 1995, 538, 539. 140 BGH vom 19.04.1991 – V ZR 22/90 –, BGHZ 114, 193 ff. = JZ 1992, 464 ff. = DB 91, 2126 ff. = NJW 1991, 2277 ff. = ZIP 1991, 798 ff.
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dem als Diskotheken-Entscheidung bekannt gewordenen Urteil in ihrem Anwendungsbereich erheblich ein. Die Kläger hatten vom Beklagten ein Grundstück erworben und von einem Dritten (einem Pächter) eine Diskothek, die auf selbigem Grundstück betrieben wurde. Nach Abschluss der Verträge stellte sich heraus, dass die Diskothek aufgrund fehlender Stellplatzgenehmigung an Ort und Stelle nicht betrieben werden durfte, obwohl der Beklagte dies im Rahmen des Grundstückskaufvertrags zugesichert hatte. Der Grundstückskaufvertrag wurde rückabgewickelt. Daraufhin verlangten die Kläger vom Grundstücksverkäufer Schadensersatz aus § 463 BGB a. F. wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft, was dem Grunde nach unproblematisch war. Streitig blieben die geltend gemachten Schadensposten. Die Kläger forderten vom Grundstücksverkäufer auch Ersatz für die Aufwendungen, die sie zum Erwerb des Diskothekenunternehmens getätigt hatten. Der Bundesgerichtshof begrenzte nun erstmals die Ersatzfähigkeit einzelner Aufwendungen, indem er verschiedene Gruppen bildete. Im Ausgangspunkt unterschied er zwei Arten: solche Aufwendungen, die der Erbringung der Leistung dienen und jene, die auf der Leistung erst aufbauen und ihrer Verwendung zugedacht sind. Nur für die erste Gruppe sollte weiterhin die Rentabilitätsvermutung sprechen. Die Kosten der Beurkundung des Grundstückskaufs, der Eintragung der Auflassungsvormerkung in das Grundbuch und der Maklerlohn sind nach dieser Einteilung ersatzfähig. Es handelt sich um „Aufwendungen zur Erlangung der Gegenleistung“, so dass vermutet werden kann, dass sich Leistung und Gegenleistung gleichwertig gegenüberstehen und deshalb die Aufwendungen durch die Vorteile der Gegenleistung wieder eingebracht worden wären.141 Bezüglich der Möglichkeit des Schuldners, den Gegenbeweis anzutreten, finden nur noch Umstände Berücksichtigung, die eng mit dem Synallagma zusammenhängen. Der Vertrag muss für den Gläubiger unmittelbar verlustträchtig sein. Nachteile, die sich erst aus Folgegeschäften ergeben, können die Vermutung, das Erstgeschäft hätte sich rentiert und die Aufwendungen wieder hereingeholt, nicht entkräften.142 Ob der Erwerb der Diskothek ein wirtschaftlicher Fehlschlag gewesen wäre, war daher unerheblich. Erschließungskosten, Grundsteuer, Brandversicherung und Vermessungskosten schlug der Bundesgerichtshof, obwohl sie nicht der Erzielung der 141 142
BGH, JZ 1992, 464, 465. BGH, JZ 1992, 464, 465.
C. Reaktion: Die Diskotheken-Entscheidung
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Gegenleistung dienen, ebenfalls dieser ersten Gruppe von ersatzfähigen Aufwendungen zu. Die Kosten treffen die Kläger nämlich alleine deshalb, weil sie „Empfänger der – mangelhaften – Gegenleistung wurden. Sie stehen im notwendigen Zusammenhang mit dem Austausch von Leistung und Gegenleistung; aus der Sicht des Käufers stellen sie einen, durch Eigentum und Besitz an der Kaufsache aufgewogenen, Passivposten dar.“143
Davon sollten Anschaffungskosten für das Diskothekenunternehmen, Umbaukosten, Maklerlohn sowie Kosten für Verzinsung und Tilgung eines Brauereidarlehens unterschieden werden. Diese Investitionen gehören zur zweiten Gruppe von Aufwendungen, die den Leistungserhalt bereits voraussetzen und nur der späteren Verwendung dienen.144 Sie sollen von der Rentabilitätsvermutung nicht mehr erfasst sein, da sie außerhalb des Austauschverhältnisses von Leistung und Gegenleistung im Grundstückskauf stehen. Äquivalent für den Kaufpreis und andere Erwerbskosten für die Diskothek sei nicht das Grundstück sondern nur das Diskothekenunternehmen. Dass die Aufwendungen für die Diskothek durch deren Wert aufgewogen würden, werde unter den Parteien des Grundstücksgeschäfts nicht vermutet. Dies begründete der Bundesgerichtshof nunmehr selbst damit, dass es eine allgemeine Vermutung, eine Beteiligung am Wirtschaftsverkehr werde sich rentieren, nicht gebe.145 Der V. Senat bestätigte seine neue Linie in einer weiteren Entscheidung aus dem Jahre 1999.146 Die klagende Partei behielt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihren Aufwendungen Vermögenszuflüsse gegenüberstanden, „die von dem Gläubiger nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnten [. . .].“147 143
BGH, JZ 1992, 464, 466. BGH, JZ 1992, 464, 466. 145 BGH, JZ 1992, 464, 466. 146 BGH vom 22.10.1999 – V ZR 401/98 –, NJW 2000, 506 ff. = BGHZ 143, 41 ff. In diesem Fall hatte die Klägerin ein Grundstück gekauft, auf dem sie ein Bauprojekt verwirklichen wollte. Die Abwicklung des Grundstückskaufs scheiterte aufgrund der Erfüllungsverweigerung des Verkäufers. Der Klägerin waren Beurkundungskosten für den Grundstückskauf entstanden, Erschließungs- und Vermessungskosten, Grundsteuer und Brandversicherung. Außerdem hatte sie bereits Investitionen bezüglich des geplanten Bauprojekts getätigt. 147 BGH, NJW 2000, 506, 508. Vgl. auch kürzlich BGH v. 13.06.2006 – X ZR 167/04 –, n. v. das Verfahren war noch nach altem Schuldrecht zu entscheiden. Der BGH bestätigte die Diskotheken-Entscheidung, ohne das neue Recht zu erwähnen. 144
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D. Erneute Kritik I. Abgrenzungsprobleme Die Tendenz, der Rentabilitätsvermutung durch Ausdifferenzierung der Aufwendungsarten Konturen zu verleihen, ist grundsätzlich positiv zu werten.148 Bezüglich des eingeschlagenen Weges einer Unterscheidung nach Aufwendungen zum Leistungserhalt und solchen zur Leistungsverwendung, besteht dagegen kein Konsens. Man kann darin eine sachgerechte Risikoverteilung nach Wertungsgesichtspunkten sehen.149 Mit der Rentabilitätsvermutung hat dies jedoch wenig gemein. Stellt man entscheidend darauf ab, dass der Gläubiger eine vernünftige Kalkulation vornimmt und deshalb weiß, welche Aufwendungen bis zu welcher Höhe sich durch einen späteren Gewinn wieder amortisiert hätten, kann die Vermutung der Rentabilität nicht auf solche Aufwendungen für den Leistungserhalt beschränkt werden. Außerdem ist es in der Tat schwierig, den mutmaßlichen Gewinn einzelnen Aufwendungen zuzuordnen.150 Dieser ergibt sich vielmehr aus der Gesamtschau aller Investitionen. In der Diskotheken-Entscheidung waren der Erwerb eines geeigneten Grundstücks, des Diskotheken-Unternehmens sowie der Ausstattung gleichermaßen von Bedeutung für den Geschäftserfolg. Die Kosten für den Grundstückserwerb sollten deshalb nicht von den Folgeinvestitionen getrennt betrachtet werden. Die Unterscheidung der Aufwendungsgruppen gelang in der DiskothekenEntscheidung, kann in anderen Fällen aber auch zu Problemen führen. Zieht man beispielsweise die Entscheidung des Bundesgerichtshofs151 heran, in der die Kosten für einen aufwendigen Küchenausbau zugesprochen wurden, erscheinen diese zunächst als Folgeinvestitionen, die nach der Diskotheken-Entscheidung nicht mehr von der Rentabilitätsvermutung umfasst sein dürften. Der Nachweis eines Gewinns wäre der Klägerin sicherlich nicht gelungen, so dass die Klage abzuweisen gewesen wäre. Allerdings stand in diesem Fall in Frage, ob der Beklagte nicht eine bestimmte Anzahl an Bewirtungsgästen zugesichert und sogar als Bedingung für den Vertragsschluss gestellt hatte, dass die Klägerin diese Gästezahl zur Mittagszeit bewältigen 148
Wiedemann/Müller, JZ 1992, 464, 467; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 39 II 3, S. 273; Knothe, EWiR 1992, 441/442; Messer/Schmitt, in: Festschrift für Hagen, S.429. 149 Knothe, EWiR 1992, 441/442; ebenfalls zustimmend Grunsky in seiner Kommentierung zur Folgeentscheidung v. 22.10.1999, EWiR 2000, 117, 118. 150 Müller-Laube, JZ 1995, 538, 540; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 76. 151 BGH, WM 1977, 1089 ff.; vgl auch die Ausführungen oben unter Teil 1 B.III., S. 48 f.
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könne. Dann aber wäre der Küchenausbau gleichzeitig eine Aufwendung, die dem Abschluss und der Durchführung des Vertrags diente. Auf diese Weise müssten die Kosten weiterhin von der Rentabilitätsvermutung umfasst sein.152
II. Die Rentabilitätsvermutung als Deckmantel Die Vermutung rentabler Aufwendungen hat sich durch die in der Diskotheken-Entscheidung entwickelte Unwiderleglichkeit faktisch zu einer Fiktion gewandelt.153 Ein Gegenbeweis gegen die Vermutung, die Aufwendungen wären durch die erhoffte Gegenleistung wieder hereingebracht worden, wird kaum mehr zugelassen. Dies ist im Ergebnis sachgerecht, geht jedoch über eine reine prozessuale Beweiserleichterung zur Ermittlung des Nichterfüllungsschadens hinaus. Die Rentabilitätsvermutung bildet in der Tat – wie Müller-Laube zusammenfasst – „nur noch den äußeren Rahmen für die Entscheidung über die Schadenszuteilung, die ihre Wertungen verdeckt aus ganz anderen Zurechnungskriterien bezieht.“154 An mancher Stelle legt der BGH diese wertende Betrachtung offen.155 Die Subsumtion der Vermutungsvoraussetzungen in den Urteilsgründen weicht einer formelhaften Wiederholung der bisherigen Rechtsprechung; die Prüfung setzt erst bei der Unterscheidung der Aufwendungsarten ein.156 Diese Zurückhaltung des V. Senats könnte vor allem pragmatischen Gründen geschuldet sein. Zur bereits erwähnten Entscheidung „Eigentumswohnung“,157 die vom selben Senat getroffen wurde, merkte der Senatsvorsitzende158 nämlich an, dass eine Lösung des Problems der frustrierten Aufwendungen bei nichtkommerziellen Zwecken nicht denkbar sei, „ohne daß zugleich die gedankliche Grundlage für den Ersatz der ‚frustrierten‘ Aufwendungen überhaupt in Frage gestellt würde.“159 Noch deutlicher wird der Vorsitzende, als er in dieser Anmerkung offen legt, dass der V. Senat der Frage, „wie sich die (über die Beweiserleichterung nach § 252 Satz 2 BGB hinausgehende) Rentabilitätsvermutung überzeugend begründen lässt“ nicht nachgegangen sei.160 Die Schwächen der Rentabilitätsvermutung wa152 Leonhard, AcP 199, 660, 674. Vgl. als weiteres Beispiel der Abgrenzungsschwierigkeiten die Oskarverleihungs-Entscheidung unten unter Teil 1 G.I.3., S. 64 f.; außerdem Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 27. 153 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 74. 154 Müller-Laube, JZ 1995, 538, 540. 155 BGH, JZ 1992, 464, 465. 156 Vgl. BGH, JZ 1992, 464, 466; BGH, NJW 1999, 3625, 3627. 157 Vgl. die Ausführungen oben unter Teil 1 A.III.4.c), S. 41 f. 158 Vizepräsident des BGH a. D. Prof. Dr. Horst Hagen. 159 Hagen, LM Nr. 25 zu § 251 BGB, Bl. 2. 160 Hagen, LM Nr. 25 zu § 251 BGB, Bl. 2.
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ren nicht verborgen geblieben, eine umfassende Lösung mit den der Rechtsprechung zur Verfügung stehenden Mitteln jedoch (noch) nicht greifbar. Die Frage, ob eine mittelbare Gewinnerzielungsabsicht schon aufgrund des bloßen Zusammenhangs mit einem Erwerbsgeschäft zur Annahme der Rentabilität ausreichen soll, ließ der Senat deshalb vorsorglich unangetastet. Indem man sich auf den konkreten Umfang des Ersatzanspruchs konzentrierte und die Basis der Rentabilitätsvermutung als unstreitig darstellte, musste dieses Problem keiner endgültigen Klärung zugeführt werden. Der Erwerb des Grundstücks dient in dem der Diskotheken-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt nämlich zunächst der reinen Nutzung und nur mittelbar der Gewinnerzielung. Erst durch das Zusammenspiel mit dem Kauf des Diskothekenunternehmens und dessen Betreiben entsteht der kommerzielle Aspekt. Bei einer gescheiterten Grundstücksveräußerung scheint damit nur noch die Unterscheidung zwischen den Vertragskosten im engeren Sinne, die man erstattungsfähig machen wollte, und Aufwendungen für Folgegeschäfte, die der Gläubiger selbst tragen sollte, von Bedeutung. Dahinter steht der Gedanke, das Risiko des Vertragsscheiterns gerecht zu verteilen.161 So liest man in den Gründen der Diskotheken-Entscheidung, „diese dem ungestörten Leistungsaustausch zugrunde liegende Risikotrennung bleibt auch für die schadensrechtliche Abwicklung des gestörten Leistungsverhältnisses maßgeblich.“162
Die Kosten für den Vertragsschluss und die Durchführung sind in gewissem Umfang abschätzbar. Was der Gläubiger dagegen bereits für Folgegeschäfte investiert, liegt oftmals außerhalb des Einflussbereichs und der Kenntnismöglichkeit des Schuldners. Eine sachgerechte Lösung erfordert es, auch diese Interessen des Schuldners in die Entscheidung miteinzubeziehen.163 So betont der Senatsvorsitzende ebenfalls, es habe sich um eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung durch „Differenzierung nach Schadensquellen und Risikosphären“ gehandelt.164 Diesem Ziel war die Rentabilitätsvermutung in der Gestalt, die sie durch die Diskotheken-Entscheidung erfahren hat, ein Stück näher gekommen. Erreicht hatte sie es jedoch noch nicht, da sie Folgeinvestitionen nunmehr pauschal von der Ersatzmöglichkeit ausnahm. 161
BGH, JZ 1992, 464, 466. BGH, JZ 1992, 464, 466. 163 Müller-Laube, JZ 1995, 538, 540: Einordnung der Aufwendungen nach Kriterien der Risikoverteilung. 164 Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, S. 248; ähnlich Hagen, WM 1993, Sonderbeilage Nr. 5 S. 26; ebenso Staudinger-Otto2001, § 325 Rdnr. 87. 162
E. Auswirkungen der geänderten Rechtsprechung
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E. Auswirkungen der geänderten Rechtsprechung I. Folgen für die Stadthallen-Entscheidung Berücksichtigt man nun die Modifikationen, welche die Rentabilitätsvermutung durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Zeit seit der Stadthallen-Entscheidung erfahren hat, ist auch der Ausgangsfall noch einmal zu überdenken. Im Ergebnis wäre die Stadthallen-Entscheidung wohl auch zehn Jahre später gleich entschieden worden, allein die Begründung hätte auch anders, nämlich weniger grundsätzlich ausfallen können. Mit Blick auf die Unterscheidung der beiden Gruppen von Aufwendungsarten in der Diskotheken-Entscheidung lassen sich die Werbekosten der Veranstalterin entsprechend zuordnen, ohne dass es auf die Qualifizierung des Gläubigerzwecks als kommerziell oder ideell ankäme. Die Kosten für die Veranstaltungswerbung dienten nicht der Durchführung des Vertrags oder dem Erhalt der Leistung, denn Vertragsgegenstand war lediglich die Zurverfügungstellung der Stadthalle. Welche Ausgaben die Mieterin daraufhin tätigte, um die Mietsache gebührend in dem gewünschten Sinne nutzen zu können, spielt hierfür keine Rolle. Diese Aufwendungen bauen auf dem Leistungserhalt auf und sollen ihren Zweck erst bei der Verwendung der Leistung erfüllen. Damit gehören sie aber zur zweiten, nach der Diskotheken-Entscheidung als nicht ersatzfähig anzusehenden Gruppe frustrierter Aufwendungen. Dasselbe gilt für die ebenfalls angefallenen Kosten für Übernachtung, Verzehr und Anfahrt des Gastredners. Auch diese dienten nicht dem Erhalt der Mietsache, sondern alleine ihrer vorgesehenen Nutzung. Der Senat hätte die Klage mit dieser Begründung abweisen können, ohne überhaupt eine Aussage darüber treffen zu müssen, ob die Rentabilitätsvermutung bei ideellen Vertragszwecken anwendbar sei oder einem Ersatzanspruch die Schranke des § 253 I BGB entgegenstehe. Obschon die Unterteilung der Aufwendungsarten nach der Diskotheken-Entscheidung ebenfalls nicht unangreifbar ist, hätte eine solche Begründung sicherlich weit weniger Aufruhr in der Literatur hervorgerufen. Die Ersatzfähigkeit von Aufwendungen bei nicht kommerziellen Vertragszielen wäre auf diese Weise nicht grundsätzlich ausgeschlossen gewesen.
II. Nachtrag: Der politische Hintergrund der Stadthallen-Entscheidung Der dem Stadthallen-Fall zugrunde liegende Sachverhalt wurde bisher ohne nähere Angaben zu den beteiligten Personen und dem Grund für die Weigerung der Gemeinde, die Stadthalle zur Verfügung zu stellen, wieder-
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gegeben. Dem kundigen Leser sind die prekären Details bereits aus der Lektüre mancher Entscheidungsrezension bekannt. Bei der Klägerin handelte es sich um eine politische Partei, die in der Sachverhaltsschilderung des VIII. Senats ohne Namensnennung als „eingetragener Verein mit politischer Zwecksetzung“ beschrieben wird, „der in den Verfassungsschutzberichten des Landes Nordrhein-Westfalen 1982 und des Bundes von 1983 als rechtsextrem eingestuft wird“. Gemeint war die DVU.165 Die Gemeinde verletzte ihre mietvertraglichen Pflichten auch nicht etwa aus ganz unverständlichen Gründen, sondern aufgrund der Befürchtung, es könne zu gewalttätigen Ausschreitungen aufgrund von angekündigten Gegendemonstrationen kommen. Man sorgte sich außerdem um den Ruf der Stadt, würde diese eine solche Partei „beherbergen“ müssen. Gegenstand der Veranstaltung sollte ein Vortrag mit dem Titel „Das Geheimnis um Rudolf Heß“ sein. Redner war der Geschichtsrevisionist und Holocaustleugner David Irving.166 Unter Zugrundelegung dieser politischen Details und Ausblendung der rechtlichen Ebene kann die Klageabweisung durch den Bundesgerichtshof nur Zuspruch ernten. Eine rechtsextreme Veranstaltung, in deren Verlauf sowohl einzelne Personen im Publikum als auch der Redner sich wahrscheinlich über die Grenze des Rechts und zweifellos der politischen Moral hinwegsetzen, wurde unterbunden. Die Verwicklung zu Recht entrüsteter Gegendemonstranten in gewalttätige Auseinandersetzungen wurde verhindert. Warum sollte eine solche Organisation nun einen Ersatz ihrer Aufwendungen erhalten, die auch noch für eine solche äußerst missbilligenswerte Veranstaltung angefallen waren? Betrachtet man den Fall jedoch losgelöst von diesen Emotionen, muss man sich eingestehen, dass die Lösung nicht von der politischen Gesinnung der Mieterin abhängen darf. Solange ein Parteiverbotsverfahren gegen die DVU keinen Erfolg hat, muss der Rechtsstaat dem Gleichbehandlungsgebot Genüge tun. Aufgrund des Parteienprivilegs des Art. 21 II GG darf bis zu einer entsprechenden Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht nicht von der Verfassungswidrigkeit einer Partei ausgegangen wer165
Altmeppen, DB 2001, 1399, 1404 und Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 26 sprechen stattdessen von der NPD. In der nicht veröffentlichten Entscheidung der Berufungsinstanz Oberlandesgericht Düsseldorf v. 28.11.1985 – 10 U 95/85 – wird dagegen die DVU als eigentliche Veranstalterin angedeutet. Offiziell gemietet wurde die Halle anscheinend nicht von der Partei selbst, sondern von einer dieser offensichtlich nahestehenden Organisation, die ihre politischen Zielsetzungen jedoch keineswegs verbarg. 166 Der BGH spricht nur von dem englischen Historiker I. Aus der nicht veröffentlichten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf v. 28.11.1985 – 10 U 95/85 – ergibt sich, dass es sich um Irving handelte.
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den.167 Die Gemeinde durfte die Nutzung der Stadthalle deshalb nicht vereiteln. Die Voraussetzungen eines wirksamen Rücktritts lagen nämlich, trotz abstrakt bestehender Gefahr von Ausschreitungen und Straftaten, nicht vor, wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung auf mehreren Seiten ausführt. Zum einen gab es keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr durch die Gegendemonstrationen, die nicht durch Ausschluss einzelner störender Personen zu bannen gewesen wäre. Zum anderen muss nach ständiger Rechtsprechung der oberen Verwaltungsgerichte gegen die unmittelbar störende Versammlung vorgegangen werden, was in diesem Fall die Gegendemonstration, von der die Gewalt zunächst ausgehen sollte, gewesen wäre. Nur in Ausnahmefällen ist eine Maßnahme gegen den mittelbaren Veranlasser denkbar. Voraussichtliche Störungen, die von der DVU-Veranstaltung selbst ausgingen und nicht anderweitig abwendbar gewesen wären, konnten von der Gemeinde nicht vorgetragen werden. Zu bedenken war ferner, dass die Gemeinde bereits, als die Partei mit dem Wunsch nach einer Vermietung der Stadthalle an sie herantrat, deren politische Haltung und damit den Charakter der geplanten Veranstaltung hätte erkennen können.168 Damit darf, was die rechtlichen Konsequenzen eines Verstoßes gegen die vertraglichen Pflichten betrifft, kein Unterschied zwischen dem konkreten DVU-Fall und der Vortragsveranstaltung einer in der politischen Mitte stehenden Volkspartei oder einer gänzlich unpolitischen Organisation gemacht werden. Und dies führt wiederum zu dem Ergebnis, dass die Klageabweisung durch den VIII. Senat eine Lücke im Sanktionensystem des Bürgerlichen Rechts aufdeckte, weil für den Ersatz frustrierter Aufwendungen keine Regelung zur Verfügung stand. Nur kurz soll angemerkt werden, dass die DVU mit ihrem Klageantrag noch aus einem anderen Grund keinen umfassenden Erfolg haben konnte. Sie machte nämlich frustrierte Aufwendungen und entgangenen Gewinn geltend, den sie sonst durch Parteispenden und Druckschriftenverkauf erzielt hätte. Die Ansprüche schließen sich jedoch aus. Da die Aufwendungen deutlich kostspieliger als der entgangene Gewinn waren, hätte die DVU ihre Klage sinnvoller auf den Ersatz dieser Kosten beschränken müssen. 167 Vgl. BVerfG v. 21.03.1961 – 2 BvR 27/60 –, BVerfGE 12, 296, 304. Dasselbe gilt, wenn man davon ausgeht, dass nicht die Partei selbst die Halle gemietet hat, sondern eine andere Organisation mit politischer Zwecksetzung, solange diese nicht verboten ist. 168 Vgl. ausführlich BGH, NJW 1987, 831, 833 und auch OLG Düsseldorf v. 28.11.1985 – 10 U 95/85 –, n. v. Die Gemeinde hatte ihre Kenntnis im Prozess vehement bestritten. Zahlreiche Indizien sprachen jedoch für ihr Wissen.
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Was bleibt, sind jedoch gewisse Zweifel an der Eignung dieses „politisch gefärbten Sachverhalts [. . .] zur Entwicklung allgemeiner Prinzipien oder sogar gesetzgeberischer Aktivitäten [. . .]“.169
III. Ausweg für nicht kommerzielle Vertragszwecke? Auch wenn die Diskotheken-Entscheidung wiederum nicht gänzlich ohne Kritik bleibt, könnte der Bundesgerichtshof mit Hilfe der Weiterentwicklung der vermuteten Rentabilität hin zu einer kaum noch widerlegbaren Fiktion das Problem der Benachteiligung von Gläubigern mit nicht kommerziellen Vertragszwecken fast unbemerkt einer gangbaren Lösung näher gebracht haben. Wandelt man den Stadthallen-Fall insoweit ab, als neben den bereits erörterten Kosten Maklergebühren angefallen wären, hätte man diese nicht schon mit dem Hinweis auf ihren mangelnden Zusammenhang mit dem Synallagma als ersatzlos abtun können. Unter Heranziehung der DiskothekenEntscheidung könnte man nun dem Gedanken verfallen, dass auch diese Fallkonstellation im Sinne einer Ersatzfähigkeit gelöst werden könnte. Soweit es nämlich um die Aufwendungen zum Leistungserhalt geht, soll die Rentabilitätsvermutung nur noch durch den Nachweis eines zu erwartenden Verlusts im Hinblick auf das Zusammenspiel von Leistung und Gegenleistung widerlegt werden können. Folgegeschäfte sollen unberücksichtigt bleiben. Dann aber wäre nur zu prüfen, ob sich Leistung und Gegenleistung wirtschaftlich entsprechen. Entscheidend wäre lediglich, ob die Halle den vereinbarten Mietzins wert war, wofür wiederum eine Vermutung sprechen würde. Auf den Zweck des Mietvertrags und den Charakter der Veranstaltung käme es nicht an.170 Jedoch geht eine solche Interpretation der Diskotheken-Entscheidung zu weit. Es handelt sich um eine „wichtige Weiterentwicklung“171 der Rechtsprechung, vielleicht auch um eine vorsichtige Öffnung anderen Ansichten gegenüber. Unter Umständen hätte man auf dieser Basis in Zukunft neue Lösungswege einschlagen und auch immaterielle Vertragszwecke in die Ersatzfähigkeit einbeziehen können. Die Rentabilitätsvermutung entwickelte sich weg von dem Charakter einer Vermutung, vielleicht hin zu einem allgemeinen Grundsatz, dass Vertragskosten vom Schuldner zu ersetzen seien, der die Leistungsstörung auch verursacht hat. Dafür spricht auch die Art, wie das Problem teilweise in der Literatur behandelt wird, indem nämlich 169
AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 1 Fn. 4. In diese Richtung Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 79. 171 Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf S. 248; Hagen, WM 1993, Sonderbeilage Nr. 5 S. 26. 170
F. Ausblick
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von der Gegenleistung und den Aufwendungen als einem schlichtweg zu ersetzenden Mindestschaden die Rede ist, ohne dies dogmatisch näher einzuordnen.172 In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es zu weiteren Entscheidungen, die eine solche Entwicklung hätten fortführen können, jedoch nicht mehr gekommen. Hinzu kommt, dass die Diskotheken-Entscheidung genauso wie die Folgeentscheidung aus der Feder des V. Senats, dem Grundstückssenat, stammt, die Stadthallen-Entscheidung und einige andere Urteile zur Rentabilitätsvermutung dagegen vom VIII. Senat entschieden wurden. Dessen Zuständigkeit umfasst Streitigkeiten aus einer Reihe vertraglicher Schuldverhältnisse. Hätte der V. Senat tatsächlich schon eine Rechtsprechungsänderung einleiten wollen, hätte er dies gerade im Hinblick darauf, dass die Grundlage der Rentabilitätsvermutung auch von einem anderen Senat gefestigt wurde, näher dargelegt. Gegebenenfalls hätte er bei den anderen Senaten dann wohl angefragt, ob die bisherige Beschränkung auf kommerzielle Zwecke aufrechterhalten werden soll. Bezeichnenderweise wird eine solch weitreichende Interpretation der Diskotheken-Entscheidung auch in der Literatur nicht diskutiert. Insbesondere äußert auch der damalige Vorsitzende des V. Senats eine solche Absicht in seiner Darstellung der Rechtsprechung nicht.173
F. Ausblick Bis zur Schuldrechtsmodernisierung gab es keine Anzeichen, dass der Bundesgerichtshof in absehbarer Zeit explizit von seinen Prämissen abweichen würde. Als Ausweg – geeignetes Fallmaterial vorausgesetzt – wäre deshalb nur die Möglichkeit geblieben, sich vom dogmatischen Gerüst der Rentabilitätsvermutung ganz zu lösen und den Ersatz der entwerteten Aufwendungen aufgrund reiner Wertungsgesichtspunkte für ersatzfähig zu erklären. Die Diskotheken-Entscheidung hätte dann einen erster Schritt hin zu einer solchen – fiktiv gebliebenen – richterlichen Rechtsfortbildung dargestellt.174 Staudinger-Otto2001, § 325 Rdnr. 90: Nach Darlegung der verschiedenen in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansichten will Otto Aufwendungen aus Wertungsgesichtspunkten ersetzen, soweit sie typischerweise mit dem Nutzungszweck verbunden sind und zu einem zumutbaren Risiko führen. Emmerich, Leistungsstörungen, § 13 IV 1, S. 206, ausführlich in der Vorauflage, § 11 IV, S. 136 ff.; Soergel-U. Huber, § 463 Rdnr. 49. 173 Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, S. 248/249. In seiner Anmerkung zur Entscheidung „Eigentumswohnung“ in LM Nr. 25 zu § 251 BGB Bl. 1 weist Hagen immerhin aber auf die abstrakte Möglichkeit einer richterlichen Rechtsfortbildung mit Hilfe von Beweiserleichterungen hin. 172
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Im Rahmen der Frage, ob eine Entschädigung für einen reinen Nutzungsausfall gewährt werden solle, hat der große Senat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung im Jahre 1986 diesen Weg gewählt. Er stellte fest, dass sich die Nutzungseinbuße nach der Differenzhypothese nicht als Vermögensschaden darstellen lasse, aber ein Ersatz aufgrund des Schutzzwecks der Haftung und der Ausgleichsfunktion des Schadensrechts geboten sei. Auch hier lag ein Grund für den Wunsch nach einer Ersatzfähigkeit in der missbilligten Privilegierung erwerbswirtschaftlicher gegenüber eigenwirtschaftlicher Nutzung. Wer sein Eigentum gewerblich nutzte, konnte regelmäßig nämlich einen entgangenen Gewinn geltend machen.175 Um eine Kollision mit § 253 I BGB zu vermeiden und die Entschädigungsmöglichkeit nicht zu weit auszudehnen, soll der Anspruch beim Nutzungsausfall von bloßen Luxusgütern ausgeschlossen sein.176 Diese Vorgehensweise des Bundesgerichtshofs wird heute allgemein als zulässige Rechtsfortbildung eingestuft.177 Dementsprechend wäre auch bei frustrierten Aufwendungen eine Ausdehnung des Aufwendungsersatzanspruchs aus Wertungsgesichtspunkten auf alle Geschäfte unabhängig vom Vertragszweck möglich gewesen. Denkbares Ergebnis wäre zumindest ein allgemeiner Vertragskostenersatz eines jeden Gläubigers im Falle einer Leistungsstörung gewesen. Die ablehnende Haltung der Rechtsprechung gegenüber einer Analogie zu §§ 467 S. 2, 634 IV BGB a. F. ließe einen solchen Schritt zwar zunächst unwahrscheinlich erscheinen. Die Vorschriften im Kauf- und Werkvertragsrecht gewährten dem Gläubiger im Falle der Wandlung einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Ersatz der Vertragskosten.178 Eine Ausdehnung dieser Normen auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht wurde von der überwiegenden Meinung in der Literatur sowie der Rechtsprechung abgelehnt.179 Man hielt einen solchen Anspruch nämlich in allen anderen Fällen 174 Vgl. Esser, Grundsatz und Norm, Teil 4 S. 268–289 und S. 306–362 zur Bildung von Richterrecht und Rechtsfortbildung in kleinen Schritten. Vgl. auch Hagen, DNotZ Sonderheft S. 42 f. 175 Hagen, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 7 S. 16. 176 Vgl. BGH GS v. 09.07.1986, NJW 1987, 50, 51 f. Vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung den Überblick und die Fundstellen bei MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 58. Zu weiteren Lösungsansätzen: Lange/Schiemann, § 6 VII 4, S. 283 ff. Zur Kritik an der Entscheidung u. a. Medicus, BR, § 33 III 2 c, S. 581 Rdnr. 829; derselbe, NJW 1989, 1889, 1893; Schiemann, JuS 1988, 20 ff., insb. S. 24. 177 MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 63; Soergel-Mertens, Vor § 249 Rdnr. 77; Lange/ Schiemann, § 6 VII 4, S. 284 f.; Schiemann, in: Festschrift für Hagen, S. 30; Weitemeyer, AcP 205, 275, 280. 178 Althammer, NZM 2003, 129, 131. 179 BGH v. 21.12.1984 –V ZR 206/83 –, NJW 1985, 2697 f.; Althammer NZM 2003, 129, 131.
G. Lösungsansätze in der Literatur
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einer Leistungsstörung gerade aufgrund der Rentabilitätsvermutung für entbehrlich.180 Diese Auffassung hat sich als Trugschluss erwiesen.181 Eine Abkehr von der ablehnenden Haltung hin zu einem allgemeinen Anspruch auf Vertragskostenersatz für alle Gläubiger wäre deshalb nicht unplausibel gewesen. Allerdings hätte dies das Problem der frustrierten Aufwendungen wiederum nicht umfassend lösen können. Ferner wäre wohl ein Rest dogmatischer Kritik genauso wie im Falle der Nutzungsausfallentschädigung geblieben. Und schließlich hätte man es auch dem Zufall überlassen müssen, ob dem Bundesgerichtshof überhaupt die geeigneten Fälle zur Entwicklung dieser Rechtsfortbildung vorgelegen hätten. Bis dahin wäre vermutlich eine lange „Durststrecke“ divergierender Entscheidungen zu verkraften gewesen, bis sich eine einheitliche Linie herausgebildet hätte.182
G. Lösungsansätze in der Literatur I. Umgehung von § 253 BGB 1. Begründungsvarianten In der Literatur suchte man ebenfalls nach Auswegen. Lediglich ganz wenige Stimmen sprachen sich völlig gegen einen Ersatz entwerteter Aufwendungen aus; dies jedoch nicht etwa deshalb, weil sie ein solches Ergebnis für gerecht hielten, sondern weil sie einer strengen Gesetzesanwendung den Vorzug gaben.183 Sei kein tatsächlich entgangener Gewinn feststellbar, habe der Gläubiger nur die Möglichkeit des Rücktritts, um sein negatives Interesse zu verfolgen.184 Zumeist wollte man mit dem Bundesgerichtshof an den beschriebenen Prämissen und der Rentabilitätsvermutung festhalten. Um auch im Bereich nichtkommerzieller Geschäfte zu einem Ersatz zu gelangen, entwickelten 180
BGH, NJW 1985, 2697/2698. Vgl. für eine Analogie zu § 467 S. 2 Muscheler, NJW 1985, 2686 ff. 182 Vgl. zu diesen Problemen in der Phase vor einer Entscheidung des großen Senats Hagen, JZ 1983, 833 ff. am Beispiel der Nutzungsausfallentschädigung. 183 Ströfer, Schadensersatz und Kommerzialisierung, S. 266; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 157. 184 Ganz blieben die Vertreter dieser Auffassung ihrer Linie jedoch nicht treu. Die bereits erbrachte Gegenleistung sollte durchaus im Rahmen des positiven Interesses ersetzt werden, vgl. Ströfer, Schadensersatz und Kommerzialisierung, S. 267. Teilweise wurde der Ausweg auch in einer Ergänzung des Rücktrittsrechts um einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens gesehen, vgl. Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 160. 181
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sich verschiedene Konstruktionen, die allesamt das Verbot des § 253 I BGB zu umgehen versuchten, das der Bundesgerichtshof ausdrücklich als Grund für seine restriktive Rechtsprechung ansah. Vielfach wurde auf die vertragliche Vereinbarung abgestellt. Der Schuldner habe es regelmäßig hinzunehmen, „wenn der Gläubiger sein Interesse an der Leistung nach dem zur Interessenverwirklichung nötigen Aufwand bewertet.“185 Dabei sollten die Aufwendungen, die erkennbar für die Interessenverwirklichung erforderlich sind, als Maßstab zur Bewertung dieses Interesses dienen. Der Schuldner unterwerfe sich diesem Maßstab, soweit die Aufwendungen als sinnvoll angesehen werden könnten. Voreilige und etwa noch rückgängig zu machende Aufwendungen seien nicht zu ersetzen.186 Der Nachweis des Verlustgeschäfts solle bei kommerziellen Interessen möglich sein. Der Gläubiger könne dann auf den objektiven Wert der Leistung verwiesen werden, wenn dieser geringer sei als der Betrag der Aufwendungen. Bei einem immateriellen Interesse scheide dieser Einwand aus. Der Schuldner müsse hinnehmen, dass der Gläubiger sein Interesse mindestens mit der Höhe der Aufwendungen berechne.187 Ein verwandter Gedanke ist es, § 253 I BGB bei ideellen Vertragszwecken für konkludent abbedungen anzusehen. Auch der ideelle Vorteil solle ein Äquivalent der im Vertrauen auf die Vertragserfüllung getätigten Aufwendungen bilden können und deshalb zu einem Ersatzanspruch führen.188 Manche wollen auch § 253 I BGB in dem speziellen Fall der frustrierten Aufwendungen teleologisch reduzieren und auf diese Weise seine Rechtsfolge umgehen. Bei den hier in Frage stehenden Aufwendungen sei nämlich die Gefahr einer übermäßigen Beurteilungsfreiheit der Gerichte bei der Bewertung immaterieller Interessen weniger dringlich und auch das Risiko, dass übertriebene Aufwendungen den ersatzfähigen Schaden in die Höhe trieben, sei beschränkt. Der Gläubiger tätige die Aufwendungen immerhin in der Aussicht auf eine Durchführung des Vertrags, also auch im Gedanken, sie dauerhaft selbst tragen zu müssen. Deshalb sei davon auszugehen, dass er nur solche Anstrengungen unternehme, die auch seinem Interesse 185
Stoll, in: Festschrift für Duden, S. 651. Bei der Durchsicht der Publikationen Stolls ist allerdings Vorsicht geboten. In späteren Beiträgen wendet sich Stoll von der Ansicht ab, die Aufwendungen nur zur Bestimmung des Erfüllungsinteresses heranzuziehen und will sie selbst als Schaden verstanden wissen, der als Teil des negativen Interesses zu ersetzen sein soll, vgl. dazu die Ausführungen unten unter Teil 1 G.III., S. 70 ff. und Stoll, Anm. zur Stadthallen-Entscheidung, JZ 1987, 517, 518 und Fn. 6. 186 Stoll, in: Festschrift für Duden, S. 653/654. Der BGH ablehnend schon in der Entscheidung „Eigentumswohnung“, BGHZ 71, 234, 242 f. 187 Stoll, in: Festschrift für Duden, S. 658. 188 Messer/Schmitt, in: Festschrift für Hagen, S. 434/435.
G. Lösungsansätze in der Literatur
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entsprechen und sich für ihn zumindest subjektiv rentierten. Eine Manipulationsgefahr sei gering und eine teleologische Reduktion gerechtfertigt.189 Oftmals erfolgt die Begründung auch ganz offenkundig ergebnisorientiert. Gerechtigkeitserwägungen werden dann als maßgeblicher Grund für einen Ersatzanspruch genannt.190 2. Die Oskarverleihungs-Entscheidung Der Weg über eine Umgehung von § 253 BGB findet sich interessanterweise auch in einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln aus dem Jahre 1993.191 Ein wohlhabendes Ehepaar bestellte bei einer Reiseveranstalterin in Deutschland Eintrittskarten für die Oskarverleihung in Los Angeles. Dabei garantierte diese, die Karten pünktlich vor der Veranstaltung in das Hotel der Eheleute in Los Angeles zu liefern. Vor Ort angekommen stellte sich jedoch heraus, dass die Schuldnerin ihr Versprechen nicht einhalten konnte. Die enttäuschten Eheleute flogen daraufhin am nächsten Tag, wie zuvor schon geplant, zurück nach Deutschland. Sie klagten nun gegen die Veranstalterin auf Ersatz der Kosten für ihren Flug in der 1. Klasse und die Übernachtung in einem Luxushotel. Die Summe der Reisekosten belief sich auf fast 20.000 DM.192 Das Oberlandesgericht Köln gab der Klage im Wesentlichen statt und gewährte Ersatz für diese Aufwendungen als Teil des Nichterfüllungsschadens. Zwar war die Rentabilitätsvermutung aufgrund des ideellen Zwecks der Reise eigentlich nicht erfolgversprechend. Aber man sah § 253 BGB als konkludent abbedungen an.193 Dem Parteiwillen sei zu entnehmen, dass auch ein ideeller Vorteil das „vermögensmäßige Äquivalent“194 der im Vertrauen auf die Vertragserfül189
v. Randow, EWiR 1994, 965, 966; so auch Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 177 für das deutsche und österreichische Recht. 190 Z. B. Timme, ZfS 1999, 502, 503: „Überzeugender ist es daher, im Grundsatz an der Rentabilitätsvermutung festzuhalten, der berechtigten Kritik aber im Einzelfall Raum zu geben.“ Andeutungsweise soll wohl der Parteiwille dieses Ergebnis tragen. Emmerich, Leistungsstörungen4, § 11 IV 2, S. 137 tendiert ebenfalls zu einem Aufwendungsersatz, um die Sanktionslosigkeit der Vertragsverletzung zu verhindern. Der Anspruch erscheine schon auf den ersten Blick selbstverständlich. Die Sanktionslosigkeit könne nicht richtig sein. Um das gewünschte Ergebnis zu erreichen, schlägt er „sehr hohe Anforderungen“ an den Gegenbeweis vor. 191 OLG Köln v. 16.09.1993 – 7 U 89/93 – NJW-RR 1994, 687 f.; zustimmend Messer/Schmitt, in: Festschrift für Hagen, S. 434/435; v. Randow, EwiR 1994, 965, 966. 192 OLG Köln, NJW-RR 1994, 687. 193 OLG Köln, NJW-RR 1994, 687, 688. 194 OLG Köln, NJW-RR 1994, 687, 688.
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lung getätigten Aufwendungen sein könne. Dadurch, dass die Beklagte hier eine Garantie abgegeben habe, die Eintrittskarten rechtzeitig zu liefern, habe sie auch eine besondere Gewähr für die Erreichung des von den Klägern verfolgten Zwecks übernommen. Deshalb könne sie sich nun nicht mehr darauf berufen, dass der Schaden nur ein immaterieller sei.195 Die Reisekosten wurden vom Oberlandesgericht Köln in voller Höhe zugesprochen. Der Gläubiger könne nämlich selbst entscheiden, welche Aufwendungen er als sinnvoll und lohnend erachte. Die Beklagte habe aufgrund des von ihr angesprochenen Kundenkreises auch davon ausgehen müssen, dass sich die Reisekosten im gehobenen Preissegment bewegen.196 Indem das Oberlandesgericht Köln den Weg über diese Vertragsauslegung im Sinne einer Garantie wählte, lässt sich erklären, dass es keinen Vorlagebeschluss zum Bundesgerichtshof fassen musste. Ein offener Bruch mit der ständigen Rechtsprechung des obersten Zivilgerichts wurde vermieden. 3. Kritik Dieser Lösungsansatz führt das Problem frustrierter Aufwendungen keiner grundsätzlichen Klärung zu. Die problematische Rentabilitätsvermutung bleibt vordergründig Basis der Schuldnerhaftung, obwohl Rentabilitätserwägungen die Entscheidung gerade nicht stützen. Besonderheiten des Einzelfalls sollen nämlich zu einer Korrektur der Vermutung berechtigen. Freilich sollten die konkreten Umstände des Sachverhalts, wie beispielsweise die Vorhersehbarkeit der Aufwendungen für den Schuldner, Einfluss auf den Haftungsumfang haben. Zur Haftungsgrundlage taugen sie jedoch nicht. Offen bleibt in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln des Weiteren, ob man die Beschränkung, welche die Rentabilitätsvermutung durch die Diskotheken-Entscheidung erfahren hat, mittragen möchte. Bei näherer Betrachtung ist es keinesfalls sicher, dass es sich bei der Reise zur Oskarverleihung um Aufwendungen handelte, die alleine den Leistungserhalt bezwecken sollten. Immerhin diente die Reise nach Los Angeles den Klägern primär dazu, die Veranstaltung zu besuchen, also der Nutzung des Vertragsgegenstands. Hätten sie die Eintrittskarten bereits zu Hause erhalten und wären aus anderen Gründen nicht zur Veranstaltung zugelassen worden, wären die Reisekosten als Folgeinvestitionen eindeutig auszumachen. Der Umstand, dass die Karten erst vor Ort bereit liegen sollten und damit die Reise 195 OLG Köln, NJW-RR 1994, 687, 688; anders dagegen LG Lüneburg v. 11.08.2000 – 8 S 41/00 –, NJW 2002, 614, wonach ein Nebenkostenersatz bei Konzertausfall mit den Argumenten der Stadthallen-Entscheidung abgelehnt wurde, ohne die Möglichkeit einer Abbedingung des § 253 BGB zu erwägen. 196 OLG Köln, NJW-RR 1994, 687, 688.
G. Lösungsansätze in der Literatur
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formell auch der Erlangung der Gegenleistung diente, kann nicht den Ausschlag für die Haftungsfrage geben. Dies wiederum bestätigt die Abgrenzungsschwierigkeiten, welche die Differenzierung bewältigen muss. Auch zeigt sich, dass eine Rechtsfortbildung hin zu einem generellen Ersatz von Vertragskosten dem Gläubiger nicht immer eine ausreichende Hilfe sein würde. Was sich diesem Ansatz jedoch entnehmen lässt, ist der starke Wunsch, dem Gläubiger unabhängig vom Vertragsziel und vom Zweck der Aufwendungen in einem angemessenen Umfang zu einem Aufwendungsersatzanspruch zu verhelfen.197
II. Frustrationslehre 1. Begriff und Herkunft Mit Hilfe der Frustrationslehre soll es ebenfalls gelingen, dem Gläubiger seine nutzlos gewordenen Aufwendungen unabhängig von deren Zweck zu ersetzen. Als entscheidungserheblich gilt hiernach, dass der mit den Aufwendungen erstrebte Zweck aufgrund des schuldhaften Fehlverhaltens des Schuldners nicht erreicht werden konnte. Die Frustrationslehre ist nicht auf vertragliche Beziehungen beschränkt. Vielmehr wurde sie speziell zur Lösung schadensersatzrechtlicher Probleme im Bereich der unerlaubten Handlungen entwickelt. Ihr Ursprung ist Andreas von Tuhr zuzusprechen, der die Aufwendungen selbst bereits im Jahre 1907 aufgrund ihrer Frustrierung als Schaden ansah.198 Er wollte auf diese Weise die schwierige Einordnung von Nutzungen und Genüssen als materielle oder immaterielle Werte vermeiden. Bekannt wurden seine Ausführungen zum „Opernkarten-“ und „Katzenfall“.199 In beiden Beispielen verfehlten die getätigten wirtschaftlichen Aufwendungen ihren Zweck, ohne dass dieser selbst ein kommerzieller war. Wegen der verschuldeten Zweckverfehlung wollte von Tuhr die zunächst aus freien Stücken getätigten Aufwendungen nachträglich einem Schaden gleichstellen.200 Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 4; Timme, ZfS 1999, 502.; U. Huber, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 182. 198 v. Tuhr, KritVJSchr Bd. 47 (1907) S. 66; derselbe, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Erster Band, S. 320 Fn. 33a; v. Tuhr/Siegwart, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, § 12 II, S. 76. 199 v. Tuhr, KritVJSchr Bd. 47 (1907) S. 66; v. Tuhr/Siegwart, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, § 12 II, S. 76 Fn. 10. 200 Vgl. auch die Darstellung bei Tolk, Frustrierungsgedanke und Kommerzialisierung, S. 51. 197
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2. Entgangene Nutzungen und Genüsse Bedeutung erlangte die Frustrationslehre vor allem in den 60-er und 70-er Jahren. Sie fand Eingang in zahlreiche rechtswissenschaftliche Beiträge201 und wurde vor allem zur Lösung zweier zu dieser Zeit sehr aktueller Fragen des Schadensersatzrechts herangezogen. Dies waren der Nutzungsausfallschaden und der Ersatz für entgangene Urlaubsgenüsse. Die Rechtsprechung hält eine Nutzungsausfallentschädigung insbesondere für ein beschädigtes Fahrzeug für sachgerecht. Der Anspruch wird im Wesentlichen mit Wertungsgesichtspunkten begründet, da ein Ersatz unter strenger Anwendung der Differenzhypothese nicht in Betracht kommt. Dieser Weg der Praxis hat sich mittlerweile verfestigt und kann als anerkannte Rechtsfortbildung angesehen werden.202 Bis zur Entscheidung des großen Senats bestand jedoch keinesfalls Klarheit über die Begründung dieses von einer in Literatur und Praxis breiten Basis gewünschten Ergebnisses. Die Rechtsprechung griff zumeist auf den Kommerzialisierungsgedanken zurück.203 Demnach sind Gebrauchs- und Genussmöglichkeiten, denen die Verkehrsauffassung einen wirtschaftlichen Wert beimisst und die im Verkehr mit Geld erworben werden können, dem Vermögen zuzuordnen. Der Entschädigungsanspruch orientiert sich an den Kosten einer Ersatzbeschaffung zur Wiederherstellung dieser Nutzungsmöglichkeit.204 Bei einem beschädigten Fahrzeug wurde deshalb ein Ersatz zugesprochen, der sich an die Mietkosten für einen Ersatzwagen anlehnte.205 In der Literatur wurde dagegen vielfach die Frustrationslehre herangezogen. Aufgrund der andauernden Kritik206, man könne mit ihrer Hilfe die 201 U. a. Larenz, in: Festschrift für Oftinger, S. 151; derselbe, SchuldR AT Bd. 110, § 29 II, S. 348. Larenz hat diese Auffassung in der 11. Auflage seines Lehrbuchs aufgegeben, vgl. Larenz, SchuldR AT Bd. 111, § 29 II, S. 399; Löwe, VersR 1963, 307, 310 ff.; derselbe, NJW 1964, 701,704; Esser-E. Schmidt6, SchuldR Bd. I AT, § 31 III, S. 489 ff.; in differenzierter Weise auch weiterhin Esser-E. Schmidt, SchuldR Bd. I AT Teilbd. 2, § 31 III, S. 195. Vgl. auch die Zusammenstellung der verschiedenen Ausrichtungen bei Tolk, Frustrierungsgedanke und Kommerzialisierung, S. 50–54. 202 BGH GS v. 09.07.1986, NJW 1987, 50, 51 f. Vgl. auch die Ausführungen oben unter Teil 1 F., S. 59 f. 203 Richtungsweisend u. a. BGH v. 30.09.1963, NJW 1964, 542, 543; Vgl. auch die Darstellung einer Vielzahl von Urteilen seit 1902 bei Tolk, Frustrierungsgedanke und Kommerzialisierung, S. 21–36. 204 Tolk, Frustrierungsgedanke und Kommerzialisierung, S. 15 f. 205 BGH, NJW 1964, 542, 545; BGH v. 15.04.1966, NJW 1966, 1260, 1262 = BGHZ 45, 212, 221; in gewisser Weise auch BGH GS, NJW 1087, 50, 53 „bereinigte“ Mietkosten. 206 Vgl. z. B. BGH, NJW 1987, 831, 834; Paulisch, Diskussionsbeitrag zu Stoll, in: Freiburger Begegnungen, S. 73; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 6 IV, S. 256; Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 78.
G. Lösungsansätze in der Literatur
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Kausalität zwischen haftungsbegründendem Ereignis und den Aufwendungen nicht schlüssig darstellen, wurde die ursprüngliche Lehre jedoch abgewandelt. Man stellte die Aufwendungen dem Schaden nunmehr lediglich gleich207 und begnügte sich mit einer Fiktion, die man aus Billigkeitsgründen für angebracht hielt.208 Die Aufwendungen stellten eine Vermögensminderung dar, die durch ein Äquivalent (die Erreichung des verfolgten Zwecks) aufgewogen worden wären, das dann weggefallen sei. Zumindest zwischen dem die Ersatzpflicht begründenden Ereignis und dem Fortfall des Äquivalents bestehe ein kausaler Zusammenhang. Dies rechtfertige die Charakterisierung der Zweckverfehlung als Schaden, dessen Höhe sich nach den getätigten Aufwendungen bemesse.209 Auch die für einen Schaden geforderte Unfreiwilligkeit, die bei Aufwendungen gerade nicht vorliegt210, wurde auf diese Weise herbeigeführt, indem man auf das Nutzloswerden beziehungsweise die Frustrierung abstellte. Diese geschieht bei einer Störung der Vertragserfüllung unzweifelhaft ungewollt.211 Im Hinblick auf die Problematik des Kfz-Nutzungsausfalls liegt der Schaden unter Zugrundelegung dieses Gedankens in den anteiligen nutzlos gewordenen Generalunkosten wie Kfz-Steuer, Versicherung oder auch Garagenmiete.212 Man sah die Frustrationslehre dem Kommerzialisierungsgedanken als überlegen an, weil diese mit dem Bezug auf die Aufwendungen auf eine feststehende Größe für den Ersatzanspruch abstellte. Die Rechtsprechung müsse die Höhe des Nutzungsausfallschadens dagegen erst durch eine Wertung bestimmen.213 Außerdem gebe sie die Trennung zwischen materiellem und immateriellem Schaden auf und öffne einer Kommerzialisierung ideeller Werte Tür und Tor.214 In der Rechtsprechung wurde die Lösung über die Frustrationslehre trotzdem abgelehnt. In einigen Entscheidungen der Praxis finden sich immerhin aber insoweit Anklänge, als die Generalunkosten als Schadensposten ins Spiel gebracht wurden.215 207 Löwe, NJW 1964, 701, 704; Ströfer, Schadensersatz und Kommerzialisierung, S. 58; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 5. 208 Löwe, VersR 1963, 307, 310. 209 Larenz, in: Festschrift für Oftinger, S. 161; derselbe, SchuldR AT Bd. 110, § 29 II, S. 348; E. Schmidt, in: Festschrift für Gernhuber, S. 425; vgl. dazu auch Staudinger-Otto2001, § 325 Rdnr. 89. 210 Küppers, Verdorbene Genüsse, S. 34, BGH, NJW 1987, 831, 834. 211 E. Schmidt, in: Festschrift für Gernhuber, S. 425; Löwe, NJW 1964, 701, 704. 212 Larenz, in: Festschrift für Oftinger, S. 162; derselbe, SchuldR AT Bd. 110, § 29 II, S. 348. 213 Larenz, in: Festschrift für Oftinger, S. 169; derselbe, SchuldR AT Bd. 110, § 29 II, S. 348. 214 Löwe, VersR 1963, 307, 308; derselbe, NJW 1964, 701, 704; Larenz, in: Festschrift für Oftinger, S. 169.
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Zur Lösung des schadensrechtlichen Problems der entgangenen Urlaubsfreuden zeigte sich eine ähnliche Zweiteilung in Rechtsprechung und Lehre. Die Rechtsprechung ordnete den an sich immateriellen Reisegenuss mittels der Idee der Kommerzialisierung als Vermögenswert ein und gelangte auf diese Weise zu einem Entschädigungsanspruch.216 Die Vertreter der Frustrationslehre stellten wiederum auf die Nutzlosigkeit der getätigten Reiseaufwendungen ab.217 Im Seereisefall des Bundesgerichtshofs klingen die Aufwendungen zur Bemessung der Schadenshöhe jedoch zumindest an.218 Die Frustrationslehre ist nicht auf diese beiden Problemkreise beschränkt, die überwiegend im außervertraglichen Bereich angesiedelt sind. Auch die hier zu behandelnden frustrierten Aufwendungen im Vertrauen auf eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung lassen sich mit ihrer Hilfe als ersatzfähig einordnen.219 Zieht man vergleichend die Rechtsprechung zur Rentabilitätsvermutung heran, fallen gewisse Ähnlichkeiten auf.220 Dies ist vor allem deshalb erstaunlich, weil sich der Bundesgerichtshof gerade stark von der Frustrationslehre distanziert.221 Das entscheidende Element der Rentabilitätsvermutung ist jedoch, dass nicht die Aufwendungen selbst ersetzt werden, sondern die Vereitelung der Gewinnchance, das heißt eben gerade die Verhinderung der Zweckerreichung – oder auch die Frustrierung des Gläubigers. Diese Ähnlichkeit erkennt auch das Oberlandesgericht Saarbrücken. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1998 wird ein Ersatz frustrierter Aufwendungen für eine „geplatzte“ Hochzeitsfeier abgelehnt, da der Zweck ein immaterieller sei. Das Gericht ordnet den Nachteil als Frustrationsschaden ein und stellt fest, dass ein solcher nur bei vermuteter Rentabilität zu ersetzen sei.222 215 BGH, NJW 1964, 542, 545; BGH v. 30.09.1963, NJW 1964, 717; BGH v. 18.05.1971, BGHZ 56, 214, 218 ff.; OLG Düsseldorf v. 18.11.1965, VersR 1968, 77; BGH, GS NJW 1987, 50, 53; vgl. auch Tolk, Frustrierungsgedanke und Kommerzialisierung, S. 21 ff. 216 BGH v. 07.05.1956, NJW 1956, 1234, 1235 (Seereisefall); BGH v. 10.10.1974, BGHZ 63, 98, 101 ff. 217 Larenz, in: Festschrift für Oftinger, S. 156; Löwe, VersR 1963, 307, 312. 218 BGH, NJW 1956, 1234, 1235; vgl. kritisch hierzu Larenz, in: Festschrift für Oftinger, S. 156. Aus diesem Grund lehnte der BGH in einer Entscheidung v. 22.02.1973 einen Ersatzanspruch dann ab, wenn keine Aufwendungen getätigt waren und nur die Urlaubsfreude an sich als immaterieller Schaden in Betracht kam, BGHZ 60, 214 ff. = NJW 1973, 747 ff. 219 E. Schmidt, in: Festschrift für Gernhuber, S. 425; Soergel-Mertens, Vor § 249 Rdnr. 102, 106. 220 Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 54. 221 Ausdrücklich in der Stadthallen-Entscheidung, BGH, NJW 1987, 831, 835; ebenso BGH, BGHZ 71, 234, 237 (Eigentumswohnung); andererseits wird auf S. 239 aber eingeräumt, dass die Rentabilitätsvermutung mit dem Frustrationsgedanken zusammenhängt.
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3. Kritik Die Befürworter der Lehre verweisen auf § 1298 I BGB als gesetzliche Ausprägung dieses Frustrationsgedankens. Danach wird Ersatz für Aufwendungen gewährt, die infolge der Auflösung eines Verlöbnisses unbrauchbar geworden sind.223 Allerdings muss man die Verallgemeinerungsfähigkeit einer solchen speziellen Norm des Familienrechts anzweifeln. Vor allem setzt § 1298 BGB jedoch ein Schuldverhältnis und einen darauf beruhenden Vertrauenstatbestand voraus. Es kann sich deshalb nicht um eine gesetzliche Verankerung der Frustrationslehre handeln, die ihren Schwerpunkt im Deliktsrecht innehat.224 Die Frustrationslehre hat zur Konsequenz, dass der Geschädigte mittels Vornahme von Aufwendungen den Schaden und damit den Ersatzanspruch in seinem Grunde und seiner Höhe bestimmen kann. Ob ein Vermögensschaden vorliegt oder nicht, muss jedoch objektiv bestimmbar sein und darf nicht vom Verhalten des jeweiligen Gläubigers abhängen.225 Indem auf den materiellen oder immateriellen Zweck der Aufwendungen abgestellt wird, droht eine Umgehung von § 253 I BGB.226 Da ein näherer Kontakt in Form einer schuldrechtlichen Beziehung zwischen den Parteien keine Voraussetzung eines Ersatzanspruchs ist, wäre diese Ersatzfähigkeit letztlich uferlos.227 222 OLG Saarbrücken v. 20.07.1998, NJW 1998, 2912, 2913. Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Frustrationsschadens behandeln die Rentabilitätsvermutung: MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 48; Staudinger-Schiemann2005, § 249 Rdnr. 126; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 117; Medicus, SchuldR AT, S. 233. Stoll, Haftungsfolgen, S. 319/320 betont dagegen, es bestünde kein Zusammenhang. 223 E. Schmidt, in: Festschrift für Gernhuber, S. 426. 224 Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 6 IV, S. 256. 225 Medicus, BR, § 33 III 2, S. 578 Rdnr. 826; derselbe, VersR 1981, 594, 601; MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 46; Stoll, Haftungsfolgen, S. 317/318; Messer/Schmitt, in: Festschrift für Hagen, S. 442; Staudinger-Schiemann2005, § 249 Rdnr. 125; Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 82. 226 Tolk, Frustrierungsgedanke und Kommerzialisierung, S. 110. 227 Lange in: Lange/Hagen, Wandlungen des Schadensersatzrechts, S. 41; Lange/ Schiemann, Schadensersatz, § 6 IV, S. 256; Staudinger-Schiemann2004, § 249 Rdnr. 125; Soergel-Wiedemann, § 325 Rdnr. 52, „Gefahr der uferlosen Materialisierung in Wirklichkeit immaterieller Werte“; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 122; Küppers, Verdorbene Genüsse, S. 35; Ströfer, Schadensersatz und Kommerzialisierung, S. 59; Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 55; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 248; Leonhard, AcP 199, 681; Baur, in: Festschrift für Raiser, S. 135; Weitemeyer, AcP 205, 275, 291; BGH, NJW 1987, 831, 834.Vgl. dagegen aber E. Schmidt, in: Festschrift für Gernhuber, S. 424, mit dem Gegenargument, die Gefahr der Uferlosigkeit bestehe bei jeder neuen Theorie. Entscheidend sei, wie die Praxis damit umgehe und ob die richterliche Rechtsfortbil-
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4. Bedeutungsverlust Insgesamt hat die Frustrationslehre in den 80-er und 90-er Jahren erheblich an Bedeutung und Verbreitung verloren.228 Dies ist wohl zunächst darauf zurückzuführen, dass die Rechtsprechung zum Nutzungsausfall und dem entgangenen Urlaubsvergnügen über den Kommerzialisierungsgedanken weitgehend dieselben Ergebnisse erzielte.229 Ähnlich wie bei der Rentabilitätsvermutung zeigte sich das Schrifttum mit den von der Praxis unternommenen Wertungen einverstanden.230 Man stritt alleine über die zutreffende dogmatische Herleitung. Dieser Auseinandersetzung wurde in den zwei Kernbereichen der Frustrationslehre dann jedoch der Boden entzogen. Der Gesetzgeber integrierte im Jahr 1979 besondere Regeln für das Reisevertragsrecht in das Bürgerliche Gesetzbuch, die einen Ersatzanspruch für entgangene Urlaubsgenüsse ausdrücklich vorsahen. Die dogmatische Herleitung dieses Anspruchs wurde dadurch nebensächlich. Die Diskussion über den Kfz-Nutzungsausfall verebbte einige Jahre später, als der große Senat des Bundesgerichtshofs 1986 mit seiner Rechtsfortbildung zumindest für die Praxis Klarheit schuf. Womöglich könnte die Frustrationslehre durch die Neuregelung in § 284 BGB eine unerwartete und unerwünschte Renaissance erleben.
III. Negatives Vertragsinteresse 1. Vertrauensschutz als Haftungsgrund Sieht man den Haftungsgrund entgegen der Rechtsprechung zur Rentabilitätsvermutung und der Frustrationslehre schon in der Verletzung des Vertrauens in die ordnungsgemäße Leistung, lassen sich die Aufwendungen selbst als kausale und materielle Einbuße darstellen. Die Leistungsstörung führt dann erst auf einer zweiten Stufe zur Frustration der Aufwendungen und deren Wandel zum Schaden. Haftungsgrundlage ist aber der Vertrauensbruch.231 Es entsteht ein Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses, dung mit der gebotenen Vorsicht vonstatten gehe; vgl. auch Esser-E. Schmidt6, SchuldR Bd. 1 AT, § 31 III, S. 489 ff. Man muss zugestehen, dass das Motiv des Gesetzgebers, das richterliche Schätzungsermessen auf ein Minimum zu reduzieren, aufgrund des konkreten Wertes der Aufwendungen von geringerer Bedeutung ist, vgl. auch Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 77. 228 Stoll, in: Festschrift für Duden, S. 643. 229 Tolk, Frustrierungsgedanke und Kommerzialisierung, S. 67 ff. 230 Tolk, Frustrierungsgedanke und Kommerzialisierung, S. 69. 231 Stoll, in: Festschrift für Duden, S. 641; derselbe, Emptio-Venditio inter Nationes, S. 325.
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das unstreitig auch die frustrierten Aufwendungen umfasst.232 Auf die Frage, ob der vom Gläubiger verfolgte Zweck in der Erzielung eines mindestens kostendeckenden Gewinns liege oder in einem rein ideellen Vergnügen, kommt es dann für die Anspruchsbegründung nicht mehr an. Der Konflikt mit § 253 I BGB löst sich in Wohlgefallen auf. Auch hinter der Rentabilitätsvermutung steckt – wie Hans-Martin MüllerLaube es trefflich formulierte – das „genuine Anliegen [. . .], die Aufwendungen in einen Bezug zur Kategorie des positiven Interesses zu setzen, um sie dort gegebenenfalls ganz oder partiell als Nichterfüllungsschaden zu erfassen.“233
Tatsächlich handelt es sich um den Ersatz des Vertrauensschadens lediglich „im Gewande des positiven Interesses.“234 2. Dogmatische Haltbarkeit dieses Ansatzes Erforderlich zur Lösung des Problems ist somit lediglich die Wahl einer anderen Differenzhypothese. Akzeptiert man den Vertrauensbruch gleichermaßen als Haftungsgrund im gültigen Schuldverhältnis, ergibt sich im Rahmen des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung ein Wahlrecht des Gläubigers zwischen dem Ersatz seines positiven und seines negativen Interesses.235 Auch im Fall des wirksamen, aber gescheiterten Vertrags wird ein Vertrauen des Gläubigers enttäuscht, nämlich das in die ordnungsgemäße Erfüllung.236 232 Stoll, in seiner Anmerkung zur Stadthallen-Entscheidung, JZ 1987, 517, 519; derselbe, in: Emptio Venditio Inter Nationes, S. 325; E. Schmidt, in: Festschrift für Gernhuber, S. 429; Müller-Laube, JZ 1995, 538, 543, Wiedemann, in: Festschrift für Hübner, S. 728/729; Schackel, ZEuP 2001, 248, 253; Rengier, Die Abgrenzung des positiven Interesses, S. 56. 233 Müller-Laube, JZ 1995, 538, 541. 234 MüKo-Emmerich3, § 325 Rdnr. 84; ähnlich auch in der Folgeauflage MüKoEmmerich4/2001, § 325 Rdnr. 71; derselbe auch in: Leistungsstörungen4, § 11 IV 2, S. 137, 138 und in: Festschrift für Otte, S. 102 f.; vgl. auch Staudinger-Otto2001, § 325 Rdnr. 85 und Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 6 ff.; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 68; im Ergebnis ähnlich Rengier, Die Abgrenzung des positiven Interesses, S. 86 ff., der allerdings eine Analogie zu §§ 122, 179 II, 307 a. F., 309 a. F., 467 S. 2 a. F. BGB befürwortet. 235 Soergel-Wiedemann, § 325 Rdnr. 30; Staudinger-Otto2001, § 325 Rdnr. 90; seit Inkrafttreten von § 284 BGB auch Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 28; Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 106/107 teilt diese Auffassung, allerdings unter der Einschränkung, dass das negative Interesse nur dann gefordert werden dürfe, wenn ein positives Interesse nicht nachweisbar ist. Das Vertrauensinteresse soll gewissermaßen ab Vertragsschluss durch das Erfüllungsinteresse verdrängt werden und nur zur Lückenschließung wieder aufleben.
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Selbst Gegner dieser Auffassung gestehen zu, dass sich ein solcher Ersatz des Vertrauensschadens im Falle der Nicht- oder Schlechterfüllung unter den Wortlaut von § 249 BGB subsumieren lässt. Die Beschränkung des Ersatzanspruchs auf das positive Interesse ergibt sich nicht zwingend aus dem Gesetz.237 Stattdessen krankt „das konventionelle Verständnis des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung [. . .] an der Überbetonung des Gewinninteresses“.238 Dieses verleiht ihm die „Eigentümlichkeit“ gegenüber dem negativen Interesse, ohne dass daraus der Umkehrschluss gezogen werden muss, das negative Interesse könne nicht ebenso gut ersatzfähig sein.239 Mit der Anerkennung eines Wahlrechts zwischen positivem und negativem Interesse lassen sich die Wertungen und Gerechtigkeitsempfindungen dogmatisch stimmig zur Geltung bringen, die der Bundesgerichtshof mit seiner Rentabilitätsvermutung ebenfalls im Blick hatte, aber nur teilweise verwirklichen konnte. Die Sanktionslosigkeit eines Vertragsbruchs wird verhindert.240 Da der Schuldner das Vertragsscheitern schuldhaft herbeigeführt hat, ist es sachgerecht, ihn an den Kosten zu beteiligen.241 Darüber hinaus darf weder der verfolgte Vertragszweck eine Rolle spielen, noch der Umstand, ob ein Vertrag wirksam ist oder nicht, den Ausschlag geben. Solange eine doppelte Entschädigung des Gläubigers für seinen Vertrauens- und Erfüllungsschaden vermieden wird, befriedigt ein solcher Anspruch das Gerechtigkeitsempfinden.242 Die Benachteiligung privat tätiger Vertragspartner, die keinen materiellen Gewinn zu erzielen beabsichtigen, wird unterbunden.243 236 Soergel-Wiedemann, Vor § 275 Rdnr. 64; Vertrauensgrundlage des Käufers ist nicht allein der Vertragsschluss, sondern auch die vertragsgerechte, also mangelfreie Erfüllung, Derleder/Abramjuk, AcP 190, 624, 632. 237 Als Befürworter: u. a. Schackel, ZEuP 2001, 248, 252; Derleder/Abramjuk, AcP 190, 624, 632 für den Fall des § 463 BGB a. F., aber mit Hinweis darauf, dass diese Auffassung auf andere Schadensersatzansprüche wegen Nicht- und Schlechterfüllung übertragen werden kann (S. 638); Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 89. Als Gegner: Timme, ZfS 1999, 502; derselbe, JZ 2000, 100, 101; U. Huber, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 182. 238 E. Schmidt, in: Festschrift für Gernhuber S. 429; ähnlich Müller-Laube, JZ 1995, 538, 541: „Verengung des Nichterfüllungsinteresses auf das positive Interesse“. 239 E. Schmidt, in: Festschrift für Gernhuber, S. 429. 240 Müller-Laube, JZ 1995, 538, 541, 543; Schackel, ZEuP 2001, 248, 251; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 8. 241 Wiedemann, in: Festschrift für Ulmer, S. 1280. 242 Stoll, in seiner Anmerkung zur Stadthallen-Entscheidung, JZ 1987, 517, 519; Soergel-Wiedemann, § 325 Rdnr. 53 und Vor. § 275 Rdnr. 44; derselbe, in: Festschrift für Hübner, S. 728/729; Wiedemann/Müller, JZ 1992, 467, 468; Schackel, ZEuP 2001, 248, 255. 243 Soergel-Wiedemann, § 325 Rdnr. 53; derselbe, in: Festschrift für Hübner, S. 729.
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Die ausdrückliche Nennung des negativen Interesses in §§ 122, 179 BGB im Gegensatz zum Wortlaut in §§ 325, 463 BGB a. F. BGB ist kein schlagkräftiges Gegenargument.244 Dies lässt sich nämlich damit erklären, dass in diesen gesetzlich geregelten Fällen ausdrücklich nur der Vertrauensschaden zu ersetzen ist.245 Aufwendungen werden zumeist als freiwillige Einbußen beschrieben und auf diese Weise vom Begriff des Schadens abgegrenzt.246 Handelte es sich demnach um ein Gegenstück und nicht etwa um einen Unterfall zum Schaden, würde dies einer Einbeziehung in den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung entgegenstehen. In dieser Pauschalität ist dem jedoch nicht zuzustimmen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch findet sich genauso wie für den Begriff des Schadens auch keine Definition des Aufwendungsbegriffs. Zu entnehmen ist dem Gesetz lediglich eine Zweiteilung dahingehend, dass §§ 249–255 BGB einen Schadensersatzanspruch voraussetzen, §§ 256, 257 BGB dagegen Einzelheiten des Aufwendungsersatzes regeln. Der Anwendungsbereich von § 256 f. BGB ist freilich auf ganz bestimmte Ersatzansprüche beschränkt, nämlich solche, die auf Aufwendungen im Interesse eines anderen beruhen.247 Zu nennen sind hier unter anderem die Normen §§ 670, 683, 970, 1648, 1835 I, 1978 III, 2218 I BGB. Hintergrund dieser Anspruchsgrundlagen ist der Gedanke, dass der Aufwendende Kosten im Interesse eines anderen übernimmt und deshalb auch einen Ersatzanspruch gegen diesen erhalten soll.248 Es ist nämlich interessengerecht, dass der Nutznießer der Aufwendungen im Endeffekt auch die Kostenlast trägt.249 Alleine diese fremdnützigen Aufwendungen können als Gegensatz zum Begriff des Schadens angesehen werden.250 Die eigennützigen Aufwendungen sollen dagegen ersatzfähig sein, weil ihre Vornahme und ihre Nutzlosigkeit auf ein vorwerfbares Verhalten des Schuldners zurückzuführen sind.251 Dogmatisch ist deshalb gegen ein solches Wahlrecht des Gläubigers nichts einzuwenden. 244
So aber Paulusch, in: Freiburger Begegnungen, Diskussionsbeitrag zu Stoll,
S. 73. 245
Müller-Laube, JZ 1995, 538, 539. U. a. Larenz, SchuldR AT Bd. 1, § 27 II a, S. 426; MüKo-Grunsky3, § 256 Rdnr. 3. 247 Palandt-Heinrichs, § 256 Rdnr. 1; MüKo-Krüger, § 256 Rdnr. 2. 248 Küppers, Verdorbene Genüsse, S. 69. 249 Vgl. Thiele, in: Festschrift für Felgentraeger, S. 394; Küppers, Verdorbene Genüsse, S. 69. 250 Thiele, in: Festschrift für Felgentraeger, S. 393/394; Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 24. In diesem Sinne auch zum Recht seit 2002: StaudingerOtto2004, § 284 Rdnr. 20. 251 Küppers, Verdorbene Genüsse, S. 70. Von den hier in Frage stehenden frustrierten Aufwendungen sind noch die Aufwendungen für eine Schadens- und Män246
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3. Die Haltung der Rechtsprechung Der Bundesgerichtshof hat diesen Lösungsansatz in der Stadthallen-Entscheidung gleichwohl rundweg abgelehnt.252 Das Vertrauen auf die Vertragserfüllung werde entweder durch den Rücktritt geschützt oder durch einen auf das positive Interesse gerichteteten Schadensersatzanspruch. Die Begrenzung auf das Erfüllungsinteresse sei erforderlich, um eine ungerechtfertigte Besserstellung des Gläubigers zu verhindern.253 Bei ideellen Vertragszwecken müsse zumindest geprüft werden, ob die Aufwendungen sich in ideeller Hinsicht „rentiert“ hätten.254 Dies mündete in der StadthallenEntscheidung in die Frage, ob die Werbeaufwendungen durch eine entsprechend hohe Besucherzahl ausgeglichen worden wären.255 Begriffe wie Lukrativität, Rentabilität und Verlusteinwand ergeben jedoch gerade bei immateriellen Vertragszwecken wenig Sinn und sollten deshalb von vornherein nicht zur Diskussion stehen.256 Im kommerziellen Bereich kann dagegen auch bei einem Vertrauensschadensersatz eine Begrenzung auf das Erfüllungsinteresse erfolgen, um eine Besserstellung des Gläubigers zu verhindern.257 In manchen Entscheidungen zeigt sich gleichwohl, dass auch der Bundesgerichtshof sich Vertrauensschutzgesichtspunkten gegenüber nicht völlig verschließt und die Rentabilitätsvermutung wiederum vorgeschoben wirkt. In der bereits erwähnten Entscheidung zum vereinbarten Rücktrittsvorbehalt258 war letztlich ein Aspekt entscheidend für die Klageabweisung: gelbeseitigung zu unterscheiden, die erst durch die Schädigung erforderlich werden. Diese sind kausal durch die Schädigung verursacht und machen deshalb keine Schwierigkeiten bei der Bestimmung des zu ersetzenden Schadens i. S. d. Differenzhypothese. Auch diese Aufwendungen sind eigennützig und deshalb dem Schadensrecht zuzuordnen, auch wenn die Einbuße formal zumindest bewusst und in gewisser Hinsicht willentlich unternommen wird. Vgl. hierzu Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 25 und 43; Wiedemann, in: Festschrift für Hübner, S. 728; Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 3. Das Kriterium der Freiwilligkeit ist außerdem auch bei den fremdnützigen Aufwendungen nicht immer konsequent durchzuhalten, vgl. Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 24; Palandt-Sprau, § 670 Rdnr. 9 ff.; MüKo-Krüger, § 256 Rdnr. 3. 252 BGH, NJW 1987, 831, 835. 253 BGH, NJW 1987, 831, 835; so auch Messer/Schmitt, in: Festschrift für Hagen, S. 441, 442; Timme, ZfS 1999, 502, 503. 254 BGH, NJW 1987, 831, 835. 255 BGH, NJW 1987, 831, 835. 256 Schackel, ZEuP 2001, 248, 255. 257 Stoll, in seiner Anmerkung zur Stadthallen-Entscheidung, JZ 1987, 517, 519; Leonhard, AcP 199, 660, 670/671. Derleder/Abramjuk, AcP 190, 624, 635. 258 BGH v. 30.06.1993, NJW 1993, 2527. Siehe auch die Anmerkungen oben unter Teil 1 A.III.3., S. 37 f.
G. Lösungsansätze in der Literatur
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Der Mieter „muss[te] damit rechnen“, die Kostenlast für die Aufwendungen selbst zu tragen, ohne irgendeine Form von Gegenleistung zu erhalten.259 Er durfte deshalb nicht auf die Erfüllung des Vertrags und die Erreichung seiner Ziele vertrauen. In einer weiteren Entscheidung aus dem Jahre 1999260 distanziert sich der Bundesgerichtshof dann wiederum ausdrücklich vom Vertrauensschutz als Haftungsgrundlage und stellt primär auf die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ab. Im Bereich des Reisevertragsrechts gewährt die Rechtsprechung dem Gläubiger überdies diskussionslos im Rahmen des Nichterfüllungsschadens auch einen Ersatz seiner frustrierten Aufwendungen.261 Hierbei handelt es sich im Allgemeinen um Verträge zu rein ideellen oder konsumtiven Zwecken, so dass nach der Rentabilitätsvermutung kein Ersatz gewährt werden dürfte. Trotzdem war schon vor Inkrafttreten der besonderen Regeln im Bürgerlichen Gesetzbuch anerkannt, dass der Gläubiger seinen gezahlten Reisepreis und seine weiteren nutzlos gewordenen Aufwendungen im Rahmen des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung zurückverlangen konnte. Der Bundesgerichtshof sah darin einen nicht verallgemeinerungsfähigen Sonderfall.262 Allerdings war im Reisevertragsrecht lediglich lange umstritten, ob über die erbrachten Aufwendungen hinaus eine Entschädigung für „vertanen Urlaub“ zu leisten sei. Dies wurde mittels der Kommerzialisierungslehre begründet, bevor in § 651f II BGB eine gesetzliche Regelung 259 BGH, NJW 1993, 2527, 2528; vgl. auch eine weitere Entscheidung des BGH v. 23.04.1991 – X ZR 77/89 – WM 1991, 1737, 1738, in der die Klage abgewiesen wurde, weil die Aufwendungen nicht im Vertrauen auf die Erfüllung getätigt worden waren. 260 BGH v. 26.03.1999 – V ZR 364/97 –, JZ 2000, 100 = NJW 1999, 2269. Siehe auch die Anm. von Timme, JZ 2000, 101 und Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, S. 251. Damals verlangte ein Grundstückskäufer nach Scheitern des Geschäfts die Notarkosten vom Verkäufer ersetzt. Der Verkäufer hatte sich bei Vertragsschluss zunächst von einem vollmachtlosen Vertreter vertreten lassen und genehmigte später den Vertrag. Trotzdem verweigerte er die Erfüllung. Der Senat hielt die Forderung des Käufers aufgrund der Rentabilitätsvermutung für gerechtfertigt. Aufgrund der Rückwirkung der Genehmigung konnte man von einer Rentabilität der Aufwendungen ausgehen. 261 Im Sinne dieser Kritik: Stoll, in seiner Anmerkung zur Stadthallen-Entscheidung, JZ 1987, 517, 518; Baur, in: Festschrift für Raiser, S. 136/137. Heinrichs sah hierin in der Ausgabe des Palandt vor der Schuldrechtsreform dagegen keinen Widerspruch: „Die Ersatzpflicht für frustrierte Aufwendungen kann sich ausnahmsweise in einer Vertragsbeziehung aus dem Schutzzweck des Vertrags ergeben, so etwa im Rahmen eines Reisevertrags.“, vgl. Palandt-Heinrichs60, Vorbem. v. § 249 Rdnr. 35. Wann ein Vertrag eine Ersatzpflicht nahe legt, bleibt allerdings offen. In den Folgeauflagen ist dieser Passus gestrichen. 262 BGH, NJW 1987, 831, 834.
