Der 'Vocabularius rerum' von Wenzeslaus Brack: Untersuchung und Edition eines spätmittelalterlichen Kompendiums 9783110922622, 9783110183177

In this work, the Vocabularius rerum - a Latin-German specialist dictionary from 1483 - is edited and examined for the f

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German Pages 499 [500] Year 2005

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Der Verfasser Wenzeslaus Brack
II. Überlieferung der Textzeugen
III. Der lexikographische Teil des Kompendiums
IV. Der nichtlexikographische Teil des Kompendiums
V. Zusammenfassung
VI. Edition
VII. Register
VIII. Verzeichnisse
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Der 'Vocabularius rerum' von Wenzeslaus Brack: Untersuchung und Edition eines spätmittelalterlichen Kompendiums
 9783110922622, 9783110183177

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Nina Pleuger Der Vbcabularius rerum von Wenzeslaus Brack

W G DE

Studia Linguistica Germanica

Herausgegeben von Stefan Sonderegger und Oskar Reichmann

76

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Nina Pleuger

Der 1Vocabularius rerum von Wenzeslaus Brack Untersuchung und Edition eines spätmittelalterlichen Kompendiums

Walter de Gruyter · Berlin · New York

© Gedruckt auf säurefreiem Papier das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 3-11-018317-X Bibliografische Information Der Deutschen

Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© Copyright 2005 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2004 von der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Gutachter waren Herr Prof. Dr. Jochen Splett und Herr Prof. Dr. Jürgen Macha, denen ich an dieser Stelle für ihre Hinweise und Anregungen danken möchte. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Jochen Splett, der mich zu diesem Thema anregte und während der Arbeit daran hilfreich unterstützte. Durch ein Stipendium der Graduiertenforderung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster wurde mir die Anfertigung dieser Studie ermöglicht. Bedanken möchte ich mich für die freundliche Aufnahme in den Handschriften- und Inkunabelabteilungen der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt und der Bayerischen Staatsbibliothek München. Danken möchte ich den Herausgebern, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. et h.c. Stefan Sonderegger und Herrn Prof. Dr. Oskar Reichmann, für die Aufnahme meiner Dissertation in die Reihe ,Studia Linguistica Germanica'. Für sein Interesse an meiner Studie und die gute Zusammenarbeit danke ich Herrn Dr. Heiko Hartmann vom Verlag Walter de Gruyter. Für das Korrekturlesen und ihre Hilfe bei der typographischen Einrichtung der Dissertation möchte ich mich herzlich bei Alexandra Boßmann M.A., Dr. Anja Bettenworth, Wolfgang Aust und Dr. Ludwig Schipmann bedanken. Besonderer Dank gebührt meinen Eltern, die mich unterstützten und mir in jeder Hinsicht ein großer Rückhalt waren.

Münster, im Dezember 2004

Nina Pleuger

Inhalts verze ichni s Vorwort

VII

Einleitung

1

I.

Der Verfasser Wenzeslaus Brack

8

1. Lebenslauf

8

II.

III.

2. Die Bibliothek des Wenzeslaus Brack Anhang: Handschriften aus dem Besitz von Wenzeslaus Brack

17 19

Überlieferung der Textzeugen

24

1. Donaueschinger Handschrift 56

27

2. Drucke 2.1. Basel, Peter Kollicker (1483) 2.2. Straßburg, Johannes Grüninger (um 1485/86) 2.3. Augsburg, Anton Sorg (1487) 2.4. Speyer, Johann und Konrad Hist (um 1485, 1496, 1501, 1509) 2.5. Straßburg, Martin Schott (1487, 1489) 2.6. Straßburg, Johannes Prüss (1489) 2.7. Straßburg, Georg Husner( 1491, 1495) 2.8. Leipzig, Konrad Kachelofen (1491) 2.9. Augsburg, Johann Schönsperger (1495) 2.10. Straßburg, Martin Flach (1512)

29 29 30 31 32 33 34 35 36 36 38

Der lexikographische Teil des Kompendiums

39

1. Aufbau und Inhalt der Vokabularien 1.1. Struktur der Vokabularien 1.2. Struktur der Wortartikel

39 39 43

2. Übersetzungstechnik 2.1. Allgemeine Verfahrensweise 2.2. Erklärungsbedürftige Übersetzungen

48 48 56

χ

IV.

Inhaltsverzeichnis

3. Quellen 3.1. Vokabularien 3.1.1. Vocabularius optimus 3.1.2. Vocabularius brevilogus 3.2. Grammatiken und Kommentare 3.3. Enzyklopädien 3.3.1. Isidors Etymologiae 3.3.2. Enzyklopädien des Hochmittelalters 3.4. Auswertung der Ergebnisse

64 64 67 76 79 87 89 99 105

4. Lautstand des volkssprachigen Wortschatzes 4.1. Vokalismus 4.2. Konsonantismus

107 108 117

5. Wortgeographie 5.1. Oberdeutsch-ostmitteldeutscher Sprachgegensatz 5.1.1. Sperling: spatz /Sperling 5.1.2. Lippe: lefzeflippe 5.1.3. Taufpate: gotte/pate, Taufpatin: gotta/patin 5.1.4. Ziege: geiß/ziege 5.1.5. Topf: hafen/ topf, Töpfer: hafner / topf er 5.1.6. Fleischer\ metzger / metzler /fleischer 5.1.7. Scheune: scheuer /scheune /stadel 5.2. Oberdeutsche Besonderheiten 5.2.1. Dienstag: zinstag/ erichtag/ dinstag 5.2.2. Bäcker·. pfister /becker / beck 5.2.3. Gerichtsbote: weibel/pedell 5.2.4. Kelter: trotte /torkel/preß / kelter 5.2.5. Taubenmännchen: kauter / tauber 5.3. Neuerungen 5.3.1. Großmutter: ane/großmutter, Großvater: eni /großvater 5.3.2. Hochzeit: brautlaufΊHochzeit 5.3.3. Geige: fidel/geige 5.4. Auswertung der Ergebnisse

124 127 128 130 131 133 135 137 139 140 141 142 145 146 149 150 150 152 154 156

Der nichtlexikographische Teil des Kompendiums

158

1. Der Tractatus de modo epistolandi 1.1. Die mittelalterliche Ars dictaminis 1.2. Wenzeslaus Bracks Brieflehre

158 158 167

2. Das Didascalicon Hugos von St. Viktor

171

Inhaltsverzeichnis

XJ

V.

Zusammenfassung

174

VI.

Edition

181

VII.

Register

317

1. Register des volkssprachigen Wortschatzes

317

2. Register der lateinischen Stich Wörter

422

Verzeichnisse

459

1. Abkürzungsverzeichnis

459

2. Quellen- und Literaturverzeichnis 2.1. Handschriften 2.2. Frühe Drucke 2.3. Forschungsliteratur und Textausgaben

460 460 460 461

3. Verzeichnis der Bilder und Karten

484

4. Personenverzeichnis

485

VIII.

Einleitung Mit Vocabularius rerum wird ein lateinisch-deutsches Sachwörterbuch bezeichnet. Es bildet den ersten Abschnitt eines fünfteiligen Kompendiums, das der Konstanzer Domschulleiter Wenzeslaus Brack Ende des 15. Jahrhunderts für seine Schüler zusammengestellt hat. Das Kompendium besteht aus dem Vocabularius rerum, einem Exzerpt aus dem X. Buch der Etymologiae Isidors von Sevilla mit volkssprachigen Übersetzungen, einem Verbvokabular, einer von Wenzeslaus Brack verfaßten lateinischen Brieflehre sowie aus dem im 12. Jahrhundert entstandenen Didascalicon Hugos von St. Viktor. Die vorliegende Edition hat das Ziel, die ersten drei zweisprachigen Abschnitte des Gesamtwerks nach dem Text der Erstausgabe, die 1483 in Basel von Peter Kollicker gedruckt wurde, bekannt und allgemein zugänglich zu machen. Interessant ist dabei vor allem, daß Bracks Vokabularien zum einen noch mit mittelalterlichen lexikographischen Traditionen verbunden sind, die z.B. im Bereich der Sachgruppenwörterbücher durch den Vocabularius optimus, für die alphabetische Lexikographie durch den Vocabularius Ex quo repräsentiert werden, daß sich bei Brack aber auch neue, humanistische Einflüsse zeigen. Ziel der Dissertation ist zudem, Bracks Vokabularien erstmals möglichst umfassend unter lexikographischen, sprachlichen und wortgeographischen Aspekten zu beschreiben und im Hinblick auf mögliche Quellen zu untersuchen. Der volkssprachige Wortschatz der drei Vokabularien von etwa 3500 Wörtern wird in einem alphabetischen Wortregister vollständig erfaßt und ins Neuhochdeutsche übersetzt. Die vorliegende Studie leistet somit einen Beitrag zur Erforschung der lateinisch-deutschen Lexikographie des Spätmittelalters, zur Erschließung des frühneuhochdeutschen Wortschatzes und zur Wortgeographie im 15. Jahrhundert. Biographische Informationen zu Wenzeslaus Brack enthält der Artikel „Brack, Wenzeslaus" von Peter Schmitt in Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon.1 Ernst Philip Goldschmidt stellt 1920 im Zentralblatt für Bibliothekswesen ein Autograph Wenzeslaus Bracks aus seinem Privatbesitz vor, das auch einen kurzen Lebenslauf beinhaltet. 2 Harry Kühnel erwähnt Brack in seinen Untersuchungen zu Leibärzten der Habsburger Herrscherfami-

1 2

Vgl. Schmitt 1978, Sp. 983. Vgl. Goldschmidt 1920.

2

Einleitung

lie und Salzburger Erzbischöfe. 3 Wichtige Informationen zu Bracks Biographie teilt Peter Kramml in seinem Aufsatz „Der Frühhumanist und kaiserliche sowie salzburgisch-erzbischöfliche Leibarzt Wenzeslaus Brack ( t 1495 in Salzburg)" mit. 4 Einen weiteren Beitrag zu Bracks Biographie leistet Helmut Maurer in seinem ersten Band der Geschichte der Stadt Konstanz,5 in dem Brack zu den Frühhumanisten dieser Stadt gezählt wird. Interessant ist auch Paul Lehmanns Erforschung der Lobkowitzschen Sammlung der Prager Universitätsbibliothek, bei der Lehmann etwa 16 Handschriften dem vormaligen Besitzer Wenzeslaus Brack zuweisen konnte. 6 Wenzeslaus Bracks Kompendium wurde in seiner vollständigen, fünfteiligen Form nach der Baseler Erstausgabe um 1485/86 von Johann Grüninger in Straßburg und 1487 von Anton Sorg in Augsburg gedruckt. In den weiteren dreizehn bis 1512 überlieferten Ausgaben wird nur der erste Teil des Kompendiums, das Sachvokabular, in Speyer, Straßburg, Augsburg und Leipzig mit dem Titel Vocabularius rerum gedruckt. Die einzig bekannte Handschrift, der ehemals Donaueschinger Codex 56, wird jetzt in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe aufbewahrt. Sie datiert um 1486 und enthält eine Abschrift des Vocabularius rerum, des Isidor-Vokabulars und des Verb Vokabulars. Umfangreiche Untersuchungen zu Bracks Kompendium liegen bisher nicht vor. Einen ersten Einblick vermittelt der schon erwähnte Artikel Schmitts im Verfasserlexikon sowie der Aufsatz „Wenceslaus Brack's Vocabularius rerum" von Victor Scholdrer aus dem Jahr 1913.7 Viel Beachtung wird dagegen dem in Bracks Vokabularien überlieferten frühneuhochdeutschen Wortschatz in lexikographischen Werken vom 19. Jahrhundert bis in die heutige Zeit geschenkt. Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm wurden verschiedene Ausgaben von Bracks Vocabularius rerum als Quellen herangezogen: der Baseler Erstdruck Peter Kollickers (1483), Anton Sorgs Augsburger Druck (1487), die Straßburger Auflagen von Martin Schott (1489), Georg Husner (1491, 1495) und Martin Flach (1512) sowie der Leipziger Druck Konrad Kachelofens (1491). 8 Lorenz Diefenbach hat in seinem Standardwerk zur spätmittelalterlichen Lexikographie, dem Glossarium latino-germanicum, die volkssprachigen Übersetzungen von etwa 200 handschriftlichen und gedruckten Vokabularien untersucht, unter denen sich auch die Straßburger Auflagen Grüningers (um 1485/86) und Husners (1495) sowie der Augsburger Druck

3 4 5 6

7 8

Vgl. Kühnel 1958, S. 25; 1965a, S. 97; 1965b, S. 114. Vgl. Kramml 1986. Vgl. Maurer 1989, S. 161 f. Vgl. Lehmann 1932; hier Kapitel I. 2. Ergänzt wurde die Zusammenstellung von Bracks Handschriften durch die Dissertation von Elke Wenzel über Die mittelalterliche Bibliothek der Abtei Weißenau, vgl. Wenzel 1998, S. 78 ff. Vgl. Scholdrer 1966. Vgl. DWb. 33, Sp. 109.

Einleitung

3

Anton Sorgs (1487) befinden. 9 In Diefenbachs Novum Glossarium, einem berichtigenden und das erste Glossarium ergänzenden Werk, wurde auch der ehemals Donaueschinger Codex 56 aufgenommen. 10 Das von Robert R. Anderson, Ulrich Goebel und Oskar Reichmann begründete, noch nicht vollständig erschienene Frühneuhochdeutsche Wörterbuch zieht die Baseler Erstausgabe als Quelle heran. 11 Einen Überblick über die verschiedenen Druckauflagen des Kompendiums bzw. des Vocabularius rerum bieten der Gesamtkatalog der Wiegendrucke, das Verzeichnis der deutschen Vokabulare und Wörterbücher gedruckt bis 1600 von Franz Claes, Heinrich Hängers Werk über Mittelhochdeutsche Glossare und Vokabulare in schweizerischen Bibliotheken bis 1500 sowie das Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts}2 Ediert wurde von Johannes Erben in Ostmitteldeutsche Chrestomathie das 14. Kapitel (Deproprietatibus hominis interioris et de affectibus) des Vocabularius rerum aus dem Leipziger Druck Konrad Kachelofens (1491). 13 Einen Überblick über frühneuhochdeutsche Lexikologie und Lexikographie vermittelt der Artikel von Dieter Wolf in Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung.14 Untersuchungen zu spätmittelalterlichen, zweisprachigen Vokabularien liegen erstmals ausfuhrlich durch Klaus Grubmüllers Dissertation über das wirkungsmächtigste zweisprachige Wörterbuch des 15. Jahrhunderts, den Vocabularius Ex quo, vor.15 Bedeutsam für die Lexikographie des 16. Jahrhunderts sind die Forschungen von Gilbert de Smet,16 der auch die I. Reihe der Documenta Unguis tica, in der Nachdrucke von Wörterbüchern des 15. und 16. Jahrhunderts erscheinen, mitbegründet hat. Einen Überblick über die deutsche Lexikographie des 16. Jahrhunderts gibt Peter O. Müller in seiner Habilitationsschrift. 17 Eine Aufarbeitung der lexikographischen Werke der vorausgehenden Jahrhunderte mit dieser Systematik wäre wünschenswert. Überlieferungsgeschichtliche Editionen zweisprachiger Vokabularien des Spätmittelalters sind in der Reihe