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Teil 1: Der Reformbedarf
geschaffen wurde. Die ablehnende Haltung der Rechtsprechung gegen einen Ersatz des Vertrauensschadens ist deshalb nicht durchweg konsequent.263 4. Berücksichtigung des Schuldnerinteresses Bei der Ausgestaltung des Vertrauensschadensersatzes dürfen die Schuldnerinteressen nicht völlig unbeachtet bleiben. Der Stadthallen-Fall wird deshalb im einschlägigen Schrifttum nicht zwingend in Abweichung zum Bundesgerichtshof gelöst. Teilweise wird ein Anspruch komplett versagt, weil der Umfang der Aufwendungen für die Stadt nicht berechenbar gewesen sei.264 Oftmals werden Zweifel hinsichtlich der Höhe der Kosten von immerhin fast 30.000 DM im Verhältnis zu einem Mietzins von nur 600 DM geäußert. Eine Angemessenheitsprüfung soll helfen, den Ersatzanspruch in der Höhe zu beschränken.265 Die strikte Unterscheidung von Aufwendungen zum Leistungserhalt und solchen zur Leistungsverwendung, wie sie der Bundesgerichtshof in seiner Diskotheken-Entscheidung vorgenommen hat, soll dagegen nicht das alleinige Abgrenzungskriterium sein. Streitentscheidend ist immerhin, ob dem Gläubiger ein Vertrauensschutz gewährt werden soll, nicht das Synallagma von Leistung und Gegenleistung. Letztlich spielt aber die Unterscheidung auch im Rahmen der Beurteilung des Vertrauensschutzes mittelbar eine Rolle. Die erbrachte Gegenleistung und die Vertragskosten im engeren Sinne, wie Beurkundungs-, Notar-, Maklergebühren sind im Rahmen dieser Lehre allgemein als ersatzfähig anzusehen.266 Aufwendungen darüber hinaus werden unterschiedlich betrachtet. Zumeist sollen der Einzelfall, die Risikoverteilung des konkreten Vertragstyps und der Parteiwille den Ausschlag geben. Als entscheidendes Merkmal bietet sich insbesondere die Vorhersehbarkeit für den Schuldner an.267 Daneben werden Kriterien wie Verkehrsüblichkeit, objektive Nützlichkeit und das Vorliegen eines Handelsbrauchs genannt.268 263
Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 86. Stoll, JZ 1987, 517, 520. 265 Leonhard, AcP 199, 661, 681; E. Schmidt, in: Festschrift für Gernhuber, S. 428; im Ergebnis ähnlich Müller-Laube, JZ 1995, 538, 544. 266 Stoll, in seiner Anmerkung zur Stadthallen-Entscheidung, JZ 1987, 517, 519. 267 Wiedemann/Müller, JZ 1992, 467, 469; E. Schmidt, in: Festschrift für Gernhuber S. 429; Flessner/Kadner, JuS 1989, 879, 884; Leonhard, AcP 199, 660, 675 ff. Allerdings favorisiert Leonhard teilweise die Rentabilitätsvermutung, vgl. S. 693: „Die Begründung [. . .] wird mit Recht in der Vermutung gesehen, dass das Geschäft für den Gläubiger mit einem Gewinn verbunden gewesen wäre“, und teilweise den Ersatz des negativen Interesses, S. 671: „der Zweck der Gewährung des Vertrauensschadens“ und S. 674: „Der Grund für die Erstattungsfähigkeit beruht indes auf dem Schutz des Vertrauens.“ 264
G. Lösungsansätze in der Literatur
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5. Kritik Dieser Lösungsansatz hat einiges für sich. Ihm ist eine gewisse Plausibilität nicht abzusprechen, weshalb es verständlich und berechtigt ist, dass er sich bis zur Schuldrechtsmodernisierung zunehmender Beliebtheit erfreute. Gleichwohl bleibt ein ungutes Gefühl, bricht dieser Ansatz doch mit den bisherigen Traditionen des Schadensrechts. Außerdem kann auch diese Theorie kaum alle Abgrenzungsschwierigkeiten beseitigen. Der Begriff des enttäuschten Vertrauens ist für jeden Einzelfall ausfüllungsbedürftig. Die Rechtsprechung zeigte keine Bereitschaft, sich diesem Ansatz gegenüber zu öffnen. Die Gerichte werden sich anderweitig zu helfen gewusst haben. Man findet auffallend wenige Urteile ähnlich der Stadthallen-Entscheidung, in denen ein Aufwendungsersatz so deutlich aus oben genannten Gründen verneint werden musste. Vermutlich wählte die Rechtsprechung, wenn die Rentabilitätsvermutung nicht zu befriedigenden Ergebnissen führte, den Weg über eine Konstruktion von Mitteilungs-, Warn- und Aufklärungspflichten.269 Dem Schuldner wird dann eine Verletzung solcher Nebenpflichten zur Last gelegt und dem Gläubiger ein Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss gewährt, der bekanntlich auf das negative Interesse gerichtet ist, so dass das gewünschte Ergebnis – die Ersatzfähigkeit der Aufwendungen – erreicht wird.270 Außerdem wurde, wie bereits gesehen, recht großzügig mit der Annahme kommerzieller Interessen verfahren. Aufgrund dieser ablehnenden Haltung der Rechtsprechung spricht wenig dafür, dass sich ein solches Wahlrecht ohne gesetzliche Verankerung durchgesetzt hätte. Ohne Akzeptanz in der Praxis kann eine Lehrmeinung jedoch auf Dauer ebenso wenig überzeugen. Schließlich machte ein solcher allgemeiner Vertrauensschutz auch begrifflich manche Probleme. Der Vertrauensschaden lässt sich zwar mit § 249 BGB und der Differenzhypothese vereinbaren, ihn jedoch als „Nichterfül268 Wiedemann/Müller, JZ 1992, 467, 469; Leonhard, AcP 199, 660, 677; MüllerLaube, JZ 1995, 538, 544; Staudinger-Otto2001, § 325 Rdnr. 90 für Aufwendungen, die typischerweise mit dem Nutzungszweck verbunden sind und zu einem zumutbaren Risiko führen, vgl. auch Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 8. 269 Stoll, in: Festschrift für Duden S. 643/644; derselbe, in: Emptio Venditio Inter Nationes, S. 325; Schackel, ZEuP 2001, 248, 256; Wiedemann, in: Festschrift für Hübner, S. 729; für eine solche Lösung über Aufklärungspflichten: Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 17 ff. 270 Vgl. beispielsweise BGH, NJW 1960, 720 f.; RG, JW 1912, 743 f.; RG, RGZ 120, 249, 252; weitere Nachweise und Einzelheiten bei Stoll, in: Festschrift für Caemmerer, S. 454 ff., insb. S. 457/458. Aus diesem Grund ablehnend U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 39 II 5, S. 279/280, jedoch mit Ausnahmen bei vorsätzlicher Pflichtverletzung.
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Teil 1: Der Reformbedarf
lungsschaden“ zu bezeichnen, entbehrt nicht einer gewissen Inkonsistenz. Dies gilt umso mehr, als seit der Schuldrechtsmodernisierung von einem Schadensersatz „statt der Leistung“ die Rede ist.
H. Schlussfolgerung Die Rentabilitätsvermutung ist dogmatisch und auch in der praktischen Umsetzung nicht überzeugend. Ihre Voraussetzungen und Grenzen sind wenig präzise. Sie führt zu einer ungerechtfertigten Differenzierung zwischen privat auftretenden Gläubigern und solchen mit unternehmerischem Hintergrund. Die Lücke im System der Gläubigerrechte vermag sie nicht zu schließen. Die alternativen Lösungsansätze, die ohne gesetzliche Verankerung herangezogen werden könnten, haben alle mehr oder weniger große Schwächen.271 Die vom Gesetzgeber geäußerte Kritik an der bisherigen Rechtslage ist somit nicht von der Hand zu weisen. Dies zeigt sich auch an einer ganz aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Diese wurde am 8. Juni 2005 verkündet, betraf aber noch einen Sachverhalt, der nach dem vor der Modernisierung geltenden Schuldrecht zu lösen war. Der Käufer einer Wohnung, klagte auf Schadensersatz, da die erworbene Wohnung, in der er auch mehrere Jahre gewohnt hatte, erhebliche Baumängel aufwies. In der Zwischenzeit war er ausgezogen. Die Klage richtete sich gegen den Notar, der den Wohnungskaufvertrag fehlerhaft beurkundet hatte. Dieses Notarversehen war nämlich der Grund dafür, dass der Käufer in einem ersten Prozess gegen den Verkäufer mit seinem Begehren ohne Erfolg blieb. Mangels wirksamen Kaufvertrags konnte der Käufer keine vertraglichen Schadensersatzansprüche geltend machen.272 Im Regressanspruch gegen den Notar ging es unter anderem um einen Ersatzanspruch für Einrichtungsgegenstände, die für die „gekaufte Wohnung passend angeschafft wurden“273 und aufgrund des Auszugs des Käufers nunmehr ihren Zweck verfehlten. Es handelte sich dabei nicht um Spezialanfertigungen, sondern einfach um Möbel, „die in der neuen Wohnung des Klägers entweder aufgrund ihrer Abmessungen oder als überflüssig keine Verwendung mehr finden könnten.“274 271 So auch Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 14, der sich allerdings mit Details dieser Lösungsansätze nicht auseinandersetzt. 272 Der Sachverhalt ist dem Beschluss des BGH nur teilweise zu entnehmen. Vgl. insoweit das nicht veröffentlichte Urteil der Vorinstanz Kammergericht Berlin v. 01.06.2001 – 9 U 2030/00 –. 273 BGH v. 08.07.2005 – IX ZR 230/01 –, WuM 2005, 530. 274 Kammergericht Berlin v. 01.06.2001 – 9 U 2030/00 –.
H. Schlussfolgerung
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Der IX. Senat schlug den Beteiligten einen Vergleich vor, wonach jede Partei die Hälfte des durch die frustrierten Aufwendungen entstandenen Verlusts tragen sollte. Begründet wurde dieser Vorschlag damit, dass das Problem der frustrierten Aufwendungen „mit den bisher in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Maßstäben kaum zu lösen“ sei.275 „Wegen der ungeklärten rechtlichen Grundsatzfrage, die möglicherweise Anlaß für eine – freilich auslaufendes Recht betreffende – Rechtsfortbildung gibt, besteht für beide Parteien ein erhebliches rechtliches Risiko.“276
275 276
BGH, WuM 2005, 530. BGH, WuM 2005, 530.
Teil 2
Die Reform Die Geschichte einer Norm § 284. Ersatz vergeblicher Aufwendungen. Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden.
A. Die Stadthallen-Entscheidung nach neuem Recht Im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung wollte der Gesetzgeber mit § 284 BGB dem Reformbedarf gerecht werden. Weil er mit seiner Initiative explizit1 auf das zu missbilligende Ergebnis der Stadthallen-Entscheidung reagieren wollte, müsste dem Begehren der enttäuschten Mieterin – nach neuem Recht – im Grunde genommen mit Leichtigkeit zum Erfolg verholfen werden können. Dies gilt es anhand einer ersten Subsumtion zu überprüfen.
I. Überblick über die Tatbestandsmerkmale Die Durchführung der Veranstaltung war gescheitert, weil die Vermieterin die Stadthalle zum vereinbarten Termin nicht zur Verfügung gestellt hatte. Aufgrund dieser Leistungsverweigerung stünde der Mieterin ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung aus §§ 280 I, III, 281 I 1, II BGB zu. Die Pflichtverletzung war von der Vermieterin auch zu vertreten; die Leistungsverweigerung geschah vorsätzlich, der Rechtsirrtum über die Berechtigung zum Rücktritt war immerhin fahrlässig. Damit wäre das erste Tatbestandsmerkmal „anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung“, das quasi die „Eintrittskarte“ für die Prüfung des Ersatzes frustrierter Aufwendungen darstellt, erfüllt. Die Klägerin tätigte ihre Werbekampagne und die anderen Investitionen im Glauben daran, dass sie die Stadthalle wie vereinbart zur Verfügung ge1 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 142 f.
A. Die Stadthallen-Entscheidung nach neuem Recht
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stellt bekomme, mithin im Vertrauen auf den Leistungserhalt. Dieses Vertrauen wurde durch die Weigerungshaltung der Stadt und die dadurch nötige Absage der Veranstaltung enttäuscht. Die Aufwendungen verfehlten ihren Zweck, zu einer gut besuchten Veranstaltung beizutragen und der Organisation eine Plattform zur Verbreitung ihrer Anliegen zu bieten. Unter Aufwendungen versteht man im Allgemeinen alle freiwilligen Einbußen. § 284 BGB enthält keine abweichende, einschränkende Begriffsbestimmung. Daher scheinen die Aufwendungen für die Veranstaltungswerbung und die Kosten im Zusammenhang mit dem eingeladenen Redner auf den ersten Blick problemlos subsumierbar. Auf eine Fremdnützigkeit kann es im Bereich der frustrierten Aufwendungen nicht ankommen.2 Auf den zweiten Blick drängt sich jedoch die Frage auf, welche Auswirkungen die Diskotheken-Entscheidung auf die neue Norm hat. Würde man den Aufwendungsbegriff des § 284 BGB auf solche Kosten beschränken, die dem Zustandekommen und der Durchführung des Geschäfts dienen und dem Gläubiger das Risiko eines Fehlschlagens seiner Investitionen für die spätere Verwendung der Leistung belassen, wäre die Klage der Stadthallen-Mieterin nach neuem Recht gleichermaßen abzuweisen. Der Gesetzgeber wäre dann mit einem seiner Ziele im Hinblick auf § 284 BGB offensichtlich gescheitert. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Klägerin die Aufwendungen „billigerweise machen durfte“. Der Gedanke, dass Werbekosten in Höhe von 28.869,21 DM im Vergleich zu dem geringen Mietzins von 615,28 DM als unbillig anzusehen sein könnten, ist nicht fernliegend. Andererseits tätigte die Mieterin ihre Aufwendungen im Glauben, diese selbst zu tragen und müsste deshalb in der Art und Höhe ihrer Dispositionen grundsätzlich frei sein. Dieselbe Diskussion wurde freilich auch schon vor der Schuldrechtsreform geführt. Auch nach altem Recht war man sich alles andere als einig, ob der Veranstalterin der gewünschte Anspruch in vollem Umfang zugesprochen werden sollte, selbst wenn man einen Ersatz frustrierter Aufwendungen grundsätzlich für richtig hielt.3 Das Gerechtigkeitsgefühl drängt danach, die einzelnen Umstände beim Abschluss des Mietvertrags entscheiden zu lassen. Hatte die Vermieterin sich in Kenntnis der aufwendigen Werbekampagne der Partei auf den Vertrag eingelassen, mag ihr das Risiko, für die Kosten aufkommen zu müssen, eher auferlegt werden. Wusste sie zum damaligen Zeitpunkt dagegen nicht, welchem Zweck die Anmietung diente, erscheint ein Aufwendungsersatz in besagter Höhe eher unbillig.4 Zu denken wäre auch an eine Obliegenheits2
Vgl. dazu näher die Ausführungen unten unter Teil 1 G.III.2., S. 71 ff. Vgl. die Ausführungen oben unter Teil 1 G.III.4., S. 76 f. 4 Dem Urteil des BGH und auch der Vorinstanz des OLG Düsseldorf sind hierzu leider keine Einzelheiten zu entnehmen. Fest stand für die Gerichte ledig3
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Teil 2: Die Reform
pflicht des Gläubigers, auf ein solch beträchtliches Kostenrisiko hinzuweisen. Es schließen sich die Folgefragen an, ob und wie ein Anspruch im Sinne von § 284 BGB der Höhe nach gekürzt werden kann. Kann die Mieterin zumindest einen Teil des Werbeaufwands auf die Vermieterin abwälzen, nämlich denjenigen, der im Verhältnis zum Mietzins als angemessen anzusehen war? Und wie wird dieser bestimmt?
II. Fazit Der sehr abstrakte Begriff der Billigkeit im Tatbestand des § 284 BGB wird eine Schlüsselstellung in der späteren Auslegungsarbeit einnehmen. Ihm gebührt es, die überschießende Tendenz des neuen Gläubigerrechts zu reduzieren. Wie dies gelingen kann, soll im zentralen dritten Teil dieser Arbeit dargestellt werden. Zieht man nach dieser kurzen Subsumtion zunächst ein erstes Fazit, muss mit Erstaunen und Ernüchterung festgestellt werden, dass das Ergebnis einer Klagestattgabe zwar nicht ausgeschlossen ist, aber als lange nicht so evident angesehen werden kann, wie man es mit Blick auf die Motivation des Gesetzgebers erwarten sollte. Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber außerdem Unsicherheiten und Zufälligkeiten der bisherigen Rechtslage beseitigen5. Dies fügt sich nahtlos ein in den allgemeinen Anspruch der Schuldrechtsreformer, das Leistungsstörungsrecht „zu einem einfacher handhabbaren und übersichtlicheren Recht“6 umzugestalten, so dass sich die Rechtslage aus der Lektüre des Normtextes erschließen lasse7 und auch „für die Bürgerinnen und Bürger durchschaubarer“8 werde. Dieses Versprechen wurde mit § 284 BGB – das kann schon jetzt festgestellt werden – mit Sicherheit nicht einlich, dass die Stadt von der Art der Veranstaltung Kenntnis hatte. Ob die Werbeaufwendungen bekannt waren, erschien auch unerheblich, da ein Ersatzanspruch abgelehnt wurde. 5 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143. 6 Begründung des Gesetzesentwurfs, Allgemeiner Teil, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 98. 7 So z. B. die Äußerung des Bundestagsabgeordneten Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), stenografische Berichte des Bundestags zur 192. Sitzung v. 11.10.2001, S. 18751. In diesem Sinne auch die damalige Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin, stenografische Berichte des Bundestags zur 171. Sitzung v. 18.05.2001, S. 16720: Das Bürgerliche Gesetzbuch solle wieder zu einem Buch werden, in dem man die eigenen Rechte und Verpflichtungen nachschlagen könne. 8 Bundestagsabgeordneter Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), stenografische Berichte des Bundestags zur 192. Sitzung v. 11.10.2001, S. 18751; teilweise zustimmend aber auch kritisch Bundestagsabgeordneter Funke (FDP), stenografische Berichte des Bundestags zur 192. Sitzung v. 11.10.2001, S. 18751/18752.
B. Das Gesetzgebungsverfahren
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gelöst. Allerdings war das auch, wie Barbara Dauner-Lieb in einem Aufsatz zwei Jahre nach der Reform resümierte, „realistischerweise nicht zu erwarten; wer dieser Verheißung geglaubt hat, war entweder politisch bösgläubig, naiv oder hat sich nicht rechtzeitig ausreichend mit den verschiedenen Entwürfen beschäftigt.“9
B. Das Gesetzgebungsverfahren Wie die neue Vorschrift wirklich zu verstehen ist, kann nur durch sorgfältige Auslegung der Tatbestandsmerkmale geklärt werden. Gerade in den jungen Jahren einer Norm, in denen dem Rechtsanwender der Blick auf eine gefestigte Rechtsprechung noch verwehrt ist, bieten sich das Gesetzgebungsverfahren und die Materialien im Hinblick auf die historisch-genetische und teleologische Auslegung als gewichtige Hilfe an, so dass zunächst die Entstehungsgeschichte von § 284 BGB näher beleuchtet werden soll.10
I. Frühe Reformvorschläge Die Unzufriedenheit mit den Lösungsansätzen de lege lata führte schon lange vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu einer Reihe von Vorschlägen, wie das Problem de lege ferenda zu lösen sei. In den 70-er Jahren wurde erstmals eine Reformierung des deutschen Schuldrechts angestrebt, nachdem dieses seit 1900 weitgehend unverändert geblieben war. Gesetzesvorhaben waren zumeist in Sondergesetze gegossen worden. Innerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs hatte lediglich das Mietrecht grundlegendere Änderungen durchlaufen; zudem war der Reisevertrag als eigener Vertragstyp gesondert geregelt worden. Anstoß des Reformprojekts war der Befund, dass die Rechtsprechung es zwar vermochte, zahlreiche Lücken des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen, dass aber „das wirklich geltende Recht selbst von einem juristisch ausgebildeten Fachmann aus der bloßen Lektüre des Gesetzes nicht mehr erschlossen werden kann.“11 Die damalige Bundesregierung gab 24 Gutachten zur Überarbeitung des Schuldrechts in Auftrag, die 1981 und 1983 veröffentlicht und im Anschluss auf einer Tagung der Zivilrechtslehrervereinigung diskutiert wurden. Daraufhin beauftragte das Bundesjustizministerium eine Kommission mit der Überarbeitung des Schuldrechts.12 9
Dauner-Lieb, ZGS 2003, 10, 12. Beschluss des Plenums des BVerfG, BVerfGE 54, 277, 297. 11 BMJ, Abschlussbericht, S. 14. 12 Vgl. zur Zusammensetzung der Kommission und dem genauen Auftrag den Abschlussbericht, S. 14/15. 10
84
Teil 2: Die Reform
1. Allgemeiner Vertragskostenersatz Eines jener Gutachten war das zur Reformierung des Leistungsstörungsrechts, verfasst von Ulrich Huber.13 Er wollte die Vorschriften über den Rücktritt unter anderem um §§ 327a und b BGB erweitern. § 327a BGB seines Entwurfs beendete die Alternativität von Schadensersatz und Rücktritt; § 327b regelte Einzelheiten des Schadensersatzanspruchs, wobei Absatz 3 folgendermaßen lauten sollte: „Der Gläubiger kann als Schadensersatz weiterhin Erstattung der ihm durch den Vertrag und durch den Rücktritt entstandenen Kosten verlangen.“14
Huber schlug damit eine Verallgemeinerung des Rechtsgedankens aus § 467 S. 2 BGB a. F. vor, der nunmehr im Falle der Vertragsauflösung als verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch für alle Vertragstypen gelten sollte.15 Das Problem der frustrierten Aufwendungen wäre damit nur einer Teillösung zugeführt worden, da gerade für den Bereich der kostspieligeren Folgeinvestitionen keine Regelung geschaffen worden wäre. Immerhin hätte sich aber die Tür zu einer Ersatzfähigkeit des Vertrauensschadens im gültigen Schuldverhältnis ein Stück weit geöffnet.16 2. Billige Entschädigung des Frustrationsschadens In seinem Gutachten zur Reformierung des allgemeinen Schadensrechts17 schlug Gerhard Hohloch eine Lösung mittels einer speziell auf den Frustrationsschaden zugeschnittenen Norm vor. Er wollte einen § 253a BGB mit folgendem Wortlaut einfügen: „Entschädigung kann auch für Ausgaben verlangt werden, die gemacht worden sind, um einen Vermögensschaden oder einen anderen Nachteil als Vermögensschaden zu verhindern oder zu mindern sowie für Ausgaben, die durch das Ereignis, für das ein anderer verantwortlich ist, ihr Ziel verfehlen. Der Richter kann ihren Ersatz innerhalb der Grenzen der Billigkeit anordnen.“18
Dieses Vorhaben erinnert an einen niederländischen Gesetzesentwurf von 1961. Auch dort sollte eine Norm geschaffen werden, nach der Kosten zwecks Abwendung oder Minderung eines Nichtvermögensschadens sowie Ausgaben, die infolge des Schadensereignisses ihr Ziel verfehlten, innerhalb der Grenzen der Billigkeit zu ersetzen seien.19 Gerade dieser letzte Ab13 14 15 16 17 18
U. Huber, in: Gutachten und Vorschläge, S. 647–909. U. Huber, in: Gutachten und Vorschläge, S. 847. U. Huber, in: Gutachten und Vorschläge, S. 850/851. Vgl. zur Kritik weiter Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 61. Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge, S. 375–478. Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge, S. 474.
B. Das Gesetzgebungsverfahren
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schnitt der Norm, der die entwerteten Aufwendungen betraf, fiel im dortigen Gesetzgebungsverfahren dann aber der Streichung zum Opfer.20 Hohloch ging mit der herrschenden Meinung von der Prämisse aus, dass auf die Entwertung als immaterieller Schaden abzustellen sei. Anderenfalls hätte er die Anspruchsgrundlage nicht als Ausnahme zu § 253 BGB ausgestaltet und eine Entschädigung in das billige Ermessen des Richters gestellt.21 Sein Vorschlag wurde nicht weiter verfolgt, da das allgemeine Schadensrecht von dem durch das Justizministerium erteilten Kommissionsauftrag letztlich nicht umfasst war.22 3. Wahl zwischen positivem und negativem Interesse Der Entwurf der Schuldrechtskommission von 1984 enthielt schließlich in § 327 BGB-KE folgende Regelung: „Nach dem Rücktritt kann der Gläubiger Ersatz des Schadens verlangen, der ihm durch die Nichtausführung des Vertrags entsteht. Er kann statt dessen auch Ersatz des Schadens verlangen, der ihm daraus entsteht, daß er auf die Ausführung des Vertrags vertraut hat. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner den Rücktrittsgrund nicht zu vertreten hat.“
Des Weiteren sah der Kommissionsentwurf wie bisher für Kauf- und Werkverträge Sonderregelungen über einen verschuldensunabhängigen Ersatz von Vertragskosten vor (§ 439 III und § 637 III BGB-KE).23 Im Anschluss an das Gutachten von Ulrich Huber und auch im Einklang mit dem UN-Kaufrecht wollte man die Alternativität von Schadensersatz und Rücktritt aufgeben.24 Der Gläubiger sollte, soweit der Schuldner den Rücktrittsgrund zu vertreten hatte, seinen Erfüllungsschaden geltend machen können. Alternativ gab ihm dieser Vorschlag einen Anspruch auf Ersatz seines Vertrauensinteresses, um dem Gläubiger zu erlauben, „ohne Nachteile aus dem Vertrag herauskommen [zu] können“.25 Der Kommissionsentwurf hätte damit den in den Vordergrund drängenden Vorschlag der Literatur 19
Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge, S. 423/424. Stoll, Haftungsfolgen, S. 319; Flessner, JZ 1987, 271, 276. Die Gründe hierfür werden in diesen Beiträgen leider nicht genannt. 21 Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge, S. 425. Letztlich hätte dies der Frustrationslehre entsprochen. Vgl. zur Kritik daran die Ausführungen unter Teil 1 G.I.3., S. 64 f. 22 Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 60. 23 BMJ, Abschlussbericht, S. 174. 24 BMJ, Abschlussbericht, S. 172/173. 25 BMJ, Abschlussbericht, S. 174. 20
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Teil 2: Die Reform
recht eindeutig gesetzlich bestätigt; die Rentabilitätsvermutung wäre entbehrlich geworden.26 Kritik erntete der Entwurf insbesondere wegen des „Glücksfall-Arguments“. Der Gläubiger könne auf diese Weise Fehlinvestitionen auf den Schuldner abwälzen. Er solle jedoch ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Verlustrisiko tragen; immerhin stünden ihm im Gegenzug auch die Gewinnchancen zu. Es sei nicht gerechtfertigt, diese Risiko- und Interessenverteilung wegen einer Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrags umzukehren.27 Des Weiteren würde der Gläubiger durch eine solche Regelung zur Vornahme übermäßiger Investitionen veranlasst.28 Diese Schwachstellen wären allerdings durch eine sachgerechte Anwendung von Zurechnungskriterien lösbar gewesen.29 Die Kritik, soviel kann vorweggenommen werden, war in diesem Maße nicht berechtigt. Gewiss hätten Einschränkungen des Anspruchs erst durch Rechtsprechung und Wissenschaft entwickelt werden müssen. Vorarbeiten waren jedoch schon in zahlreichen Beiträgen der aufstrebenden Mindermeinung geleistet worden.30
II. Die Schuldrechtsreform 1. Der Ablauf im Allgemeinen Nachdem in den 80-er Jahren die Gutachten zur Reformierung des Schuldrechts veröffentlicht wurden und 1992 die Kommission ihren Vorschlag eines Gesetzesentwurfs vorgelegt und veröffentlicht hatte, wurde das Vorhaben zunächst nicht weiter verfolgt, obwohl auf dem 60. Deutschen Juristentag im Jahr 1994 ein recht deutliches Votum für den Entwurf abgegeben wurde.31 Die Gründe für die vorläufige Abkehr von der Reformbereitschaft lassen sich nur mutmaßen. Vielleicht hatten die Vertreter von Wirtschaft und Industrie, die den Reformvorschlag vehement ablehnten, ih26 In der Begründung setzt sich die Kommission allerdings nicht mit den Literaturmeinungen auseinander, die schon de lege lata das Vertrauensinteresse vom Schadensersatz wegen Nichterfüllung erfasst wissen wollten, wenngleich auch Stoll und Müller zur bisherigen Rechtslage zitiert werden. 27 Messer/Schmitt, in: Festschrift für Hagen, S. 441. 28 Messer/Schmitt, in: Festschrift für Hagen, S. 442. 29 Vgl. z. B. die Ausführungen zum rechtmäßigen Alternativverhalten bei § 284 BGB in Teil 3 C.V, S. 138 ff. 30 Vgl. die Ausführungen oben unter Teil 1 G.III.4., S. 76 f. 31 Zimmermann, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 16.
B. Das Gesetzgebungsverfahren
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ren Einfluss ausgeübt. Vielleicht wurde die Arbeit auch nur deshalb nicht vorangetrieben, weil man schon zu dieser Zeit mit einer umzusetzenden EU-Richtlinie rechnete, die auch Teile des Schuldrechts betraf.32 Ende der 90-er Jahre wurde der Entwurf wieder aus den Schubladen des Justizministeriums hervorgeholt. Man plante nun, die anstehende Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie33 zu einer „großen Lösung“ zu nutzen und endlich das Vorhaben einer umfassenden Schuldrechtsreform anzugehen.34 Dabei war erhebliche Eile geboten, lief die Umsetzungsfrist der Richtlinie doch bereits zum 31.12.2001 ab. Das Bundesjustizministerium veröffentlichte im August 2000 einen Diskussionsentwurf, der in vielen Bereichen die Vorschläge der Schuldrechtskommission von 1992 fast wörtlich übernahm.35 Was § 284 BGB angeht, war diese Norm mit ihrem jetzigen Inhalt noch nicht vertreten. Vielmehr hatte man auch in diesem Fall den Kommissionsentwurf kopiert; § 327 I 2 BGB-KE fand sich unverändert in § 325 I 2 BGB-DiskE wieder.36 Die Normbegründung war nahezu wortgleich und auch die Anspruchsgrundlagen für den Ersatz von Vertragskosten im Kauf- und Werkvertragsrecht waren als § 438 III und § 636 III BGB-DiskE beibehalten worden. Der Diskussionsentwurf war weitreichender Kritik ausgesetzt, die sich unter anderem in dem von Wolfgang Ernst und Reinhard Zimmermann veranstalteten Regensburger Symposium der Zivilrechtswissenschaftler vom November 2000 Luft verschaffte.37 Daraufhin setzte das Bundesjustizministerium im Dezember desselben Jahres erneut eine Kommission zur Überar32
Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. IX. Richtlinie 1999/44/EG v. 25.01.1999, ABlEG Nr. L 171, S. 12. 34 Auf die umfassende Kritik an der großen Lösung, welche in großen Teilen der Rechtswissenschaft geäußert wurde, soll hier nicht mehr näher eingegangen werden. Vgl. dazu u. a. Ernst, ZRP 2001, 1; Ernst/Gsell, ZIP 2000, 1410, 1462; Zimmermann, JZ 2001, 171, 179; U. Huber, ZIP 2000, 2273, 2282; Dauner-Lieb, JZ 2001, 15; dieselbe, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 6; Littbarski, in: Festschrift für Jagenburg, S. 509 ff.; für die große Lösung: Däubler-Gmelin, NJW 2001, 2281 ff.; vgl. auch die Diskussion im Rechtsausschuss, Protokoll der 96. Sitzung des Rechtsausschusses vom 25.09.2001, S. 17 ff. Der Disput sollte nun einer konstruktiven Arbeit mit dem neuen Gesetz weichen, so zu Recht Dauner-Lieb, Diskussionsbeitrag in: Karlsruher Forum 2002, S. 133. 35 Otto, Jura 2002, 1, 2. 36 Diskussionsentwurf mit Begründung abgedruckt bei Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. 3–347. 37 Abdruck der Referate in Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001. Ein weiteres Symposium fand in Münster statt, Beiträge abgedruckt in Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts 2001; die deutsche Zivilrechtslehrervereinigung veranstaltete zur Schuldrechtsmodernisierung eine Sondertagung, vgl. dazu den Bericht in JZ 2001, 473 ff. 33
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beitung des Leistungsstörungsrechts ein, die ihre abschließende Sitzung am 29.08.2001 abhielt.38 Parallel dazu tagte eine Bund-Länder-Gruppe, welche sich mit der Reform des Verjährungsrechts befasste.39 Am 06.03.2001 wurde eine konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs40 veröffentlicht, wenig später fast unverändert als Regierungsentwurf41 durch das Kabinett verabschiedet und dem Bundesrat am 11.05.2001 zugeleitet. In dieser fand sich nun die neue Regelung des § 284 BGB bereits in der Fassung, die schließlich auch Gesetz werden sollte. Ein identischer Gesetzesentwurf wurde durch die Regierungsfraktionen, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, am 14.05.2001 in den Bundestag eingebracht. Nach einer ersten Lesung im Plenum des Bundestags am 18.05.2001 erfolgte am 13.07.2001 die Stellungnahme des Bundesrats42, die Gegenäußerung des Bundestags43 am 29.08.2001 und am 25.09.2001 gab der Rechtsausschuss44 seine Empfehlung ab, welcher Bundestag und Bundesrat im Wesentlichen folgten. Am 11.10.2001 wurde das Gesetz schließlich im Bundestag verabschiedet und am 26.11.2001 ausgefertigt und verkündet.45 Es trat am 01.01.2002 in Kraft.46
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Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. IX. Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. X. 40 Konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs abgedruckt bei Canaris, Schuldrechtmodernisierung 2002, S. 429–565. 41 Gesetzesentwurf der Bundesregierung v. 11.05.2001, Bundesratsdrucksache 338/01 bzw. v. 31.08.2001, Bundestagsdrucksache 14/6857. Der Text ist identisch mit dem Entwurf der Regierungskoalitionen v. 14.05.2001, Bundestagsdrucksache 14/6040 und deshalb nicht erneut abgedruckt, vgl. Bundestagsdrucksache 14/6857, S. 5. Auf S. 6–41 findet sich die Stellungnahme des Bundesrats zum Gesetzentwurf und auf S. 42–72 die Gegenäußerung der Bundesregierung. Weil der Entwurf der Fraktionen zeitlich früher in den Bundestag eingebracht wurde, gab der Rechtsausschuss auch nur bezüglich diesem eine ausführliche Empfehlung ab, vgl. Bericht des Rechtsausschusses v. 25.09.2001, Bundestagsdrucksache 14/7052; bzgl. des Regierungsentwurfs wurde auf eine erneute Stellungnahme verzichtet, vgl. Bericht des Rechtsausschusses v. 10.10.2001, Bundestagsdrucksache 14/7100. 42 Stellungnahme des Bundesrats v. 13.07.2001, Bundesratsdrucksache 338/01 = Bundestagsdrucksache 14/6857, S. 6–41. 43 Gegenäußerung der Bundesregierung v. 31.08.2001, Bundestagsdrucksache 14/6857, S. 42–72. 44 Stellungnahme und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses v. 25.09.2001, Bundestagsdrucksache 14/7052. 45 Bundesgesetzblatt I 2001, S. 3138 ff. 46 Vgl. zum zeitlichen Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens insgesamt Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, Einleitung. 39
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2. Die Geschichte des § 284 BGB im Besonderen a) Der Diskussionsentwurf Der Diskussionsentwurf übertrug also die Begründung der Schuldrechtskommission zu § 327 I 2 BGB-KE beinahe wörtlich in die Erläuterung zu § 325 I 2 BGB-DiskE. Einleitend stellte man die bisherige Rechtslage mit ihrem Kausalitätsproblem und den Ausweg der Rechtsprechung über die Rentabilitätsvermutung mit ihrem begrenzten Anwendungsbereich dar. Sodann wurde als Ziel der Gesetzesänderung ausgelobt, dem Gläubiger die Möglichkeit zu verschaffen, seine Aufwendungen auf den Schuldner abzuwälzen – unabhängig von deren Rentabilität. Dies sei sachgerecht, immerhin habe der Schuldner das Scheitern des Vertrags zu vertreten47 und man vermeide Unsicherheiten und Zufälligkeiten, die der bisherigen Rechtsprechung immanent gewesen seien. Man rechnete auch mit einer Häufung der Fälle, in denen ein solcher Anspruch von Interesse sei, da Schadensersatz und Rücktritt von nun an kumuliert werden könnten. Dogmatisch sah man in der Norm eine Anspruchsgrundlage auf Ersatz des Vertrauensschadens, nicht begrenzt durch das positive Interesse.48 b) Die konsolidierte Fassung Die konsolidierte Fassung des Gesetzesentwurfs (BGB-KonsDiskE), beruhend auf dem Vorschlag der Kommission Leistungsstörungsrecht, enthielt schließlich keine dem § 325 I 2 BGB-DiskE entsprechende Regelung mehr, sondern schon § 284 BGB in seiner jetzigen Fassung. Was in der Zwischenzeit geschehen war und zu dieser Änderung geführt hatte, bleibt bedauerlicherweise zu großen Teilen im Dunkeln. § 284 BGB sollte keine völlige Neuschöpfung sein, sondern eine einschränkende Fortentwicklung von § 325 I 2 BGB-DiskE. Man wollte der Kritik, die Pflichtverletzung werde zu einem ungerechtfertigten Glücksfall für den Gläubiger, den Boden entziehen. Hierzu beschränkte man den Anwendungsbereich der Norm auf „Aufwendungen“, die der Gläubiger „billigerweise machen durfte“ und deren Zweck „ohne die Pflichtverletzung des Schuldners erreicht worden“ wäre.49 Auf diese Weise sollte sichergestellt 47 Unbeachtet blieb dabei die Beweislastumkehr in § 280 I 2 BGB, die eine Schadensersatzhaftung schon bei Misslingen der Vermutungsentkräftung erzeugt. Vgl. zu der (ungewollten) Verschärfung der Beweissituation für den Schuldner durch die neue Regelung Keilmann, Dem Gefälligen zur Last; dieselbe, in: Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2005, S. 209 ff. 48 Begründung des Diskussionsentwurfs, abgedruckt bei Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. 215 f.
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werden, dass ein entgangener Gewinn, der mit einem hypothetisch möglichen Alternativgeschäft hätte erzielt werden können und prinzipiell zum Vertrauensschaden zählt, nicht ersatzfähig wird.50 Die speziellen Regeln des Kauf- und Werkvertragsrechts zum Vertragskostenersatz wurden als entbehrlich gestrichen.51 c) Die Arbeit der Kommission Die Regelung in ihrer jetzigen Form geht auf einen Vorschlag von ClausWilhelm Canaris zurück, der von der Kommission vollständig – lediglich ergänzt durch das Billigkeitselement – akzeptiert wurde.52 Ob die Kommissionsmitglieder dieser Initiative einhellig folgten, ist mangels öffentlich zugänglicher protokollarischer Mitschriften der Kommissionssitzungen nicht nachvollziehbar.53 Wenngleich nähere Einsichten in die Beratungen verwehrt bleiben, erscheint es naheliegend, dass die keineswegs geringfügige Änderung des Normtextes und der systematischen Stellung nicht diskussionslos und nicht ohne Gegenstimmen in den Entwurfstext aufgenommen wurde.54 Dies gilt insbesondere, weil es zugleich Tendenzen gab, eine Regelung des Aufwendungsersatzes komplett zu streichen55 und darüber hinaus die Rechts49 Begründung der konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs, abgedruckt bei Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. 360 Fn. 1. 50 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144. 51 Begründung der konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs, abgedruckt bei Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. 382 Fn. 1, wobei unklar bleibt, warum dort § 439 II und § 636 II BGB-DiskE genannt werden, obwohl es doch eigentlich um § 438 III und § 636 III BGB-DiskE gehen müsste. Auch Canaris spricht von der Entbehrlichkeit von § 439 II und § 635 II BGB-DiskE, JZ 2001, 499, 517. Vermutlich handelt es sich dabei um ein Versehen, so auch StaudingerKaiser2004, § 347 Rdnr. 25. Zu diesen Vorschriften enthielt auch der DiskE im Wesentlichen nur die Anmerkung, dass ein solcher Anspruch interessengerecht sei. Das Verhältnis zu § 325 I 1 DiskE wurde nicht erörtert; vgl. die Begründung der konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs, abgedruckt bei Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. 273. 52 Canaris, JZ 2001, 499, 516 Fn. 165. 53 Im Diskussionsbeitrag von Wilhelm auf dem Karlsruher Forum 2002 liest man zur Kommissionsarbeit von 2000, es habe ursprünglich Protokollführer gegeben, deren Arbeit jedoch von so schlechter Qualität gewesen sei, dass man, um nicht zu viel Zeit mit der Korrektur von Protokollen zu verbringen, darauf gänzlich verzichtet habe. Von Canaris und Weis wird dies dementiert, vgl. hierzu und zu weiteren anschaulichen Beobachtungen zum Gesetzgebungsverfahren, Karlsruher Forum 2002, S. 150 ff. 54 So auch Emmerich5, Leistungsstörungen, § 13 IV 4, S. 209 f. 55 Vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143: „Er [der Gesichtspunkt des Glücksfall-Arguments, Anm. der
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lage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes heillos umstritten war. Der Umstand, dass über den Inhalt der Kommissionssitzungen nur das zu erfahren ist, was Mitglieder dieses Gremiums durch Anmerkungen in Publikationen nach außen dringen lassen, erschwert das Verständnis der Normen erheblich. Im Gegensatz dazu beschreibt Jan Wilhelm, ein vehementer Gegner der Schuldrechtsreform, überaus lobend die Arbeit am Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900: „Man kann das Ringen der Meinungen nachvollziehen und hat diejenigen Argumente, mit denen die Mehrheitsmeinung sich nicht nur durchsetzen, sondern mit denen sie überzeugen musste, vor sich. Dadurch wird die Gesetzesfassung vollkommen transparent für die dahinter stehenden Wertungen und dogmatischen Schlussfolgerungen. Etwaige Fehlgriffe in der Gesetzesverfassung sind aufgrund dieser Transparenz korrigierbar.“56
Diese einigermaßen verklärte Äußerung zum ursprünglichen Bürgerlichen Gesetzbuch ist freilich nur als Reaktion auf die verfahrenstechnisch wie inhaltlich von Wilhelm abgelehnte Schuldrechtsmodernisierung zu begreifen. Das Verfahren bis zur Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs gibt nämlich ebenfalls so manches Rätsel auf. Zu denken ist nur an die lange Zeit unbekannte Vorkommission für die 2. Lesung.57 Die Materialien von 1900 sind keinesfalls ein Musterbeispiel an Transparenz. Zwar gibt es ausführliche Motive, auf die sich Wilhelm auch beruft, doch sind diese nicht vollständig von der ersten Kommission gefertigt, sondern teilweise im Nachhinein durch das Reichsjustizamt verfasst worden. Protokolle der Beratungen der Kommission wurden nie veröffentlicht.58 Vor allem aber beschränken sich die Motive auf den ersten Entwurf. Für den zweiten Entwurf erarbeitete man weder Motive noch eine ausführliche Begründung.59 Die Überarbeitung des Gesetzesentwurfs durch das Reichsjustizamt und die zweite Kommission lässt sich somit keinesfalls lückenlos nachvollziehen. Gleichwohl ist den Lobesworten zu entnehmen, was Materialien im Optimalfall zu leisten vermögen. Die Materialien zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz können insoweit nur als unzulänglich bezeichnet werden.60
Verfasserin] gibt aber keinesfalls Veranlassung, die Regelung insgesamt zu verwerfen.“; Canaris, JZ 2001, 499, 516. 56 Wilhelm, JZ 2001, 861, 863. 57 Näheres hierzu bei Schulte-Nölke, Das Reichsjustizamt, S. 169. 58 Schulte-Nölke, Das Reichsjustizamt, S. 135. 59 Schulte-Nölke, Das Reichsjustizamt, S. 226. 60 Vgl. auch Keilmann, Dem Gefälligen zur Last, S. 140 ff.
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d) Die Beratung im Plenum Die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen übernahmen die konsolidierte Fassung des § 284 BGB unverändert in ihre Gesetzesentwürfe. Im Gesetzgebungsverfahren selbst blieb § 284 BGB dann unberührt. Soweit aus der Durchsicht der Materialien ersichtlich, wurden in den verschiedenen Gremien fast keine nennenswerten Beratungen zum Inhalt dieser Norm geführt. Weder die Protokolle der Lesungen des Bundestags,61 noch das Plenarprotokoll des Bundesrats,62 die Stellungnahme des Bundesrats,63 die Gegenäußerung der Bundesregierung,64 genauso wenig wie der Bericht und die Empfehlungen des Rechtsausschusses65 beschäftigten sich hiermit ernsthaft. Letzterer enthält lediglich im allgemeinen Teil die Bemerkung, dass der Ersatz vergeblicher Aufwendungen nunmehr in § 284 RegE ausdrücklich geregelt sei.66 Bei den in der Empfehlung näher behandelten Paragrafen ist § 284 BGB schlichtweg nicht aufgeführt.67 Alleine Wolfgang Freiherr von Stetten, Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Rechtsausschusses,68 äußerte in der 2. Lesung im Bundestag am 11.10.2001 die Frage, „inwieweit ein evtl. Vertrauensschaden, z. B. durch § 284 BGB begründet, durch das positive Interesse der Erfüllung begrenzt ist“.69 Dieser Beitrag blieb unbeantwortet im Raum stehen. Von Stetten ist einer der wenigen Redner, die sich nicht mit einer Gesamtbewertung des Reformvorhabens zufrieden gaben, sondern konkret zu befürchtende Schwierigkeiten einzelner Normen ansprachen. In den Bundestagslesungen ist diese pauschalisierende Herangehensweise aufgrund des Zeitdrucks und der womöglich nicht ausreichenden Fach61 Stenografische Berichte des Bundestags zur 171. Sitzung v. 18.05.2001, S. 16719 ff. und zur 192. Sitzung v. 11.10.2001, S. 18744 ff. 62 Stenografische Berichte des Bundesrats zur 766. Sitzung v. 13.07.2001, auch die – zur allgemeinen Freude der Beteiligten – bereits zuvor zu Protokoll gegebenen Erklärungen enthalten keine Ausführungen zu § 284 BGB. 63 Bundesratsdrucksache 338/01, ebenfalls abgedruckt als Anlage 2 zum Regierungsentwurf, Bundestagsdrucksache 14/6857 S. 6–41. 64 Abgedruckt als Anlage 3 zum Regierungsentwurf, Bundestagsdrucksache 14/6857, S. 42–72. 65 Bericht und Empfehlungen des Rechtsausschusses, Bundestagsdrucksache 14/7052. 66 Bericht und Empfehlungen des Rechtsausschusses, Bundestagsdrucksache 14/7052, S. 175. 67 Vgl. Bericht und Empfehlungen des Rechtsausschusses, Bundestagsdrucksache 14/7052, S. 170–213. 68 Vgl. Bericht und Empfehlungen des Rechtsausschusses, Bundestagsdrucksache 14/7052, S. 170. 69 Stenografische Berichte des Bundestags zur 192. Sitzung v. 11.10.2001, S. 18760.
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kenntnisse der Abgeordneten noch verständlich. Gleichwohl erscheint die Zeit, die für die Lesungen zur Verfügung stand, angesichts der Fülle von Änderungen erschreckend kurz. Für die erste Beratung im Bundestag war gerade einmal eine Stunde angesetzt,70 für die zweite und dritte Lesung wurden insgesamt eineinhalb Stunden veranschlagt.71 e) Die Auseinandersetzung im Rechtsausschuss Durch die Äußerungen von Stettens bekommt man indessen auch einen Einblick in die Art und Weise, in der das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz im Rechtsausschuss beraten wurde. Von Stetten könne sich nicht erinnern, dass man schon einmal ein solch wichtiges Gesetz so „dilettantisch“72 verabschiedet habe. Er fährt mit den Worten fort: „Es war und ist bei uns im Rechtsausschuss üblich, dass wir vor der letzten Beschlussfassung jeden Paragraphen, manchmal sogar die Absätze einzeln beraten und abstimmen. Bei diesem angeblichen Jahrhundertgesetz wurden nach kurzen allgemeinen Ausführungen Hunderte von Paragraphen auf einmal beschlossen und durchgeboxt.“73
Angesichts dieser Bemerkungen mutet es wenig erstaunlich an, dass in den Materialien Hinweise auf eine Diskussion der neuen Aufwendungsersatznorm rar sind. § 284 BGB war für die Bewertung des Gesamtkonzepts des neuen Schuldrechts weniger ausschlaggebend. Vermutlich wurde die Vorschrift stillschweigend mit den anderen Regeln über den Schadensersatz „abgesegnet“. Betrachtet man das Protokoll der 92. Sitzung des Rechtsausschusses vom 02.07.2001, verstärkt sich dieser Eindruck.74 Zu diesem Termin waren zahlreiche Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis – darunter auch Mitglieder der Schuldrechtskommissionen von 1984 und 2000 – geladen, ihre vorher gefertigten schriftlichen Stellungnahmen noch einmal zu erläutern. Von Claus-Wilhelm Canaris, dem zweiten Redner nach Holger Altmeppen, 70 Stenografische Berichte des Bundestags zur 171. Lesung v. 18.05.2001, S. 16719. 71 Stenografische Berichte des Bundestags zur 192. Sitzung v. 11.10.2001, S. 18745; vgl. auch Schröder/Thiessen, JZ 2002, 325 mit dem Hinweis darauf, dass das BGB von 1900 in 10 Plenarsitzungen intensiv diskutiert wurde. 72 Stenografische Berichte des Bundestags zur 192. Sitzung v. 11.10.2001, S. 18759. 73 Stenografische Berichte des Bundestags zur 192. Sitzung v. 11.10.2001, S. 18759. 74 Der Rechtsausschuss tagte in seiner 92. Sitzung am 02. und 04.07.2001 und in seiner 96. Sitzung am 25.09.2001 zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz.
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liest man in seiner einleitenden Stellungnahme, dass er die Ausführungen zum Aufwendungsersatz überspringe, „weil auch Herr Altmeppen, mit dem ich darüber eine Kontroverse habe, das weggelassen hat [. . .].“75 Als Altmeppen in der späteren Diskussion den Entwurf des § 284 BGB doch anspricht und dafür plädiert, die Bestimmung wegen Verstoßes gegen Grundregeln der Schadensdogmatik zu streichen,76 verzichtet Canaris trotz Aufforderung auf eine Gegenäußerung und lässt sich stattdessen wie folgt ein: „Vielen Dank, aber ich kann darauf gerne verzichten. Die Debatte ist jetzt von Herrn Altmeppen sehr stark in Einzelheiten und auch in dogmatische Komplikationen hineingetragen worden und ich möchte mich daher darauf beschränken, zu sagen, was Herr Altmeppen schon weiß, dass ich darauf in ‚Der Betrieb‘ eine Erwiderung schreiben werde. Ich glaube nicht, dass ich den Inhalt dieser Erwiderung jetzt vortragen sollte.“77
Weil Canaris in Aussicht stellt, dass seine Erwiderung noch vor Ende der Beratungszeit für das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz veröffentlicht werde, endet die Diskussion zu diesem Thema. Man beschränkt sich wieder auf die Frage, ob die sogenannte „große Lösung“ generell sinnvoll und geboten sei. An dieser Auseinandersetzung zwischen zwei namhaften Rechtswissenschaftlern – der eine treibende Kraft der Schuldrechtsmodernisierung, der andere harscher Reformgegner – wird deutlich, dass auch der Rechtsausschuss sich keinesfalls mit der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale befasste – und dies wohl nicht einmal erwünscht war.78 Sicherlich ist eine Betrachtung der einzelnen Normen an insgesamt zwei Sitzungstagen79 kaum möglich, so dass der Rechtsausschuss sich mit schriftlichen Stellungnahmen behalf und behelfen musste. Man wird unterstellen dürfen, dass die Ausschussmitglieder die Diskussion der Rechtswissenschaftler in den Fachzeitschriften verfolgten. Was § 284 BGB anbelangt, sucht man aber auch in den schriftlichen Ausführungen der Sachverständigen fast vergebens nach Erläuterungen. Im Gegensatz zu Altmeppens Forderung nach einer Streichung der Norm,80 charakterisiert Canaris diese in 75
Protokoll der 92. Sitzung des Rechtsausschusses v. 02.07.2001, Teil 1, S. 10. Protokoll der 92. Sitzung des Rechtsausschusses v. 02.07.2001, Teil 1, S. 79. 77 Protokoll der 92. Sitzung des Rechtsausschusses v. 02.07.2001, Teil 1, S. 80. 78 Bei Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 9 findet sich passend dazu die Anmerkung: „Weitere Diskussionen hat es im Rahmen der Gesetzesberatungen nicht gegeben, vermutlich, weil die Wertungsfragen zu diffizil sind.“ 79 Die 92. Sitzung fand am 02.07.2001 ganztägig von 9 Uhr bis 16.22 Uhr statt, am 04.07.2001 nachmittags von 13 Uhr bis 16.16 Uhr. In der 96. Sitzung v. 25.09.2001 wurden lediglich noch einige Erklärungen abgegeben und über die Beschlussvorlagen abgestimmt, vgl. die Sitzungsprotokolle. 76
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seinem Gutachten als eine Vereinfachung der früheren „ohnehin vielen Juristen unbekannte[n] und nur bei genauer Kenntnis der Rechtsprechung korrekt zu handhabende[n]“ Rentabilitätsvermutung.81 Wie der Tatbestand auszulegen ist, inwieweit die Vorschrift eine Erweiterung der bisherigen Rechtslage darstellt oder gar die dogmatische Einordnung bleibt in den Stellungnahmen für den Rechtsausschuss, genauso wie in unzähligen Beiträgen zum Gesetzesentwurf in der Fachliteratur, ungefragt und unbeantwortet. Von der Auseinandersetzung zwischen Altmeppen und Canaris abgesehen, die vermutlich später zu der Äußerung führte, die dogmatische Einordnung und Tragfähigkeit von § 284 BGB seien „heftig umstritten“82 gewesen, sind Äußerungen zum Entwurf der Aufwendungsersatznorm von Seiten der Rechtswissenschaft rar. Hans Stoll hält die Norm für zu weitgehend und propagiert eine Beschränkung des Ersatzanspruchs auf die Vertragskosten im engeren Sinn.83 Insbesondere die Befürworter eines vertraglichen Ersatzanspruchs für Vertrauensschäden wie Herbert Wiedemann oder Eike Schmidt schwiegen zum Reformvorhaben. Die Kommission Leistungsstörungsrecht unterlag darüber hinaus einem sehr engen zeitlichen Rahmen, weshalb eine breite Diskussion ebenfalls nicht zu erwarten war.84 Die hier schon geäußerte Befürchtung, man habe 80
Stellungnahme von Altmeppen, abgedruckt in Teil 3 des Protokolls der 92. Sitzung des Rechtsausschusses v. 02. und 04.07.2001, S. 8. 81 Stellungnahme von Canaris, abgedruckt in Teil 3 des Protokolls der 92. Sitzung des Rechtsausschusses v. 02. und 04.07.2001, S. 21. Das Gutachten entspricht in seinen Ausführungen zu § 284 BGB (S. 19 ff.) fast wörtlich dem Aufsatz in der ZRP 2001, 329 ff. (vgl. zu § 284 BGB S. 333). Angespielt wurde von Canaris und Altmeppen in ihren schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen auf einen Disput über die dogmatische Stimmigkeit von § 284 BGB und § 311a II BGB, welcher von beiden im Rahmen mehrerer aufeinander folgender Aufsätzen in der Fachzeitschrift „Der Betrieb“ ausgetragen wurde (Altmeppen, DB 2001, 1131 ff. und 1403 ff.; Canaris, DB 2001, 1815, ff. und wiederum Altmeppen, DB 2001, 1821 ff.). Altmeppen plädierte dafür, beide Normen aufgrund ihrer „schadensrechtlichen Unhaltbarkeit“ zu streichen. Er hält einen Ersatz des Vertrauensschadens im wirksamen Schuldverhältnis für ausgeschlossen (S. 1403). Canaris sieht den Schaden dagegen in der Frustrierung der Aufwendung und ordnet dies dem Nichterfüllungsschaden zu (S. 1820). Dies wiederum hält Altmeppen aufgrund der Abgrenzungsschwierigkeiten für unpraktikabel (S. 1823). Vgl. für Einzelheiten der dogmatischen Einordnung Teil 4 A., S. 182 ff. 82 AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 2. 83 Stoll, JZ 2001, 589, 596; dies entspricht im Ergebnis der Auffassung, die er auch zur Rechtslage vor 2002 vertreten hat, vgl. oben unter Teil 1 G.III.4., S. 76. 84 Canaris, der in der Kommission federführend war, bemängelt den extremen Zeitdruck. Man hatte gerade einmal sechs Wochen Zeit (neben den regulären Aufgaben), die konsolidierte Fassung zu entwickeln, JZ 2001, 499, 523/524. In seiner Äußerung vor dem Rechtsausschuss bestreitet Canaris allerdings, dass die Schuld-
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Teil 2: Die Reform
bei weitem nicht alle Einzelheiten des Aufwendungsersatzes durchdacht und die Tragweite der Norm nicht vollständig überblickt, gewinnt deshalb an Auftrieb und wird sich im Folgenden noch einige Male bestätigen.
C. Die Gesetzesbegründung zu § 284 BGB Die offizielle Gesetzesbegründung zu § 284 BGB stellt sich als Zusammenfassung der Begründungen des Diskussionsentwurfs und der konsolidierten Fassung dar. Dies erscheint schon auf den ersten Blick problematisch, wenn man die gewichtigen Änderungen im Wortlaut und in der systematischen Stellung beachtet, welche die Norm im Gesetzgebungsverfahren durchlaufen hat.
I. Motiv des Gesetzgebers Das Motiv des Gesetzgebers, dem Gläubiger aus Gerechtigkeitsgründen und zur Stärkung der vertraglichen Bindung einen Ersatz seiner Aufwendungen zu ermöglichen, blieb konstant.85 Daran schließt sich die Erläuterung an, warum man vom ursprünglichen Vorhaben der Schuldrechtskommission, der Kombination von Vertrauensschadensersatz und verschuldensunabhängigem Vertragskostenersatz im besonderen Gewährleistungsrecht, abgerückt sei. Wie schon in der konsolidierten Fassung angedeutet, wollte man vermeiden, dass die Pflichtverletzung des Schuldners sich zu einem ungerechtfertigten Glücksfall des Gläubigers wandeln könnte.86 Als Beispiel, warum eine Regelung im Sinne der geplanten Norm geboten sei, nimmt der Gesetzgeber ausdrücklich auf die Stadthallen-Entscheidung Bezug. Bei Gläubigern mit immateriellen Vertragszielen komme anderenfalls kein Ersatz für ihre Frustration in Betracht.87 Bei konsumtiven Zwecken werde durch § 284 BGB ebenfalls eine sinnvolle Lösung geschafrechtsmodernisierung in zu großer Eile durchgesetzt werden sollte. Seiner Meinung nach sei das Gesetz nämlich lange nicht „so komplex“ wie oftmals behauptet. Nur sechs wesentliche Vorschriften seien geändert worden, drei neue hinzugefügt (§§ 284, 311a, 325). „Nirgendwo werden grundstürzende Neuerungen eingeführt“, sondern lediglich Mängel beseitigt. Vgl. die Stellungnahme im Rechtsausschuss, Protokoll zur 92. Sitzung, Teil 1, S. 10. 85 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143. 86 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143. Entsprechend der Herkunft des Vorschlags aus der Feder von Canaris, erinnert dieser Teil der Begründung sehr an dessen Ausführungen in seinem großen Aufsatz zum Reformvorhaben in JZ 2001, 499, 516/517. 87 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143. Auch Canaris sieht die Beseitigung der Diskriminierung von ideel-
C. Die Gesetzesbegründung zu § 284 BGB
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fen. Die Rentabilitätsvermutung versage dort oder müsse zu „methodenunehrlichen Fiktionen“ Zuflucht nehmen.88 Im Ergebnis hat der Gesetzgeber damit der Literaturmeinung den Vorzug gegeben, die den Haftungsgrund in der Verletzung schützenswerten Vertrauens sieht und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshof den Rücken gekehrt.89
II. Angaben zur Anwendung und Einordnung Was aber die Anwendung der Norm im täglichen Leben betrifft, gibt die Begründung wenig her.90 Das Billigkeitskriterium soll dazu dienen, den Anspruch einzuschränken. Ob dadurch im Stadthallen-Fall die Aufwendungen beispielsweise auf ihre Höhe zu überprüfen wären, bleibt genauso offen wie die Frage, was man unter Aufwendungen verstehen soll. Die Diskotheken-Entscheidung wird als Nachweis für die bisherige Rechtslage zitiert, ohne daraus Konsequenzen für die Neuregelung zu ziehen. Ob auch der Anwendungsbereich von § 284 BGB auf Aufwendungen beschränkt sein soll, welche der Durchführung des Vertrags dienen, wird nicht erörtert, so dass sich an dieser Stelle auch sogleich erste Unsicherheiten und verschiedene Lager in der Literatur gebildet haben.91 Was die dogmatische Einordnung der Norm angeht, stellt sich die Begründung als eher verwirrend und widersprüchlich dar. Zumindest bei § 284 BGB scheint der Gesetzgeber sein weiteres Reformziel, die Dogmatik des Bürgerlichen Gesetzbuchs verbessern zu wollen,92 weniger ernst genommen zu haben.
III. Vergleich mit der Reform als Ganzes In gewisser Weise erinnert das Umschwenken des Normgebers von § 325 I 2 BGB-DiskE auf § 284 BGB an die allgemeine Haltung im Gesetzgebungsverfahren zur Modernisierung des Schuldrechts. Der Diskussionsentwurf aus dem Jahre 2000, welcher sich kaum vom Vorschlag der Schuldrechtskommission von 1992 unterschied, beinhaltete eine radikale Lösung, len gegenüber wirtschaftlichen Zwecken als Grund für die Neuregelung an. Diese sei de lege ferenda nicht zu legitimieren, JZ 2001, 499, 516. 88 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143. 89 Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 50/51. 90 Vgl. hierzu auch die Kritik von Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 16/17. 91 Vgl. die Ausführungen unten unter Teil 3 C.IV., S. 132 ff. 92 Dauner-Lieb/Thiessen, DStR 2002, 809.
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Teil 2: Die Reform
deretwegen er scharf kritisiert wurde.93 Der Bruch mit dem überkommenen Verständnis schadensrechtlicher Grundsätze wäre immerhin offenkundig und damit zugleich transparent gewesen. Der Gesetzgeber wagte diesen Schritt letztendlich jedoch nicht und schränkte den ursprünglichen Anspruch wieder ein. Dabei veränderte er die bestehenden Ansätze durch den Zusatz mehrerer unbestimmter Tatbestandsmerkmale. Man bewegte sich wieder ein Stück zurück zur alten Rechtslage, schuf gleichzeitig durch die Veränderung der Norm aber zahlreiche Unklarheiten.94 Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass sich unmittelbar nach Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung der Streit entfachte, ob mit Einführung von § 284 BGB die Rentabilitätsvermutung hinfällig geworden ist, was mit einer Norm wie § 325 I 2 BGB-DiskE recht eindeutig zu bejahen gewesen wäre.95 Betrachtet man die Schuldrechtsreform als Ganzes, wiederholt sich dieses Bild. Die Pflichtverletzung als Schlüsselbegriff sollte nach dem Willen der ersten Schuldrechtskommission von 1992 und auch des Diskussionsentwurfs von 2000 die bisherigen Kategorien von Leistungsstörungen ablösen. Das Einheitsprinzip sollte Schadensersatz und Rücktritt zu einem Gleichlauf bringen und für alle Gläubigerrechte an den gemeinsamen Tatbestand der Pflichtverletzung anknüpfen.96 Worauf die Pflichtverletzung, das heißt das objektive Zurückbleiben hinter dem Pflichtenprogramm, beruhte, sollte unerheblich sein. Lediglich nach der Rechtsfolge wollte man die Fälle, in denen der Schadensersatz neben dem fortbestehenden und durchzuführenden Vertrag zu leisten wäre – geregelt in § 280 BGB-KE/§ 280 BGB-DiskE –, unterscheiden von den Situationen, in denen der Gläubiger vom Vertrag insgesamt Abstand nehmen wollte und deshalb Schadensersatz statt der Leistung fordern (§ 283 BGB-KE/§ 282 BGB-DiskE) oder zurücktreten konnte (§ 323 BGB-KE/§ 323 BGB-DiskE). Dieses Konzept wäre ein radikaler Schritt und eine wirkliche Veränderung gewesen, wenngleich damit nicht zwingend eine Vereinfachung für den Rechtsanwender verbunden gewesen wäre.97 Dann wandte man sich durch 93
Vgl. z. B. Dauner-Lieb/Thiessen, DStR 2002, 809, 810. In §§ 280 ff. BGB sehen Dauner-Lieb/Thiessen allgemein ein Unsicherheitsund Gefahrenpotenzial, DStR 2002, 809, 813. 95 Vgl. zu der Frage, ob § 284 BGB den Ersatz frustrierter Aufwendungen abschließend regelt die Ausführungen unten unter Teil 4 C., S. 200 ff. 96 Vgl. z. B. Dauner-Lieb in: Dauner-Lieb/Konzen/K.Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 14; P. Huber, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 1 B II, S. 9 Rdnr. 3. 97 Dies war auch der Grund für die erneute Auffächerung der Leistungsstörungen. Vgl. u. a. die Begründung des Gesetzesentwurfs zu §§ 280–288, Bundestagsdruck94
C. Die Gesetzesbegründung zu § 284 BGB
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Ergänzung des § 280 BGB um die §§ 281–283 BGB, der Sonderregelung für die anfängliche Unmöglichkeit in § 311a II BGB und der Entkopplung des Rücktrittsrechts wieder von diesem Vorschlag ab, hin zu einer Unterscheidung der Leistungsstörungen und damit zurück zum Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900.98 Insbesondere wurde auch die Kategorie der Unmöglichkeit zurückgeholt, die als zentraler Punkt der Einheitskonzeption als eigene Fallgruppe einer Leistungsstörung entbehrlich werden sollte.99 Man erhoffte sich durch diese Entzerrung der Haftungstatbestände ein weniger abstraktes und damit leichter anzuwendendes Recht.100 Außerdem erwartete der Gesetzgeber, „dass sich vor allem beim Schadensersatz statt der Leistung einzelne Fallgruppen herausbilden werden, die im Großen und Ganzen den bisher bekannten Arten der Leistungsstörungen entsprechen.“101
Diese Umkehr vermittelt den Eindruck, als habe den Gesetzgeber zwischenzeitlich der Mut verlassen. Womöglich versuchte man auf diese Weise aber auch, einen breiteren Konsens in der Rechtswissenschaft für das Gesetz zu erlangen. Mit dem Hinweis auf die alten Kategorien scheint die Reform zu einer „kosmetischen Modernisierung der Begrifflichkeit“102 verkommen zu sein, ohne dass eine inhaltliche Änderung erwünscht war. Das endgültig verabschiedete Leistungsstörungsrecht stellt sich schließlich weniger als eine Weiterentwicklung des Kommissionsentwurfs von 1992 und des Diskussionsentwurfs von 2000 dar, sondern als eine Kombination aus den Vorschlägen von 1992 und dem Modell des alten BGB.103 Durch solche sache 14/6040, S. 135; Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 C I 2 a, S. 75 Rdnr. 16; Looschelders, Schuldrecht AT, § 22 III 2 a, S. 175 Rdnr. 449. 98 Dauner-Lieb/Thiessen, DStR 2002, 809, 810; Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/ Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 C I 2 c, S. 77 Rdnr. 18. 99 Otto, Jura 2002, 1, 2; Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 C I 2 c, S. 76 Rdnr. 18; dieselbe, JZ 2001, 8, 12 f.; Canaris, ZRP 2001, 329/330. 100 Canaris, JZ 2001, 499, 512; Dauner-Lieb/Thiessen, DStR 2002, 809, 810. 101 Begründung des Gesetzesentwurfs zu §§ 280–288 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 135. 102 Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 1 a, S. 87 Rdnr. 34. 103 Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 14; dieselbe, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 C II 3, S. 77 Rdnr. 19; Medicus, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 63 sieht keinen Systemwechsel im neuen Recht; P. Huber, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 1 B, S. 9 Rdnr. 4 weist darauf hin, dass die Differenzierungstiefe des alten Rechts bei Weitem nicht erreicht werde.
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Teil 2: Die Reform
Kompromisse wurden die einst einfach gedachten Regelungen wieder „verkompliziert“ und in ihrem Anwendungsbereich undeutlich.104
D. Der „Wille des Gesetzgebers“ I. Bedeutung für die Auslegung Unabhängig von dem Streit zwischen objektiver und subjektiver Theorie gilt der Wille des historischen Gesetzgebers bei der Auslegung als ein nicht zu unterschätzendes Auslegungskriterium.105 Zur Ermittlung der ratio legis müssen die Regelungsabsichten und Wertentscheidungen des historischen Gesetzgebers herangezogen werden.106 Dies gilt unbeschadet der Einsicht, dass sich ein Gesetzeszweck mit der Zeit wandeln kann und sich eine Bindung an einen unzeitgemäßen Gesetzgeberwillen verbietet. Vorrangiges Ziel jeder Auslegung muss es sein, das für die gegenwärtige Lebenswirklichkeit „Vernünftige, Zweckmäßige und Angemessene aus einem Gesetz herauszuholen“.107 Insbesondere in den ersten Jahren einer neuen Norm kann der „Wille des Gesetzgebers“ aber auch wertvolle Auskunft über den „Willen des Gesetzes“ geben.108 Im Hinblick auf das problematische Gesetzgebungsverfahren zur Schuldrechtsreform sollte man sich des historischen Aspekts der Auslegung zwar nicht gänzlich entledigen,109 ihm immerhin aber mit der nötigen Vorsicht begegnen. Außerrechtliche Argumente soziologischer und ökonomischer Art können im Gegenzug an Bedeutung gewinnen.110 Im Gegensatz dazu gesteht Claus-Wilhelm Canaris den Materialien aufgrund des technischen Charakters der Schuldrechtsreform sogar eine gesteigerte Bedeutung zu. Das Gesetz sei weitgehend frei von politischen oder weltanschaulichen Im104 Vgl. auch Keilmann, Dem Gefälligen zur Last, S. 122 zur dadurch bestehenden Gefahr innerer Widersprüche. 105 Larenz, Methodenlehre, S. 318; Seiler, Entscheidungsbegründungen, S. 33. 106 Beschluss des Plenums des BVerfG v. 11.06.1980, BVerfGE 54, 277, 297. 107 Engisch, Juristisches Denken, S. 116. 108 Engisch, Juristisches Denken, S. 119. 109 So aber Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, § 2 E V 3, S. 120 Rdnr. 91 im Hinblick auf die Diskussion, § 311a II BGB durch eine analoge Anwendung von § 122 BGB zu ergänzen; Wilhelm, JZ 2001, 861, 863; Schulze, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2001, S. 178. 110 Schulze, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2001, S. 180 mit Hinweis darauf, dass die Ausblendung der subjektiv-historischen Auslegung auch auf die europäische Gesetzgebung zurückgeht, weil für die Auslegung von Richtlinien kaum Materialien zur Verfügung stehen, S. 179/180. Für § 284 BGB hat das europäische Recht jedoch keine Bedeutung.
D. Der „Wille des Gesetzgebers“
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plikationen und sein Inhalt habe keinen parteipolitischen Differenzen unterlegen. Deshalb sei die Vermutung besonders hoch, dass die Parlamentarier die Begründung des Gesetzesentwurfs als ihrem Willen entsprechend angesehen haben.111 Gerade im Hinblick auf den bereits geschilderten Ablauf der Beratungen und die teilweise fehlende Fachkenntnis der Abgeordneten kann dem jedoch nicht gefolgt werden. Eine solche Annahme wäre tatsächlich reine Fiktion. Noch dazu hatte die Opposition das Gesetz im Bundestag abgelehnt. Ein gewisser Rückgriff auf die Materialien ist gleichwohl nötig, da die neuen Normen sonst nicht mehr verständlich sind.112
II. Bindungswirkung des Gesetzgeberwillens Der subjektive Wille des Gesetzgebers muss ebenfalls erst durch Auslegung ermittelt werden. Streng genommen ist er nämlich bloße Fiktion. Der Gesetzgeber ist keine Einzelperson, die zu ihren Vorstellungen und Erwägungen bezüglich einer neuen Regelung befragt werden könnte.113 Vielmehr sind im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens vielfältige Gremien, die selbst vermutlich nur selten einen homogenen Willen gebildet haben, mit der Fassung von Entwürfen beschäftigt.114 Die Paktentheorie, wonach die beteiligten Verfahrensmitglieder die Ausführungen, die sich später in der publizierten Gesetzesbegründung wiederfinden, stillschweigend als in ihrem Sinne akzeptieren würden, kann nicht überzeugen.115 Man muss sich nur noch einmal den Ablauf der Lesungen im Bundestag vor Augen führen, die knappe Zeit für öffentliche Beratungen im Plenum und auch die Tatsache, dass einzelne Normen in den Debatten so gut wie nicht angesprochen wurden. Dieser Mangel an Informationen spricht gegen das Postulat, die niedergeschriebenen Materialien als bindenden Gesetzgeberwillen ansehen zu wollen. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass sich der Wille der Abgeordneten nur in einer zustimmenden oder ablehnenden Grundhaltung äußern kann.116 Lediglich diese Regelungs111
Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 144. Dauner-Lieb/Dötsch, SchuldR aktuell, S. 10. 113 Larenz, Methodenlehre, S. 328; Seiler, Entscheidungsbegründungen, S. 34; speziell zur Schuldrechtsreform Dauner-Lieb/Dötsch, SchuldR aktuell, S. 24. 114 Seiler, Entscheidungsbegründungen, S. 34; Larenz, Methodenlehre, S. 329. 115 Anders Engisch, Juristisches Denken, S. 122; Neuner, Die Rechtsfindung, S. 104; Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 144. 116 So auch Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis S. 21; Keilmann, Dem Gefälligen zur Last, S. 140 ff.; Wilhelm, JZ 2001, 861, 862; derselbe, in: Karlsruher Forum 2002, S. 150 berichtet von Äußerungen verschiedener Fraktionsvorsitzender, sie hätten weder vom Gesetzes112
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Teil 2: Die Reform
absichten, denen die Volksvertreter ihre Stimme geben, haben eine Chance, überhaupt inhaltsbezogen diskutiert zu werden und allein diese sollten deshalb für die Auslegung verbindlich sein.117 Konkrete Vorstellungen über die genaue Bedeutung und Reichweite einer Norm sind eher bei den Verfassern des Normtextes und den Mitgliedern der beratenden Kommissionen zu vermuten. Für die Auslegung von § 284 BGB rücken dadurch insbesondere die Ausführungen von Claus-Wilhelm Canaris in den Mittelpunkt. Zum einen ist dieser der „geistige Vater“ der Norm und zum anderen finden sich aus der Zeit des Gesetzgebungsverfahrens alleine in seinen Publikationen konkretere Gedanken zum Verständnis einzelner Tatbestandsmerkmale. Deshalb kann die Frage nicht unbeantwortet bleiben, inwieweit seine Auslegung des Normtextes für den Anwender bindend ist. Ist Canaris auf diese Weise zum „Gesetzgeber“ geworden? Sind seine Absichten ausschlaggebend, wenn man im Rahmen der historisch-genetischen oder auch teleologischen Auslegung nach den Motiven des Normgebers und der ratio legis sucht? Können Tatbestandsmerkmale auch gegen seine favorisierte Lesart interpretiert werden? Eine Bindung an die Auffassung von Canaris wäre fast naheliegend, bedenkt man, dass er sich weit mehr mit der Norm, ihrem Sinn und Zweck und ihrer konkreten Ausgestaltung befasst hat als die später tatsächlich darüber abstimmenden Abgeordneten. So wird sein Aufsatz in der „Juristenzeitung“ im Jahr 2001, in dem er die vorgesehenen Neuerungen in größerem Umfang darlegt, auch als „Grundlagenbeitrag“ und als „zentral für das Verständnis der Änderungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts“ gedeutet.118 Die Äußerungen von Kommissionsmitgliedern sind für die Auslegung von hohem Wert, weil sie die Worte einer Norm im Zweifel wohldurchdacht gewählt haben und die Regelungsabsichten des Gesetzgebers umsetzen wollten. Eine bindende Richtschnur für den Auslegenden stellen jedoch nur die dahinter stehenden Motive des Gesetzgebers dar.119 inhalt noch von der Begründung irgendeine Ahnung. Dies sei auch entbehrlich gewesen, so zitiert Wilhelm den Fraktionsvertreter, immerhin habe doch Canaris den Entwurf gutgeheißen und dies genüge. 117 Larenz, Methodenlehre, S. 329; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 150. In diese Richtung auch Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 159; Neuner, Die Rechtsfindung, S. 104 f. 118 Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 B I, S. 68 Fn. 5; dieselbe ähnlich in ZGS 2003, 10 Fn. 6. 119 Larenz, Methodenlehre, S. 329. So auch Canaris selbst in Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 150.
D. Der „Wille des Gesetzgebers“
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Diese Einschätzung zur Bedeutung der Gesetzesmaterialien liegt auch der höchstrichterlichen Praxis zugrunde. In einem Beschluß des Plenums vom 11. Juni 1980 führte das Bundesverfassungsgericht aus: „Über die erkennbare Regelungsabsicht [des Gesetzgebers, Anm. der Verfasserin] darf die Auslegung in solcher Lage nicht hinweggehen. Dies gilt allerdings nur für die in dieser Regelung erkennbar ausgeprägten und in ihr angelegten Grundentscheidungen, Wertsetzungen und Regelungszwecke; konkrete Vorstellungen, die von Ausschüssen oder einzelnen Mitgliedern der gesetzgebenden Körperschaften über die nähere Bedeutung oder Reichweite einer einzelnen Bestimmung, eines Normbestandteils oder eines Begriffs und ihrer Handhabung wie Wirkung geäußert werden, stellen für die Gerichte jedenfalls nicht eine bindende Anleitung dar, so erhellend sie im Einzelfall für die Sinnermittlung auch sein mögen [. . .]. Sie sind als solche nicht schon Inhalt des Gesetzes.“120
Damit werden auch die Worte von Canaris, wenngleich er es war, der den Normtext verfasste, zu einer bloßen Interpretationshilfe unter mehreren. Dies bedeutet, dass seine Ausführungen bei der Auslegung der ratio legis und der einzelnen Tatbestandsmerkmale von § 284 BGB einer intensiven Betrachtung bedürfen, aber einem anderen, sachlich vorzugswürdigeren Normverständnis nicht entgegenstehen. Eine „gesteigerte Interpretationsautorität“ vermag ihnen nicht zuzukommen.121 § 284 BGB hat sich insoweit von seinem Schöpfer verselbständigt und ist im Zusammenspiel aller Auslegungsmethoden so zu interpretieren, dass er einer möglichst brauchbaren Anwendung in der Praxis zugeführt werden kann. Dies entspricht den Grundsätzen einer am Sinn und Zweck orientierten Auslegung.122 Als bindend für die Auslegung von § 284 BGB ist somit nur der normative Zweck der Vorschrift anzusehen, das heißt erstens, die Diskriminierung von nicht kommerziell handelnden Personen gegenüber erwerbswirtschaftlich Tätigen zu beseitigen und zweitens ein berechtigtes Vertrauen des Gläubigers in die ordnungsgemäße Erfüllung einer Leistungspflicht durch den Schuldner möglichst umfassend zu schützen.
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Beschluss des Plenums v. 11.06.1980, BVerfGE 54, 277, 297 f. Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 21; Dauner-Lieb/Dötsch, SchuldR aktuell, S. 24. 122 Engisch, Juristisches Denken, S. 116. 121
Teil 3
Risiken und Chancen Problemanalyse und Lösungsansatz A. Die Gefahr der Uferlosigkeit I. Der offene Tatbestand Der erste Teil dieser Arbeit endete mit der Feststellung, dass der Gesetzgeber sich zu Recht der Thematik der frustrierten Aufwendungen gewidmet und eine neue Anspruchsgrundlage in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen hat. Eine im Ergebnis sachgerechte und auch dogmatisch überzeugende Lösung des Problems war Rechtsprechung und Literatur auf der Grundlage des vormals geltenden Zivilrechts nicht gelungen. Der Gesetzgeber tat gut daran, die Diskussion mittels Schaffung einer Norm auf eine neue Grundlage zu stellen. Im zweiten Teil dieser Arbeit offenbarten sich jedoch nicht unerhebliche Mängel in der Umsetzung des gesetzgeberischen Vorhabens. Der Entscheidung für einen bestimmten Wortlaut der Norm waren nicht die nötigen Überlegungen zum konkreten Anwendungsbereich vorangegangen. § 284 BGB wirft deshalb zahlreiche Einzelfragen auf, von denen nur manche einfach zu beantworten sind.1 Andere sind in ihrer Tragweite kaum überschaubar.2 Auch nach einer sorgfältigen Auslegung anhand der klassischen Kriterien wird sich die Reichweite des Tatbestands nicht frei von Zweifeln bestimmen lassen. Der Wortlaut einer Norm gilt gemeinhin als eine erste Grenze ihrer historischen, teleologischen und systematischen Auslegung.3 Aufgrund des ho1 Vgl. z. B. die Frage, ob das Tatbestandsmerkmal „anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung“ das Vorliegen eines tatsächlich eingetretenen Erfüllungsschadens verlangt. Dies ist zwingend zu verneinen, soll § 284 BGB nicht in seinem Anwendungsbereich leer laufen. Siehe hierzu die Ausführungen unten unter Teil 5 B.I., S. 206. 2 Vgl. die zentrale Frage, wann der Gläubiger Aufwendungen „billigerweise machen durfte“. Siehe hierzu die Ausführungen unten unter Teil 3 D., S. 147 ff. 3 U. a. Larenz, Methodenlehre, S. 324, 343; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 147; kritisch hierzu Deckert, Folgenorientierung, S. 42 f.
A. Die Gefahr der Uferlosigkeit
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hen Abstraktionsgrades – man vergegenwärtige sich nur einmal die Begriffe des Zwecks, seiner (Nicht-)Erreichung, des Vertrauens und der Billigkeit – kann der Wortlaut von § 284 BGB die anderweitigen Auslegungskriterien kaum begrenzen. Hinzu kommt die ungelöste Frage, in welchem Rangverhältnis die Auslegungskriterien zueinander stehen. Josef Esser sprach 1972 von der „Freiheit“ und der „Last der Verantwortung für sein Verständnis und seine Auswahl der Methode, der Anknüpfung an Anerkanntes usf.“4 Selbst wenn der gewöhnliche oder juristische Sprachgebrauch einer bestimmten Auslegungsvariante entgegenstünde, wäre eine einschränkende oder ausdehnende Gesetzeskorrektur in Erwägung zu ziehen. Die Ungereimtheiten des Gesetzgebungsverfahrens und die nur geringe Bindungswirkung des Gesetzgeberwillens5 machen Reduktion und Analogie in einzelnen Punkten gleichermaßen begründbar. Was bleibt, ist die Bindung an den normativen Zweck von § 284 BGB: den Schutz des Gläubigervertrauens und seiner darauf beruhenden Dispositionen sowie die Beendigung einer Schlechterstellung von Gläubigern ohne erwerbswirtschaftlichen Hintergrund. Diese ratio legis stößt jedoch ebenso an ihre Grenzen, wenn es darum geht, die Tatbestandsmerkmale in ihren Randbereichen zu konkretisieren. Im Vordergrund der zu bewältigenden Auslegungsprobleme steht, allem voran, die Gefahr einer zu weiten Anspruchsausdehnung und damit eines für den Schuldner unzumutbaren Haftungsrisikos. Den Interessen des Schuldners schenkte man im Gesetzgebungsverfahren nur am Rande Aufmerksamkeit. Zu wenig Berücksichtigung fanden auch die unterschiedlichen Typen von Schuldverhältnissen, aus deren Verletzung sich der Aufwendungsersatz des Gläubigers ergeben kann. Man hatte wohl – wie auch bei anderen Neuerungen der Schuldrechtsreform6 – vor allem die klassischen Austauschverhältnisse im Blick, als man § 284 BGB schuf. Im Bereich der Kauf- und Werkverträge und der Mietverhältnisse spielten sich auch die bisherige Rechtsprechung zur Rentabilitätsvermutung und die alternativen Lösungsansätze der Literatur ab.7
4
Esser, AcP 172, 97, 111. Vgl. hierzu die Ausführungen im zweiten Teil der Arbeit, insbesondere unter Teil 2 D., S. 100 ff. 6 Z. B. wurden die Besonderheiten der Gefälligkeitsverträge auch bei der Gestaltung der Beweislastumkehr im neuen § 280 I 2 BGB nicht ausreichend beachtet, vgl. Keilmann, Dem Gefälligen zur Last, S. 124 f., S. 167 f. 7 Zwar war eine Ausdehnung auf gesetzliche Schuldverhältnisse durchaus beabsichtigt. Die unterschiedliche Interessenlage wurde jedoch nicht berücksichtigt, vgl. hierzu Teil 3 C.III.1., S. 132 ff. 5
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Teil 3: Risiken und Chancen
II. Subsumierbarer Alltagsfall: „Der Fahrzeugkauf“ Ein klassischer Austauschvertrag in Form eines Fahrzeugkaufs lag auch der ersten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu § 284 BGB vom 22.07.2005 zugrunde.8 Der VIII. Senat – aus dessen Feder auch die Stadthallen-Entscheidung stammt – konnte anhand einer zügigen Subsumtion des streitgegenständlichen Sachverhalts unter § 284 BGB eine sachgerechte Lösung präsentieren, ohne auf das drängende Problem einer ausufernden Schuldnerhaftung eingehen zu müssen. Zu entscheiden war über einen Sachverhalt, „der alltäglicher gar nicht sein könnte.“9 Zwei Gewerbetreibende hatten einen Kaufvertrag über einen PKW zum Preis von knapp 27.000 Euro geschlossen. Die Käuferin setzte das Fahrzeug plangemäß in ihrem Betrieb ein, bis der Kaufvertrag nach etwa einem Jahr wegen unstreitiger Mängel des Fahrzeugs rückabgewickelt werden sollte. Uneinig waren sich die Vertragsparteien jedoch über den Ersatz zahlreicher frustrierter Aufwendungen. Die Käuferin hatte das Fahrzeug mit Leichtmetallfelgen ausgestattet, die Stoßfänger lackieren sowie Autotelefon, Tempomat und Navigationssystem einbauen lassen. Insgesamt belief sich die Summe der Zubehörteile auf über 5.000 Euro. Daneben waren Kosten für die Überführung und Anmeldung des Fahrzeugs angefallen. Die Käuferin musste außerdem fortlaufende Zinsen für ein Finanzierungsdarlehen aufbringen. Zusätzlich zu diesen Aufwendungen wollte sie die Kosten eines Beweissicherungsgutachtens über die Fahrzeugmängel auf den Verkäufer abwälzen.10 Der Bundesgerichtshof sprach der Käuferin im Großen und Ganzen (abzüglich eines Anteils von 20% für die bereits erfolgte Nutzungsdauer)11 einen Ersatz dieser Aufwendungen zu und bestätigte damit weitgehend die Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgarts vom 25.08.2004.12 Der Senat befasste sich in seiner Entscheidung mit dem Konkurrenzverhältnis von § 284 BGB zum Rücktrittsrecht und zum Schadensersatz statt der Leistung. Er stellte fest, dass die Neuregelung auch auf Verträge mit erwerbswirtschaftlichem Hintergrund anwendbar sei, also in dem Bereich, für den die Rentabilitätsvermutung entwickelt wurde. Auf Einzelheiten seiner Argumentation ist später zurückzukommen. 8
BGH v. 22.07.2005 – VIII ZR 275/04 –, NJW 2005, 2848 ff. = ZIP 2005, 1512 ff. = BB 2005, 2036 ff. 9 Dedek, ZGS 2005, 408. 10 BGH, NJW 2005, 2848, 2849. 11 Vgl. hierzu näher die Ausführungen unten unter Teil 5 F.II., S. 241 ff. 12 OLG Stuttgart v. 25.08.2004 – 3 U 78/04 –, ZGS 2004, 434 ff.
A. Die Gefahr der Uferlosigkeit
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Der zu entscheidende Fall gab dagegen keinen Anlass, sich der Problematik einer Haftungsbegrenzung zu stellen. Die Abwälzung des Frustrationsrisikos vom Gläubiger auf den seiner Leistungspflicht schuldhaft nicht nachkommenden Schuldner schien im Fahrzeugkauf-Fall evident interessengerecht. Zudem stellte der Bundesgerichtshof fest, dass der Gläubiger im Ausgleich das vorhandene Zubehör mit dem Fahrzeug an den Schuldner herauszugeben habe.13 Der Beklagte erhielt auf diese Weise die Möglichkeit, zumindest das Zubehör anderweitig zu verwenden. Aufgrund seines Fahrzeughandels14 war dies für ihn wesentlich einfacher zu bewerkstelligen als für die Käuferin. Die berechtigten Interessen beider Seiten blieben gewahrt; eine unzumutbare Haftung des Schuldners war nicht zu befürchten. Die Entscheidung stellt sich somit als ein Beispiel dar, in dem § 284 BGB zwanglos zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führt. Für die am Anfang stehende Frage, wie eine uferlose Haftung des Schuldners im Einzelfall verhindert werden kann, ist der Entscheidung mithin nichts abzugewinnen. Diese Zurückhaltung des Bundesgerichtshofs gegenüber Aussagen, die für den konkreten Fall nicht entscheidungserheblich waren, ist jedoch als durchaus weise einzuordnen. Der Senat vermeidet so eine frühzeitige Festlegung, die unter Umständen den Besonderheiten zukünftiger Fälle nicht gerecht werden kann.15 Eine andere, nicht minder bedeutsame Stellungnahme kann der Entscheidung dieses „Alltagsfalls“ zwischen den Zeilen dennoch entnommen werden. Der Bundesgerichtshof ist bereit, der neuen Norm einen breiten Anwendungsbereich einzuräumen. § 284 BGB wird nicht in eine Nische gedrängt oder für die praktisch wichtigen Fälle des Geschäftsverkehrs gar für unanwendbar erklärt. Ebenso wenig versucht der Senat, eine Lösung „nach altem Recht“ herbeizuführen.16 Dies lässt hoffen, dass die neue Norm in der Praxis ihren festen Platz finden wird. 13
BGH, NJW 2005, 2848, 2851. Dass die Beklagte gewerblich mit Fahrzeugen handelte, lässt sich der Urteilsbegründung des BGH und auch der Vorinstanzen nicht ausdrücklich entnehmen. Das LG Stuttgart verweist in seiner nicht veröffentlichten Entscheidung v. 05.03.2004 jedoch darauf, dass die Klägerin die Zubehörteile ebenso gut bei der Beklagten hätte bestellen können und die Aufwendungen dann auch in die Rückabwicklung miteinzubeziehen gewesen wären. Daraus lässt sich wohl auf einen gewerblichen Fahrzeughandel schließen. 15 Zur Gefahr der Leitsätze und Grundsatzentscheidungen des BGH und für eine Zurückhaltung der Rechtsprechung bei der Formulierung allgemeiner Entscheidungsmaxime vgl. Luhmann, Rechtssoziologie, S. 236. 16 Im Gegensatz zu LG Bonn v. 30.10.2003, NJW 2004, 74 ff. und OLG Karlsruhe v. 14.09.2004, NJW 2005, 989, 991. Vgl. hierzu die Ausführungen unten unter Teil 4 B.IV.2., S. 196 ff. Eine solche Tendenz, am alten Recht festzuhalten, war in der Rechtsprechung des Reichsgerichts nach 1900 zu beobachten, als die Umstel14
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Teil 3: Risiken und Chancen
Mit dieser Bereitschaft der Rechtsprechung geht jedoch gleichsam die Gefahr einher, dass den Gerichten in Zukunft auch Sachverhalte zur Entscheidung vorliegen werden, in denen § 284 BGB bei unbedachter Anwendung ein weniger stimmiges Ergebnis zu erzeugen droht. Diese Problemfälle müssen bei der Suche nach einer sachgerechten Lösung mitberücksichtigt werden. Drei Beispiele sollen die Tragweite des neuen Gläubigerrechts verdeutlichen.
III. Szenarien einer uferlosen Haftung 1. „Der Hausumbau“ Ausgerechnet der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 284 BGB lässt sich ein Beispiel entnehmen, das ein erschreckendes Bild von dem möglichen Ausmaß einer Haftung für frustrierte Aufwendungen erkennen lässt. Es handelt von der Haftung eines Erben, der seiner Pflicht aus § 2174 BGB nicht nachkommt. Der Erbe müsste dem Vermächtnisnehmer ein materiell geringwertiges oder gar wertloses Kunstwerk herausgeben und ist hierzu – immerhin schuldhaft – nicht imstande. Deshalb soll er dem Bedachten die Kosten für Umbaumaßnahmen ersetzen, die dieser an seinem Haus vorgenommen hat, um besagtes Kunstwerk dort zu integrieren.17 Das Beispiel, so wie es in den Materialien erzählt wird – wertloses Kunstwerk, Hausumbau ohne nähere Einzelheiten zur Höhe des Aufwands oder zum Wert des Nachlasses, weder Angaben zum Motiv des Vermächtnisnehmers für diese Investitionen noch zur Art der Pflichtverletzung und dem Verschuldensgrad des Erben –, muss auf vehemente Bedenken stoßen. Die Interessen des Erben, dem unter Umständen nur leichteste Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist und der dieses immense Haftungsrisiko weder vorhersehen kann, noch aus eigenen Stücken eingegangen ist, finden im Tatbestand des § 284 BGB keine Berücksichtigung. Gesetzliche Schuldverhältnisse werden vom Wortlaut und der systematischen Stellung vorbehaltlos erfasst. In den Materialien liest man lediglich, warum es sachgerecht ist, den gesetzlichen Gläubiger gleichermaßen wie einen Käufer in seinem Vertrauen und seinen Dispositionen zu schützen.18 Beide haben das „gleiche Bedürfnis nach Ersatz“ und durch die Aufwendungen gezeigt, dass die vom lung vom gemeinen Recht auf das BGB erfolgte. Vgl. hierzu die zahlreichen Beiträge in Falk/Mohnhaupt (Hrsg.), Das BGB und seine Richter. 17 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143. 18 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143.
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Schuldner zu erbringende Leistung ihnen „diesen Geldbetrag ‚wert‘ ist“.19 Die Schuldnerposition wird hingegen nicht beleuchtet. Diese einseitige Argumentation lässt auch den Umstand unberücksichtigt, dass der Schuldner in diesem Fall, anders als bei klassischen Austauschverträgen, keine Gegenleistung erlangt.20 2. „Der rechtswidrige Streik“ Unerwartete und bisher auch wenig beachtete21 Bedeutung kann die neue Anspruchsgrundlage im Arbeitsrecht erlangen. Erfüllt der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten nicht ordnungsgemäß und führt dies zu einem Produktionsausfall, kann der Arbeitgeber über § 284 BGB einen Ersatz seiner nutzlos gewordenen Produktions- und Betriebskosten in erheblicher Höhe erlangen. Exemplarisch soll ein Fall aus dem Arbeitskampf betrachtet werden: Ein Unternehmen der Druckindustrie wird bestreikt. Die vom Arbeitgeber herausgegebene Tageszeitung wird zwar gedruckt, aufgrund der kollektiven Arbeitsverweigerung der Auslieferer verbleibt die gesamte Produktion jedoch im Werk und kann nicht verkauft werden. Der Streik war, obgleich gewerkschaftlich geführt, wegen Verletzung der tariflichen Friedenspflicht rechtswidrig.22
Der Zeitungsverlag könnte nun seine Arbeitnehmer, die am rechtswidrigen Streik teilgenommen und damit ihre Arbeitspflicht verletzt haben, gemäß § 284 BGB auf Ersatz der Produktionskosten in Anspruch nehmen. Die Tageszeitung lässt sich am Folgetag nicht mehr vertreiben, sodass von einer Zweckverfehlung auszugehen ist. Eine Nachholung der nicht erbrachten Arbeitsleistung ist ausgeschlossen. Unabhängig von der sonst geführten Diskussion ist in diesem Fall unzweifelhaft von einer absoluten Fixschuld auszugehen.23 19 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143. 20 Eine Anwendung der Rentabilitätsvermutung auf nicht synallagmatische Schuldverhältnisse war zweifelhaft, weil es mit dem Gedanken einer Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung nicht zu vereinbaren war. Vgl. dazu oben die Ausführungen zur Entscheidung „Architektenwettbewerb“ unter Teil 1 A.III.4.b), S. 40. 21 Lediglich Löwisch, in: Festschrift für Wissmann, S. 37 ff. setzt sich ausführlich damit auseinander; derselbe auch in: Festschrift für Wiedemann, S. 329; kurz auch Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 27, 34. 22 Mit ähnlichen Fällen eines rechtswidrigen Arbeitskampfes und der Frage nach einer Haftung für den Produktionsausfall hat sich das BAG mehrfach auseinandersetzen müssen, vgl. hierzu die folgenden Ausführungen und Nachweise. 23 Vgl. zu der Frage, ob die Arbeitsleistung eine absolute Fixschuld ist und deshalb die Nichtleistung in jedem Fall zur Unmöglichkeit führt u. a. ErfKom-Preis, § 611 Rdnr. 837 ff.
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Die Kosten für das Druckmaterial, aber auch die Ausgaben für die Gehälter der Mitarbeiter, die für die Inhalte und die Herstellung der Zeitung zuständig sind, können beträchtliche Summen erreichen, die in keinem Verhältnis zum Arbeitsentgelt des einzelnen Streikteilnehmers stehen. Nicht zu vergessen ist auch, dass die Arbeitsverweigerung zwar vorsätzlich geschah, der Vorwurf gegen die Arbeiter aber aufgrund des Streikaufrufs der Gewerkschaft an Schärfe verliert. Verlangte der Arbeitgeber in einem solchen Fall bisher Schadensersatz, musste er im Prozess grundsätzlich seinen entgangenen Gewinn darlegen, was ihn in Beweisschwierigkeiten bringen konnte. Oftmals lag es auch nicht in seinem Interesse, seine Kalkulation offenzulegen.24 Seine entwerteten Aufwendungen für den laufenden Betrieb selbst waren nach altem Recht mangels kausaler Verursachung durch die Nichtleistung des Arbeitnehmers prinzipiell nicht ersatzfähig.25 Auch wenn das Bundesarbeitsgericht den Begriff der Rentabilitätsvermutung nicht gebrauchte, verbesserte es zumindest im Bereich des Arbeitskampfs die prozessuale Situation des Arbeitgebers dadurch, dass es die eindeutig nutzlos gewordenen Produktionsmaterialien als eine Art Mindestschaden einstufte.26 Immerhin musste der Arbeitgeber aber – anders als nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – nachweisen, dass er unter normalen Umständen (§ 252 S. 2 BGB) kostendeckend arbeitete.27 Die wenigen Urteile, die diesen Weg gingen, befassten sich mit einer deliktischen Haftung wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und richteten sich zumeist nur gegen Gewerkschaften und deren Funktionäre.28 Für den Bereich außerhalb der Haftung für rechtwidrige Streiks wurden solche Rentabilitätsüberlegungen nicht angestellt. Beruft sich der Arbeitgeber nunmehr auf § 284 BGB, können Zweifel an der allgemein kostendeckenden Tätigkeit den Anspruch nicht mehr zunichte 24
Wendeling-Schröder, NZA 1993, 49, 51. BAG v. 05.03.1985, AP Nr. 85, Bl. 544, 545 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = NJW 1985, 2545 und BAG v. 21.06.1988 Nr. 109, Bl. 1526, 1527 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, vgl. auch MünchArB-Otto, § 289 Rdnr. 31; Löwisch, in: Festschrift für Wiedemann, S. 329. 26 BAG v. 05.03.1985, AP Nr. 85, Bl. 544, 545 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = NJW 1985, 2545 und BAG v. 21.06.1988 Nr. 109, Bl. 1526, 1527 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; vgl. auch Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 49; Wendeling-Schröder, NJA 1993, 49, 50, 52; Löwisch, in: Festschrift für Wissmann, S. 42; derselbe, in: Festschrift für Wiedemann, S. 329. 27 BAG v. 05.03.1985, AP Nr. 85, Bl. 544, 545 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Wendeling-Schröder, NZA 1993, 49, 50, 52. 28 BAG v. 05.03.1985, AP Nr. 85, Bl. 544, 545 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = NJW 1985, 2545: Gewerkschaft als Beklagte und BAG v. 21.06.1988 Nr. 109, Bl. 1526, 1527 zu Art. 9 GG Arbeitskampf: Gewerkschaft und 2 Funktionäre als Beklagte. 25
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machen. Ein zu erwartender Verlust wäre vom Schuldner zu beweisen. Der Anspruch aus § 284 BGB ist obendrein nicht auf den Bereich des Arbeitskampfes beschränkt, sondern kann jede Pflichtverletzung des Arbeitnehmers umfassen, soweit diese zu einem Schadensersatz statt der Leistung führt und die Produktionskosten vergeblich macht. Im Hinblick auf den Arbeitnehmerschutz droht durch § 284 BGB eine gefährliche Haftungsausdehnung.29 3. „Der Taxifahrer“ Unter dem Stichwort des Taxifahrers wird zuweilen in der Literatur eine Variante der Oskarverleihungs-Entscheidung behandelt.30 In dieser Abwandlung ist die komplette Reise nach Los Angeles gebucht. Auch die Eintrittskarten halten die Eheleute bereits in ihren Händen. Die Ausgaben für Flug und Hotel belaufen sich auf rund 10.000 Euro, hinzukommen noch einmal je 1.500 Euro für die Eintrittskarten.31 Die Reise scheitert schließlich daran, dass die Kläger aufgrund eines schuldhaften Fehlverhaltens des Taxifahrers (beispielsweise ein Verkehrsunfall aufgrund eines Fahrfehlers oder eine Verspätung aufgrund mangelnder Ortskenntnis) ihr Flugzeug verpassen. Die gesamten Kosten für Flug, Unterkunft und Eintrittskarten sind nunmehr vergeblich. Soll der Taxifahrer für diese vergeblichen Aufwendungen haften? Die Zweifel an der Richtigkeit einer Haftung des Taxifahrers rühren von der Besonderheit, dass der Vertrag mit dem Taxifahrer im Vergleich zu dem eigentlich verfolgten Zweck des Ehepaars die untergeordnete Leistung darstellt.32 Unmittelbarer Zweck des Schuldverhältnisses war nur die Beförderung zum Flughafen. Deren Vereitelung ist dem Taxifahrer ohne Zweifel zuzurechnen. Tatsächlich handelte es sich dabei jedoch nur um ein Zwischenziel auf dem Weg nach Los Angeles zur Oskarverleihung. Im deutschen Schadensrecht ist es zwar nicht ungewöhnlich, dass auch weit entfernte Schäden ersetzt werden, soweit sie kausal, zurechenbar und vom Schutzzweck der Haftungsnorm umfasst sind.33 Obgleich gedankliche Zwischenschritte nötig sind, besteht dieser Zusammenhang auch zwischen Löwisch, in: Festschrift für Wiedemann, S. 329/330; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 27. 30 Vgl. Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 209; ähnliches Beispiel bei MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 23. 31 Dies entspricht etwa den DM-Beträgen in der Oskarverleihungs-Entscheidung des OLG Köln v. 16.09.2003, NJW-RR 1994, 687, vgl. hierzu die Ausführungen oben unter Teil 1 G.I.2., S. 63 f. 32 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 209. 33 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 333; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 23. 29
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dem Versäumnis des Taxifahrers und der verpassten Gelegenheit, der Oskarverleihung beizuwohnen. Trotzdem regt sich bei diesem Szenarium Widerspruch. Belässt man § 284 BGB einen solch weiten Anwendungsbereich, sind zahlreiche Haftungsfälle denkbar, die bisher nicht ausgeglichen wurden.34 Dem Verdienst des Taxifahrers von vielleicht 30 bis 50 Euro steht – unter Umständen wegen leichtester Fahrlässigkeit – eine Haftung in Höhe von 13.000 Euro gegenüber. Denkbar ist sogar, dass der Fahrer, dem gar kein Vorwurf zu machen ist, aufgrund der Beweislastumkehr in § 280 I 2 BGB haftet, weil er die Vermutung des Vertretenmüssens mangels tauglicher Beweismittel nicht entkräften kann. Und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sind die ihm entstehenden Kosten nicht einmal von seiner Haftpflichtversicherung gedeckt, wie noch auszuführen sein wird. 4. Klassische Austauschverträge Auch im Bereich der klassischen Austauschverträge sind zahlreiche Situationen denkbar, in denen das Ergebnis einer Subsumtion unter § 284 BGB zumindest gemischte Gefühle hervorruft. Zu erinnern sei an die tatsächlich vom Oberlandesgericht Köln getroffene Oskarverleihungs-Entscheidung. Gegenüber standen sich der Kaufpreis für die Eintrittskarten in Höhe von insgesamt rund 6.000 DM und Reisekosten von fast 20.000 DM. Der Senat bejahte eine volle Haftung des Schuldners mit dem Argument, bei dem von ihm angesprochenen Personenkreis potenzieller Abnehmer solcher Eintrittskarten sei auch im Hinblick auf die Reisekosten mit einem höheren Preissegment zu rechnen gewesen.35 Dem ist eine gewisse Plausibilität nicht abzusprechen. Aber stehen die zu erwartenden Einnahmen des Veranstalters, die schließlich nicht mit dem Preis der Karten gleichzusetzen sind, und sein Haftungsrisiko hier noch in einem vertretbaren Verhältnis? Musste der Veranstalter tatsächlich mit Aufwendungen in dieser Preislage rechnen? Könnte es von mitentscheidender Bedeutung sein, dass er die Lieferung der Karten ausdrücklich zusicherte? Ähnliches gilt für den Stadthallen-Fall. Auch hier kann man fragen, ob eine Haftung der Vermieterin für Kosten von fast 30.000 DM im Hinblick auf den möglichen Ertrag aus den Mieteinnahmen von nur rund 600 DM noch als interessengerecht angesehen werden kann. Insbesondere die Frage, ob die Vermieterin Kenntnis von den hohen Werbeaufwendungen der Mieterin hatte, könnte für die Antwort den Ausschlag geben. Zu bedenken ist auch, dass die Gemeinde, beziehungsweise ihr Eigenbetrieb, die potenzielle 34 35
MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 23. OLG Köln, NJW-RR 1994, 687, 688.
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Mieterin vermutlich nicht einmal ohne weiteres von der Nutzung der Halle ausschließen dürfte und dem Haftungsrisiko deshalb nur schwerlich entgehen könnte.36
IV. Notwendigkeit eines Korrektivs 1. Die interessengerechte Entscheidung des Einzelfalls Gemeinsam ist diesen Beispielen ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Nutzen, den der Schuldner aus dem Schuldverhältnis ziehen würde, wäre es nicht zu seiner Leistungsstörung gekommen, und der Haftungsgefahr, die ihm bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Leistungspflichten droht. Evident ist dies vor allem dann, wenn gar keine Gegenleistung erbracht wird, womit wiederum das Beispiel des Erben angesprochen wäre. Genauso könnte man auf Gefälligkeitsverträge verweisen. § 284 BGB begünstigt einseitig den Gläubiger, ohne auf die Besonderheiten mancher Schuldverhältnisse Rücksicht zu nehmen. Sowohl das Vertragsrecht als auch das Schadensrecht bezwecken jedoch einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien.37 § 284 BGB braucht deshalb ein Korrektiv, um die beschriebenen Szenarien einer uferlosen Haftung nicht Wirklichkeit werden zu lassen. Man wird darauf hoffen dürfen, dass die Gerichte solche unbefriedigenden Ergebnisse in der Mehrheit der Fälle zu verhindern wissen. Die Idee einer rein objektiven Subsumtion ohne Berücksichtigung von Wertentscheidungen gilt gemeinhin als realitätsfern und wird in der Methodenlehre kaum mehr postuliert.38 So beschreibt Karl Larenz die Zielsetzung der Gerichte folgendermaßen: „Dem Gesetz darf die Tendenz unterstellt werden, der Gerechtigkeit genügende Lösungen zu ermöglichen. Unter einer „gerechten“ Fallentscheidung versteht der Zivilrichter eine solche, die dem berechtigten Anliegen beider Parteien Rechnung 36 Handelt es sich bei der Mieterin um eine am Ort ansässige Organisation und die Art der geplanten Veranstaltung hält sich im Rahmen der Zweckbestimmung der Stadthalle, besteht wahrscheinlich ein kommunalrechtlicher Zulassungsanspruch (z. B. § 10 II, IV GemO BW). Darüber hinaus unterliegt die Gemeinde als Hoheitsträger der Selbstbindung, ihr Ermessen wird durch das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 GG, bei politischen Parteien zusätzlich ergänzt durch Art. 21 GG und § 5 ParteienG, beschränkt. Diese Grundrechtsbindung gilt auch, wenn die Halle von einem Privatrechtsubjekt betrieben wird, soweit die Gemeinde daran mehrheitlich beteiligt ist. 37 MüKo-Kramer, Einleitung zu §§ 241 ff. Rdnr. 2. 38 Vgl. z. B. Osterkamp, Juristische Gerechtigkeit, S. 58 ff., 83; Kramer, Methodenlehre, S. 40 ff., 271 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 7 ff.; Wieacker, Präzisierung des § 242 BGB, S. 14.
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trägt, einen ausgewogenen Interessenausgleich herstellt und daher von jeder Partei, sofern sie auch das Interesse der Gegenpartei angemessen berücksichtigt, akzeptiert werden kann.“39
Sich jedoch schlichtweg darauf zu verlassen, dass es der Rechtsprechung in jedem Fall gelingen werde, ein wertungsgerechtes Ergebnis herbeizuführen, wäre bei aller Achtung vor der hohen Qualität der deutschen Rechtsprechung allzu optimistisch. Es ist nicht auszuschließen, dass sich der Richter im Einzelfall gezwungen sieht, im Sinne einer strengen Haftung zu entscheiden, auch wenn die berechtigten Interessen des Schuldners entgegenstehen. Außerhalb der Urteilsfindung kann es ebenfalls zu inakzeptablen Ergebnissen kommen. Aus Angst vor einem solchen harten Richterspruch und zur Vermeidung des Prozesskostenrisikos könnten Schuldner sich zu einem ungünstigen Vergleich oder gar einem Anerkenntnis gedrängt fühlen. 2. Gesamtwirtschaftliche Erwägungen a) Folgenberücksichtigung bei der Auslegung Das Streben nach einer gerechten Lösung des Einzelfalls ist nicht der einzige Anlass, ein Korrektiv für das neue Gläubigerrecht zu fordern. Bei der Schaffung und Auslegung von Normen darf auch der Blick in die Zukunft nicht fehlen. Insbesondere Vorschriften des Haftungsrechts haben einen unmittelbaren Einfluss auf das zukünftige Verhalten potenzieller Schädiger und Geschädigter.40 Eine beachtliche Risikoverschiebung vom Käufer auf den Verkäufer bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Preisgestaltung. Der Verkäufer wird sein gestiegenes Risiko über den Preis auf den Käufer abwälzen; eine Verteuerung ist die Folge. Die Frage nach der generellen Versicherbarkeit solcher Risiken und der gegebenenfalls höheren Beiträge wird ebenfalls in die Kalkulation einfließen.41 § 284 BGB ist dabei nicht die einzige Neuerung der Schuldrechtsmodernisierung, die zu einer Ausdehnung der Gläubigerrechte und damit einhergehend einer Haftungserweiterung zulasten des Schuldners führt. Gerade im Kaufrecht wurde durch die Aufnahme der Fehlerlosigkeit der Kaufsache in das Pflichtenprogramm des Verkäufers und die deutliche Verlängerung der Gewährleistungsfrist die Position des Käufers mehrfach gestärkt. Die Fälle, in denen er wegen des Mangels der Kaufsache Schadensersatz verlangen 39 Larenz, Methodenlehre, S. 348. Zur hohen, aber doch begrenzten Leistungsfähigkeit von Dogmatik vgl. Esser, AcP 172, 97 ff. 40 Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S. 76 f., 90; Deckert, Folgenorientierung, S. 24 f. 41 Kramer, Methodenlehre, S. 236 f. Zum allgemeinen Schadensrecht: Schiemann, in: Festschrift für Hagen, S. 31.
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kann, haben sich vermehrt.42 § 284 BGB stellt sich dabei als ein zusätzliches Haftungsrisiko für den Verkäufer dar. Solche gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen dürfen bei der Auslegung und Anwendung der neuen Normen nicht völlig unbeachtet bleiben.43 Die Folgenberücksichtigung wird auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung als zulässige Methode angesehen.44 b) Ein Blick auf die ökonomische Analyse des Rechts Insoweit – aber auch nicht weiter – kann ein Blick auf die ökonomische Analyse des Rechts hilfreich sein. Deren Grundgedanke liegt im Effizienzprinzip. Eine Maximierung gesamtgesellschaftlicher Effizienz soll eine Verschwendung knapper Ressourcen verhindern. Dies gelingt, indem man dem Einzelnen, der entsprechend des Modells eines homo oeconomicus sein Verhalten alleine an Effizienzkriterien ausrichtet, die Möglichkeit verschafft, seinen privaten Nutzengewinn zu maximieren.45 Dabei sind auch nichtmonetäre Nutzungen miteinzubeziehen.46 Auch wenn die ökonomische Analyse des Rechts sich in zahlreiche Strömungen und unterschiedliche theoretische Ansätze aufgliedern lässt, hegt sie doch in ihrer Grundüberzeugung einen Anspruch auf Ausschließlichkeit. Das Effizienzstreben gilt als alleiniges Rechtsprinzip, welches sowohl Gesetzgeber als auch Richter in ihren Entscheidungen lenken soll. Das Recht hat demnach ausschließlich die Aufgabe, das Nutzenstreben des Einzelnen so zu steuern, dass gesamtgesellschaftlich eine optimale Ressourcennutzung erreicht wird.47 Ein solcher Universalitätsanspruch des Effizienzprinzips ist jedoch für das deutsche Rechtssystem mit der ganz überwiegenden Meinung abzulehnen.48 42 U. a. Büdenbender, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 8 E I 3, S. 233 Rdnr. 23, § 8 H, S. 260 Rdnr. 102; Westphalen, BB 2002, 209, 214 f. 43 Kramer, Methodenlehre, S. 236 f.; Osterkamp, Juristische Gerechtigkeit, S. 80; Janson, Ökonomische Theorie im Recht, S. 162, 199 f.; ausführlich nicht nur im Hinblick auf ökonomische Folgen: Deckert, Folgenorientierung, S. 5 ff., 54 ff. 44 Vgl. z. B. BGH, BGHZ 17, 266, 267: Der Senat stellt auf die wirtschaftlichen Konsequenzen der Auslegung ab. Siehe auch BVerfG, BVerfGE 49, 304, 324. Allerdings handelt es sich um eine 4:4-Entscheidung. Eine ausdrückliche Erwähnung der Folgenberücksichtigung findet sich im abweichenden Votum. 45 Vgl. zum Ansatz, § 284 BGB unter wohlfahrtsökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten Tröger, ZIP 2005, 2238, 2239. § 284 BGB schützt danach die Investitionen, die einem Nutzengewinn aus der Transaktion dienen oder diesen steigern. 46 Tröger, ZIP 2005, 2238, 2239; Taupitz, AcP 196, 114, 117 Fn. 15. 47 Vgl. zusammenfassend hierzu Taupitz, AcP 196, 114, 117 f. 48 Taupitz, AcP 196, 114, 127.
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Dem Gesetzgeber steht es frei, seine Entscheidung für ein bestimmtes Gesetzgebungsvorhaben an diesen ökonomischen Gesichtspunkten auszurichten.49 Dann hat der Richter diese ratio legis bei der Auslegung entsprechend zu berücksichtigen.50 Soweit das Gesetz einen solchen Hinweis nicht enthält, hat der Richter weder die Legitimation noch die Kompetenz, alleine im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Nutzenmaximierung zu entscheiden.51 Ökonomische Kriterien sind dann im Rahmen einer Auslegung gleichberechtigt neben anderen Wertungsgesichtspunkten zu berücksichtigen. Ein Vorrang kommt ihnen nicht zu.52 Als ein Kriterium unter anderen hilft die ökonomische Analyse aber immerhin, dem Richter die Folgekosten seiner Entscheidung zu verdeutlichen. Auch wenn er einen konkreten Fall entscheidet, sollte ihm bewusst sein, dass er damit Anreize für ein zukünftiges Verhalten anderer Gläubiger und Schuldner schaffen kann. Eine konkrete Anleitung, wie der Einzelfall zu lösen ist, kann die ökonomische Analyse nicht bieten. Die Effizienzkriterien sind dafür zu vielfältig, ihr Verhältnis zueinander zu ungeklärt.53 Welche Kosten und welcher Nutzen in die Rechnung einzubeziehen ist, bleibt weiterhin eine Wertungsfrage.54 c) Lenkungsfunktion des § 284 BGB Ein Blick auf die Lenkungsfunktion des Schadensrechts ergibt unterdessen, dass eine Abkehr von § 284 BGB keinesfalls eine befriedigende Alternative darstellen würde. Müsste der Gläubiger seinen Schaden selbst tragen, würde eine Preissteigerung zwar vermieden. Man würde damit aber die – auch von der ökonomischen Analyse anerkannte – Ausgleichsfunktion des Schadensrechts unterlaufen. Sind bestimmte ermittelbare Schäden von der Ersatzpflicht ausgenommen, nur weil sich anderenfalls die Versicherungsprämien erhöhen, ist dies mit dem Schadensrecht nicht vereinbar.55 Mit der Sanktionslosigkeit geht nämlich zugleich die Gefahr einher, dass potenzielle 49
Eidenmüller, AcP 197, 80, 96. Taupitz, AcP 196, 114, 127; Eidenmüller AcP 197, 80, 118. 51 Eidenmüller, AcP 197, 80, 87 ff., 103 ff. Vgl. Taupitz, AcP 196, 114, 128 ff. zu den Unterschieden im amerikanischen Rechtssystem, die eine Legitimation und Akzeptanz der ökonomischen Analyse erleichtern. 52 Taupitz, AcP 196, 114, 126; Eidenmüller, AcP 197, 80, 102, 118. Diese wirtschaftliche Folgenberücksichtigung hat letztlich nichts mehr mit der Idee der ökonomischen Analyse gemein. Letztere will nicht nur das Vorhandene beschreiben, sondern eine rechtspolitische Funktion einnehmen, Taupitz, AcP 196, 114, 123 f., 127 Fn. 74; Eidenmüller, AcP 197, 80, 102. 53 Taupitz, AcP 196, 114, 163. 54 Taupitz, AcP 196, 114, 164; Eidenmüller, AcP 197, 80, 128. 55 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 321. 50
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Schädiger weniger Schadensvermeidungsaufwand betreiben als angemessen.56 Die Bereitschaft, hierfür Finanzmittel einzusetzen, orientiert sich nicht am drohenden Schaden, sondern an der möglichen Schadensersatzpflicht. Das Fehlen einer Haftungsgrundlage führt zu einer Fehlsteuerung mit dem Ergebnis, dass Schäden sich ausweiten.57 Die Schadensersatzpflicht soll sich deshalb auch nach ökonomischen Gesichtspunkten so nahe wie möglich der Höhe des tatsächlich erlittenen Gesamtschadens annähern.58 Auf der anderen Seite ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht auch eine zu hohe Ersatzpflicht mit Nachteilen verbunden. Muss der Schuldner nämlich sämtliche Aufwendungen des Gläubigers ersetzen, wird dem Gläubiger kein Anreiz mehr gegeben, bei seinen Aufwendungen die Risiken einer Nichterfüllung zu berücksichtigen.59 Dies bestätigt die Notwendigkeit, § 284 BGB in seinem Anwendungsbereich korrigierend zu beschneiden, um das Risiko zwischen beiden Seiten angemessen zu verteilen.60 3. Keine ausreichende Möglichkeit der Selbstregulierung Teilweise wird der Markt diese Interessenkonflikte selbst lösen können. Mit Hilfe einer Individualvereinbarung ist eine Abbedingung oder Einschränkung von § 284 BGB zweifelsfrei möglich. Das Leistungsstörungsrecht ist grundsätzlich dispositiv. § 475 BGB erlaubt auch beim Verbrauchsgüterkauf abweichende Vereinbarungen über den Schadensersatz des Käufers. Sobald es sich jedoch um Formularverträge handelt, sind die Vorschriften der §§ 307–309 BGB zu beachten. Freizeichnungsklauseln gegenüber Verbrauchern müssen sich an § 309 Nr. 7b BGB messen lassen, wonach ein Haftungsausschluss für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ausscheidet. Unabhängig davon entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Verwender nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern auch im Verhältnis zu anderen Unternehmern für die Verletzung sogenannter Kardinalpflichten einstehen muss. Er verstößt gegen § 307 II Nr. 2 BGB, wenn er seine Haftung für vertragswesentliche Pflichten ausschließt und damit den Vertragszweck gefährdet.61 Was § 284 BGB anbelangt, ist 56
Speziell zu § 284 BGB: Tröger, ZGS 2005, 462, 463. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 321/322. 58 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 327. 59 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 461. 60 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 461. 61 Grigoleit, ZGS 2002, 122, 124; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 14; Westphalen, BB 2002, 209, 213; a. A. MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 38. Näheres hierzu unten unter Teil 5 I., S. 256 f. 57
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dies immer dann der Fall, wenn der Gläubiger die begehrte Leistung nicht ordnungsgemäß erhält. Eine Freizeichnung wird somit in den allermeisten Fällen unzulässig sein. Dem Schuldner bleibt unter Umständen die Möglichkeit, seine Haftung mittels Formularklauseln immerhin zu beschränken.62 Verlässt man den geschäftlichen Bereich, wird an diese Möglichkeit wohl wenig gedacht werden. Für gesetzliche Schuldverhältnisse scheidet dies außerdem von vornherein aus; die Selbstregulierung stößt an ihre Grenzen. Schließlich ist auch das Argument, der Schuldner könne sich gegen das Risiko, nach § 284 BGB haften zu müssen, versichern, mit Vorsicht zu genießen. Prinzipiell steht einer Versicherbarkeit des Frustrationsrisikos nichts entgegen, soweit eine entsprechende Vereinbarung getroffen wird. Allerdings enthalten die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) in der Fassung vom Juni 2004 in § 1 II (4) einen ausdrücklichen Ausschluss für den „Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung“. Zuvor fand sich dieselbe Regelung bereits in § 4 I Nr. 6 Spiegelstrich 4 der AHB vom Juni 2002. Unzweifelhaft ist damit eine Haftung des Versicherungsnehmers aus § 284 BGB gemeint. Hintergrund dieses Ausschlusses in den Musterbedingungen des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft ist die Überlegung, dass ein Haftpflichtversicherer grundsätzlich nicht für eine Erfüllungspflicht des Versicherungsnehmers und deren Surrogate einstehen soll. Dies war auch bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung und der Einführung von § 284 BGB ständige Praxis. Als Erfüllungssurrogat wurden bisher all die Leistungen angesehen, durch die ein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand geltend gemacht wurde.63 Deshalb haftete der Versicherer nicht für Schadensersatz wegen Nichterfüllung einschließlich eines entgangenen Gewinns. Ein Ersatz über die Rentabilitätsvermutung war ebenso ausgeschlossen. Davon zu unterscheiden waren Folgeschäden, die das Integritätsinteresse befriedigten.64 § 284 BGB dient dem Ausgleich des Vertrauensschadens und gerade nicht der Befriedigung des Erfüllungsinteresses.65 Eine Einbeziehung unter den Begriff des Erfüllungssurrogats ist deshalb keineswegs selbstverständlich, ja sogar eher fernliegend. Da die dogmatische Einordnung des neuen Aufwendungsersatzanspruchs jedoch nicht unumstritten ist, hat die gedankliche 62 U. a. Canaris, in: Festschrift für Ulmer, S. 1093; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 14; Grigoleit, ZGS 2002, 122, 124. 63 VersR-HB/v. Rintelen, § 26 Rdnr. 36. 64 VersR-HB/v. Rintelen, § 26 Rdnr. 36. 65 s. hierzu ausführlich die Ausführungen unten unter Teil 4 A.II., S. 186 ff.
B. Abgrenzungsprobleme
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Nähe zur Rentabilitätsvermutung wohl zu einem ausdrücklichen Ausschluss in den Musterbedingungen geführt.66 Auch wenn die Musterbedingungen für die Versicherungswirtschaft nicht verbindlich sind, wird der potenzielle Schuldner zusätzlichen Aufwand betreiben müssen, um sein Haftungsrisiko ausnahmsweise doch versichern zu können. Zumindest eine Erhöhung der Versicherungsprämien wird er in Kauf nehmen müssen.
V. Ergebnis § 284 BGB beinhaltet in seinem Tatbestand keine ausreichende Begrenzung. Dies führt dazu, dass ein gerechter Interessenausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner nicht immer gewährleistet ist. Eine Haftungsbegrenzung ist auch aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen heraus erforderlich, um Fehlentwicklungen im Schadensrecht entgegenzuwirken. Kann der Gläubiger darauf vertrauen, seine Aufwendungen in jedem Falle des Vertragsscheiterns ersetzt zu bekommen, wird er bei Art und Höhe seiner Aufwendungen keine Zurückhaltung walten lassen. Der gewerbliche Schuldner wird sein gestiegenes Haftungsrisiko auf seinen Kunden abwälzen, was wiederum zu einer allgemeinen Kostenexpansion führen kann.
B. Abgrenzungsprobleme Ein weiteres Anliegen muss ebenfalls im Vordergrund der Auslegung von § 284 BGB stehen: Die Zurückdrängung von Abgrenzungsschwierigkeiten in Bezug auf die Zweckbestimmung. Der Begriff des Zwecks und seiner Verfehlung ist für die Anwendung von § 284 BGB von zentraler Bedeutung. Die Zweckverfehlung ist zwingende Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch des Gläubigers, auch wenn sich das nur mittelbar aus dem Normtext ergibt.67 Die amtliche Überschrift ordnet den Ersatz „vergeblicher“ Aufwendungen an. Entsprechend des letzten Halbsatzes der Vorschrift soll ein Anspruch ausnahmsweise dann ausgeschlossen sein, wenn der Zweck auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden wäre. Daraus ergibt sich sogleich der zweite Bereich, in dem der Zweckbestimmung Gewicht zukommt, nämlich bei der Frage nach alternativen Kausalverläufen. 66
MünchVersR-Molitoris/Stempfle, § 14 Rdnr. 259; VersR-HB/v. Rintelen, § 26 Rdnr. 51. 67 Stoppel, AcP 204, 81, 99; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 IV 1, S. 169 Rdnr. 33.
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Teil 3: Risiken und Chancen
Der Begriff des Zwecks ist jedoch nur schwer greifbar. Warum eine Person Aufwendungen tätigt, kann mannigfache Gründe haben. Zuweilen wird der Gläubiger nicht nur einen klar umrissenen Zweck verfolgen; man wird Motivbündel antreffen. Unter Umständen ist der Gläubiger sich selbst über seine eigentliche Motivation nicht schlüssig.
I. Kommerzielle und andere Zwecke § 284 BGB soll eine Unterscheidung nach dem vom Gläubiger verfolgten Zweck entbehrlich machen; der Gesetzgeber wollte die damit verbundenen Unsicherheiten der Rentabilitätsvermutung beseitigen.68 Eine Unterscheidung von kommerziellen und anderen Zielen des Gläubigers bleibt jedoch unvermeidbar, was schon die Begründung des Gesetzesentwurfs selbst vermuten lässt. Erwähnt werden der wirtschaftliche Zweck neben dem Konsumzweck, marktstrategische und spekulative Absichten, genauso wie ideelle Zielsetzungen.69 Alleine im Fall der Gewinnerzielungsabsicht soll dem Schuldner jedoch der Verlusteinwand offen stehen, um zu vermeiden, dass seine Pflichtverletzung sich zum unverdienten Glücksfall wandelt. Auf diese Weise wollte man eine Entsprechung mit den Ergebnissen der Rentabilitätsvermutung erzielen.70 Der Bundesgerichtshof und auch Oberlandesgerichte sprachen in ihren Urteilen, die sich mit der Rentabilitätsvermutung befassten, selten direkt von einem „kommerziellen“ Zweck.71 Entscheidend sollte sein, dass sich die Aufwendungen durch Vorteile aus der Gegenleistung wieder erwirtschaftet hätten. Im Gegensatz dazu wurde der Begriff des ideellen Zwecks gebraucht, um die Grenzen der Rentabilitätsvermutung aufzuzeigen.72 Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass der Gläubiger zum Erfolg seiner Klage mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt haben musste. Dies korrelierte mit der Möglichkeit des Verlustnachweises durch den Schuldner. 68 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143. 69 Vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143 f. 70 Vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144. 71 Der Begriff des kommerziellen Zwecks wird dafür in Anmerkungen der Literatur zur Rentabilitätsvermutung gebraucht; vgl. z. B. Leonhard, AcP 199, 661, 679 f.; Müller-Laube, JZ 1995, 538, 540. 72 Vgl. u. a. die Stadthallen-Entscheidung, BGH, NJW 1987, 831, 834; „Oskarverleihung“, OLG Köln, NJW-RR 1994, 687, 688; „geplatzte Hochzeitsfeier“, OLG Saarbrücken, NJW 1998, 2912, 2913.
B. Abgrenzungsprobleme
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Bereits im ersten Teil dieser Arbeit wurde jedoch angedeutet, dass die Rechtsprechung in dieser Hinsicht wenig konsequent vorging. Man forderte nicht etwa, dass der Gläubiger unmittelbar mit Hilfe des gescheiterten Geschäfts und seiner getätigten Aufwendungen einen wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen beabsichtigte, wie es zum Beispiel im Falle einer geplanten Weiterveräußerung des gekauften Gegenstands denkbar gewesen wäre. Auch der primäre Nutzungszweck wurde als ausreichend angesehen, soweit der Gläubiger nur einen erwerbswirtschaftlichen Hintergrund nachweisen konnte. War das Geschäft dem Unternehmen des Gläubigers zuzuordnen und nicht in seiner Eigenschaft als Privatperson getätigt, kam ihm die Vermutung der Rentabilität zugute. In der Diskotheken-Entscheidung war unter anderem der Ersatz für Aufwendungen streitig, die dem Erwerb des Grundstücks dienten, auf dem die Diskothek betrieben werden sollte. Diese bezweckte zunächst einmal den Erhalt des Grundstücks. Selbstverständlich wollte der Betreiber mittelbar mit diesen Aufwendungen auch einen Gewinn erzielen, indem der Betrieb der Diskothek später Gewinn abwerfen sollte. Primär wurde das Grundstück jedoch benötigt, um die Diskothek überhaupt betreiben zu können. Auf diese Weise kam es zu unerwünschten Differenzierungen. In der Entscheidung „Eigentumswohnung“73 genügte es dem Bundesgerichtshof für die Anwendung der Rentabilitätsvermutung nicht, dass mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung ein materieller Wert in das Vermögen der Käufer überging. Stattdessen stellte er die Nutzung, also konsumtive Interessen, in den Vordergrund und lehnte die Vermutung einer Amortisation ab.74 Der Begriff des wirtschaftlichen oder kommerziellen Zwecks war somit nicht mit der bloßen Unterscheidung materieller und immaterieller Ziele gleichzusetzen.75 In der aktuellen Entscheidung zum Fahrzeugkauf bezeichnet der Bundesgerichtshof den Zweck des Gläubigers, der eine Sache zur Nutzung in seinem Betrieb erwirbt, nunmehr ausdrücklich als „kommerziell“.76 Das gekaufte Fahrzeug sollte nicht etwa – „angereichert“ durch das erworbene Zubehör – weiterveräußert, sondern als Firmenwagen genutzt werden. Damit handelte es sich bei dem Fahrzeug und dem Zubehör erst einmal um Ausgaben, die für den Gebrauch bestimmt waren. Das Zubehör wurde nicht erworben, um den Wert des Fahrzeugs zu erhöhen. Mittelbar sollte das Fahr73 BGH v. 21.04.1978, BGHZ 71, 234 ff. Siehe auch schon die Ausführungen oben in Teil 1 D.I., S. 52 ff. 74 BGH, BGHZ 71, 234, 239/240. 75 Dies verkennt das LG Bonn in seiner Entscheidung v. 30.10.2003, NJW 2004, 74, 75. 76 BGH, NJW 2005, 2848, 2850.
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Teil 3: Risiken und Chancen
zeug vielleicht dazu beitragen, dass der gesamte Betrieb gewinnträchtig arbeitet. Aber nicht einmal das ist sicher. Handelte es sich um das Fahrzeug eines Außendienstmitarbeiters, der neue Kunden akquiriert, mag diese Überlegung einer zumindest mittelbaren Gewinnerzielungsabsicht angehen. Handelte es sich dagegen um das repräsentative Fahrzeug des Betriebsinhabers, der damit seinen Weg von zu Hause zum Betrieb zurücklegt, wäre tatsächlich kaum mehr als ein konsumtiver Zweck zu erkennen. Das Zubehör diente dann vor allem der Erhöhung des Komforts.77 Der Begriff des kommerziellen Zwecks ist nicht eindeutig. Daraus folgt sofort, dass die Abgrenzung zu „nichtkommerziellen“ Zwecken von Unsicherheiten geprägt ist. Dies gilt insbesondere für die Unterscheidung von kommerziellen und konsumtiven Zwecken. Ähnliche Probleme können freilich auch bei marktstrategischen oder spekulativen Zwecken auftreten. Aufwendungen, die dem Image eines Unternehmens dienen, erfolgen sicherlich auch in der Hoffnung, damit die Gewinnspanne auf Dauer zu steigern. Dienen sie damit aber der Gewinnerzielung, sodass dem Schuldner die Möglichkeit offen stehen soll, ein Verlustgeschäft nachzuweisen? Oder dienen sie nur der Chance auf eine Verbesserung der Marktposition? Der Begriff des kommerziellen Zwecks sollte eng verstanden werden. Gemeint ist damit nur die unmittelbare Gewinnerzielungsabsicht des Gläubigers. Als klassisches Beispiel dient die beabsichtigte gewinnbringende Veräußerung eines Kaufgegenstands, der hierfür mit nunmehr zweckentwertetem Zubehör versehen werden sollte. Statt einer Veräußerung wäre auch eine Vermietung oder Verpachtung denkbar. Weniger entscheidend sollte dagegen sein, ob dieses Geschäft im Rahmen eines Unternehmens des Gläubigers erfolgt, oder als Gelegenheitsgeschäft einer Privatperson zu qualifizieren ist. Abgrenzungsschwierigkeiten lassen sich trotzdem nur zurückdrängen, nicht vollständig ausschließen. Bei der Frage der Darlegungs- und Beweislast wird darauf zurückzukommen sein. Die Grenzen zwischen den verschiedenen möglichen Zielen eines Gläubigers bleiben fließend.78
II. Das Problem der Zweckbündel Diese Probleme hängen eng damit zusammen, dass der Gläubiger mit seinen Aufwendungen mehrere Zwecke gleichzeitig verfolgen kann. Ein der77
Ähnlich differenzierend Dedek, ZGS 2005, 409, 410. Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 3, S. 101 Rdnr. 57; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/ K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 321. 78
B. Abgrenzungsprobleme
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artiges Zweckbündel kann am Beispiel der Stadthallen-Entscheidung deutlich gemacht werden. Verfolgte die politische Partei mit ihrer Veranstaltung tatsächlich nur ideelle Zwecke? In erster Linie sollten die Werbeplakate Interessierte auf die Veranstaltung aufmerksam machen und auf diese Weise eine möglichst große Besucherzahl anlocken. Dies wiederum diente dazu, die Ideologie der Partei zu verbreiten und neue Mitglieder werben zu können. Auf diese Zielsetzung, den Einfluss der Partei zu vergrößern, stellte der Bundesgerichtshof maßgeblich ab und fand deshalb in seiner Entscheidung für die Rentabilitätsvermutung keine Basis.79 Die Partei wird jedoch finanzielle Interessen nicht völlig ausgeblendet haben. Die erhofften Einnahmen aus Druckschriftenverkauf zählen ebenso zum Zweckbündel, können aber wohl als eher nebensächlich bezeichnet werden. Eine größere Zahl an Mitgliedern oder auch nur Anhängern verspricht einer Partei allerdings nicht nur Mehreinnahmen durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Letztlich stehen Wahlergebnisse im Vordergrund, die wiederum Einfluss auf die Parteienfinanzierung haben. Dies alles sind keine kommerziellen Interessen im hier vorgeschlagenen engeren Sinn. Zu den frustrierten Zwecken der Partei gehören sie aber allemal. Statt mit einer politischen Partei kann man sich den Stadthallen-Fall auch mit einer Organisation wie Scientology vorstellen. Was sind hier die primären und sekundären Interessen an den Aufwendungen, die für die Planung und Bekanntmachung einer Veranstaltung getätigt werden? Gewinnerzielungsabsichten und die Verbreitung von Ideologien werden sich nicht vollends trennen lassen; sie sind an zahlreichen Stellen unlösbar verflochten. Auch bei § 284 BGB wird man deshalb die drängende Frage nicht vermeiden können, auf welchen Zweck für die Prüfung der Frustration abzustellen ist. Lediglich eine Unterscheidung zwischen nahen und fernen Zielen scheint das Problem ansatzweise lösen zu können. Die Werbeaufwendungen für eine Veranstaltung wie die der Partei oder der Scientology-Organisation, dienen primär der Bekanntmachung und damit der erfolgreichen Durchführung vor vollem Publikum. Wird für die Veranstaltung von den Besuchern kein Entgelt verlangt, ist der unmittelbare Zweck ein nichtkommerzieller. In der Ferne liegende Gewinnerzielungsabsichten sollten bei der Anwendung von § 284 BGB außen vor bleiben, um auch mit solchen Motivbündeln einigermaßen umgehen zu können. Gibt es einen nahen, aber nur nebensächlichen kommerziellen Zweck, wie den Druckschriftenverkauf der Veranstalterin, sollte dieser hinter dem Hauptzweck zurücktreten und ebenfalls nicht beachtet werden. Unsicherheiten sind jedoch auch dann nicht gänzlich vermeidbar.80 79
BGH, NJW 1987, 831, 834.
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Teil 3: Risiken und Chancen
III. Die Frage nach einer alternativen Zweckverfehlung Mit letzter Deutlichkeit treten die Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Anwendung des letzten Halbsatzes von § 284 BGB hervor. Dieser soll dafür sorgen, dass der Gläubiger nicht besser gestellt wird als bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Leistungspflicht. Hätten seine Aufwendungen ihren Zweck in diesem Fall ebenso verfehlt, kann die Frustration nicht dem Schuldner angelastet werden. Zur Veranschaulichung kann ein Beispiel aus der Begründung des Regierungsentwurfs herangezogen werden. Die Mieterin soll in einer Abwandlung der Stadthallen-Entscheidung dann keinen Ersatz für ihre Werbeaufwendungen erhalten, wenn die Veranstaltung aufgrund zu geringer Zuschauerzahlen ohnehin abgesagt worden wäre.81 Wie aber soll man bestimmen, bei wie vielen beziehungsweise wie wenigen potenziellen Besuchern die Partei ihre Veranstaltung nicht mehr durchgeführt hätte? Wann hätten nach ihrer Sicht die Investitionen ihren Zweck verfehlt? Würde für eine Zweckerreichung eine Handvoll Besucher reichen, die eventuell in ihrer Haltung zur Partei beeinflusst würden?
IV. Ergebnis Diese Unsicherheiten, die bereits für die Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung galten, kann § 284 BGB nicht beseitigen.82 Sie sind dem Tatbestand immanent, da die Frustration der Aufwendungen Tatbestandsvoraussetzung ist und gleichzeitig der Schuldner die Möglichkeit haben soll, eine alternative Zweckverfehlung nachweisen zu können. Ziel einer Tatbestandsauslegung muss es deshalb im Interesse der Rechtssicherheit und Praktikabilität auch sein, die vorhandenen Abgrenzungsschwierigkeiten so weit wie möglich zurückzudrängen, wenn schon eine vollständige Beseitigung nicht gelingen kann.
80 Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 39; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 329. 81 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144. 82 Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 3, S. 101 Rdnr. 57.
C. Lösungsansätze
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C. Lösungsansätze I. Überblick Zur Lösung der dargestellten Problematik bietet sich ein Zusammenspiel aus wertungsgerechter Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale und der Betonung des Billigkeitselements an. Ziel der Anwendung von § 284 BGB ist ein sachgerechter Interessenausgleich zwischen dem aufgrund einer schuldhaften Pflichtverletzung haftenden Schuldner und dem in seinem schutzwürdigen Vertrauen enttäuschten Gläubiger. Zugleich sollen die Schwierigkeiten bei der Bestimmung und Abgrenzung des verfolgten Zwecks und seiner Verfehlung so weit wie möglich zurückgedrängt werden. Dies muss als Prämisse der Auslegung vorausgehen. Die Tatbestandsmerkmale sollen dort restriktiv ausgelegt werden, wo dies mit der ratio legis vereinbar ist und nicht über das Ziel, den Anspruch sinnvoll zu begrenzen, hinausschießt. Auf diese Weise lassen sich manche – jedoch nicht alle – Fälle, in denen eine Haftung des Schuldners als zu weitgehend erachtet wurde, einer sachgerechten Lösung zuführen. Dies soll anhand des Beispiels vom Taxifahrer und dem Begriff des Vertrauens in § 284 BGB verdeutlicht werden. Sachverhaltsvarianten, die sinnvoll über § 284 BGB zu lösen wären, sollen nicht etwa aufgrund einer teleologischen Reduktion einzelner Tatbestandsmerkmale ausgeschlossen werden, nur weil die Haftung in einer Reihe von Einzelfällen nicht interessengerecht ist. Mit dem im Tatbestand bereits verankerten Begriff der Billigkeit gelingt es gezielter, in den Fällen, in welchen die Tatbestandsauslegung das Frustrationsrisiko nicht angemessen zwischen Gläubiger und Schuldner zu verteilen vermag, Korrekturen vorzunehmen. Besonderes Augenmerk ist dabei auch auf die Verteilung der Darlegungsund Beweislast zu richten. Dieser Lösungsansatz ist stark darauf angewiesen, die Besonderheiten des Einzelfalls in den Blick zu nehmen. Aus diesem Grund kann an vielen Stellen nur mit Richtlinien und Beispielen gearbeitet werden, die eine sinnvolle Anwendung von § 284 BGB verdeutlichen sollen. Alleine mit dieser auf den Einzelfall bezogenen Betrachtungsweise kann aber das Ziel erreicht werden, die im Hinblick auf die frustrierten Aufwendungen bisher bestehende Lücke im Bürgerlichen Gesetzbuch tatsächlich zu schließen und zugleich die dargestellte Gefahr einer uferlosen Haftung abzuwenden. Bevor dieser Lösungsansatz im Einzelnen ausgebreitet wird, sollen jedoch andere Vorschläge aus der Literatur vorgestellt und auf ihre Tauglichkeit untersucht werden.
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Teil 3: Risiken und Chancen
II. § 284 BGB als „Stadthallen-Paragraph“ 1. Einengung des Anwendungsbereichs Mit dem Begriff „Stadthallen-Paragraph“ kennzeichnete Herbert Wiedemann im Jahre 2003 seinen Vorschlag, § 284 BGB in seinem Anwendungsbereich in die Nische der rein zu ideellen oder konsumtiven Zwecken vorgenommenen Aufwendungen zurückzudrängen.83 Helmut Heinrichs hatte dies bereits mit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform in seiner ersten Kommentierung des § 284 BGB in der 61. Auflage des Palandt vorgeschlagen.84 Er sah in der weiten Fassung des Tatbestands, der in seinem Wortlaut keinerlei Anhaltspunkte für eine Beschränkung auf bestimmte Vertragszwecke enthielt,85 ein Formulierungsversehen des Gesetzgebers.86 Den Normzweck beschränkte er auf die Füllung der Lücke, die durch die Nichtanwendung der Rentabilitätsvermutung im nicht erwerbswirtschaftlichen Bereich verblieb.87 2. Gegenargumente Über eine teleologische Reduktion ist ein solches Ziel nicht zu erreichen. Zwar herrscht in der Methodenlehre Uneinigkeit über die Voraussetzungen einer solchen Rechtsfortbildung.88 Sie dient aber stets der Reduktion des überschießenden Wortlauts einer Norm und der Rückbesinnung auf deren Ziel.89 Die ratio legis von § 284 BGB verlangt aber gerade – entgegen dieser ursprünglichen Auffassung von Heinrichs – eine Einbeziehung aller Vertragszwecke, um einen möglichst umfassenden Schutz der Dispositionen des Gläubigers und eine größtmögliche Gleichbehandlung der Gläubiger zu erreichen. 83
Wiedemann, in: Festschrift für Ulmer, S. 1281. Palandt-Heinrichs61, Ergänzungsband § 284 Rdnr. 4. 85 Aus diesem Grund von Anfang an gegen eine einschränkende Interpretation u. a. Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 12, 13; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, S. 210; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 325; Althammer, NZM 2003, 129, 132; S. Lorenz, NJW 2004, 26, 27; Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 2. 86 Heinrichs noch in der 63. Auflage des Palandts unter § 311a Rdnr. 8. 87 Palandt-Heinrichs61, § 284 Rdnr. 4, gleichbleibend bis einschließlich der 63. Auflage. 88 Insbesondere herrscht Streit über den von Larenz entwickelten und von Canaris weitergeführten Begriff der verdeckten Lücke, vgl. dazu Larenz, Methodenlehre, S. 391; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210; a. A. Brandenburg, Die teleologische Reduktion, S. 60 ff. 89 U. a. Larenz, Methodenlehre, S. 392; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 211; Brandenburg, Die teleologische Reduktion, S. 29. 84
C. Lösungsansätze
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Im Gesetzgebungsverfahren hatte man ein einengendes Verständnis des Zweckbegriffs nicht beabsichtigt. Ganz im Gegenteil war der Kommissionsentwurf explizit zur Vermeidung einer Besserstellung des Gläubigers mit Gewinnerzielungsabsicht um den letzten Halbsatz ergänzt worden. Die Rentabilitätsvermutung hielt der Reformgesetzgeber deshalb für entbehrlich.90 Nehme man Aufwendungen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken aus dem Tatbestand von § 284 BGB heraus, könnte dies allenfalls dadurch gerechtfertigt sein, dass damit die nötige Haftungsbegrenzung des Schuldners erreicht werden sollte, die der Gesetzgeber nicht ausreichend berücksichtigt hatte.91 Die Zurückdrängung des Tatbestands ist hierfür jedoch kein probates Mittel. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 284 BGB auf bestimmte Vertragszwecke müsste nämlich umgehend mit altbekannten Abgrenzungsschwierigkeiten kämpfen. Die Unterscheidung zwischen erwerbswirtschaftlichen und anderen Zwecken ist zumeist vage und oftmals auch willkürlich.92 Neben der Frage, ob eine Unterscheidung nach unmittelbaren und ferneren Zielen des Gläubigers vorzunehmen ist, müsste auch das Problem der Zweckbündel gelöst werden; Neben- und Hauptzwecke wären zu unterscheiden.93 Eine Abgrenzung ist in vielen Fällen kaum praktikabel, würde jedoch entscheidungserheblich sein. Dem Interesse der Praxis, diese Probleme so weit wie möglich zurückzudrängen, wäre nicht gedient. Verwiese man § 284 BGB wirklich in den Bereich der Stadthallen-Entscheidung und ihr vergleichbarer Fälle, müsste außerdem die Rentabilitätsvermutung fortbestehen, wollte man nicht eine neue Lücke – diesmal für den großen Bereich der wirtschaftlich orientierten Geschäfte – schaffen. Der Gläubiger würden anderenfalls mangels Anspruchsgrundlage nicht einmal mehr seine Vertragskosten ersetzt bekommen; § 467 S. 2 BGB wurde im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung gestrichen. Das Problem der von der Rentabilitätsvermutung seit der Diskotheken-Entscheidung nicht mehr umfassten Folgeinvestitionen bliebe im erwerbswirtschaftlichen Bereich weiterhin ungelöst. 90
Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144. 91 Larenz, Methodenlehre, S. 392, 400 fasst auch eine solche Tatbestandseinschränkung unter den Begriff der teleologischen Reduktion, wenn sie zwar gegen die ratio legis verstößt, aber zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs oder einer offenbaren Ungerechtigkeit erforderlich ist, ähnlich auch Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 242. Allerdings werden dadurch die Begrifflichkeiten ihres Sinns beraubt. 92 Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 52 f.; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, S. 211; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 13. 93 Althammer, NZM 2003, 129, 132; Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 53.
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Teil 3: Risiken und Chancen
So hat auch der Bundesgerichtshof in seiner Fahrzeugkauf-Entscheidung der Idee „Stadthallen-Paragraph“ eine klare Absage erteilt.94 Anderenfalls wäre der Käufer mit seiner Klage auf Ersatz des nutzlos gewordenen Zubehörs leer ausgegangen. Einer Privatperson, die dasselbe Fahrzeug und Zubehör erwirbt, stünde es dagegen offen, sich auf § 284 BGB zu berufen. Die Ungleichbehandlung beider Fahrzeugkäufer – nach neuem Recht nunmehr zulasten des Unternehmers – wäre nicht zu rechtfertigen. Darüber hinaus vermag eine solche Einengung des Zweckbegriffs das Problem der uferlosen Haftung des Schuldners im nicht wirtschaftlichen Bereich nicht zu lösen. Der Vermächtnisnehmer würde die Umbaukosten für sein Haus weiterhin voll erstattet bekommen, genauso das wohlhabende Ehepaar seine Flug- und Hotelkosten für seine Reise zur Oskarverleihung nach Los Angeles. Und dies gilt sowohl in der vom Oberlandesgericht Köln ursprünglich entschiedenen Variante, wonach es dem Veranstalter nicht gelang, die Eintrittskarten zu besorgen, als auch für das Beispiel des Taxifahrers, der das Ehepaar verspätet zum Flughafen fährt und deshalb die Frustration der weiteren Reiseaufwendungen verschuldet. Heinrichs hat sich in der 64. Auflage des Palandts im Jahr 2005 dieser Meinung angeschlossen.95 Es verbleibt zu klären, warum ausgerechnet Herbert Wiedemann, der sich schon nach altem Recht für die Einbeziehung des Vertrauensinteresses in den Schadensersatz wegen Nichterfüllung ausgesprochen hat, eine einengende Auslegung von § 284 BGB vorschlägt.96 Er erläutert dies mit der Befürchtung, § 284 BGB könne aufgrund der Alternativität zum Schadensersatz statt der Leistung ungewollt zu einer Beschränkung der Gläubigerrechte führen.97 Diese Sorge ist unbegründet.98 Zu bedenken ist allerdings, dass Wiedemann bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung davon ausging, dass ein Ersatz der frustrierten Aufwendungen vom Schadensersatz wegen Nichterfüllung umfasst war. Anscheinend hält er an dieser Lösung auch nach Einführung von § 284 BGB fest, so dass die neue Anspruchsgrundlage in der Tat entbehrlich erscheint.99 Die ausdrückliche Schaffung einer Norm, die zumindest einen Teil des Vertrauensschadens ersatzfähig macht, verstärkt jedoch den Eindruck, dass sich der Scha94 BGH, NJW 2005, 2848, 2850; so auch schon die Vorinstanz OLG Stuttgart v. 25.08.2004, ZGS 2004, 434, 435. 95 Palandt-Heinrichs, § 284 Rdnr. 4, § 311 Rdnr. 8. 96 Wiedemann, in: Festschrift für Ulmer, S. 1281. 97 Wiedemann, in: Festschrift für Ulmer, S. 1280. 98 Vgl. die Ausführungen unten unter Teil 4 C.I., S. 200 ff. 99 „Ob der Gesetzgeber des § 284 BGB n. F. den Vertrauensschaden aus dem allgemeinen Schadensersatz statt der Leistung ausklammern wollte [. . .].“, „Sachgerechter ist es [. . .] an dem Umfang des hergebrachten Nichterfüllungsschadens nichts zu ändern.“, in: Festschrift für Ulmer, S. 1280/1281.
C. Lösungsansätze
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densersatzanspruch statt der Leistung alleine auf das Erfüllungsinteresse beschränkt.
III. Ausschluss einzelner Schuldverhältnisse Ein methodisch ähnlicher Ansatz wäre es, einzelne Schuldverhältnisse, bei denen vordringlich mit einer unangemessenen Haftung des Schuldners zu rechnen ist, vollständig aus dem Tatbestand herauszunehmen. § 284 BGB wäre dann teleologisch so zu reduzieren, dass er auf gesetzliche Schuldverhältnisse, vielleicht auch auf Gefälligkeitsverträge und das Arbeitsverhältnis nicht zur Anwendung käme. Diese Lösung scheint praktikabel, die Abgrenzung könnte anhand relativ klarer Kriterien vorgenommen werden. Preis dieses Gewinns an Rechtsicherheit wäre jedoch ein Verlust an Einzelfallgerechtigkeit.100 In vielen Situationen eines gesetzlichen oder altruistischen Schuldverhältnisses ist eine Haftung des Schuldners für die frustrierten Aufwendungen des Gläubigers durchaus sachgerecht. Gleichzeitig würden die Gefahr einer Sanktionslosigkeit der Pflichtverletzungen und ihre negative Anreizfunktion auf die Sorgfalt des Schuldners wieder an Gewicht gewinnen. 1. Gesetzliche Schuldverhältnisse Ansatzpunkt für einen solchen Ausschluss gesetzlicher Schuldverhältnisse könnte der Begriff des Vertrauens sein.101 Der Vertrauensschutz als Haftungsgrund lässt sich besser mit dem Bild eines Vertragsschlusses in Einklang bringen, weil in diesem Fall die Leistungspflicht des Schuldners und damit korrespondierend der Anspruch des Gläubigers im Gegensatz zum gesetzlichen Schuldverhältnis auf einer beiderseitigen Einigung beruhen. Zwingend ist dieses Argument jedoch keineswegs. Von dem Moment der Anspruchsentstehung an ist der gesetzliche Gläubiger in seinem Vertrauen auf die Erbringung der Leistung nicht minder schutzwürdig. So lässt sich der Fall des haftenden Erben dahingehend abwandeln, dass eine Anwendung von § 284 BGB allgemeinen Zuspruch ernten muss: Der Erblasser war ein regional bekannter Maler. Seine Werke erzielten einen Preis von 500 bis 1000 Euro. Sein Sohn, zugleich sein Alleinerbe, ist mit dem Vermächtnis belastet, ein ganz bestimmtes Gemälde einer Nichte des Erblassers zu überlassen, das diese schon zu dessen Lebzeiten sehr bewunderte. Als die Nichte bei der Testamentseröffnung hiervon erfährt, plant sie sogleich, dem Bild einen Ehrenplatz in ihrer Wohnung einzurichten. Hierfür möchte sie das Werk mit einem repräsentativen Rahmen versehen, was sie dem Erben bei der Testamentseröff100 Vgl. Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 62 und die Ausführungen unten unter Teil 3 D.II., S. 154 f. 101 In diese Richtung AnwKom-BGB/Arnold, § 284 Rdnr. 12.
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Teil 3: Risiken und Chancen
nung auch stolz erzählt. Kurz darauf kauft sie einen Rahmen zum Preis von 150 Euro. Zu einer Übergabe und Übereignung des Bildes kommt es nicht. Der Sohn hält die Gemälde seines verstorbenen Vaters für wertlosen Plunder und wendet deshalb keinerlei Sorgfalt auf. So kommt es, dass die Gemälde, darunter auch das für die Nichte bestimmte, während eines Transports achtlos im Regen stehen und zerstört werden.
Warum soll die Nichte, alleine weil es sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis handelt, von ihrem Schuldner keinen Ersatz der aufgewendeten 150 Euro erhalten? Der Erbe scheint kaum unzumutbar belastet. Es hätte lediglich ein wenig mehr Sorgfalt seinerseits bedurft, um die Haftung zu vermeiden. Das Haftungsrisiko war ihm aufgrund der Erzählungen der Nichte auch bekannt. Auch wenn man nicht von einer Gegenleistung des Gläubigers sprechen kann, erhält der Erbe vom Erblasser immerhin den Nachlass und muss hiervon nur einen Teil an den Vermächtnisnehmer herausgeben. Sollte die Erbschaft das Risiko, dem Vermächtnisnehmer zum Ersatz verpflichtet zu sein, nicht wert sein, könnte er die Erbschaft ebenso gut ausschlagen. Zudem erhält er im Ausgleich zu seiner Haftung zumindest den Rahmen, den er anderweitig verwerten kann.102 Der rigorose Ausschluss aller gesetzlichen Schuldverhältnisse wäre also kontraproduktiv. Der Gesetzgeber hat die Norm zu Recht vom Abschnitt über gegenseitige Verträge in das allgemeine Leistungsstörungsrecht verschoben. Eine grundsätzliche Benachteiligung des gesetzlichen gegenüber dem vertraglichen Gläubiger ist nicht sachgerecht.103 Sein Interesse, in die Erfüllung einer bestimmten Leistungspflicht vertrauen und aus diesem Grund bereits Investitionen tätigen zu dürfen, ändert sich nicht dadurch, dass er keine Gegenleistung erbringen muss. § 284 BGB beinhaltet eine Abkehr vom Äquivalenzgedanken als Haftungsgrund, weshalb auch Gefälligkeitsverträge wie die Schenkung oder die Leihe erfasst werden.104 Der Schuldner wird vielmehr deshalb in Regress genommen, weil er einen Vertrauensbruch begangen hat.105 Dieser Gedanke passt auf gesetzliche Schuldverhältnisse gleichermaßen. 102 Vgl. zur Pflicht des Gläubigers, die angeschafften Gegenständen an den Schuldner herauszugeben die Ausführungen unten unter Teil 5 H., S. 253 ff. 103 Vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143. Dem soll eine „entsprechende Meinungsbildung“ in der Kommission Leistungsstörungsrecht zugrunde gelegen haben, Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 26 Fn. 75; derselbe, JZ 2001, 499, 517; Reim NJW 2003, 3662, 3663. 104 Anderenfalls kann die formale Trennung zu Wertungswidersprüchen führen. Die Interessenlage der Parteien eines Schenkungsvertrags ist von der eines Kaufvertrags zu einem Freundschaftspreis nur geringfügig verschieden. 105 Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 26/27; derselbe, in: Karlsruher Forum 2002, S. 50.
C. Lösungsansätze
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Auch für andere gesetzliche Schuldverhältnisse lassen sich wertungsmäßig vergleichbare Beispiele bilden. Der Bereicherungsgläubiger darf auf die Erfüllung seines Bereicherungsanspruchs vertrauen und im Glauben daran bereits Aufwendungen tätigen. Dasselbe gilt für einen Eigentumsherausgabeanspruch aus § 985 BGB, wenn im Vertrauen auf die Rückgabe der Sache Aufwendungen getätigt wurden.106 Ein weiterer interessanter Anwendungsfall des § 284 BGB ist die Haftung des falsus procurator aus § 179 I BGB.107 Kennt der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht, kann der Vertragspartner unmittelbar Schadensersatz verlangen, der auf das positive Interesse gerichtet ist.108 Somit sollte es dem Gläubiger freistehen, wahlweise nach § 284 BGB vorzugehen, auch wenn § 179 I BGB keinen Schadensersatzanspruch „statt der Leistung“ gewährt. Hierfür spricht auch, dass der Vertragspartner vom falsus procurator ebenso Erfüllung verlangen und im Falle einer späteren Leistungsstörung auf einen Schadensersatz nach den allgemeinen Vorschriften übergeben könnte. Diese Wahl in der Vorgehensweise sollte nicht zu unterschiedlichen Haftungsfolgen führen. Das berechtigte Anliegen, die Interessen des Schuldners ebenfalls zur Geltung zu bringen, muss auf andere Weise – weniger ausschließlich und mehr mit Blick auf den Einzelfall – verfolgt werden. 2. Das Arbeitsverhältnis Auch im Bereich des Arbeitsrechts lassen sich Situationen aufzeigen, in denen der Arbeitgeber durch den Produktionsausfall stark belastet ist und der Arbeitnehmer wenig schutzwürdig erscheint. Wiederum genügt eine Abwandlung des Beispiels vom rechtwidrigen Streik. Bei der Darstellung der uferlosen Haftung des Zeitungsauslieferers wurde davon ausgegangen, dass der Streik zwar rechtswidrig, aber von der Gewerkschaft getragen 106 Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 11; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 169. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass das Eigentümer-BesitzerVerhältnis grundsätzlich als abschließende Regelung gilt. Im Bereich des Leistungsstörungsrechts war es einhellige Meinung, dass bei Nichtherausgabe ein Schadensersatzanspruch nur aus §§ 989 ff. in Betracht kam, nicht aber auf die allgemeinen Regeln in §§ 275, 280, 281 BGB a. F. zurückgegriffen werden durfte, vgl. nur Palandt-Bassenge60, § 985 Rdnr. 17. Dies gilt nun im gleichen Maße für das reformierte allgemeine Leistungsstörungsrecht, vgl. Palandt-Bassenge, § 985 Rdnr. 13. Dann aber ist es höchst zweifelhaft, ob nicht auch § 284 BGB als allgemeine Regelung verdrängt wird. Da dies ein Problem ist, das lediglich einen sehr begrenzten Teilbereich von § 284 BGB ausmacht, soll es an dieser Stelle nicht weiter ausgebreitet werden. Vgl. auch AnwKom-BGB/Arnold, § 284 Rdnr. 12. 107 Stoppel, AcP 204, 81, 89. 108 Palandt-Heinrichs, § 179 Rdnr. 6.
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war.109 Der Arbeitnehmer verweigerte seine Arbeitsleistung vorsätzlich, tat dies jedoch im Glauben, aufgrund des Arbeitskampfes dazu berechtigt zu sein. Sein Verschulden ist deshalb als gering einzuschätzen. Wie schwerwiegend der Vorwurf ist, hängt davon ab, welche Zweifel bereits an der Rechtmäßigkeit des Streiks bestanden hatten. Wären die Zeitungsauslieferer dagegen in einen wilden Streik getreten, gäbe es für sie wenig entlastende Momente. Eine Haftung für den Produktionsausfall des Arbeitgebers wäre interessengerecht und sollte nicht aufgrund einer strikten Reduktion des Anwendungsbereichs von § 284 BGB von vornherein ausgeschlossen werden. Vielmehr muss ein Weg gefunden werden, solche Differenzierungen nach dem Verschuldensgrad in die Prüfung des Aufwendungsersatzanspruchs einfließen zu lassen. Dies kann nur mit Blick auf den Einzelfall gelingen. Auf der anderen Seite sollten Wertungswidersprüche zu anderen Dienstverhältnissen vermieden werden. Nicht nur ein Arbeitnehmer kann über § 284 BGB für einen Produktionsausfall haften. Ein Subunternehmer, der unter Umständen kein höheres Entgelt erhält als ein abhängig Beschäftigter, kann ebenso schutzwürdig sein. Im Übrigen bringt § 284 BGB nicht nur haftungsrechtliche Nachteile für den Arbeitnehmer mit sich. Je nachdem, wie weit man den Tatbestand von § 284 BGB fasst, kann der Arbeitnehmer auch selbst Ansprüche gegen seinen mit der Entgeltzahlung in Verzug befindlichen Arbeitgeber geltend machen. Bisher konnte der Arbeitnehmer lediglich seinen Verzögerungsschaden ersetzt verlangen. Nunmehr kommt auch ein Ersatz der frustrierten Investitionskosten in Betracht, wenn zum Beispiel der Erwerb eines Eigenheims daran scheitert, dass der Arbeitnehmer aufgrund des ausstehenden Arbeitsentgelts ein Darlehen nicht mehr bedienen kann.110
IV. Beschränkung auf die Vertragskosten 1. Aufwendungen zum Erhalt und zur Verwendung Das Haftungsrisiko des Schuldners wäre erheblich reduziert, würde man Aufwendungen, die erst auf dem Leistungserhalt aufbauen und der späteren 109
Vgl. die Ausführungen oben unter Teil 3 A.III.2., S. 109 f. Löwisch, in: Festschrift für Wissmann, S. 44. Denkbar ist dies allerdings nur, soweit man § 284 BGB auf die Situation eines Schadensersatzes neben der Leistung ausdehnt. Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, III, 281 I 1, ist zwar möglich, nützt dem Arbeitnehmer wegen der in § 284 BGB angeordneten Alternativität jedoch nichts. Er müsste dann auf seine Entlohnung verzichten. Vgl. hierzu auch die Ausführungen unten unter Teil 5 B.II.3., S. 211 ff. 110
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Verwendung dienen, aus dem Tatbestand herausnehmen. Eine solche Beschränkung wurde schon kurze Zeit nach der Schuldrechtsreform von Florian Faust angedacht.111 Erfasst würden dann in erster Linie nur noch die klassischen Vertragskosten wie Beurkundungs- und Eintragungsgebühren sowie Maklerprovisionen, die bisher über § 467 S. 2 BGB a. F. ersetzt wurden. Transport-, Einbauund Montagekosten, die nur schwer unter den Begriff der Vertragskosten zu subsumieren waren – von der Rechtsprechung nichtsdestoweniger als ersatzfähig angesehen wurden – werden nun problemlos vom Anwendungsbereich des § 284 BGB erfasst.112 Hohe Summen sind dagegen bei Folgeinvestitionen zu befürchten und nicht bei den Vertragskosten im engeren Sinn.113 Insoweit haben schon die Beispiele zur früheren unreflektierten Anwendung der Rentabilitätsvermutung ein deutliches Bild gezeigt. Erinnert sei nur an den Küchenausbau und die Einstellung eines zweiten Kochs im Vertrauen auf mehr Kundschaft oder den Neubau einer Halle für eine Produktionsmaschine.114 2. Die Ansicht im Gesetzgebungsverfahren Die Gesetzesbegründung und die weiteren Materialien beschäftigen sich nicht ausdrücklich mit der Frage, ob zwischen diesen Aufwendungen differenziert werden soll. Zwischen den Zeilen lässt sich trotzdem eine Meinung des Gesetzgebers herauslesen. In der Entwurfsbegründung wird die Diskotheken-Entscheidung als Beleg für die bisherige Rechtsprechung zur Rentabilitätsvermutung angeführt. Sachverhalt und Entscheidungsgründe werden jedoch weder behandelt, noch in Bezug zur Neuregelung gesetzt – anders als bei der StadthallenEntscheidung, mit der sich der Gesetzgeber explizit befasste.115 Setzt man den Inhalt der Diskotheken-Entscheidung einmal als bekannt voraus, hätte dem Gesetzgeber bewusst sein müssen, dass Aufwendungen zur Leistungsverwendung nach bisheriger Rechtsprechung grundsätzlich nicht ersatzfähig 111 Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2 e, S. 165 Rdnr. 21; dem folgend: Jauernig/Stadler, § 284 Rdnr. 4. 112 Vgl. auch Oechsler, Schuldrecht BT § 2 VI 3, S. 157 Rdnr. 262. 113 Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2 e, S. 165 Rdnr. 22 untermauert dies mit einer eindrucksvollen Aufzählung von Beträgen, die ein Käufer, der auf das erworbene Grundstück eine Fabrik bauen möchte, im Falle des Vertragsscheiterns über § 284 BGB auf den Verkäufer abwälzen könnte. 114 Vgl. die Ausführungen oben unter Teil 1 B.III., S. 48 f. 115 Vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 142/143.