9 10 11 12 13

14 15

16 17

Vgl. Diefenbach 1857, S. XVII, Nr. 64. Vgl. Diefenbach 1867, S. XII f., Nr. 31. Vgl. Frnhd. Wb. 1, S. 171. Vgl. GW 4984 ff.; Claes 1977, Nr. 40, 47, 48, 62, 63, 73, 74, 89, 90, 107, 108, 123, 129, 152, 180, 210; Hänger 1972, S. 63 ff.; VD 16, Β 6884 ff. Vgl. Erben 1961, S. 168 f. Der Edition zugrunde liegt das Faksimile in Deutsche und italienische Inkunabeln, hg. von Konrad Burger und Ernst Voullieme, Berlin/Leipzig 1913, Tafel 248. Vgl. Wolf 2000. Vgl. Grubmüller 1967, dort S. 3-12 ausfuhrlich zu den Anfängen der Erforschung der lateinisch-deutschen Vokabularien des Spätmittelalters. Vgl. auch Kapitel 1.5 und 1.6 im Vocabularius Ex quo, Bd. I, S. 23-40 und Grubmüller 1999. Vgl. z.B. Smet 1986b. Vgl. Müller 2001.

4

Einleitung

Texte und Textgeschichte veröffentlicht worden: der Vocabularius Ex quo von Klaus Grubmüller, Bernhard Schnell, Hans-Jürgen Stahl, Erltraud Auer und Reinhard Pawis, der Lib er ordinis rerum (Esse-Essentia-Glossar) von Peter Schmitt, der Vocabularius optimus von Ernst Bremer sowie die Vokabularien von Fritsche Closener und Jakob Twinger von Klaus Kirchert und Dorothea Klein. 18 Im Bereich der mittelniederdeutsch-lateinischen Lexikographie ist die Dissertation von Robert Damme über das Stralsunder Vokabular zu nennen. 19 Die Erstellung des alphabetisch geordneten frühneuhochdeutsch-mittellateinisch-neuhochdeutschen Registers, das das gesamte volkssprachige Wortmaterial von Bracks Vokabularien erfaßt, bereitete einige Schwierigkeiten, da weder der Wortschatz des Mittellateinischen noch des Frühneuhochdeutschen in ausreichendem Maße aufgearbeitet ist. Das Mittellateinische Wörterbuch bis zum ausgehenden 13. Jahrhundert endet mitten im Buchstaben D (dissertatio).20 Das neben französischen und englischen jetzt auch deutsche Übersetzungen enthaltende Handwörterbuch Mediae Latinitatis lexicon minus von Jan Frederik Niermeyer und C. van de Kieft, überarbeitet von J. W. J. Burgers, weist viele Einträge aus Bracks Vokabularien nicht auf. 21 So mußte oftmals auf Karl Ernst Georges' Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch zurückgegriffen werden, das neben überwiegend klassischer Literatur auch die Spätantike und christliche Schriftsteller berücksichtigt. 22 Für das Frühneuhochdeutsche steht das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch zur Verfügung, von dem bis jetzt nur wenige Bände vollständig erschienen sind, 23 außerdem das Frühneuhochdeutsche Glossar von Alfred Götze sowie das Kleine frühneuhochdeutsche Wörterbuch von Christa Baufeld, 24 die beide aufgrund ihres geringen Umfangs zwangsläufig unvollständig sind. Berücksichtigt ist der Zeitraum des Frühneuhochdeutschen auch im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm 25 sowie teilweise im dreibändigen Mittelhochdeutschen Wörterbuch von Matthias Lexer. Dialektwörterbücher mit historischer Ausrichtung stehen für den oberdeutschen Sprachraum durch Andreas Schmellers Bayeri-

18 19 20 21

22

23 24 25

Vgl. Grubmüller/Schnell/Stahl/Auer/Pawis 1988-2001; Schmitt 1983; Bremer 1990; Kirchert/ Klein 1995. Vgl. Damme 1988. Vgl. M L W b , Bde. I ff., 1967 ff. Vgl. Niermeyer/Kieft 2002. Das Wörterbuch berücksichtigt den Zeitraum etwa vom 6. bis zum 13. Jahrhundert, wobei das Hauptinteresse der Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftssprache gilt. Vgl. Georges 1998. Zu nennen sind hier auch lateinische Wörterbücher wie der Thesaurus Linguae Latinae und das Glossarium mediae et infimae latinitatis von Du Cange. Vgl. auch Stotz 2002 für weitere Literatur zur lateinischen Sprache. Bisher sind die Bände 1-4 (a-pythagorisch) sowie einzelne Lieferungen der Bände 6-9 (ggegensetzen; gnaben-grossprechen: i;j; c/k-kirchweihung; l-leschen) erschienen. Vgl. Götze 1956; Baufeld 1996. Von der Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuchs sind bisher erschienen: A-Aufsuchen, DD-Zug, E-Exzitieren und F-Fließen.