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waren. Die Neuregelung des § 284 BGB bewirkt in diesem Punkt eine erhebliche Erweiterung der Rechtsposition des Gläubigers, worauf der Gesetzgeber in der Begründung nicht eingeht. Diskussionen hierüber aus den Debatten des Bundestags und Bundesrats, des Rechtsausschusses oder auch der Kommission Leistungsstörungsrecht sind nicht dokumentiert. Die Entwurfsbegründung stellt sich in der einleitenden Kritik zur Rechtslage vor 2002 als eine fast wörtliche Wiederholung der Begründung des Kommissionsvorschlags von 1992 dar. Aber auch damals war die Einschränkung der Rentabilitätsvermutung durch den Bundesgerichtshof bereits bekannt. Die Diskotheken-Entscheidung war – wenn auch nur kurz – vor Abschluss der damaligen Kommissionsarbeiten ergangen und findet sich in der Vorschlagsbegründung von 1992 bereits als Beleg für die bisherige Rechtsprechung. Eine Auseinandersetzung mit dem Urteil und seinen Konsequenzen für die Gläubigerrechte unterblieb schon damals, obwohl der Kommissionsvorschlag, dem Gläubiger wahlweise seinen Vertrauensschaden zu ersetzen, dieser Einschränkung der Rentabilitätsvermutung gerade entgegenwirkte. Dass ein Ersatz des Vertrauensschadens solche Folgeinvestitionen umfasste, lag freilich auf der Hand. Eine Klarstellung war weniger vonnöten als bei § 284 BGB. Man muss es wohl als ein weiteres Versäumnis deuten, dass der Schuldrechtsreformgesetzgeber diese Begründung zu § 327 BGB-KE und § 325 BGB-DiskE unverändert übernahm. Keinesfalls sollte man daraus den Schluss ziehen, er habe sich die Beschränkungen der Diskotheken-Entscheidung für die Neuregelung zueigen machen wollen. Die Beispiele aus der Entwurfsbegründung bekräftigen diesen Verdacht einer bloßen Unachtsamkeit des Gesetzgebers.116 Weil es sich bei den Werbeaufwendungen im Stadthallen-Fall um solche handelte, die erst auf dem Leistungserhalt aufbauten, kann der Gesetzgeber eine Beschränkung im Sinne der Diskotheken-Entscheidung nicht gewollt haben.117 Der Umbau des Hauses zur Integration des vermachten Kunstwerks ist ebenfalls eine Aufwendung zur Leistungsverwendung.118 Die Regierungsbegründung erwähnt als Beispiel auch die Anmietung eines Ladenlokals zum Verkauf von Kunstwerken, die sich als unverkäuflich herausstellen. Auch hier erachtet der Gesetzgeber die Investition in die Kunstwerke als grundsätzlich ersatzfähige Aufwendung, die sich nur wegen des Einwands eines rechtmäßigen 116 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 325; Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 33; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 224. 117 So auch OLG Stuttgart v. 25.08.2004, ZGS 2004, 434, 436. 118 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143.
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Alternativverhaltens als nicht erstattungsfähig darstellen soll.119 Auch das vielzitierte Beispiel des für ein Bild erworbenen teueren Rahmens betrifft ausschließlich Aufwendungen zur späteren Verwendung.120 Florian Faust meint, diese Beispiele in den Materialien seien jeweils aus anderen Gründen angeführt worden und stünden deshalb nicht im Widerspruch zu seiner Auffassung.121 Der Gesetzgeber habe übersehen, welche Andeutungen er damit für die hier zu diskutierende Frage gemacht habe.122 Der Gesetzgeber strebte aber eine möglichst umfassende Regelung der frustrierten Aufwendungen an. Durch ein einschränkendes Verständnis des Aufwendungsbegriffs würde dieses Ziel geradezu konterkariert. Es wäre dann naheliegender gewesen, eine allgemeine Ersatznorm für Vertragskosten zu schaffen, wie Ulrich Huber es bereits in seinem Gutachten in den 80-er Jahren vorgeschlagen hatte. Genau dieses Ziel, die Gläubigeransprüche zu erweitern und Pflichtverletzungen des Schuldners nicht sanktionslos zu lassen, spricht aus objektivteleologischer Sicht gleichermaßen gegen eine solche Tatbestandseinschränkung. Dies gilt sowohl für eine bloße restriktive Auslegung des Tatbestands123 als auch für eine offene Gesetzeskorrektur mittels teleologischer Reduktion. Das Ergebnis deckt sich mit systematischen Erwägungen. Der Haftungsgrund von § 284 BGB liegt im Gegensatz zur Rentabilitätsvermutung nicht mehr im Äquivalenzgedanken, sondern im Schutz berechtigten Vertrauens. Schon deshalb dürfen die zur bisherigen Rechtslage erarbeiteten Grundsätze keinesfalls unreflektiert übernommen werden.124 In der Diskotheken-Entscheidung wurden Folgeinvestitionen auch deshalb von der Ersatzpflicht herausgenommen, weil man die Vermutung der Gleichwertigkeit für lebens119 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144. 120 Canaris, JZ 2001, 499, 517. 121 Der „Umbau“ des Hauses dient als Beispiel eines Anspruchs im gesetzlichen Schuldverhältnis. Die „unverkäuflichen Bilder“ führen zum Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens und die Stadthallen-Entscheidung ist exemplarisch für den Gläubiger mit rein ideeller Zwecksetzung, vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143 f. Den „Bilderrahmen“ führt Canaris im Zusammenhang mit dem Billigkeitselement an, JZ 2001, 499, 517. 122 Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2 e, S. 166 Rdnr. 23. Insoweit geht auch die Kritik von Canaris zu weit, Faust habe diese Beispiele völlig unbeachtet gelassen, in: Festschrift für Wiedemann, S. 33 Fn. 100. 123 Dabei könnte man u. U. an die Formulierung Vertrauen auf den „Erhalt“ der Leistung anknüpfen. Aber auch die spätere Verwendung einer Leistung hängt von ihrem vorherigen Erhalt ab; vgl. Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 228. 124 Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 27; Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 32.
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fremd hielt.125 Da es auf Rentabilitätsgesichtspunkte für die Haftungsbegründung bei § 284 BGB nicht mehr ankommt, ist dieses Argument obsolet. Die (fehlende) Rentabilität kann nur noch haftungsbeschränkend wirken, was bei den Einzelheiten zum letzten Halbsatz zu besprechen sein wird. Der Gedanke des Vertrauensschutzes greift bei Folgeinvestitionen dafür nicht minder.126 Für den Gläubiger macht es keinen Unterschied, welche Aufwendungen durch die Pflichtverletzung des Schuldners entwertet werden.127 3. Grundsätzliche Bedeutsamkeit der Unterscheidung Ein Verständnis von § 284 BGB, das einen Ersatz von Folgeaufwendungen kategorisch ausschließt, würde das Frustrationsrisiko somit zu weit zu Lasten des Gläubiger verschieben. Auch Florian Faust will einen Ersatz für Folgeaufwendungen immerhin dann gewähren, wenn eine besondere Verwendung im Vertrag vereinbart oder vorausgesetzt ist.128 Dann müsse der Schuldner nämlich damit rechnen, dass Aufwendungen zu diesem Zweck getätigt würden. Bei Veräußerungsgeschäften gehe den Veräußerer das Folgegeschäft des Käufers hingegen regelmäßig nichts an.129 Dass zwischen klassischen Vertragskosten und dem Abschluss eines Folgegeschäfts ein Unterschied besteht, der sich auch auf die Haftungsverteilung auswirken kann, ist allemal anzuerkennen. Eine Trennung zwischen Veräußerungsverträgen und anderen Geschäften erscheint jedoch nicht immer sachgerecht. Auch bei einem Kaufvertrag weiß der Verkäufer in der Regel, dass die Kaufsache einer bestimmten Verwendung zugeführt wird und kann deshalb mit Folgekosten des Erwerbers rechnen. Dies wird gerade in der Fahrzeugkauf-Entscheidung des Bundesgerichtshofs deutlich.130 Wollte man Folgeaufwendungen des Käufers im Grundsatz von einem Ersatzanspruch ausschließen, hätte der Senat prüfen müssen, ob eine bestimmte Verwendung des Fahrzeugs vertraglich vereinbart war. Beate Gsell kritisiert auch zu Recht, dass es für den Betreiber einer Diskothek 125
BGH, JZ 1992, 464, 466. Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 27; Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 32. Auch andere Normen, die den Vertrauensschaden ersatzfähig machen, wie § 122 und § 179 II BGB, treffen solche Unterscheidungen nicht, vgl. StaudingerSchilken2004, § 179 Rdnr. 18; MüKo-Schramm, § 179 Rdnr. 38/39; MüKo-Kramer, § 122 Rdnr. 8. 127 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 232. 128 Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2 e, S. 166 Rdnr. 24. 129 Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2 e, S. 167 Rdnr. 25–28; genauso mit Hinweis auf Faust: Jauernig/Stadler, § 284 Rdnr. 4. 130 BGH, NJW 2005, 1848 ff. 126
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keinen Unterschied machen kann, ob er die Veranstaltungshalle kaufen oder mieten will.131 Des Weiteren bietet die Betonung des Vertragsinhalts bei gesetzlichen Schuldverhältnissen von vornherein keine Lösung.132 Folgt man der Argumentation von Florian Faust, müsste der Schuldner eines Eigentumsherausgabeanspruchs nur die Aufwendungen für den Leistungserhalt ersetzen, die sich regelmäßig auf Transportkosten und im Grundstückverkehr auf Eintragungs- und Beurkundungskosten beschränken. Andere Kosten wären selbst dann nicht ersatzfähig, wenn der Eigentümer den Besitzer zuvor über deren Art und Höhe in Kenntnis gesetzt hätte. Trotzdem sind die angesprochenen Differenzierungen nicht entbehrlich. Die Vorhersehbarkeit des Haftungsrisikos für den Schuldner ist ein entscheidendes Kriterium, mit dem die Inanspruchnahme des Schuldners gesteuert werden kann. Beim Begriff der Aufwendung sind solche haftungsbeschränkenden Kriterien jedoch fehl am Platz, da dieses Tatbestandsmerkmal besser abstrakt, ohne Ansehung des konkreten Sachverhalts, bestimmbar sein sollte. Die nötigen Korrekturen sollten mehr mit Blick auf den Einzelfall vorgenommen werden, wofür sich der Begriff der Billigkeit anbietet. Faust wendet hiergegen ein, diese Lösung sei mit starken Unsicherheitsfaktoren behaftet; es fehlten objektive Standards. In der Tat ist diesem Problem nur begrenzt Herr zu werden. Die Frage, ob eine bestimmte Verwendung der Leistung Vertragsinhalt geworden ist, lässt sich jedoch genauso wenig objektiv bestimmen.133 4. Abgrenzungsschwierigkeiten Dazu kommt, dass eine strenge Unterscheidung zwischen Aufwendungen, die dem bloßen Erhalt der Leistung und der Durchführung des Vertrags dienen, und solchen, die erst für die spätere Verwendung von Nutzen sind, in zahlreichen Fällen schwer fällt.134 Im Diskotheken-Urteil konnten beide Gruppen von Aufwendungen noch relativ leicht unterschieden werden. Außerhalb des Grundstücksbereichs gestaltet sich eine Abgrenzung schwieriger. In der Oskarverleihungs-Entscheidung wurden dem Kläger Reisekos131
Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 325; so auch Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 232. 132 Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 73; derselbe, AcP 204, 81, 95. 133 Faust selbst stellt entscheidend auf die Vorhersehbarkeit für den Schuldner im konkreten Einzelfall ab, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2 e, S. 166/167 Rdnr. 24. 134 Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 27; Leonhard, AcP 204, 199, 660, 673. Vgl. dazu auch schon die Ausführungen oben unter Teil 1 D.I., S. 52 ff. und Teil 1 G.I.2. S. 64 ff.
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ten nach Los Angeles und die Übernachtungskosten vor Ort zugesprochen. Dies könnten Aufwendungen zum Leistungserhalt sein, schließlich sollten die Eintrittskarten, also die vertragsgemäße Leistung, erst vor Ort entgegengenommen werden.135 Der Flug diente noch viel mehr der Leistungsverwendung. Die Kläger mussten erst zum Veranstaltungsort reisen, um als Zuschauer teilnehmen zu können. Eine klare Trennung zwischen beiden Aufwendungsarten ist nicht möglich. Die Übernachtungskosten können noch weniger alleine der Leistungserlangung zugeschlagen werden.
V. Beschränkung auf das Erfüllungsinteresse 1. Das schadensrechtliche Bereicherungsverbot Normen, die einen Ersatz des Vertrauensschadens anordnen (vor allem § 122 I, § 179 II, § 307 a. F. BGB), enthalten oftmals eine höhenmäßige Beschränkung des Anspruchs auf das Erfüllungsinteresse.136 Begründet wird dies mit dem sogenannten „Glücksfallargument“. Der Gläubiger soll keinen unberechtigten Gewinn aus der Pflichtverletzung des Schuldners erzielen. Die „Beurteilung von Marktchancen und der Gewinnaussichten des ins Auge gefassten Geschäftes“ fällt nämlich in den Verantwortungsbereich des Disponierenden.137 Wären die Verluste ohnehin entstanden, sind sie nicht dem Fehlverhalten des Schuldners anzulasten und gehören in den allgemeinen Risikobereich des Gläubigers. Letztlich handelt es sich um das schadensrechtliche Bereicherungsverbot.138 § 284 BGB hat ebenso wie § 122 I und § 179 I BGB den Zweck, dem Gläubiger seinen Vertrauensschaden zu ersetzen. Der Gesetzgeber wählte dabei eine andere Art der Formulierung als üblicherweise, weil er nur einen Teilanspruch gewähren wollte.139 So ist es naheliegend, auch für § 284 BGB eine Begrenzung auf das Erfüllungsinteresse in Betracht zu ziehen. Das Postulat, den Gläubiger nicht besser zu stellen als im Falle der ordnungsgemäßen Erfüllung, ist ein allgemeines Prinzip des Privat- und insbesondere des Schadensrechts. Hiergegen wird zwar zuweilen die Rechts135
Messer/Schmitt, in: Festschrift für Hagen, S. 434. Vgl. dazu u. a. Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 36 VI 3, S. 681/682 Rdnr. 120; Medicus, Allg. Teil, § 48 V, S. 307 Rdnr. 784; Staudinger-Singer2004, § 122 Rdnr. 14. 137 So zur Begrenzung des Ersatzanspruchs aus Verschulden bei Vertragsschluss: Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 281. 138 Vgl. zum Bereichungsverbot u. a. Lange/Schiemann, Schadensersatz, Einleitung, III 2, S. 10; Schiemann, in: Festschrift für Hagen, S. 42. 139 Vgl. hierzu die Ausführungen zur dogmatischen Einordnung unter Teil 4 A., S. 182 ff. 136
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figur der culpa in contrahendo in das Feld geführt. Der Bundesgerichtshof spricht dem Gläubiger einer solchen vorvertraglichen Pflichtverletzung in einigen Fällen einen Ersatz seines gesamten Vertrauensschadens auch dann zu, wenn die Einbuße das positive Interesse übersteigt. Betrachtet man die verschiedenen Fallgruppen eines Verschuldens bei Vertragsschluss jedoch genauer, muss man differenzieren. Geht es um die Verletzung von Schutzpflichten, erleidet der Geschädigte zumeist eine Beeinträchtigung seines Integritätsinteresses, sei es durch Verletzung seiner Gesundheit oder seines Eigentums.140 In vielen Fällen wird das Ersatzbegehren dann zwangsläufig das Erfüllungsinteresse übersteigen. Das Glücksfallargument greift dennoch nicht, da der Gläubiger auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung ein Interesse an der Erhaltung seiner Rechte und Rechtsgüter gehabt hätte.141 Das Integritätsinteresse steht gleichsam außerhalb des Begriffspaares „positives und negatives Interesse“.142 Diese Untergruppe der culpa in contrahendo kann die Annahme eines allgemeinen Prinzips nicht entkräften. § 284 BGB lässt sich eher mit der Fallgruppe des schuldhaft nicht zustande gekommenen Vertrags vergleichen, bei dem der Vertrauensschutz im Vordergrund steht.143 Im Allgemeinen wird eine Begrenzung des zu ersetzenden Vertrauensschaden auf das Erfüllungsinteresse mit eben diesem Glücksfallargument und der Vergleichbarkeit zu §§ 122 II, 179 II BGB gefordert.144 140
Larenz, SchuldR AT Bd. 1, § 9 I, S. 112; § 27 II 4, S. 431; Staudinger-Löwisch2004, Vorbem zu §§ 275–283 Rdnr. 52; vgl. auch RG, RGZ 151, 357, 359. 141 Larenz, SchuldR AT Bd. 1, § 9 I, S. 112; Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 280. 142 Larenz, SchuldR AT Bd. 1, § 27 II 4, S. 431; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 2 V 5, S. 70. Terminologisch ist Vorsicht geboten. Teilweise wird auch im Hinblick auf Integritätsschäden vom negativen Interesse gesprochen. Dies ist insoweit naheliegend, als das Ziel eines solchen Schadensersatzanspruchs ebenso wie beim Vertrauensschaden im vertraglichen Bereich in der Wahrung des status quo liegt; vgl. z. B. Rengier, Die Abgrenzung des positiven Interesses, S. 53 Fn. 68. Vom Integritätsinteresse werden allerdings keine vergeblichen Vermögensdispositionen erfasst. Diese sind dem negativen Vertragsinteresse vorbehalten. Deshalb sollte man besser von Erhaltungs- oder Integritätsschäden sprechen. 143 Larenz spricht von der Verletzung von Loyalitätspflichten und vom Wecken falscher Erwartungen, SchuldR AT Bd. 1, § 9 I, S. 112. 144 Stoll, in: Festschrift für Caemmerer, S. 451; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 2 IV 3; Erman-Battes10, § 276 Rdnr. 124; Staudinger-Medicus1983, § 249 Rdnr. 25; Staudinger-Löwisch2004, Vorbem zu §§ 275–283 Rdnr. 57; Soergel-Mertens, Vor § 249 Rdnr. 69 Fn. 55; Soergel-Wiedemann, Vor § 275 Rdnr. 189. So auch schon sehr deutlich das Reichsgericht, RGZ 151, 357, 358/359. Vgl. auch BGH, NJW 1983, 442, 444 und die Motive I, S. 195. A. A. MüKo-Emmerich, § 311 Rdnr. 234; Erman-Kindl, § 311 Rdnr. 25, wiederum etwas einschränkend in Rdnr. 36: Das Erfüllungsinteresse als Obergrenze kann „für die Lösung vieler Fälle hilfreich“ sein.
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Schon das Reichsgericht führte anschaulich aus, dass es ungerechtfertigt sei, dem Gläubiger „das Wagnis abzunehmen, das er mit Eingehung des Vertrags übernommen hat, und ihm Ersatz auch für solche Verluste zuzusprechen, die in den aus der Vertragserfüllung fließenden Gewinnen zwar ihren Ausgleich hatten finden sollen, aber in Wirklichkeit, weil er in seinen Berechnungen fehlgegangen ist, nicht gefunden haben würden.“145
Das Bereicherungsverbot durchzieht das gesamte Schadensrecht, auch wenn dieses Prinzip im Gesetz nicht explizit niedergelegt ist. Es ist unabdingbar, um die Lücke zu schließen, die der Gesetzgeber mit dem nicht näher konkretisierten Begriff des Schadens hinterlassen hat. Philipp Heck stellte 1921 in seinem „Grundriß des Schuldrechts“ fest, dass der Richter einen Schaden nur unter Abwägung der beteiligten Interessen und unter Rücksichtnahme auf die im Gesetz enthaltenden Werturteile und Zwecke bestimmen könne. Das Rechtsgefühl der Rechtsanwender sei dabei erstaunlich konform, was Heck darauf zurückführt, „daß in dem Unterbewußtsein der Rechtsgenossen Erwägungen wirksam sind, die unsere Rechtsordnung entsprechen, ohne in ihr einen betonten Ausdruck gefunden zu haben.“
Eine wichtige Erwägung sei dabei die „Tendenz der Gewinnabwehr“. Der Schadensersatz solle Ausgleich, aber keinen zusätzlichen Gewinn bringen.146 2. Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens Auch im Anwendungsbereich von § 284 BGB muss deshalb das schadensrechtliche Bereicherungsverbot Beachtung finden. Dies besagt jedoch nicht, dass eine umfassende Begrenzung auf das Erfüllungsinteresse hierfür die einzige Möglichkeit wäre. In § 284 BGB ist das Prinzip der Gewinnabwehr nämlich bereits verwirklicht.147 Die Norm wurde um den letzten 145 RG v. 22.06.1936, RGZ 151, 357, 359; ähnlich auch der BGH in der Architekten-Entscheidung, BGH, NJW 1983, 442, 444. 146 Heck, Grundriß des Schuldrechts, § 11 Nr. 8, § 15 Nr. 4. Als zweite wesentliche Erwägung nennt Heck die Einwirkungstendenz: Die Ersatzpflicht soll als Regulator für menschliches Verhalten wirksam werden. 147 Das Glücksfallargument verwenden u. a.: Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144; AnwK-Dauner-Lieb, 284 Rdnr. 12, dieselbe, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 3, S. 100/101 Rdnr. 57; Jauernig/Stadler, § 284 Rdnr. 7; Oechsler, SchuldR BT VertragsR, § 2 VI 3, S. 156 Rdnr. 261; Gsell, in: DaunerLieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), S. 323; Stoppel, AcP 204, 81, 101; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C V 1, S. 172 Rdnr. 39. So auch schon zur Rechtslage vor 2002 Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 97.
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Halbsatz ergänzt, der den Anspruch des Gläubigers dann entfallen lässt, wenn die Aufwendungen auch ohne die Pflichtverletzung verfehlt worden wären. Beide Varianten sind eng miteinander verwandt. Die Begrenzung des Anspruchs auf das positive Interesse lässt sich ebenso auf den Gedanken des rechtmäßigen Alternativverhaltens zurückführen.148 Die in § 284 BGB getroffene Wahl hat dabei ihre Vorzüge. Sie erlaubt es, dem Gläubiger einen ungerechtfertigten Vorteil sowohl bei kommerziellen Verträgen – mittels des Verlusteinwands – als auch bei solchen mit ideellen oder konsumtiven Zwecken – mittels anderer hypothetischer Kausalverläufe – abzuschneiden. Eine Begrenzung auf das Erfüllungsinteresse wäre dagegen nur dann angebracht, wenn der Gläubiger sich eine materielle Gewinnerzielung zum Ziel gesetzt hätte. Im Bereich der ideellen Zielsetzungen liefe ein materielles Erfüllungsinteresse des Gläubigers gegen Null.149 Hier hätte der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens dann als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ergänzt werden müssen.
VI. Restriktive Auslegung am Beispiel des enttäuschten Vertrauens 1. Schutzwürdiges Vertrauen Der Taxifahrer hatte im Ausgangsfall seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Beförderung schuldhaft verletzt, weshalb die Aufwendungen der Eheleute für Flug, Unterkunft und Eintritt zur Oskarverleihung für diese wertlos wurden. Frustrierte Aufwendungen sind jedoch nicht per se ersatzfähig, sondern nach dem Wortlaut von § 284 BGB nur dann, wenn sie auch „im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung“ getätigt wurden. In der Schaffung eines Vertrauenstatbestands liegt der eigentliche Haftungsgrund. Hat der Gläubiger genügend Veranlassung, an die Erfüllung des geschlossenen Vertrages zu glauben und trifft infolgedessen Dispositionen, soll nicht er die Kosten hierfür tragen, wenn sein berechtigtes Vertrauen später enttäuscht wird und sich 148
Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 281. Die Ähnlichkeit beider Institute zur Verhinderung einer ungerechtfertigten Besserstellung des Geschädigten klingt auch an bei Wiedemann, in: Festschrift für Herschel, S. 479; ebenso SoergelWiedemann, Vor § 275 Rdnr. 189. 149 MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 28. Vergleichbare Überlegungen finden sich auch zur culpa in contrahendo. „Der Gedanke der Fehlspekulation“ ist dann nicht einschlägig, wenn keine Kostendeckung oder sogar Gewinnerzielung bezweckt wird, vgl. Küpper, Scheitern von Vertragsverhandlungen, S. 282; ähnlich auch Stoll, in: Festschrift für Caemmerer, S. 451/452. Dies verkennt Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 126.
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Teil 3: Risiken und Chancen
seine Aufwendungen deshalb als nutzlos erweisen. Zwischen den Aufwendungen und dem Vertrauenstatbestand muss ein Kausalzusammenhang bestehen.150 Dabei kann es nicht alleine darauf ankommen, ob der Gläubiger tatsächlich auf die Erfüllung des Schuldverhältnisses vertraut hat. Vielmehr ist maßgeblich, ob er auch darauf vertrauen durfte. Nicht jedes „blinde“ Vertrauen ohne objektive Grundlage, sondern nur das berechtigte darf Basis für einen weitreichenden Aufwendungsersatzanspruch sein.151 Der Gläubiger eines vertraglichen Schuldverhältnisses ist grundsätzlich ab dem Moment des Vertragsschlusses in seinem Vertrauen schutzwürdig. Bei gesetzlichen Schuldverhältnissen darf der Gläubiger ebenfalls ab dem Zeitpunkt der Begründung dieses Schuldverhältnisses und seines daraus bestehenden Anspruchs auf die ordnungsgemäße Leistung vertrauen. 2. Aufwendungen vor Vertragsschluss a) Im Grundsatz kein schutzwürdiges Vertrauen Aus dem Anwendungsbereich von § 284 BGB fallen somit die Aufwendungen heraus, die noch vor Abschluss des Vertrags oder der Begründung des gesetzlichen Schuldverhältnisses getätigt wurden.152 Dies ist unstreitig, solange sie mit dem Vertragsschluss in keinerlei Verbindung stehen. Aber auch Kosten der Vertragsanbahnung sind nicht im Vertrauen auf den Leistungserhalt angefallen, sondern allenfalls in der Hoffnung auf einen spä150 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 207; so auch schon zur Rechtslage vor 2002: Leonhard, AcP 199, 660, 685. 151 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 331; HK-BGB/Schulze, § 284 Rdnr. 2; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 21; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2, S. 162 Rdnr. 14; Reim, NJW 2003, 3662, 3665; so auch schon zur Rechtslage vor 2002 Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 69. A. A. Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 60, 77; derselbe, AcP 204, 81, 90. Dieser will alleine auf den subjektiven Glauben des Gläubigers abstellen und unberechtigtes Vertrauen erst über das Korrektiv der Billigkeit ausscheiden; ähnlich Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 213. Dagegen spricht jedoch, dass das Tatbestandsmerkmal des Vertrauens in den Leistungserhalt die Haftungsgrundlage darstellt und deshalb schon vom Schutzzweck her auf ein berechtigtes zu beschränken ist. 152 MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 18; Jauernig-Stadler, § 284 Rdnr. 5; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 331; Althammer, NZM 2003, 129, 133; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2, S. 162 Rdnr. 14; Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 7; Stoppel, AcP 204, 81, 96, allerdings im Rahmen des Billigkeitselements. Zum alten Recht: Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 182; Müller-Laube, JZ 1995, 538, 544.
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teren Vertragsschluss und einer daraus folgenden Leistungserbringung.153 Ähnlich ist es mit Aufwendungen, die der späteren Nutzung der Leistung dienen sollen, aber bereits vor Vertragsschluss getätigt wurden. Vor der Begründung des Leistungsanspruchs geschieht die Investition in aller Regel auf eigenes Risiko.154 Im Taxifahrer-Fall zeichnet sich damit ein einfacher Ausweg ab. Die Gläubiger buchten ihre Reise zur Oskarverleihung lange bevor sie mit ihm den Vertrag zur Beförderung zum Flughafen abschlossen. Die Reiseaufwendungen stehen in keinem kausalen Zusammenhang zum Vertrauen in die ordnungsgemäße Beförderungsleistung.155 b) Das Vertrauen in die Verfügbarkeit am Markt Nun könnten die Gläubiger einwenden, dass sie im Zeitpunkt, als sie ihre Aufwendungen für die Reise nach Los Angeles tätigten, sicher sein konnten, zu gegebener Zeit ein Taxi bestellen zu können, das sie zum Flughafen fährt. Sie vertrauten auf die ordnungsgemäße Leistung eines noch unbestimmten Taxifahrers. Ihre Aufwendungen für die Reise seien deshalb keineswegs unvernünftig. Hätten sie in dem Moment, als sie in das Taxi gerade des Schuldners stiegen und mit diesem einen Beförderungsvertrag schlossen, wissen können, dass er seine Leistung nicht ordnungsgemäß erbringt, hätten sie ein anderes Taxi gewählt. Die Zweckvereitelung wäre durch einen inhaltsgleichen Vertrag mit einem Dritten vermieden worden.156 Damit soll ein ausreichender Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und dem Vertrauen in die Leistung dargelegt sein. Hinzu kommt, dass den Eheleuten eine andere Reihenfolge der Buchung gar nicht möglich gewesen wäre. 153 Reim, NJW 2003, 3662, 3665; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 18; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2, S. 162 Rdnr. 14; S. Lorenz, NJW 2004, 26, 27 Fn. 14. 154 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 207/208; Gsell, in: DaunerLieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 331; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2, S. 162 Rdnr. 14; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 21; Reim, NJW 2003, 3662, 3665; Emmerich, Leistungsstörungen, § 13 VIII 3, S. 217; Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 49; so auch schon zum alten Recht: Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 182; Müller-Laube, JZ 1995, 538, 544. Ähnlich BGH, NJW-RR 1989, 627 zur Haftung wegen schuldhaften Abbruchs von Vertragsverhandlungen, wenn die Aufwendungen getätigt wurden, bevor das Vertrauen in einen sicheren Vertragsschluss geweckt wurde. 155 Auf dieses zeitliche Moment weist auch Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 210 hin. Im Ergebnis befürwortet er jedoch eine Haftung. 156 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 332; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 19; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 210.
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Teil 3: Risiken und Chancen
Streng genommen vertrauten die Gläubiger jedoch zum Zeitpunkt der Investition in die Reise nicht auf die Erfüllung der Leistungspflicht durch den (noch gar nicht bestimmten) Schuldner, sondern nur auf die Verfügbarkeit einer gewünschten Leistung am Markt.157 Ein solches Vertrauen ist zwar verständlich, kann jedoch nicht zu einer Haftung der konkreten Person führen, die letztlich die Leistung fehlerhaft erbringt. Ihre Pflichtverletzung vernichtet die Verfügbarkeit der Leistung am Markt nicht. Es bedarf somit besonderer Gründe, um einen Ersatzanspruch zu rechtfertigen.158 Die Eheleute könnten dem Taxifahrer mitgeteilt haben, wann genau sie am Flughafen sein müssen, und dass es von erheblicher Wichtigkeit sei, ihren Flug zu erreichen, weil sie bereits kostspielige Investitionen für ihre Reise getätigt haben, die anderenfalls nutzlos würden. Versicherte der Taxifahrer daraufhin – vielleicht gegen ein erhöhtes Entgelt –, seine Gäste rechtzeitig zu ihrem Ziel zu befördern, ist ein Vertrauen der Gläubiger schutzwürdig. c) Verzicht auf eine Rückgabemöglichkeit Schutzwürdig kann ein Vertrauen vor Vertragsschluss ausnahmsweise auch dann sein, wenn der Gläubiger die Aufwendungen noch hätte rückgängig machen können, jedoch aufgrund des Leistungsversprechens des Schuldners an ihnen festgehalten hat.159 Denkbar ist der Verzicht auf ein Verbraucherwiderrufsrecht oder ein vertraglich vereinbartes Rücktrittsrecht. Man stelle sich folgenden Fall vor: X will sich ein Notebook kaufen. Er schaut sich in mehreren Geschäften um. Zu Hause denkt er noch einmal über die verschiedenen Angebote nach und entscheidet sich schließlich für ein bestimmtes Modell des Händlers A. Er beschließt, am nächsten Tag gleich morgens wieder zu A zu gehen und den Kaufvertrag abzuschließen. Noch am Abend erwirbt er im Internet einen passenden Arbeitsspeicher, um besagtes Notebook leistungsfähiger zu machen. Der Preis für das Zubehör war ein Sonderangebot, welches am nächsten Tag nicht mehr gegolten hätte. Der Käufer vertraute darauf, am nächsten Tag das Notebook bei A kaufen zu können. Außerdem war ihm bewusst, dass ihm bei seinem Fernabsatzkauf ein Widerrufsrecht zusteht und er den Arbeitsspeicher zurückgeben kann. 157 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 331; Stoppel, AcP 204, 81, 96. 158 Ebenso zurückhaltend Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 22; offenlassend MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 19, 23. A. A. Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 332 f. In einem vergleichbaren Fall spricht sie sich für einen Ersatzanspruch aus, ohne dass der Sachverhalt Anhaltspunkte für besondere Umstände wie z. B. eine Rücksprache zwischen den Parteien enthält. 159 Gsell spricht von stornierbaren Aufwendungen, in: Dauner-Lieb/Konzen/ K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 331.
C. Lösungsansätze
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Am nächsten Tag fährt der Käufer zu A und muss enttäuscht feststellen, dass dieser das Notebook nicht mehr auf Lager hat. A verspricht ihm jedoch, innerhalb von zwei Wochen zu liefern. X schließt den Kaufvertrag sofort ab und geht davon aus, auch den separat erworbenen Arbeitsspeicher, von dem er dem Verkäufer sogar erzählt hat, später einbauen zu können. Nach drei Wochen ist das Notebook immer noch nicht lieferbar. Das begehrte Modell wird nicht mehr produziert. In der Zwischenzeit ist jedoch der Arbeitsspeicher bei X eingetroffen. Seine Rückgabefrist hat er ungenutzt verstreichen lassen, immerhin hatte A ihm die Lieferung zugesagt.
Der Gläubiger hat hier auf die Möglichkeit des Widerrufs aufgrund des zwischenzeitlichen Vertragsschlusses mit dem Schuldner verzichtet.160 Die Investitionen wurden deshalb zumindest im Vertrauen auf den Leistungserhalt aufrechterhalten. In einem solchen speziellen Fall, in dem der Schuldner von den Aufwendungen sogar wusste, sollte § 284 BGB Anwendung finden. Anderenfalls wäre der Ersatzanspruch von bloßen Zufälligkeiten in der Reihenfolge der Geschäfte abhängig.161 d) Bindendes Vertragsangebot Hängt der Vertragsschluss nur noch vom Willen des Gläubigers ab, kann es ebenfalls vertretbar sein, ein solches schutzwürdiges Vertrauen bereits zu einem frühen Zeitpunkt zu bejahen.162 Man stelle sich vor, der Gläubiger habe mit einem bestimmten Autohändler über den Preis für ein bestimmtes Kraftfahrzeug der Oberklasse verhandelt. Schließlich hat er ein bindendes Angebot des Verkäufers vorliegen, das er nur noch anzunehmen braucht. Bestellt er sich nun wenige Stunden, bevor er seine Zustimmung zum Kaufvertrag über das Fahrzeug erklärt, bei einem Dritten ein Zubehörteil, ist es nicht angebracht, dem Gläubiger im Falle des Vertragsscheiterns den Ersatzanspruch alleine aufgrund der zeitlichen Reihenfolge der Geschäfte zu verweigern. Noch willkürlicher erscheint eine solche Differenzierung, wenn der Käufer seine schriftliche Annahmeerklärung zunächst zur Post bringt und anschließend telefonisch das 160 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 331; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 19; S. Lorenz, NJW 2004, 26, 27 Fn. 14. Hiergegen kann auch das Argument von Stoppel, der Schuldner solle nicht für ein enttäuschtes Vertrauen haften, das er nicht verursacht hat, nichts einwenden (AcP 204, 81, 96). Denn die Aufrechterhaltung des Vertrauens und die spätere Enttäuschung sind dem Schuldner zuzuschreiben. 161 Zur Gefahr rein zufällig differenzierender Entscheidungen: Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 182. 162 Stoppel, AcP 204, 81, 96; Tröger, ZGS 2005, 462, 466. So auch schon zum alten Recht: Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 182; Leonhard, AcP 199, 660, 686.
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Zubehör bestellt. Die Aufwendungen wurden dann zeitlich vor dem Fahrzeugkauf getätigt, da der entsprechende Kaufvertrag erst mit dem Zugang des Briefs zustande kommt. Voraussetzung für ein schutzwürdiges Vertrauen ist freilich, dass die Willenserklärung des Verkäufers bereits bindend ist. Anderenfalls wäre der Zubehörkauf als voreilig und allein im Risikobereich des Käufers liegend anzusehen. Als Auslegungshilfe kann auch die Rechtsprechung zur culpa in contrahendo dienen.163 Hat der Schuldner den Eindruck erweckt, es werde mit Sicherheit zum Vertragsschluss und dessen Durchführung kommen, wird seine Haftung wegen Scheiterns des Vertragsschlusses als sachgerecht angesehen.164 Dies ist immer dann der Fall, wenn sich der Vertragsschluss nur noch als Formsache darstellt.165 Denkbar ist auch, dass die Parteien bereits einvernehmlich mit der Vorbereitung der Vertragsdurchführung begonnen haben oder der später vertragsbrüchige Teil den Gläubiger sogar zu Vorleistungen oder zur Vornahme bestimmter Aufwendungen aufgefordert hat.166 Genauerer Betrachtung bedarf in einer solchen Situation allerdings die Frage, ob es dem Käufer nicht möglich sein sollte, seine Aufwendung auf andere Weise wieder nutzbar zu machen. Eine Untätigkeit kann mittels einer Anspruchskürzung nach § 254 II BGB interessengerecht geahndet werden.167 3. Darlegungs- und Beweislastverteilung Der Gläubiger muss die Besonderheiten darlegen und beweisen, die es rechtfertigen, von einem schutzwürdigen Vertrauen auch schon vor Begründung der Leistungspflicht auszugehen. Er trägt die Gefahr des non liquet. Der Kritik, die Rechtsprechung zur culpa in contrahendo wegen Abbruchs von Vertragsverhandlungen sei es nicht gelungen, präzise Kriterien auf163 Stoppel, AcP 204, 81, 96; zum alten Recht: Leonhard, AcP 199, 660, 686. Eine umfangreiche Rechtsprechungsübersicht zur cic findet sich bei Soergel-Wiedemann, Vor § 275 Rdnr. 131. Im Bereich der gesetzlichen Schuldverhältnisse erscheint ein Vertrauensschutz vor Entstehung des Anspruchs dagegen noch unwahrscheinlicher. Der Vermächtnisnehmer kann Investitionen, die er bereits vor dem Erbfall getätigt hat, grundsätzlich nicht auf den Erben abwälzen, schließlich hat er vor dem Erbfall keinerlei Anspruch darauf, mit dem Vermächtnis bedacht zu werden. Ausnahmen sind unter Umständen im Rahmen eines Erbvertrags denkbar. 164 U. a. BGH, NJW-RR 1989, 627; BGH WM 1967, 798, 799; BGH WM 1972, 772; Staudinger-Löwisch2004, Vorbem zu §§ 275–283 Rdnr. 54; MüKo-Emmerich4/2001, Vor § 275 Rdnr. 147; Soergel-Wiedemann, Vor § 275 Rdnr. 130. 165 BGH, WM 1967, 798, 799. 166 BGH, WM 1967, 798, 799. Vgl. zu diesen Anknüpfungspunkte auch ausführlich Soergel-Wiedemann, Vor § 275 Rdnr. 136. So auch ausdrücklich für § 284 BGB: Emmerich, Leistungsstörungen, § 13 VIII 3, S. 218. 167 Vgl. hierzu die Ausführungen unten unter Teil 3 D.V., S. 177 ff.
D. Lösung über den Begriff der Billigkeit
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zustellen und dieses Problem stelle sich bei § 284 BGB gleichermaßen, wird damit (zumindest zu einem Großteil) der Wind aus den Segeln genommen.168 Sollte es dem Gläubiger doch einmal gelingen, eine solche Ausnahme zu beweisen, sollte man ihm diese Möglichkeit nicht aufgrund von Praktikabilitätserwägungen verwehren.
D. Lösung über den Begriff der Billigkeit I. Eigene Bedeutung des Billigkeitselements Die bisher dargestellten Ansätze, mit denen der Tatbestand des § 284 BGB eingegrenzt werden sollte, haben Schwächen gezeigt. Sie führten einerseits zu übermäßigen Beschränkungen, wodurch das mit § 284 BGB zu Recht verfolgte Ziel, die Gläubigerstellung zu verbessern, nicht zu erreichen ist. Andererseits vermochten sie nicht, alle Fälle einer unzumutbaren Haftung des Schuldners auszuschließen. Raum für Einzelfallgerechtigkeit bietet der in § 284 BGB bereits enthaltene Begriff der Billigkeit. Eine restriktive Auslegung der Tatbestandsmerkmale wird dadurch keinesfalls entbehrlich. Sie ist jedoch auf die Fälle zu beschränken, in denen sie konsequent durchgehalten werden kann, ohne dass die berechtigten Interessen des Gläubigers darunter mehr als erforderlich leiden. Gewiss wird darum gestritten, ob dem Tatbestandsmerkmal der Billigkeit überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommen darf. Eine Vielzahl von Beiträgen in der Literatur sieht darin nur einen deklaratorischen Hinweis auf § 254 BGB. Ein mögliches anspruchsminderndes oder -ausschließendes Mitverschulden des Gläubigers soll aufgrund der ausdrücklichen Aufnahme in den Tatbestand allenfalls besonders streng zu prüfen sein.169 Die Vorstellung, der Tatbestand des § 284 BGB sei durch den Begriff der Billigkeit ergänzt worden, ohne dass diesem Merkmal eine eigene Bedeutung zukommen sollte, ist gleichwohl von Anfang an wenig einleuchtend. Hätte man lediglich den Einwand einer Verletzung von Schadensminderungspflichten betonen wollen, wäre eine ausdrückliche Verweisung auf § 254 II BGB sachdienlicher gewesen. So sieht die Gegenposition in dem Billigkeitselement zu Recht die Möglichkeit, den Tatbestand des § 284 BGB interessengerecht einzuschränken 168
Anders Tröger, ZGS 2005, 462, 467. Canaris, JZ 2001, 499, 517; derselbe, in: Festschrift für Wiedemann, S. 33; Oechsler, SchuldR BT VertragsR, § 2 VI 2, S. 154 Rdnr. 258; AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 11, allerdings mit Vorbehalten; dieselbe ebenso, in: Dauner-Lieb/Heidel/ Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 III 3, S. 100 Rdnr. 56; HK-BGB/Schulze, § 284 Rdnr. 11; Löwisch, in: Festschrift für Wissmann, S. 40. 169
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Teil 3: Risiken und Chancen
und auf diese Weise das Haftungsrisiko des Schuldners auf ein angemessenes Maß zu reduzieren.170 1. Die Dispositionsfreiheit des Gläubigers Zugegebenermaßen entspricht eine solche Lesart nicht dem Wortlaut von § 284 BGB.171 Prüft man nämlich, wie im Normtext von § 284 BGB vorgesehen, ob der Gläubiger seine Aufwendungen „billigerweise machen durfte“, würde man in unzulässiger Weise dessen Dispositionsfreiheit beschränken. Dies ist auch das Argument derjenigen Stimmen in der Wissenschaft, die lediglich den Einwand der Verletzung von Schadensminderungspflichten zulassen, keinesfalls aber die Aufwendungen auf ihre Höhe oder Berechtigung überprüfen wollen. Der Gläubiger tätige Investitionen nämlich – da zeitlich vor der Pflichtverletzung – in dem Glauben, die Aufwendungen würden als Negativposten in sein Gesamtvermögen einfließen. Damit stehe es ihm frei, auch Kosten zu verursachen, die für den Schuldner nicht vorhersehbar seien, oder Investitionen einzugehen, die sich objektiv betrachtet als überhöht oder unnötig darstellten. Man dürfe dem Gläubiger nicht über den Umweg der Billigkeitsprüfung vorschreiben, welche Aufwendungen er im Vertrauen auf den Leistungserhalt habe tätigen dürfen oder unterlassen sollen.172 Richtigerweise ist der Tatbestand jedoch so zu verstehen, dass nur der Ersatzanspruch des Gläubigers respektive die Ersatzpflicht des Schuldners der Billigkeitskontrolle unterliegen sollen, nicht aber die Entscheidung des Gläubigers, eine bestimmte Aufwendung zu tätigen. Auf diese Weise bleibt seine Dispositionsfreiheit unberührt. Der Gläubiger ist völlig frei darin, welche Kosten er im Vertrauen auf den Leistungserhalt auf sich nehmen will. 170 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 344; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 20; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 29; Jauernig/Stadler, § 284 Rdnr. 6; Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 1, 7; Reim, NJW 2003, 366, 3665; Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 74; derselbe, AcP 204, 81, 95. S. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Kap. 6 V 1, S. 116, Rdnr. 228; E. Schmidt, Das Schuldverhältnis, Kap. 10 2 d, S. 105 Rdnr. 255; S. Lorenz/Unberath, JuS 2005, 335, 339. In diese Richtung auch Koller, in Koller/Roth/Zimmermann (Hrsg.), Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2002, S. 54 Fn. 48; Emmerich, Leistungsstörungen, § 13 VIII 3, S. 218, a. A. noch in der 5. Auflage, § 13 IV 4, S. 212; Kunz-Schmidt, in: Festgabe für Werner, S. 9; Grigoleit, ZGS 2002, 122, 124. 171 Dies betont auch Canaris als Argument für die gegenteilige Ansicht, JZ 2001, 499, 517. 172 Canaris, JZ 2001, 499, 517; derselbe, in: Festschrift für Ulmer, S. 1093; Emmerich, Leistungsstörungen5, § 13 IV, S. 212, a. A. in der Folgeauflage § 13 VIII 3, S. 218; Oechsler, SchuldR BT VertragsR, § 2 VI, 2, S. 154, Rdnr. 258; AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 11, mit Vorbehalten; dieselbe ebenso in: Dauner-Lieb/Heidel/ Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 III 3, S. 100 Rdnr. 56.
D. Lösung über den Begriff der Billigkeit
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Auf den Schuldner abwälzen darf er sie hingegen nur dann, wenn ein solcher Ersatzanspruch auch der Billigkeit entspricht.173 Die Formulierung des Normtextes ist an dieser Stelle somit als unbeachtlich beiseite zu schieben. Dies ist unter methodischen Gesichtspunkten zulässig. Der Wortlaut ist dann keine starre Grenze für die Auslegung, wenn der normative Zweck oder andere zwingende Gründe eine abweichende Gesetzesinterpretation fordern.174 2. Das Gesetzgebungsverfahren Die Begründung zum Gesetzesentwurf befasst sich mit dem Billigkeitsbegriff nicht ausdrücklich.175 Das Beispiel des Vermächtnisnehmers impliziert jedoch, dass man eine höhenmäßige Begrenzung des Ersatzanspruchs nicht beabsichtigt hatte. Claus-Wilhelm Canaris berichtete während des Gesetzgebungsverfahrens von der Arbeit in der Kommission Leistungsstörungsrecht, dass man kein Beispiel habe bilden können, bei dem der Billigkeit neben § 254 BGB eine eigene Bedeutung zugekommen wäre.176 Er selbst hatte § 284 BGB als Alternative zum ursprünglich geplanten § 325 I 2 BGB-DiskE vorgeschlagen, ohne die Beschränkung auf billigerweise zu tätigende Aufwendungen vorzusehen. Welches Kommissionsmitglied die Erweiterung des Normtextes im Sinne des jetzt gültigen Gesetzes antrug und aus welchen Beweggründen die Kommission dem folgte, bleibt im Verborgenen. Als Mitverschulden im Sinne von § 254 BGB könnte man allenfalls die Fälle auffassen, bei denen der Gläubiger seine Aufwendungen voreilig tätigte, ohne schon sicher sein zu können, dass der Vertrag auch erfolgreich durchgeführt werde. Dasselbe gilt für Situationen, in denen der Gläubiger bereits Anhaltspunkte dafür hatte, dass der Vertrag scheitern werde. In diesen Fällen kann die Nutzlosigkeit der Aufwendungen trotz der Pflichtverlet173 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 344; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 20; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 31; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C III, S. 168 Rdnr. 30. Allerdings spricht Faust der Billigkeit dann doch eine eigene Bedeutung aus Praktikabilitätsgründen ab. Er ist der Meinung, dass keine Maßstäbe zu finden seien, an denen die Billigkeit messbar werden könnte. Kriterien wie die Vorhersehbarkeit will Faust jedoch gleichermaßen berücksichtigen. Er verwendet hierfür den Aufwendungsbegriff, vgl. die Ausführungen oben unter Teil 3 C.IV.3., S. 136. Ähnlich Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 119 Fn. 64. 174 Larenz, Methodenlehre, S. 392, 400. Ähnlich Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 242 für die Gesetzeskorrektur über eine teleologische Reduktion. 175 Hierin „findet sich zu dieser Voraussetzung kein Wort.“, so Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2 e, S. 168 Rdnr. 29. 176 Canaris, JZ 2001, 499, 517.
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zung des Schuldners dem Verantwortungsbereich des Gläubigers zugesprochen werden, was dem Gedanken des Mitverschuldens entspricht.177 Oftmals wird es jedoch schon am schutzwürdigen Vertrauen fehlen, sodass ein Rückgriff auf § 254 BGB entbehrlich ist.178 Andere Fälle einer Verletzung von Schadensminderungspflichten, wie die Ablehnung einer zumutbaren alternativen Nutzung der Aufwendungen oder das Unterlassen einer möglichen Rückgängigmachung, können zwar unter § 254 II BGB subsumiert werden. Nimmt man die Formulierung in § 284 BGB indes ernst, kann die Unbilligkeit der Aufwendungen nur für den Zeitpunkt ihrer Vornahme überprüft werden. Das spätere Verhalten des Gläubigers wäre nicht zu berücksichtigen.179 Da nicht davon auszugehen ist, dass im Gesetzgebungsverfahren ein völlig bedeutungsloses Tatbestandsmerkmal in den ursprünglichen Entwurf eingefügt wurde, sollte das Billigkeitselement auch durch den Rechtsanwender nicht seiner Bedeutung beraubt werden.180 3. Gerechte Risikoverteilung Damit ist noch nicht geklärt, was unter einem billigen Aufwendungsersatzanspruch zu verstehen ist. Eine subsumtionsfähige Definition des Begriffs der Billigkeit scheint ausgeschlossen. Im Allgemeinen soll die Heranziehung von Billigkeitsgrundsätzen nämlich „die individualisierende Gerechtigkeit in den Vordergrund“ treten lassen.181 Nötig ist deshalb auch bei § 284 BGB eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände. Der Begriff der Billigkeit findet sich unter anderem in § 315 BGB. Haben die Parteien eines Vertrags das Leistungsbestimmungsrecht einseitig dem Gläubiger überlassen, hat dieser seine Entscheidung mangels anderer Vereinbarung nach billigem Ermessen zu treffen. Auch wenn die Norm ursprünglich nur sicherstellen sollte, dass man sich auch über einen noch unbestimmten Vertragsgegenstand bindend einigen kann, ist als ratio legis 177 Canaris, JZ 2001, 499, 517, Oechsler, SchuldR BT VertragsR, § 2 VI, 2, S. 154, Rdnr. 258; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 30; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 III, S. 169 Rdnr. 31. 178 Vgl. dazu die Ausführungen unten unter Teil 5 E.II., S. 237 ff. 179 Deshalb gegen eine Einbeziehung in den Tatbestand von § 284 BGB: Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 117. 180 Handelt es sich nicht gerade um ein offensichtliches Redaktionsversehen, sollten bestimmte Worte aus dem Gesetzestext allgemein nicht einfach eliminiert werden, so Canaris zur Auslegung von § 307 II BGB, in: Festschrift für Ulmer, S. 1076. 181 Staudinger-Mayer-Maly1979, § 315 Rdnr. 56.
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nunmehr vor allem „eine richterliche Inhaltskontrolle gegen den Missbrauch privatautonomer Gestaltungsmacht“ weitgehend anerkannt.182 Das Bundesverfassungsgericht sieht in § 315 BGB eine der zivilrechtlichen Generalklauseln, die als Übermaßverbot wirken.183 Für die Bestimmung der Leistung darf nicht die Sichtweise des Gläubigers alleine maßgeblich sein, vielmehr muss ein objektiver Maßstab zugrunde gelegt werden.184 Wertungsgesichtspunkte sind die verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Wertentscheidungen, genauso wie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, Angemessenheit, Üblichkeit und Zumutbarkeit.185 Darüber hinaus sind die Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere der Geschäftszweck, Art und Umfang der Gegenleistung und das Ausmaß der Nachteile für den anderen Vertragspartner entscheidend.186 Der unbestimmte Begriff der Billigkeit wird deshalb auch bei § 315 BGB als Einzelfallgerechtigkeit umschrieben.187 Auf diese Weise soll die „ausgleichende Vertragsgerechtigkeit“ hergestellt werden, die in anderen Verträgen durch das Zustimmungserfordernis des Vertragspartners weitgehend gesichert ist.188 Bei § 284 BGB kann man zwar nicht davon sprechen, dass der Gläubiger den Inhalt und die Höhe seines Ersatzanspruchs bestimmen würde. Seine Dispositionen trifft er gerade nicht im Glauben daran, diese später ersetzt zu bekommen. Letztlich schlägt seine Entscheidung für eine bestimmte Investition jedoch auf den durch den Vertrauensbruch und die Leistungsstörung des Schuldners entstandenen Schaden durch. Die Berücksichtigung der Interessenlage und der Wunsch nach einer angemessenen Anspruchsbegrenzung erinnert außerdem an § 242 BGB. Das Gebot der Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des anderen 182 MüKo-Gottwald, § 315 Rdnr. 5; Soergel-Wolf, § 315 Rdnr. 1, 2; StaudingerMayer-Maly1979, § 315 Rdnr. 2 f. mit zahlreichen Literaturnachweisen in Rdnr. 4; Larenz, SchuldR AT Bd. 1, § 6 II, S. 81; kritisch Staudinger-Rieble2004, § 315 Rdnr. 32 ff. Aus der Rechtsprechung: BGH GS v. 06.07.1955 – GSZ 1/55 –, BGHZ 18, 150, 151 f.; BGH v. 02.04.1964 – KZR 10/62 –, BGHZ 41, 271, 279. 183 BVerfG v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 –, JZ 1990, 691, 692. 184 Soergel-Wolf, § 315 Rdnr. 38. 185 v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 122; dem folgend: MüKo-Gottwald3, § 315 Rdnr. 20; ähnlich Larenz, SchuldR AT Bd. 1, § 6 II, S. 81. 186 Vgl. die umfangreiche Liste an Kriterien bei v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 119/120; dem folgend MüKo-Gottwald3, § 315 Rdnr. 19. Vgl. auch Soergel-Wolf, § 315 Rdnr. 38; Esser/Schmidt, SchuldR Bd. I AT Teilbd. 2, 14 III, S. 247. 187 v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 17; StaudingerRieble2004, § 315 Rdnr. 122; MüKo-Gottwald, § 315 Rdnr. 30; Larenz, SchuldR AT Bd. 1, § 6 II, S. 81. 188 Larenz, SchuldR AT, § 6 II, S. 81.
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Teils ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der auch ohne gesetzliche Normierung in § 242 BGB oder speziellen Vorschriften Geltung verlangt.189 Es spricht viel dafür, dass materielle Gerechtigkeitserwägungen nicht nur in Generalklauseln wie § 242 BGB ein Einfallstor190 finden, sondern der Konflikt zwischen der Privatautonomie als Prinzip des Individualismus und kollektivistischen Schutzmechanismen der gesamten Privatrechtsordnung zugrunde liegt.191 Sollen soziale Zusammenhänge geregelt werden, muss immer ein Kompromiss zwischen diesen beiden Polen gegenläufiger Interessen gefunden werden. Generalklauseln stellen sich demnach als Ausdrucksmöglichkeit für derartige Überlegungen und nicht nur als Ausnahme zum freiheitlich orientierten Privatrecht dar.192 Insbesondere die Normen des Schuldrechts haben eine gerechte Risikoverteilung zum Ziel.193 Man kann sie gar allesamt als Ausdruck von Treu und Glauben im weiteren Sinne bezeichnen.194 Verletzt eine Norm dieses Prinzip der gerechten Risikozuordnung, indem sie die Interessen einer Seite gänzlich außer Acht lässt, hat dies Auswirkungen auf den Einzelfall, unter Umständen aber auch auf das zukünftige Verhalten anderer. § 284 BGB würde zu einer solchen einseitigen Norm degradiert, wenn man dem Begriff der Billigkeit keine eigenständige Bedeutung beimessen würde. Die gläubigerbetonte ratio legis von § 284 BGB muss deshalb an dieser Stelle zurückstehen. Aus demselben Grund würden einige Vertreter der Gegenmeinung dem Schuldner im Einzelfall gleichwohl mit einer Anspruchsbeschränkung entgegenkommen. So deutet Barbara Dauner-Lieb schon kurz nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes an, man werde „in Extremfällen [. . .] jedenfalls mit § 242 helfen müssen“.195 Nichts anderes verkörpert jedoch der Begriff der Billigkeit. Als ein wesentlicher Anwendungsfall von § 242 BGB ist die Restriktion überschießender Ansprüche anerkannt.196 So 189 Siebert, Treu und Glauben, Rdnr. 1; RG v. 02.02.1926, RGZ 113, 19, 24; RG v. 13.11.1934, RGZ 146, 35, 38; RG v. 22.01.1935, RGZ 146, 385, 396. 190 Dieses Bild entspricht der überwiegenden Auffassung, vgl. die Ausführungen und Literaturnachweise bei Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 42. 191 Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, § 1, insb. S. 20 f. 192 Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, § 1, S. 43 f. 193 MüKo-Kramer, Einleitung zu §§ 241 ff. Rdnr. 2. 194 U. a. Soergel-Teichmann, § 242 Rdnr. 6; Wieacker, Präzisierung des § 242 BGB, S. 22. 195 Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 3, S. 100 Rdnr. 56. 196 MüKo-Roth, § 242 Rdnr. 63; Siebert, Treu und Glauben, S. 29 ff. Vgl. zur Bedeutung von § 242 BGB und weiteren Generalklauseln zur Realisierung der Einzelfallgerechtigkeit im Vertragsrecht Hagen, DNotZ Sonderheft S. 40 f.
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weist man über den Grundsatz von Treu und Glauben „im Einzelfall auch den Interessen ihren legitimen Rang [zu], die in speziellen Rechtsvorschriften nicht oder nicht in dem für erforderlich gehaltenen Maße geschützt werden“197 und stellt damit einen Gleichgewichtszustand her.198 In der Literatur ist umstritten, ob Billigkeit und Treu und Glauben völlig identische Prinzipien sind.199 Der Unterschied soll darin liegen, dass der Grundsatz von Treu und Glauben einen eher objektiv-generalisierenden Maßstab fordert und die Billigkeitskontrolle objektiv-individualisierend ausgerichtet ist.200 Eine billige Bestimmung des Leistungsgegenstands nach § 315 BGB orientiert sich an den Parteiinteressen und dem Vertragszweck. Objektive Gesichtspunkte außerhalb des Vertrags wie zum Beispiel das Gemeinwohl sind weniger zu berücksichtigen.201 § 242 BGB enthält im Vergleich dazu ein allgemeines Ordnungsprinzip.202 Diese Unterscheidung – gleichzeitig aber auch die Ähnlichkeit – spiegelte sich beispielsweise bei der Inhaltskontrolle von Verträgen vor Schaffung des Gesetzes zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) und bis zur Einführung von § 307 ff. BGB bei der Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen wider. Sowohl § 315 BGB als auch § 242 BGB wurden zur Rechtfertigung der Rechtsprechung herangezogen.203 Zumindest für die allgemeinen Geschäftsbedingungen setzte sich bald die Ansicht durch, dass der Grundsatz von Treu und Glauben für eine kollektive Rechtsgestaltung besser geeignet sei.204 197
MüKo-Roth, § 242 Rdnr. 46. MüKo-Roth, § 242 Rdnr. 46; Siebert, Treu und Glauben, S. 2. 199 Vgl. zu den verschiedenen Sichtweisen die Übersicht bei v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 86–88. Die auf S. 87 Fn. 10 zitierte Rechtsprechung nimmt wie selbstverständlich eine Gleichstellung vor. 200 v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 89; Staudinger-MayerMaly1979, § 315 Rdnr. 58; MüKo-Gottwald, § 315 Rdnr. 8 ff.; MüKo-Gottwald3, § 315 Rdnr. 36. 201 Staudinger-Rieble2004, § 315 Rdnr. 127 f.; Soergel-Wolf, § 315 Rdnr. 38; Staudinger-Mayer-Maly1979, § 315 Rdnr. 59; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 56. 202 v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 89. 203 Sehr deutlich in einer Entscheidung des BGH v. 29.10.1962 – II ZR 31/61 –, BGHZ 38, 183, 185 f.; siehe u. a. auch MüKo-Gottwald, § 315 Rdnr. 8 ff.; MüKoGottwald3, § 315 Rdnr. 36. 204 v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 56; MüKo-Gottwald, § 315 Rdnr. 8 ff.; MüKo-Gottwald3, § 315 Rdnr. 36. Darüber hinaus hatte § 315 BGB den Nachteil, dass es sich eigentlich um eine Auslegungsregel handelt und nur im Zweifel das billige Ermessen entscheiden soll, vgl. u. a. Soergel-Wolf, § 315 Rdnr. 2; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 57. Außerdem passt der Begriff der Leistungsbestimmung nicht auf alle AGB-Klauseln. 198
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Unabhängig davon ist man sich einig, dass sowohl Billigkeit als auch Treu und Glauben dieselbe Zielrichtung haben und beide dazu eingesetzt werden können, einen Anspruch zu beschränken.205 Der normative Zweck von § 284 BGB, dem Gläubiger seine frustrierten Aufwendungen so weit wie möglich zu ersetzen, ist zwar im Grundsatz bindend. Eine Ausnahme muss allerdings dann gelten, wenn das Ergebnis eines solchen Normverständnisses mit anderen Grundsätzen des Zivilrechts kollidiert. Auch wenn der Bezugspunkt des Billigkeitsbegriffs in § 284 BGB nicht korrekt gewählt wurde, hat man immerhin einen Anhaltspunkt im Normtext, so dass die Berechtigung zur Interessenabwägung schon im Tatbestand angelegt ist.
II. Rechtsunsicherheit versus Einzelfallgerechtigkeit Die Vor- und Nachteile dieser Lösung liegen auf der Hand. Der Begriff der Billigkeit gehört zum flexibel handhabbaren Instrumentarium des Rechtsanwenders.206 Dies verschafft der Praxis einen weitreichenden Spielraum, die Besonderheiten des einzelnen Sachverhalts gebührend zu berücksichtigen. Im Gegenzug leidet die Rechtssicherheit.207 Alle Umstände sind zu berücksichtigen und zu einem gerechten Ausgleich zu bringen,208 sodass eine Anwendung der Billigkeitsklausel ohne individuelle Wertungen schlichtweg nicht denkbar ist.209 Dies wird einer der Kritikpunkte an der neuen Norm bleiben.210 Bis ein wünschenswertes Maß an Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Entscheidungen erreicht ist, werden viele Jahre vergehen. 205 v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 63; vgl. auch Hagen, DNotZ Sonderheft S. 39. 206 Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 198. 207 Lange/Schiemann, Schadensersatz, Einleitung III 5, S. 17; Soergel-Mertens, § Vor § 249 Rdnr. 39; Gernhuber, in: summum ius summa iniuria, S. 215; Siebert, Treu und Glauben, S. 2; Hagen, DNotZ Sonderheft S. 34. Dieses Spannungsverhältnis wurde bereits von Windscheid gesehen und keineswegs, wie man lange Zeit glaubte, einseitig zulasten der Einzelfallgerechtigkeit gelöst, vgl. Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid, S. 215–222. Das Verhältnis lässt sich wiederum umdrehen und das Bedürfnis nach Einzelfallgerechtigkeit als Ursache für die Schaffung von Generalklauseln darstellen und nicht als deren Folge, vgl. hierzu Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 62. 208 Larenz, Methodenlehre, S. 292; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 22/23, 28/29; vgl. auch die Entscheidung des großen Senats für Zivilsachen zur Bemessung des Schmerzensgeldes v. 06.07.1955, BGHZ 18, 149, 152 ff. 209 Siehe zu diesem Charakteristikum einer Generalklausel MüKo-Roth, § 242 Rdnr. 29; Staudinger-Rieble2004, §315 Rdnr. 124. 210 So auch Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 119 Fn. 64; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 III, S. 168 Rdnr. 30.
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Da Wertungen letztlich ohnehin den Ausschlag für die Entscheidung des Richters geben, ist es für diesen verführerisch, den Einzelfall alleine anhand von Gerechtigkeitserwägungen zu entscheiden. Die Begründung erfolgt dann im Nachhinein, wobei das Ziel den Weg, das heißt die konkrete Auslegung bestimmt.211 § 284 BGB mit seinem offenen Tatbestand und dem Begriff der Billigkeit lädt dazu in besonderem Maße ein. Trotzdem soll die neue Norm nicht als eine allgemeine Ermächtigung an den entscheidenden Richter verstanden werden, entsprechend einer umfassenden Interessenbewertung und seines Judizes einen bestimmten Betrag zuzusprechen, ohne die im Gesetz verankerten Tatbestandsmerkmale anzuwenden. Eine solche Vorgehensweise würde der Gefahr einer Gesetzesmanipulation allzu leicht Vorschub leisten und der Rechtssicherheit mehr als nötig schaden.212 Die Gerechtigkeit der Fallentscheidung ist das wünschenswerte Ziel der richterlichen Tätigkeit, entbehrt jedoch nicht einer Anwendung der anerkannten Auslegungskriterien.213 Diese dienen dazu, einzelfallbezogene Wertungen zu kanalisieren und „juristisch operational“214 zu machen. Bevor der Weg über den Begriff der Billigkeit gegangen werden darf, müssen deshalb die anderen Tatbestandsmerkmale sorgfältig geprüft werden. Oftmals wird sich schon dann eine sachgerechte Lösung finden. Alles andere würde die Möglichkeiten des Billigkeitsbegriffs überstrapazieren.215
III. Fallgruppenbildung Um auch der Rechtssicherheit hinreichend Rechnung zu tragen und den Begriff des billigen Aufwendungsersatzes mit Inhalten zu füllen, ist ein Bezug zum konkreten Fall herzustellen.216 Eine einmal propagierte Lösung muss dann allen vergleichbaren Fällen zuteil werden, so dass auf diesem 211
Kritisch hierzu u. a. Simon, Die Unabhängigkeit des Richters, Kap. 1, S. 1–11 (der unabhängige Richter); Hassemer, in: Kaufmann/Hassemer/Neumann (Hrsg.), Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 262 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 348; Kramer, Methodenlehre, S. 39 ff. Vgl. zur kritischen Betrachtung der herkömmlichen Methodenlehre aus neuerer Zeit Lege, Pragmatismus und Jurisprudenz, Teil 2, S. 398–610 (Jurisprudenz als Praxis). Er vertritt einen modernen Ansatz der Jurisprudenz, wonach sich diese letztlich an den Kriterien der Rhetorik und Ästhetik orientiert. 212 Osterkamp, Juristische Gerechtigkeit, S. 77, 88 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 348; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 32.; MüKo-Roth, § 242 Rdnr. 28; Soergel-Teichmann, § 242 Rdnr. 7. 213 Larenz, Methodenlehre, S. 349; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 8, 32. 214 Esser, AcP 172, 97, 113. 215 Auch das lehrte sehr nachdrücklich schon Windscheid, vgl. Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid, S. 215 ff. 216 Larenz, Methodenlehre, S. 223/224; Kramer, Methodenlehre, S. 62.
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Wege mit der Zeit ein Geflecht aus Fallgruppen entsteht und die Konkretisierung immer weiter fortschreitet.217 Im Folgenden sollen erste Ansätze einer Fallgruppenbildung vorgestellt werden. Dabei bietet sich eine negative Prüfung dahingehend an, wann ein Aufwendungsersatz ausnahmsweise als unbillig einzuordnen ist und deshalb dem Gläubiger verwehrt bleiben soll. Die Unbilligkeit stellt sich als Einwand des Schuldners gegen seine Inanspruchnahme dar. Nicht zu vergessen ist aber, dass der Gesetzestext anders formuliert ist und die Darlegungsund Beweislast im Grundsatz der Gläubiger zu tragen hat. In der Praxis könnte sich eine abgestufte Darlegungslast bewähren, die das Risiko der Beweisfälligkeit letztlich beim Gläubiger belässt.218 1. Vorhersehbarkeit a) Begriff Bedenkt man, dass der Gläubiger seine Aufwendungen außerhalb seiner Beziehung zum Schuldner tätigt, rückt das Kriterium der Vorhersehbarkeit in den Vordergrund.219 Muss nämlich der Schuldner damit rechnen, dass der Gläubiger bestimmte Aufwendungen unternehmen wird, kann er sich besser auf sein Haftungsrisiko einstellen. Er kann zum einen verstärkt dafür Sorge zu tragen, dass die Vertragserfüllung erst gar nicht an einem schuldhaften Verhalten seinerseits scheitert. Zum anderen besteht zumindest in manchen Fällen die Möglichkeit, sich gegen das Frustrationsrisiko abzusichern, sei es durch Vereinbarung eines Haftungsausschlusses beziehungsweise einer Beschränkung oder durch Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Gegebenenfalls könnte der Schuldner das Geschäft auch gänzlich unterlassen, wenn er das Risiko als unvertretbar hoch einschätzen muss.220 Dem Schuldner eines gesetzlichen Schuldverhältnisses verbleibt von diesen Möglichkeiten im Wesent217
Larenz, Methodenlehre, S. 224, 292; Bydlinski, Methodenlehre, S. 583; Hagen, DNotZ Sonderheft S. 40. 218 Vgl. hierzu die Ausführungen unten unter Teil 3 D.IV., S. 175 ff. 219 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 344; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 20; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 34; Grigoleit, ZGS 2002, 122, 124; S. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Kap. 6 V 1, S. 116 Rdnr. 228; Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 200 und S. 242; Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 87; ErmanWestermann, § 284 Rdnr. 7; E. Schmidt, Das Schuldverhältnis, Kap. 10 2 d, S. 105 Rdnr. 255; Kunz-Schmidt, in: Festgabe für Werner, S. 9; für die Rechtslage vor 2002: Wiedemann/Müller, JZ 1992, 462, 469; Leonhard, AcP 199, 661, 676. 220 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 344; zum alten Recht: Leonhard, AcP 199, 661, 676.
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lichen nur eine gesteigerte Aufmerksamkeit, um einen Haftungsfall von vornherein zu vermeiden. Umso mehr leuchtet es ein, seine Haftung einzuschränken, wenn er mit den Aufwendungen nicht rechnen musste. Das Erfordernis der Vorhersehbarkeit wird im Allgemeinen nicht dazu führen, dass ein Aufwendungsersatz, der sich auf die Vertragskosten im engeren Sinn beschränkt, auszuschließen ist.221 Die Vorhersehbarkeit kann sich nämlich auch aus den Umständen und der Verkehrssitte ergeben.222 Zieht man als Beispiel einen Grundstückskaufvertrag heran, muss beiden Parteien bewusst sein, dass Gebühren für die Beurkundung des Vertrags und die Eintragung im Grundbuch anfallen. Diese trägt im Falle der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung im Innenverhältnis der Vertragsparteien gemäß § 448 II BGB der Käufer, soweit die Parteien sich nicht anderweitig verständigt haben. Über die Höhe des Kostenaufwands muss ebenso wenig gesprochen worden sein. Die Gebührenhöhe ergibt sich aus der Kostenordnung, ist also für den vertragsbrüchigen Verkäufer offenkundig. Auch Transportkosten sind in aller Regel vorhersehbar und damit nicht unbillig. Hier sind dennoch Ausnahmen denkbar, wenn der Aufwand nicht dem Gewöhnlichen entspricht und der Schuldner deshalb ohne Hinweis des Gläubigers hiermit nicht rechnen muss. Auch die Kosten für die Zulassung eines erworbenen Fahrzeugs lassen sich in aller Regel in die Kategorie der vorhersehbaren Aufwendungen einreihen. Brisant wird die Frage der Vorhersehbarkeit dagegen bei den im Einzelfall viel kostspieligeren Aufwendungen zur Leistungsverwendung. Unternimmt der Gläubiger Investitionen für Folgegeschäfte und konnte, beziehungsweise musste, der Schuldner hiermit rechnen, ist das Haftungsrisiko für ihn abermals abschätzbar. Für die Frage, ob eine Kenntnis hätte vorliegen können, ist eine Würdigung aller erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte vorzunehmen. Konnte dem Schuldner das Risiko hiernach schlechterdings nicht bekannt sein, ist ein entsprechender Aufwendungsersatz unbillig. Dies stellt keine unangemessene Beschränkung des Gläubigers in seinen Rechten dar, da dieser sein – durch die Aufwendungen gesteigertes – Interesse an der Vertragserfüllung jederzeit offenlegen kann. Auf diese Weise sichert er sich seine Regressmöglichkeiten. b) Subjektiv-objektive Sicht Die Prüfung der Vorhersehbarkeit muss aus einer ex ante-Sicht erfolgen.223 Entscheidend darf weder die rein objektive Sicht eines „allwissen221
Zum alten Recht: Leonhard, AcP 199, 661, 677. Zum alten Recht: Leonhard, AcP 199, 661, 677; Wiedemann/Müller, JZ 1992, 462, 469. 222
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den“ Beobachters sein, noch alleine die subjektive Kenntnis des Schuldners. Im ersten Fall würde die Beschränkungsmöglichkeit zu sehr ausgehöhlt. Im zweiten Fall wären typische Kosten des Gläubigers vom Ersatzanspruch ausgenommen, nur weil sie der konkrete Schuldner gerade nicht vorhergesehen hat. Im Sinne einer subjektiv-objektiven Sichtweise ist für die Vorhersehbarkeit deshalb auf einen verständigen Dritten in der Lage des Schuldners abzustellen. Dies korrespondiert mit der Betrachtungsweise beim Fahrlässigkeitsbegriff. Individuelle Fähigkeiten des Schuldners werden dort gleichermaßen außer Acht gelassen. Stattdessen sind die generellen Anforderungen des Rechtsverkehrs maßgeblich.224 Auch bei § 670 BGB ist für die Prüfung der Erforderlichkeit die Kenntnis eines nach verständigem Ermessen handelnden Dritten und nicht der Person des Beauftragten heranzuziehen.225 Die nachträgliche Beurteilung eines Sachverhalts aus der ex ante-Sicht stößt naturgemäß auf Probleme. Ist dem Betrachter – beispielsweise dem Richter – der Schadenseintritt bereits bekannt, kann ihn schon dies zur Annahme der Vorhersehbarkeit veranlassen.226 Die Wahrnehmungspsychologie spricht hierbei von einem hindsight-bias oder noch anschaulicher einem knew-it-all-along-effect.227 Auf Deutsch ist der Begriff der Rückschauverzerrung recht charakteristisch. Man ist sich in der Wissenschaft einig, dass es nicht oder zumindest kaum möglich ist, eine erste eigene Einschätzung bezüglich einer Frage zu rekonstruieren, nachdem man die Lösung erfahren hat.228 Dieses unvermeidbare Problem stellt sich jedoch nicht nur bei dem Billigkeitsbegriff des § 284 BGB. Bei der Prüfung, ob ein Verhalten fahrlässig war, kann es viel häufiger Brisanz erlangen. Die Kenntnis dieses Phänomens sollte einen immerhin aber zu besonderer Vorsicht bei der vorschnellen Annahme der Vorhersehbarkeit mahnen. Überprüft man die Stadthallen-Entscheidung anhand der Vorhersehbarkeit für die Schuldnerin, bleibt das Ergebnis aufgrund der zu geringen Angaben im Sachverhalt offen. Es ist davon auszugehen, dass die Vermieterin einer Stadthalle Aufwendungen ihrer Mieterin erwarten konnte. Ob sie jedoch mit Kosten für eine Werbeaktion rechnen musste, hängt davon ab, ob ihr 223 So zur Vorhersehbarkeit beim Fahrlässigkeitsbegriff: Soergel-Wolf, § 276 Rdnr. 107. Zur Erforderlichkeit bei § 670: MüKo-Seiler, § 670 Rdnr. 9. 224 U. a. Soergel-Wolf, § 276 Rdnr. 39; Staudinger-Löwisch2004, § 276 Rdnr. 28. 225 Z. B. MüKo-Seiler, § 670 Rdnr. 9. 226 Hertwig/Fanselow/Hoffrage, Memory 2003, 357. 227 Vgl. das Sonderheft Memory, 2003 Volume 11, insb. den einleitenden Beitrag von Hoffrage/Pohl, S. 329 ff. und den Beitrag von Hertwig/Fanselow/Hoffrage, S. 357 ff. 228 Hoffrage/Pohl, Memory 2003, 329, 331; Hertwig/Fanselow/Hoffrage, Memory 2003, 357.
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Informationen über die Art der Veranstaltung vorlagen. Eine geschlossene Parteiveranstaltung für die Mitglieder erfordert beispielsweise die Versendung von Einladungen und die Organisation eines Rahmenprogramms, nicht aber Druckkosten für Plakate. Selbst wenn mit diesen an sich zu rechnen war, muss ihre Höhe von 28.869,21 DM für einen einzelnen Vortragsabend nicht vorhersehbar gewesen sein. In Betracht kommt dann eine Kürzung des Ersatzanspruchs auf die Kosten des vorhersehbaren Aufwands, mithin auf ein „billiges Maß“. Zusammenfassend stellt sich eine Aufwendungen demnach als unvorhersehbar dar, wenn • ein Dritter in der konkreten Lage des Schuldners • bei verständiger Würdigung aller ihm erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte • die vom Gläubiger getätigten Aufwendungen insoweit nicht vorhergesehen hätte. c) Kritik und Gegenargumente Gegen das Kriterium der Vorhersehbarkeit wird eingewandt, es sei dem deutschen Schadensrecht fremd.229 Der Schädiger hafte für alle unmittelbaren und mittelbaren Schäden, unabhängig davon, ob er mit ihnen rechnen müsse.230 Entscheidend sei nur, dass der Schaden adäquat kausal auf die Schädigung zurückzuführen und vom Schutzzweck der Norm umfasst sei. Der explizite Hinweis auf die Vorhersehbarkeit in § 254 II 1 BGB bestätige im Umkehrschluss diesen Grundsatz. Zutreffend ist, dass gerade im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität Vorhersehbarkeitserwägungen ohne Bedeutung sind. Bei § 284 BGB und insbesondere bei der Ausfüllung des Billigkeitselements geht es jedoch um eine gerechte Risikoverteilung. Will man die gegenläufigen Interessen der Parteien zu einem gerechten Ausgleich bringen, ist die Vorhersehbarkeit ein geradezu unumstößliches Kriterium.231 229
Canaris, JZ 2001, 499, 517. Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 33; derselbe, JZ 2001, 499, 517. So im Grundsatz auch Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 2 V 9, S. 72. 231 Vgl. z. B. Soergel-Teichmann, § 242 Rdnr. 62 zur Bedeutung von Verschulden und Vorhersehbarkeit bei der Reduktion von Pflichten nach dem Grundsatz der Unzumutbarkeit. Auch beim Wegfall der Geschäftsgrundlage spielt die Erkennbarkeit bzw. Vorhersehbarkeit eine Rolle. Es besteht dann zumeist kein Grund für eine Vertragsanpassung; vgl. MüKo-Roth3, § 242 Rdnr. 543; Siebert, Treu und Glauben, Rdnr. 255. Auch bei der Fahrlässigkeit, einem Kernbegriff des Haftungsrechts dient das Kriterium der Vorhersehbarkeit der gerechten Risikoverteilung, vgl. u. a. Soergel-Wolf, § 276 Rdnr. 101; MüKo-Grundmann, § 276 Rdnr. 68. 230
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Überdies lässt sich auch eine Ähnlichkeit zum Schutzzweck der Schadensminderungspflicht ausmachen. § 254 II 1 BGB dient gleichermaßen dazu, den Schädiger auf ein von ihm nicht zu erwartendes Haftungsrisiko hinzuweisen, indem man dem Geschädigten eine Obliegenheit zur Warnung vor nicht erkennbar hohen Schäden auferlegt.232 Dem Schädiger wird auf diese Weise die Möglichkeit gegeben, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.233 Dem Gläubiger des Anspruchs aus § 284 BGB wird zwar keine Hinweispflicht auferlegt. Sind die Aufwendungen für den Schuldner aber nicht erkennbar, soll dieser die Haftung hierfür jedenfalls nicht ungekürzt übernehmen müssen. Will der Gläubiger diese Konsequenz abwenden, muss er die Besonderheiten seiner Situation offenlegen.234 Das UN-Kaufrecht beschränkt den Schadensersatzanspruch des Gläubigers wegen Vertragsverletzung sogar ausdrücklich auf vorhersehbare Schäden. Dabei stellt Art. 74 S. 2 CISG genauso wenig abschließend auf das subjektive Wissen des Schuldners ab, sondern erfasst im Sinne einer Mischung aus subjektiver und objektiver Sicht auch die Schäden, die der Schuldner hätte vorhersehen können.235 Der Gläubiger wird dadurch wiederum im Sinne einer vernünftigen Risikoverteilung236 dazu veranlasst, über die Risiken aufzuklären; dem Schuldner wird die Möglichkeit zu optimalen Maßnahmen der Schadensverringerung und einer Anpassung der Gegenleistung an das bestehende Risiko verschafft.237 Art. 74 S. 2 CISG dient dabei nicht nur der Kompensation einer grundsätzlich verschuldensunabhängige Haftung.238 Die Einschränkung gilt gleichermaßen, wenn der Schuldner die Vertragsverletzung zu vertreten hat. Selbst bei Vorsatz ist der Schadensersatzanspruch auf vorhersehbare Schäden begrenzt.239 Im Ergebnis sind unvorhersehbare Aufwendungen somit als eine erste wichtige Fallgruppe eines unbilligen Aufwendungsersatzes anzuerkennen. MüKo-Oetker, § 254 Rdnr. 71 f.; Staudinger-Medicus1983, § 254 Rdnr. 35. 233 MüKo-Oetker, § 254 Rdnr. 73. 234 In diesem Sinne auch Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 34; ähnlich auch S. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Kap. 6 § 3, V 1 c, S. 116 Rdnr. 228. 235 MüKo-P. Huber, Art. 74 CISG Rdnr. 30 f.; Schlechtriem/Schwenzer-Stoll/ Gruber, Art. 74 CISG Rdnr. 37 f.; Staudinger-Magnus2005, Art. 74 CISG Rdnr. 35 f. 236 MüKo-P. Huber, Art. 74 CISG Rdnr. 2, 32; Schlechtriem/Schwenzer-Stoll/ Gruber, Art. 74 CISG Rdnr. 34; Faust, die Vorhersehbarkeit, S. 235 ff.; StaudingerMagnus2005, Art. 74 CISG Rdnr. 2. 237 Faust, die Vorhersehbarkeit, S. 235 ff. 238 MüKo-P. Huber, Art. 74 CISG Rdnr. 2; Schlechtriem/Schwenzer-Stoll/Gruber, Art. 74 CISG Rdnr. 2; Staudinger-Magnus2005, § 74 CISG Rdnr. 11; Faust, die Vorhersehbarkeit, S. 11. 239 Faust, die Vorhersehbarkeit, S. 11, 26 f.; Schlechtriem/Schwenzer-Stoll/Gruber, Art. 74 CISG Rdnr. 36. 232
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Die Vorhersehbarkeit ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal. Ist erst einmal festgestellt, dass die Aufwendungen und gegebenenfalls bis zu welcher Höhe sie vorhersehbar waren, lässt sich auch der konkret zuzusprechende Betrag errechnen.240 Kann man innerhalb eines Geschäfts mehrere Aufwendungen unterscheiden, deren Vorhersehbarkeit differenzierend zu beurteilen ist, wird der Anspruch auf die bekannten oder üblichen Aufwendungen beschränkt. Stellt sich eine Ausgabe als prinzipiell vorhersehbar dar, überschreitet aber den üblichen Rahmen, ist der Ersatzanspruch auf das zu erwartende Maß zu kürzen. 2. Unverhältnismäßigkeit Im Beispiel des haftenden Erben könnte der Vermächtnisnehmer auf seine Umbaupläne ausdrücklich hingewiesen haben. Auch der Stadthallen-Fall ist in der Variante denkbar, dass die Vermieterin über die groß angelegte Plakataktion informiert war. Trotz Vorhersehbarkeit ist ein Aufwendungsersatz jedoch unbillig, soweit er unverhältnismäßig ist. Ausdrücklich liest man dies in der Kommentierung von § 284 BGB durch Harm Peter Westermann, der von einer Verhältnismäßigkeitskontrolle spricht.241 In anderen Kommentierungen ist meist von einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen Leistung und Aufwendung die Rede, das es zu verhindern gilt.242 Teilweise wird dann ergänzend eingeräumt, dass es sich hierbei nicht um einen reinen Wertevergleich handeln soll, sondern auch andere Umstände, wie beispielsweise der Verschuldensgrad und die Art des Schuldverhältnisses Berücksichtigung finden müssen.243 Dies entspricht einer umfassenden Verhältnismäßigkeitskontrolle, die alle erheblichen Umstände des Einzelfalls in die Prüfung der Zweck-Mittel-Relation miteinbezieht.244 a) Die Unbestimmtheit des Kriteriums Unter denjenigen, die für eine Werthaltigkeit des Billigkeitsbegriffs in § 284 BGB plädieren, ist dies für die Extremfälle, in denen von einem ganz 240 A. A. Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 91. Er lehnt eine höhenmäßige Begrenzung ab, weil diese sich nicht in allen Fallgruppen als Lösung anbietet. Er will stattdessen dem Alles-oder-Nichts-Prinzip folgen. 241 Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 7. So auch schon zum alten Recht: Wiedemann/Müller, JZ 1992, 467, 469. 242 Palandt-Heinrichs, § 284 Rdnr. 7; Jauernig-Stadler, § 284 Rdnr. 6; MüKoErnst, § 284 Rdnr. 20; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 34; Grigoleit, ZGS 2002, 122, 124. 243 Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 32; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 20. 244 Erman-Westermann § 284 Rdnr. 7 verweist deshalb auch auf die Kommentierung von Ernst.
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offensichtlichen Missverhältnis zwischen den Leistungen und den Aufwendungen auszugehen ist, weitgehend unstreitig.245 Wo jedoch die Grenze zwischen einem einfachen und einem groben Missverhältnis zu ziehen ist, lässt sich kaum bestimmen. Ein Mietzins von etwa 500 DM und Aufwendungen in Höhe von fast 30.000 DM – dies entspricht grob den Zahlen in der Stadthallen-Entscheidung – können durchaus „ganz außer Verhältnis“246 sein. Helmut Heinrichs gebraucht diese Formulierung für das Beispiel eines Bilderrahmens zum Preis von 8.000 Euro, der für ein Werk mit dem Wert von 1.000 Euro angeschafft wird. Im Stadthallenfall übersteigen die Aufwendungen den Wert der Leistung nicht nur um das achtfache, sondern um den Faktor 60, wenn man den Wert der Saalüberlassung mit dem Mietzins gleichsetzt. Eine grobe Unverhältnismäßigkeit wäre bei einer solchen Beurteilung desto schneller erreicht, je weniger die Leistungen materiell wert sind. Deshalb darf das Werteverhältnis nicht alleine den Ausschlag geben. § 284 BGB soll gerade auch den Bereich abdecken, in dem es dem Gläubiger weniger auf einen materiellen Wert ankommt, als auf den mit der Leistung zu bewirkenden Zweck, gleichgültig, wie dieser zu qualifizieren ist.247 Dies deckt sich mit dem Verständnis von § 242 BGB. Soll ein Anspruch über die Generalklausel von Treu und Glauben beschränkt werden, weil das Interesse der Gegenpartei überwiegt248, reicht dafür nicht jedes Ungleichgewicht und nicht jede übermäßige wirtschaftliche Benachteiligung der Gegenseite aus, um von „einer grob unbilligen, mit Gerechtigkeitserwägungen nicht mehr zu vereinbarenden Benachteiligung“ zu sprechen.249 b) Die Zumutbarkeit der Ersatzpflicht Auf der Suche nach einer Konkretisierung der Billigkeit beziehungsweise Unbilligkeit darf weniger die angemessene Höhe der Aufwendungen im Vordergrund stehen, als vielmehr die Zumutbarkeitsgrenze der Ersatzpflicht für den Schuldner. Es geht nicht darum, dem Gläubiger vorzuschreiben, welche Aufwendungen im konkreten Schuldverhältnis angemessen gewesen wären, sondern um die Verteilung des Frustrationsrisikos. Die entscheidenden Fragen lauten daher: Inwieweit ist dem Schuldner eine Haftung dafür, dass die Aufwendungen ihren Zweck verfehlten, zumutbar? Wann ist es angemessen, dass Risiko beim Gläubiger zu belassen? 245 Vgl. Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 32; Palandt-Heinrichs, § 284 Rdnr. 6; Falk, Sonderheft Examensklausurenkurs, Jura 2004, 35, 39; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 20; Stoppel, AcP 204, 81, 98; Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 7. 246 Palandt-Heinrichs, § 284 Rdnr. 6. 247 Grigoleit, ZGS 2002, 122, 124. 248 Vgl. hierzu Soergel-Teichmann, § 242 Rdnr. 293; MüKo-Roth, § 242 Rdnr. 408. 249 MüKo-Roth, § 242 Rdnr. 408.
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Auf der Suche nach einer Antwort sind auch individuelle Kriterien wie der Verschuldensmaßstab des Schuldners heranzuziehen. Bei einem vorsätzlich Vertragsbrüchigen wird die Unzumutbarkeitsgrenze in den wenigsten Fällen erreicht sein. Demjenigen, der nur leicht fahrlässig handelte, ist das Haftungsrisiko schon eher abzunehmen. Auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Schuldners darf es dagegen nicht ankommen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten sind im deutschen Schadensrecht nur in Ausnahmefällen als mitbestimmendes Element der Schadensberechnung anerkannt.250 Bei § 829 BGB ist das erheblich zugunsten des Schädigers ausfallende Vermögensgefälle gerade der Haftungsgrund und ersetzt die sonst zwingende Voraussetzung der Verschuldensfähigkeit.251 Die Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse bei der Zusprechung von Schmerzensgeld hängt mit der Genugtuungsfunktion zusammen.252 Bei § 284 BGB geht es dagegen um den Ausgleich eines Vermögensschadens aufgrund einer schuldhaften Pflichtverletzung aus dem Schuldverhältnis, so dass solche Erwägungen in den allermeisten Fällen fehl am Platz sind. Eine Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Schuldners würde zu unterschiedlichen Ergebnissen in vom Geschehen her gleichgelagerten Fällen führen und damit einer Fallgruppenbildung und der damit erstrebten Rechtssicherheit gerade zuwiderlaufen. Vergleichbare Fälle müssten allein aufgrund der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners ungleich behandelt werden. c) Wertvergleich als ein Kriterium Als ein erster Anhaltspunkt bleibt der wirtschaftliche Vergleich der Leistungen und Aufwendungen dennoch nützlich. Bei gegenseitigen Verträgen lässt sich die Ersatzpflicht des Schuldners (und auf diese Weise freilich auch die Höhe der Aufwendungen) in ein Verhältnis zur Gegenleistung setzen. Liegen die Aufwendungen unterhalb des Wertes der Gegenleistung, wird dies in aller Regel für eine Verhältnismäßigkeit der Schuldnerhaftung 250 Lange/Schiemann, Schadensersatz, Einleitung III 4, S. 15; Soergel-Mertens, Vor § 249 Rdnr. 40. Vgl. hierzu auch die Ausführungen unten unter Teil 3 D.III.2.e), S. 166 ff. 251 U. a. Deutsch, Haftungsrecht, D XVIII 1, S. 305/306 Rdnr. 477/478; MüKoWagner, § 829 Rdnr. 1, 3. 252 Dies kann seit der Entscheidung des großen Senats des BGH v. 06.07.1955, BGHZ 18, 149 ff. wohl als einhellige Meinung bezeichnet werden; vgl. auch ausführlich Deutsch, Haftungsrecht, H XXXVII 3, S. 573 ff. Rdnr. 907 ff.; SoergelMertens, Vor § 249 Rdnr. 27, § 253 Rdnr. 7, 13; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 7 V 2, S. 436.
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sprechen. Je mehr sie den Wert übersteigen, desto eher ist der Anspruch des Gläubigers zumindest in voller Höhe zu versagen. Handelt es sich um Aufwendungen zur Gewinnerzielung, ist der Ersatzanspruch an sich schon begrenzt. Mehr als das eigene Erfüllungsinteresse darf der Gläubiger nicht investieren, anderenfalls setzt er sich dem Verlusteinwand aus. In anderen Fällen kann der bloße Umstand, dass die Aufwendungen den Wert der Gegenleistung übersteigen, alleine dagegen nicht genügen.253 Gerade bei einem Mietvertrag über einen Veranstaltungsort wie im Stadthallen-Fall liegt es nahe, dass der Mietzins nur einen geringen Posten im Gesamtaufwand der Veranstaltung darstellt. Dies gilt besonders, wenn die Halle im Gemeindeeigentum steht und die Vermieterin deshalb weniger mit kommerziellen Anbietern konkurriert. Eine Ähnlichkeit zu § 251 II BGB ist festzustellen. Der Wunsch nach Naturalrestitution ist nicht schon deshalb unverhältnismäßig, weil der dafür nötige Aufwand des Schuldners den Wert des beschädigten Gutes übersteigt. Wann die Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist, ist mittels einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung bezogen auf den konkreten Einzelfall zu bestimmen, wobei der Wert der beschädigten Sache nicht völlig unberücksichtigt bleiben darf.254 Das Affektionsinteresse bei Gegenständen mit geringem wirtschaftlichen, aber hohem idellen Wert ist mitzuberücksichtigen.255 Bei Gefälligkeitsverträgen und gesetzlichen Schuldverhältnissen ist ein Vergleich mit der Gegenleistung erst gar nicht möglich. Der Umstand, dass der Schuldner ein Risiko ohne direkte Aussicht auf eine Gegenleistung eingeht, ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung deshalb gebührend zu berücksichtigen.256 Diese geht bei Gefälligkeitsverträgen schneller als bei Austauschverträgen zum Nachteil des Gläubigers aus. Gesetzliche Schuldverhältnisse sind noch vorsichtiger zu betrachten, da der Schuldner hier nicht einmal eine eigene Willenserklärung zur Begründung seiner Haftung abgeben muss. 253
E. Schmidt, Das Schuldverhältnis, Kap. 10 2 d, S. 105 Rdnr. 255. Oetker, NJW 1985, 345, 348. 255 Vgl. MüKo-Oetker, § 251 Rdnr. 68; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 5 VII 1, S. 238; Oetker, NJW 1985, 345, 347. Für den Ersatz von Tierbehandlungskosten ist diese Rechtsprechung zwischenzeitlich in § 251 II 1 BGB ausdrücklich gesetzlich normiert worden, vgl. MüKo-Oetker, § 251 Rdnr. 52, 61; Lange/ Schiemann, Schadensersatz, § 5 VII 2, S. 239. Trotzdem handelt es sich nicht um einen mit § 253 BGB kollidierenden Geldersatz für immaterielle Schäden. Die Aufwendungen sind eine real feststellbare materielle Einbuße. Lediglich für die Frage, ob diese voll auszugleichen oder im Interesse des Schuldners ein Abzug vorzunehmen ist, sind auch Affektionsinteressen des Geschädigten zu berücksichtigen, Oetker, NJW 1985, 345, 347/348. 256 Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 11, MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 20; Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 232 für das Beispiel des Schenkungsvertrags. 254
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d) Förderung des subjektiven Zwecks Bei der Suche nach weiteren Kriterien sollte der vom Gläubiger verfolgte Zweck soweit wie möglich einer Bewertung entzogen werden. Der Anspruch des Gläubigers würde anderenfalls sehr von persönlichen Einschätzungen abhängig. Gänzlich werden sich subjektive Wertungen gleichwohl nicht vermeiden lassen. Zur Verdeutlichung soll wiederum der Fall des Vermächtnisnehmers, der sein Haus umbaut, um das ihm zugewandte Kunstwerk gebührend zu integrieren, herangezogen werden. Es ist zu unterstellen, dass der Erbe über die extravaganten Pläne des Vermächtnisnehmers in Kenntnis gesetzt wurde. Welches Anliegen steckt hinter dem Vorhaben des Gläubigers? Will er auf diese Weise ein Gesamtkunstwerk schaffen, ist an eine Mischung aus ideellen Interessen (Freude an der Kunst) und marktstrategischen Zwecken (eventuelle spätere Wertsteigerung des Gesamtwerks) zu denken. Hoch spekulative Kunstkäufe haben reale Relevanz; der Kunstmarkt erlebt momentan einen „Boom“. Für teils „rätselhafte“ Kunstwerke werden Millionenbeträge gezahlt, ohne dass die Käufer den dauerhaften objektiven Wert einschätzen können. Der Kunstmarkt dient als Basis für „gigantische“ Spekulationsgewinne, die an der kränkelnden Börse momentan nicht zu erzielen sind. Darüber hinaus verschafft sich mancher „Kunstsammler und Mäzen“ mit dieser mehr als großzügigen Unterstützung junger Künstler „Unterhaltung, Selbstveredelung und gutes Gewissen in einem“.257 Eine Berufung auf den Verlusteinwand ist nur dann denkbar, wenn das Kunstwerk zeitnah und in jedem Fall verkauft werden soll. Dann steht die Gewinnerzielung in absehbarer Zeit im Vordergrund. Die Gunst, sich als Kunstmäzen und Gönner fühlen zu dürfen, kann daneben wohl als vernachlässigbarer Nebenzweck abgetan werden. Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens gerät jedoch dann an seine Grenzen, wenn – wie im Beispiel des Hausumbaus – die Wertsteigerung erst nach einer nicht absehbaren Zeitspanne eintreten soll und der Gläubiger tatsächlich ein gleichrangiges ideelles Interesse an dem zu schaffenden Gesamtkunstwerk hat. Eine Anspruchsbeschränkung kommt dann nur über den Begriff der Billigkeit in Betracht. Will man den Zweck des Gläubigers keiner Bewertung unterziehen, darf nicht geprüft werden, ob die Schaffung eines solchen Kunstwerks „sinnvoll“ und „vernünftig“ war – oder gar, ob es sich überhaupt um „Kunst“ handelte. 257 Vgl. hierzu den Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung v. 04.12.2005, S. 25–29 mit dem Titel „Pinseln im Sturm“. Mit bissigem Unterton gewährt das Autorenpaar Richter/Niklas interessante Einblicke in die Welt des Kunsthandels und den aktuellen „Boom“, der schon den nächsten „Crash“ andeutet.
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Möglich bleibt eine Überprüfung der getätigten Aufwendungen anhand des vom Gläubiger festgelegten Zwecks. Diesen muss der Gläubiger darlegen. In Fällen wie dem Hausumbau wird er einen gesteigerten Argumentationsaufwand betreiben müssen, um dem Gericht seine Ziele nahe zu bringen. Gelingt ihm das beispielsweise mittels Vorlage von Bauzeichnungen und konkreten Plänen, gewinnt sein eigenes Interesse in der Abwägung an Plausibilität und die Verhältnismäßigkeitsgrenze verschiebt sich zu Lasten des Schuldners. Sind die Aufwendungen für den dargelegten Zweck nicht geeignet, greift wiederum der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens; der Aufwendungsersatzanspruch ist nach § 284 BGB letzter Halbsatz ausgeschlossen. Sind sie generell geeignet, müssen sie auch in irgendeiner Weise förderlich sein. Steht fest, dass auch ein geringerer Aufwand zur Erreichung des verfolgten Zwecks in jeder Hinsicht vollauf ausreichend gewesen wäre, darf der Gläubiger diesen überhöhten Aufwand nicht auf den Schuldner abwälzen. Letztlich ist auch diese Entscheidung nicht völlig wertfrei denkbar. Man verhindert aber immerhin, dass die Intention des Gläubigers von vornherein abgewertet wird. In der Regel wird eine solche Prüfung auch nicht zum völligen Ausschluss eines Aufwendungsersatzes, sondern nur zu dessen anteiliger Kürzung führen. Im Stadthallenfall lag der Zweck der Werbeaufwendungen darin, die Veranstaltung bekannt zu machen, um dann mit der Vortragsveranstaltung die weiteren Ziele vor einem vollen Publikum verfolgen zu können. Die Überlegung muss deshalb dahin gehen, ob die Werbeaufwendungen von 28.869,21 DM noch förderlich waren, um einen Saal von der Größe der gemieteten Halle für eine Veranstaltung dieser Art zu füllen oder ein geringerer Aufwand denselben Effekt gehabt hätte.258 Dann ist nur dieser unproblematisch förderliche Aufwand ersatzfähig. Hält der Richter die Einholung eines Gutachtens für untunlich, kann er den konkreten Betrag auch gemäß § 287 ZPO schätzen.259 e) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Zivilrecht Im Allgemeinen wird einer solchen Verhältnismäßigkeitskontrolle, wie sie gegenüber Handlungen von Hoheitsträgern anerkannt ist, im Privatrecht mit Skepsis begegnet. Lediglich der Grundsatz des Übermaßverbots genießt breite Akzeptanz. Der Gläubiger hat den Schuldner nur insoweit in Anspruch zu nehmen, als dies zur Befriedigung seiner Interessen erforderlich 258 259
So auch zum alten Recht: Flessner/Kadner, Jus 1989, 879, 884. Falk, Sonderheft Examensklausurenkurs, Jura 2004, 35, 38.
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ist.260 Dies korreliert damit, dass nicht weiter förderliche Aufwendungen nicht ersatzfähig sein sollten. Reformvorschläge, die eine allgemeine Reduktionsklausel bei der fahrlässigen Verursachung eines Schadens vorsahen, wurden vom Gesetzgeber bisher nicht umgesetzt. Solche Bestrebungen waren bereits im Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften“ aus dem Jahr 1967 enthalten.261 Gerhard Hohloch griff diese Idee in seinem Gutachten zur Überarbeitung des Schuldrechts im Jahr 1981 erneut auf.262 Hohlochs Vorschlag einer allgemeinen Reduktionsklausel sollte insbesondere dann greifen, wenn der Schuldner durch die Haftung in eine „äußerste wirtschaftliche Notlage“ geraten würde.263 Die Verhinderung einer existenzvernichtenden Haftung ist Kern der Diskussion um eine Aufweichung des Grundsatzes der Totalreparation. Überwiegend fürchtet man die Gefahr „einer unkontrollierten Billigkeitsrechtsprechung“.264 Zudem wird die Notwendigkeit einer solchen Reduktionsklausel im Hinblick darauf bezweifelt, dass Haftungsfolgen immer weniger den Schuldner selbst, sondern hinter im stehende leistungsfähige Versicherungen treffen.265 In der Tat entspricht es der Regel im deutschen Zivilrecht, dass auch bei geringfügiger Pflichtverletzung in bis zu existenzbedrohender Höhe gehaftet werde. Es besteht grundsätzlich keine Pflicht des Gläubigers, die Wirtschaftskraft des Schuldners zu schützen. Dieser wird in letzter Instanz durch das Zwangsvollstreckungsrecht und die dort enthaltenen Pfändungsschutzvorschriften und das Insolvenzrecht mit der Möglichkeit der Restschuldbefreiung geschützt.266 Andererseits sind sich Rechtsprechung und Literatur aber auch darin einig, dass das Privatrecht sich dem Einfluss des Verfassungsrechts nicht vollständig entziehen kann. Bezüglich der Geltung der Grundrechte überwiegt die Auffassung, dass diese auf das Rechtsverhältnis zwischen zwei Privatrechtsubjekten nur mittelbar über die Generalklauseln einwirken.267 Insoweit es jedoch um die privatrechtlichen Normen und die Anwendung Vgl. nur MüKo-Roth, § 242 Rdnr. 380; Staudinger-J. Schmidt1983, § 242 Rdnr. 683 ff. 261 Vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 503; Staudinger-Schiemann2004, § 249 Vorbem zu §§ 249 ff. Rdnr. 27; Hohloch, Gutachten und Vorschläge, S. 459 f. 262 Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge, S. 459 ff. 263 Vgl. den Text des von Hohloch vorgeschlagenen § 254a BGB in: Gutachten und Vorschläge, S. 475. 264 Staudinger-Schiemann2004, § 249 Vorbem zu §§ 249 ff. Rdnr. 27. 265 Staudinger-Schiemann2004, § 249 Vorbem zu §§ 249 ff. Rdnr. 27. 266 U. a. Looschelders, VersR 1999, 141, 145; Medicus, AcP 1992, 35, 66. 267 U. a. BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89 –, NJW 1994, 36, 38. Grundlegend das Lüth-Urteil v. 15.08.1958 – 1 BvR 400/51 –, BVerfGE 7, 198 ff. 260
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und Auslegung dieser durch die Zivilgerichte geht, ist die Ansicht auf dem Vormarsch, dass dieses hoheitliche Handeln sich unmittelbar am Verfassungsrecht messen lassen muss.268 Aus diesem Grund müssen die Regelungen des Zivilrechts auch dem gleichfalls Verfassungsrang genießenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt zivilrechtliche Normen auf ihre Verfassungsmäßigkeit und insbesondere ihre Vereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz überprüft.269 Einen Vorlagebeschluss des Landgerichts Dessau zur Frage, ob die unbegrenzte deliktische Haftung von Minderjährigen verfassungsgemäß sei, hat der 1. Senat aus formalen Gründen als unzulässig abgelehnt. In seinem Beschluss hat er dennoch deutliche Worte dafür gefunden, dass er eine Einschränkung der Haftung aus Billigkeitsgründen, gestützt auf § 242 BGB, generell für möglich hält, um eine mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einklang stehende Regelung zu erlangen.270 Das Landgericht Bremen ist diesen Weg gegangen.271 Maßgeblich waren dabei stets nicht nur die wirtschaftliche Belastung des Schuldners, sondern hinzutretende anderen Gründe, wie die Minderjährigkeit des Schuldners im Falle des § 828 II BGB.272 Diese macht nämlich die Möglichkeit, sich gegen ein unbegrenztes Haftungsrisiko zu versichern, von dem Willen der Eltern als gesetzliche Vertreter abhängig.273 Das Oberlandesgericht Celle sah in einem weiteren Vorlagebeschluss zu § 828 BGB gar Art. 1 GG tangiert, da durch eine extreme finanzielle Belastung des haftenden Minderjährigen dessen „Lebensplanung [. . .] in einer Weise beeinträchtigt [wird], daß von einer würdevollen und freien Gestaltung nicht mehr die Rede sein kann [. . .].“274 Hinzu kam, dass der Gläubiger selbst versichert 268 Ausführlich Canaris, AcP 184, 202 ff.; vgl. auch Canaris, JZ 1987, 993 ff.; Hager, JZ 1994, 373, 374 f.; Medicus, AcP 192, 35, 44 ff. 269 Vgl. z. B. BVerfG v. 14.07.1981 – 1 BvL 28/77 –, JZ 1981, 528 ff. zur Verfassungsmäßigkeit des nachehelichen Unterhaltsanspruchs nach Übergang zum verschuldensunabhängigen Unterhaltsrechts; BVerfG v. 07.02.1990 – 1 BvR 26/84 –, JZ 1990, 691 ff. zur Verfassungsmäßigkeit eines nachvertraglichen entschädigungslosen Wettbewerbsverbots des Handelsvertreters. 270 BVerfG v. 13.08.1998 – 1 BvL 25/96 –, NJW 1998, 3557, 3558. Vgl. auch die Anmerkung hierzu von Looschelders, VersR 1999, 141 ff. 271 LG Bremen v. 15.02.1991 – 6 O 2866/89 u. 1218/90, NJW-RR 1991, 1432 ff. 272 Schiemann, in: Karlsruher Forum 1999, S. 10. 273 Vgl. OLG Celle, VersR 1989, 709. 274 OLG Celle v. 26.05.1989 – 4 U 53/88 –, VersR 1989, 709, 710. Die Parteien kamen einer Entscheidung des BVerfG über den Vorlagebeschluss durch Abschluss eines Vergleichs zuvor. Das LG Bremen stützt seine Entscheidung ebenfalls auf die schwerwiegende Beeinträchtigung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsentwicklung des hoch verschuldeten jungen Menschen, NJW-RR 1991, 1432, 1433 f.
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war und der Schaden somit nicht an ihm persönlich, sondern der Versicherungsgemeinschaft lasten bleiben würde.275 Zumeist betreffen die Entscheidungen, in denen sich das Bundesverfassungsgericht mit der Geltung von Verfassungsgrundsätzen im Zivilrecht befasst, den Konflikt zwischen Privatautonomie und verfassungsmäßig gleichfalls gebotenen Schutz des unterlegenen Partners. Das Bundesverfassungsgericht sieht den Gesetzgeber und – wenn dieser nicht ausreichend tätig geworden ist – auch den Richter in der Pflicht, die Vertragsparität herzustellen und darauf hinzuwirken, dass eine strukturell ungleiche Verhandlungsstärke nicht zu einer ungewöhnlich starken Belastung führt. Exemplarisch kann hier auf die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften verwiesen werden.276 Auch die Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit eines nachvertraglichen entschädigungslosen Wettbewerbsverbots eines Handelsvertreters ist hier zu verorten.277 Die Kritik an der zunehmenden Einflussnahme des Verfassungsrechts auf das Zivilrecht278 ist sicherlich insoweit berechtigt, als die Gerichte keine allgemeine Äquivalenzkontrolle im Vertragsrecht durchführen sollen. Genauso wenig sollte jede Haftung eines Schuldners erst auf ihre Angemessenheit überprüft werden. Der Richter darf nicht den Spielraum, den der Gesetzgeber bei der Umsetzung seiner verfassungsmäßigen Pflichten innehat, durch seine eigenen Vorstellungen von einem gerechten Interessenausgleich ersetzen.279 Es wird deshalb Zurückhaltung beim Einsatz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gefordert.280 Zugleich wird aber eingeräumt, dass die Diskussion um eine solche Haftungsbeschränkung seine Berechtigung hat, da auf der anderen Seite die Haftung fortwährend ausgedehnt wird.281 Auch § 284 BGB ist eine Norm, durch die das Haftungsrisiko des Schuldners weiter steigt. Der Gedanke der Versicherbarkeit des Haftungsrisikos greift, anders als im deliktischen Bereich, nicht. Auch eine Haftungsfreizeichnung ist nur in engen Grenzen möglich.282 275
OLG Celle, VersR 1989, 709; LG Bremen, NJW-RR 1991, 1432, 1435. BVerfG, NJW 1994, 36, 38. 277 BVerfG, JZ 1990, 691, 694. 278 U. a. Diederichsen, AcP 198, 171, 257; Medicus, AcP 192, 35, 55 ff. 279 U. a. Looschelders, VersR 1999, 141, 143; Ramm, JZ 1988, 489, 490. 280 MüKo-Roth, § 242 Rdnr. 380; Staudinger-J. Schmidt1983, § 242 Rdnr. 686; Schiemann, in: Karlsruher Forum 1999, S. 10, 27 f. 281 Staudinger-Schiemann2004, Vorbem zu §§ 249 ff. Rdnr. 33 mit Blick auf die Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Ähnlich auch Schiemann, in: Karlsruher Forum 1999, S. 6. 282 Vgl. zu den Fragen der Versicherbarkeit des Haftungsrisikos und der Abdingbarkeit von § 284 BGB die Ausführungen oben unter Teil 3 A.IV.3., S. 117 ff. und Teil 5 I., S. 256 f. 276
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Die Möglichkeit, in Fällen der unangemessenen Haftung durch Auslegung des Billigkeitsbegriffs im Sinne einer Verhältnismäßigkeitskontrolle zugleich eine Haftungsbeschränkung vorzunehmen, ist deshalb wahrzunehmen. Auf diese Weise genügt § 284 BGB den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an eine Norm, welche die Grundrechte der Parteien zum Ausgleich bringen kann. Zu bedenken ist auch, dass § 284 BGB auf den Bereich der Schuldverhältnisse beschränkt ist. Genauso wie sich die Haftung des Schuldners für die frustrierten Aufwendungen erst dadurch rechtfertigt, dass das Schuldverhältnis einen Vertrauenstatbestand auf die ordnungsgemäße Leistung schafft, rechtfertigt diese schuldrechtliche Beziehung der Parteien eine Haftungseinschränkung. Jedes Schuldverhältnis begründet nämlich stets auch die Pflicht der Parteien, die schutzwürdigen Interessen der anderen Seite zu achten.283 Seit der Schuldrechtsreform haben solche Nebenpflichten durch § 241 II BGB auch ausdrücklich Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch gefunden. Der Geschädigte, der unverhältnismäßig hohe Aufwendungen tätigt und dann vollen Ersatz verlangt, ist eben nicht völlig „unschuldig“ an der Entstehung des Schadens, so dass seine Interessen an einem vollständigen Ausgleich in manchen Fällen zurückstehen müssen.284 Die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei § 284 BGB soll dabei nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners auf der einen Seite und die Bedürftigkeit des Gläubigers auf der anderen Seite zum Gegenstand haben. Im Mittelpunkt steht vielmehr eine Prüfung der Zweck-Mittel-Relation unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls. Neben der Höhe der Aufwendungen kommt auch der Art des Schuldverhältnisses und der Schwere des Verschuldensvorwurfs besondere Bedeutung zu. § 284 BGB ist nicht die erste Norm des Bürgerlichen Gesetzbuches, die dem Richter eine solche Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne einer umfassenden Abwägung der Interessen im Einzelfall abverlangt. § 251 II BGB enthält den Begriff der Verhältnismäßigkeit. Die Haftungsbeschränkung dient dem Schutz des Schuldners und gilt als Ausdruck des Grundsatzes 283 U. a. Larenz, SchuldR AT Bd. II, § 2 I, S. 10; Siebert, Treu und Glauben, Rdnr. 1; MüKo-Roth, § 241 Rdnr. 80; im Hinblick auf § 284: Reim, NJW 2003, 3662, 3666. 284 Dagegen sieht Looschelders, VersR 1999, 141, 144 die Unschuld des Geschädigten generell als Grund dafür an, warum eine Herabsetzung eines Schadensersatzanspruchs im Allgemeinen nicht in Betracht kommt. Schiemann, in: Karlsruher Forum 1999, S. 28 betont die Bedeutung von § 254 BGB für die Haftungsbeschränkung. Er sieht in einer Ausdehnung von Schadensminderungs- und Verhinderungspflichten den besten Weg zur Reduktion einer überschießenden Haftung. Dieser Aspekt des Verschuldens gegen sich selbst, kann auch für § 284 BGB nutzbar gemacht werden.
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von Treu und Glauben.285 Auch hier ergibt sich die Unverhältnismäßigkeit aus einem Vergleich, wobei der Gesetzgeber abermals kein Zahlenverhältnis festgelegt hat. Entscheidend ist deshalb die jeweilige Interessenbewertung.286 Übrig bleibt die Einsicht, dass § 284 BGB dem Einzug der ursprünglich öffentlich-rechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung in das Zivilrecht weiter Vorschub leistet. Die Rentabilitätsvermutung war davon nicht tangiert. Unverhältnismäßige Aufwendungen wurden bereits dadurch aussortiert, dass sie im Allgemeinen offensichtlich unrentabel waren und dem Schuldner deshalb der Verlusteinwand gelingen konnte. In den meisten Fällen einer unverhältnismäßigen Haftung würde es sich außerdem um solche von der Rentabilitätsvermutung nicht mehr umfasste Aufwendungen zur späteren Verwendung der Leistung gehandelt haben. Den nicht erwerbswirtschaftlichen Bereich, in dem ein Wertevergleich besonders schwer fällt, schloss die Vermutung gleichfalls aus. Diese Klarheit lässt sich als einen Vorteil der alten Rechtslage begreifen, den die neue vermissen lässt. Die Verhältnismäßigkeitskontrolle wird bei § 284 BGB jedoch nur in Randbereichen von Bedeutung sein, so dass der Nachteil der Unbestimmtheit durch die Vorteile der neuen Rechtslage aufgewogen wird. 3. Blick auf die ökonomische Analyse des Rechts Auch wenn die ökonomische Analyse des Rechts kein für die Auslegung von Normen bindendes Rechtsprinzip beinhaltet, könnte ein erneuter Blick in ihre Richtung zusätzliche Perspektiven eröffnen, wie ein unbilliger Aufwendungsersatz zu bestimmen ist. Nach der ökonomischen Analyse liegt die Lösung eines Haftungsfalls darin, seine primären, sekundären und tertiären Kosten so gering wie möglich zu halten. Als primäre Kosten stellen sich bei § 284 BGB die frustrierten Aufwendungen selbst dar.287 Ihre Vermeidung darf nicht um jeden Preis er285 Ausführlich Oetker, NJW 1985, 345, 347. Auch § 275 II BGB verlangt nunmehr die Prüfung, ob zwischen Leistungsinteresse des Gläubigers und Aufwand des Schuldners ein grobes Missverhältnis besteht. 286 Medicus, AcP 92, 35, 38; Staudinger-Schiemann2004, § 251 Rdnr. 17. Auch bei der Frage, ob ein unverhältnismäßig hoher Schaden droht und der Geschädigte deshalb eine Hinweispflicht gehabt hätte, erkennt die Rechtsprechung keine starre Obergrenze oder eine bestimmte Wertrelation an. Entscheidend ist auch hier die Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls, vgl. kürzlich BGH v. 01.12.2005 – I ZR 31/04 –, n. v. 287 Die sekundären Kosten einer ungünstigen Schadenverteilung sollen hier außen vor bleiben. Unter den tertiären Kosten versteht man die Transaktionskosten des Schadensausgleichs. Diese steigen insbesondere durch einen erhöhten Informationsbedarf. Dies lässt sich als Grund für das Kompensationsverbot bei immateriellen
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folgen, sondern nur, soweit dies auch effizient ist. Hierfür darf der Vermeidungsaufwand nicht höher sein als die Gesamtkosten der wahrscheinlichen Schadenshöhe. In den klassischen Fällen einer unerlaubten Handlung bestimmt die ökonomische Analyse auf diese Weise, ob von einer Sorgfaltspflichtverletzung und damit von einem Fahrlässigkeitsvorwurf auszugehen ist. Bei der Frage, ob der Schuldner die Frustration überhaupt zu vertreten hat – § 284 BGB setzt durch die Verweisung auf § 280 I BGB ein (zu vermutendes) Verschulden voraus –, könnte man diese Effizienzüberlegungen heranziehen. Indem für die Prüfung des Fahrlässigkeitsvorwurfs die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, bei § 284 BGB respektive die Wahrscheinlichkeit der Frustration einer Aufwendung, in die Rechnung miteinbezogen wird, fühlt man sich jedoch nur an bereits bekannte Kriterien erinnert. Unwahrscheinliche Aufwendungen sind für den Schuldner zumeist auch nicht vorhersehbar. Die Bestimmung des Grades an Wahrscheinlichkeit oder Vorhersehbarkeit, der Voraussetzung dafür ist, dass man eine Rechnung nach Effizienzkriterien erst aufstellen kann, wird gerade nicht erleichert. Geht es um die zulässige Höhe des Ersatzanspruchs, könnte unter Effizienzgesichtspunkten eine Kosten-Nutzen-Analyse hilfreich sein. Die Investitionen des Gläubigers dürfen demnach nicht höher sein als der damit zu erzielende Nutzen, wobei ein nichtmonetärer Gewinn ebenfalls zu berücksichtigen ist.288 Da auch nach dieser Sichtweise keine objektive Bewertung des Zwecks erfolgen soll, kann es wiederum nur darauf ankommen, ob die Aufwendungen dem Zweck zumindest förderlich sind. Ausgeschieden werden die Investitionen, die über das Ziel hinausschießen. Diese stellen sich nämlich als Ressourcenverschwendung dar.289 Die Anwendung der Begriffe der ökonomischen Analyse des Rechts kommen somit zu ähnlichen Ergebnissen; eine Konkretisierung des Billigkeitsbegriffs können sie nicht leisten. Wann eine Investition dem gesetzten Ziel noch zu dienen geeignet ist, lässt sich nur anhand einer wertenden Betrachtung des Einzelfalls bestimmen. Eine Berechnung ist erst dann möglich, wenn die dafür nötigen Faktoren bestimmt sind. An dieser Stelle bestätigt sich die Kritik an der ökonomischen Analyse.290 Schäden anführen, deren Bewertung Schwierigkeiten unterliegt, vgl. Taupitz, AcP 196, 114, 142. Für den Ersatz von materiellen Aufwendungen sind sie folglich weniger von Bedeutung. 288 Tröger, ZIP 2005, 2238, 2239. 289 Tröger, ZGS 2005, 462, 463, 468. 290 Vgl. hierzu die Ausführungen oben in Teil 3 A.IV.2.b), S. 115 f. A. A. Tröger, ZIP 2005, 2238, 2239, der zwar Bewertungsschwierigkeiten einräumt, aber der Meinung ist, man könne hier auf die Einschätzung des Gläubigers vertrauen.
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Aus der Figur des cheapest cost avoider lässt sich vielleicht eine Obliegenheitspflicht des Gläubigers ableiten, die einmal getätigten Aufwendungen im Falle des nicht ordnungsgemäß erfüllten Vertrags rückgängig zu machen oder sie einem neuen Zweck zuzuführen, soweit ihm dies noch ohne große Schwierigkeiten möglich ist. Dann nämlich wäre ein Ausgleichanspruch gesamtgesellschaftlich ineffizient. Diese Überlegungen lassen sich jedoch § 254 II 1 BGB direkt entnehmen, ohne dass es einen Rückgriff auf die ökonomischen Analyse des Rechts bedarf.291 Werden Investitionen voreilig getätigt, sind sie unter Umständen ebenso ineffizient.292 Hält man sich an den Tatbestand von § 284 BGB, sind sie schon schlichtweg nicht durch ein schutzwürdiges Vertrauen gedeckt. 4. Arbeitnehmerprivilegierung Wie am Beispiel des rechtswidrigen Streiks verdeutlicht wurde, kann § 284 BGB zu einer unerwarteten Ausdehnung der Arbeitnehmerhaftung führen.293 Bevor man in diesen Fällen das Billigkeitskriterium zu Hilfe nimmt, sollten die anderen Tatbestandsmerkmale sorgfältig geprüft werden. In der Mehrzahl der Fälle wird die Nichtleistung des Arbeitnehmers erst gar nicht zu einem Produktionsausfall führen, weil die Arbeit von anderen Arbeitnehmern miterledigt wird oder nachgeholt werden kann. Gekauftes Material ist im Allgemeinen in einer späteren Produktion verwendbar, so dass die Aufwendungen ihren Zweck nicht verfehlen. Als Gegenbeispiel diente der Streik der Zeitungsauslieferer. Aber auch in der Lebensmittelindustrie sind Situationen denkbar, in denen der Arbeitgeber seine Aufwendungen tatsächlich nur tätigt, weil er auf das Erscheinen seiner Mitarbeiter vertraut und ohne diese die vollständige Verarbeitung nicht gelingt, bevor die Rohstoffe verderben. Dann sollte man die Frage stellen dürfen, warum der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht nicht nachgekommen ist. Nicht in allen Fällen wird eine volle Haftung für den Produktionsausfall der Billigkeit entsprechen. Aus diesem Grund ist es naheliegend, die von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs auch im Bereich von § 284 BGB heranzuziehen.294 Dieser werde den Wert seines Nutzengewinns zutreffend bestimmen. Eine Überprüfung durch Dritte scheint dann praktisch ausgeschlossen. Aufwendungen wären in jeder Höhe hinzunehmen. 291 Vgl. die Ausführungen unten in Teil 3 D.V., S. 177 ff. 292 Tröger, ZGS 2005, 462, 468. 293 Vgl. die Ausführungen oben in Teil 3 A.III.2., S. 109. Siehe auch Löwisch, in: Festschrift für Wissmann, S. 38.
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Schädigt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber, wird der Anspruch demnach entsprechend des Verschuldensgrades gekürzt oder gar vollständig ausgeschlossen.295 Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass der Arbeitgeber sich sein betriebliches Schadensrisiko im Rahmen einer entsprechenden Anwendung von § 254 BGB entgegenhalten lassen muss, weil die Tätigkeit auch in seinem Interesse ausgeübt wird.296 Der Arbeitgeber beeinflusst das Arbeitsverhältnis mittels seiner unternehmerischen und betriebsorganisatorischen Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit.297 Auf der anderen Seite steht die soziale Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers.298 Auf § 284 BGB gemünzt, ergibt sich folgende Aufteilung des Frustrationsrisikos: Derjenige Schuldner, der die Pflichtverletzung und damit die Frustrierung der Aufwendungen vorsätzlich herbeiführt, wird nicht privilegiert. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Aufwendungshöhe im Vergleich zur Arbeitsleistung des Beschäftigten und des dafür erhaltenen Entgelts kann trotzdem durchzuführen sein. Der vorsätzlich handelnde Schuldner ist zwar nicht aufgrund seiner Arbeitnehmerstellung besonders zu schützen, aber auch nicht schlechter zu stellen als andere Schuldner. Eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze ist bei einer vorsätzlichen Schädigung jedoch nur schwerlich vorstellbar. Auch der grob fahrlässig handelnde Arbeitnehmer ist normalerweise nicht schutzwürdiger als ein selbständiger Gewerbetreibender. In Ausnahmefällen ist dennoch an eine Anspruchskürzung zu denken. Bei dem nur mit normaler Fahrlässigkeit handelnden Schuldner ist seine Arbeitnehmereigenschaft im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Ist ihm nur leichte oder gar leichteste Fahrlässigkeit zur Last zu legen, kann seine Haftung vollständig entfallen. Letztlich sind auch diese Überlegungen nur ein Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ist bei der Interessenabwägung gebührend zu berücksichtigen. 294 A. A. Löwisch, in: Festschrift für Wissmann, S. 41. Dieser möchte mit dem Tatbestandsmerkmal der Billigkeit nur Verstöße gegen die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB ahnden. 295 Kittner/Zwanziger-Lakies, S. 1264 Rdnr. 27; ErfKom-Preis, § 619a Rdnr. 13; Dörner-Dörner, Handbuch Arbeitsrecht, S. 391 Rdnr. 504. 296 MünchArb-Blomeyer, § 59 Rdnr. 33. Der innerbetriebliche Schadensausgleich wird seit der Schuldrechtsreform auch direkt auf § 276 BGB gestützt („sonstiger Inhalt des Schuldverhältnisses“), vgl. u. a. Diederichsen-Dörner, Handbuch Arbeitsrecht, S. 394 Rdnr. 523. § 276 BGB kann jedoch nicht die Schadensteilung bei mittlerer und grober Fahrlässigkeit erklären. Vgl. Herbert/Oberrath, NJW 2005, 3745, 3748 f. für weitere Gründe, an der bisherigen dogmatischen Begründung festzuhalten. 297 Diederichsen-Dörner, Handbuch Arbeitsrecht, S. 394 Rdnr. 522; ErfKom-Preis, § 619a Rdnr. 10. 298 Diederichsen-Dörner, Handbuch Arbeitsrecht, S. 394 Rdnr. 522.
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5. Rechts-, sittenwidrige und schikanöse Zwecke Verstößt der Zweck, für den die Aufwendungen getätigt werden, gegen Rechtsvorschriften oder ist er sittenwidrig, geht die Interessenabwägung evident zu Lasten des Gläubigers aus.299 Dasselbe gilt, wenn der Gläubiger die Kosten nur verursacht, um den Gläubiger zu belasten. Allerdings wird in diesen Fällen zumeist schon das schutzwürdige Vertrauen fehlen, da der Gläubiger mit dem Scheitern des Geschäfts rechnen muss, um seiner Schädigungsabsicht gemäß handeln zu können. Diese Fallgruppe wird nur geringe Bedeutung haben. Ihre Anwendung erscheint dafür umso einfacher. Sollte eine Aufwendung gegen die Rechtsordnung oder die guten Sitten verstoßen, wird ein Ersatzanspruch in aller Regel vollständig entfallen.
IV. Beweislast Nach dem Wortlaut von § 284 BGB ist es Aufgabe des Gläubigers, die Billigkeit seiner Aufwendungen zu beweisen. Betrachtet man dagegen Sinn und Zweck dieses Tatbestandsmerkmals, dient es dazu, die Haftung des Schuldners einzuschränken. Als für ihn günstige Tatsache wäre nach den allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung eigentlich dem Schuldner die Darlegungslast und das Risiko der Beweisfälligkeit zuzuweisen.300 Im Bereich des Mitverschuldens und aller anderen Zurechnungsfragen des Schadensrechts entspricht dies auch der üblichen Vorgehensweise. Der Tatbestand des § 284 BGB bindet den Rechtsanwender in dieser Hinsicht wenig, zumal der Wortlaut für das Verständnis gerade dieses Tatbestandsmerkmals bereits als wenig nützlich kritisiert wurde. Eine Verschiebung der Darlegungs- und Beweislast auf den Schuldner würde dessen Haftungssituation jedoch abermals verschlechtern. Abgesehen davon, dass er dann in den Fällen eines non liquet aus rein prozessualen Gründen Ersatz leisten müsste, würde ihn schon die Darlegungslast stark belasten. Der Schuldner hat unter Umständen nicht den nötigen Einblick in die Sphäre des Gläubigers, um beispielsweise die Förderlichkeit der Aufwendungen zur Erreichung des vom Gläubiger verfolgten Zwecks substantiiert bestreiten zu können. Sowohl Darlegungs- als auch Beweislast sollten deshalb beim Gläubiger verbleiben.301 299
MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 20; Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 80. 300 Vgl. zu dieser sogenannten negativen Grundregel der Beweislast: Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPR, § 13 IV, S. 109 Rdnr. 202; Zöller-Gregor, Vor § 284 Rdnr. 17a. Für § 284 BGB vertritt dies Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 234.
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Dies bedeutet freilich nicht, dass dieser ohne besonderen Anlass vor Gericht Ausführungen zur Billigkeit seines Anspruchs machen müsste. Es bietet sich vielmehr eine abgestufte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast an.302 Der Gläubiger wird den Betrag der Aufwendungen, den Wert von Leistung und Gegenleistung und den von ihm verfolgten Zweck offenlegen müssen. Liegt anhand der Beträge ein grobes Missverhältnis bereits nahe, wird es ein Leichtes für den Schuldner sein, in diese Richtung vorzutragen. Erscheinen die Investitionen dagegen wertmäßig nicht unmittelbar unangemessen, hat der Gläubiger seine Schuldigkeit vorerst getan, und es ist Aufgabe des Schuldners, konkrete Gründe für die Unbilligkeit vorzutragen. Beispielsweise ist eine nur geringe Fahrlässigkeit auf seiner Seite ein Umstand, über den der Schuldner besser informiert ist als der Gläubiger. Will der Schuldner sich darauf berufen, genügt ein einfaches Bestreiten der Billigkeit nicht. Den Schuldner trifft eine sogenannte sekundäre Behauptungslast.303 Dann ist wiederum der Gläubiger am Zuge, diesen Vortrag zu entkräften und darzulegen, dass sein berechtigtes Interesse an einem vollen Ersatzanspruch vorgehen muss. Zweifel gehen letztlich zu seinen Lasten, da eine Abstufung der Darlegungslast die objektive Beweislast nicht verändert.304 Dasselbe gilt für die Vorhersehbarkeit. Liegt der Zweck einer Aufwendung auf der Hand, ist vom Gläubiger nur dann ausführlicher Vortrag zu erwarten, wenn der Schuldner konkrete Zweifel an der Vorhersehbarkeit wecken kann. Bei ferner liegenden Zielen sind die Anforderungen an einen substantiierten Vortrag des Gläubigers höher. Damit trägt man dem Umstand Rechnung, dass dem Gläubiger der Nachweis der Vorhersehbarkeit für den Schuldner leichter fallen wird, als dass dem Schuldner der negative Beweis gelingen kann.305 Das Risiko der Unaufklärbarkeit verbleibt abermals beim Gläubiger.306 301 Dies entspricht auch der Beweislastverteilung bei § 315 BGB. Derjenige, dem das Leistungsbestimmungsrecht zusteht, muss die Umstände beweisen, aus denen sich die Billigkeit seiner Bestimmung ergibt, vgl. nur MüKo-Gottwald, § 315 Rdnr. 53; Staudinger-Rieble2004, § 315 Rdnr. 288. 302 Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C III, S. 169 Rdnr. 32, Staudinger-Otto2004, § 284 BGB Rdnr. 50. Vgl. allg. hierzu Zöller-Gregor, Vor § 284 Rdnr. 18. 303 Vgl. u. a. Musielak-Stadler, § 138 Rdnr. 10; Zöller-Gregor, Vor § 284 Rdnr. 18; 34; BGH v. 11.06.1990, NJW 1990, 3151, 3152; BGH v. 30.09.1998, NJW 1999, 579, 560. 304 Zöller-Gregor, Vor § 284 Rdnr. 34. 305 Faust, die Vorhersehbarkeit, S. 324 für das UN-Kaufrecht. 306 Auch bei Art. 74 CISG geht die überwiegende Meinung davon aus, dass die Beweislast für die Vorhersehbarkeit beim Gläubiger liegt, vgl. Faust, die Vorhersehbarkeit, S. 324; Schlechtriem/Schwenzer-Stoll/Gruber, Art. 74 CISG Rdnr. 51;
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Indem auch eine höhenmäßige Anspruchsbegrenzung und nicht nur der vollständige Ausschluss möglich ist, werden die berechtigten Interessen des Gläubigers gewahrt. Er wird in der Regel immerhin einen Mindestbetrag zugesprochen bekommen, bei dem der Richter mit gutem Gewissen die Billigkeit bejahen kann. Welcher Aufwand üblicherweise zu erwarten ist und deshalb vom Schuldner vorhergesehen werden konnte, kann der Richter mittels Erhebung von Zeugenbeweisen und Einholung von Gutachten ermitteln. Dasselbe gilt für die Frage, ab welcher Höhe ein Aufwand im Hinblick auf den verfolgten Zweck keine fördernde Wirkung mehr erzielen kann. Ist die Aufklärung besonders schwierig oder aufwendig, kann der Richter diese Feststellungen gemäß § 287 ZPO auch durch Schätzung erlangen.307
V. Verletzung der Schadensminderungspflicht Der Gläubiger verletzt seine Pflicht zur Schadensminderung, wenn er es unterlässt, bereits getätigte Aufwendungen in anderer zumutbarer Weise zu nutzen oder die Investitionen soweit wie möglich rückgängig zu machen. Auch voreilige Aufwendungen können eine Obliegenheitsverletzung darstellen, soweit es nicht schon am schutzwürdigen Vertrauen in den Erhalt der Leistung mangelt. 1. Fallgruppe der Billigkeit oder § 254 II 1 BGB? Indem § 284 BGB dem Rechtsanwender mit dem Tatbestandsmerkmal der Billigkeit ein sehr flexibles Kriterium an die Hand gibt, könnte man einen Rückgriff auf § 254 II 1 BGB ganz für entbehrlich halten.308 Bezieht man die Billigkeit nicht auf die Vornahme der Aufwendungen selbst, sondern auf die Ersatzpflicht des Schuldners, kann auch ein späteres Verhalten des Gläubigers, nachdem dieser die Aufwendungen bereits getätigt hat, Berücksichtigung finden. Dies hätte den Vorteil, dass die Einordnung der Norm als Schadensersatzanspruch oder Aufwendungsersatzanspruch sui generis und die sich daraus ergebende Frage einer direkten oder analogen Anwendung des Mitverschuldens keine Rolle spielten. Eine wirkliche Schwierigkeit liegt darin indes nicht. § 284 BGB wäre zumindest sehr nah mit dem Schadensrecht verwandt und eine Anspruchskürzung im Sinne von § 254 II 1 BGB gilt MüKo-Huber, Art. 74 CISG Rdnr. 58 jeweils mit weiteren Nachweisen. A. A. Staudinger-Magnus2005, Art. 74 CISG Rdnr. 62 mit weiteren Nachweisen. 307 Falk, Sonderheft Examensklausurenkurs, Jura 2004, 35, 40; Soergel-Mertens, Vor § 249 Rdnr. 39 allg. für den Begriff der Billigkeit im Schadensrecht. 308 So Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 33; Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 7.
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immer dann als möglich, wenn verschiedene Verursachungs- und Verschuldensbeiträge in Einklang zu bringen sind.309 Letztendlich handelt es sich bei der Frage, welchen Weg man beschreitet, um solche Aufwendungen von der Ersatzpflicht (zumindest teilweise) auszuschließen, um ein Scheinproblem. § 254 II 1 BGB ist – wie der gesamte Gedanke des Mitverschuldens – nichts anderes als eine Ausgestaltung des Billigkeitsgrundsatzes.310 Weil es bei der Abwicklung gestörter Schuldverhältnisse immer um einen Ausgleich gegensätzlicher Interessen geht, soll der Geschädigte ebenfalls am Schaden tragen, wenn man ihm auch einen Anteil an der Verantwortung zuweisen muss.311 Zu diesem Ergebnis würde man zwangsläufig auch gelangen, wenn es die gesetzliche Regelung hierzu nicht gäbe.312 Es hat aber auch Vorteile, die Verletzung von Schadensminderungspflichten bei § 254 II 1 BGB zu belassen. Bei dieser Fallgruppe einer Anspruchsbeschränkung befindet man sich gewissermaßen auf gewohntem Terrain. Subjektive Wertungen lassen sich auch hier nicht ganz verdrängen. Die Beurteilung wird jedoch leichter fallen als die Frage, ob eine Ersatzpflicht verhältnismäßig ist. Deshalb soll eine formale Trennung vorgenommen werden. Die Verwandtschaft der Sachprobleme rechtfertigt es, die Fragen der Schadensminderungspflicht trotzdem im Kapitel der Billigkeit zu behandeln. 2. Inhalt der Obliegenheiten Im Interesse der Dispositionsfreiheit des Gläubigers kann diesem nicht jede anderweitige Verwendung aufgedrängt werden. Entscheidend sind wiederum die Umstände des Einzelfalls.313 Eine Pflicht zur alternativen Nutzung ist beispielsweise bei der Aufnahme eines Finanzierungskredits anzunehmen, wenn damit eine Ware erworben werden sollte, die ebenfalls von einem Dritten am Markt angeboten wird. Die Entscheidung zum Kauf wird der Gläubiger in aller Regel nicht aufgrund der Pflichtverletzung des 309 Vgl. u. a. Staudinger-Medicus1983, § 254 Rdnr. 21; MüKo-Oetker, § 254 Rdnr. 19. 310 Soergel-Teichmann, § 242 Rdnr. 6 und Fn. 10; aus der Rechtsprechung z. B. BGH v. 18.04.1997, NJW 1997, 2234, 2235. 311 Larenz, SchuldR Bd. 1 AT, § 31 I, S. 540; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 10 V 2, S. 547, 549. 312 § 254 II 1 BGB ist nur eine Ausprägung des Verantwortungsprinzips, vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 10 X 1, S. 577; ähnlich Soergel-Mertens, § 254 Rdnr. 62. 313 Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 IV 2, S. 170 Rdnr. 34.
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Schuldners revidieren. Schwieriger gestaltet es sich, dem Gläubiger den Erwerb eines nur vergleichbaren Gegenstands aufzuerlegen. Die Fahrzeugkauf-Entscheidung des Bundesgerichtshofs lässt vermuten, dass die Rechtsprechung mit der Annahme einer Obliegenheitsverletzung zurückhaltend verfahren möchte. Den Einwand, der Käufer hätte das angeschaffte Autozubehör auch anderweitig nutzen können, ließ der Senat nicht gelten.314 Da eine alternative Nutzung aber nur „grundsätzlich“ ohne Bedeutung sein soll, verbietet es sich nicht, im Einzelfall auch eine Schadensminderungspflicht zu bejahen. Bedenkt man, dass die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Stuttgart, eine anderweitige Nutzbarmachung rein tatsächlich für ausgeschlossen hielt, leuchtet es ein, dass der Bundesgerichtshof sich mit der Darstellung des Grundsatzes begnügte.315 Allgemein wird man vom Gläubiger kein übermäßiges persönliches Engagement dahingehend verlangen können, dass er aktiv eine Verwertungsmöglichkeit sucht. Der Gläubiger muss nicht etwa Zeitungsannoncen schalten, um einen Käufer für seine Aufwendungen zu finden. Die Obliegenheit zur Nutzbarmachung bedeutet für ihn vordergründig, dass er selbst mittels Deckungskauf sein ursprüngliches Ziel verfolgen muss, wenn ein solches Geschäft problemlos möglich erscheint. Einer Verwertung durch Verkauf an Dritte darf er sich allerdings auch nicht versperren. Findet der Schuldner einen Interessenten für das nutzlos gewordene Zubehör, dann trifft den Gläubiger die Obliegenheit, das Zubehör soweit wie möglich zu Geld zu machen. Sein Schaden entfällt dadurch ganz oder reduziert sich zumindest auf die Differenz zwischen An- und Verkaufspreis. Bei Vertragsgegenständen, die von den individuellen Präferenzen eines jeden Gläubigers abhängen, ist der Dispositionsfreiheit wohl in aller Regel der Vorrang einzuräumen. Demjenigen, der vergebens zur Oskarverleihung anreist, kann nicht der Besuch einer anderen Veranstaltung in Los Angeles aufgedrängt werden.316 Eine Obliegenheitsverletzung kann des Weiteren darin liegen, dass der Gläubiger mögliche Rücktrittsmöglichkeiten hat verstreichen lassen, die mit einem zumutbaren Aufwand zu verwirklichen gewesen wären. Schließlich ist es denkbar, dass bereits Anzeichen einer bevorstehenden Leistungsstörung des Schuldners zu erkennen waren, die Leistungspflicht aber noch fortbestand und der Gläubiger deshalb weiterhin auf die Leistung vertrauen durfte.317 Vorschnelle Aufwendungen, deren Zurückstellen dem Gläubiger 314
BGH v. 22.07.2005, NJW 2005, 2848, 2850. OLG Stuttgart, ZGS 2004, 434, 436. 316 Ähnlich S. Lorenz/Unberath, JuS 2005, 335, 339. 317 Vgl. hierzu die Ausführungen zum Vertrauensschutz unter Teil 5 E.II., S. 237 ff. 315
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ohne Not möglich gewesen wäre, können dann einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellen. Eine Nachforschungspflicht wird im Allgemeinen jedoch nicht bestehen.318 3. Anspruchskürzung und -ausschluss Nur wenn der vermeidbare Teil vom Gesamtschaden nicht abgrenzbar ist, wird eine umfassende Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge erforderlich, um den Schaden entsprechend teilen zu können.319 Anderenfalls werden schlichtweg die Aufwendungen, die aufgrund seiner Obliegenheitsverletzung entstanden sind, nicht ersetzt. Dieser Unterschied ist wiederum ein Grund, warum man § 254 II 1 BGB nicht in die bereits genannten Fallgruppen der unbilligen Aufwendungen integrieren sollte. 4. Darlegungs- und Beweislast Der Schuldner muss die Verletzung der Schadensminderungspflicht beweisen. Prozessual wird ihm durch die Möglichkeit des Anscheinsbeweises und durch § 287 ZPO geholfen. Aber auch im Hinblick auf die Darlegungslast ist der Gläubiger miteinzubeziehen, soweit Tatsachen aus seiner Sphäre betroffen sind. Geht es um die Frage, ob dem Gläubiger eine anderweitige Verwendung seiner Aufwendungen möglich gewesen wäre, muss der Schuldner zunächst vortragen, welche alternative Nutzung denkbar gewesen wäre.320 Hält der Gläubiger diese für unzumutbar, muss er wiederum offenlegen, welche Verwendung er noch für zumutbar gehalten hätte und welche Bemühungen er vergebens in diese Richtung unternommen hat.321 Der Schädiger kann dann versuchen, eine solche konkrete Verwendungsmöglichkeit nachzuweisen. Das Risiko der Beweisfälligkeit verbleibt jedoch beim Schuldner. An dieser Stelle zeigt sich ein – wenn auch sehr geringer – Unterschied zum Tatbestandsmerkmal der Billigkeit. Man sollte diese Mehrbelastung des Schuldners jedoch hinnehmen, um den Begriff der Billigkeit in seinem Anwendungsbereich auf die ungewöhnlichen Verhältnismäßigkeits- und Vorhersehbarkeitserwägungen beschränken zu können. 318 Unholtz, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 208 Fn. 28. Zu § 179 III: Staudinger-Schilken2003, § 179 Rdnr. 19. 319 Vgl. u. a. Soergel-Mertens, § 254 Rdnr. 120; MüKo-Oetker, § 254 Rdnr. 76. 320 Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C IV, S. 170 Rdnr. 35. 321 So der BGH zur Frage, welche Arbeit der Geschädigte nach einer Verletzung noch ausüben kann, die zu einer Minderung der Erwerbseinbuße führen würde, NJW 1979, 2124 f.
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VI. Zusammenfassung Es hat sich gezeigt, dass der Begriff der Billigkeit im Tatbestand von § 284 BGB eine flexible Handhabe für die Fälle bietet, in denen auch mit einer wertungsorientierten Auslegung nicht zu einem akzeptablen Ergebnis zu gelangen ist. Hierfür ist es erforderlich, die Ersatzpflicht des Schuldners und nicht etwa die Aufwendungen selbst und ihre Vornahme durch den Gläubiger auf ihre Billigkeit hin zu überprüfen. Es spricht viel dafür, dass dies auch die Intention für die Ergänzung des Normtextes im Gesetzgebungsverfahren war. Die Möglichkeit, die Haftung des Schuldners aufgrund des starken Überwiegens seiner berechtigten Interessen zu beschränken, geht über den Anwendungsbereich von § 254 II 1 BGB hinaus. Eine subsumtionsfähige Definition des billigen Aufwendungsersatzes ist nicht möglich, da die Besonderheiten des Einzelfalls in der Risikoverteilung entscheidend zu berücksichtigen sind. Eine gewisse Konkretisierung gelingt durch die Bildung von Fallgruppen für gleichgelagerte Sachverhalte. Hier bietet sich insbesondere das Merkmal der Vorhersehbarkeit an. Darüber hinaus ist ein Aufwendungsersatzanspruch dann abzulehnen, wenn er unverhältnismäßig ist. Das Beweisrisiko verbleibt beim Gläubiger, auch wenn ihm mittels einer gestuften Verteilung der Darlegungslast entgegenzukommen ist.
Teil 4
Das dogmatische Fundament Verbesserung der dogmatischen Stimmigkeit und Ablösung der Rentabilitätsvermutung A. Dogmatische Einordnung In Teil 3 wurden die Risiken dargestellt, die mit der offenen Formulierung von § 284 BGB verbunden sind. Gleichzeitig wurden aber auch Chancen aufgezeigt, die gerechte Risikoverteilung im Bürgerlichen Gesetzbuch mit Hilfe der neuen Norm voranzutreiben. Es verbleibt die Prüfung der dogmatischen Stimmigkeit. Die dogmatische Einordnung einer Norm ist kein Selbstzweck und darf der Erörterung der Sachprobleme deshalb nicht voranstehen.1 Streng genommen setzt sie die Auseinandersetzung mit allen großen und kleinen Auslegungsfragen voraus.2 Die Auslegung hat sich an dem Ziel zu orientieren, der Norm einen Anwendungsbereich zu verschaffen, der den Interessen aller Beteiligten am besten gerecht wird und sich in der Praxis bewähren kann. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sollen die betreffenden Überlegungen zur dogmatischen Schlüssigkeit jedoch an dieser zentralen Stelle der Arbeit wiedergegeben werden. Immerhin kann die Dogmatik helfen, Unklarheiten und Lücken des Gesetzes zu überbrücken und trägt damit zu einer verlässlichen Rechtspraxis bei.3 Würde sich § 284 BGB nicht in das System des Bürgerlichen Rechts einpassen, wäre die Anwendung des neuen Gläubigerrechts erschwert. 1 Diese Ansicht hat sich durchgesetzt und ist als Reaktion auf die Begriffsjurisprudenz des 19. Jahrhunderts zu verstehen, vgl. u. a. Esser, AcP 172, 97, 104; Kramer, Methodenlehre, S. 145. Canaris, JZ 2003, 831, 835: „Führt diese [die dogmatische Einordnung, Anm. der Verf.] also zu einem dogmatisch ‚irregulären‘ Ergebnis, muß folglich grundsätzlich nicht die Interpretation, sondern die Dogmatik geändert werden.“ 2 Canaris, JZ 2003, 831, 836: „In der Regel ist aber der Interpretationsprozeß abgeschlossen, bevor sich die Frage nach der dogmatischen Qualifikation des dabei gefundenen Ergebnisses überhaupt stellt.“ 3 Esser, AcP 172, 97, 103; Canaris, JZ 1993, 377, 378, 391; Kramer, Methodenlehre, S. 145; Larenz, Methodenlehre, S. 438.
A. Dogmatische Einordnung
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I. Schadensersatz versus Aufwendungsersatz Zu § 284 BGB werden im Grunde zwei Ansätze vertreten, je nachdem, ob man den ersatzfähigen Schaden in den Aufwendungen selbst oder in der Frustration des verfolgten Zwecks sehen möchte. Überlagert wird dieser Streit von der Frage, ob es sich bei § 284 BGB um eine Schadensersatznorm oder einen Aufwendungsersatz sui generis handelt.4 1. Keine Vorteile eines Rechtsbehelfs eigener Art Eine Einordnung als Aufwendungsersatz eigener Art vermag die Fragen, welche die im Tatbestand angeordnete Alternativität zum Schadensersatz statt der Leistung aufwirft, nicht zu klären. Gleichwohl müssen die Aufwendungen dem positiven oder negativen Interesse zugeordnet werden.5 § 284 BGB als Rechtsbehelf sui generis zu bezeichnen, gibt der Sache lediglich einen neuen Namen.6 Auch ein solcher Aufwendungsersatz behält die Funktion bei, den Vertrauensschaden des Gläubigers auszugleichen und muss deshalb in Einklang mit den geltenden schadensrechtlichen Grundsätzen gebracht werden. Hierzu gehört die Exklusivität von positivem und negativem Interesse. Versucht man dessen ungeachtet, § 284 BGB dogmatisch vom Schadensrecht zu separieren, schafft man sich zusätzliche Probleme. Aufwendungen, die nicht als Teil eines Schadens anzusehen sind, gehören gewöhnlich der Gruppe des § 256 BGB an.7 Dass es sich bei § 284 BGB nicht um einen solchen Entschädigungsanspruch wegen fremdnütziger8 Aufwendungen han4 So Reim, NJW 2003, 3662, 3663; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 A, S. 158 Rdnr. 2; Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 23 ff. In diese Richtung auch AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 2; dieselbe in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 2, S. 96 Rdnr. 50. 5 So stellt Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 23 ff. sogleich nach Einordnung von § 284 BGB als neue dogmatische Kategorie die Gemeinsamkeiten des Aufwendungsersatzes mit dem negativen Interesse heraus. Gerade deshalb möchte er auf den Aufwendungsersatz sui generis auch weitgehend alle schadensrechtlichen Vorschriften anwenden. Dies zeigt deutlich, dass eine solche Einordnung die offenen Fragen der Tatbestandsauslegung nicht zu lösen vermag. 6 Tröger, ZIP 2005, 2238, 2240. In anderem Zusammenhang ähnlich Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 336. 7 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 173. 8 Vgl. zu diesem Merkmal als Element des Aufwendungsersatzes i. S. v. § 256 BGB u. a. MüKo-Seiler3, § 670 Rdnr. 1 und 6 mit Verweis auf §§ 256, 257; SoergelBeuthien, § 670 Rdnr. 2.
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Teil 4: Das dogmatische Fundament
delt, ist jedoch unbestritten.9 Dieses Kriterium würde den Tatbestand leer laufen lassen. Man müsste demnach eine neue Kategorie des Aufwendungsersatzes entwickeln. Dies bedeutet einen zusätzlichen Begründungsaufwand, wenn es um die Heranziehung einzelner Institute des Schadensrechts wie das Mitverschulden oder die Vorteilsausgleichung geht. Vermutlich bliebe § 284 BGB auch dann nah genug mit dem Schadensrecht verwandt, um auf dessen Prinzipien zurückzugreifen.10 Dieser Umweg ist freilich entbehrlich, wenn man die Zugehörigkeit der neuen Norm zum Schadensrecht sogleich offen legt. 2. Argumente für eine schadensrechtliche Einordnung Für eine Zuordnung zum Schadensrechts spricht außerdem die systematische Stellung im Gefüge der Schadensersatzansprüche nach §§ 280 ff. BGB.11 Andere Gläubigerrechtsbehelfe, die im Zusammenhang mit einer nicht ordnungsgemäßen Leistung stehen – man denke an den Rücktritt – sind in anderen Abschnitten verortet. Unter historischen Gesichtspunkten erscheint dabei ein einzelner Satz in der Begründung des Gesetzesentwurfs problematisch, der die Diskussion hierzu allem Anschein nach erst entfacht hat: „In der Sache geht es bei dem Ersatz frustrierter Aufwendungen nicht eigentlich um ein Schadensersatzproblem, sondern um eine Frage des Aufwendungsersatzes.“12
Bei genauer Betrachtung der fraglichen Passage in der Gesetzesbegründung zeigt sich allerdings, worum es dem Gesetzgeber wirklich ging. § 284 BGB sollte nicht das gesamte negative Interesse umfassen, sondern nur die frustrierten Aufwendungen.13 Ausgeschlossen wurde damit der entgangene Gewinn aus einem hypothetischen Alternativgeschäft. Mehr, insbesondere eine Zuordnung zum Schadensersatz oder einem Aufwendungsersatz eige9 Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 3 a, S. 99 Rdnr. 55; Falk, Sonderheft Examensklausurenkurs, Jura 2004, 35, 39; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 20; KompaktKom-BGB/ Hirse, § 284 Rdnr. 8; Reim, NJW 2003, 3662, 3663. 10 Anders Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 30. Er hält insbesondere die Anwendung von § 254 II 1 BGB auf einen Aufwendungsersatz sui generis für fragwürdig. 11 Stoppel, AcP 204, 81, 84; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 173. 12 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144. 13 So auch Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 173.
A. Dogmatische Einordnung
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ner Art, sollte man der Formulierung nicht zu entnehmen versuchen.14 In den Gesetzesmaterialien zu § 437 BGB wird § 284 BGB obendrein im Kontext der Schadensersatzansprüche aus §§ 280 ff. BGB behandelt.15 Hinzu kommt, dass selbst ein klarer Hinweis in den Gesetzesmaterialen keine Bindungswirkung für Rechtswissenschaft und Praxis entfalten würde.16 Die Ausführungen zum Begriff des Gesetzgeberwillens und seiner Bedeutung im zweiten Teil dieser Arbeit gelten nicht nur im Hinblick auf die Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale, sondern auch für die Frage der dogmatischen Einordnung. Eine dahingehende Äußerung in den Materialien gehört nicht zu den verbindlichen Grundaussagen zum Sinn und Zweck einer Norm.17 Mit einem Aufwendungsersatzanspruch sui generis wäre schließlich auch das vom Gesetzgeber explizit betonte18 Verschuldenserfordernis kaum vereinbar, das sich in der Regel daraus ergibt, dass § 284 BGB nur anstelle eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung anwendbar ist. Die Verschuldensabhängigkeit ist ein dem deutschen Schadensrecht immanentes Prinzip.19 Vergleicht man damit andere Aufwendungsersatzansprüche, setzen diese durchweg kein Vertretenmüssen des Schuldners voraus, weil dieses mit der ratio legis nicht vereinbar wäre. Der fremdnützige Aufwendungsersatz nach § 670 BGB hat beispielsweise den Sinn, denjenigen, der schon unentgeltlich in fremdem Interesse tätig wird, von zusätzlichen Belastungen zu befreien.20 Der Geschäftsherr, der letztlich den Nutzen aus der 14 Anders Reim, der aufgrund dieser Formulierung für einen Aufwendungsersatz sui generis plädiert, NJW 2003, 3662, 3663. So auch Kunz-Schmidt, in: Festgabe für Werner, S. 4; Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 23; Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 119. 15 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 437 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 225. 16 Anders Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 23. 17 Vgl. hierzu die Ausführungen unter Teil 2 D., S. 100 ff. 18 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144. 19 Zwar gibt es auch verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlagen auf Schadensersatz. Das Verschulden wird dann aber durch andere Zurechnungsgesichtspunkte ersetzt. Bei § 122 I und § 179 II BGB spielt der Risikogedanke eine Rolle. Der Mangel des Willens bzw. der Vertretungsmacht ist der Risikosphäre des Schuldners zuzuordnen, so dass eine Haftung seinerseits auch ohne Verschulden gerechtfertigt ist. Vgl. hierzu ausführlich Canaris, Die Vertrauenshaftung, S. 474/475, 535; u. a. auch MüKo-Kramer, § 122 Rdnr. 2, § 179 Rdnr. 2; Soergel-Hefermehl, § 122 Rdnr. 1 ff.; § 179 Rdnr. 18; Staudinger-Singer2004, § 122 Rdnr. 2. A. A. wohl Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 138, der für einen Anspruch sui generis plädiert, gleichzeitig aber das Vertrauens- und Verschuldensprinzip für einschlägig erachtet. 20 U. a. MüKo-Seiler, § 670 Rdnr. 1; Soergel-Beuthien, § 670 Rdnr. 1.
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Teil 4: Das dogmatische Fundament
Tätigkeit zieht, soll auch die Kosten tragen. Die Prüfung eines Verschuldens wäre fehl am Platz. § 284 BGB sanktioniert dagegen einen zu vertretenden Vertragsbruch und befindet sich damit mitten im Bereich der Leistungsstörungen.21
II. Ausschnitt aus dem negativen Interesse 1. Der Meinungsstreit § 284 BGB gewährt dem Gläubiger einen zumindest teilweisen Ersatz seines Vertrauensschadens.22 Wie jede Norm, die auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet ist, ist die neue Anspruchsgrundlage zweistufig aufgebaut.23 Auf der ersten Stufe stellt sich die Schaffung einer Vertrauensgrundlage als haftungsbegründend dar. Dies geschieht mittels Abschluss eines Vertrags oder der Entstehung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses. Dieser Vertrauenstatbestand steht in einem Kausalverhältnis zu den getätigten Aufwendungen. Auf zweiter Stufe erst wird das Vertrauen durch die Leistungsstörung verletzt und führt zur Frustrierung der Aufwendungen und ihrer Umwandlung in einen zu ersetzenden Schaden.24 Dennoch finden sich nicht wenige Stimmen in der Literatur, die eine andere dogmatische Einordnung vornehmen und in § 284 BGB nur eine Methode zur Berechnung des Erfüllungsinteresses sehen wollen.25 Diese Vor21
Wegen der ähnlichen Struktur des Normtextes soll auch § 1298 BGB nicht unerwähnt bleiben. Auch hier gehen die Kommentierungen von einer Schadensersatznorm aus und nicht von einem Aufwendungsersatz i. S. v. § 256 BGB, vgl. Staudinger-Strätz1993, §§ 1298, 1299 Rdnr. 45; MüKo-Wacke, § 1298 Rdnr. 1, 7. 22 Derleder, NJW 2004, 969, 973; S. Lorenz, NJW 2004, 26, 27; Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 38; Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, S. 121; Westphalen/Meier-Göring, Neues Schuldrecht, S. 11; Canaris, JZ 2001, 499, 517; derselbe, in: Festschrift für Wiedemann, S. 27, 28; Oechsler, Schuldrecht BT VertragsR, § 2 VI 2, S. 153 Rdnr. 256; HK/BGB-Schulze, § 284 Rdnr. 1, 3; Zimmer, NJW 2002, 1, 10; Wilmowsky, Beilage 1 zu Jus 2002, S. 15; Rolland, in: Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, § 1 D V, S. 11 Rdnr. 31; Weitemeyer, AcP 205, 275, 282; Schwenzer, in: Festschrift für Schlechtriem, S. 659 Fn. 9; Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 14/15 und S. 172. Er sieht darin allerdings einen Systembruch, genauso Altmeppen, DB 2001, 1399, 1404. Nicht eindeutig zuordnend: AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 2, StaudingerOtto2004, § 284 Rdnr. 10, 12. Aus der Rechtsprechung: BGH v. 20.07.2005, NJW 2005, 2848, 2850; OLG Stuttgart v. 25.08.2004, ZGS 2004, 434, 435. 23 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 43; Stoppel, AcP 204, 81, 83/84. 24 Ausführlich Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 168. 25 Ausführlich insbesondere Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 334 ff., insb. 336/337; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 6.
A. Dogmatische Einordnung
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gehensweise erinnert sehr an die Rechtsprechung vor der Schuldrechtsmodernisierung, wie sie im 1. Teil dargestellt wurde. Man sieht den Schaden nicht in den Aufwendungen selbst, sondern in der Vergeblichkeit ihres Zwecks.26 Der Wert dieser Frustration wird dann anhand der getätigten Aufwendungen bestimmt, und zwar – und hierin liegt die Neuerung – unabhängig davon, ob der Gläubiger zur Erreichung kommerzieller oder ideeller Zwecke tätig wurde.27 Darin liegt eine direkte Reaktion auf die StadthallenEntscheidung, in welcher der Bundesgerichtshof einen Anspruch der Mieterin alleine wegen des Verbots der Geldentschädigung für immaterielle Schäden in § 253 I BGB verneinte.28 § 284 BGB wird zu einer bisher im Gesetz fehlenden Ausnahmevorschrift.29 Haftungsgrund ist demnach nicht die Schaffung und anschließende Enttäuschung von Vertrauen, sondern die nicht ordnungsgemäße Erfüllung der sich aus dem Schuldverhältnis ergebenden Leistungspflicht. Diese Sichtweise stellt sich jedoch, genauso wie bereits die Rentabilitätsvermutung, nur als eine Hilfskonstruktion dar. Im Mittelpunkt steht weiterhin der Wunsch, den Vertrauensschaden des Gläubigers ersatzfähig zu machen, was von den Verfechtern dieser Einordnung auch zugestanden wird.30 Dass trotzdem auf die Frustration abgestellt wird, ist hauptsächlich der Abneigung zuzuschreiben, im Falle eines wirksamen und nur in seiner Durchführung gescheiterten Vertrages alternativ zum Erfüllungsinteresse einen Vertrauensschaden ersatzfähig zu machen.31 Hinzu kommen „wenig 26 Canaris, DB 2001, 1815, 1820; Stoppel, AcP 204, 81, 86; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 7; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 336. 27 Stoppel, AcP 204, 81, 86; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 7; Gsell, in: DaunerLieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 337. 28 Vgl. BGH, NJW 1987, 831, 834. 29 Canaris, DB 2001, 1815, 1820; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 36; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 337; Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 108. 30 MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 6: „Allerdings können zu den Aufwendungen, die nach § 284 BGB ersatzfähig sind, gegebenenfalls auch solche gehören, die uU auch einmal als negatives Vertragsinteresse ersatzfähig sein können.“ Gsell, in: DaunerLieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 334: „Von einem Vermögensschaden lässt sich dann in der Tat nur sprechen, wenn man die erlittene Einbuße als Vertrauensschaden begreift. Vergleicht man die reale Vermögenslage des Gläubigers nicht mit dem hypothetischen Zustand korrekter Erfüllung, sondern der Situation, die bestünde, wenn er nicht auf korrekte Erfüllung vertraut hätte, so ergibt sich ohne weiteres eine Negativabweichung.“ 31 Vgl. Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 336; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 6; Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 38; derselbe, AcP 204, 81, 86. Die Befürchtung, bisherige Grundsätze überdenken zu müssen, kann jedoch nicht als Argument gegen die Einordnung
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Teil 4: Das dogmatische Fundament
glückliche“32 Äußerungen während des Gesetzgebungsverfahrens, die eine solche Konstruktion geradezu herausgeforderten. In widersprüchlicher Weise ist in der Begründung des Regierungsentwurfs vom Ersatz des „Vertrauensschadens“33 die Rede, andererseits soll die „Frustration der gemachten Aufwendungen“34 die einzig vorstellbare Schadensposition darstellen. Auch das Argument, der Gesetzgeber sei berechtigt, Ausnahmen zu § 253 I BGB zuzulassen, wird aufgegriffen.35 2. Entscheidung für den Vertrauensschutz Folgt man der Einordnung als Erfüllungsschaden, gelangt man durch § 284 BGB zu einer gesetzlichen Manifestation der Frustrationslehre. Selbst wenn diese zunächst auf den schuldrechtlichen Bereich begrenzt ist, steht die Gefahr einer Ausdehnung damit unweigerlich im Raum.36 In diesem Sinne klingt in manchen Abhandlungen auch schon der Gedanke einer analogen Anwendung auf das Deliktsrecht an. Wird die Reise nach Los Angeles – um bei den bisherigen Beispielen zu bleiben – nicht dadurch vereitelt, dass der Taxifahrer, sondern ein anderer Verkehrsteilnehmer schuldhaft einen Unfall verursacht, haftet dieser Dritte mangels Schuldverhältnisses nicht aus § 284 BGB auf Ersatz der frustrierten Aufwendungen.37 Läge darin wirklich eine unsachgemäße Differenzierung, wäre eine Analogie in Betracht zu ziehen.38 Genausogut könnte man erwägen, den Anspruch direkt auf die Frustrationslehre zu stützen. Diese gelangt zwangsläufig wieder auf die Tagesordnung, Jan Stoppel spricht gar von der Schafals Ersatzanspruch auf das negative Interesse herhalten, so aber Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 124. 32 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 165 Fn. 17. 33 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143, linke Spalte. 34 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143, linke Spalte. 35 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143, rechte Spalte. 36 Stoll, JZ 2001, 589, 596; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 167; Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 32; AnwKom-BGB/Arnold, § 284 Rdnr. 5. Vertreter dieser Auffassung erkennen diese Konsequenz an: Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 42, 44; derselbe, AcP 204, 81, 86. In diese Richtung auch Medicus, JuS 2003, 521, 523 und E. Schmidt, Das Schuldverhältnis, Kap. 13 2 S. 148 Rdnr. 360/361. 37 Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 32/33. Er bezweifelt auch, dass eine planwidrige Regelungslücke besteht. 38 So MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 23. Auch Gsell hätte eine „grundsätzlichere Lösung“ vorgezogen, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 328; auch Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 1.