Einleitung

5

sches Wörterbuch, das Schwäbische Wörterbuch von Hermann Fischer und Wilhelm Pfleiderer sowie durch das von Friedrich Staub und Ludwig Tobler begründete Schweizerische Idiotikon zur Verfügung. 26 Bezüglich des Fachwortschatzes sei für die Weinbauterminologie auf Eero Alanne, für die Mineralogie auf Hans Lüschen und für den menschlichen Körper bzw. Krankheiten auf Max Höfler hingewiesen. 27 Eine Fundgrube für sachliche Erklärungen zur mittelalterlichen Lebenswelt stellen Moriz Heynes Deutsche Hausaltertümer dar, in denen in drei Bänden Das deutsche Wohnungswesen, Das deutsche Nahrungswesen sowie Körperpflege und Kleidung bei den Deutschen behandelt werden. 28 Für sprachliche Untersuchungen zum Frühneuhochdeutschen liegen die Bände der Grammatik des Frühneuhochdeutschen von Hugo Moser und Hugo Stopp, die Frühneuhochdeutsche Grammatik von Oskar Reichmann und Klaus-Peter Wegera sowie die Frühneuhochdeutsche Grammatik von Virgil Moser vor.29 Zu nennen ist an dieser Stelle auch der von Wolfgang Kleiber, Konrad Kunze und Heinrich Löffler herausgegebene Historische Südwestdeutsche Sprachatlas, in dem die aus Urbaren des 13. bis 15. Jahrhunderts gewonnenen Ergebnisse auf Karten anschaulich dargestellt werden. Über den Bereich der historischen Wortgeographie vermittelt der Artikel „Deutsche Dialektgebiete in älterer Zeit" von Friedhelm Debus einen ersten Überblick. j0 Für die Wortgeographie des Spätmittelalters sind vor allem Karl von Bahders Zur Wortwahl der frühneuhochdeutschen Schriftsprache, Werner Beschs Habilitationsschrift Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert, Gerhard Isings Zur Wortgeographie spätmittelalterlicher deutscher Schriftdialekte sowie das V. Kapitel „Die Sprachschicht und das Eindringen mundartlichen Wortgutes" in Klaus Grubmüllers Dissertation von zentraler Bedeutung. 31 Für die Wortgeographie des 16. Jahrhunderts sind die Forschungen Gilbert de Smets zu beachten. 32 Zahlreiche Einzeluntersuchungen zur modernen Wortgeographie liegen durch die von Walter Mitzka angeregten Arbeiten zum Deutschen Wortatlas vor, in denen teilweise auch die landschaftliche Verbreitung der Wörter im Spätmittelalter berücksichtigt wird, z.B. in den Untersuchungen Alfred Schönfeldts zur Synonymik des Schlächters und Fleischers oder Reiner Hildebrandts zur Wortgeschichte der Töpferware. 33

26 27 28 29 30 31 32 33

Vgl. Schmeller, 2 Bde., 1872-1877; Schwäbisches Wörterbuch, 6 Bde., 1904-1936; Schweizerischesidiotikon, 15 Bde., 1881-1999. Vgl. Alanne 1950; Lüschen 1968; Höfler 1899. Vgl. Heyne 1899-1903. Vgl. Gr. d. Frnhd. 1, 1-3; Frnhd. Gr. 1993; Moser 1929 und 1951. Vgl. Debus 1983. Vgl. Bahder 1925; Besch 1967; Ising 1968; Grubmüller 1967, S. 216-255. Zur Veränderung des Wortschatzes in den Textzeugen des Vocabularius Ex quo vgl. auch Stahl 1985. Vgl. Smet 1968; 1986a. Vgl. Schönfeldt 1965; Hildebrandt 1963. Zu entsprechenden weiteren Arbeiten vgl. die Bibliographie von Barth 1972.

Einleitung

6

Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf Ernst Erhard Müllers Wortgeschichte und Sprachgegensatz im Alemannischen sowie auf Eberhard Kranzmayers Forschungen und Peter Wiesingers Beiträge zum Bairischen. 34 Zu nennen sind ebenfalls die zwei Bände Germania Romana von Theodor Frings und Gertraud Müller sowie Wolfgang Kleibers Beitrag zur historischen Dialektgeographie/ 5 Wichtig sind zudem die unter der Leitung von Joachim Dückert entstandenen Beiträge Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache auf der lexikalischen Ebene (1470-1730) wie z.B. Wilhelm Brauns wortgeographische Untersuchungen zu ,Bäcker', ,Fleischer' und , Tischler' sowie die Dasypodius-Studien Arno Schirokauers, die von KlausPeter Wegera aus dem Nachlaß zusammengestellt und herausgegeben wurden. 36 Über die geographische Verbreitung der Vogelnamen informiert die wortgeschichtliche Untersuchung Hugo Suolahtis, in der auch ein Straßburger Druck des Vocabularius rerum (Georg Husner, 1495) berücksichtigt wird. 37 Für die Pflanzennamen ist das unter Mitwirkung von Wilhelm Wissmann und Wolfgang Pfeifer entstandene Wörterbuch Heinrich Marzells sehr hilfreich. 38 Es ist anzumerken, daß von den zahlreichen zur Wortgeographie des Spätmittelalters erschienenen Arbeiten an dieser Stelle nur einige wenige beispielhaft genannt werden konnten. Zu Wenzeslaus Bracks Briefsteller, der den vierten Abschnitt seines Kompendiums bildet, sind mir keine Untersuchungen bekannt. Erwähnt und knapp kommentiert wird Bracks Brieflehre von Paul Joachimsohn in dem Aufsatz „Frühhumanismus in Schwaben". 39 Zu lateinischen Briefstellern und Schriften zur Ars dictaminis ist zunächst das Standardwerk Ludwig Rockingers Briefsteller und formelbücher des eilften bis vierzehnten Jahrhunderts zu nennen. 40 Einen Überblick über die Geschichte und Entwicklung der Traktate zur Ars dictandi von ihren Anfangen bis zum 16. Jahrhundert vermittelt der Artikel „Ars dictaminis, Ars dictandi" von Hans M. Schaller im Lexikon des Mittelalters.41 Die neueste Aufarbeitung von Schriften dieser Textsorte liegt durch das Repertorium der Artes dictandi des Mittelalters von Franz Josef Worstbrock, Monika Klaes und Jutta Lütten vor, von dem bis jetzt leider nur der 1. Teil bis zum Jahr 1200 erschienen ist.42 Für die Weiterentwicklung der Brieflehre im Humanismus ist der Aufsatz „Poggio Bracciolini und die Brieftheorie

34 35 36 37 38 39 40 41 42

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Müller 1960; Kranzmayer 1929; Wiesinger 1985. Frings 1966; Frings/Müller 1968; Kleiber 1994. Braun 1981; Schirokauer 1987. Suolahti 1909, S. 528. Marzell 1943-1979. Joachimsohn 1896, S. 72 f. Rockinger 1863/64. Schaller 1980. Worstbrock/Klaes/Lütten 1992.

Einleitung

7

des 15. Jahrhunderts" von Helene Harth aufschlußreich. 43 Informationen zu Hugo von St. Viktor, dessen Didascalicon den fünften und letzten Abschnitt von Bracks Kompendium bildet, enthält die ausführliche Einleitung von Thilo Offergeid zu der 1997 in der Reihe Fontes Christiani erschienenen Edition. 44 Im I. Kapitel der vorliegenden Studie wird die historische Persönlichkeit Wenzeslaus Brack behandelt, sein Leben und Wirken als Schulleiter, später als einer der Leibärzte von Kaiser Friedrich III. im Süden des deutschsprachigen Raums. Die Zusammenstellung einiger Handschriften, die sich vormals in Bracks Besitz befanden, runden das Bild dieses Frühhumanisten ab. Das II. Kapitel widmet sich der Überlieferung der Textzeugen des Kompendiums bzw. des Vocabularius rerum auf der Grundlage der in der Bayerischen Staatsbibliothek München sowie in der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek autopsierten Exemplare der Druckauflagen. Im III. Kapitel stehen die drei mittellateinisch-frühneuhochdeutschen Vokabularien des Kompendiums im Zentrum. Hier wird der Aufbau und Inhalt dieser Wörterbücher, die Struktur der Wortartikel und die Übersetzungstechnik untersucht. Zudem werden die Vokabularien im Hinblick auf die von Brack zitierten und herangezogenen Quellen geprüft. Darauf folgt die sprachliche Analyse des volkssprachigen Wortschatzes der Baseler Erstauflage hinsichtlich Vokalismus und Konsonantismus. Der letzte Abschnitt dieses Kapitels enthält wortgeographische Untersuchungen, in denen ausgewählte Übersetzungen der Erstausgabe mit den entsprechenden Verdeutschungen in den Nachdrucken und der Donaueschinger Handschrift unter wortgeographischem Aspekt miteinander verglichen werden. Das IV. Kapitel widmet sich dem nichtlexikographischen Teil des Kompendiums, Bracks Briefsteller - unter Berücksichtigung der Geschichte und Entwicklung dieser Textsorte - sowie dem Didascalicon Hugos von St. Viktor. Das V. Kapitel bietet eine zusammenfassende Darstellung der in den Kapiteln I bis IV gewonnenen Ergebnisse auch im Hinblick auf das Gesamtkonzept des Kompendiums von Wenzeslaus Brack. Das VI. Kapitel enthält die Edition der drei Vokabularien aus Wenzeslaus Bracks Kompendium nach der 1483 bei Peter Kollicker in Basel erschienenen Erstausgabe. Das VII. Kapitel umfaßt zwei Wortregister. Im alphabetischen Register des volkssprachigen Wortschatzes wird das gesamte frühneuhochdeutsche Wortmaterial der Edition erfaßt und ins Neuhochdeutsche übersetzt. Das Register der lateinischen Lemmata enthält die lateinischen Stichwörter des Vocabularius rerum, des Isidor-Vokabulars und des Verbvokabulars in alphabetischer Reihenfolge.

43 44

Vgl. Harth 1983. Vgl. O f f e r g e i d 1997.

I. Der Verfasser Wenzeslaus Brack I. 1. Lebenslauf Wenzeslaus Brack wurde nach der Mitte des 15. Jahrhunderts in Sachsen geboren. 1 Im Wintersemester 1468 ist er als Wenczeslaus Misna unter der Meißnischen Landsmannschaft in die Matrikel der Universität Leipzig eingetragen. 2 Die Universität Leipzig wurde 1409 nach dem Vorbild der Universität Prag gegründet und galt im 15. Jahrhundert als eine konservative Hochschule mit scholastischen Lehrmethoden. 3 Möglicherweise wechselt Brack aus diesem Grund schon im Sommersemester 1469 an die Universität Basel, wo er sich als Wentzislaus Borack de Missena immatrikuliert. 4 Die Baseler Hochschule wurde 1460 nach dem Vorbild von Bologna und Paris gegründet. Das erforderliche Privileg stellte Papst Pius II., der italienische Humanist Enea Silvio Piccolomini, aus. Durch bedeutende internationale Vertreter des Humanismus wurden sowohl die Universität als auch die Stadt Basel zu Zentren euro-

1

Als Bracks Geburtsort stehen sowohl Liebenwerda als auch Meißen zur Diskussion. Die Vermutung, daß Brack in Liebenwerda geboren sei, hängt mit seinem autobiographischen Zeugnis in einer Handschrift zusammen, in dem Brack schreibt: Ego wenceslaus bragk alias libenwerder [...]. Vgl. Goldschmidt 1920, S. 122. Es handelt sich bei diesem Codex übrigens nicht um ein „Handexemplar seines Vocabularius latino-germanicus", wie Wackernagel 1951, S. 74 und Kramml 1986, S. 18 bemerken. Zum Inhalt der Handschrift vgl. Nr. 1 im Anhang zu Kapitel I. 2. Bracks Geburtsort wird von zahlreichen Verfassern mit Liebenwerda angegeben (vgl. Goldschmidt 1920, S. 120; Wackernagel 1951, S. 73, Nr. 3; Erben 1961, S. 168; Hänger 1972, S. 63; Schmitt 1978, Sp. 983; GW IV, Sp. 599). Kramml ist dagegen der Auffassung, daß alias nicht auf den Geburtsort, sondern auf die Herkunftsgegend seiner Familie verweise. Bracks Geburtsort werde in den Universitätsmatrikeln von Leipzig und Basel mit Meißen angegeben (vgl. Kramml 1986, S. 18). Daß in den Matrikeln jedoch nicht zwangsläufig der Geburtsort genannt wird, zeigt sich später in den Wiener Matrikeln, wo der Eintrag Wentzeslaus Pragk de Constancia lautet. Vgl. S. 11. Kramml hält es außerdem für möglich, daß zwischen Wenzeslaus Brack und den Konstanzern Hans, Hermann und Konrad Brack eine Verbindung besteht (vgl. Kramml 1985, S. 292, Anm. 74).

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Vgl. Erler 1895, S. 273. Bereits Kramml macht darauf aufmerksam, daß Goldschmidt unzutreffenderweise angibt, daß Brack in den Leipziger Matrikeln nicht nachzuweisen sei. Vgl. Goldschmidt 1920, S. 120, Anm. 2; Kramml 1986, Anm. 12. Vgl. Boehm/Müller 1983, S. 240 f. Die konservative Ausrichtung des Lehrprogramms wird z.B. deutlich in einer Sammlung von Texten, die Hartmann Schedel während seines Leipziger Studiums 1460/62 angelegt hat (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 237). Vgl. Henkel 1988, S. 26-29. Vgl. Wackernagel 1951, S. 73 f., Nr. 3.

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I. 1. Lebenslauf

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päischen Geisteslebens. 5 Beziehungen zwischen Basel und Italien bestanden durch Kaufleute und Kleriker, an italienischen Universitäten ausgebildete Juristen und vor allem durch die am Baseler Konzil (1431-1449) teilnehmenden Humanisten, so daß das Interesse am klassischen Altertum, an lateinischer Sprache und Literatur in Basel schon früh geweckt wurde. Auch der Frühhumanist und spätere Bearbeiter des Vocabularius brevilogus Johannes Reuchlin hielt sich Mitte der 70er Jahre in Basel auf, um Griechisch zu lernen. 6 Die akademische Grundausbildung, die aus dem Studium der sieben Artes liberales bestand, erhielt man an der Artistenfakultät, die auf das Studium an der theologischen, juristischen und medizinischen Fakultät vorbereitete. Bereits nach dem ersten Studienjahr, im Dezember 1470, legt Wenzeslaus Brack die erste Prüfung zum Baccalaureus Artium ab, den akademischen Grad eines Magister Artium erwirbt er erst im Februar 1477. Mit seinem Studienabschluß an der Artistenfakultät ist er befähigt, dort zu lehren oder an einer der höheren Fakultäten Jurisprudenz, Medizin oder Theologie weiterzustudieren. Aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist ein Autograph von Wenzeslaus Brack überliefert, das neben Piatos Timaios in der lateinischen Übersetzung von Calcidius, Ciceros De natura deorum und Pro Marco Marcello sowie einem Lobspruch, den Peter von Andlau anläßlich der Gründung der Baseler Universität gehalten hat, 7 auf Bl. 11 l v das folgende autobiographische Zeugnis Bracks über seine akademische Laufbahn enthält: 8 Anno domini MCCCCLXIX Ego wenceslaus bragk alias libenwerder veni ex liptzensi studio basileam, quarto post agonas sub rectore viro nobili domino Gerharde Erenberg maguntinensis Kathedralis ecclesie intitulatus sum et anno LXXXVII. die decembris sub rectore magistro Johanne Syber et Theologie baccalaureo promotus in baccalaureum decanatum gerente magistro Johanne Dieck. In arcium vero magistrum anno m ° cccc" LXXVII. pridie nonas februarii inpresencia domini legati Alexandri volinensis episcopi9 cum plena in almaniam potestate sub rectore Jurispontificii viro egregio Jacobo Lowber de Lindow qui et flnito rectoratu cartusiam basilee iniit, sub decano vero magistro Conrado wölflij de Reuttiingen et cetera. Vale qui vixeris et nostri memora nomine}0 Über die folgenden sechs Jahre ist bis zur Veröffentlichung seines Kompendiums am 27. Oktober 1483 in Basel nichts über Bracks Tätigkeit oder Schaffen

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Vgl. Boehm/Müller 1983, S. 43; Bernstein 1978, S. 20 f.; Bonjour 1960, S. 86 ff., 94 ff.