A. Dogmatische Einordnung
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fung einer neuen Schadensart, dem „Frustrationsinteresse“.39 Die Frustrationslehre stellt sich aber als eine abzulehnende Unterwanderung von § 253 I BGB dar. Sie setzt weder einen Vertrauenstatbestand in Form eines Schuldverhältnisses voraus, noch enthält sie andere Kriterien, um ihren uferlosen Anwendungsbereich einzugrenzen.40 Sieht man in § 284 BGB dagegen eine Anspruchsgrundlage auf einen Teil des negativen Interesses, ist diese Gefahr bereits im Ansatz gebannt.41 Ersatzfähig ist dann eben nicht eine immaterielle Frustration, sondern eine materielle Einbuße, kausal verursacht durch einen vom Anspruchsteller erst zu beweisenden Vertrauensbruch. Die Übertragung auf das Deliktsrecht ist ausgeschlossen, da der Haftungsgrund dort in aller Regel – von § 826 BGB vielleicht einmal abgesehen – nicht in der Verletzung eines Vertrauenstatbestands, sondern in der Beeinträchtigung eines Rechtsguts liegt. Dieser Verletzungshandlung fehlt jedoch die Kausalität im Hinblick auf die vom Gläubiger vorher getätigten Aufwendungen. Die Einordnung der frustrierten Aufwendungen als Teil des negativen Interesses verstößt nicht gegen schadensrechtliche Grundsätze, wie im ersten Teil dieser Arbeit ausgeführt wurde.42 Lediglich die Annahme, ein solcher Ersatz des Vertrauensschadens ließe sich bereits nach altem Recht ohne gesetzliche Normierung unter den Begriff des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung subsumieren, war aufgrund der jahrzehntelangen entgegenstehenden Praxis problematisch und deshalb nicht befriedigend.43 Ordnet der Gesetzgeber ein solches Gläubigerrecht nunmehr ausdrücklich an, kann der Ersatz des Vertrauensschadens stimmig in die allgemeine Schadensrechtsdogmatik eingeordnet werden. Zuweilen wird die Reduktion des Schadensersatzanspruchs auf den Ersatz der frustrierten Aufwendungen als ein willkürlicher Ausschnitt aus dem negativen Interesse angesehen und daraus ein Argument gegen die Einordnung der Aufwendungen als Schaden gezogen.44 Die Begrenzung des Anspruchs auf reale Einbußen ist jedoch nachvollziehbar und sachgerecht, wie im Einzelnen in Teil 5 noch ausgeführt wird.45 39
Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 42; derselbe, AcP 204, 81, 86. Vgl. die Kritik oben unter Teil 1 G.II.3., S. 69 ff. 41 Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 28. So auch schon zum alten Recht: Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 81/82. 42 So aber Altmeppen, DB 2001, 1399, 1404. 43 Siehe ausführlich oben unter Teil 1 G.III.5., S. 77 ff. 44 So aber MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 6; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 334. 45 Vgl. hierzu die Ausführungen unten unter Teil 5 D., S. 224 ff. 40
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Teil 4: Das dogmatische Fundament
Der Kritikpunkt, § 284 BGB hätte als Vertrauensschadensersatz höhenmäßig auf das Erfüllungsinteresse beschränkt werden müssen, wurde ebenfalls bereits widerlegt.46 Eine solche Begrenzung ist nur dann sinnvoll, wenn der Gläubiger materielle Zwecke verfolgt. Dasselbe Ergebnis wird dann aber schon über den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens im letzten Halbsatz erreicht. Liegen die Ziele des Gläubigers nicht in der Gewinnerzielung, fehlt es mangels materiellen Erfüllungsinteresses von vornherein an einem Vergleichswert.47 3. § 284 BGB als selbständige Anspruchsgrundlage Zuweilen wird darauf hingewiesen, dass nach der Konzeption des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes § 280 I BGB und § 311a II BGB als alleinige schadensersatzrechtlichen Anspruchsgrundlagen im neuen Leistungsstörungsrecht verbleiben sollten. § 284 BGB als neues, auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtetes Gläubigerrecht muss jedoch zwangsläufig eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen.48 Nur wenn man § 284 BGB als eine Norm einordnet, die einen Ersatz für die materielle oder immaterielle Frustration des Aufwendungszwecks schafft, kann man darin eine bloße modifizierte Berechnungsmethode des Nichterfüllungsschadens sehen.49 Dies erscheint jedoch schon im Hinblick auf die Formulierung des Gesetzestextes fragwürdig. § 284 BGB ordnet gerade nicht den Ersatz der immateriellen Frustration an, deren Wert sich dann nach den getätigten Aufwendungen richten soll. Stattdessen sollen die Aufwendungen selbst ersetzt 46 So aber Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 335. 47 Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter Teil 3 C.V., S. 138 ff. Umgekehrt kann aus dem letzten Halbsatz auch kein Argument gegen die Einordnung als Schadensersatz gewonnen werden. Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens ist als allgemein gültiges schadensrechtliches Institut auch auf den Vertrauensschadensersatz anwendbar. A. A. Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 122. 48 S. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Kap. 6 § 3 V 1 c, S. 114/115 Rdnr. 222, 226; Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 28; HKBGB/Schulze, § 284 Rdnr. 1. So auch Reim, jedoch mit der Begründung, es handele sich um einen Aufwendungsersatz sui generis, NJW 2003, 3662, 3663 und Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 A, S. 158 Rdnr. 2. In diese Richtung auch AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 2; Jauernig/Stadler, § 284 Rdnr. 1; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 10. 49 Canaris, JZ 2001, 499, 517; Stoppel, AcP 204, 81, 85, wobei Stoppel in der dogmatischen Einordnung undeutlich ist. In seinen Ausführungen findet man Hinweise sowohl auf das negative als auch das positive Interesse. In seiner Monografie spricht er sich für die Einordnung als positives Interesse aus, vgl. Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 40 ff.
A. Dogmatische Einordnung
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werden, alternativ zum Schadensersatz statt der Leistung.50 Darüber hinaus spricht die systematische Stellung gegen einen Ersatz der Frustration. Wollte man eine Ausnahme zu § 253 BGB konstatieren und einen Geldersatz für immaterielle Schäden anordnen, dann wären die Vorschriften des allgemeinen Schadensrechts der richtige Ort gewesen. Man erinnere sich nur an den Vorschlag Gerhard Hohlochs aus den achtziger Jahren zur Reformierung des Schadensrechts, der einen § 253a BGB speziell für frustrierte Aufwendungen einfügen wollte.51 Im Zusammenhang mit §§ 280 ff. BGB ist eine Norm, die sich lediglich mit dem Anspruchsinhalt und seiner Berechnung befasst, dagegen fehl am Platz. Hinzu kommt, dass sich wenige Monate nach Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung eine weitere Gesetzesänderung mit dem allgemeinen Schadensrecht befasste. Das zweite Schadensrechtsänderungsgesetz vom 19.07.200252 führte zu einer Ausdehnung des Ersatzes für immaterielle Schäden auf den schuldrechtlichen Bereich und die Ansprüche aus Gefährdungshaftung. Der Gesetzgeber hatte dabei Schmerzensgeldansprüche im Visier, die im Deliktsrecht bisher an der mangelnden Zurechenbarkeit des Verhaltens von Hilfspersonen oder dem fehlenden Verschuldensnachweis scheitern konnten. An § 284 BGB hatte man nicht gedacht.53 Der Gesetzgeber wollte keinesfalls den Weg für einen allgemeinen Geldersatz bei immateriellen Schäden freigeben. Ein Schmerzensgeldanspruch setzt deshalb auch im vertraglichen Bereich weiterhin die Verletzung eines der in § 253 II BGB aufgezählten Rechtsgüter Körper, Gesundheit, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung voraus. § 284 BGB ist deshalb als eigenständige Anspruchsgrundlage auf Ersatz eines Teils des Vertrauensschadens anzusehen.54 Das Ziel des Gesetzgebers, das Leistungsstörungsrecht auf möglichst wenige Anspruchsgrundlagen zu reduzieren, scheint ohnehin gescheitert zu sein. Es wird bereits erwogen, in 50
Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 162/163 Fn. 10. Hohloch, in: Gutachten und Vorschläge, S. 375 ff. Vgl. dazu auch die Ausführungen oben Teil 2 B.I.2., S. 84 f. 52 Bundesgesetzblatt I 2002, S. 2674 ff. 53 Begründung des Gesetzesentwurfs zu Art. 2 Nr. 2b SchadÄndG (= § 253 II BGB) Bundestagsdrucksache 13/10435, S. 17; Stellungnahme des Bundesrats, Bundestagsdrucksache 13/10766, S. 4. Vgl. auch C. Huber, in: Dauner-Lieb/Heidel/ Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 16 B II 2, S. 483 Rdnr. 49. 54 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 235 ordnet § 284 BGB zwar als einen Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses ein, will darin aber trotzdem nur eine Haftungsausfüllungsnorm sehen, die zusammen mit §§ 280 I, III, i. V. m. §§ 281, 282, 283, 311a II BGB zitiert werden soll. Andererseits soll der Schadensersatzanspruch statt der Leistung nur im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestands geprüft werden. 51
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Teil 4: Das dogmatische Fundament
§§ 281–283 BGB eigenständige Anspruchsgrundlagen zu sehen. Darüber hinaus wäre ein solches Ziel für den Rechtsanwender nicht verbindlich. Dem Gesetzgeber muss es mit seiner Gesetzesnovelle auf die zu erzielenden Ergebnisse ankommen und nicht auf die dogmatische Einordnung der Paragrafen.
B. Die Alternativitätsfrage I. Exklusivität von positivem und negativem Interesse Die Sachgerechtigkeit dieser dogmatischen Einordnung von § 284 BGB als Anspruchsgrundlage auf (teilweisen) Ersatz des Vertrauensschadens bestätigt sich, wenn man das Tatbestandsmerkmal „anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung“ näher betrachtet. Erhält der Gläubiger seinen entgangenen Gewinn über § 280 I, III BGB in Verbindung mit §§ 281–283 BGB ersetzt, muss er auch die Aufwendungen selbst tragen – genauso wie im Falle der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung.55 Von einer Vertrauensverletzung und Frustrierung zu reden, ist dann von vornherein verfehlt. Das materielle Erfüllungsinteresse wird mittels der Sekundärleistung befriedigt.56 Allein diese – fast schon selbstverständliche – Alternativität von positivem und negativem Interesse soll durch die Formulierung in § 284 BGB zum Ausdruck gebracht werden.
II. Schwierigkeiten der gegenteiligen Auffassung Stellt man dagegen auf die Frustration als zu ersetzenden Schaden ab, gelangt man unweigerlich in Schwierigkeiten, die Alternativität im Wortlaut zu erklären.57 Das positive Interesse kann zuweilen nämlich materielle und immaterielle Teile zugleich beinhalten. Warum ein Aufwendungsersatz, der eine immaterielle Zweckverfehlung ausgleichen soll, dann nur alternativ zu einem Schadensersatz statt der Leistung gewährt werden soll, ist nicht leicht zu begründen, immerhin handelt es sich um dieselbe Differenzhypo55 Canaris, JZ 2001, 499, 517; Reim, NJW 2003, 3662, 3667; S. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Kap. 6 § 3 V, S. 115 Rdnr. 226; S. Lorenz, NJW 2004, 26, 27; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 18; E. Schmidt, Das Schuldverhältnis, Kap. 10 2 d, S. 105 Rdnr. 254; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 D II, S. 176 Rdnr. 48; Derleder, NJW 2004, 969, 973. So auch schon zum Recht vor 2002: Derleder/Abramjuk, AcP 190, 624, 634; StaudingerOtto2001, § 325 Rdnr. 90. 56 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 60. 57 Ähnlich AnwKom-BGB/Arnold, § 284 Rdnr. 39.
B. Die Alternativitätsfrage
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these.58 Beide Male soll dem Gläubiger die Position verschafft werden, die er auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung erlangt hätte. Kann man ihm dann verwehren, seine materiellen und immateriellen Schäden kumulativ geltend zu machen? Um einen ungerechtfertigen Vorteil des Gläubigers auszuschließen, wird dann zumeist ein Verbot doppelter Kompensation gefordert, aus dem sich ergebe, dass der Gläubiger nicht parallel zu einem entgangenen Gewinn seinen finanziellen Einsatz für die Aufwendungen auf den Schuldner abwälzen dürfe.59 Einig ist man sich in der konsequenten Anwendung dieses Bereicherungsverbots jedoch nicht. Beate Gsell will einen gleichzeitigen Ersatz einer materiellen und immateriellen Frustration durchaus zulassen. Sie bildet hierzu folgendes Beispiel:60 X kauft ein Bild zu einem Preis, der unter dem tatsächlichen Wert liegt. Er hat dabei nur sein privates Vergnügen im Sinn, nicht aber eine gewinnbringende Weiterveräußerung. Zu seiner Enttäuschung kommt es jedoch nicht zu einer Lieferung. Er hat bereits einen Rahmen für das Bild gekauft, den er nun nicht mehr verwenden kann.
Beate Gsell hält es für konsequent, dem Kunstfreund in diesem Fall sowohl den entgangenen Mehrwert des Bildes als auch die Aufwendungen für den nutzlos gewordenen Rahmen zu ersetzen. Durch den Ersatz des entgangenen Gewinns könne nämlich nicht der immaterielle Schaden, das Bild nicht sein eigen nennen zu können, ausgeglichen werden. Umgekehrt kompensiere der Ersatz der Aufwendungen, die dem Wert des immateriellen Frustrationsschadens entsprechen sollen, nicht den verlorenen Mehrwert. Folgt man Gsell in ihrer Lösung, erhält der Kunstliebhaber aufgrund der Pflichtverletzung des Schuldners mehr, als er ursprünglich wollte. Einen Gewinn zu erzielen, war von ihm für den Fall der Vertragsdurchführung nicht beabsichtigt und auch nicht maßgeblich für die Kaufentscheidung. Er hätte das Bild zu einem höheren Preis gleichermaßen erstanden, da es alleine seiner persönlichen Erbauung dienen sollte. 58 Dies räumt auch Gsell als Befürworterin dieser Linie ein, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 337 f. 59 Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 D II, S. 176 Rdnr. 48; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 338; Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 9; Reim, NJW 2003, 3662, 3667. Davon ging auch schon die bisherige Rechtsprechung unter Anwendung der Rentabilitätsvermutung aus, vgl. BGH, NJW 1999, 3625, 3627. 60 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 339; dieselbe mit einem ähnlichen Beispiel, NJW 2006, 125, 126; der Ansicht folgend: Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 9. Auch Faust bildet ein vergleichbares Beispiel, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 D II, S. 177 Rdnr. 50.
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Teil 4: Das dogmatische Fundament
Nun kann man sich vorstellen, dass auch der Preis bei dem einen oder anderen Kunstliebhaber eine Rolle spielt. Die Sammlung kann zugleich der persönlichen Freude und der Vermögensanlage dienen. Dann aber ist die Entscheidung unausweichlich, welcher Zweck im Vordergrund stehen soll. Der Umstand, dass jemand neben wirtschaftlichen Interessen auch ideelle verfolgt, kann ihn nicht besser stellen als einen kommerziell handelnden Gläubiger.61 Zu diesem Ergebnis kommt Gsell aber, wenn sie dem Käufer desselben Bildes, der lediglich die Erzielung eines Weiterveräußerungsgewinns angestrebt hatte, die Kumulation beider Ansprüche versagt.62 Stellt man richtigerweise die Aufwendungen selbst als zu ersetzenden Schaden in den Mittelpunkt, kommt eine solche doppelte Entschädigung ganz offensichtlich nicht in Betracht. X müsste sich entscheiden, welches seiner Interessen – das positive oder das negative – er vorzugsweise geltend machen möchte.
III. Teilbare Leistung Eine Ausnahme zu dieser strikten Alternativität ist freilich denkbar.63 Ist eine Leistung teilbar und teilweise verwertbar, ist es nicht widersprüchlich, wenn der Gläubiger bezüglich des verwertbaren Teils das positive Interesse und bezüglich des anderen seinen Vertrauensschaden geltend macht.64 Die Ansprüche sind dann auf den entsprechenden Teil beschränkt. Gemeint ist eine Situation wie in dem folgenden Beispiel: Ein Weinhändler kauft zur Weihnachtszeit bei einem Weingut 400 Flaschen eines bestimmten Weines zum Stückpreis von 5 Euro. Von einem Hersteller für Verpackungsmaterialien erwirbt er 400 Geschenkkartons für diese Weinflaschen zu einem Preis von je 1 Euro. Noch bevor der Händler erfährt, dass besagtes Wein61 Weitemeyer, AcP 205, 275, 295. Deshalb wollen auch Vertreter des Frustrationsansatzes hier keinen doppelten Ersatz gewähren, vgl. u. a. Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 124; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 30, Tröger, ZIP 2005, 2238, 2243; Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 250. 62 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 340. 63 Vielleicht war es dies, was Canaris mit seinem Hinweis auf eine teleologische Reduktion in JZ 2001, 499, 517 im Blick hatte: „Sollte sich freilich doch einmal ein Fall finden, in dem die kumulative Anerkennung beider Ansprüche schadensersatzrechtlich korrekt ist, lässt sich dem durch teleologische Reduktion der in § 284 KF enthaltenden Alternativitätsanordnung Rechnung tragen.“ So auch die Interpretation von Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 D II, S. 177 Rdnr. 50 und Fn. 51. 64 Stoppel, AcP 204, 81, 108; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 32; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 19; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 D II, S. 176 Rdnr. 50.
B. Die Alternativitätsfrage
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gut den Wein nicht liefern wird, verkauft er an ein Unternehmen 100 verpackte Flaschen zu einem Preis von insgesamt 800 Euro.65
In diesem Fall ist die Leistung des Weinguts teilbar. Der Händler kann bezüglich der 100 Weinflaschen, für die er bereits einen Abnehmer gefunden hatte, seinen entgangenen Gewinn in Höhe von 200 Euro als Schadensersatz statt der Leistung geltend machen. Daneben kann er für 300 vergeblich erworbene Verpackungen – soweit er sie nicht anderweitig nutzt oder nutzbar machen könnte – einen Aufwendungsersatz in Höhe von 300 Euro verlangen. Das Ergebnis leuchtet ein. Der Gläubiger hätte stattdessen auch getrennte Verträge erst über 100 und dann über weitere 300 Weinflaschen abschließen und daraus gesondert seine Ansprüche verfolgen können. Eine teleologische Reduktion von § 284 BGB ist hierfür nicht erforderlich.66 Das Tatbestandsmerkmal „anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung“ lässt sich im Sinne der ratio legis so auslegen, dass nur für ein und denselben Teil der Leistung das positive und negative Interesse im Verhältnis der Exklusivität stehen müssen.
IV. Begleit- und Folgeschäden 1. Schadensersatz neben der Leistung Die Alternativität im Tatbestand von § 284 BGB entzieht dem Gläubiger keine ihm zustehenden Rechte. Neben seinem Aufwendungsersatz kann er weitere Begleitschäden geltend machen. Das Verbot einer Kumulation besteht lediglich für das Interesse, das an die Stelle der nicht ordnungsgemäß erbrachten Leistung rückt. Ein Schadensersatz, der nicht die Erfüllung ersetzen soll, sondern Schäden ausgleicht, die von der Leistung unabhängig sind, ist jederzeit kumulativ geltend zu machen.67 Zu denken ist dabei vor allem 65
Das Beispiel ist einer Darstellung von Stoppel, AcP 204, 81, 108 nachgebildet. Eine solche hielte Dauner-Lieb auch zu Recht für „methodisch fragwürdig“, wenn die Notwendigkeit einer Tatbestandseinschränkung bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes feststeht und deshalb eine unbewusste Regelungslücke zweifelhaft ist, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 2, S. 97 Fn. 161. Vgl. zur Diskussion um die Zulässigkeit einer analogen Anwendung von § 122 BGB bei der anfänglichen Unmöglichkeit: u. a. Falk, Sonderheft Examensklausurenkurs, Jura 2004, 35, 42; MüKo-Ernst, § 311a, Rdnr. 41 und Fn. 44. Vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 311a, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 166. 67 AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 5; dieselbe, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/ Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 2, S. 97 Rdnr. 52; Reim, NJW 2003, 3662, 3667; Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 123; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 32; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 18; S. Lorenz, NJW 66
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Teil 4: Das dogmatische Fundament
an vielfältige Integritätsschäden. Diese können nämlich oftmals sowohl Teil des negativen als auch des positiven Interesses sein. Wird im Rahmen eines nicht ordnungsgemäß erfüllten Mietvertrags der Gläubiger verletzt oder sein Eigentum beschädigt, kann er hierfür Ersatz gemäß § 280 I BGB verlangen. Es handelt sich um einen Schadensersatz neben, nicht statt der Leistung. Soll der Gläubiger in die Situation versetzt werden, die ohne Vertragsschluss bestanden hätte, wären ihm diese Begleitschäden genauso erspart geblieben wie im Falle ordnungsgemäßer Erfüllung. Auch andere finanzielle Folgeschäden sind kumulativ zu ersetzen. In der Literatur angesprochen werden zum Beispiel Rechtsberatungskosten für die Entscheidung, welche Rechte der Gläubiger günstigerweise geltend machen sollte.68 Auch diese sind nach § 280 I BGB zu ersetzen und stehen in keinem Alternativitätsverhältnis zu § 284 BGB.69 Die Kosten einer wiederholten Mahnung kann der Gläubiger über § 280 I, II BGB und somit auch neben einem etwaigen Aufwendungsersatz geltend machen.70 2. Die Entscheidung des Landgerichts Bonn Die Zulässigkeit der Kumulation von Aufwendungsersatz und Schadensersatz neben der Leistung wird in der Literatur auffallend betont. Dies hängt mit dem ersten Urteil zusammen, das überhaupt zu § 284 BGB veröffentlicht wurde. Das Landgericht Bonn71 hatte Ende 2003 über die Folgen eines gescheiterten Immobilienkaufvertrags zu entscheiden. Die Kläger verlangten sowohl Aufwendungsersatz (unter anderem für die Wertschätzungskosten der Immobilie und eine Abstandsprovision) als auch einen Ersatz der Summe, die der Bezahlung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der Baumängel diente. Die Kammer stufte die Kosten für die Mängelbegutachtung als Teil des Erfüllungsinteresses ein, das nur über § 437 Nr. 3 i. V. m. § 281 I 1 BGB 2004, 26, 28; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 D II, S. 176 Rdnr. 49; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 237/238. So auch BGH v. 22.07.2005, NJW 2005, 2848, 2850, zustimmend Mankowski, BGHReport 2005, 1293, 1296. 68 Reim, NJW 2003, 3662, 3667. 69 Reim, NJW 2003, 3662, 3667; Stoppel, AcP 204, 81, 108. 70 Reim, NJW 2003, 3662, 3667. 71 LG Bonn v. 30.10.2003 – 10 O 27/03 – NJW 2004, 74 ff. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Die Berufung zum OLG Köln (Az. 15 U 213/03) wurde zurückgenommen, vgl. den Hinweis in NJW 2005, 240.
B. Die Alternativitätsfrage
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zu ersetzen sei.72 Auf diese Weise aber drohte ein Ersatz dieser Kosten und gleichzeitig der nutzlos gewordenen Aufwendungen an dem Postulat der alternativen Geltendmachung in § 284 BGB zu scheitern. Das Gericht löste dieses scheinbare Problem, indem es die neue Anspruchsgrundlage beiseite schob und von der Fortgeltung der Rentabilitätsvermutung ausging.73 Über diese waren nun alle Schadenposten wie gewohnt im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung zu ersetzen. Ein solcher Rückgriff auf die Rentabilitätsvermutung ist generell abzulehnen.74 An dieser Stelle soll das Augenmerk jedoch darauf gerichtet werden, dass die Unsicherheit im Umgang mit § 280 und § 281 BGB eine sinnvolle Anwendung von § 284 BGB erschweren kann. Richtigerweise stellte sich gar kein Alternativitätsproblem, sodass keine Notwendigkeit bestand, auf die Vermutungsrechtsprechung zurückzugreifen. Stellt man für die Abgrenzung von § 280 I und III in Verbindung mit § 281 BGB nämlich zutreffend darauf ab, ob eine Fristsetzung zur Nacherfüllung generell noch sinnvoll erscheint,75 kommt man zu dem Ergebnis, dass die Gutachterkosten über einen Schadensersatz neben der Leistung ersatzfähig sind.76 Eine Beseitigung der Baumängel hätte die einmal entstandenen Kosten für die Mängelfeststellung nicht mehr revidieren können. Hiervon geht auch der Bundesgerichtshof in seiner Fahrzeugkauf-Entscheidung aus. Der Senat kombinierte den Ersatz des Zubehörs ebenfalls mit einem Anspruch auf Erstattung der Kosten für ein Beweissicherungsgutachten.77 Dieses Ergebnis stellt im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung keine wesentliche Neuerung dar. Vor der Schuldrechtsmodernisierung ordnete der Bundesgerichtshof solche Kosten ebenso als unmittelbar zu ersetzende Mangelfolgeschäden ein.78 Zuzugestehen ist zwar, dass diese Linie auch bisher nicht unumstritten war. Aufgrund der Schwierigkeiten im Kauf72 LG Bonn, NJW 2004, 74, 75. Dies vertritt auch Weitemeyer, weshalb sie dann eine einschränkende Auslegung der Alternativitätsanordnung vorschlägt, AcP 205, 275, 290. Dieser Umweg ist entbehrlich, wenn man solche Schäden, die durch eine Fristsetzung nicht beseitigt werden können, direkt unter § 280 I BGB subsumiert. 73 LG Bonn, NJW 2004, 74, 75/76. 74 Vgl. hierzu die Ausführungen sogleich unter Teil 4 C., S. 200 ff. 75 Dies ist wohl die überwiegende Meinung, vgl. u. a. MüKo-Ernst, § 280 Rdnr. 66, Staudinger-Otto2004, § 280 Rdnr. E 7; S. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005, S. 41 ff. 76 s. Lorenz in der Besprechung der Entscheidung des LG Bonn, NJW 2004, 26, 28. So auch Palandt-Heinrichs, § 280 Rdnr. 18; MüKo-Busche, § 634 Rdnr. 57. 77 BGH v. 22.07.2005, NJW 2005, 2848, 2850; Vgl. auch die Ausführungen oben unter Teil 3 A.II., S. 106 f. 78 BGH v. 13.09.2001, NJW 2002, 141, 142; BGH v. 16.10.1984, NJW 1985, 381, 382.
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Teil 4: Das dogmatische Fundament
und Werkvertragsrecht, Mangelschäden und Mangelfolgeschäden und noch dazu nahe und ferne Folgeschäden voneinander abzugrenzen, wurden auch die Gutachterkosten unterschiedlich behandelt.79 Da § 280 und § 281 BGB jedoch in ihrem Anwendungsbereich mit dem Begriffspaar Mangel- und Mangelfolgeschaden nicht deckungsgleich sind, kommt es auf diese Abgrenzung nicht entscheidend an. Die Sinnhaftigkeit einer Fristsetzung stellt sich als brauchbares Abgrenzungskriterium dar. Allein entscheidend darf die bloß formale Zuordnung des Schadens zum Anwendungsbereich von § 280 BGB oder § 281 BGB freilich nicht sein. Wird als Verzögerungsschaden ein entgangener Gewinn geltend gemacht, können daneben keine zur Erzielung des Gewinns getätigten und dann frustrierten Aufwendungen nach § 284 BGB ersetzt verlangt werden, auch wenn es sich bei dem geltend gemachten Verzögerungsschaden nach §§ 280 II, 286 BGB um einen solchen neben der Leistung handelt. Anderenfalls verstieße das Ergebnis gegen die Exklusivität von positivem und negativem Interesse.80 Angemerkt sei auch, dass die Anwendung der Rentabilitätsvermutung im Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Landgerichts Bonn zugrundelag, lange nicht so gesichert war, wie es die Kammer Glauben machen wollte.81 Es handelte sich nämlich um einen Hauskauf zum rein privaten Wohnen. Die Richter ließen den Umstand, dass es sich um ein materielles Geschäft handelte, ohne nähere Begründung ausreichen, um den Anwendungsbereich der Rentabilitätsrechtsprechung als eröffnet anzusehen.82 Tatsächlich standen jedoch rein konsumtive Zwecke ohne jeden erwerbswirtschaftlichen Hintergrund im Raum.83 3. Handhabung in der Praxis Ein eher kleines Problem ist es, inwieweit der Gläubiger seine Wahl zwischen Ersatz des positiven Interesses und § 284 BGB nachträglich revidie79 Z. B. Soergel-Teichmann, § 635 Rdnr. 3. Er stellt im Wesentlichen darauf ab, dass es vor einer Fristsetzung zur Nacherfüllung keinen Anlaß gebe, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Die fehlende Erforderlichkeit läßt sich jedoch auch über § 254 BGB ahnden, vgl. Soergel-U. Huber, § 463 Rdnr. 39, 51. 80 Insoweit ist Gsell, NJW 2005, 135, 126 zuzustimmen, dass das Alternativitätserfordernis in § 284 BGB teleologisch erweitert werden muss. Die Fälle werden aber nur sehr selten sein, da in allermeisten Situationen wohl die Leistung endgültig ausfallen wird, so dass nicht § 280 II BGB zum Tragen kommt, sondern § 280 I, III, 281 BGB. 81 Weitemeyer, AcP 205, 275, 279. 82 LG Bonn, NJW 2004, 74, 75. 83 Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter Teil 1 B.II., S. 47 f. und Teil 3 B.I., S. 120 ff.
B. Die Alternativitätsfrage
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ren kann.84 Hier kann auf die Ergebnisse zurückgegriffen werden, die sich bereits zu § 325 BGB a. F. durchgesetzt hatten. Der Gläubiger durfte solange zwischen Rücktritt und Schadensersatz wechseln, bis beispielsweise durch Erfüllung, Vergleich oder Anerkenntnis ein endgültiger Zustand geschaffen worden war. Hatte der Schuldner jedoch bereits Dispositionen zur Erfüllung des zunächst gewählten Rechtsbehelfs getroffen, konnte einem erneuten Wechsel § 242 BGB entgegenstehen.85 Unternimmt der Gläubiger nach dem Scheitern des Vertrages Bemühungen, um die Frustrierung seiner Aufwendungen zu verhindern, sind ihm die hierfür erforderlichen Kosten zu ersetzen. Unter Umständen ist der Gläubiger sogar zur Vornahme solcher schadensmindernden Maßnahmen unter Einsatz weiterer finanzieller Mittel verpflichtet und muss sich bei Verletzung dieser Obliegenheit, eine Kürzung seiner Ansprüche gemäß § 254 II 1 BGB gefallen lassen. So ist es nicht verwunderlich, dass in Rechtsprechung und Lehre solche Kosten der Schadensabwendung oder -minderung einhellig als ersatzfähig angesehen werden.86 Wenn demnach ein vom Gläubiger gebuchter Flug aus von der Fluggesellschaft zu vertretenen Gründen ausfällt und der Gläubiger deshalb um die Frustration seiner Hotelkosten fürchtet, die er einem Dritten gegenüber schuldet, kann der Gläubiger die Mehrkosten eines Ersatzflugs auf die Fluggesellschaft abwälzen. Das Deckungsgeschäft unterliegt lediglich selbst der Grenze des § 254 II 1 BGB.87 Gelingt es dem Gläubiger auch mit Hilfe eines Deckungsgeschäfts nicht, die Frustration seiner Aufwendungen vollständig abzuwenden, muss er Aufwendungsersatz nach § 284 BGB und Ersatz der späteren Aufwendungen zur Schadensminderung kumulativ geltend machen können. Beispielsweise könnte ein Ersatzflug erst am folgenden Tag möglich sein. Die Übernachtungskosten für die erste Nacht im Hotel muss der Gläubiger dann bezahlen, ohne das Zimmer nutzen zu können.88 Hier sind beide Schadensposten zu ersetzen. Der Schadensminderungsaufwand ist nämlich erst durch den Vertrauensbruch des Schuldners erforderlich geworden, so dass ein Kausal84 Für ein weitreichendes Wahlrecht: Jauernig/Stadler, § 284 Rdnr. 8; Stoppel, AcP 204, 81, 108. 85 MüKo-Emmerich4/2001, § 325 Rdnr. 28; Erman-Battes10, § 325 Rdnr. 25; Soergel-Wiedemann, § 325 Rdnr. 26 f. So nun auch zu § 284 BGB Stoppel, AcP 204, 81, 108. 86 Vgl. u. a. Staudinger-Medicus1983, § 254 Rdnr. 62; MüKo-Oetker, § 254 Rdnr. 69; BGH v. 01.04.1993, BGHZ 122, 172, 179; BGH v. 15.11.1977, BGHZ 70, 39, 43 f. 87 Staudinger-Medicus1983, § 254 Rdnr. 62. 88 Beispiel nach Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 257.
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Teil 4: Das dogmatische Fundament
verhältnis besteht und dieser Aufwand nicht zwangsläufig nur dem positiven Interesse zugerechnet werden kann.89
V. Fazit § 284 BGB passt sich in das System der Vertrauenshaftung ein. Der enttäuschte Gläubiger wird so gestellt, als habe er die wahre Lage gekannt und daher nicht vertraut.90 Der verbleibende Unterschied zu den altbekannten Vertrauenstatbestände in § 122 und § 179 II BGB und eines Teils der nun in § 311 II BGB kodifizierten culpa in contrahendo liegt darin, dass bei den genannten Normen ein Schuldverhältnis entweder nie zustande kommt oder zumindest rückwirkend vernichtet wird. In diesen Fällen wird das Vertrauen in die Wirksamkeit der Willenerklärung verletzt. Bei § 284 BGB bleibt die Wirksamkeit des Schuldverhältnisses dagegen unberührt und die Verletzung des schutzwürdigen Vertrauens spielt sich zeitlich später ab, wenn der Schuldner seine Leistungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt. Dieser unterschiedliche Anknüpfungspunkt für die Verletzungshandlung begründet auch die abweichende systematische Stellung im allgemeinen Schuldrecht. Gemeinsam ist den Normen jedoch der Haftungsgrund, wonach derjenige, wie Werner Flume es formulierte, „wer einem anderen sein Wort gibt, jedenfalls die Verantwortung dafür trägt, daß der andere nicht durch das Vertrauen auf das ihm gegebene Wort Schaden erleidet.“91
C. Entbehrlichkeit der Rentabilitätsvermutung I. Die Angst vor einer neuen Lücke Es hat sich gezeigt, dass § 284 BGB bei erwerbswirtschaftlichen Geschäften oftmals zu denselben Ergebnissen wie die Rentabilitätsvermutung gelangt, jedoch sowohl in diesem Bereich als auch bei anderen Zielen des Gläubigers darüber hinausgeht. Aus diesem Grund erscheint es auf den ersten Blick einleuchtend, dass mit Inkrafttreten der neuen Regelung die bisherige Rechtsprechung obsolet geworden ist.92 Dementsprechend liest man in 89 Anders Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 259, der einen Ersatzanspruch ablehnt. 90 Zu den Begriffspaaren positiver und negativer Vertrauensschutz und positives und negatives Interesse, vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung, S. 5. 91 Zu § 122 Flume, Allg. Teil Bd. 2, § 10 5, S. 132. 92 AnwK-Dauner-Lieb, § 284 BGB Rdnr. 5; dieselbe, in: Dauner-Lieb/Heidel/ Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 2, S. 97 Rdnr. 52; MüKo-Oetker § 249 Rdnr. 48; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.),
C. Entbehrlichkeit der Rentabilitätsvermutung
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der Begründung des Gesetzesentwurfs auch, auf die Rentabilitätsvermutung solle es nicht mehr ankommen.93 Dennoch wird dieses Ergebnis keinesfalls von allen Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung geteilt. Ganz im Gegenteil bildete sich gleich zu Anfang eine Mehrheit derer, die dem Gläubiger erwerbswirtschaftlicher Geschäfte ein Wahlrecht zubilligen will.94 Er soll seine frustrierten Aufwendungen entweder nach § 284 BGB ersetzt verlangen können oder wie bisher innerhalb des Schadensersatzes statt der Leistung mit Hilfe der durch die Rechtsprechung entwickelten Vermutung geltend machen. Dahinter steckt die Befürchtung, durch § 284 BGB würden die Rechte des erwerbswirtschaftlich handelnden Gläubigers beschnitten, weil der Tatbestand gewissen Einschränkungen unterliegt.95 Es sei aber das ausdrückliche Motiv des Gesetzgebers gewesen, die Gläubigerposition zu verbessern und nicht zu beschneiden. Bei genauer Betrachtung entpuppt sich dies jedoch als Scheinargument. Eine unberechtigte Beschränkung der Gläubigerrechte im Vergleich zur bisDas neue Schuldrecht in der Praxis, S. 340, dieselbe, JZ 2004, 643, 647; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 276; Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 132; Schellhammer, MDR 2002, 301, 305; Tröger, ZIP 2005, 2238, 2243. So schon zum alten Recht aufgrund der Annahme eines Gläubigerwahlrechts zwischen seinem positiven und negativen Interesse: Müller-Laube, JZ 1995, 538, 541 f.; Schackel, ZeuP, 2001, 248, 250 ff.; Soergel-Wiedemann, § 325 Rdnr. 53; Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 75. 93 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144. 94 Canaris, JZ 2001, 499, 517; HK-BGB/Schulze, § 281 Rdnr. 16 und § 284 Rdnr. 2; Staudinger-Emmerich2003, § 536a Rdnr. 24; derselbe, in: Festschrift für Otte, S. 109; derselbe in MüKo, Vor § 281 Rdnr. 31; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 35. Allerdings glaubt Ernst, dass der Gläubiger kaum eine Interesse haben wird, seinen Anspruch auf die schwerer darzulegende Rentabilitätsvermutung zu stützen; Staudinger-Otto2004, § 280 Rdnr. E 109 und § 284 Rdnr. 12; Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 3; Harke, JR 2003, 1; Grigoleit, ZGS 2002, 122, 123; Althammer, NZM 2003, 129, 132; Schulze/Ebers, JuS 2004, 265, 272; Palandt-Heinrichs, § 281 Rdnr. 23 und § 284 Rdnr. 3; Rolland, in: Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, Kap. 1 D V, S. 11 Rdnr. 30 und Fn. 68; Weitemeyer, AcP 205, 275, 278; LG Bonn v. 30.10.2003, NJW 2004, 74, 75, zustimmend S. Lorenz in seiner Anmerkung hierzu, NJW 2004, 26, 28; derselbe, NJW 2005, 1889, 1892.; Klinck, Jura 2006, 481, 483. Für ein Wahlrecht auch Schobel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 227. Er will allerdings mittels einer teleologischen Reduktion des § 253 BGB die Frustration von immateriellen Schäden unmittelbar ausgleichen und hält deshalb § 284 BGB für schlicht entbehrlich. Dies ist methodisch fragwürdig, sollte doch eine bestehende Norm einer solchen Rechtsfortbildung vorgehen. 95 MüKo-Emmerich, Vor § 281 Rdnr. 31; derselbe, Leistungsstörungen, § 13 IV 1, S. 206; Staudinger-Otto2004, § 280 Rdnr. E 109 und § 284 Rdnr. 12; Althammer, NZM 2003, 129, 132; S. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Kap. 6, § 3 V 1, S. 115 Rdnr. 225.
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Teil 4: Das dogmatische Fundament
herigen Rechtslage drängt sich keineswegs auf. Bezeichnenderweise findet sich in der Literatur kein Beispiel, bei dem sich die Alternativität zum Schadensersatz statt der Leistung tatsächlich negativ auswirkt. Über die Rentabilitätsvermutung konnten positives und negatives Interesse genauso wenig kumuliert werden. Auf die Billigkeit des Anspruchs kommt es in den allerwenigsten Fällen an, die auch über die Rentabilitätsvermutung zu lösen wären.96 Seit der Diskotheken-Entscheidung sind nur noch solche Aufwendungen als rentabel anzusehen, die dem Vertragsschluss und der Erlangung der geschuldeten Leistung gedient hätten, nicht aber Folgeinvestitionen. Bei diesen Aufwendungen ist eine unbillige Inanspruchnahme des Schuldners praktisch ausgeschlossen. In den wenigen denkbaren Ausnahmefällen – beispielsweise einem unangemessen teueren Transport – erfolgt die Beschneidung des Anspruchs zu Recht. Alban Bruch sieht dagegen in seiner Monografie zu § 284 BGB einen verbleibenden Anwendungsbereich der Rentabilitätsvermutung, den die neue Norm nicht abdecken könne. Sein Beispiel handelt von einem Kaufvertrag über einen antiken Schrank, der zum Zwecke der gewerblichen Weiterveräußerung erworben wird. Der Käufer beauftragt einen Transporteur mit der Abholung des Schranks, wodurch ihm Kosten in Höhe von 300 Euro entstehen. Der Verkäufer verweigert jedoch die Herausgabe. Im Falle der ordnungsgemäßen Leistung hätte der Schrank zu einem Mehrbetrag von 400 Euro weiterverkauft werden können.97 Der Käufer kann hier nicht seinen entgangenen Gewinn von 400 Euro und zusätzlich Aufwendungsersatz in Höhe von 300 Euro verlangen.98 Nun ist Bruch jedoch der Auffassung, dass der Käufer statt einer Geltendmachung von 400 Euro Gewinnentgang aus § 252 BGB auch mit Hilfe der Rentabilitätsvermutung 300 Euro Aufwendungsersatz und 100 Euro Nettogewinn verlangen könnte. Dies sei für den Käufer leichter zu beweisen und würde deshalb die Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung rechtfertigen.99 Dabei wird verkannt, dass mit Hilfe der Rentabilitätsvermutung lediglich ein Ersatz in Höhe der tatsächlich getätigten Aufwendungen erfolgen kann. Der zusätzliche Gewinn setzt immer zumindest einen Beweis im Sinne von § 252 S. 2 BGB voraus. Mittels der Rentabilitätsvermutung kann 96
Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 142; derselbe AcP 204, 81, 113 verwendet dieses Argument dagegen zur Begründung, warum die Rentabilitätsvermutung nicht fortgelten darf. Er sieht im Wahlrecht nämlich aufgrund der fehlenden Beschränkung durch das Billigkeitselement eine andauernde Bevorzugung des Gläubigers mit erwerbswirtschaftlichen Interessen. Dies widerspreche der Absicht, die Diskriminierung privat handelnder Gläubiger aufzugeben. 97 Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 116 f., 118 f. 98 Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 117. 99 Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 119.
C. Entbehrlichkeit der Rentabilitätsvermutung
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der Käufer somit allenfalls 300 Euro erlangen – dies gelingt ihm jedoch genauso über § 284 BGB. Ist dagegen ein entgangener Gewinn nachweisbar, besteht kein Bedürfnis, auf die Rentabilitätsvermutung zurückzugreifen.
II. Gefahr der divergierenden Weiterentwicklung Wenn aber das Wahlrecht des Gläubigers keine erkennbaren Vorzüge mit sich bringt, sollte die Rentabilitätsvermutung als Rechtsfigur entfallen. Zwar ist eine Anspruchskonkurrenz im deutschen Zivilrecht nicht selten. In diesem Fall ist aber die im ersten Teil ausführlich behandelte und weiterhin aktuelle Kritik an der Rentabilitätsvermutung nicht zu vergessen. Eine solche problematische Rechtsprechung sollte nicht länger als erforderlich aufrechterhalten werden.100 Hinzu kommt, dass es sich bei der bisherigen Rechtsprechung im Grunde um eine rein prozessuale Hilfestellung handelte. Dem Gläubiger sollte aufgrund seiner Schwierigkeiten, einen entgangenen Gewinn darzulegen, eine Beweiserleichterung, faktisch sogar eine Beweislastumkehr, zugute kommen. Dies ist nur dann zu rechtfertigen, wenn anderenfalls die Beweisfälligkeit unvermeidlich wäre und sich deshalb die Prozesschancen ungerecht verteilten. Seit § 284 BGB dem Gläubiger aber eine Anspruchsgrundlage bietet, deren Voraussetzungen er darzulegen im Allgemeinen imstande sein kann, sind die Gründe für eine nicht normierte Beweiserleichterung mittels der Rentabilitätsvermutung entfallen. Die im bisherigen Recht bestehende Lücke ist geschlossen.101 § 284 BGB ist keinesfalls eine unproblematische Norm. Die Rentabilitätsvermutung stellt jedoch keine befriedigende Alternative dar. Es erscheint für die Zukunft klüger, sich auf die neue Regelung einzulassen und ihr mittels konsequenter Anwendung möglichst präzise Konturen und Grenzen zu verleihen, als zwei schwierige Rechtsfiguren – § 284 BGB und die Rentabilitätsvermutung – in getrennten Anwendungsbereichen aufrechtzuerhalten und weiterzuführen. Die Lösungen könnten sich anderenfalls auseinander entwickeln, unter Umständen gar gegensätzliche Wertungen entfalten. Somit ist dem Landgericht Bonn entgegenzutreten, wenn es – zudem noch ohne Not, wie im vorherigen Kapitel dargelegt wurde – auf die Rentabilitätsvermutung zurückgreift. Dasselbe gilt für eine Entscheidung des 100
Ähnlich Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 142; derselbe, AcP 204, 81, 113, 114. 101 A. A. Klinck, Jura 2006, 481, 484. Er geht davon aus, dass § 284 BGB die Vermutungsrechtsprechung schon aufgrund der Rechtsnatur nicht verdrängen könne. Die Rentabilitätsvermutung ergebe sich aus allgemeinen Erfahrungssätzen, die auch heute weitergelten. Vgl. dagegen aber Teil 1 B.I., S. 44 ff.
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Teil 4: Das dogmatische Fundament
Oberlandesgerichts Karlsruhe.102 Ein gescheiterter Gebrauchtwagenkauf führte in diesem Fall dazu, dass der Käufer seine Vorleistungen auf den Kaufpreis und zusätzlich Aufwendungsersatz für die Kosten klageweise geltend machte, die ihm für die Fahrt zum Vertragsort und zur Übernahme des Fahrzeugs entstanden waren. Der Senat sah den Kaufpreis im Sinne der bisherigen Rechtsprechung als Mindestschaden an, der im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung zu erstatten sei (hier aus § 311a II BGB).103 Aus diesem Grund konnten die frustrierten Aufwendungen für die Fahrt zum Verkäufer nur mittels der Rentabilitätsvermutung ersetzt werden. Der Weg zu § 284 BGB war aufgrund der Alternativität versperrt.104 Möglich war jedoch der gleichzeitige Rücktritt vom Vertrag. Auf diese Weise hätte der Senat den bereits erbrachten Kaufpreis nach § 346 I BGB und die Fahrtkosten als frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB zusprechen und so den Rückgriff auf die bisherige Rechtsprechung entbehrlich machen können.
102 OLG Karlsruhe v. 14.09.2004, NJW 2005, 989 ff. Kritisch hierzu auch Schur, ZAP 2006, Fach 3, S. 227 ff. 103 OLG Karlsruhe, NJW 2005, 989, 991. 104 OLG Karlsruhe, NJW 2005, 989, 991.
Teil 5
Einzelfragen Die Tatbestandsmerkmale und ihre Anwendung A. Prämissen Im Folgenden sollen einige spezielle Fragen der Reichweite und Anwendung von § 284 BGB untersucht werden. Ziel ist eine widerspruchsfreie Entscheidung der Einzelprobleme, die den schon erarbeiteten Grundwertungen gerecht wird. Diese Prämissen sollen hier noch einmal kurz vorangestellt werden: • Der Gläubiger soll in seinem berechtigten Vertrauen auf die ordnungsgemäße Leistung seines Schuldners geschützt werden. • Der Grundsatz pacta sunt servanda soll gestärkt werden. Schuldhafte Pflichtverletzungen sollen in aller Regel nicht sanktionslos bleiben. • Der Gläubiger soll dadurch, dass der Schuldner das Schuldverhältnis nicht ordnungsgemäß erfüllt hat, keine Verluste erleiden. • Der Gläubiger soll einen Ersatz grundsätzlich nur für real eingetretene materielle Schäden erhalten, nicht für fiktive Verluste. • Die Pflichtverletzung des Schuldners soll sich nicht zu einem ungerechtfertigten Glücksfall für den Gläubiger entwickeln können (Bereicherungsverbot). • Das Interesse des Schuldners an einem kalkulierbaren und zumutbaren Haftungsrisiko soll gebührend berücksichtigt werden.
B. Schadensersatzanspruch statt der Leistung § 284 BGB gewährt Aufwendungsersatz nur „anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung“. Durch dieses Tatbestandsmerkmal wird nicht nur die Alternativität zwischen positivem und negativem Interesse angeordnet, sondern auch der Anwendungsbereich der neuen Norm erst eröffnet.1 Fer1 Anders Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 235/236, der hierin ein haftungsausfüllendes Tatbestandsmerkmal sieht. Zur Haftungsbegründung gehört aber neben der Schaffung von Vertrauen auch dessen Verletzung. Letzteres geschieht
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Teil 5: Einzelfragen
ner wird damit sichergestellt, dass der Anspruch im Allgemeinen von einem, wenn auch vermuteten, Verschulden abhängt.
I. Entbehrlichkeit eines materiellen Erfüllungsschadens Die Formulierung ist so zu verstehen, dass der Gläubiger „nach Maßgabe“ oder „unter den Voraussetzungen“ eines solchen Schadensersatzanspruchs statt der Leistung und den zusätzlichen Anforderungen, die sich aus § 284 BGB selbst ergeben, Aufwendungsersatz verlangen kann.2 Einen tatsächlich vorhandenen Erfüllungsschaden muss der Gläubiger nicht vorweisen können.3 Anderenfalls würde die Norm mit ihrem primären Zweck, den Gläubigern ohne kommerzielle Absichten eine Regressmöglichkeit zu gewähren, leer laufen. Bei Verträgen mit ideellen Zielen lag das Problem im bisherigen Recht gerade darin, dass ein materieller Schaden, der über den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung und nun statt der Leistung zu ersetzen wäre, nicht feststellbar war. Im Übrigen hinge es auch bei Verträgen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken von Zufälligkeiten ab, ob gleichzeitig ein materieller Erfüllungsschaden nachgewiesen werden könnte.4
II. Die verschiedenen Leistungsstörungen Mit dem Begriff des Schadensersatzes statt der Leistung soll auf alle Anspruchsgrundlagen verwiesen werden, die dem Gläubiger einen Ersatz seines Erfüllungsschadens verschaffen wollen.5 Je nach Art der Leistungsstörung und des gewählten Rechtsbehelfs des Gläubigers werden jedoch sowohl teleologische Reduktionen als auch die analoge Anwendung von § 284 BGB diskutiert. durch die Pflichtverletzung, die zugleich zum Schadensersatz statt der Leistung ermächtigt. Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter Teil 4 A.II.1., S. 186 f. 2 AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 6; dieselbe, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 2 d, S. 98 Rdnr. 53. 3 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 334 Fn. 39; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 13; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 15; Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 2 d, S. 97/98 Rdnr. 53; E. Schmidt, Das Schuldverhältnis, Kap. 10 2 d, S. 105 Rdnr. 254; KompaktKom-BGB/Hirse, § 284 Rdnr. 6; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 248; Bamberger/Roth-Grüneberg, § 284 Rdnr. 5. 4 Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 2 d, S. 98 Rdnr. 53. 5 Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 29; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 16; AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 3; KompaktKom-BGB/Hirse, § 284 Rdnr. 5; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 212.
B. Schadensersatzanspruch statt der Leistung
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1. Der Grundfall: Nichtleistung des Schuldners Leistet der Schuldner überhaupt nicht, stellt sich dies als unproblematischer Grundfall dar. Der Gesetzgeber sah den Anwendungsbereich der neuen Vorschrift auch gerade dort, wo bisher § 325 und § 326 BGB a. F. zum Tragen kamen.6 In der Situation einer nachträglichen objektiven oder subjektiven Unmöglichkeit kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen von §§ 280 I, III, 283 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Damit ist der Weg zu § 284 BGB frei. Ist dem Schuldner die Leistung nicht im Sinne von § 275 BGB unmöglich, er erbringt sie jedoch aus anderen Gründen nicht, kann der Gläubiger nach erfolgloser Fristsetzung dieselben Rechte geltend machen. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung ergibt sich dann aus §§ 280 I, III, 281 BGB. Im Falle der anfänglichen Unmöglichkeit, wiederum gleichgültig ob objektiv oder subjektiv, findet sich nunmehr in § 311a II BGB ein ausdrücklicher Hinweis auf § 284 BGB. Insoweit ergeben sich keine Zweifel an der Anwendbarkeit der Aufwendungsersatznorm.7 2. Beschränkte Störungen Schwieriger ist die Anwendung von § 284 BGB, wenn der Gläubiger die Leistung zwar erhält, diese jedoch unvollständig oder fehlerhaft ist. Bei solchen „beschränkte[n] Störungen“8 stellt sich die Frage, ob der Gläubiger auf die – wenn auch nicht ordnungsgemäß erbrachte – Leistung gänzlich verzichten muss, um seine Rechte aus § 284 BGB in Anspruch nehmen zu können. a) Teilleistung Kann der Schuldner nur einen Teil der geschuldeten Leistung erbringen, spricht man von quantitativer Unmöglichkeit. Der Gläubiger erhält gemäß §§ 280 I, III, 283 BGB für den unmöglichen Teil der Leistung Schadensersatz, darüber hinaus wird der Vertrag wie verabredet durchgeführt.9 Dies 6
Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 142. 7 Auch ohne Verweisung wäre § 284 BGB anwendbar. § 311a II BGB reiht sich in die Gruppe von Anspruchsgrundlagen auf Ersatz des Erfüllungsschadens ein. Gesonderte Bedeutung hat der Hinweis nur für das rechtmäßige Alternativverhalten, vgl. hierzu die Ausführungen unten unter Teil 5 G.II.1., S. 247 f. 8 Begriff nach MüKo-Ernst, § 281 Rdnr. 123. 9 MüKo-Ernst, § 281 Rdnr. 125; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 3, D II 3, S. 115 Rdnr. 123.
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Teil 5: Einzelfragen
gilt nach §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB gleichermaßen für die Fälle, in denen die Leistung zwar möglich ist, der Schuldner sie jedoch aus von ihm zu vertretenden Gründen auch nach einer Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht vollständig erbringt. Der Anspruch entspricht dem, was nach früherem Leistungsstörungsrecht als „kleiner Schadensersatz“ bezeichnet wurde.10 Hat der Gläubiger jedoch kein Interesse an der verbleibenden Teilleistung, kann er deren Annahme verweigern, beziehungsweise das bereits Erhaltene zurückgeben und stattdessen den sogenannten Schadensersatz statt der ganzen Leistung geltend machen (§ 280 I, III, 281 I 2; bei quantitativer Unmöglichkeit §§ 280 I, III, 283 S. 2, 281 I 2 BGB). Dieser Anspruch gleichbedeutend mit der Situation vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, in welcher der Gläubiger den „großen Schadensersatz“ geltend machen konnte und die bereits erbrachten Leistungen rückgewährt wurden, §§ 325 I 2, 280 II BGB a. F.11 In diesem Fall ist § 284 BGB unstreitig anwendbar. Ein Interesse des Gläubigers am Ersatz seiner frustrierten Aufwendungen ist aber auch bei einem kleinen Schadensersatz denkbar, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: Ein Großhändler bestellt 100 Fahrräder eines bestimmten Models zur Selbstabholung. Der Schuldner stellt jedoch nur 50 zur Verfügung, die übrige Leistung verweigert er ernsthaft und endgültig. Dem Gläubiger sind unnötige Transportkosten entstanden, weil er mit einem ausreichend großen Fahrzeug für die volle Menge angefahren war. Für die 50 abholbereiten Fahrräder hätte auch ein kleineres und günstigeres Fahrzeug gereicht.12
Die Frage der Frustrierung ist sorgfältig zu prüfen. Ist sie, wie in diesem Fall, zu bejahen, hat der Gläubiger ein nachvollziehbares Interesse, sich auf § 284 BGB berufen zu können, auch wenn er die Teilleistung des Schuldners behalten möchte. b) Mangelhafte Leistung im Kauf- und Werkvertrag Als beschränkte Störungen kann man ferner die mangelhafte Leistung im Kauf- und Werkvertragsrecht bezeichnen. Das Gesetz gewährt Käufern und Werkbestellern in den meisten Fällen einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung, es sei denn der Mangel 10 MüKo-Ernst, § 281 Rdnr. 125; S. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Kap. 6 § 3 V 1 b, S. 110 Rdnr. 216. 11 Gesetzesbegründung zu § 281 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 140; Grigoleit/Riehm, AcP 203, 727, 738; P. Huber, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 1 C II 1, S. 15 Rdnr. 23. 12 Beispiel nach Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4, D I, S. 175/176 Rdnr. 47.
B. Schadensersatzanspruch statt der Leistung
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ist nur unerheblich (§ 281 I 3 BGB, § 311a II 3 BGB). Ist der Mangel von vornherein unbehebbar, ergibt sich der Anspruch des Käufers aus §§ 437 Nr. 3, 440, 311a II BGB, der des Werkbestellers aus §§ 634 Nr. 4, 636, 311 a II BGB. Scheitert eine Nacherfüllung erst später, kann der Gläubiger sein Ersatzbegehren auf §§ 437 Nr. 3, 440, 280 I, III, 283 BGB beziehungsweise §§ 634 Nr. 4, 636, 280 I, III, 283 BGB stützen. Man spricht von einer qualitativen Unmöglichkeit. Ist eine Nacherfüllung zwar grundsätzlich möglich, der Schuldner führt diese jedoch trotz Fristsetzung durch den Gläubiger nicht erfolgreich durch, kann der Gläubiger ebenfalls auf die ordnungsgemäße Vertragserfüllung verzichten und stattdessen gemäß §§ 437 Nr. 3, 440 BGB beziehungsweise §§ 634 Nr. 4, 636 BGB in Verbindung mit §§ 280 I, III, 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Dasselbe gilt für die Situationen, in denen eine Fristsetzung nach § 281 II BGB entbehrlich ist. Die Normen verweisen ausdrücklich auf § 284 BGB, so dass prinzipiell kein Zweifel an dessen Anwendbarkeit aufkommen dürfte. § 284 BGB fordert zwar ein Vertrauen auf den „Erhalt“ der Leistung. Gemeint ist damit jedoch das Vertrauen in den „korrekten“ Leistungserhalt.13 Bei einem anderem Verständnis würde die Schlechtleistung gänzlich aus dem Anwendungsbereich herausfallen und die Regelung des Vertragskostenersatzes hätte nicht als entbehrlich aufgegeben werden dürfen.14 Auch bei einer mangelhaften Leistung sind (zumindest bei nicht unerheblichen Pflichtverletzungen, § 281 I 3 BGB) beide Möglichkeiten der Schadensabwicklung in Form des kleinen oder großen Schadensersatzes denkbar. Beim kleinen Schadensersatz wird freilich der Zweck der Aufwendungen in den seltensten Fällen frustriert sein, wenn der Gläubiger die Leistung tatsächlich, wenn auch nicht ordnungsgemäß, erhält und behalten möchte. Ausnahmen sind jedoch denkbar. Erwirbt der Gläubiger ein Grundstück, richten sich Beurkundungs- und Eintragungskosten nach dem Geschäftswert (§§ 18 ff. KostO). Stellt sich nun heraus, dass das Grundstück aufgrund eines von Anfang an bestehenden Mangels weniger Wert ist (beispielsweise weil eine bestimmte Nutzung wie im Diskotheken-Fall baurechtlich nicht zulässig ist), könnte der Gläubiger sich dafür entscheiden, das Grundstück dennoch zu behalten und den 13 Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 29. Dies hätte aber keiner gesetzestypischen Formulierung entsprochen. Canaris schlug deshalb die Formulierung „im Vertrauen darauf, dass er die Leistung wie geschuldet erhält“ vor, S. 29 und Fn. 89. 14 Gesetzesbegründung, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144; Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 29; vgl. auch die Erläuterung zur konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs in Fn. 2 zu § 439 BGB-KonsDiskE, abgedruckt bei Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. 382.
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Teil 5: Einzelfragen
Minderwert geltend zu machen. Dies ist im Rahmen einer Minderung nach §§ 437 Nr. 2, 441 BGB möglich oder über den Weg des kleinen Schadensersatzes, soweit der Verkäufer den Mangel auch zu vertreten hat. Daneben sind die Kosten für die Beurkundung und Eintragung in dem Maße vergeblich, wie sie an dem zu hohen Geschäftswert gemessen wurden. Dasselbe gilt für ein Finanzierungsdarlehen und die daraus entstehenden Kosten, die sich am ursprünglichen Kaufpreis orientierten und nunmehr teilweise nutzlos sein können.15 c) Bedenken und Gegenargumente Bedenken gegen den Ersatz der frustrierten Aufwendungen bei gleichzeitigem Festhalten an einem Teil der Vertragsdurchführung können sich allenfalls dann ergeben, wenn man diese Kombination für unvereinbar mit dem Ersatz des negativen Interesses hält. Der gleichzeitige Rücktritt vom Vertrag als Voraussetzung für den Ersatz des Vertrauensschadens wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ausdrücklich gestrichen.16 Verlangte man, dass der Gläubiger auch auf den Austausch der noch möglichen Leistungen verzichtet, würde dies faktisch aber die Wirkungen eines solchen Rücktritts herbeiführen.17 Ein Anspruch gerichtet auf Ersatz des negativen Interesses soll den Gläubiger freilich in die Situation versetzen, die ohne den Leistungsaustausch bestanden hätte. Das Schuldverhältnis lässt sich in dieser Hinsicht teilen.18 Das negative Interesse wird für den Bereich ersetzt, in dem auch das Vertrauen verletzt wurde. Bei einer quantitativen Unmöglichkeit betrifft dies nur die Aufwendungen, die dem nicht erbrachten Teil zuzuordnen sind. Bei einer qualitativen Störung sind die Kosten gemeint, die aufgrund der Fehlerhaftigkeit vergeblich geworden sind. Insoweit wird der status quo ante wiederhergestellt. Ein Verstoß gegen die Exklusivität von positivem und negativem Interesse wird auf diese Weise vermieden. Selbstverständlich kann der Gläubi15 Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 30. Ein weiteres Beispiel findet sich bei Dedek, ZGS 2005, 409, 412: Ein Fahrzeugkäufer kann sein zusätzlich erworbenes Navigationssystem nicht nutzen, weil die nötige Stromversorgung über den Zigarettenanzünder nicht funktioniert. Eine Reparatur ist nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich. 16 Vgl. § 325 I 2 BGB-DiskE, beispielsweise abgedruckt bei Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. 22. Vgl. auch Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 31; Löwisch, in: Festschrift für Wissmann, S. 38. 17 In diesem Sinne auch Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 343 für den Fall der bloßen Leistungsverzögerung, vgl. dazu die Ausführungen sogleich unter Teil 5 B.II.3.a), S. 211 ff. 18 So zum UN-Kaufrecht: MüKo-Huber, § 74 CISG Rdnr. 48.
B. Schadensersatzanspruch statt der Leistung
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ger bei einer mangelhaften Kaufsache nicht den entsprechenden Teil seiner Aufwendungen und daneben einen Ersatz für den Minderwert erhalten. Wird nämlich der Minderwert ausgeglichen, sind die Kosten des Gläubigers nicht frustriert.19 Das Problem liegt eher in der praktischen Durchführung. Es wird nicht leicht sein, die Frustration der Aufwendungen gerade im Hinblick auf den gestörten Teil der Leistung nachzuweisen. Da die Darlegungs- und Beweislast hierfür aber beim Gläubiger liegt, wird der Schuldner nicht belastet. Sollte der Anspruchssteller die Frustration ausnahmsweise ausreichend substantiiert vortragen und gegebenenfalls beweisen können, gibt es keinen Grund, ihm den begehrten Aufwendungsersatz zu verwehren. Der Gläubiger kann also auch bei beschränkten Störungen nach § 284 BGB vorgehen.20 Auf diese Weise wird er im Vergleich zum bisherigen Recht besser gestellt. Im Fall einer bloßen Minderung des Kaufvertrags konnte der Käufer über § 467 S. 2 BGB a. F. nämlich keinen, auch nur anteiligen, Vertragskostenersatz verlangen. 3. Fixaufwendungen a) Die Leistungsverzögerung Befindet sich der Schuldner mit der Leistung in Verzug, der Gläubiger hält jedoch an der Vertragsdurchführung fest, kann er seinen Verzögerungsschaden nach §§ 280 I, II, 286 BGB geltend machen. Dabei handelt es sich um einen Schadensersatz neben der Leistung, so dass § 284 BGB nicht direkt anwendbar ist. Im Allgemeinen genügt § 280 II BGB auch zur Befriedigung der Gläubigerinteressen. Müssen beziehungsweise können die Aufwendungen erneut getätigt werden, ist der zusätzliche Aufwand – etwa die Kosten für eine erneute Fahrt zur Abholung der Kaufsache – als klassischer Verzögerungsschaden zu ersetzen.21 Eine Lücke besteht jedoch dann, wenn die Aufwendungen durch die Verzögerung frustriert sind und eine Nachholung ausgeschlossen ist.22 19
Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 195. Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 31; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 42; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 D 1, S. 175 Rdnr. 47. 21 MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 14; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 17; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 40; Arnold/Dötsch, BB 2003, 2250, 2252; Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 150. 22 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 342; Arnold/Dötsch, BB 2003, 2250, 2252 in Fn. 19. Dauner-Lieb vermischt diese Konstellationen, wenn sie meint, die frustrierten Aufwendungen wären bisher 20
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Teil 5: Einzelfragen
Als Beispiel kann die im ersten Teil schon unter dem Stichwort „Eigentumswohnung“ besprochene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.04.1978 herangezogen werden. Die Kläger machten in dem Verfahren unter anderem einen Ersatz für Gemeinschaftskosten geltend, die sie für eine erworbene Eigentumswohnung aufgewendet hatten und aus denen sie aufgrund der Verzögerung des Einzugstermins keinen Nutzen ziehen konnten.23 Der Umstand, dass die Kläger ihre Wohnung schlussendlich erhielten, ändert an der Frustrierung dieser Aufwendungen nichts. Es handelte sich um „Fixaufwendungen“.24 Will der Gläubiger in einem solchen Fall nicht nach § 281 BGB vorgehen, weil er an der Vertragsdurchführung weiterhin interessiert ist, verbliebe ihm ohne § 284 BGB ein Schaden.25 b) Schlechtleistung Das gleiche Problem stellt sich, wenn die mangelhafte Leistung bereits zur endgültigen Frustration der Aufwendungen führt, aber der Mangel an der Leistung später behoben wird.26 Zu nennen sind zum Beispiel Produktionskosten, die aufgrund der mangelhaften Leistung vergeblich sind.27 Ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung kommt dann nicht in Betracht. Wie bei der bloßen Verzögerung der Leistung ist die Interessenlage auch hier vergleichbar und spricht dafür, dem Gläubiger einen Anspruch zu gewähren. Ein Ersatz des Vertrauensschadens kann auch im durchgeführten Schuldverhältnis angebracht sein. c) Argumente für und gegen eine Analogie Auch Fixaufwendungen werden im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Leistung getätigt und verfehlen aufgrund eines schuldhaften Fehlverhaltens „ganz unbefangen“ als Verzögerungsschaden ersetzt worden, in: Dauner-Lieb/Lepa/ Heidel/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 2, S. 99 Rdnr. 54. 23 BGH v. 21.04.1978, BGHZ 71, 234, 235. 24 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 341. 25 In diesem Fall nützt auch der Vorschlag von Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 59 wenig, die Anforderungen an die Fristsetzung bis zu deren Entbehrlichkeit zu reduzieren. Dem folgend aber Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 154. 26 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 343; AnwKom/Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 7. 27 AnwKom/Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 7. Ähnliches Beispiel bei Haedicke, ZGS 2006, 55 ff.: Die Montage einer Kaufsache, die aufgrund eines Fehlers der Aufbauanleitung falsch zusammengebaut und dabei beschädigt wird.
B. Schadensersatzanspruch statt der Leistung
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des Schuldners ihren Zweck. Das verletzte Gläubigervertrauen erscheint gleich schützenswert.28 § 284 BGB ist deshalb auf die Fälle der Fixaufwendungen analog anzuwenden. Für eine gegenteilige Entscheidung des Gesetzgebers, welche die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke verhindern würde, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.29 Wie bereits bei den beschränkten Störungen erörtert, ergibt sich weder aus der Gesetzesbegründung noch den weiteren Materialien, dass der Gesetzgeber den Aufwendungsersatzanspruch auf die Fälle der endgültigen Liquidation des Anspruchs beschränkt sehen wollte.30 Lehnt man eine Analogie ab, würde der Gläubiger geradezu genötigt, den Weg über einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung zu gehen, selbst wenn der Vertrag im Übrigen durchführbar wäre. Den Interessen des Schuldners wäre dadurch ebenso wenig gedient.31 Vor Einführung von § 284 BGB war die Rechtslage unklar. Der Bundesgerichtshof schloss die Anwendung der Rentabilitätsvermutung in einem obiter dictum nicht aus.32 Die überwiegende Ansicht in der Literatur lehnte – so weit sie sich überhaupt mit diesem Detailproblem befasste – Ansprüche dagegen ab. Man sah darin allenfalls eine Störung der Dispositionsfreiheit des Gläubigers, die sich nicht zwangsläufig in einer nachteiligen Vermögensdifferenz niederschlagen müsse.33 Diese Argumentation basiert 28 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 342; So auch schon zum alten Recht: Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 68. In diese Richtung auch Timme, MDR 2005, 1329, 1330. 29 Anderes MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 14; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 17; Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 58/59; Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 45; Haedicke, ZGS 2006, 55, 60. 30 Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 30/31; Gsell, in: Dauner-Lieb/ Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 342; Tröger, ZGS 2005, 462, 464. In diese Richtung aber Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 152 f., der meint, der Gesetzgeber wolle den Schuldner generell nur dann haften lassen, wenn die Erbringung der Leistung ausgeschlossen erscheint. Dem widerspricht jedoch schon die Möglichkeit eines Schadensersatzes wegen Verzögerung der Leistung nach § 280 I, II, 286 BGB. 31 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 343. Dies räumt auch Ernst ein, der sich gegen eine analoge Anwendung ausspricht, vgl. MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 14. 32 Der Hinweis von Otto, die Versagung des Ersatzanspruchs entspreche der bisherigen Praxis unter Verweis auf besagte BGH-Entscheidung geht fehl. Der BGH lehnte den Anspruch wegen fehlender Rentabilität ab und nicht etwa wegen der bloßen Leistungsverzögerung, vgl. dazu Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 17 und BGHZ 71, 234, 239. 33 Stoll, in seiner Anmerkung zu BGH v. 21.04.1978 – V ZR 235/77 –, JZ 1978, 797, 798; Staudinger-Medicus1983, § 249 Rdnr. 130. Vgl. auch schon die Ausführungen oben unter Teil 1 A.III.4.c), S. 41 f.
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Teil 5: Einzelfragen
allerdings auf dem Äquivalenzgedanken als Haftungsgrundlage. Man ging davon aus, dass auch die Fixaufwendungen durch die später noch erbrachte Leistung finanziell ausgeglichen werden konnten.34 Frustrierte Aufwendungen im Zusammenhang mit einer mangelhaften Leistung waren bisher nicht ersatzfähig. Zwar gibt es Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und entsprechende Rezensionen, die den Anschein erwecken, der Anspruch aus positiver Forderungsverletzung würde auch die nutzlosen Aufwendungen als Teil des Mangelfolgeschadens erfassen.35 So verkürzt ist dies nicht zutreffend. Die Produktionskosten wären bei ordnungsgemäßer Erfüllung ebenfalls angefallen, so dass sie sich von den klassischen Mangelfolgeschäden unterscheiden. Ein Ersatz wurde auch im Rahmen der positiven Forderungsverletzung nur über den Weg der Rentabilitätsvermutung gewährt. Lediglich kommt dies in der Begründung kaum noch zum Ausdruck.36 Etwas anderes galt nur für einen zusätzlichen Aufwand aufgrund der zunächst mangelhaften Lieferung. Dieser stellte einen kausal auf dem Mangel beruhenden Folgeschaden dar.37 Die Alternativität von Erfüllungs- und Vertrauensinteresse ist wiederum zu berücksichtigen. Macht der Käufer als Verzögerungsschaden einen entgangenen Gewinn aufgrund einer einmaligen Weiterveräußerungsmöglichkeit geltend, kann er nicht gleichzeitig Aufwendungen ersetzt verlangen, die aufgrund der Verzögerung vergeblich wurden. Diese wären im zu erzielenden Gewinn aufgegangen.38 Es verbleiben Schwierigkeiten in der praktischen Durchsetzung. Eine Frustration der Aufwendungen trotz endgültigen Leistungserhalts darzulegen und zu beweisen, wird dem Gläubiger schwer fallen. Wie schon bei den beschränkten Störungen widerspricht dies aber nicht der Anwendung von 34 Vgl. zum Äquivalenzgedanken in weiteren Normen des neuen Schuldrechts, Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 1 ff. 35 Vgl. z. B. BGH v. 12.01.1989 – V ZB 1/88 –, WM 1989, 575, 577. Hierzu auch Soergel-Huber, § 463 Anh Rdnr. 32. 36 Vgl. aber ausführlich und diesen Weg offenlegend: U. Huber, AcP 177, 281, 300. Andeutend auch schon RG v. 08.11.1940 – III 27/40 –, DR 1941, 637, 638 und Anmerkung hierzu Herschel, DR 1941, 639. Deshalb ist es unzutreffend, wenn Dauner-Lieb meint, es handele sich bei den Aufwendungen um Folgeschäden, die bisher „ganz unbefangen [. . .] ohne jegliche Rentabilitätserwägungen“ über die pVV ersetzt wurden, vgl. hierzu AnwKom/Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 7. 37 Montagekosten wurden von der Rechtsprechung unter § 476 S. 2 BGB a. F. subsumiert (u. a. BGH in seiner Dachziegel-Entscheidung v. 09.03.1983, NJW 1983, 1479), was wiederum dafür spricht, sie nunmehr auch dann von § 284 BGB erfasst zu sehen, wenn der Kaufvertrag letztlich erfüllt wird. Anderenfalls entstünde eine Lücke; so allerdings Haedicke, ZGS 2006, 55, 60. 38 Vgl. auch Weitemeyer, AcP 205, 275, 289; zum UN-Kaufrecht: MüKo-Huber, § 74 CISG Rdnr. 48.
B. Schadensersatzanspruch statt der Leistung
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§ 284 BGB. Sollte es dem Gläubiger im Einzelfall gelingen, die Zweckverfehlung darzulegen, gibt es keinen sachlichen Grund, ihm den Anspruch zu verwehren.39 4. Schutzpflichtverletzungen Die Verletzung von Schutzpflichten nach § 241 II BGB lässt das Leistungsinteresse des Gläubigers grundsätzlich unberührt. Gemäß § 280 I BGB kann er ohne weiteres den aus der Pflichtverletzung entstandenen Schaden ersetzt verlangen. Im Übrigen kann der Vertrag wie beabsichtigt durchgeführt werden. Wenn aber dem Gläubiger aufgrund der Begleitumstände ein Festhalten am Vertrag unzumutbar ist, soll er sich gemäß § 324 BGB mittels Rücktritt vom Vertrag lösen und nach §§ 280 I, III, 282 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen können.40 Dieses Recht ist auf wesentliche Pflichtverletzungen beschränkt. Erfasst werden die Situationen, die auch vor der Neugestaltung des Leistungsstörungsrechts zu einem Anspruch des Gläubigers auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung führten, weil ihm ein Festhalten am Vertrag unzumutbar war.41 Sind diese Voraussetzungen ausnahmsweise einmal gegeben, kann der Gläubiger anstelle seines Schadensersatzes statt der Leistung auch seine vergeblichen Aufwendungen, die er im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags getätigt hat, auf den Schuldner abwälzen.42 Der Gläubiger erhält so die Möglichkeit, sich von dem für ihn mit gravierenden Störungen verbundenen Vertrag ohne verbleibende finanzielle Nachteile zu lösen. Zwar berührt die Pflichtverletzung den Leistungsaustausch zunächst nicht.43 Vielmehr ist es die Entscheidung des Gläubigers, von der weiteren Vertragsdurchführung Abstand zu nehmen. Dem Schuldner sind aber die Folgen dieser Entscheidung zuzurechnen. Indem er eine Situation herbeiführt, die es dem Gläubiger unzumutbar macht, eine vollständige Vertrags39 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 342. Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 31; Koller, in: Koller/ Roth/Zimmermann (Hrsg.), Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, S. 60; E. Schmidt, Das Schuldverhältnis, Kap. 10 4 c, S. 114 Rdnr. 280; Klinck, Jura 2006, 481, 486 f. A. A. Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 5, der lieber die Rentabilitätsvermutung auf diese Fälle ausdehnen möchte; AnwKom-BGB/Arnold, § 284 Rdnr. 17. 40 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 282 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040 S. 141. 41 Vgl. Palandt-Heinrichs60, § 276 Rdnr. 124 mit weiteren Nachweisen. 42 Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 28/29; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 16; Stoppel, AcP 204, 81, 89: § 284 BGB soll immer dann anwendbar sein, wenn die Norm einen Anspruch auf das positive Interesse gewährt. 43 So auch AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 3.
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Teil 5: Einzelfragen
erfüllung abzuwarten, provoziert er die Abstandnahme vom Vertrag und hat letztlich auch das Vertrauen in den Erhalt der Leistung verletzt.
III. Besonderheiten einzelner Vertragstypen Wie im Kauf- und Werkvertragsrecht hält das Bürgerliche Gesetzbuch auch für andere Vertragstypen Sondervorschriften bereit. Bei der Verknüpfung dieses besonderen Schuldrechts mit den allgemeinen Regeln des Leistungsstörungsrechts hat der Gesetzgeber nicht an allen Stellen eine einheitliche Terminologie eingeführt. Insbesondere bei Miet-, Schenkungs- und Reiseverträgen muss die Anwendbarkeit von § 284 BGB deshalb gesondert begründet werden. 1. Mietvertrag Wandelt man die Stadthallen-Entscheidung dahingehend ab, dass sich die Vermieterin nicht weigert, die Halle zur Verfügung zu stellen, sondern diese aufgrund einer schlechten Wartung der Betreiberin nicht benutzbar ist – beispielsweise ist die Decke einsturzgefährdet44 – ergibt sich der Schadensersatzanspruch der Mieterin nicht unmittelbar aus §§ 280 I, III, 281 BGB. Vielmehr hält das Mietrecht für den Fall einer mangelhaften Mietsache ein eigenes Gewährleistungsrecht bereit. Gemäß § 536a BGB kann der Mieter schlichtweg „Schadensersatz“ verlangen, nicht aber einen solchen „statt der Leistung“, wie es § 284 BGB voraussetzt. Interessant ist dies vor allem deshalb, weil der Gesetzgeber den Wortlaut während des Gesetzgebungsverfahrens zur Schuldrechtsmodernisierung ausdrücklich änderte, um ihn an das neue Leistungsstörungsrecht anzupassen.45 Zuvor gewährte § 536a BGB a. F. entsprechend der bisherigen Terminologie einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. Im Gesetzgebungsverfahren war zunächst wohl vollends übersehen worden, die mietrechtlichen Vorschriften an die neue Terminologie und Paragrafenfolge anzupassen.46 Erst der Bundesrat forderte die Regierung in seiner Stellungnahme hierzu auf.47 Eine Verknüpfung des Mietrechts mit dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht, wie im Kauf- oder Werkvertragsrecht 44 Beispiel nach Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 2, S. 97 Rdnr. 52. 45 Bundestagsdrucksache 14/6857 S. 67 zu Nr. 121; AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 4; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C I, S. 160 Rdnr. 9; Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 36 f. 46 Kritisch zur fehlenden Koordinierung von Schuldrechtsreform und Mietrecht: Hirsch, Kündigung aus wichtigem Grund, u. a. S. 179, 181; Emmerich, NZM 2002, 362.
B. Schadensersatzanspruch statt der Leistung
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geschehen, lehnte die Regierung in ihrer Gegenäußerung ab. Man wollte an den Besonderheiten des Mietrechts, insbesondere der Garantiehaftung des Vermieters, festhalten.48 Um der Rechtsvereinheitlichung genüge zu tun, sollte der bisherige Schadensersatz wegen Nichterfüllung immerhin aber „im Sinne der neuen Terminologie als ‚Schadensersatz‘“ bezeichnet werden.49 Weitere nötige Anpassungen des Mietrechts an das neue Schuldrecht sollten aufgrund des Zeitdrucks und der Notwendigkeit einer genaueren Prüfung nicht mehr in demselben Gesetzgebungsverfahren erfolgen.50 Ob es sich bei der Wahl des Begriffs „Schadensersatz“ wirklich um ein bloßes Redaktionsversehen handelte, wie in der Literatur zumeist vertreten wird, lässt sich nicht endgültig klären.51 § 536a BGB ist nämlich mit dem klassischen Schadensersatz statt der Leistung nicht völlig deckungsgleich. Ersetzt werden über diese Norm auch Schadenspositionen, die anderenorts eher als Mangelfolgeschaden § 280 I BGB zugeordnet würden.52 Trotzdem sind frustrierte Aufwendungen im Mietrecht gleichermaßen problematisch; ein Bedürfnis für einen Ersatzanspruch ist kaum zu leugnen. Durch den gesetzlich geregelten Fall des Aufwendungsersatzes in § 536a II BGB werden die Interessen des Mieters nicht ausreichend gewahrt. Die Norm erfasst lediglich die Kosten einer Selbstvornahme der Mängelbeseitigung.53 Ein Ersatz vergeblicher Aufwendungen war bisher nur im Rahmen der Rentabilitätsvermutung und damit alleine bei gewerblicher Miete möglich.54 Diese Lücke im Bereich der Wohnraummiete rechtfertigt es, über die begrifflichen Unstimmigkeiten hinwegzusehen. 47 Nr. 121–124 der Stellungnahme des Bundesrats, Bundestagsdrucksache 14/6857, S. 35. 48 Gegenäußerung der Bundesregierung zu Nr. 121–124, Bundestagsdrucksache 14/6857, S. 66. 49 Gegenäußerung der Bundesregierung zu Nr. 121–124, Bundestagsdrucksache 14/6857, S. 66/67. 50 Gegenäußerung der Bundesregierung zu Nr. 121–124, Bundestagsdrucksache 14/6857, S. 67. 51 So aber Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C I, S. 160 Rdnr. 9; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 15; Staudinger-Emmerich2003, § 536a, Rdnr. 24; HK-BGB/Schulze, § 284 Rdnr. 4; Jauernig/Stadler, § 284 Rdnr. 2; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 250; Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 35 ff. 52 Vgl. hierzu Oechsler, SchuldR BT VertragsR, § 6 II 4, S. 336 Rdnr. 557; derselbe, NZM 2004, 647; so auch Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 15. 53 Oechsler, NZM 2004, 647, 648; Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 57/58. § 539 I BGB gewährt ebenfalls einen Aufwendungsersatz, läuft dabei in den meisten Fällen jedoch leer, weil im Allgemeinen die Voraussetzungen einer GoA nicht vorliegen werden, vgl. Oechsler, NZM 2004, 647, 648. 54 MüKo-Schilling, § 536a Rdnr. 15; Emmerich, NZM 2002, 362, 364.
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Teil 5: Einzelfragen
2. Schenkungs- und Reisevertrag Beim Schenkungsvertrag, genauso wie beim Reisevertrag, hat der Gesetzgeber eine Anpassung der Terminologie gänzlich unterlassen und nur die Verweisungsnormen der neuen Paragrafenreihenfolge angepasst. Dem Gläubiger wird weiterhin ein Anspruch auf Schadensersatz „wegen Nichterfüllung“ und nicht „statt der Leistung“ gewährt. Diese Nachlässigkeit im Gesetzgebungsverfahren darf nicht zur Versagung des Anspruchs führen. § 284 BGB sollte immer dann anwendbar sein, wenn der Gläubiger auch einen Ersatz des Erfüllungsschadens verlangen könnte.55 § 284 BGB ist deshalb auf die Fälle der §§ 523, 524 BGB und § 651f BGB anwendbar. Dass der Schenkungsvertrag nur eine einseitige Leistungspflicht auferlegt, schadet dabei nicht; § 284 BGB setzt kein Synallagma voraus. 3. Leihvertrag Der Leihvertrag nimmt eine Sonderstellung ein. § 600 BGB hält eine Anspruchsgrundlage für den Schadensersatz wegen arglistigen Verschweigens eines Rechtsmangels oder eines Fehlers des verliehenen Gegenstands bereit und privilegiert den Entleiher insoweit, als er bei lediglich fahrlässig unterlassener Information nicht haften soll. Der Anspruch ist auf das negative Interesse gerichtet, so dass der Gläubiger auch einen Ersatz seiner frustrierten Aufwendungen geltend machen kann.56 Für alle anderen Fälle von Leistungsstörungen gilt dagegen das allgemeine Schuldrecht,57 so dass § 284 BGB immer dann die Gläubigerrechte erweitert, wenn die Voraussetzungen der §§ 281–283 BGB erfüllt sind, wobei dem Verleiher der mildere Haftungsmaßstab des § 599 BGB zu Gute kommt. Da die verletzten Pflichten nicht synallagmatisch sein müssen, kann auch der Entleiher einer Haftung nach § 284 BGB unterliegen. Ist es ihm aus Gründen, die er zu vertreten hat, beispielsweise nicht möglich, den Leihgegenstand zurückzugeben, hat aber der Gläubiger bereits für den weiteren Gebrauch der Sache Aufwendungen getätigt, kann dieser über § 284 BGB Ersatz verlangen.58 55 Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 29; AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 3; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 16; Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 41; MüKo-Ernst § 284 Rdnr. 12 mit Hinweis auf MüKo-Emmerich, Vor § 281 Rdnr. 1. 56 U. a. MüKo-Kollhosser, § 600 Rdnr. 3. 57 MüKo-Kollhosser, § 600 Rdnr. 5. 58 Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 11.