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Vgl. Bonjour 1960, S. 94 ff. Zum Vocabularius brevilogus vgl. Kapitel III. 3. 1.2.

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Zu Peter von Andlau vgl. Bonjour 1960, S. 63 f. Vgl. Goldschmidt 1920. Goldschmidt ist zu dieser Zeit Besitzer der Handschrift. Vgl. auch die Handschriftenbeschreibung 1 im Anhang zu Kapitel I. 2. Alexander Numai, 1470 bis 1485 Bischof von Forli, nahm als päpstlicher Gesandter an der Tagung vom 7. bis 12. Februar 1477 in Basel teil, die nach dem Tod Karls des Kühnen (Nancy, 5.1.1477) den Frieden zwischen Burgund und den Eidgenossen herstellen sollte. Vgl. Goldschmidt 1920, S. 122, Anm. 1. Zitiert nach Goldschmidt 1920, S. 122. Vgl. auch Wackernagel 1951, S. 74.

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I. Der Verfasser Wenzeslaus Brack

bekannt. Im Vorwort zu diesem Werk bezeichnet Brack sich selbst als arcis professor et examinator in Constantia.n Brack ist zu dieser Zeit folglich Leiter der Konstanzer Domschule 12 und bischöflicher Beauftragter zur Abnahme der Ordinandenprüfung. 13 Die Existenz einer Domschule in Konstanz gilt ab dem 11. Jahrhundert als gesichert und fällt zeitlich zusammen mit der Verlagerung des Schwerpunkts geistigen und gelehrten Lebens von den bis dahin dominierenden Klosterschulen zu den Domschulen. Mit dem Aufstieg der Universitäten im Spätmittelalter wurde die Konstanzer Domschule dann zu einer vorbereitenden Bildungsstätte für die Universität. Die Hauptaufgabe der Domschule bestand jedoch in der Ausbildung von Geistlichen und Beamten und somit vor allem in der Vermittlung der lateinischen Sprache. 14 Zu Beginn des Jahres 1486 erscheint der Druck einer von Brack ebenfalls fur den Lehrbetrieb der Konstanzer Domschule verfaßten lateinischen Grammatik bei Albrecht Kunne in Memmingen. 15 Am 15. September desselben Jahres wird Wenzeslaus Brack vom Konstanzer Rat unter Erlassung der üblichen Gebühr das Bürgerrecht verliehen, wie folgender Eintrag im Konstanzer Bürgerbuch bezeugt: Item Maister Wentzläw, schulmaister, ist Burger worden, ist im geschenkt, actum in die Nicomodi.16

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Vgl. die Edition, S. 186. Brack war Lehrer an der Lateinschule des Domkapitels und nicht an der Konstanzer Stadtschule, wie Joachimsohn 1896, S. 72; Goldschmidt 1920, S. 120; Wackernagel 1951, S. 74; Hänger 1972, S. 63; Schmitt 1978, Sp. 983; GW IV, Sp. 599 feststellen. Eine Stadtschule gab es in Konstanz nicht vor dem 16. Jahrhundert. Vgl. Marmor 1872, S. 9 ff.; Kramml 1988, S. 125, 128; Maurer 1989, S. 162.

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Es handelt sich um die Aufnahmeprüfung in den geistlichen Stand für Schüler, die Kleriker werden wollten. „Sie wurde an den Bischofssitzen durch bischöfliche Beauftragte (examinatores) abgehalten und erstreckte sich nach den Vorschriften auf legere, cantare, exponere, sententiare, loqui latinis verbis [...]. Auf diese Prüfung die Schüler vorzubereiten, bildete eine Hauptaufgabe der Lateinschulen." Zitiert nach Wagner 1912, S. 355 f.; vgl. auch Kramml 1988, S. 130 f.; Diehl 1912, S. 144. Vgl. Kramml 1988, S. 125, 127 f. Im Spätmittelalter befand sich die Domschule im unteren Stockwerk des Kreuzgangs des Konstanzer Münsters, wo sich noch heute an der Tür zu jenem Saal, der bis zur Reformationszeit als Unterrichtsraum diente, die Aufschrift Domschule befindet. Vgl. Kramml 1988, S. 130, Abbildung der Domschule: S. 131. Vgl. GW 4983. Die Grammatik hat keinen Titel und umfaßt 28 Blätter in Quartformat. Der Text ist einspaltig zu 36 Zeilen gedruckt, die keine Foliierung aufweisen. Bracks Grammatik beginnt mit einer Widmung an seine Schüler, in der er sich selbst mit Namen nennt: Benceslaus Brack examinator in Constantia suis scholaribus salutem plurimam dicit. Das Werk enthält auch volkssprachige Übersetzungen, behandelt im ersten Teil Nomen, Pronomen und Verben, im zweiten Teil folgt eine Satzlehre sowie Stilübungen mit Mustern, die zum Teil an Bracks Brieflehre erinnern. Der Druck endet mit dem Kolophon Impressus Memming(en) per Albertum Ku(n)ne de duderstat. Anno salutis 1486. Grundlage der Beschreibung bildet ein Exemplar der BSB München (Inc. c. a. 445m). Vgl. Inkunabelkatalog der BSB München, Bd. 1, B-791. Zu Bracks Grammatik vgl. auch Müller 1882 (1969), S. 226 und Anm. 114.

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Vgl. Stadtarchiv Konstanz, A IV 3, fol. 82. Zitiert nach Hänger 1972, S. 63. Vgl. auch Marmor 1872, S. 9.