C. Konkurrenzverhältnis zum Rücktrittsrecht
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C. Konkurrenzverhältnis zum Rücktrittsrecht I. Die bereits erbrachte Leistung des Gläubigers Insbesondere derjenige Vertragspartner, dem das Scheitern des Geschäfts nicht anzulasten ist, hat ein massives und auch berechtigtes Interesse daran, seine bereits erbrachte Leistung rückgängig zu machen, wenn er im Gegenzug nichts oder zumindest nur eine wertlose Gegenleistung erhält.59 Dies gilt unabhängig davon, ob der Gläubiger bei einem Vergleich der vereinbarten Leistungen ein ungünstiges Geschäft gemacht hätte. Der Gläubiger erhält einen Rückgewähranspruch aus § 346 BGB, wenn er vom Vertrag zurücktritt. Daneben kann er seine weiteren frustrierten Aufwendungen nach § 284 BGB ersetzt verlangen. Das Kumulationsverbot von Schadensersatz und Rücktritt, das ursprünglich das Motiv dafür war, die Gegenleistung als Mindestschaden im Rahmen der Rentabilitätsvermutung zu ersetzen, ist in § 325 BGB explizit aufgehoben.60 Daneben gibt es jedoch die Überlegung, ob die bereits erbrachte Leistung des Gläubigers auch direkt über § 284 BGB ersatzfähig sein könnte. Auch die eigene Leistung des Gläubigers ist ein Vermögensopfer, das im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Leistung des Schuldners getätigt wurde und genügt soweit prinzipiell den Anforderungen des § 284 BGB. Lediglich an der Feststellung, die Gegenleistung sei ein freiwilliges Vermögensopfer, könnte man Zweifel anmelden. Freiwilligkeit ist für § 284 BGB indessen nur insoweit zu verlangen, als damit eine Abgrenzung zu einer völlig un59 U. a. Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, § 13 IV 2, S. 207; zum alten Recht: Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 98. 60 Reim, NJW 2003, 3662, 3665; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2 c, S. 163 Rdnr. 17; S. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005, S. 31; Gsell für den Fall des Schadensersatzes mittels der Rentabilitätsvermutung, JZ 2004, 643, 647. Zum alten Recht: U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, § 39 I, S. 199; MüKo-Emmerich4/2001, § 325 Rdnr. 68/69; Roth, JuS 1999, 220, 221.Vgl. auch die Ausführungen oben unter Teil 1 A.III.2.a), S. 35 ff. Aus diesem Grund sollte die Einbeziehung der eigenen Leistung des Gläubigers in den Schadensersatz statt der Leistung ebenfalls aufgegeben und stattdessen auf das Rücktrittsrecht verwiesen werden; vgl. ausführlich Staudinger-Kaiser2004, Vorbem zu §§ 346–354 Rdnr. 75 f. A. A. Staudinger-Otto2004, § 280 Rdnr. E 111; Palandt-Heinrichs, § 281 Rdnr. 23; MüKo-Emmerich, Vor § 281 Rdnr. 32; derselbe, Leistungsstörungen, § 13 IV 2, S. 207. AnwKom-BGB/Arnold, § 284 Rdnr. 24 will sogar die Alternativität zwischen § 284 BGB und einem Schadensersatz statt der Leistung ausnahmsweise aufgeben, um die bereits erbrachten Leistungen als Mindestschaden über die Rentabilitätsvermutung neben einem Aufwendungsersatzanspruch ersatzfähig zu machen.
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Teil 5: Einzelfragen
gewollten Einbuße vorgenommen werden soll.61 Nicht etwa muss der Gläubiger seine Aufwendungen vollständig „aus freien Stücken“ tätigen.62 Der Einbeziehung der Gegenleistung in den Tatbestand von § 284 BGB steht deshalb nicht entgegen, dass der Vertragsschluss zugleich eine entsprechende Pflicht des Gläubigers begründet.63 Das Rücktrittsrecht ist jedoch sachnäher.64 Es enthält differenzierte Regelungen zum Wertersatz für den Fall, dass der eine oder andere Vertragspartner die Leistung nicht oder zumindest nicht unverändert zurückgewähren kann. Hiergegen wird eingewandt, dass ein Vorgehen über § 284 BGB für den Gläubiger vorteilhaft sein kann, wenn seine eigene Verpflichtung nicht in der Erbringung einer Geld- sondern einer Sachleistung besteht, er aber bei der Rückabwicklung einen Wertersatz vorziehen würde.65 Zu denken ist wohl nur an die eher seltenen Fälle eines Tauschgeschäfts. Über das Rücktrittsrecht steht dem Tauschpartner ein Wertersatz nur dann zu, wenn die Rückgabe der Sache an den in § 346 II BGB genannten Gründen scheitert. Nach § 284 BGB wäre dagegen in jedem Fall eine Entschädigung in Geld zu leisten. Eine solche Begünstigung des Gläubigers ist gleichwohl nicht angebracht. Bekommt er seine Sachleistung in natura wieder, ist der status quo ante hergestellt. Hat der Gläubiger wider Erwarten an der Sache kein Interesse mehr, ist dies – im Unterschied zu den anderen Aufwendungen – in aller Regel nicht auf den Vertrauensbruch des Schuldners zurückzuführen. Außerdem ist bei § 284 BGB nicht ganz unumstritten, ob bei einem wirtschaftlich ungünstigen Geschäft, bei dem die Leistung des Gläubigers 61 Ein Bedürfnis für eine analoge Anwendung ähnlich der Ausdehnung von § 670 BGB besteht nicht. Nachteile, die mit dem Vertrauen auf den Leistungserhalt zusammenhängen, aber unabhängig vom Willen des Gläubigers entstehen, können als einfache Begleitschäden über §§ 280 I, 241 II BGB und zumeist auch aufgrund deliktischer Anspruchsgrundlagen ersetzt werden. Vgl. auch Faust, in: P. Huber/ Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 1, S. 162 Rdnr. 12; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 206; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 23. Otto hat damit seine Meinung aus Jura 2002, 1, 9 revidiert. Für eine Einbeziehung von Schäden Oechsler, Schuldrecht BT § 2 VI 3, S. 153 Rdnr. 257. 62 Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 20. 63 Stoppel, AcP 204, 81, 91; derselbe, Jura 2003, 204, 228; Müggenborg, NJW 2005, 2810, 2814. Dies entspricht auch der von Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 25 I 1, S. 595 gewählten Umschreibung, wonach freiwillig jedes Opfer sei, „das vermieden werden kann, mag es auch von der Rechtsordnung gefordert werden.“ 64 Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 22; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2 c, S. 163 Rdnr. 17; Jauernig/Stadler, § 284 Rdnr. 8; Reim, NJW 2003, 3662, 3665; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 16. Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 177; Stoppel, Jura 2003, 224, 228; Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 10; Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 68; Kaiser, JZ 2001, 1057, 1058. 65 Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 66.
C. Konkurrenzverhältnis zum Rücktrittsrecht
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mehr wert ist als die versprochene Schuldnerleistung, dem Schuldner der Verlusteinwand offen stehen soll.66 Ein solcher Wertvergleich ist allerdings wenig sachgerecht. Der Rücktritt stellt freilich einen zusätzlichen Rechtsbehelf dar, den der Gläubiger wahrnehmen muss, um in den Genuss eines vollständigen Ersatzes zu gelangen. Im Allgemeinen wird das Begehren des Gläubigers, schadlos gestellt zu werden und auch seine bereits erbrachten Leistungen zurückzuerhalten, aber als Ausübung des Rücktrittsrechts in Verbindung mit der Geltendmachung des entsprechenden Schadensersatzanspruchs ausgelegt werden können. Der Rücktritt ist weder an eine Frist gebunden noch wird er durch ein einmal erklärtes Schadensersatzbegehren ausgeschlossen. Indem der Gläubiger das Gestaltungsrecht nachholen kann, wird er durch das Erfordernis, zwei Rechtsbehelfe geltend zu machen, nicht über Gebühr belastet.67 Ein faktischer Zwang zur Rückabwicklung des Vertrags ist ebenso wenig zu befürchten.68 Liegt der seltene Fall vor, dass eine mangelhafte Leistung des Schuldners bereits die endgültige Frustrierung der Gläubigeraufwendungen verursacht (Fixaufwendungen), sollte § 284 BGB auch dann angewandt werden, wenn der Gläubiger an der Durchführung des Vertrags festhält.69 Daneben kann der Gläubiger beispielsweise im Falle einer mangelhaften Kaufsache den Kaufpreis mindern und den zu viel bezahlten Betrag gemäß § 441 I, IV BGB zurückfordern. Er ist nicht gezwungen, sich gegen die Fortsetzung des Vertrags zu entscheiden, um sich schadlos stellen zu können. 66 So Faust für den Fall, dass das Geschäft der Gewinnerzielung diente, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C V 3, S. 174 Rdnr. 44. Dies führt allerdings zu einer abzulehnenden Schlechterstellung des kommerziell handelnden Gläubigers im Vergleich zur Rechtslage vor 2002. Selbst wenn man die Gegenleistung unter § 284 BGB subsumiert, ist ein Verlusteinwand nicht zuzulassen, weil nur auf den unmittelbaren Zweck, die Schuldnerleistung zu erlangen, abzustellen ist, vgl. die Ausführungen unten unter Teil 5 G.II., S. 247 ff. 67 A. A. Derleder, NJW 2004, 969, 973. Allerdings geht es ihm hauptsächlich darum, den Gläubiger nicht seines Ersatzanspruchs für die aufgewendeten Vertragskosten zu berauben. Die Entscheidung ist jedoch von der Frage, über welche Anspruchsgrundlage die eigene Leistung zu ersetzen ist, unabhängig, vgl. die nachstehenden Ausführungen unter Teil 5 C.II., S. 222 ff. 68 Ein solcher würde mit der Entstehungsgeschichte von § 284 BGB kollidieren. Sowohl der Kommissionsentwurf von 1992 als auch der Diskussionsentwurf von 2000 – beide wollten dem Gläubiger wahlweise statt seines Erfüllungsinteresses einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens gewähren – setzten zwingend einen Rücktritt vom Vertrag voraus. Dieses einschränkende Kriterium wurde mit § 284 BGB explizit aufgegeben; vgl. Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 31; vgl. dazu den Text von § 325 I 2 BGB-DiskE, abgedruckt bei Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, S. 22 69 Vgl. hierzu ausführlich die Ausführungen oben unter Teil 5 B.II.3., S. 211 ff.
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Teil 5: Einzelfragen
II. Die Vertragskosten Über die bereits erbrachten Leistungen des Gläubigers hinaus sollte das Rücktrittsrecht keinen Vorrang vor § 284 BGB einnehmen. Insbesondere ist § 347 II BGB nicht als abschließende Regelung zu verstehen.70 Sachbezogene Verwendungen sind nach § 347 II 1 BGB nur dann ersatzfähig, wenn sie auch notwendig sind. Zudem koppelt Satz 1 den Ersatzanspruch an die weitere Voraussetzung, dass auch der Rücktrittsgegner seine Leistung zurück- oder zumindest Wertersatz erhält oder der Wertersatz nach § 346 III Nr. 1 oder Nr. 2 BGB ausgeschlossen ist. § 346 III Nr. 3 BGB, der die Wertersatzpflicht im Falle des gesetzlichen Rücktrittsrechts ausschließt, wenn der Berechtigte immerhin die eigenübliche Sorgfalt hat walten lassen, wird dagegen nicht genannt. Diese Privilegierung soll nämlich nicht noch durch einen zusätzlichen Verwendungsersatzanspruch ergänzt werden.71 Diese Differenzierungen sollen nicht durch andere Vorschriften unterlaufen werden.72 Gemeint ist damit jedoch nur das Rückabwicklungsinstitut des Bereicherungsrechts – speziell die Verwendungskondiktion nach § 812 I 1 2. Alt. BGB –, nicht aber Anspruchsgrundlagen, die einen anderen Wertungshintergrund haben.73 Das Schadensersatzrecht und damit auch § 284 BGB stehen daneben in Anspruchskonkurrenz.74 Die Einschränkung im Rücktrittsrecht erklärt sich nämlich durch dessen Verschuldensunabhängigkeit.75 Wer in einer zu vertretenden Weise das Scheitern des Vertrags verursacht hat, kann auch dann zum Aufwendungsersatz verpflichtet sein, wenn er selbst keinen Ersatz erlangt.76 70 Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2 d, S. 164 Rdnr. 19; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 16. 71 Zu dieser Wertung: HK-BGB/Schulze, § 347 Rdnr. 5; Staudinger-Kaiser2004, § 347 Rdnr. 23 und 42. 72 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 347, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 197; MüKo-Gaier, § 347 Rdnr. 14. 73 HK-BGB/Schulze, § 347 Rdnr. 5; Derleder, NJW 2004, 969, 973. 74 HK-BGB/Schulze, § 347 Rdnr. 5; Derleder, NJW 2004, 969, 973; StaudingerKaiser2004, § 347 Rdnr. 35 und 62; Arnold/Dötsch, BB 2003, 2250, 2251; Gsell, JZ 2004, 643, 644; OLG Stuttgart v. 25.08.2004, ZGS 2004, 434, 435 und BGH v. 22.07.2005, NJW 2005, 2848, 2849 f. A. A. Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2, S. 164 Rdnr. 19; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 16. 75 Arnold/Dötsch, BB 2003, 2250, 2251; Bruch, Frustrierte Aufwendungen nach § 284 BGB, S. 58; a. A. Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2, S. 164 Rdnr. 19; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 16. 76 Arnold/Dötsch, BB 2003, 2250, 2251. Aus demselben Grund ist auch eine Analogie zu § 346 III BGB, wie sie Jan Stoppel erwägt, dann aber verwirft, abzulehnen. Hat der Gläubiger des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 284 BGB den
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Problematisch wäre ein Vorrang von § 347 II BGB vor allem aber deshalb, weil „andere Aufwendungen“ (als Verwendungen auf die Sache) gemäß Satz 2 nur ersatzfähig sind, „soweit der Gläubiger durch diese bereichert wird“. An einer solchen Bereicherung fehlt es jedoch bei den Kosten des Vertragsschlusses,77 die der Gesetzgeber bei gleichzeitiger Streichung von 467 S. 2 BGB a. F. von der Neuregelung erfasst sehen wollte.78 Hätte der Bundesgerichtshof sich in seiner Fahrzeugkauf-Entscheidung auf die Anwendung von § 347 II BGB beschränkt, wäre ein Ersatz der Zulassungs- und Überführungskosten für den Käufer ausgeschlossen gewesen. Die Kosten dienen nicht der Erhaltung einer Sache und sind deshalb keine Verwendungen im Sinne von Satz 1. Satz 2 wäre ebenso wenig erfolgsversprechend gewesen, weil ein Verkäufer des Fahrzeugs durch diese Kosten nicht bereichert wird.79 Die Rentabilitätsvermutung wäre auf den Plan gerufen, um zumindest einen Teil der neuen Lücke zu schließen. Die Gläubiger, die auch hiervon nicht profitieren könnten, würden dagegen in eine noch schlechtere Lage versetzt als vor der Schuldrechtsmodernisierung, als ihnen zumindest im Kauf- und Werkvertragsrechts eine Anspruchsgrundlage zur Verfügung stand. Der Bundesgerichtshof griff deshalb in der Fahrzeugkauf-Entscheidung zu Recht auf § 284 BGB zurück.80 In einer weiteren aktuellen Entscheidung ging der V. Senat ganz selbstverständlich davon aus, dass neben der Rückabwicklung eines Vertrags über das Rücktrittsrecht Maklergebühren und die Kosten der Kaufpreisfinanzierung, mithin Vertragskosten, über § 284 BGB ersatzfähig sind.81
Untergang der Sache schuldhaft verursacht, ergeben sich im Übrigen Gegenansprüche des Schuldners aus § 280 I BGB oder § 823 I BGB, mit denen dieser aufrechnen kann. Siehe im Einzelnen Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 568 ff.; derselbe, AcP 204, 81, 93. 77 Gaier, WM 2002, 1, 7; Kaiser, JZ 2001, 1057, 1069; Arnold/Dötsch, BB 2003, 2250, 2251. 78 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 437, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 225, und zu § 284, S. 144. 79 Dedek, ZGS 2005, 409, 410. 80 BGH, NJW 2005, 2848, 2849. 81 BGH v. 20.01.2006 – V ZR 124/05 –, NJW 2006, 1198, 1199 am Ende.
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Teil 5: Einzelfragen
D. Beschränkung auf tatsächliche Verluste I. Entgangener Gewinn 1. Keine Ersatzfähigkeit Die Definition der Aufwendungen als freiwillige Vermögenseinbußen sagt nichts darüber aus, ob der Verlust ein realer sein muss. Tatsächlich getätigte Aufwendungen spiegeln sich unmittelbar in einem messbaren Minus im Vermögen des Gläubigers wieder, weil dieser Geld aufwenden muss, um sein Ziel zu erreichen. Eine Vermögenseinbuße kann aber auch darin gesehen werden, dass ein Vermögen nicht den Zuwachs erhält, der anderenfalls möglich gewesen wäre. Es handelt sich dann um einen fiktiven Nachteil. Zu denken ist an einen entgangenen Gewinn aus einem hypothetischen Alternativgeschäft, auf das der Gläubiger im Glauben an die Vertragserfüllung durch den Schuldner verzichtet hat. Der Ersatz solcher fiktiver Einbußen ist zur Erreichung der ratio legis von § 284 BGB nicht erforderlich und deshalb aus dem Aufwendungsbegriff herauszunehmen. Die Interessen des Gläubigers werden ausreichend gewahrt, wenn ihm seine tatsächlich angefallenen Kosten ersetzt werden. Würde man einen Ersatz für nicht erzielte Vermögenszuflüsse gewähren, wäre die Grenze zu einer ungerechtfertigten Besserstellung des Gläubigers fließend.82 Der entgangene Gewinn, den der Gläubiger in der Zwischenzeit durch Abschluss eines günstigeren Alternativgeschäfts hätte erwirtschaften können, ist deshalb von § 284 BGB nicht erfasst.83 Dies deckt sich mit den Vorstellungen im Gesetzgebungsverfahren.84 Die Wandlung von einem Anspruch auf Ersatz des gesamten negativen Interesses hin zu § 284 BGB in der jetzigen Form vollzog sich vor allem auch deshalb, weil man es für „nicht vertretbar“ hielt, dass der Gläubiger einen entgangenen Gewinn liquidieren könne. Auch bei § 311a II BGB, der In diese Richtung auch Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 24. Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 24; derselbe, Jura 2002, 1, 9; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 1., S. 161 Rdnr. 11 f.; Oechsler, Schuldrecht BT VertragsR, § 2 V B VI, S. 158 Rdnr. 264; Canaris, JZ 2001, 499, 507; HK-BGB/Schulze, § 284 Rdnr. 13; Auer-Grüneberg, § 284 Rdnr. 13; Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 D III 3, S. 100 Rdnr. 56; Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, § 4 V 6, S. 121; Reim, NJW 2003, 3662, 3664; Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 6; Westphalen/Meier-Göring, Neues Schuldrecht, S. 11. A. A. MüKo-Ernst § 284 Rdnr. 17; AnwKom-BGB/Arnold, § 284 Rdnr. 23. 84 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 143. 82 83
D. Beschränkung auf tatsächliche Verluste
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§ 284 BGB anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung für anwendbar erklärt, schließt der Gesetzgeber in der offiziellen Begründung einen solchen Ersatz aus.85 2. Die Gegenansicht Wolfgang Ernst möchte dieser Beschränkung auf die tatsächlich angefallenen Kosten nicht folgen. Er bildet folgendes Beispiel, das die Richtigkeit des Ersatzes von entgangenem Gewinn aufzeigen soll: Eine Organisation verfügt über einen Saal, in dem sie eine eigene eintrittsfreie Vortragsveranstaltung durchführen möchte. Sie engagiert einen Redner, der jedoch pflichtwidrig absagt, weshalb die Veranstaltung ausfallen muss. Hätte die Organisation nicht auf die Vertragserfüllung durch den Redner vertraut, hätte sie den Saal – wie gewöhnlich auch – gegen Entgelt an einen Dritten vermietet.86
In diesem Fall möchte auch Jörg Sebastian Unholtz, der sich prinzipiell im Sinne der Gesetzesbegründung gegen eine Einbeziehung des entgangenen Gewinns in den Tatbestand von § 284 BGB ausspricht, einen Ersatz gewähren. Dies solle nicht einmal mit dem Anliegen des Normgebers kollidieren, weil man im Gesetzgebungsverfahren lediglich an die Fälle gedacht habe, in denen ein günstigeres Alternativgeschäft verpasst worden wäre.87 Ökonomisch betrachtet ist jedoch kein Unterschied erkennbar, der eine differenzierende Sichtweise rechtfertigen würde. Auch bei der verpassten Möglichkeit zur Vermietung geht es um ein Geschäft, das – betrachtet man den unmittelbar zu erzielenden Erlös – lukrativer gewesen wäre als die Nutzung der Halle für eigene Zwecke. Im Sinne einer Kosten-Nutzen-Analyse wären sicherlich auch fernerliegende Gewinne zu berücksichtigen. Man unterstelle, die Organisation habe zu eigenen Zwecken eine sehr effektive umsatzsteigernde Marketingveranstaltung geplant. Dann wäre der fiktive Verlust der eigentlich geplanten Veranstaltung höher als der aus dem Alternativgeschäft. Auf die Frage, welche entgangenen Gewinne zu berücksichtigen sind, kommt es dennoch nicht an. Eine tatsächliche materielle Einbuße ist nämlich in beiden Fällen nicht zu erkennen. 3. Konsequenz für die Fälle des § 307 BGB a. F. Im Falle der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit scheint § 284 BGB zumindest auf den ersten Blick eine Schlechterstellung des Gläubigers im 85 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 311a BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 165. 86 MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 17. 87 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 204.
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Teil 5: Einzelfragen
Vergleich zur Situation vor der Schuldrechtsreform zu bewirken.88 Der Gläubiger war gemäß §§ 306, 307 I BGB a. F. in die Lage zu versetzen, die ohne den Vertragsschluss bestanden hätte. Ihm war sein gesamter Vertrauensschaden inklusive entgangenen Gewinns aus einem lukrativeren Alternativgeschäft auszugleichen. Diese Neuerung ist jedoch weniger § 284 BGB zuzuschreiben als der Tatsache, dass § 306 BGB a. F. mit seiner Nichtigkeitsfolge aufgegeben und durch § 311a BGB ersetzt wurde. Auch bei einer anfänglichen Unmöglichkeit bleibt der Vertrag nunmehr – wenn auch ohne Primärpflichten – wirksam und dem Gläubiger wird für den Fall der Kenntnis beziehungsweise fahrlässigen Unkenntnis des Schuldners sein Erfüllungsinteresse ersetzt.89 Wahlweise kann er dann, wie in allen anderen Fällen des Schadensersatzes statt der Leistung auch, nach § 284 BGB vorgehen.90 Dennoch ist der Nachteil zum bisherigen Recht verschwindend gering. Der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens nach § 307 BGB a. F. war nämlich zumindest dann, wenn der Gläubiger kommerzielle Zwecke verfolgte, auf das positive Interesse begrenzt.91 Der Gläubiger konnte den entgangenen Gewinn nur bis zu der Höhe geltend machen, in der er auch bei Wirksamkeit des Vertrags einen solchen erzielt hätte. Dieser Betrag steht dem Gläubiger nach neuem Recht schon unmittelbar als Teil des Schadensersatzes statt der Leistung nach § 311a II BGB in Verbindung mit § 252 BGB zu.
II. Darlehensverbindlichkeiten Im Gegensatz zum entgangenen Gewinn aus einem lukrativeren Alternativgeschäft liegt in der Eingehung von Verbindlichkeiten eine reale Einbuße, die von § 284 BGB erfasst werden sollte.92 Nimmt der Gläubiger einen Finanzierungskredit auf, können sich die Tilgungszinsen als vergeb88
Schwarze, Jura 2002, 73, 80. Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, ein Lehrbuch, § 2 V, S. 117/118 Rdnr. 84 ff. 90 Irreführend ist insoweit die Äußerung von Otto, Jura 2002, 1, 9, der Gläubiger müsse nach Aufhebung von § 306 BGB a. F. nicht mehr auf die Gültigkeit des Vertrags vertrauen, um Ersatzansprüche geltend machen zu können. Dies gilt nur für das positive Interesse nach § 311a II BGB. Der Aufwendungsersatz nach § 284 BGB setzt zumindest im Grundsatz ein Vertrauen in die Wirksamkeit des Vertrags voraus, anderenfalls können Aufwendungen nicht im schutzwürdigen Vertrauen auf den Erhalt der Leistung erfolgt sein. 91 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 311a BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 165; Otto, Jura 2002, 1, 9. 92 HK-BGB/Schulze, § 284 Rdnr. 6; AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 10; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 25. 89
D. Beschränkung auf tatsächliche Verluste
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lich erweisen, wenn der Vertrag schließlich an einer Pflichtverletzung des Schuldners scheitert. Die Ersetzbarkeit dieser Aufwendungen wurde vom Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung auch bereits beiläufig bestätigt. Der Käufer verlangte unter anderem Ersatz für die an das Kreditinstitut zu zahlenden Aufwendungen zur Finanzierung des Kaufgegenstands sowie für die Gebühren, die für die Eintragung eines Grundpfandrechts zur Sicherung der Darlehensverbindlichkeit angefallen waren.93 Wandelte der Käufer nach altem Recht seinen Kaufvertrag, bekam er gemäß § 467 S. 2 BGB a. F. seine Vertragskosten, nach überwiegender Meinung aber nicht seine Finanzierungskosten ersetzt. Diese sind zwar in der Erwartung getätigt, eine fehlerfreie Sache zu erhalten, nicht aber zum Zwecke des Vertragsabschlusses oder der Ausführung der Lieferung. § 467 S. 2 BGB a. F. wurde aufgrund seiner Verschuldensunabhängigkeit restriktiv gehandhabt. Der Verkäufer hatte den Kaufpreis deshalb lediglich mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.94 Daneben konnte der Gläubiger nur im Falle des § 463 BGB a. F. über die Rentabilitätsvermutung zu einem Ersatz seiner tatsächlichen Finanzierungskosten gelangen.95 Durch die Ausdehnung der Käuferrechte auch bei fahrlässiger Mangelhaftigkeit der Kaufsache in Kombination mit § 284 BGB ergibt sich für die Ersatzfähigkeit von Finanzierungskosten eine nicht zu unterschätzende, aber auch sachgerechte Ausweitung.96 Der Unterschied zwischen einer Finanzierung über ein Darlehen und der Inanspruchnahme einer eigenen Kapitalanlage, für die man anderenfalls Rendite erhalten hätte, erscheint auf den ersten Blick nicht sehr groß. Die verschieden intensiven Nachteile im Falle einer Zweckverfehlung rechtfertigen jedoch eine abweichende Behandlung.97 Derjenige, der seine Kapitalanlage auflöst und damit keinen Gewinn in Form von Zinszahlungen mehr erzielt, kann sein Geld neu anlegen. Die Rendite kann dann niedriger, aber auch höher ausfallen. In jedem Fall verringert sich sein tatsächliches Vermögen nicht. Derjenige, der einen Darlehensvertrag eingegangen ist, muss dagegen Teile seines realen Vermögens aufwenden, um die laufenden Verbindlichkeiten 93
BGH, NJW 2006, 1198, 1199. Vgl. Soergel-Huber, § 467 Rdnr. 114; Palandt-Putzo60, § 467 Rdnr. 18. Höchstrichterliche Rechtsprechung gab es zu dieser Frage nicht. Einen Anspruch aus besagten Gründen abgelehnt haben z. B. Oberlandesgericht Köln v. 03.05.1995 – 11 U 241/94 –, NJW-RR 1996, 561 und das Landgericht Bonn in einer Entscheidung v. 19.04.1993 – 5 S 64/92 –, NJW-RR 1993, 1269. 95 Vgl. u. a. Soergel-Huber, § 463 Rdnr. 49. 96 Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 30. 97 Anders AnwKom-BGB/Arnold, § 284 Rdnr. 23; Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 165. 94
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Teil 5: Einzelfragen
zu erfüllen. Es wird ihm in aller Regel auch nur mittels einer zusätzlichen finanziellen Belastung durch Vorfälligkeitszinsen98 gelingen, die Darlehensschuld vorzeitig abzulösen, um einen weiteren realen Verlust in seinem Vermögen zu verhindern. Kein Unterschied zur Auflösung einer Geldanlage besteht freilich dann, wenn vom Anleger ebenfalls eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt werden muss, um an seine Geldmittel heranzukommen. Bei Spareinlagen wird zumeist vereinbart, dass für den Fall einer Rückzahlung vor ordnungsgemäßer Kündigung und deshalb vor Fälligkeit sogenannte Vorschusszinsen bezahlt werden müssen.99 Diese sind gleichfalls reale und damit ersatzfähige Einbußen. Bevor der Gläubiger Finanzierungskosten auf den Schuldner abwälzen kann, muss er jedoch weitere Hürden meistern. Zunächst muss er auf die Vertragserfüllung vertraut haben, als er die Darlehensverbindlichkeit einging. Nicht ausreichend ist es, wenn der Käufer zunächst einen Kredit aufnimmt und erst anschließend den Kaufgegenstand aussucht. Ausnahmen von dieser zeitlichen Reihenfolge sind nur in den engen Grenzen denkbar, die bereits im dritten Teil dieser Arbeit dargestellt wurden.100 Genauso wichtig ist die Prüfung der Zweckverfehlung. Macht der Gläubiger das Darlehen anderweitig nutzbar, sind die Zinsaufwendungen nicht frustriert. Bleibt er untätig, man hätte ihm eine alternative Nutzung immerhin aber zumuten können, ist ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 254 II 1 BGB zu kürzen oder sogar ganz auszuschließen.101
III. Eigene Arbeitsleistungen 1. Problemstellung Die Unterscheidung zwischen realen und fiktiven Verlusten ist auch für die Frage von Bedeutung, ob der Gläubiger für seine vergeblich erbrachten Arbeitsleistungen eine Entschädigung erhalten soll. In der Tat werden diese häufig im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Leistung erfolgen und aufgrund der Pflichtverletzung des Schuldners ihren Zweck verfehlen. Unter die Definition einer Aufwendung als freiwilliges zweckgerichtetes Vermögensopfer lässt sich der Einsatz eigener Arbeitskraft jedenfalls subsumieren.102 98 Diese sind mittlerweile in § 490 II 3 BGB legaldefiniert. Vgl. hierzu z. B. auch die Ausführungen bei Claussen/Erne, Bank- und BörsenR, S. 318 ff. 99 Einzelheiten bei Claussen/Erne, Bank- und BörsenR, S. 145 f. 100 Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter Teil 3 C.VI.2., S. 142 ff. 101 Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter Teil 3 D.V.2., S. 178 ff. 102 Allgemein zu den Arbeitsleistungen als Aufwendungen: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 25 I 3, S. 596.
D. Beschränkung auf tatsächliche Verluste
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Eine tatsächliche Vermögenseinbuße kann darin trotzdem nur dann erblickt werden, wenn man den Arbeitsleistungen selbst einen Vermögenswert zuspricht. Dies wird in Rechtsprechung und Literatur jedoch zu Recht überwiegend abgelehnt, solange der Gläubiger nicht einen konkreten entgangenen Gewinn geltend machen kann.103 Setzt er seine Arbeitskraft zu eigenen Zwecken ein und werden diese verfehlt, liegt sein Schaden nur darin, seine Freizeit nicht anderweitig genutzt zu haben. Dies ist ein in Geld nicht zu bewertender immaterieller Nachteil, der gemäß § 253 I BGB nicht auszugleichen ist.104 Der Gläubiger könnte somit nur geltend machen, ihm sei ein Gewinn aus einem hypothetischen anderweitigen Einsatz seiner Arbeitskraft entgangen. Dies wiederum wäre eine fiktive Einbuße im Sinne einer nicht erzielten Vermögensmehrung und ist deshalb vom Tatbestand des § 284 BGB nicht erfasst. Anderenfalls bestünde in vielen Fällen die Gefahr, dass der Gläubiger zusätzlich zu den entstandenen Kosten auch noch eine „Aufwandspauschale“ geltend macht. Die meisten Gläubiger werden in die Vertragsdurchführung oder in die Vorbereitung einer späteren Nutzung des Vertragsgegenstands eine gewisse Zeit und Mühe investieren. Mit dem Argument, der Gläubiger hätte ebenfalls einen Dritten damit beauftragen können, würde man durchweg zu einem Ersatzanspruch über § 284 BGB gelangen. Solche Unannehmlichkeiten gehören jedoch zum allgemeinen Lebensrisiko. In vergleichbarer Weise kann der Gläubiger, der auf die Erfüllung eines Anspruchs wartet, nicht schon für die bloße Leistungsaufforderung eine Aufwandsentschädigung verlangen; dem Geschädigten gebührt kein Ersatz für die Mühen der Schadenabwicklung.105 2. Heranziehung anderer Ersatznormen Dieses Verständnis wird durch den Vergleich mit anderen Anspruchsgrundlagen, bei denen ein Ausgleich für den Ersatz der eigenen Arbeitskraft diskutiert wird, bestätigt. Spricht sich die überwiegende Meinung für einen 103 BGH v. 29.04.1977, BGHZ 69, 34, 36 = NJW 1977, 1446, 1447; ausführlich Landwehrmann, Zeit ist Geld?, S. 30 ff.; ebenso Ströfer, Schadensersatz und Kommerzialisierung, S. 81 ff. A. A. Grunsky, Der Vermögensschaden, S. 76 ff. 104 Lange/Schiemann, Schadensersatz, § XIV 2, S. 382; ausführlich Landwehrmann, Zeit ist Geld?, S. 19 ff., insb. S. 32, 44. Wenn die Rechtsprechung in einzelnen Fällen doch zu einem Geldanspruch gelangte, dann geschah dies über den Gedanken der Kommerzialisierung, ändert aber nichts daran, dass es sich im Grunde um ein immaterielles Gut handelt, vgl. ausführlich Tolk, Frustrierungsgedanke und Kommerzialisierung, S. 36 ff. A. A. Grunsky, Der Vermögensschaden, S. 76 ff. 105 Zur mangelnden Ersatzfähigkeit eines solchen Zeitaufwands vgl. u. a. Lange/ Schiemann, Schadensersatz, § 2 I 2, S. 55 und § 6 XIV 2, S. 381.
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Teil 5: Einzelfragen
Anspruch aus, handelt es sich durchweg um in gewisser Weise fremdnützige Arbeit. a) Werk- und Mietvertragsrecht Im Werkvertragsrecht können eigene Arbeitsleistungen über § 637 I BGB (§ 633 III BGB a. F.) ersetzt werden, wenn der Werkunternehmer der Nacherfüllung in der gesetzten Frist nicht nachgekommen ist und der Besteller deshalb zur Selbstvornahme greift. Eine ähnliche Bestimmung findet sich in § 536a II BGB für das Mietrecht. Für die Bewertung der Arbeitsleistungen wird in diesen Fällen gewöhnlich auf die Vergütung abgestellt, die ein in abhängiger Stellung Tätiger für eine vergleichbare Arbeit bekommen hätte.106 Ähnlich wird verfahren, wenn ein Geschädigter seinen Schaden selbst beseitigt und dafür gemäß § 249 II 1 BGB Ersatz verlangen kann. Auch hier sind eigene Arbeitsleistungen ersatzfähig, soweit ihnen ein Marktwert zukommt.107 Erstattet werden in der Regel 60% der Kosten, welche die Inanspruchnahme eines Fachunternehmers gekostet hätte. Diese Normen verschaffen dem Gläubiger die Möglichkeit einer Selbstvornahme, um ihm nicht zuzumuten, die Mängelbeseitigung oder Schadenswiedergutmachung durch den Schuldner abzuwarten.108 Konsequenterweise muss dem Gläubiger dann auch ein Regressanspruch gegen den Schuldner zustehen. Die Eigenleistung des Gläubigers dient in diesem Fall dazu, eine Pflicht zu erfüllen, die eigentlich dem Schuldner obliegt. Es wäre an diesem als Vermieter, Werkunternehmer oder Schädiger gewesen, die Mängel oder Schäden zu beseitigen. Würde der Gläubiger für seine eigene Arbeitskraft keinen geldwerten Ersatz erhalten, käme dies einem zusätzlichen Vorteil des Schuldners gleich, der keinesfalls zu rechtfertigen wäre.109 b) Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Ähnlich ist die ratio legis des Ersatzes notwendiger Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach § 994 BGB zu deuten. Der Bundesgerichtshof gewährt – zumindest in letzter Zeit – einen Ersatz, soweit den Arbeitsleistungen ein Marktwert zukommt.110 Der Einsatz der Arbeitskraft 106 Staudinger-Peters1991, § 633 Rdnr. 203; MüKo-Busche, § 637 Rdnr. 10; Soergel-Teichmann, § 633 Rdnr. 22. 107 MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 367; Staudinger-Medicus1983, § 249 Rdnr. 232. 108 Soergel-Teichmann, § 633 Rdnr. 22. 109 MüKo-Busche, § 637 Rdnr. 10. A. A. KompaktKom-BGB/Hirse, § 284 Rdnr. 9; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 28; AnwK-Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 9; Schulze/ Ebers, JuS 2004, 266, 272; Reim, NJW 2003, 3662, 3664. 110 Vgl. BGHZ 131, 220, 224 = BGH NJW 1996, 921, 922. Früher wurde oftmals ein Ersatz nur dann gewährt, wenn ein entsprechender anderer Verdienst entgangen
D. Beschränkung auf tatsächliche Verluste
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kommt dem Eigentümer nämlich unmittelbar zu Gute. Wäre er selbst im Besitz der Sache gewesen, wäre es an ihm gewesen, die Arbeitsleistungen zu erbringen oder einen Dritten damit zu beauftragen und die anfallenden Kosten zu tragen.111 Zu ersetzen sind auch nur die notwendigen Verwendungen, die schlechthin dem Erhalt der Sache dienen. c) Auftrag und Geschäftsführung ohne Auftrag Im Auftragsrecht werden eigene Arbeitsleistungen über § 670 BGB nicht ersetzt, da dies mit dem Charakter des Auftrags als unentgeltlichem Vertrag kollidieren würde.112 Dagegen unterscheidet die überwiegende Meinung bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, ob die Tätigkeit zum beruflichen oder gewerblichen Bereich des Geschäftsführers gehört – sodann wird ein Ersatz in Höhe der üblichen Vergütung gewährt –, oder er als Laie aufgetreten ist – dann bleiben seine Bemühungen ersatzlos.113 Diese Differenzierung wird auf eine entsprechende Anwendung von § 1835 III BGB gestützt und soll darauf beruhen, dass der Geschäftsführer ohne Auftrag, anders als der Auftragnehmer, gerade keine Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit getroffen hat.114 Diese Auffassung wird freilich keinesfalls kritiklos von allen Seiten anerkannt.115 Schon aus diesem Grund scheint es wenig empfehlenswert, diese Lösung für § 284 BGB zu übernehmen.116 Eine solche Differenzierung würde auch zu einer Ungleichbehandlung von gewerblich und privat Tätigen führen, was durch § 284 BGB gerade vermieden werden soll. Des Weiteren ist die Unterscheidung von üblicherweise entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringender Arbeit wiederum auf fremdnützige Leistungen zugeschnitten.117 war oder wie bei der GoA, wenn die Tätigkeit zum Beruf oder Gewerbe des Besitzers gehört, da nur die Vermögenseinbuße ausgeglichen werden sollte. Vgl. zu den unterschiedlichen Ansätzen: MüKo-Medicus, § 994 Rdnr. 12; Staudinger-Gursky1989, § 994 Rdnr. 5. 111 U. a. MüKo-Medicus, § 994 Rdnr. 5. 112 Staudinger-Wittmann1991, § 670 Rdnr. 7; MüKo-Seiler, § 670 Rdnr. 7 und 19; Soergel-Beuthien, § 670 Rdnr. 4. 113 Staudinger-Wittmann1991, § 670 Rdnr. 7; Soergel-Beuthien, § 683 Rdnr. 11; BGH, BGHZ 65, 384/390; BGH, BGHZ 143, 9, 16. 114 Staudinger-Wittmann1991, § 670 Rdnr. 7. 115 Vgl. zu der Ansicht, die Verweisung auf das unentgeltliche Auftragsrecht sei ein Redaktionsversehen MüKo-Seiler, § 683 Rdnr. 25 mit weiteren Nachweisen. 116 Dafür allerdings Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 1., S. 161 Rdnr. 12; Jauernig/Stadler, § 284 Rdnr. 4. 117 BGH v. 29.04.1977, BGHZ 69, 34, 36 = NJW 1977, 1446, 1447 für die Haftung aus cic; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 205; im Ergebnis will Unholtz dann aber doch über den Kommerzialisierungsgedanken und § 1835 BGB zu einem Ersatzanspruch gelangen, S. 205/206.
232
Teil 5: Einzelfragen
Aus dem Umstand, dass sich der Gesetzgeber zu der Frage der Ersatzfähigkeit von Arbeitsleistungen nicht geäußert hat, kann man schon aufgrund der Mängel des Gesetzgebungsverfahrens nicht den Wunsch ablesen, ein Ersatz solle umfasst sein.118 Der Streit um die Behandlung dieser Leistungen bei § 683 BGB ist zwar nicht neu. Die Annahme, der Gesetzgeber habe dies bei Schaffung von § 284 BGB so präsent gehabt und würde deshalb eine ausdrückliche Regelung getroffen haben, wenn er eine Unterscheidung von privat und gewerblich Handelnden nicht gewollt hätte, ist eine reine Spekulation. Der Begründung des Gesetzesentwurfs sowie den weiteren Materialien können weder Indizien für eine Einbeziehung der Arbeitsleistungen noch dagegen entnommen werden.119 3. Schlussfolgerung Maßgeblich bleibt deshalb die Unterscheidung zwischen realen und fiktiven Einbußen. Wer eigene Arbeitsleistungen erbracht hat, kann allenfalls geltend machen, er hätte seine Arbeitskraft anderweitig gewinnbringend einsetzen können. Der erlittene Nachteil liegt dann aber nur in der nicht erzielten Vermögensmehrung, die von § 284 BGB nicht erfasst wird. Das Ziel, dem Gläubiger ein Abstandnehmen vom gescheiterten Geschäft ohne verbleibende Nachteile zu ermöglichen, erfordert einen Wertersatz dieser Arbeitsleistungen nicht. Daraus ergibt sich zugleich, dass Privatpersonen gegenüber erwerbswirtschaftlich Tätigen nicht unsachgemäß benachteiligt werden, selbst wenn man unterstellt, dass erstere eher zur Eigenarbeit neigen.120 Sollte der privat Handelnde im Einzelfall doch einen Dritten gegen Entgelt beauftragen, steht ihm ein Ersatz unter denselben Voraussetzungen offen.
E. Schutzwürdiges Vertrauen I. Beginn des Vertrauensschutzes Manche Aufwendungen erfolgen typischerweise im Vertrauen auf den Leistungserhalt. Zu nennen sind im Falle einer Holschuld die Kosten für den Transport oder die Abholung der Leistung oder auch die Kosten des 118
Anders Reim, NJW 2003, 3662, 3665. Bei § 1298 BGB werden Arbeitsleistungen der Verlobten genauso wenig für ersatzfähig gehalten, vgl. z. B. Soergel-Lange, § 1298 Rdnr. 10. Für einen Ersatz im Ausnahmefall BGH v. 05.07.1961, FamRZ 1961, 424, 426. 120 KompaktKom-BGB/Hirse, § 284 Rdnr. 9; Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 28; AnwK/Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 9; Schulze/Ebers, JuS 2004, 266, 272. 119
E. Schutzwürdiges Vertrauen
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Grundbuchverfahrens, wenn ein Grundstück zur Erfüllung eines Kauf- oder Schenkungsvertrags übertragen werden soll.121 1. Vertragsabschlusskosten Auch die Kosten des Vertragsschlusses, die Fahrt zum Ort der Vertragsunterzeichnung sowie die Gebühren einer notariellen Beurkundung sind hier einzureihen. Ihr Ersatz als Teil der Vertragskosten nach § 467 S. 2 BGB a. F. war bisher unstreitig und sollte deshalb auch im Anwendungsbereich von § 284 BGB nicht angezweifelt werden.122 Vertragsabschlusskosten führen erst zur Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts und damit zum Entstehen der Leistungspflicht, sind also zeitlich dem Vertragsschluss vorgelagert.123 Grundsätzlich müsste es deshalb am schutzwürdigen Vertrauen fehlen, das für die Anwendung von § 284 BGB erforderlich ist.124 Eine solche streng formale Betrachtung wäre jedoch wenig sachgerecht. Bereits in der Darstellung des Taxifahrer-Falls wurde aufgezeigt, dass Ausnahmen in begrenzten Bereichen möglich sein müssen. Anderenfalls entstünde auch eine kaum zu rechtfertigende Abweichung zur Haftung aus culpa in contrahendo.125 Wäre der Vertrag aus Gründen, die dem Schuldner zuzurechnen sind, unwirksam, würde der Gläubiger seine Vertragskosten aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB ersetzt bekommen.126 Ist der Vertrag wirksam und nur die Durchführung scheitert, ist das Vertrauen des Gläubigers gleichermaßen verletzt und nicht minder schutzwürdig. 2. Maklergebühren Auch Maklergebühren lassen sich als Kosten des Vertragsschlusses einordnen, soweit sie durch das Zustandekommen des Vertrags bedingt sind und nicht ausnahmsweise erfolgsunabhängig geschuldet werden.127 Der Makler121
So bereits zur Rechtslage vor 2002: Müller-Laube, JZ 1995, 538, 544. Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144. 123 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 209. 124 Vgl. die Ausführungen oben unter Teil 3 C.VI.2., S. 142 ff. 125 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 209. 126 U. a. Soergel-Wiedemann, Vor § 275 Rdnr. 148 ff., 190 ff. 127 Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2, S. 162 Rdnr. 14; Jauernig/Stadler, § 284 Rdnr. 5; Althammer, NZM 2003, 129, 133; Dehner, NJW 2002, 3747; Palandt-Heinrichs, § 284 Rdnr. 6 bis einschließlich zur 63. Auflage verlangte Heinrichs noch, dass die Aufwendungen erst nach Vertragsschluss getätigt werden. Dann würden die Maklerkosten, die mit Vertragsschluss anfallen, aus dem Anwendungsbereich herausfallen, genauso wie die weiteren Kosten 122
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Teil 5: Einzelfragen
vertrag wird zwar zeitlich vor Abschluss des zu vermittelnden Vertrags geschlossen. Trotzdem handelt es sich bei der Provision um eine Aufwendung, die im Allgemeinen im Vertrauen auf die Leistung geschieht.128 Begründet wird die Zahlungspflicht nach § 652 I BGB nämlich erst dann, wenn der vermittelte Vertrag auch tatsächlich wirksam zustande kommt.129 a) „Der Rücktrittsvorbehalt“ Ausnahmen sind denkbar. Zur Verdeutlichung kann auf eine bereits im ersten Teil behandelte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Rücktrittsvorbehalt verwiesen werden. Nutzlos gewordene Maklergebühren wurden dem Gläubiger bei einem gescheiterten Grundstückskauf mit dem Argument verweigert, die Parteien hätten ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbart und aus diesem Grund seien die Aufwendungen im eigenen Risiko erfolgt.130 Dem ist auch nach neuem Recht zuzustimmen. Als die Maklerkosten entstanden, war die Durchführung des Vertrags keineswegs gesichert, so dass ein etwaiges Vertrauen des Gläubigers nicht schützenswert war.131 Er konnte zwar hoffen, der vereinbarte Rücktritt werde nicht erklärt werden. Gleichzeitig wusste er jedoch, dass er dem Makler seine Vergütung auch dann entrichten müsste, wenn der Grundstückskauf später scheitern würde. Kommt es dann tatsächlich zur Vertragauflösung ex nunc, hat sich das Risiko des Käufers verwirklicht. Er kann die Kosten nicht auf seinen Vertragspartner abwälzen. b) Anfängliche objektive Unmöglichkeit In Bezug auf die anfängliche objektive Unmöglichkeit eines durch einen Makler vermittelten Vertrags ergibt sich durch die Einführung von § 284 BGB eine Neuerung. Vorstellbar ist folgende Situation: Ein Bauträger plant den Bau eines neuen Wohnkomplexes. Die Gebäude sollen in Eigentumswohnungen aufgeteilt werden. Bereits in der Planungsphase erwirbt ein Käufer auf Betreiben eines Maklers eine solche Eigentumswohnung, in die er nach Fertigstellung des Bauprojekts selbst einziehen möchte. Noch vor Baubeginn des Vertragsschlusses. Heinrichs hat seine Auffassung auch im Hinblick auf die Kritik von Dehner korrigiert, vgl. Palandt-Heinrichs64, § 284 Rdnr. 7. 128 Althammer, NZM 2003, 129, 133; Dehner, NJW 2002, 3747. 129 Althammer, NZM 2003, 129, 133; Dehner, NJW 2002, 3747. 130 BGH v. 30.06.1993 – XII ZR 136/91 –, BGHZ 123, 96 ff. = NJW 1993, 2527. Vgl. auch die Ausführungen oben unter Teil 1 A.III.3., S. 37 und Teil 1G.III.3., S. 74 ff. 131 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 214; Stoppel, AcP 204, 81, 96; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 21; zum alten Recht: Leonhard, AcP 199, 660, 688.
E. Schutzwürdiges Vertrauen
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stellt sich jedoch heraus, dass die Wohnanlage am vorgesehenen Ort bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig ist. Der Bauträger hatte dies vorab bereits befürchtet, aber nicht offengelegt.
Bisher war ein solcher Vertrag gemäß § 306 BGB a. F. nichtig, so dass auch die Provisionspflicht desjenigen, der die Maklerleistungen in Anspruch nimmt, gegenüber dem Makler gar nicht erst entstehen konnte. Nunmehr ist der Vertrag trotz fehlender Primärpflichten nach § 311a I BGB wirksam und begründet den Anspruch des Maklers auf Provisionszahlung gegenüber dem Käufer. Eine Abwälzung der nutzlosen Kosten auf den Bauträger ist im dargestellten Beispiel interessengerecht. Der Bauträger hatte immerhin schon damit gerechnet, dass sein Projekt nicht genehmigungsfähig sei. Indem er trotz dieser Kenntnis oder zumindest fahrlässigen Unkenntnis seiner mangelnden Leistungsfähigkeit Kaufverträge abschloss, setzte er einen Vertrauenstatbestand. Für die Verletzung dieses Vertrauens muss er nach § 284 BGB einstehen. Anderenfalls wäre der Käufer auch zur Zahlung der Provision verpflichtet, ohne dass er aus dem vermittelten Vertrag einen Nutzen ziehen könnte. Der Schadensersatzanspruch aus § 311a II BGB nützt nämlich demjenigen wenig, der eine Wohnung für den eigenen Aufenthalt mieten wollte. Ein materieller Erfüllungsschaden wäre nicht festzustellen. In der Literatur wird teilweise ein anderer Weg eingeschlagen, um den Käufer zu entlasten. Der Maklervertrag soll dahingehend ergänzend ausgelegt werden, dass die Provisionspflicht nur dann entstünde, wenn auch eine wirksame Verpflichtung eines Dritten begründet wurde, was bei anfänglicher Unmöglichkeit der Leistung nach § 275 I BGB zu verneinen sei.132 Ob der hypothetische Parteiwille jedoch generell für eine solche Auslegung spricht, ist fraglich.133 Andere wollen eine Unterscheidung danach treffen, ob der Gläubiger gegen seinen Schuldner einen Schadensersatzanspruch gemäß § 311a II BGB geltend machen kann. Nur dann soll der Hauptvertrag wirksam sein und eine Provisionszahlungspflicht anfallen.134 Fehlen Sekundäransprüche völlig, soll der Vertrag unter teleologischer Reduktion von § 652 I 1 BGB wie ein nichtiger behandelt werden.135 Für die Haftung aus § 284 BGB ist dieser Vorschlag ohne Belang. Die Voraussetzungen eines solchen Schadensersatzanspruchs gerichtet auf das Erfüllungsinteresse inklusive des Verschuldenserfordernisses sind ohnehin zu prüfen.136 132 So Palandt-Sprau, § 652 Rdnr. 35. Vgl. auch die Zusammenstellung der Lösungsansätze bei Würdinger, ZMR 2005, 324, 325. 133 Näher hierzu: Althammer, NZM 2003, 129, 130. 134 Dehner, NJW 2002, 3747; Würdinger, ZMR 2005, 324, 325. 135 Vgl. hierzu näher Dehner, NJW 2002, 3747. 136 Ein Unterschied entsteht also nur dann, wenn der Schuldner die mangelnde Leistungsfähigkeit nicht kannte und auch nicht kennen musste. Dann muss, bleibt
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Teil 5: Einzelfragen
3. Rückwirkender Vertrauensschutz Im ersten Teil dieser Arbeit wurde eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs angesprochen, welche die Ersatzfähigkeit von Vertragskosten zum Gegenstand hatte.137 Zugrunde lag ein zunächst schwebend unwirksamer, dann aber genehmigter Vertragsschluss durch einen falsus procurator. Dem Gläubiger wurden seine Aufwendungen – es handelte sich insbesondere um die Kosten der notariellen Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags – zugesprochen, weil die rückwirkende Genehmigung durch den Vertretenen auch die Rentabilitätsvermutung möglich machte und das spätere Vertragsscheitern mit der anfänglich fehlenden Vollmacht des Stellvertreters in keinem Zusammenhang stand.138 Unter den nunmehr haftungsbegründenden Vertrauensgesichtspunkten ist dasselbe Ergebnis zu erzielen, wenn auch die Lösung etwas schwieriger zu finden ist. Oftmals wird in der Literatur lapidar darauf verwiesen, dass die Rückwirkung der Genehmigung nach § 184 BGB zugleich auch den Vertrauensschutz umfasse und zur näheren Begründung auf besagte Entscheidung des Bundesgerichtshofs verwiesen.139 Dass diese sich auf Rentabilitätserwägungen stütze, bleibt dabei unerwähnt. Der für § 284 BGB erforderliche Vertrauensgesichtspunkt ist aber deshalb problematisch, weil der Vertrag im Zeitpunkt der Aufwendungen schwebend unwirksam war und damit grundsätzlich noch kein Vertrauensschutz bestehen konnte. Kannte der Käufer die Vollmachtlosigkeit, was bei einem notariellen Vertrag fast schon nahe liegt, konnte er allenfalls auf eine spätere Genehmigung hoffen. Das Vertrauen an sich kann durch § 184 BGB nicht fingiert werden. Die Rückwirkung bezieht sich nur auf die rechtliche Ebene, nicht aber auf Tatsachen.140 Vertraute der Käufer jedoch tatsächlich auf eine spätere Vertragsgenehmigung und -durchführung, kann mittels der gesetzlichen Fiktion die Berechtigung hierzu auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückverlagert werden. Dieses Ergebnis erscheint sachgerecht, hat doch der Geschäftsherr sich mit seiner Genehmigung stillschweigend auch mit den bereits zwangsläufig angefallenen Aufwendungen einverstanden erklärt. Der Umman dem Gesetzestext treu, der Gläubiger die Maklerprovision zahlen, auch wenn er selbst keinen Regress nehmen kann. Bei teleologischer Reduktion von § 652 I BGB geht dagegen der Makler leer aus. 137 BGH v. 26.03.1999 – V ZR 364/97 –, JZ 2000, 100 = NJW 1999, 2269. 138 Siehe hierzu schon Teil 1 G.III.3., S. 74 ff. 139 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 214; Jauernig/Stadler, § 284 Rdnr. 5; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2, S. 163 Rdnr. 15; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 22. So auch sehr knapp Reim, NJW 2003, 3662, 3665; Palandt-Heinrichs, § 284 Rdnr. 6. 140 Staudinger-Gursky2003, § 184 Rdnr. 37.
E. Schutzwürdiges Vertrauen
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stand, dass der Vertrag über den falsus procurator zustande kam, soll ihm nicht zum Vorteil gereichen, wenn er später den Vertrag grundlos nicht erfüllt.
II. Ende des Vertrauensschutzes Aufwendungen, die den Zweck haben, eine bereits eingetretene Leistungsstörung zu ermitteln, sind vom Vertrauensschutz nicht umfasst. Kosten der Untersuchung einer Ware fallen deshalb nicht in den Anwendungsbereich von § 284 BGB. Dasselbe gilt für Aufwendungen, die der Vertragsrückabwicklung dienen. Ferner endet der Vertrauensschutz, sobald der Gläubiger die fehlende Leistungspflicht des Schuldners kannte oder kennen musste. Erste Zweifel, ob der Schuldner seine Leistung ordnungsgemäß erbringen werde, sind freilich unschädlich. Selbst durch eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung endet die Leistungspflicht des Schuldners nicht. Er kann noch immer auf dem Klageweg zur Erfüllung gezwungen werden. Dieser Weg entfällt, sobald dem Schuldner die Leistung unmöglich ist, oder aber der Gläubiger entscheidet, vom Erfüllungsbegehren auf Schadensersatzansprüche überzugehen.141 Vor dem Zeitpunkt des Erlöschens der Leistungspflicht ist der Gläubiger in seinem Vertrauen und seinen Dispositionen geschützt. Seine Kenntnis beziehungsweise fahrlässige Unkenntnis der drohenden Pflichtverletzung kann sich allenfalls gemäß § 254 II 1 BGB anspruchsmindernd auswirken.142 Erlischt der Leistungsanspruch des Gläubigers, muss für die Versagung des Vertrauensschutzes noch eine subjektive Komponente hinzukommen. Der Gläubiger muss vom Ende der Leistungspflicht für den Schuldner Kenntnis oder zumindest fahrlässige Unkenntnis gehabt haben.143 Dies ergibt sich auch aus § 311a BGB. Nimmt man das Beispiel des Bauträgers, der sein Projekt mangels Genehmigung nicht verwirklichen kann, hatte der Käufer der Eigentumswohnung hier zu keiner Zeit einen Erfüllungsanspruch. Das Erlöschen der Leistungspflicht darf deshalb nicht alleine ausschlaggebend dafür sein, ein schutzwürdiges Vertrauen zu verneinen. Die 141
MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 18. Vgl. die Ausführungen oben unter Teil 3 D.V.2., S. 178 ff. 143 Unholtz, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 208; so auch schon zum alten Recht: Müller, Ersatz entwerteter Aufwendungen, S. 69, 181; Leonhard, AcP 199, 660, 688; Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 221. Dies deckt sich mit der Regelung bei anderen Normen des Vertrauensschutzes. Bei § 122 II, 179 III BGB entfällt die Haftung, wenn der Gläubiger die Nichtigkeit des Vertrages kannte oder kennen musste, vgl. Staudinger-Dilcher1980, § 122 Rdnr. 7; Soergel-Hefermehl, § 122 Rdnr. 5; RGRK-Steffen, § 179 Rdnr. 7. 142
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Teil 5: Einzelfragen
Anordnung eines Aufwendungsersatzes nach § 311a II BGB in Verbindung mit § 284 BGB liefe anderenfalls leer.
III. Aufwendungen im Zusammenhang des Vertrags Eine letzte Gruppe von Aufwendungen lässt sich nur mit Mühe unter § 284 BGB subsumieren. Wird ein Grundstückskaufvertrag zunächst durchgeführt und scheitert später, hat der Gläubiger bereits Ausgaben für Grundsteuer, Brandversicherung, Erschließung und Vermessung zu verbuchen. Dabei handelt es sich nicht um Aufwendungen, die der Gläubiger im Vertrauen auf den Leistungserhalt getätigt hat. Der Vertrag war zum Zeitpunkt ihrer Vornahme – wenn auch im Nachhinein aufgrund der Mangelhaftigkeit nur scheinbar – bereits erfüllt. Man kann allenfalls von einem Vertrauen auf das Behalten der Leistung sprechen, das enttäuscht wird, wenn sich das Grundstück im Nachhinein als mangelhaft herausstellt.144 Auch der Bundesgerichtshof hatte Schwierigkeiten, diese Art von Aufwendungen mit der Rentabilitätsvermutung in Einklang zu bringen. Er ersetzte sie schließlich aufgrund ihrer Nähe zum Synallagma.145 Entscheidend waren vorrangig Wertungsgesichtspunkte. Wäre es nämlich zur Übertragung des Grundstücks nicht gekommen, wären die Kosten beim Veräußerer beziehungsweise Eigentümer verblieben. Der Erwerber sollte hierfür nur dann einstehen, wenn er auch den Nutzen aus dem Eigentum ziehen kann. Große Bedeutung wird § 284 BGB in diesen Fällen jedoch nicht erlangen. Im Allgemeinen wird der Gläubiger das Grundstücksgeschäft rückabwickeln wollen und deshalb vom Vertrag zurücktreten, so dass ihm über § 347 II BGB ausreichend geholfen werden kann. Öffentliche Lasten und Pflichtversicherungen gelten als notwendige Verwendungen auf einen Gegenstand.146 Will der Gläubiger das Grundstück ausnahmsweise behalten und nur den Mehrbetrag als frustrierte Aufwendung geltend machen, der sich daraus ergibt, dass sich Grundsteuer und dergleichen am Verkehrswert orientieren, bietet § 284 BGB Abhilfe.147 144 Oechsler, SchuldR BT Vertragsrecht § 2 VI 2, S. 156 Rdnr. 261, allerdings will er § 284 BGB nur analog anwenden; ohne Differenzierung für eine Ersatzfähigkeit: Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C II 2, S. 162 Rdnr. 13. 145 Vgl. die Diskotheken-Entscheidung: BGH, JZ 1992, 464, 466. 146 Staudinger-Kaiser2004, § 347 Rdnr. 38, 39. 147 Dabei muss jedoch erst festgestellt werden, ob der Steuerbetrag tatsächlich überhöht war. Entscheidend ist steuerrechtlich nämlich nicht der Verkaufspreis, sondern der Einheitswert, der sich nach dem gemeinen Wert, d.h. einer besonderen Form des Verkehrswertes, richtet, vgl. § 9 II BewG.
F. Zweckverfehlung
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F. Zweckverfehlung Erst die Verfehlung des vom Gläubiger verfolgten Zwecks macht die Aufwendungen zu einem ersatzfähigen Schaden. Genauso wie das Erwecken des schutzwürdigen Vertrauens kausal für die Vornahme der Aufwendungen sein muss, ist zwischen dem Bruch des Vertrauens in Form der nicht ordnungsgemäßen Leistung und der Zweckverfehlung ein Ursachenzusammenhang zu fordern. Bei der Prüfung, ob tatsächlich von der Vergeblichkeit der Aufwendungen auszugehen ist, treten abermals die bekannten Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Zwecks auf. Die Darlegungs- und Beweislast liegt aufgrund der haftungsbegründenden Wirkung dieses Tatbestandsmerkmals beim Gläubiger.148 Ihm kommen jedoch Beweiserleichterungen zu Hilfe; insbesondere greift bei „typischen Geschehensabläufen“ der Anscheinsbeweis ein.149 Behauptet der Gegner mit plausiblen Argumenten eine atypische Folge, hier also die Zweckerreichung trotz seiner Pflichtverletzung, ist der Anscheinsbeweis allerdings entkräftet und die Beweislast fällt an den Anspruchsteller zurück.150
I. Zweckerreichung durch anderweitige Nutzung Von einem solchen atypischen Geschehensablauf ist auszugehen, wenn der Gläubiger die Aufwendungen anderweitig nutzbar macht. Eine Frustrierung ist dann nicht feststellbar, auch wenn das Vertrauen in die ordnungsgemäße Leistung enttäuscht wurde. Zumindest wenn es sich bei dem gescheiterten Schuldverhältnis um einen Kaufvertrag und bei den Aufwendungen um Zubehör für die Kaufsache handelt, dürfte der Nachweis der Zweckverfehlung keine Probleme aufwerfen. So stellte der Bundesgerichtshof in der Fahrzeugkauf-Entscheidung auch den Grundsatz auf, dass Aufwendungen des Käufers auf eine gekaufte Sache, die sich später als mangelhaft herausstellt, „in der Regel vergeblich [sind], wenn der Käufer die Kaufsache wegen ihrer Mangelhaftigkeit zu148 MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 22; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 328. 149 Z. B. BGH v. 05.02.1987, BGHZ 100, 31, 33, ähnlich auch BGH v. 29.06.1982, NJW 1982, 2447, 2448. 150 Allgemein BGH v. 05.02.1987, BGHZ 100, 31, 34. Für § 284 BGB a. A. Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 98; derselbe, AcP 204, 81, 101; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 IV 2, S. 171 Rdnr. 37. Sie plädieren für eine Beweislast des Schuldners nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung. Dass dieses Institut nicht einschlägig ist, wird im nächsten Punkt sogleich ausgeführt.
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Teil 5: Einzelfragen
rückgibt oder sie jedenfalls nicht bestimmungsgemäß nutzen kann [. . .].“151 Das Zubehör wurde speziell für dieses Fahrzeug angeschafft. Das Oberlandesgericht Stuttgart drückte es in der Vorinstanz noch pragmatischer aus. Es sei „gerichtsbekannt“, dass Autozubehör in aller Regel fahrzeugspezifisch sei und deshalb sowohl im Vertrauen auf den Bestand des Kaufvertrags angeschafft werde, als auch bei dessen Rückabwicklung nutzlos werde.152 Damit galt die Frustrierung als offenkundig und nicht beweisbedürftig nach § 291 ZPO.153 Sollte der Gläubiger ausnahmsweise ein Ersatzfahrzeug erworben und das Zubehör dort eingebaut haben, muss ein Ersatzanspruch trotzdem scheitern.154 Dem Käufer verbleibt dann kein materieller Nachteil, der im Rahmen des Aufwendungsersatzes auszugleichen wäre. Die Begründung des Oberlandesgerichts Stuttgart erweist sich hier als zu pauschal. Für Tempomat, Telefon und Navigationssystem mag man der Aussage, diese Zubehörteile seien nicht in einem anderen Fahrzeug verwendbar, noch Glauben schenken. Bei einem vergleichbaren Fahrzeugmodell kann man allerdings zweifeln, warum diese nicht einbaufähig sein sollen. Letzteres gilt vor allem für den Satz Alufelgen und die dazugehörigen Reifen und die Fußmatten. Diese sind kaum an das konkrete Fahrzeug gebunden. Sicherlich ist die reine anderweitige Verwendungsmöglichkeit für die Annahme einer Zweckverfehlung – um mit dem Bundesgerichtshof zu sprechen – „grundsätzlich ohne Bedeutung“,155 wenn der Gläubiger diese nicht wahrnimmt. Dessen ungeachtet, ist im Rahmen eines möglichen Mitverschuldens nach § 254 II 1 BGB zu prüfen, ob in der fehlenden Nutzbarmachung eine Verletzung der Schadensminderungspflicht zu sehen ist. Der Senat lässt eine solche Interpretation zu, indem er sich mit seiner Aussage auf den Regelfall beschränkt. 151
BGH v. 22.07.2005, NJW 2005, 2848, 2850. OLG Stuttgart v. 25.08.2004, ZGS 2004, 434, 436. 153 Vgl. zum Begriff der gerichtsbekannten bzw. gerichtskundigen Tatsachen u. a. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 111 III 2, S. 762 Rdnr. 28; Baumbach-Hartmann, § 291 Rdnr. 5. 154 Reim, NJW 2003, 3662, 3666; Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 94, 97 f.; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 35; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/ K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 330; OLG Stuttgart v. 25.08.2004, ZGS 2004, 434, 436. In der strukturell ähnlichen Norm des § 1298 BGB sieht man diese Selbstverständlichkeit verdeutlicht durch den Unterschied von getätigten Aufwendungen und daraus folgenden Schaden. Nur letzterer soll dem enttäuschten Verlobten ersetzt werden, nicht aber Aufwendungen, die er anderweitig nutzen kann, Staudinger-Strätz1993, § 1298 Rdnr. 50. 155 BGH v. 22.07.2005, NJW 2005, 2848, 2850. 152
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II. Zweckerreichung durch zeitweilige Nutzung Der Bundesgerichtshof und das Oberlandesgericht Stuttgart befassten sich in ihren Entscheidungen zum gescheiterten Fahrzeugkauf und dem Ersatz der Zubehörkosten mit einer weiteren Frage der Zweckverfehlung: Wie wirkt es sich auf den Aufwendungsersatzanspruch aus, wenn die Aufwendungen zumindest zeitweilig genutzt werden konnten? 1. Kein Fall der Vorteilsausgleichung Zuweilen wird als Antwort auf die Vorteilsausgleichung verwiesen.156 Diese Rechtsfigur ist jedoch nur dann einschlägig, wenn der Geschädigte aus der Pflichtverletzung nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile gezogen hat. Das schädigende Ereignis und der Vorteil müssen in einem Kausalzusammenhang stehen. Darüber hinaus prüft die Rechtsprechung in einer „Gesamtschau über die Interessenlage“,157 ob eine Vorteilsausgleichung mit dem Zweck des Schadensersatzes vereinbar ist, dem Gläubiger zugemutet werden kann und keine unbillige Begünstigung des Schädigers zu befürchten ist.158 Bei einer frustrierten Aufwendung, die zumindest zeitweilig genutzt wurde, basiert der Nutzungsvorteil hingegen nicht auf der Pflichtverletzung des Schuldners. Es handelt sich um nichts anderes als eine teilweise Zweckerreichung, lediglich in zeitlicher und nicht in sachlicher Hinsicht.159 Die Aufwendungen sind eben nicht „gänzlich vergeblich“.160 Aus diesem Grund muss der Aufwendungsersatzanspruch zwingend gekürzt werden, um zu verhindern, dass der Gläubiger sich unberechtigterweise den erzielten 156 Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 98; derselbe, AcP 204, 81, 101; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 IV 2, S. 171 Rdnr. 37 für den ähnlichen Fall der anderweitigen Nutzbarmachung, OLG Stuttgart v. 25.08.2004, ZGS 2004, 434, 436, jedoch nur als ergänzende Begründung. 157 U. a. BGHZ 30, 29, 33 anlässlich des Ersatzes neu für alt. 158 Vgl. u. a. Staudinger-Medicus1983, § 249 Rdnr. 143; MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 222, 228; Soergel-Mertens, § 249 Rdnr. 209. Vgl. auch BGH v. 15.04.1983, NJW 1983, 2137, 2138: Der anzurechnende Vorteil lag darin, dass der Gläubiger aufgrund der Leistungsverzögerung des Schuldners ein Darlehen geringere Zeit in Anspruch nehmen musste und damit den Zinsaufwand ersparte. Eine weitere Konkretisierung der Voraussetzungen einer Vorteilsausgleichung erfolgt innerhalb einzelner Fallgruppen, vgl. dazu z. B. die Kommentierung in Staudinger-Schiemann2004 § 249 Rdnr. 145–177. 159 So auch Mankowski, BGHReport 2005, 1293, 1296; Dedek, ZGS 2005, 409, 410; Tröger, ZIP 2005, 2238, 2244/2245. 160 OLG Stuttgart, ZGS 2004, 434, 436.
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Nutzen, den er normalerweise mit eigenen Mitteln erkaufen müsste, vom Schuldner finanzieren lässt.161 Oftmals wird es unschädlich sein, die Lösung über den Begriff der Vorteilsausgleichung zu suchen. Da beide Wege dem Bereicherungsverbot genügen wollen, werden die Ergebnisse kaum voneinander abweichen.162 Schon bisher wurde der Begriff der Vorteilsausgleichung auch als Schlagwort in Situationen genutzt, in denen der Vorteil nicht unmittelbar Folge des schädigenden Verhaltens ist.163 Beim Abzug „neu für alt“, der als eine Fallgruppe der Vorteilsausgleichung anerkannt ist,164 ergibt sich der Vorteil erst aus der Ersatzleistung.165 Auch bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrags wegen Aufklärungspflichtverletzung werden die bereits erzielten Vorteile aus der Nutzung des Kaufgegenstands über den Begriff des Vorteilsausgleichs schadensmindernd berücksichtigt.166 Gerade dieses letzte Beispiel ähnelt stark der hier angesprochenen Situation einer zeitweiligen Zweckerreichung. Letztlich besteht ein Unterschied aber in der Verteilung des Beweisfälligkeitsrisikos. Der Umfang eines Schadens und damit die bereits anfängliche Zweckverfehlung muss vom Geschädigten dargelegt und bewiesen werden.167 Versteht man die Anrechnung der zeitweiligen Nutzung dagegen als einen Fall der Vorteilsausgleichung, würde sich die Beweislastverteilung drehen.168 161
Der Gedanke der Gewinnabwehr steht auch dann im Vordergrund, wenn man dies als Fall der Vorteilsausgleichung ansieht, Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 9 IV 1, S. 502; Henke, in: Festschrift für Hagen, S. 384. 162 Vgl. generell zur Gewinnabwehr als Ziel der Vorteilsausgleichung schon Heck, Grundriß des Schuldrechts, § 11, Nr. 8, S. 41; § 15, Nr. 4, S. 50. 163 Die Anrechnung von Nutzungen wird häufig unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung behandelt. Schiemann weist jedoch auf die Nähe zu einer reinen Schadensberechnungsfrage hin, in Lange/Schiemann, Schadensersatz, §9 IV 3, S. 505. Vgl. auch Henke, in: Festschrift für Hagen, S. 376 f., der das ganze Institut der Vorteilsausgleichung letztlich als einen Teil der Schadensberechnung ansieht. 164 Vgl. u. a. BGH v. 30.06.1997, NJW 1997, 2879, 2880; ausführlich auch schon BGH v. 24.03.1959, BGHZ 30, 29, 31 ff.; MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 333; SoergelMertens, § 249 Rdnr. 78. 165 Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 9 I 3, S. 487; Staudinger-Medicus1983, § 249 Rdnr. 176. Dies erkennt auch der BGH in seiner Entscheidung v. 24.03.1959, BGHZ 30, 29, 33, an, hält jedoch aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen schädigendem Ereignis und Vorteil an der Vorteilsausgleichung in diesen Fällen fest. 166 Z. B. BGH v. 22.09.1983, NJW 1984, 229, 230; BGH v. 18.01.1982, NJW 1983, 868, 870; vgl. auch Soergel-Mertens, Vor § 249 Rdnr. 233; MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 237. 167 Staudinger-Schiemann2005, Vorbem. zu §§ 249 ff. Rdnr. 88. 168 Staudinger-Schiemann2005, Vorbem. zu §§ 249 ff. Rdnr. 93.
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2. Berechnung der abzugsfähigen Nutzungszeit Zur Berechnung des Wertes der teilweisen Zweckerreichung stellte das Oberlandesgericht Stuttgart in der Fahrzeugkauf-Entscheidung auf eine Abschreibungszeit von fünf Jahren ab. Für das eine Jahr, in dem das erworbene Zubehör verwendet werden konnte, wurde deshalb ein Abschlag von 20 Prozent vom Kaufpreis des Zubehörs vorgenommen.169 Der Wert der Aufwendungen ist also auf die potenzielle Nutzungsdauer zu verteilen und der Anspruch dann um den Anteil der tatsächlichen Nutzung zu kürzen. Die momentan gültige vom Bundesfinanzministerium herausgegebene Abschreibungstabelle für allgemein verwendbare Anlagegüter sieht für Personenkraftwagen eigentlich eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 6 Jahren vor.170 Demnach wäre nur ein Abschlag von knapp 17 Prozent vorzunehmen gewesen. Eine andere Möglichkeit wäre es, dem Schuldner eine Nutzungsvergütung aus § 346 II BGB zuzusprechen, die sich aus dem durch die Aufwendungen erhöhten Kaufpreis errechnen soll und mit welcher der Schuldner dann aufrechnen kann. Das Landgericht Stuttgart hatte in der Ausgangsinstanz eine Vergütung von 0,5 Prozent des erhöhten Kaufpreises pro gefahrene 1000 Kilometer vorgeschlagen.171 Die zuerst dargestellte Berechnungsmethode ist jedoch weniger speziell auf dem Fahrzeugkauf zugeschnitten und schon deshalb vorzuziehen.172 Die Abschreibungstabellen geben für eine Vielzahl von Gütern einen brauchbaren Anhaltspunkt. Außerdem ist die Kürzung des Anspruchs anderenfalls von einem Rücktritt des Gläubigers und einer gesonderten Geltendmachung des Gegenanspruchs durch den Schuldner abhängig. Der Bundesgerichtshof ließ diese Frage offen, stellte aber zu Recht fest, dass die Anspruchskürzung auf einmalig anfallende Aufwendungen wie die Kosten für Überführung und Zulassung des Fahrzeugs auszudehnen sei. Auch von diesen Aufwendungen hat der Käufer für die Zeit der Nutzungsdauer profitiert.173 Das Oberlandesgericht Stuttgart war dagegen der Auffassung, diese einmalig anfallenden Aufwendungen seien verbraucht und deshalb insgesamt vergeblich. Schaffe sich der Käufer ein Ersatzfahrzeug an, müsse er die 169
OLG Stuttgart, ZGS 2004, 434, 436. Afa-Tabelle AV v. 28.04.2003, gültig für Anlagegüter, die nach dem 31.12.2000 angeschafft wurden, abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de. 171 LG Stuttgart – 8 O 540/03 –, n. v. 172 Timme, MDR 2005, 1329,1330; Gsell, NJW 2005, 125, 127; Mankowski, BGHReport 2005, 1296. A. A. Dedek, ZGS 2005, 409, 415; Tröger, ZIP 2005, 2238, 2245. 173 BGH, NJW 2005, 2848, 2851. 170
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Aufwendungen erneut aufbringen.174 Diese Folgekosten führen jedoch nicht zu einer Frustrierung der ersten Aufwendungen. Meldet der Käufer tatsächlich ein neues Fahrzeug an, kann er die zusätzlichen Kosten als Folgeschaden nach § 280 I BGB neben den Aufwendungen nach § 284 BGB vom Schuldner ersetzt verlangen. Freilich ist darauf zu achten, dass die Kosten einer Anschaffung und Zulassung beim Gläubiger verbleiben, anderenfalls käme es zu einer ungerechtfertigen Besserstellung. Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf befasste sich im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gegen einen Kostenbeschluss mit der Ersatzfähigkeit von Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Autokauf. In diesem Fall hatte der Käufer das Fahrzeug fast zwei Jahre gefahren, bevor der Kauf rückabgewickelt wurde. Die Kosten für die Kfz-Steuer und die Versicherungsbeiträge wurden vom Senat mangels Zweckverfehlung zu Recht als nicht erstattungsfähig eingeordnet.175 Hintergrund der Vertragsrückabwicklung war lediglich ein Vorschaden, den der Verkäufer nicht offengelegt hatte. Damit war der Kaufgegenstand uneingeschränkt nutzbar gewesen und die besagten Aufwendungen hatten zwei Jahre lang ihren Zweck erfüllt. Die für das Fahrzeug angeschafften Winterreifen hatte der Senat allerdings fälschlicherweise als voll erstattungsfähig angesehen.176 Der Anspruch hätte aufgrund der zeitweiligen Zweckerreichung entsprechend gekürzt werden müssen.177
III. Kausalzusammenhang Pflichtverletzung und Frustration müssen in einem Kausalzusammenhang stehen. Wer diesen zu beweisen hat, hängt davon ab, welche Reichweite man dem letzten Halbsatz von § 284 BGB zubilligt. Nach der Formulierung „es sei denn . . .“ steht außer Zweifel, dass die Beweislast den Schuldner treffen soll.178 Naheliegend ist es, hinter der Formulierung den Einwand 174
OLG Stuttgart, ZGS 2004, 434, 436. OLG Düsseldorf v. 06.05.2005 – I-1 W 17/05 –, n. v. 176 OLG Düsseldorf v. 06.05.2005 – I-1 W 17/05 –, n. v. 177 Im Übrigen ist die Begründung des Oberlandesgerichts Düsseldorf unzureichend. Verwiesen wird alleine auf den Umstand, dass auch schon nach alter Rechtslage ein Ersatzanspruch für frustrierte Zubehörteile verlangt werden konnte. Dies lässt sich in der gleichen Kürze auch der vom Senat zitierten Stelle bei Reinking/ Eggert, der Autokauf, S. 1018 f. Rdnr. 1514 entnehmen. Reinking/Ekkert stützen sich jedoch auf vereinzelte nur auszugsweise veröffentlichte Entscheidungen, die vermutlich auf einer weiten Anwendung der Rentabilitätsvermutung beruhen (vgl. OLG München v. 01.06.2001 – 21 U 1608/01 –, ablehnend OLG Düsseldorf v. 03.12.1993 – 22 U 127/93 –). 178 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144; Reim, NJW 2003, 3662, 3666; AnwK-Dauner-Lieb, 284 Rdnr. 12; Jauernig/Stadler, § 284 Rdnr. 7; Oechsler, SchuldR BT VertragsR, § 2 VI 3, S. 156 175
G. Die Einschränkung des letzten Halbsatzes
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eines rechtmäßigen Alternativverhaltens zu sehen, mittels dessen der Schuldner die Zurechenbarkeit des Schadens zu seiner Pflichtverletzung zunichte machen kann. Dennoch wird vereinzelt vertreten, den Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der Zweckverfehlung zu vermuten, so dass der Schuldner das Gegenteil beweisen muss.179 Dies wäre eine untypische Beweislastumkehr, deren Notwendigkeit nicht erkennbar ist. Der Kausalitätszusammenhang zählt zu den haftungsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen und ist deshalb vom Gläubiger darzulegen und zu beweisen. Gelingt ihm dies ausnahmsweise einmal nicht, steht ihm ein Aufwendungsersatzanspruch aus § 284 BGB nicht zu. Dem Schuldner das Beweisrisiko für einen hypothetischen Kausalverlauf aufzuerlegen, entspricht dagegen ebenfalls den allgemeinen Grundsätzen.180
G. Die Einschränkung des letzten Halbsatzes I. Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens Im Sinne des letzten Halbsatzes von § 284 BGB entfällt der Aufwendungsersatzanspruch des Gläubigers, wenn der Zweck der Aufwendungen auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden wäre. Über die Richtigkeit der diesem Ausschlussgrund zugrundeliegenden Wertung besteht weitgehend Einigkeit. Dem Schuldner wird die Möglichkeit gegeben, ein rechtmäßiges Alternativverhalten einzuwenden, um so die Gefahr zu bannen, dass sich seine Pflichtverletzung zu einem unverdienten Glücksfall für den Gläubiger wandelt. Bei kommerziellen Zwecken wird Rdnr. 261; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), S. 323; Stoppel, AcP 204, 81, 101; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C V 1, S. 172 Rdnr. 38; HK-BGB/Schulze, § 284 Rdnr. 12; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 36; Canaris, DB 2001, 1815, 1820; S. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Kap. 6 § 3 V 1, S. 116 Rdnr. 229, § 284 Rdnr. 24; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 176; Weitemeyer, AcP 205, 275, 285. 179 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 323 Fn. 8 mit Beispiel; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 24 und 42. Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 49. Unklar Reim, NJW 2003, 3662, 3666 der zum einen von der Beweislast für die mangelnde Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Zweckverfehlung spricht, zum anderen aber vom Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens. 180 Vgl. nur BGH v. 03.02.2000, BGHZ 143, 362, 365; BGH v. 25.11.1992, NJW 1993, 520, 521; BGH v. 22.01.1959 BGHZ 29, 207, 215; Staudinger-Medicus1983, § 249 Rdnr. 102; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 4 XI, S. 198; Larenz, SchuldR AT Bd. I, § 30 I, S. 527; Erman-Kuckuk, Vor §§ 249–253 Rdnr. 89a; v. Caemmerer, Überholende Kausalität, S. 17; MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 218; vgl. auch Staudinger-Löwitsch2004, § 287 Rdnr. 20, 26; MüKo-Ernst, § 287 Rdnr. 6. A. A. MüKo-Grunsky3, Vor § 249 Rdnr. 91.
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auf diese Weise der Verlusteinwand ermöglicht, bei Geschäften zu anderen Zwecken kann sich der Schuldner durch den Vortrag entsprechender hypothetischer Kausalverläufe der Haftung entziehen. Die Rechtsfigur des rechtmäßigen Alternativverhaltens ist weder in ihrer dogmatischen Einordnung181 noch in ihrer Tragweite unumstritten. Zuweilen wird der Einwand auf die Konstellation beschränkt, dass der Schädiger den gleichen Schaden auch in rechtmäßiger oder entschuldigter Weise hätte herbeiführen können. Der Schaden müsste demnach auch im hypothetischen Fall auf der Handlung des Schädigers beruhen.182 Mit diesem engen Begriffsverständnis würde man indessen den Verlusteinwand, der dem Schuldner mit Hilfe des letzten Halbsatzes gerade ermöglicht werden sollte, nicht erfassen. Hat der Gläubiger nämlich falsch kalkuliert, basiert die Frustration nicht etwa auf einem – wenn auch rechtmäßigen – Verhalten des Schuldners, sondern auf der fehlerhaften Planung des Gläubigers.183 Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens ist deshalb in einem weiteren Sinne zu verstehen. Es reicht aus, wenn der Schuldner nachweisen kann, er hätte den Schaden entweder durch normgerechtes Verhalten herbeiführen dürfen oder aber er wäre völlig ungeachtet vom Verhalten des Schuldners eingetreten.184 Wem der Schadenseintritt dann zurechenbar gewesen wäre, ob dem Gläubiger selbst, einem Dritten oder ob er gar auf einem zufälligen Ereignis beruhte, ist unerheblich.
Für die Anwendung auf den konkreten Fall gibt die ratio legis nur eine grobe Linie vor. Die Unsicherheiten bei der Bestimmung des vom Gläubiger verfolgten Zwecks und der Gewichtung verschiedener Ziele im Falle eines Motivbündels schlagen an dieser Stelle voll durch. Nicht minder schwierig fällt im Einzelfall die Beurteilung aus, ob der hypothetische Alternativfall ebenso zu einer Zweckverfehlung geführt hätte. Im Folgenden soll der Versuch einer Differenzierung vorgenommen werden. 181 Für eine hypothetische Schadensursache: MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 211; für eine Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhangs: Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 204 ff. Für § 284 BGB ist dies ohne große Bedeutung, da die Berücksichtung des Alternativverhaltens gesetzlich angeordnet ist. 182 Vgl. z. B. die Definition bei Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 4 XII 1, S. 199; Staudinger-Medicus1983, § 249 Rdnr. 107; Larenz, SchuldR AT Bd. I, § 30 I, S. 527. Interessanterweise findet man im Anschluss an diese enge Begriffbestimmung das Beispiel des LKW-Fahrers, der einem betrunkenen Fahrradfahrer gegenüber nicht den nötigen Abstand einhielt, so dass es zu einem Unfall kommt. Dasselbe wäre aufgrund der Trunkenheit auch unter Einhaltung der Straßenverkehrsvorschriften geschehen, BGHSt 11, 1 ff. Dieser Fall betrifft jedoch gerade die Konstellation, in welcher der Schaden durch den Geschädigten selbst herbeigeführt worden wäre. 183 Auch bei ideellen Zwecken sind vergleichbare Situationen denkbar. Nimmt man den Stadthallen-Fall und gestaltet den Sachverhalt alternativ so, dass die Veranstaltung polizeilich verboten worden wäre, basiert die Frustration auf einem Handeln Dritter und nicht auf dem rechtmäßigen Verhalten des Schuldners. 184 Vgl. z. B. MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 211; genauso auch MüKo-Grunsky3, § 249 Rdnr. 87.
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II. Unterscheidung von Primär- und Sekundärzwecken Der Wortlaut von § 284 BGB bietet einen ersten Anhaltspunkt. Der Gläubiger soll dann keinen Ersatz seiner Aufwendungen erlangen, wenn „deren Zweck“ auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden wäre. Die Aufwendungen sind demnach separat zu betrachten, für jede einzelne Aufwendung der verfolgte Zweck zu ermitteln und zu prüfen, ob dieser unter Hinwegdenkens des schuldnerischen Fehlverhaltens gleichwohl verfehlt worden wäre. Da die meisten Aufwendungen nicht nur einem einzigen Zweck dienen, drängt sich sogleich eine weitere schon bekannte Unterscheidung auf, nämlich die nach Primär- und Sekundärzwecken.185 Abzustellen ist alleine auf den unmittelbar verfolgten Zweck; Fernziele bleiben unbeachtet. 1. Kosten des Vertragsschlusses Die klassischen Vertragskosten dienen primär der Herbeiführung eines wirksamen Vertrags und der Erlangung der vertraglichen Leistung. Ob beispielsweise bei einem Kaufvertrag die erworbene Sache später gewinnbringend genutzt werden soll oder nicht, steht mit diesem Aufwand in keinem unmittelbaren Zusammenhang.186 Beurkundungs- und Eintragungsgebühren, Transportkosten, der Aufwand für einen Finanzierungskredit und Maklerprovisionen sind dem Verlusteinwand des Schuldners demnach in aller Regel entzogen. Unter Hinwegdenken der Pflichtverletzung ist der mit den Aufwendungen unmittelbar verfolgte Zweck, die vertraglich vereinbarte oder gesetzlich geschuldete Leistung zu erlangen, fast immer zu erreichen, unabhängig davon, welchen Fernzielen das Geschäft darüber hinaus dienen sollte. Dieses Ergebnis korrespondiert mit der Auslegung des Billigkeitselements. Die Vertragskosten sind vorhersehbar und nur selten in ihrer Höhe unverhältnismäßig, so dass ihr Ersatz in aller Regel der Billigkeit ent185
HK/BGB-Schulze, § 284 Rdnr. 12; Stoppel, AcP 204, 81, 103; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C V 2, S. 173 Rdnr. 41. Im Ergebnis genauso Dauner-Lieb allerdings mittels Abstellen auf eine hier unterstellte Rentabilität, vgl. AnwK/Dauner-Lieb, § 284 Rdnr. 12. 186 HK/BGB-Schulze, § 284 Rdnr. 8; Stoppel, AcP 204, 81, 103; ähnlich auch Oechsler, SchuldR BT VertragsR, § 2 VI 3, S. 156 Rdnr. 261. Unklar Canaris, in: Festschrift für Wiedemann, S. 32 Fn. 98. Er hält den Sekundärzweck für beachtlich, bringt diesen Einwand jedoch im Zusammenhang mit Folgeinvestitionen. Dass er jedoch den Ersatz der Vertragskosten für den Grundstückskauf von der Rentabilität des gesamten Diskothekengeschäfts abhängig machen möchte, darf bezweifelt werden. In diese Richtung aber Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C V 3, S. 174 Rdnr. 44; Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 105.
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spricht. Nur wenn auch die Auslegung des letzten Halbsatzes die Ersatzfähigkeit dieser Aufwendungen nicht in Frage stellt, kann § 284 BGB die Lücke schließen, die anderenfalls im Kauf- und Werkvertragsrecht nach Aufhebung von § 467 S. 2 BGB a. F. klaffen würde.187 Eine Ausnahme ist denkbar. Wäre bei einer zu vertretenden nachträglichen Unmöglichkeit der Vertragsgegenstand auch ohne ein Verschulden des Schuldners untergegangen, verbleibt das Frustrationsrisiko beim Gläubiger.188 Bei anfänglicher Unmöglichkeit sind hingegen Einschränkungen zu machen, um einen generellen Haftungsausschluss des Schuldners zu verhindern. Die Pflichtverletzung liegt bei § 311a II BGB nämlich nicht in der Verursachung der Unmöglichkeit, sondern in der unterlassenen Information über die eigene Leistungsfähigkeit. Hätte der Schuldner den Mangel der Leistungsfähigkeit weder gekannt noch kennen müssen, hätte der Gläubiger die Leistung ebenso wenig erhalten. An dieser Stelle entfaltet deshalb der gesonderte Hinweis des § 311a II BGB auf einen Aufwendungsersatz „in dem in § 284 BGB bestimmten Umfang“ seine Bedeutung.189 Der Schuldner kann den Anspruch des Gläubigers nicht mit dem Hinweis abwenden, er habe nie einen Anspruch auf die Primärleistung erworben und der Aufwendungszweck sei deshalb von vornherein verfehlt gewesen. 2. Aufwendungen zur Leistungsverwendung Sollen Aufwendungen dagegen ausschließlich nach Vertragsschluss und nach Erbringung der Leistung ihren Zweck erfüllen, sind sie nicht dieser ersten Gruppe zuzuordnen. Sie dienen dann einem Sekundärzweck, den der Gläubiger mit dem Geschäft verfolgt und auf den es nun in der Prüfung hypothetischer Kausalverläufe ankommt. Auch hier bleiben Fernziele jedoch außer Betracht. Zwangsläufig kann an dieser Stelle auf die Unterscheidung zwischen kommerziellen und ideellen, konsumtiven und spekulativen Absichten nicht mehr verzichtet werden. Gemeinsam bleibt allen Situationen alleine der Grundsatz, den Eike Schmidt bereits zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung plastisch formulierte: „Was sogar im Erfüllungsfall den Verwertungszweck verfehlt, kann auch im Enttäuschungsfall ‚keine Gnade finden‘.“190 187
Weitemeyer, AcP 205, 275, 287. Die bereits erbrachte Gegenleistung ist allerdings über § 346 I BGB zurückzugewähren, vgl. auch die Ausführungen oben unter Teil 5 C.I., S. 219 ff. 189 Staudinger-Otto2004, § 284, Rdnr. 41. 190 E. Schmidt, in: Festschrift für Gernhuber, S. 430. 188
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III. Kommerzielle Zwecke Erwirbt ein Käufer Zubehör für den Kaufgegenstand nur, um die auf diese Weise angereicherte Sache gewinnbringend weiterveräußern zu können, hat der Schuldner die Möglichkeit nachzuweisen, dass der Gläubiger einer Fehleinschätzung des denkbaren wirtschaftlichen Profits seines Geschäfts unterlegen sei und im Falle der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung einen Verlust erlitten hätte.191 Ob eine Gewinnerzielung beabsichtigt war, hängt nicht davon ab, ob der Gläubiger im Rahmen eines Erwerbsgeschäfts oder als Privatperson handelte.192 Eine Unterscheidung beider Personengruppen ist dennoch angebracht, da von einem unterschiedlichen Regelverhalten auszugehen ist. 1. Erwerbswirtschaftlich tätige Gläubiger Bei erwerbswirtschaftlich tätigen Gläubigern spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Handeln mit Gewinnerzielungsabsicht. Sollte der Gläubiger etwas anderes bezwecken, trifft ihn ein gesteigerter Begründungsaufwand – ausgeschlossen ist eine andere Zielsetzung dennoch nicht. Selbstverständlich sind Situationen denkbar, in denen ein erwerbswirtschaftlich tätiger Gläubiger keine primäre Gewinnerzielungsabsicht verfolgt.193 Er könnte aus marktstrategischen Gründen zu einem überhöhten Preis eingekauft haben, um eine Geschäftsbeziehung zu einem bestimmten Schuldner aufzubauen. Ferner könnte er auf eine spätere Wertsteigerung hoffen; dann wäre der Zweck ein spekulativer. Schließlich könnte er einzelne Geschäfte wohlweislich, dass sie verlustträchtig sind, eingehen, weil sie sein Image fördern und auf diese Weise sich in seinem Unternehmenserfolg widerspiegeln. Ob und in welchem Maße sich die Aufwendungen zur Imageverbesserung auf den Umsatz des Unternehmens auswirken, kann der Gläubiger erst mit erheblichem zeitlichen Abstand feststellen. Mit seinen Ausgaben „erkauft“ er sich deshalb keinen unmittelbaren Gewinn, sondern nur die Chance auf eine Verbesserung seiner Marktsituation. Diese Chance hätte er bei pflichtgemäßem Verhalten des Schuldners zumeist auch tatsächlich erhalten. Aus demselben Grund ist ein Verlusteinwand ausgeschlossen, wenn der Gläubiger Aufwendungen tätigt, um diese zusammen mit der vom Schuldner zu erbringenden Leistung als Betriebsmittel zu nutzen. Der Gesetzgeber 191 192 193
Reim, NJW 2003, 3662, 3666; Stoppel, AcP 204, 81, 105. So auch Fritzsche, Fälle zum Schuldrecht I, Fall 10, S. 87 Rdnr. 49. Löwisch, in: Festschrift für Wissmann, S. 41.
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nennt marktstrategische und spekulative Zwecke in der Entwurfsbegründung nicht ohne Grund in einem Atemzug mit ideellen und konsumtiven.194 In der Fahrzeugkauf-Entscheidung des Bundesgerichtshofs ging es um solche konsumtiven Zwecke.195 Das Fahrzeug und das Zubehör sollten für den täglichen Arbeitsablauf genutzt werden. Dieser Zweck würde auch dann erreicht, wenn der gesamte Betrieb unrentabel geführt würde. Bezeichnenderweise haben die Gerichte in allen drei Instanzen der FahrzeugkaufEntscheidung Überlegungen zur wirtschaftlichen Situation des Klägers mit keinem Wort erwähnt. Man überlege sich nur einmal die Konsequenzen: Der Ersatzanspruch könnte von einem auf den anderen Tag entfallen, sollte die Bilanz des Unternehmens von Gewinn auf Verlust fallen. Zu welchem Stichtag man die wirtschaftliche Lage zu prüfen hätte, wäre völlig offen. 2. Privatpersonen Ist der Gläubiger eine Privatperson, sind dieselben Unterscheidungen zu treffen. Lediglich das Regel-Ausnahme-Verhältnis ist ein anderes. Üblicherweise werden die Leistung des Gläubigers und die für deren Verwendung getätigten Aufwendungen konsumtiven oder ideellen Zwecken dienen. Aber auch eine Privatperson kann etwas alleine zu dem Zweck erwerben, um es mit Gewinn weiterzuveräußern oder zu vermieten. 3. Das Beispiel in der Entwurfsbegründung Die Entwurfsbegründung zu § 284 BGB nimmt zu den nötigen Differenzierungen bei der Prüfung des rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht direkt Stellung. Lediglich mit einem Beispiel versucht die Regierung, die Bedeutung des Verlusteinwands bei kommerziellen Zwecken aufzuzeigen. Die Rede ist von einem Gläubiger, der ein Ladenlokal zum Verkauf von Kunstwerken mietet. Diese sind letztlich unverkäuflich, dem Schuldner soll deshalb der Verlusteinwand offen stehen.196 Das gewünschte Ergebnis lässt sich mit der hier vorgeschlagenen Konzentration auf die unmittelbaren Ziele des Gläubigers in Einklang bringen. Dem Beispiel ist zwar nicht sicher zu entnehmen, welcher Vertrag letztlich in seiner Erfüllung scheitert und welche Aufwendungen frustriert sein sollen. Es erscheint schon deshalb wenig geeignet zur Illustration des Ge194 Vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144. 195 BGH v. 22.07.2005, NJW 2005, 2848 ff.; OLG Stuttgart, ZGS 2004, 434 ff. 196 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144.
G. Die Einschränkung des letzten Halbsatzes
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setzesentwurfs. Naheliegender ist wohl, davon auszugehen, dass der Mietvertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt wurde und deshalb zum Verkauf der Kunstwerke keine Räumlichkeiten zur Verfügung standen. Geht man einmal davon aus, dass die Kunstwerke tatsächlich im Vertrauen auf den Erhalt der Mietsache gekauft wurden und die Investition für den Vermieter vorhersehbar war, ist § 284 BGB prinzipiell einschlägig. Der einzige und unmittelbare Zweck der Bilder lag jedoch in ihrem Weiterverkauf und der damit erhofften Gewinnerzielung. Da dieser Zweck auch bei ordnungsgemäßer Übergabe der Mietsache gescheitert wäre, kann sich der Vermieter auf den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen.197 4. Beweisschwierigkeiten Der Schuldner trägt die Beweislast dafür, dass der Gläubiger die wirtschaftlichen Vorteile des Geschäfts falsch eingeschätzt hat und dieses sich deshalb auch im Falle seiner ordnungsgemäßen Erfüllung als verlustreich herausgestellt hätte. Teilweise wird in der Literatur erwogen, dem Schuldner hierbei entgegenzukommen, indem man § 252 S. 2 BGB mit „umgekehrtem Vorzeichen“ anwendet und die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts ausreichen lässt.198 Anderweitige Schadensursachen sind allgemein aber nur dann zu berücksichtigen, wenn ihr alternatives Eingreifen auch zur Überzeugung des Gerichts feststeht.199 Dies bedeutet freilich nicht, dass der Schuldner den vollen Beweis eines konkreten Verlusts führen muss. Gemäß § 287 ZPO genügt es, wenn er die Tatsachen darlegen und beweisen kann, die Grundlage für die Ermessens197 Bedenklich an diesem Beispiel ist auch, dass in den Materialien auf die Rentabilitätsvermutung als Begründung verwiesen wird. Diese war seit der DiskothekenEntscheidung auf solche Folgegeschäfte gerade nicht mehr anwendbar, vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144 und die Ausführungen oben unter Teil 1 C., S. 49 ff. 198 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 326. Gsell schätzt das Haftungsrisiko für den Schuldner allerdings noch gravierender ein, weil sie von einer Beweislastumkehr auch für den haftungsbegründenden Kausalzusammenhang ausgeht. Ihrem Vorschlag folgend: Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 11; MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 43; Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 230; Stoppel, AcP 204, 81, 105. In diese Richtung auch Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 48, der nicht zu hohe Anforderungen an den Verlustnachweis fordert. Bei den Schadensanlagefällen als Untergruppe hypothetischer Kausalverläufe wird eine solche bloße Wahrscheinlichkeitsprüfung zuweilen auch vorgeschlagen. Der Schuldner soll hiernach nur noch darlegen müssen, dass dem Geschädigten das Rechtsgut im Rahmen des gewöhnlichen Verlaufs der Dinge nicht erhalten geblieben wäre, vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 218. 199 Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 4 XI, S. 199; v. Caemmerer, Überholende Kausalität, S. 20.
252
Teil 5: Einzelfragen
ausübung des Richters sind.200 Kann der Schuldner den Wert und den Kaufpreis einer Sache und des hierfür angeschafften Zubehörs nachweisen, kann der Richter mit diesen Angaben ermitteln, ob er einen kostendeckenden Weiterverkauf für möglich gehalten hätte. Das Risiko, einen solchen Nachweis nicht führen zu können, verbleibt jedoch beim Schuldner.
IV. Nichtkommerzielle Zwecke Bei erwiesenen nichtkommerziellen Absichten des Gläubigers kann die Prüfung des rechtmäßigen Alternativverhaltens einige Schwierigkeiten mit sich bringen. Nimmt man die Stadthallen-Entscheidung als Ausgangsfall, wäre von einem beachtlichen hypothetischen Kausalverlauf auszugehen, wenn die Veranstaltung aus anderen Gründen gleichermaßen ausgefallen wäre. Dann hätte die Mieterin nämlich die mit der Veranstaltung verfolgten Ziele nicht erreichen können. Hierbei ist abermals nur auf die unmittelbaren Ziele abzustellen. Unerheblich ist demnach, ob die Organisation mit einer solchen Veranstaltung tatsächlich ihren Bekanntheitsgrad hätte vergrößern können und neue Mitglieder gewonnen hätte. Deshalb ist es auch unbeachtlich, wie viele Personen tatsächlich teilgenommen hätten. Mit ihren Aufwendungen verfolgte die Gläubigerin nämlich nur den unmittelbaren Zweck, die Veranstaltung durchführen zu können und dadurch eine Chance zu erlangen, besagte Fernziele zu erreichen.201 Diese Chance hat sie solange, wie die Veranstaltung tatsächlich stattfindet. Der Schuldner müsste mithin einen alternativen Ausfall des Vortragsabends nachweisen. Dies wäre unproblematisch, wenn die Veranstaltung zugleich polizeilich verboten worden wäre.202 In der Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB findet sich dagegen das Beispiel, dass die Veranstaltung mangels Mitgliederinteresses gleichwohl abgesagt worden wäre.203 Hierbei stößt man auf erhebliche Beurteilungsschwierigkeiten.204 Dem Schuldner ist abermals nur dadurch zu helfen, dass dem Richter im Rahmen von § 287 BGB ein gewisser Beurteilungsspielraum verbleibt. Ein 200 Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 4 XI, S. 198 f. Gsell, in: Dauner-Lieb/ Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 326 sieht in § 252 S. 2 BGB selbst nur eine Konkretisierung von § 287 ZPO. Dann erscheint der Weg über eine Anwendung mit umgekehrten Vorzeichen erst Recht entbehrlich. 201 Unholtz, Ersatz „frustrierter Aufwendungen“, S. 216; Faust, in: P. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 C V 3, S. 173/174 Rdnr. 43; Erman-Westermann, § 284 Rdnr. 8; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 38. 202 Beispiel nach Canaris, JZ 2001, 499, 517. 203 Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 284 BGB, Bundestagsdrucksache 14/6040, S. 144. 204 Dies findet sich auch bereits angedeutet in der Entscheidung „Eigentumswohnung“ BGHZ 71, 234, 242.
H. Abwicklung des Aufwendungsersatzanspruchs
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Restrisiko des Schuldners, den Ausfall der Veranstaltung nicht zur Überzeugung des Gerichts begründen zu können, verbleibt jedoch.
H. Abwicklung des Aufwendungsersatzanspruchs I. Herausgabe der erlangten Gegenleistung Ist der Aufwendungsersatzanspruch begründet, erhält der Gläubiger einen Geldanspruch, der dem Wert der frustrierten Aufwendungen entspricht, es sei denn, der Betrag ist aufgrund eines Mitverschuldens im Sinne von § 254 II 1 BGB oder den Grundsätzen der Billigkeit zu kürzen.205 „Es versteht sich aber von selbst“, so der Bundesgerichtshof in der FahrzeugkaufEntscheidung,206 dass der Gläubiger einen Gegenstand, den er im Ausgleich für seine Aufwendungen erlangt hat, an den Schuldner herausgeben muss. Anderenfalls wäre er auf Kosten des Schuldners bereichert.207 Keine brauchbare Lösung ist es, den Wert der Sache vom Aufwendungsersatz abzuziehen. Für eine solche Vorgehensweise spricht sich allerdings Holger Ellers in seiner Monographie und in einer Besprechung der Fahrzeugkauf-Entscheidung aus. Er ist der Meinung, dass schon keine Aufwendung im Sinne von § 284 BGB vorliegt, wenn der Gläubiger für seine Ausgaben eine Leistung erhält, die in seinem Vermögen verbleibt. Es läge dann nur ein Austausch von Aktivposten vor. Das für § 284 BGB nötige Vermögensopfer könne allenfalls in der Differenz zwischen dem aufgewandtem Betrag und dem Wert der Sache liegen.208 Eine solche Lösung widerspräche jedoch der Interessenlage des Gläubigers und der ratio legis. Die im Gegenzug für seine Aufwendungen erhaltene Sache ist für den Gläubiger nutzlos. Insoweit Ellers hiergegen einwendet, der Gläubiger könne seine Vermögensdisposition in der Regel vollständig rückgängig machen,209 bleibt er eine Erläuterung schuldig, warum dies 205
Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter Teil 3 D., S. 147 ff. BGH, NJW 2005, 2848, 2851. 207 Falk, Sonderheft Examenskurs, Jura 2004, S. 35, 40; Stoppel, Ersatz frustrierter Aufwendungen, S. 121. Wiederum handelt es sich streng genommen aber nicht um das Prinzip der Vorteilsausgleichung, da der Vorteil nicht auf der Pflichtverletzung basiert. Maßgeblich ist das schadensrechtliche Bereicherungsverbot, das jedoch auch der Vorteilsausgleichung zugrunde liegt. Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter Teil 5 F.II.1., S. 241 ff. 208 Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 159 f.; derselbe, Jura 2006, 201, 206. So offenbar auch Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 345. Sie nennt Herausgabe der Gegenleistung und Minderung des Aufwendungsersatzanspruchs nebeneinander. 209 Ellers, Ersatz vergeblicher Aufwendungen, S. 160. 206
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Teil 5: Einzelfragen
im Allgemeinen so einfach sein soll und vor allem, warum die hierfür nötigen Bemühungen dem Gläubiger auferlegt werden sollen. Letztlich ist es nämlich der Schuldner, der in zu vertretender Weise diese Mühen erst erforderlich macht. Deshalb ist es angemessener, ihm die nutzlosen Gegenstände „aufzudrängen“ und nicht dem Gläubiger.210 Dem Gläubiger ist deshalb ein ungekürzter Aufwendungsersatzanspruch zu belassen, der jedoch nur Zug um Zug gegen Herausgabe der als Gegenleistung für die Aufwendungen erlangten und in seinem Vermögen noch vorhandenen Gegenstände zu erfüllen ist. Dem Schuldner bleibt dann immerhin die Möglichkeit, durch eigenen Gebrauch oder Weiterveräußerung einen Nutzen aus den Sachen zu ziehen. Ob auch die Leistung des Schuldners, soweit sie zwar erbracht wurde, aber fehlerhaft ist, an diesen zurückzugeben ist, hängt davon ab, ob der Gläubiger das Geschäft als vollständig gescheitert ansieht und zurücktritt oder nur Ersatz seiner aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Leistung frustrierten Aufwendungen begehrt.211 Es spricht vieles dafür, dass es sich dabei nicht um zwei selbständige Ansprüche handelt, die durch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB miteinander verknüpft sind. Ähnlich wie bei der Vorteilsausgleichung ist davon auszugehen, dass der Aufwendungsersatzanspruch von vornherein nur mit der Einschränkung begründet ist, dass gleichzeitig die erhaltenden Gegenstände herauszugeben sind. Ein Antrag oder die Erhebung einer Einrede durch den Schuldner ist hierfür nicht erforderlich.212
II. Schwierigkeiten bei einer Anspruchskürzung Nicht zu verhehlen sind Schwierigkeiten in der Umsetzung, wenn dem Gläubiger nur ein gekürzter Aufwendungsersatzanspruch zusteht. War das von ihm erworbene Zubehör für sein neues Fahrzeug unverhältnismäßig teuer, wird ihm aufgrund der Unbilligkeit eines vollen Ersatzes lediglich ein Teil der Kosten erstattet. Würde man ihm das Zubehör belassen und den (gekürzten) Aufwendungsersatz zugestehen, würde er ungerechtfertigt bereichert. Auch wenn den Aufwendungen für den Gläubiger selbst kein 210
A. A. Ellers, Jura 2006, 201, 206. Hierauf weist Dedek, ZGS 2005, 409, 414 mit großer Deutlichkeit hin, weil der BGH in seiner Entscheidung v. 20.07.2005 von einer Herausgabe des Fahrzeugs samt Zusatzausstattung spricht (NJW 2005, 2848, 2851). Dieser Formulierung kann man jedoch keinen Zwang zur grundsätzlichen Rückabwicklung des Vertrags entnehmen. Im zu entscheidenden Fall war man sich einig, dass der Vertrag rückabgewickelt werden sollte. 212 Zur Vorteilsausgleichung: BGHZ 27, 214, 249; Staudinger-Schiemann2005, § 249 Rdnr. 142; Mü-Ko-Oetker, § 249 Rdnr. 267. Zu § 284 BGB: Falk, Sonderheft Examenskurs, Jura 2004, 35, 40. 211
H. Abwicklung des Aufwendungsersatzanspruchs
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Nutzen zukommt, wird ihnen ein wirtschaftlicher Wert nicht völlig abzusprechen sein. Diesen könnte der Gläubiger durch einen Verkauf an Dritte realisieren. Verpflichtet man den Gläubiger deshalb, das gesamte Zubehör herauszugeben, würde aber der Schuldner begünstigt. Eine anteilige Herausgabe des Zubehörs ist nur möglich, soweit dieses teilbar und eine Teilung wirtschaftlich sinnvoll ist. Hat der Gläubiger vier Felgen für sein Fahrzeug gekauft, wäre es sowohl für Gläubiger als auch Schuldner ungünstig, die Felgen unter beiden aufzuteilen.213 Bedenkt man, dass immerhin der Schuldner das Scheitern des Vertrags zu vertreten hat, ist es sachgerechter, ihm das Risiko dieser Abwicklungsschwierigkeiten aufzuerlegen. Dem Gläubiger sind in einem solchen Fall seine vollständige Anschaffung und der (gekürzte) Ersatzanspruch zu belassen. Dem Schuldner kann insoweit entgegengekommen werden, als ihm bei einer sich später doch noch realisierenden Verwertungsmöglichkeit ein Anspruch gegen den Gläubiger zusteht. Die Abtretung solcher noch ungewisser zukünftiger Ansprüche kann er bereits Zug um Zug gegen Ersatz der Aufwendungen verlangen.214 Diese Lösung bietet sich darüber hinaus auch dann an, wenn eine Herausgabe des angeschafften Gegenstands faktisch unmöglich ist. Holger Ellers bildet an dieser Stelle das Beispiel einer extra für ein gekauftes Fahrzeug errichteten Garage und sieht in der Unmöglichkeit der Herausgabe ein Argument für die Notwendigkeit, den Wert der Garage vom Aufwendungsersatzanspruch abzuziehen.215 Wenn in einem solchen Fall die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen überhaupt erfüllt sind – insbesondere die Garage im Vertrauen auf den Leistungserhalt errichtet wurde und keine anderweitige Nutzung erfolgt –, dann sollte der Gläubiger lediglich die Ansprüche abtreten müssen, die sich aus einer künftigen Nutzbarmachung ergeben. Vermietet er die Garage an Dritte, sind die Mietzinsansprüche abzutreten. Steht die Garage leer und der Gläubiger ist auch nicht aufgrund von 213 Anders wäre es, wenn der Vorteil auch in einer Geldleistung bestünde. Dann können beide Beträge miteinander verrechnet werden. Hier wird im Rahmen der Vorteilsausgleichung vertreten, dass der Gläubiger sich den Vorteil auch nur anteilig anrechnen lassen muss, wenn sein Anspruch beispielsweise gemäß § 254 BGB gekürzt ist, vgl. hierzu BGH v. 18.12.1969, NJW 1970, 461, 462. 214 Dies ist vergleichbar mit einer zum Problemkreis der aufgedrängten Bereicherung von Canaris vertretenen Lösung, wonach der ohne seinen Willen Bereicherte zwar grundsätzlich einem Bereicherungsanspruch ausgesetzt ist, dieser jedoch erst bei Realisierung der Bereicherung durchsetzbar wird. Bis dahin muss sich der Bereicherungsschuldner mit der Abtretung zukünftiger Ansprüche begnügen; vgl. im Einzelnen: Larenz/Canaris, SchuldR BT Bd. II 2, § 72 IV 3, S. 288. 215 Ellers, Jura 2006, 201, 206.
256
Teil 5: Einzelfragen
§ 254 II BGB zur Anschaffung eines vergleichbaren Fahrzeugs verpflichtet, verbleibt das Risiko beim Schuldner. Wird die Garage eines Tages doch genutzt, kann sich ein Rückzahlungsanspruch ergeben. Dasselbe gilt, wenn der Gläubiger später einmal aufgrund der Garage einen höheren Kaufpreis für sein Hausgrundstück erzielt.
I. § 284 BGB und allgemeine Geschäftsbedingungen Eine Klausel, die einen Aufwendungsersatzanspruch des Verbrauchers vollständig ausschließt, ist unzulässig.216 Sie verstößt gegen § 309 Nr. 7b BGB, der eine Freizeichnung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit verbietet. Aufgrund des Verbots geltungserhaltender Reduktion ist die Klausel insgesamt unwirksam. Gegenüber Unternehmern ist ein vollständiger Ausschluss aller Aufwendungsersatzansprüche ebenso unzulässig. Die ratio legis des § 309 Nr. 7b BGB findet hier über die Generalklausel des § 307 II 2 BGB Anwendung.217 Darüber hinaus ist auch eine Freizeichnung bei einfacher Fahrlässigkeit unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen dafür Sorge tragen, dass er seine wesentlichen Vertragspflichten erfüllt. Würde er auch bei Verletzung sogenannter Kardinalpflichten nicht haften, wäre dies eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, seine Rechtsposition würde geradezu ausgehöhlt.218 Dieser Grundsatz wurde im Rahmen der Einbeziehung der AGBRegeln in das Bürgerliche Gesetzbuch in § 307 II 2 BGB festgeschrieben. Zu diesen vertragswesentlichen Pflichten gehören auch die Ersatzleistungen für den Fall, dass der ursprüngliche Vertragszweck nicht erreicht wird. Eine Freizeichnung ist deshalb für die Haftung aus §§ 280 ff. BGB unzulässig, aber auch für den Aufwendungsersatz nach § 284 BGB. Das Rücktrittsrecht alleine genügt zum Schutz des Kunden nicht.219 Für § 284 BGB hat dieses Klauselverbot gerade bei Geschäften mit einer ideellen Leistung Bedeutung. Der Schaden des Gläubigers, der zu einem Konzert anreist, das 216 Grigoleit, ZGS 2002, 122, 124; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 14; a. A. MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 38. 217 Westphalen, BB 2002, 209, 214; Grigoleit, ZGS 2002, 122, 124. Dasselbe gilt, wenn man § 309 Nr. 7b BGB aufgrund der wörtlichen Beschränkung auf Schadensersatzansprüche nicht anwenden wollte, weil man § 284 BGB dogmatisch anders einordnet. Die Geltung von § 307 II Nr. 2 BGB lässt sich auch der Ansicht von Ernst entgegenhalten, der meint, § 309 Nr. 7b gelte nur für materielle Schäden, vgl. MüKo-Ernst, § 284 Rdnr. 38; dagegen Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 14. 218 U. a. BGH, NJW 1993, 335 f.; BGH, NJW 1998, 1640, 1642. 219 Westphalen, BB 2002, 209, 213.
I. § 284 BGB und allgemeine Geschäftsbedingungen
257
letztlich abgesagt wird, liegt typischerweise in den frustrierten Aufwendungen für Fahrt und Unterkunft.220 Eine Freizeichnung ist insoweit aber zulässig, als die Haftung bei der Verletzung vertragswesentlicher Pflichten auf vorhersehbare und typischerweise eintretende Schäden begrenzt werden kann.221 Dem Schuldner steht es außerdem offen, seine Haftung höhenmäßig zu begrenzen, soweit die vertragstypischen und vorhersehbaren Schäden abgedeckt werden.222 In Frage kommen absolute Höchstgrenzen oder aber eine Beschränkung auf die marktüblichen Aufwendungen. Für einen Veranstalter würde es sich beispielsweise anbieten, den Ersatz von vergeblichen Übernachtungskosten auf das Preisniveau eines Mittelklassehotels anstelle eines solchen der Oberklasse zu beschränken und Flugkosten auf Economy- statt Business-Class.223 Mit dieser Herabsenkung der Haftung auf die „Normalkosten“224 wird dann ein Ergebnis erzielt, das mit den Kriterien eines billigen Ersatzanspruchs auf einer Linie liegt. In einer solchen Klausel läge deshalb keine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild.225
220 Grigoleit, ZGS 2002, 122, 124; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 14; Canaris, in: Festschrift für Ulmer, S. 1093. 221 U. a. BGH, NJW 1993, 335, 336; zu § 284 BGB: AnwKom-BGB/Arnold, § 284 Rdnr. 48. 222 BGH, NJW 1993, 335, 336; BGH, NJW 1998, 1640, 1644, Grigoleit, ZGS 2002, 122, 124; Canaris, in: Festschrift für Hübner, S. 1093; Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 14. 223 Grigoleit, ZGS 2002, 122, 124; Canaris, in: Festschrift für Ulmer, S. 1093. 224 Canaris, in: Festschrift für Ulmer, S. 1093. 225 Fraglich bleibt allerdings, ob die Formulierung einer solchen als zulässig anzusehenden Klausel immer gelingt. Dem Verwender droht anderenfalls die volle Haftung. Unklarheiten gehen zu seinen Lasten; vgl. auch Staudinger-Otto2004, § 284 Rdnr. 14.
Schlussbetrachtung A. Ergebnisse § 284 BGB ist als ein Novum im Leistungsstörungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs einzustufen – und in seinem Grundanliegen begrüßenswert. Euphorie ist sicherlich fehl am Platz; Schwierigkeiten und Risiken im Umgang mit der neuen Norm finden sich zuhauf. Diese können jedoch die von der Gesetzesinitiative ausgehenden positiven Impulse nicht zunichte machen.
I. Ratio legis Der mit § 284 BGB verfolgte Zweck ist gutzuheißen. § 284 BGB dient dem Schutz des Gläubigervertrauens in die ordnungsgemäße Erfüllung der Leistungspflichten durch den Schuldner. Der Gläubiger erhält die Möglichkeit, seinen tatsächlich erlittenen Vermögensschaden auszugleichen, der dadurch entstanden ist, dass er in einem berechtigten Vertrauen Aufwendungen tätigte. Der geschaffene Investitionsschutz vermeidet die bisherige und wenig sachgerechte Benachteiligung der Gläubiger, denen eine unmittelbare Gewinnerzielungsabsicht fehlt.1 Der Schuldner wird durch § 284 BGB dazu angehalten, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen und nicht wegen zu erwartender Sanktionslosigkeit die nötige Sorgfalt außer Acht zu lassen.2 In gewisser Weise wird durch diese Stärkung des Grundsatzes pacta sunt servanda auch der dem Bürgerlichen Gesetzbuch und insbesondere dem Schuldrecht zugrundeliegenden Vertragsfreiheit gedient: Drohen demjenigen, der seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, keine Nachteile, gerät die Freiheit, seine privatrechtlichen Austauschbeziehungen eigenständig regeln zu können, in Gefahr.3 1 Vgl. die Ausführungen oben unter Teil 2 C.I., S. 96 ff., Teil 4 A.II., S. 186 und auch die Ausführungen zur entsprechenden Literaturmeinung vor der Schuldrechtsreform in Teil 1 G.III., S. 70 ff. 2 Vgl. die Verweisungen in der vorgehenden Fußnote und auch die Ausführungen oben unter Teil 3 A.IV.2.c), S. 117. 3 U. Huber, Leistungsstörungen, Bd. 1, § 2 I, S. 25/26.
A. Ergebnisse
259
II. Lückenschließung Lücken im System der Rechtsbehelfe, die der Gläubiger nach bisherigem Recht trotz Anwendung der Rentabilitätsvermutung hinnehmen musste, werden durch § 284 BGB geschlossen. Als Nebeneffekt, der zu Recht von Anfang an beabsichtigt war, verliert die bisherige Vorgehensweise der Rechtsprechung ihre Daseinsberechtigung. Die Rentabilitätsvermutung konnte dem Gläubiger keine über § 284 BGB hinausgehenden Rechte verschaffen. Sie ist fortan nicht mehr anzuwenden.4 Die Rentabilitätsvermutung war in ihren Voraussetzungen wenig konsequent, wenn sie einen erwerbswirtschaftlichen Hintergrund des Gläubigers ausreichen ließ, um die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht zu begründen. Aufwendungen zu konsumtiven Zwecken wurden so für den gewerblich handelnden Gläubiger ersatzfähig. Die Grenzen der Vermutungsrechtsprechung waren auch in anderen Bereichen schwer zu bestimmen, beispielsweise bei der seit Anfang der 90-er Jahre geforderten Differenzierung zwischen Aufwendungen zum Erhalt der Leistung und solchen zur späteren Verwendung (Diskotheken-Entscheidung).5 Die Frage einer Ausdehnung auf einseitige Schuldverhältnisse blieb ebenso offen wie die einer Anwendung auf den Fall eines bloßen Leistungsverzugs.6 Seit der Diskotheken-Entscheidung aus dem Jahr 1991 war die Vermutung für ihren nunmehr eingeschränkten Anwendungsbereich faktisch unwiderlegbar. Die Entscheidungen ergingen zwar weiterhin unter dem Etikett der Rentabilitätsvermutung. In Wahrheit gab jedoch die angemessene Verteilung des Frustrationsrisikos den Ausschlag. Diese Unterteilung nach Risikosphären war eine zu begrüßende Weiterentwicklung. Es bleibt dennoch ungewiss, ob es der Rechtsprechung gelungen wäre, den Ersatz frustrierter Aufwendungen auf absehbare Zeit ganz aus dem Rahmen der Rentabilitätsvermutung zu lösen. Auch die Wissenschaft vermochte das Defizit im System der Gläubigerrechte nicht zufriedenstellend zu beseitigen. Die Frustrationslehre gelangte freilich zu einem Ersatzanspruch, indem sie die Zweckverfehlung als den zu ersetzenden Schaden in den Vordergrund rückte. Auf diese Weise ließ sich der nötige Kausalzusammenhang zwischen der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der vertraglichen Leistungspflicht und dem eingetretenen Schaden begründen, was mit Blick auf die Aufwendungen selbst gerade problematisch war. 4 Vgl. hierzu die Ausführungen im ersten Teil, insbesondere unter B., S. 44 ff. und D., S. 52 ff. und die Ausführungen unter Teil 4 C., S. 200 ff. 5 Vgl. zur Diskotheken-Entscheidungen die Ausführungen unter Teil 1 C., S. 49 ff. 6 Vgl. hierzu die Ausführungen unter Teil 1 B., S. 44 ff. und D., S. 52 ff.
260
Schlussbetrachtung
Diese Konstruktion führte den Rechtsanwender jedoch geradewegs in den Bereich immaterieller Schäden, wenn der Zweck des Gläubigers nicht in der Erzielung eines materiellen Gewinns lag. Die Rentabilitätsvermutung, welche ebenfalls primär auf die Zweckverfehlung und nicht auf die Aufwendungen selbst abstellte, stieß an dieser Stelle an ihre Grenze, weshalb es in der Stadthallen-Entscheidung aus dem Jahr 1986 zu einer Klageabweisung kommen musste. Die Frustrationslehre unterläuft dagegen das in § 253 I BGB manifestierte Verbot der Kompensation immaterieller Schäden und provoziert auf diese Weise eine uferlose Haftung des Schuldners.7 Eine wachsende Mindermeinung veränderte die Prämissen, indem sie eine andere Differenzhypothese zur Bestimmung des Ersatzanspruchs wählte. Man wollte dem Gläubiger aufgrund seines berechtigten Vertrauens in die ordnungsgemäße Leistung wahlweise entweder Ersatz seines Erfüllungsschadens oder sein negatives Interesse gewähren. Auf diese Weise ließ sich der nötige Kausalzusammenhang zwischen dem Vertrauensbruch als Haftungsgrund und den frustrierten Aufwendungen als Schaden herstellen.8 So attraktiv dieser Lösungsweg auch sein mochte, war mit seiner Durchsetzung auf breiter Front nicht zu rechnen. Die Rechtsprechung lehnte diesen Perspektivenwechsel nämlich konsequent ab. Hinzu kam, dass der Begriff des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung – und erst recht der 2002 eingefügte neue Begriff des Schadensersatzes statt der Leistung – ein Wahlrecht des Gläubigers zwischen dem Ersatz seines Erfüllungsinteresses und seines Vertrauensschadens wenig nahe legte.
III. Dogmatische Anknüpfung § 284 BGB übernimmt nun gerade den letztgenannten Ansatz aus der Literatur und beseitigt durch die explizite gesetzliche Regelung die geäußerten Bedenken. Die neue Norm verschafft dem Gläubiger einen Anspruch auf Ersatz (zumindest eines Teils) seines Vertrauensschadens. Die Norm ist zweistufig gestaltet. Haftungsgrund ist die Schaffung eines Vertrauenstatbestands durch Eingehung eines Schuldverhältnisses, das Anlass für die Aufwendungen des Gläubigers ist. Hinzukommen muss auf zweiter Stufe die Enttäuschung dieses Vertrauens und die daraus folgende Frustration der Aufwendungen.9 Auf diese Weise erklärt sich sogleich die im Wortlaut von § 284 BGB geforderte Alternativität zum Schadensersatz statt der Leistung. Gemeint ist 7 8 9
Vgl. im Einzelnen die Ausführungen unter Teil 1 G.II., S. 65 ff. Vgl. die Ausführungen unter Teil 1 G.III., S. 70 ff. Vgl. die Ausführungen unter Teil 4 A.II., S. 186 ff.
A. Ergebnisse
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damit nicht mehr und nicht weniger als die Exklusivität von positivem und negativem Interesse. Deshalb ist § 284 BGB im Allgemeinen mit einem Schadensersatz neben der Leistung kombinierbar, soweit dieser sich sowohl dem Erfüllungsinteresse als auch dem Vertrauensschaden zuordnen lässt.10 § 284 BGB stellt keine gesetzliche Manifestation der Frustrationslehre dar. Die neue Rechtslage gibt auch keinerlei Anlass, über eine Neubelebung dieser Theorie oder eine Ausdehnung von § 284 BGB auf den Bereich der unerlaubten Handlungen zu debattieren. Vielmehr erteilt § 284 BGB solchen Überlegungen eine klare Absage, indem als Voraussetzung ein schutzwürdiges Vertrauen gefordert wird, das sich nur aus einem Schuldverhältnis ergeben kann. Da nur die materiellen Aufwendungen ersetzt werden, droht dem Grundsatz des Verbots der Kompensation immaterieller Schäden keine neuerliche Aufweichung.11
IV. Gefahren und Lösungsvorschlag § 284 BGB hat jedoch seine Schattenseiten. Aufgrund des vagen Wortlauts kann die Norm bei unbedarfter Anwendung zu einer erheblichen Ausdehnung der Verantwortlichkeit des Schuldner führen, die vor dem Ziel einer gerechten Risikoverteilung auch im Bereich einer verschuldensabhängigen Haftung nicht mehr zu rechtfertigen ist. Darüber hinaus besteht das Risiko, den Gläubiger zu verschwenderischem Ausgabenverhalten gerade erst zu veranlassen, wenn sich dieser in der Sicherheit einer vollumfänglichen Rückversicherung durch die Haftung des Schuldners wiegen kann.12 § 254 II 1 BGB reicht zum Schutz des Schuldners nicht immer aus, weil damit das Verhalten des Gläubigers im Zeitpunkt der Vornahme der Aufwendungen nicht erfasst werden kann.13 Die nötigen Korrekturen zur Begrenzung des § 284 BGB sind nur mit einem gewissen Begründungsaufwand zu erzielen. Mit dem im Tatbestand angelegten Begriff der Billigkeit lässt sich jedoch ein den Besonderheiten des Einzelfalls gerecht werdendes Modell entwickeln. Die Formulierung des Gesetzestextes und die Materialien müssen sich den Sachargumenten an dieser Stelle unterordnen. Das Ziel einer angemessenen Risikoverteilung muss als elementares Prinzip der Privatrechtsordnung Geltung erlangen, auch wenn der Gesetzgeber die Interessen des Schuldners zu gering gewichtet hat. Der Wunsch, die Position des Gläubigers zu stärken, wird dadurch 10
Vgl. hierzu die Ausführungen unter Teil 4 B., S. 192 ff. Vgl. hierzu Teil 4, insbesondere die Ausführungen unter A.II., S. 186 ff. 12 Vgl hierzu Teil 3, insbesondere die Ausführungen unter A., S. 104 ff. 13 Vgl. zum Anwendungsbereich des Mitverschuldens die Ausführungen unter Teil 3 D.V., S. 177 ff. 11
262
Schlussbetrachtung
nicht torpediert, sondern nur mit gegenläufigen, aber gleichwertigen Interessen in Einklang gebracht. Um einen unzulässigen Einschnitt in die Dispositionsfreiheit des Gläubigers zu vermeiden, dürfen die Aufwendungen selbst nicht einer Überprüfung auf ihre objektive Zweckmäßigkeit oder Vernünftigkeit unterzogen werden. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Ersatzanspruch des Gläubigers und damit korrespondierend die Ersatzpflicht des Schuldners der Billigkeit entsprechen, mithin bei Abwägung der Interessen beider Parteien unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Verkehrssitte gerecht erscheinen.14 Im Sinne einer Fallgruppenbildung zur Konkretisierung ist ein Aufwendungsersatz inbesondere dann zu versagen, wenn die Aufwendungen für den Schuldner aus der ex ante-Sicht nicht vorhersehbar waren. Entscheidend ist, ob ein Dritter in der konkreten Lage des Schuldners bei verständiger Würdigung aller ihm erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte die vom Gläubiger getätigten Aufwendungen insoweit schlechterdings nicht vorhergesehen hätte.15 Darüber hinaus ist ein Aufwendungsersatz auch dann unbillig, wenn er sich als unverhältnismäßig darstellt. Das Missverhältnis der Leistungen zu den getätigten Aufwendungen ist hierfür ein Kriterium. Unzumutbar ist die Haftung für den Schuldner aber nicht schon generell deshalb, weil die Aufwendungen den Wert der Leistung oder seiner Gegenleistung übersteigen. Die Art des Schuldverhältnisses kann von Bedeutung sein; auch die Motivation des Schuldners im Sinne eines altruistischen oder selbstnützigen Handelns sowie sein Verschuldensgrad sind miteinzubeziehen. Übertriebene Aufwendungen, die selbst unter Zugrundelegung des subjektiven Zwecks des Gläubigers schlichtweg nicht mehr als förderlich angesehen werden können, sollen in seinem eigenen Risikobereich verbleiben. Nicht entscheidend sind dagegen die finanzielle Leistungsfähigkeit des Schuldners und die Bedürftigkeit des Gläubigers.16 Die Entschädigung des Gläubigers wird regelmäßig nicht vollständig entfallen, sondern auf das vorhersehbare und verhältnismäßige, mithin billige Maß zu reduzieren sein. Bemüht man hier die Unterscheidung von Aufwendungen zum Leistungserhalt und solchen zur späteren Verwendung im Sinne der Diskotheken-Entscheidung, wird die Billigkeit bei ersteren im Allgemeinen außer Frage stehen und nur bei letzteren in Einzelfällen problematisch sein.17 14
Vgl. Vgl. 16 Vgl. 17 Vgl. S. 175 f. 15
hierzu die Ausführungen unter Teil 3 D., S. 147 ff. die Ausführungen unter Teil 3 D.III.1., S. 156 ff. die Ausführungen unter Teil 3 D.III.2., S. 161 ff. hierzu die Ausführungen unter Teil 3 D.III.1.c), S. 159 f. und D.IV.,
A. Ergebnisse
263
V. Weitere Tatbestandsmerkmale Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung“ ist wiederum nicht zu streng am Wortlaut zu verharren. Der Anwendungsbereich von § 284 BGB ist immer dann eröffnet, wenn der Gläubiger ebenso gut Ersatz seines – nicht zwangsläufig gleichzeitig existierenden – materiellen Erfüllungsschadens geltend machen könnte. Ferner ist § 284 BGB auch in Fällen eines Schadensersatzes neben der Leistung anzuwenden, wenn die Gläubigeraufwendungen bereits durch die mangelhafte oder verzögerte Leistung ihren Zweck verfehlen.18 Ein gleichzeitiger Rücktritt vom Vertrag ist nicht generell zu fordern. Der Gläubiger soll am Schuldverhältnis zumindest in Teilen auch festhalten können, wenn dies seiner Interessenlage besser entspricht.19 Nur wenn er auch seine eigene bereits erbrachte Leistung vollständig rückgängig machen will, muss er zugleich vom Vertrag zurücktreten.20 Darüber hinaus muss bei der Auslegung jedes einzelnen Tatbestandsmerkmals eine Restriktion erwogen werden, soweit diese nicht über das Ziel hinausschießt und den Anwendungsbereich von § 284 BGB so weit einschränkt, dass wiederum neue Lücken entstehen.21 Mittels einer solchen wertungsorientierten Auslegung kann der Aufwendungsbegriff auf reale Verluste beschränkt werden. Nicht ersatzfähig sind demnach hypothetisch zu erzielende Gewinne aus einem Alternativgeschäft sowie die eigene vergebliche Arbeitsleistung.22 Zahlreiche Unsicherheitsfaktoren bringt der Begriff des Zwecks mit sich. Dieser ist bei dem Tatbestandsmerkmal der Zweckverfehlung und der Frage nach einem hypothetischen Kausalverlauf zu berücksichtigen. Ein sinnvoller Umgang mit Motivbündeln, die der Gläubiger im Allgemeinen verfolgt, erfordert eine Aufspaltung in primäre und sekundäre Zwecke. Insbesondere für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens, der sich hinter dem letzten Halbsatz des § 284 BGB verbirgt, ist von Bedeutung, dass bloße Fernziele unberücksichtigt bleiben. Der Verlusteinwand ist deshalb nur dann zulässig, wenn der Gläubiger mit seinen Aufwendungen (etwa durch Weiterveräußerung) unmittelbar eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt. Einer Haftung für Aufwendungen, die dem Vertragsschluss und dem Erhalt der Leistung dienen, mithin die klassischen Vertragskosten, kann sich der Schuldner deshalb in aller Regel nicht entziehen.23 Bei den kostspielige18 19 20 21 22
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
die Ausführungen unter Teil 5 B., S. 205 ff. die Ausführungen unter Teil 5 B.II.2., S. 207 ff. hierzu die Ausführungen unter Teil 5 C., S. 219 ff. die Prämissen der Auslegung unter Teil 5 A., S. 205 f. die Ausführungen unter Teil 5 D., S. 224 ff.
264
Schlussbetrachtung
ren Aufwendungen zur späteren Verwendung der Leistung können jedoch Zweifel verbleiben, wann ihr Zweck gleichermaßen verfehlt worden wäre, insbesondere dann, wenn dieser ein immaterieller war.
VI. Darlegungs- und Beweislast Die mit dem Begriff des Zwecks verbundenen Unsicherheiten bedürfen einer sorgfältigen Anwendung der Darlegungs- und Beweislastgrundsätze des deutschen Zivil- und Zivilprozessrechts. Der Gläubiger trägt – wie für alle anderen haftungsbegründenden Tatbestandsmerkmale – die Darlegungsund Beweislast dafür, dass der von ihm verfolgte Zweck überhaupt verfehlt worden ist. An dieser Stelle sind teilweise oder zeitweilige Zweckerreichungen anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich nicht um einen vom Schuldner zu beweisenden Fall der Vorteilsausgleichung, sondern schlichtweg um die Prüfung der Frustration.24 Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens im letzten Halbsatz ist ebenfalls an dem vom Gläubiger substantiiert vorzutragenden Zweck zu orientieren. Die Gefahr des non liquet trägt der Schuldner. Die Darlegungslast ist dagegen zwischen beiden Parteien abgestuft zu verteilen. Der Gläubiger kann sich auf diese Weise nicht durch eine unsubstantiierte Behauptung ideeller Zwecke dem Verlusteinwand entziehen.25 Nicht weniger bedeutsam ist die Darlegungs- und Beweislast auch bei der Frage, ob der Aufwendungsersatz der Billigkeit entspricht. Letztlich trägt der Gläubiger die Gefahr einer Beweisfälligkeit. Ohne besonderen Anlass wird er jedoch zur Billigkeit seines Aufwendungsersatzanspruchs nicht Stellung nehmen müssen. Im Sinne einer abgestuften Darlegungslast muss der Schuldner zunächst Anhaltspunkte vortragen, die eine Unbilligkeit seiner Haftung vermuten lassen.26
B. Kritik am Gesetzgebungsverfahren An dieser Stelle muss ein Wort der Kritik am Gesetzgeber erlaubt sein. Die aufgezeigten Probleme bei der Anwendung von § 284 BGB sind nämlich zum einen Teil „hausgemacht“. Das überhastete und undurchsichtige Gesetzgebungsverfahren mit seinen widersprüchlichen Materialien hat viele Fragen bezüglich des genauen Anwendungsbereichs der Norm erst aufge23 24 25 26
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
die die die die
Ausführungen Ausführungen Ausführungen Ausführungen
unter unter unter unter
Teil Teil Teil Teil
5 5 5 3
G.II.1., S. 247 ff. F., S. 239 ff. G.III.4., S. 251 ff. D.IV., S. 175 ff.
C. Ausblick
265
worfen.27 Diesen Vorwurf wird der Gesetzgeber nicht ausräumen können, ebensowenig den Eindruck einer gewissen Blauäugigkeit. Den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten hätte bewusst sein müssen, dass die neue Norm aufgrund ihres offenen Wortlauts und der vorher höchst umstrittenen Rechtslage keinesfalls einfach auszulegen sein würde. Mit einem einzigen Satz im Gesetz die Lösung jahrzehntelanger Streitigkeiten in Literatur und Rechtsprechung herbeizuführen, die eng mit den ebenfalls stets umkämpften Grundlagen des Schadensrechts verbunden sind, war von vornherein nicht zu erwarten. Hatte der Gesetzgeber selbst überhaupt daran geglaubt, zeugt dies von einer erheblichen Selbstüberschätzung. Dasselbe gilt für die Behauptung, man würde sämtliche Unsicherheiten der bisherigen Rechtslage beseitigen und das Gesetz für den Bürger einfach handhabbar machen können. Die Vorstellung, der Verbraucher könne sich nach einem Kauf eines mangelhaften Fahrzeugs durch einen Blick in das Gesetz und in § 284 BGB über seine Rechte informieren, ist geradezu grotesk. Hinzu kommt ein weiterer Kritikpunkt, der sich an einigen Stellen der Schuldrechtsmodernisierung offenbart. Oftmals gelingt es dem Gesetzgeber nicht, die bestehenden Probleme zu lösen. Sie werden lediglich an eine andere Stelle des Gesamtsystems verschoben. Dies trifft bei § 284 BGB auf die Abgrenzung der verschiedenen vom Gläubiger verfolgten Zwecke zu. Sowohl die Differenzierung nach kommerziellen und anderen Zwecken, als auch die zwischen unmittelbaren und ferneren Zielen konnte nicht endgültig beseitigt werden. Die Unterschiede tauchen spätestens bei der Frage nach einem hypothetischen Kausalverlauf erneut auf. Immerhin sind sie dort von geringerer Tragweite, weil es auf das rechtmäßige Alternativverhalten weniger oft ankommt. Die Unterscheidung ist erst im Rahmen der Zurechnung zu beantworten und nur dann, wenn der Schuldner überhaupt eine Chance sieht, sich auf diese Weise zu entlasten. Nur wenn Aufwendungen ausschließlich der späteren Verwendung des Leistungsgegenstands dienen, kommt es außerdem auf die Unterscheidung kommerzieller und anderer Zwecke an.
C. Ausblick Impetus dieser Arbeit war jedoch nicht die rückblickende Schelte der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten. § 284 BGB gibt Anlass, über die bisherige Rechtslage nachzudenken, deren Diskussion seit Anfang der 90-er Jahre festgefahren war. § 284 BGB zeigt den Weg in die richtige Richtung und wartet nun darauf, einer verständigen Anwendung zugeführt zu werden. 27
Vgl. hierzu Teil 2, insbesondere B.II.2., S. 89 ff.
266
Schlussbetrachtung
In diesem Sinne soll dieser Beitrag als Plädoyer an Praxis und Literatur verstanden werden, die Norm nicht von vornherein als unbrauchbar zu verurteilen. Dieser Eindruck konnte durchaus entstehen aufgrund der sehr spärlichen gerichtlichen Entscheidungen, die sich bisher mit § 284 BGB befasst haben. Man könnte sich zwar auf den Standpunkt stellen, auf eine Akzeptanz durch die Praxis komme es nicht an, da diese zur Anwendung des Gesetzes verpflichtet sei.28 Diese Auffassung ist jedoch mit dem Bild des Richters als eines wertenden Interpreten nicht vereinbar. Ohne dass es sich gleich um eine unzulässige „Rechtsbeugung“ handeln muss, wird es dem Richter in einigen Fällen gelingen, seine Entscheidung ohne Anwendung von § 284 BGB zu begründen, sollte er diese Norm für nicht praktikabel oder wenig sachgerecht halten.29 Veröffentlicht sind bis dato – über 4 Jahren nach der Reform – gerade einmal eine Handvoll Urteile, die den Bereich der frustrierten Aufwendungen berühren. Das Landgericht Bonn und das Oberlandesgericht Karlsruhe haben trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit von § 284 BGB eine Entscheidung nach altem Recht gefällt.30 Ohne Not wichen die Richter auf die problematische Rentabilitätsvermutung aus, um schließlich zum gewünschten Ergebnis zu gelangen. Zur Umgehung von § 284 BGB bietet sich außerdem die Konstruktion über Aufklärungspflichtverletzungen an, mit der ähnliche Ergebnisse erzielt werden können. Tatsächlich nutzbar gemacht haben § 284 BGB das Oberlandesgericht Stuttgart und nachfolgend der Bundesgerichtshof.31 Dies ist vor allem deshalb sehr erfreulich, weil es sich um einen Sachverhalt handelte, der bisher als erwerbswirtschaftlich und damit als klassischer Anwendungsbereich der Rentabilitätsvermutung angesehen worden wäre. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte allerdings völlig zu Recht gesehen, dass unter strenger Anwendung der Maßstäbe der Diskotheken-Entscheidung nur einem kleinen Teil des Klageantrags hätte stattgegeben werden dürfen. Zumindest diese beiden Urteile lassen erkennen, dass die Rechtsprechung bereit ist, § 284 BGB nicht nur als Nischenregelung anzusehen, sondern auf ganz alltägliche Sachverhalte anzuwenden. Es bleibt zu hoffen, dass diesen Entscheidungen weitere nachfolgen werden, die zu einer Konkretisierung 28 S. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005, S. 12 Fn. 7, anderenfalls handele es sich um Rechtsbeugung. 29 U. a. Katzenstein, JR 2003, 447, 452 zur Regelung des § 311a II BGB. 30 LG Bonn v. 30.10.2003, NJW 2004, 74 ff.; OLG Karlsruhe v. 14.09.2004, NJW 2005, 989 ff. 31 OLG Stuttgart v. 25.08.2004, ZGS 2004, 434 ff.; BGH v. 20.07.2005, NJW 2005, 2848 ff.
C. Ausblick
267
des Tatbestands und damit einer Stärkung der Rechtssicherheit beitragen können. Der Bundesgerichtshof hat hierauf nur begrenzt Einfluss, ist er doch darauf angewiesen, entsprechende Fälle zur Revision vorgelegt zu bekommen. Eine verstärkte Verantwortung kommt den Instanzgerichten zu. Diese sollten zum einen nicht den Weg „nach altem Recht“ suchen. Zum anderen erlaubt ihnen das neue Revisionsrecht eine streitwertunabhängige Revisionszulassung, Fragen zur Auslegung von § 284 BGB können von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 543 I, II Nr. 1 ZPO sein. Sicherlich ist aber für die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 I, II, Nr. 2 ZPO) eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs wünschenswert. Adressaten dieses Appells gegen eine Nichtanwendung sind an dieser Stelle deshalb gleichermaßen die Rechtsanwälte, denen die Existenz von § 284 BGB zum Teil gänzlich unbekannt geblieben ist. In der Literatur sind die Beiträge zu § 284 BGB ebenfalls spärlicher gesät als zu anderen Fragen der Schuldrechtsmodernisierung. Es entsteht fast der Eindruck, als würden sie noch weniger, je mehr Zeit seit der Reform vergeht. Vielleicht ist die Vorschrift mancherorts schon in Vergessenheit geraten. Dabei hat der Bundesgerichtshof der Rechtswissenschaft in seinem ersten Urteil zum Aufwendungsersatz fast alle Wege offen gelassen. Die Entscheidung stellt sich als sachgerechte Anwendung von § 284 BGB auf den konkret vorliegenden Sachverhalt dar. Präjudizierende Aussagen für das weitere Verständnis der Norm werden nur sehr vorsichtig getroffen.32 Dies kann sich gerade bei einem in seiner Breite noch nicht ganz ausgeloteten Tatbestand als durchaus klug und vorausschauend erweisen. Der Senat verhindert so eine unerwünschte Bindungswirkung für zukünftige Fälle. Weitere Einzelfallentscheidungen und die Arbeit der Rechtswissenschaft können sich schließlich zu einem Gesamtbild zusammenfügen und § 284 BGB die nötigen Konturen verleihen. Dabei sollte das Augenmerk auf die grundlegenden Prinzipien des Schadensrechts fallen: das Ausgleichsprinzip, das Bereicherungsverbot und eine angemessene Risikoverteilung. „Aufgabe des bürgerlichen Rechts ist es [nämlich] in erster Linie“ – um mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts zu schließen – „Interessenkonflikte zwischen rechtlich gleichgeordneten Rechtssubjekten sachgerecht zu lösen.“33
32 Weitergehend Westphalen in seiner Anmerkung in BB 2005, 2039. Er sieht in der Entscheidung „klärende und abschließende Worte“ und eine „Segelanweisung“ für die Praxis. Vorsichtiger Dedek, ZGS 2005, 409, 413, der an manchen Stellen klarere Worte des BGH gewünscht hätte. 33 BVerfG v. 19.04.2005 – 1 BvR 1644/00 u. 188/03 –, JZ 2005, 1001, 1005.
Entscheidungsverzeichnis Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
19.04.2005
1 BvR 1644/00 und 188/03
JZ 2005, 1001–1010
13.08.1998
1 BvL 25/96
NJW 1998, 3557–3558
19.10.1993
1 BvR 567/89
NJW 1994, 36–39
07.02.1990
1 BvR 26/84
JZ 1990, 691–694
14.07.1981
1 BvL 28/77
JZ 1981, 528–531
11.06.1980 (Plenum) 1 PBvU 1/79
BVerfGE 54, 277–300
11.10.1978
1 BvR 84/74
BVerfGE 49, 304–324
14.02.1973
1 BvR 112/65
BVerfGE 34, 269–293
21.03.1961
2 BvR 27/60
BVerfGE 12, 296–308
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
13.06.2006
X ZR 167/04
n. v.
20.01.2006
V ZR 124/05
NJW 2006, 1198–1199
01.12.2005
I ZR 31/04
n. v.
20.07.2005
VIII ZR 275/04 (Fahrzeugkauf)
BGHZ 163, 381–391 = NJW 2005, 2848–2851 = ZIP 2005, 1512–1515
08.07.2005
IX ZR 230/01
n. v.
13.09.2001
VII ZR 392/00
NJW 2002, 141–142
06.04.2001
V ZR 394/99
NJW 2001, 2875–2877
15.03.2000
XII ZR 81/97
NJW 2000, 2342–2344
03.02.2000
III ZR 296/98
BGHZ 143, 362–372
Entscheidungsverzeichnis Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
22.10.1999
V ZR 401/98
BGHZ 143, 41–51 = NJW 2000, 506–509
21.10.1999
III ZR 319/98
BGHZ 143, 9–18
24.09.1999
V ZR 71/99
NJW 1999, 3625–3627 = LM 2000, § 325 Nr. 31 Bl. 1–3
26.03.1999
V ZR 364/97 (Vollmachtloser Vertreter)
NJW 1999, 2269 = JZ 2000, 100
07.12.1998
II ZR 266/97
NJW 1999, 579–582
30.06.1997
II ZR 186/96
NJW 1997, 2879–2880
18.04.1997
V ZR 28/96
NJW 1997, 2234–2236
24.11.1995
V ZR 88/95
BGHZ 131, 220–227 = NJW 1996, 921–923
30.06.1993
XII ZR 136/91 (Rücktrittsvorbehalt)
BGHZ 123, 96–101 = NJW 1993, 2527–2528
01.04.1993
I ZR 70/91
BGHZ 122, 172–180
25.11.1992
VIII ZR 170/91
NJW 1993, 520–522
23.04.1991
X ZR 77/89
WM 1991, 1737–1739
19.04.1991
V ZR 22/90 (Diskothek)
BGHZ 114, 193–202 = JZ 1992, 464–467 = DB 1991, 2126–2128 = NJW 1991, 2277–2279 = ZIP 1991, 798–801
11.06.1990
II ZR 159/89
NJW 1990, 3151–3152
15.03.1990
I ZR 149/88
NJW 1990, 2543–2544
22.02.1989
VIII ZR 4/88
NJW-RR 1989, 627–629
25.01.1989
VIII ZR 49/88
WM 1989, 575–577
05.02.1987
I ZR 210/84
BGHZ 100, 31–35
10.12.1986
VIII ZR 349/85 (Stadthalle)
BGHZ 99, 182–203 = NJW 1987, 831–835 = JZ 1987, 512–517
09.07.1986 (GS)
GSZ 1/86 (Nutzungsausfall)
NJW 1987, 50–54
18.09.1985
VIII ZR 244/84
NJW 1986, 659–661
21.12.1984
V ZR 206/83
NJW 1985, 2697–2698
269
270
Entscheidungsverzeichnis
Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
16.10.1984
X ZR 86/83
NJW 1985, 381–382
22.09.1983
III ZR 171/82
NJW 1984, 229–230
15.04.1983
V ZR 152/82
NJW 1983, 2137–2139
09.03.1983
VIII ZR 11/82
NJW 1983, 1479–1481
18.11.1982
III ZR 61/81
NJW 1983, 868–870
23.09.1982
III ZR 196/80 (Architektenwettbewerb)
NJW 1983, 442–444 = DB 1983, 1427–1429
29.06.1982
VI ZR 206/80
NJW 1982, 2447–2449
21.04.1978
V ZR 235/77 (Eigentumswohnung)
BGHZ 71, 234–243 = NJW 1978, 1805–1807 = JZ 1978, 566–568
15.11.1977
VI ZR 101/76
BGHZ 70, 39–47
22.06.1977
VIII ZR 240/75 (Küchenausbau)
WM 1977, 1089–1090
25.05.1977
VIII ZR 186/75
BGHZ 69, 53–59
29.04.1977
V ZR 236/74
BGHZ 69, 34–37 = NJW 1977, 1446–1447
15.12.1975
II ZR 54/74
BGHZ 65, 384–390
25.09.1975
VIII ZR 179/73
BGHZ 65, 107–114 = NJW 1976, 43–44
28.05.1975
VIII ZR 70/74
WM 1975, 897–899
10.10.1974
VII ZR 231/73
BGHZ 63, 98–107
22.02.1973
III ZR 22/71
BGHZ 60, 214–217
13.04.1972
II ZR 51/70
WM 1972, 772–773
28.10.1971
VII ZR 15/70
BGHZ 57, 191–203
22.09.1971
VIII ZR 38/70
BGHZ 57, 78–84
18.05.1971
VI ZR 52/70
BGHZ 56, 214–221
05.05.1970
VI ZR 212/68
BGHZ 54, 45–56
18.12.1969
VII ZR 121/67
NJW 1970, 461–463
19.04.1967
VIII ZR 8/65
WM 1967, 798–799
15.04.1966
VI ZR 271/64
NJW 1966, 1260–1262
02.04.1964
KZR 10/62
BGHZ 41, 271–282
Entscheidungsverzeichnis Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
30.09.1963
III ZR 137/62
NJW 1964, 542–545
30.09.1963
III ZR 186/61
NJW 1964, 717–718
29.10.1962
II ZR 31/61
BGHZ 38, 183–186
05.01.1960
VIII ZR 1/59
NJW 1960, 720–721
24.03.1959
VI ZR 90/58
BGHZ 30, 29–36
22.01.1959
III ZR 148/54
BGHZ 29, 207–216
25.09.1957
4 StR 354/57
BGHSt 11, 1–7
07.05.1956
III ZR 243/54
NJW 1956, 1234–1235
06.07.1955 (GS)
GSZ 1/55
BGHZ 18, 149–168
18.05.1955
I ZR 8/54
BGHZ 17, 266–296
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
21.06.1988
1 AZR 653/86
AP Nr. 109 Bl. 1523–1528 zu Art. 9 GG Arbeitskampf
05.03.1985
1 AZR 468/83
AP Nr. 85, Bl. 544–548 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = NJW 1985, 2545
Entscheidungen des Reichsgerichts Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
08.11.1940
III 27/40
DR 1941, 637–639
22.06.1936
IV 75/36
RGZ 151, 357–361
22.01.1935
II 198/34
RGZ 146, 385–397
13.11.1934
III 112/34
RGZ 146, 35–42
19.02.1930
I 248/29
RGZ 127, 245–250
01.03.1928
VI 258/27
RGZ 120, 249–253
02.02.1926
III 627/24
RGZ 113, 19–25
13.03.1913
VII 5/10
JW 1913, 595–596
13.03.1902
VI 437/01
RGZ 50, 255–269
271
272
Entscheidungsverzeichnis Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts
Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
18.06.1878
777/78
ROHGE 24, 106–108
Entscheidungen anderer Gerichte Gericht
Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
OLG Celle
26.05.1989
4 U 53/88
VersR 1989, 709–710
OLG Düsseldorf
06.05.2005
I-1 W 17/05
n. v.
OLG Düsseldorf
03.12.1993
22 U 127/93
n. v.
OLG Düsseldorf
18.11.1965
1 U 20/65
VersR 1968, 77
OLG Karlsruhe
14.09.2004
8 U 97/04
NJW 2005, 989–991
OLG Köln
03.05.1995
11 U 241/94
NJW-RR 1996, 561
OLG Köln
16.09.1993
7 U 89/93
NJW-RR 1994, 687–688
OLG München
01.06.2001
21 U 1608/01
MDR 2001, 1407
OLG Saarbrücken
20.07.1998
8 W 165/98–22
NJW 1998, 2912–2913
OLG Stuttgart
25.08.2004
3 U 78/04
ZGS 2004, 434–437
LG Bonn
30.10.2003
10 O 27/03
NJW 2004, 74–76/ NJW 2005, 240
LG Bonn
19.04.1993
5 S 64/92
NJW-RR 1993, 1269–1270
LG Bremen
15.02.1991
6 O 2866/89 u. 1218/90
NJW-RR 1991, 1432–1435
LG Lüneburg
11.08.2000
8 S 41/00
NJW 2002, 614
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Personen- und Sachwortverzeichnis Abwicklung des Ersatzanspruchs 253 Allgemeine Geschäftsbedingungen 118, 153, 256 Alternativgeschäft, hypothetisches 224 Alternativität von Schadensersatz und Rücktritt 45 Alternativität von § 284 BGB und §§ 281 ff. BGB 192 Alternativverhalten, rechtmäßiges 140, 245 Altmeppen, Holger 93 Analogie zu § 284 BGB für Fixaufwendungen 212 Analogie zu § 467 S. 2 BGB a. F. 60 Angemessenheit der Aufwendungen 76 Anspruchsausschluss 180 Anspruchskürzung 180, 254 Äquivalenzgedanke 34, 130, 135 Arbeitnehmerhaftung 109, 132, 173 Arbeitskampf 109 Arbeitskraft 229 Arbeitsleistung 228 Arbeitsvertrag 131 Architektenwettbewerb 40 Aufwandspauschale 229 Aufwendung – Exklusivität zum Schaden 73 – freiwillige 73 – fremdnützige 73, 183 – frustrierte 19 – rentable 37 – vor Vertragsschluss 142 – zum Erhalt der Leistung 50, 132 – zur Verwendung der Leistung 50, 132
Auslegung – Bindungswirkung der ratio legis 154 – Folgenberücksichtigung 114 – historische 83, 100 – restriktive 141 – und Gesetzeskorrektur 105 – Wortlaut 104 – Ziel der 21 Austauschvertrag 106, 112 Begleitschaden 195 Bereicherungsverbot 138, 193, 242 Beweis des entgangenen Gewinns 33 Beweiserleichterung 19, 33, 38 Beweisfälligkeit 175, 180 Beweislastumkehr 19, 38 Beweislastverteilung 175, 180 Billigkeit 81 – Begriff 150 – Funktion 147 – und Mitverschulden 147 Billigkeitskontrolle 148 Bruch, Alban 202 Canaris, Claus-Wilhelm 21, 93, 102, 149 culpa in contrahendo 32, 139, 200, 233 Darlegungslast, abgestufte 175 Darlehen 226 Dauner-Lieb, Barbara 83, 152 Differenzhypothese 25, 28, 193 Diskotheken-Entscheidung 49, 121
Personen- und Sachwortverzeichnis Diskriminierung – ideeller Zwecke 20 – von Privatpersonen 47 Diskussionsentwurf 87, 89 Dispositionsfreiheit 81, 148 Dogmatik 182 Effizienzprinzip 115, 172 Eigentumswohnungs-Entscheidung 41, 121, 212 Einzelfallentscheidung 113 Einzelfallgerechtigkeit 113, 154 Erbe 165 Erbenhaftung 108 Erfüllungsinteresse 30, 138, 186 Erfüllungsschaden 85 Ernst, Wolfgang 225 Erschließungskosten 50 Esser, Josef 105 Fahrzeugkauf-Entscheidung 106, 121, 179, 223, 253 Fallgruppenbildung 155 Falsus procurator 131, 236 Faust, Florian 135 Fixaufwendung 211 Folgeschaden 195 Formularklauseln Siehe Allgemeine Geschäftsbedingungen 118 Freizeichnung Siehe Allgemeine Geschäftsbedingungen 118 Frustrationslehre – Bedeutung 66, 70 – Kritik 69 – Wiederentdeckung durch § 284 BGB 188 Frustrationsrisiko 136 Frustrationsschaden 84 Generalklausel 152, 167 Gesetzesbegründung 96, 184, 250 Gesetzgeberwille – Begriff 100
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– Bindungswirkung 101 Gesetzgebungsverfahren 83 Gewinnabwehr 140 Gewinnentgang 19, 33, 110, 202, 224 Glücksfallargument 86, 120, 138 Grundsteuer 50, 238 Grundstückskaufvertrag 238 Gsell, Beate 193 Gutachterkosten 196 Haftungsrisiko 44, 105 Hausumbau 108 Heinrichs, Helmut 128, 162 Hohloch, Gerhard 167 Integritätsschaden 196 Interesse – negatives 32, 70, 73, 186, 192 – positives 30, 71, 192 Interesse des Schuldners 76 Interessenausgleich 125 Kardinalpflichten 117 Kausalzusammenhang 27, 33, 67, 244 Kommerzialisierungsgedanke 66, 75 Kompensation 27 Konsolidierte Fassung 89 Küchenausbau 49 Larenz, Karl 113 Leihvertrag 218 Leistungsstörung – anfängliche Unmöglichkeit 225, 234 – beschränkte Störungen 207 – Leistungsverzögerung 211 – mangelhafte Leistung 208 – Nichtleistung 207 – Schlechtleistung 212 – Schutzpflichtverletzung 215 – Teilleistung 207 Lenkungsfunktion 116
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Personen- und Sachwortverzeichnis
Maklergebühr 233 Mietvertrag 216 Mindestschaden 35 Mitverschulden 147, 160, 177 Mommsen, Friedrich 28 Müller-Laube, Hans-Martin 53, 71 Naturalrestitution 26 Nutzungsausfallentschädigung 60, 66 Obliegenheitspflicht 82 Obliegenheitsverletzung 177 Ökonomische Analyse des Rechts 115, 171 Oskarverleihungs-Entscheidung 63, 111–112 Paktentheorie 101 Pflichtverletzung, Begriff der 30 Ratio legis 105, 126 Rechtsausschuss 93 Rechtsfortbildung 58, 79 Rechtssicherheit 154 Reduktionsklausel 167 Reisevertrag 70, 75, 218 Rentabilitätsvermutung – Abgrenzungsschwierigkeiten 52, 64 – Begrenzung in der Höhe 48 – Begriff 19, 23, 34 – Behauptung oder Vermutung 44 – Beschränkung auf den Geschäftsverkehr 47 – dogmatische Konstruktion 45 – Entbehrlichkeit 200 – Entwicklung 35 – Fortgeltung 127, 197, 200 – Kritik 44 – Nachweis des Verlustgeschäfts 37 – Ungleichbehandlung 47 – Unwiderleglichkeit 53
Risikoverteilung 21, 52, 54, 107, 150 Rücktritt – und Aufwendungsersatz 219 – Verhältnis zum Schadensersatz 36 Rücktrittsvorbehalt 74, 234 Sanktionslosigkeit der Pflichtverletzung 47 Schaden – Begriff 25–26 – immaterieller 42 Schadensersatz – neben der Leistung 195 – statt der Leistung 30, 205 – wegen Nichterfüllung 30 Schadensminderungspflicht 177 Schenkungsvertrag 218 Schuldrechtskommission von 1983 83, 85 Schuldrechtskommission von 2000 88, 90 Schuldrechtsreform 86 Schuldverhältnis – Bedeutung für das Interesse 29 – gesetzliches 129 Selbstregulierung 117 Stadthallen-Entscheidung 20, 39, 55, 112, 123, 158 Stadthallen-Paragraph 126 Stetten, Freiherr Wolfgang von 92 Stoppel, Jan 188 Streik, rechtswidriger 109, 132 Taxifahrer 111 teleologische Reduktion von § 253 BGB 62 teleologische Reduktion von § 284 BGB auf ideelle Zwecke 126 teleologische Reduktion von § 284 BGB auf Vertragskosten 135 Totalreparation 26 Treu und Glauben 152
Personen- und Sachwortverzeichnis Umgehung von § 253 I BGB 62 UN-Kaufrecht 160 Unholtz, Jörg Sebastian 225 Urlaubsgenuss 66 Verhältnismäßigkeit 161, 168 Verlusteinwand 37, 246 Vermächtnisanspruch 108, 165 Vermögensschaden 26, 28 Versicherbarkeit 118 Vertragsbindung 47 Vertragskosten 127 – Finanzierungskosten als 227 – in der Schuldrechtsreform 84 – Reduktion von § 284 BGB auf 133 – und Diskotheken-Entscheidung 54 – und Rentabilitätsvermutung 48 – und Vertrauensschutz 233 – und Zweckverfehlung 247 – Vorrang des Rücktrittsrechts 222 Vertragsstrafe 43 Vertrauensbruch als Haftungsgrund 70 Vertrauensschaden 71, 85, 138, 186 Vertrauensschutz 70, 141, 232 Vorhersehbarkeit 137, 156 Vorteilsausgleichung 241
293
Wertvergleich 163 Wiedemann, Herbert 128 Wilhelm, Jan 91 Zumutbarkeit 162 Zweck – Abgrenzungsschwierigkeiten 119, 127 – Begriff 119 – ideeller 24, 40, 62, 120 – immaterieller 58 – kommerzieller 39, 120, 249 – konsumtiver 120 – nichtkommerzieller 252 – normativer von § 284 BGB 105, 154 – Primär- 121, 247 – Sekundär- 247 – subjektiver 165 Zweckbündel 122 Zweckerreichung 239 Zweckverfehlung – als Haftungsgrund 239 – alternative 124