I. 1. Lebenslauf

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Aus den folgenden sechs Jahren ist nur eine Handschrift Bracks bekannt, die zwischen 1488 und 1491 datiert, und in der er sich als artis et medicine doctor bezeichnet. 17 Seit 1492 ist Wenzeslaus Brack als Leibarzt Kaiser Friedrichs III. (1415-1493, Kaiser seit 1452) mit dem Titel eines Doktors nachweisbar. 18 Man weiß jedoch nicht, wo Brack Medizin studiert und seinen Titel erworben hat. Auch wann er in die Dienste des Habsburger Kaisers trat, ist nicht bekannt. 1493 wird berichtet, daß Brack ettlich zeit lanng am kaiserlichen Hof als Arzt tätig war. 19 Kramml vermutet, daß Brack nach dem Erwerb des Magistergrades sein Studium an der Baseler Universität fortgesetzt hat. Ein Nachweis fehlt, da die Matrikel der Medizinischen Fakultät aus dieser Zeit verloren sind. 20 Andererseits nahm die Medizinische Fakultät an der Baseler Hochschule eine untergeordnete Stellung ein, 21 und so ist fraglich, ob Wenzeslaus Brack, der acht Jahre in Basel studiert hat und dem der Ruf der Medizischen Fakultät bekannt war, dort sein Studium fortgeführt hat. Die von Brack in dem in seiner Brieflehre enthaltenen Musterbrief an Johannes Lantz (fol. 56ra) geäußerte Absicht, in Bologna studieren zu wollen, scheint er nicht realisiert zu haben, da sein Name in den Acta nationis Germanicae Universitatis Bononiensis nicht vorkommt. 22 Erst im Wintersemester 1492 ist Brack unter der Rheinischen Landsmannschaft als Wentzeslaus Pragck de Constancia an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien immatrikuliert. 23 Ende 1492 wird Brack zudem in zwei Rechtsstreitigkeiten erwähnt. In Linz sprach er mit einer Klage gegen die Gesellschafter des Bergwerks Schwaz in Tirol vor, die ihm 50 Gulden verdients solds schuldig geblieben waren. Am 16. Oktober 1492 verwandte sich Kaiser Friedrich III. in einem Schreiben an die Statthalter von Innsbruck für Brack, in dem Brack als unnser artzt bezeichnet wird. 24 In dem Rechtsstreit des kaiserlichen Dieners August von Hamerstetten gegen den Konstanzer Ritter Konrad Grünenberg wurde Brack von Grünenberg zu seiner Vertretung bevollmächtigt. Aus einem Schreiben von Konstanz an den kaiserlichen Kanzler Johann Waldner vom 19. November 1492 geht hervor, daß

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Vgl. die Handschriftenbeschreibung 2 im Anhang zu Kapitel I. 2, fol. 48r. Bracks Tractatus de modo epislolandi enthält unter anderem Musterbriefe an Kaiser Friedrich III. (59rb) und Papst Sixtus IV. (59rab). Vgl. Kapitel IV. 1. 2. Vgl. S. 13. Vgl. Kramml 1986, S. 20; Bonjour 1960, S. 90. Vgl. Bonjour 1960, S. 90 ff; Kramml 1986, S. 20. Vgl. Knod 1899 (1970). Auch in den Matrikeln der Universitäten von Tübingen, Heidelberg, Ingolstadt und Wien wird Brack für die Zeit vom Sommersemester 1477 bis 1492 nicht aufgeführt. Ob Brack in dem Musterbrief einen tatsächlichen Wunsch äußert, oder ob der Brief rein fiktiv ist, bleibt fraglich. Vgl. Szaivert/Gall 1967, S. 226. Zur Wiener Universität vgl. Kühnel 1965a, S. 31-86; Boehm/ Müller 1983, S. 349 ff. Vgl. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Fridericiana 8, 1492, fol. 264. Die Angaben und Zitate sind übernommen von Kramml 1986, S. 23. Kramml hat das Konzept des Schreibens abgedruckt, vgl. Kramml 1986, Abb. 1.

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I. Der Verfasser Wenzeslaus Brack

doctor Wentzenläus Brack zu diesem Zeitpunkt am kaiserlichen Hof nil anhaimisch war, so daß schließlich Peter Gamp bevollmächtigt wurde. 25 Eine weitere wichtige Archivalie liegt durch ein Privileg vor, das Wenzeslaus Brack von Kaiser Friedrich III. am 2. Juli 1493 erhalten hat. Im Februar 1493 wurde ein Fuß des 78 Jahre alten Kaisers von Altersbrand befallen, so daß im Frühjahr eine Operation notwendig wurde. Deswegen rief man zahlreiche Ärzte nach Linz, unter denen sich auch Wenzeslaus Brack befunden haben muß, da er j a zu dieser Zeit einer der Leibärzte des Habsburgers war. Die Beinamputation wurde am 8. Juni 1493 durchgeführt. Einer der operierenden Ärzte, Meister Hans Seyff aus Göppingen, hat in seinem wundärztlichen Manual den Verlauf der Operation beschrieben (fol. 72rv) und zur Illustration eine farbige Miniatur in seinen Codex eingeklebt (fol. 71r), auf der die Operationsszene darstellt ist (Bild l). 2 6 Die 2 Papier- und 78 Pergamentblätter umfassende Handschrift enthält neben Rezepten, medizinischen Lehrtexten, wundärztlichen Prüfungs fragen und konkreten Fallbeispielen auf fol. 72rv einen Text mit dem Titel Von dien maisterrn, der über die Operation mit einer Auflistung der anwesenden Ärzte, den komplikationslosen Heilungsverlauf und schließlich über den Tod Kaiser Friedrichs III. aufgrund eines Schlaganfalls am 19. August 1493 berichtet: 27 [72r] Von dien maisterrn Item als man kaysserr Friderichen sin fiiß ab schnitt, dar by wassent ettlich heren vnd grauffen, friheren, rütter vnd knechtt, vnd sachent ettlich zü. Dann da warent die arcztt: kungs Maximiiianus arcztt, ain doctor in lib arcztt mit namen Doctor Lupi; es waß sin alter Ixxx jar alt; vnd vnßers heren kayserr Friderichs arcztt in lib erczny mit namen Doctor Hainerich von ΚόΙηη. Itemm dis nach bestimpt sind gewessenn by im die wund arcztt, von dien im sin fuß ward abgeschnitten; daz ist gewessenn: der Pflündorffer von Lanczhütt, Maister Erhart von Grecz, Maister Hans Suff von Geppingen, Maister Karius von Baßso, Maister Friderich von Vlmüncz. Die funff wund arcztt wassent by der sach; ir tri griffent an kaysser, vnd der von Geppingen vnd der von Basso, die zwen schnidtent

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Vgl. Stadtarchiv Konstanz, Β II 24, 1492, Nr. 124. Zitiert nach Kramml 1985, S. 271, Anm. 306; S. 292, Anm. 79; Anhang 2, Nr. 458a und Nr. 471; Kramml 1986, S. 23. Karl Sudhoff gelang 1918 der Nachweis, daß es sich bei dem Verfasser des Cod. med. et phys. 2° 8 der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart aus dem letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts um den Wundarzt Meister Hans Seyff handelt. Er stellte fest, daß auf dem leeren Blatt 71r ein Bildnis des Kaisers eingeklebt gewesen sein müsse, da sich am unteren Rand des Blattes die Bleistiftnotiz kaisar friderich der III von späterer Hand befindet. Vgl. Sudhoff 1918, S. XXXIII f., 588-616, hier S. 601. Harry Kühnel wies dann 1958 nach, daß die Miniatur der Graphischen Sammlung Albertina in Wien mit der Inventarnummer 22475 vormals in den Stuttgarter Codex eingeklebt war. Vgl. Kühnel 1958, S. 25-29; vgl. auch Kühnel 1965a, S. 99 f. Hans Seyff hat sich folglich die Miniatur genau für diese Stelle in seiner Handschrift von einem professionellen Miniaturenmaler anfertigen lassen. Eine Edition und umfassende Untersuchung des gesamten Cod. med. et phys. 2° 8 liegt durch die 1998 erschienene Dissertation von Manfred Gröber vor. Zitiert wird der erste Teil dieses Berichts nach der Edition von Gröber 1998, Text Nr. 264.

I. 1. Lebenslauf

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ab dien fuß mit aim seglin, dar von diem kaysserr icht grosser schmercz zü stund, och nit pliettent. Nun nach diem abschniden ward die sach gütt [72v] vnd der stumpp verfaßtt vnd gebunden nach demm vnd es nott waz. Vnd der schad nam nattirlich an sich mit der zütt ain haillung vnd deett rechtt. Do es sich also schickt vnd haillt by vj wochen, das der stumpp oder die baid rorn mit flaisch über wächsern warent vnd die orter zu her hailten, bis gegen der χ wochen genahete vnd fast klain offenn was vnd onn sorg sach, do ließ der kayßer haim ziehen. Da ward aim geben hundertt guldin vnd ain gewand; vnd aim anderen ij hundert vnd ain gewand; aim iij hundert guldinn vnd tüch zü fier gewanden; vnd vast yeglichemm ain pfertt; da ward yeglichemm gegeben by der maß nach seim Verdienern. Vnd ettlich seinr zwen wund arczt die behieltt er by im. [...]

Leider ist der Bericht Von dien maisterrn ausgerechnet an der Stelle, wo die Leibärzte mit Namen genannt werden, von Textverlust betroffen. 28 Die Miniatur zeigt den Kaiser im Zentrum, hinter ihm stehen sechs und vor ihm knien zwei Ärzte. Auf der Rückseite des Bildes befinden sich stichwortartige Bemerkungen Hans Seyffs über den Kaiser, die anwesenden Ärzte und die Durchführung der Operation. Klebereste, Risse im Pergament und das Ablösen haben hier zu Schriftverderbnissen gefuhrt. Die Entzifferung des Textes 29 hat ergeben, daß Wenzeslaus Brack unter den genannten Ärzten nicht vorkommt, wohl aber alle, die auch in dem Bericht Von dien maisterrn erwähnt werden: zwei Leibärzte, Doktor Matheo Lupi aus Portugal und Doktor Heinrich von Köln, sowie fünf Wundärzte, die Meister Hans Seyff aus Göppingen, Carius von Passau, Heinrich Pflaundorfer, Friedrich von Olmütz und Erhart von Graz. 30 Der achte in der Miniatur erscheinende Arzt bleibt in beiden Texten (wegen Textverlust bzw. Schriftverderbnis?) ungenannt. Die Vermutung, daß es sich bei diesem Arzt um Wenzeslaus Brack handeln könnte, wird durch das Privileg gestützt, das Brack dreieinhalb Wochen nach der Operation von Kaiser Friedrich III. am 2. Juli 1493 erhalten hat. Es trägt die Überschrift schermbrief und freyheit doctor Wentzla Prackh und besagt, daß der kaiserliche Leibarzt Wentzlaen Brackhen, lerer der ertzney, vmb seiner kunst, schicklicheit und getrewen dinst willen, vns ettlich zeit lanng an unserm keyserlichen hofe bewisen, mit seiner Familie und seinem Besitz sunder gnad, verspruch, schütz vnd scherm aufgenommen wird. Zudem wird ihm die Freiheit gewährt, sich in unser und des heiligen reichs stat Costentz oder einer anderen Reichsstadt 28

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Dieser Textverlust ist in der Edition Gröbers durch einen Absatz (S. 385, Z. 17 f.) und in der Edition von Sudhoff 1918 (S. 602, Z. 5) durch ein etc. gekennzeichnet ist. Vgl. die Handschriftenbeschreibung von Gröber 1998, S. 133: „Lage XI, f. 71 bis f. 80, Pergament, ursprünglich Sexternio, aber Verlust des äußeren Bogens, daher nach der leeren ,Miniatur'Seite f. 7 lr ein Textverlust bei Text Nr. 264: Von dien maistern; [...]." Vgl. Gröber 1998, S. 137 ff. Die Wundärzte tragen den Meistertitel der Handwerkerärzte. Ihre Aufgabe ist es, chirurgische Eingriffe vorzunehmen und Verletzungen zu heilen. Die Leibärzte dagegen haben meist an einer Universität studiert, werden auch ,Buchärzte' genannt und nehmen eine beratende Funktion ein. Vgl. Kühnel 1958, S. 36.

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I. Der Verfasser Wenzeslaus Brack

ohne die Leistung von Steuern oder anderer finanzieller Belastungen niederzulassen vnd sein kunst vnd ertzney vben vnd gebrauchen zu dürfen. 31 Brack ist aber nicht nach Konstanz zurückgekehrt, sondern die Akten der Medizinischen Fakultät der Universität Wien berichten am 24. September 1493 von einem Aufnahmeantrag Bracks: 32 Item 24. Septembris congregata fuit facultas ad audiendum peticionem cuiusdam doctoris alterius universitatis cuius nomen erat Wenczeslaus.33 Qui aput facultatem petivit se admitti ad repetendum unum canonem iuxta tenorem statutorum. Et facta deliberacione facultatas eum admisit, recepto iuramento ab eo, quod se velit conformare statutis et consuetudinibus facultatis. In einem Nachtrag zu diesem Bericht steht: Sed nullum repeticionem fecit, sed iterum mox abscessit ad Melicum:'4 Brack bewarb sich folglich an der Medizinischen Fakultät der Wiener Universität um eine Lehrtätigkeit, hat dort aber nicht vorgesprochen, sondern ist nach Melk gereist. Über seinen dortigen Aufenthalt ist nichts bekannt. Zwei Jahre später hält sich Wenzeslaus Brack in Salzburg auf, wo er am 19. September 1495 mit dem Salzburger Erzbischof Leonhard von Keutschach einen Leibarztvertrag abschließt: 35 Vermerckht ain abred zwischen des hochwirdigen fursten und herrn, herrn Leonharten, erwellten zu ertzbischoven zu Saltzburg, ains, und herrn Wentzlaen Prackh, lerer der ertzeney, annders teils, bescheenn in maß hernach volget. Von erst so hat mein genediger herr von Saltzburg den bemellten doctor Wentzlaen auf drew jar, nächst nach dato diser abred nacheinannder komenndt, zu seiner genaden leibartzt aufgenommen. [,..fb Der Vertrag handelt im weiteren von den Dienstpflichten des Arztes und besagt unter anderem, daß Brack die Herstellung von Arzneien in der Apotheke zu überwachen und diese dem Erzbischof persönlich zu reichen habe. Er muß zweimal jährlich die Medikamente der Apotheke überprüfen und unbrauchbar gewordene Arzneien melden. Brack hat außerdem für die Gesundheit des Hofes bzw. des Domkapitels Sorge zu tragen und erhält zur Unterstützung einen Knecht. Während der dreijährigen Vertragsdauer darf Brack Salzburg nicht verlassen und auch nicht in andere Dienste treten. Als Lohn erhält er 100

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Vgl. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Reichsregister Bd. W, fol. 57v; Chmel 1840 (1962), S. 801 f., Nr. 8956; Kühnel 1958, S. 25; Kühnel 1965a, S. 97; Kramml 1985, S. 46, 291 f. und Anhang 2, Nr. 483; Kramml 1986, S. 26 und Anm. 56. Zitiert nach Kramml 1985 und 1986. Vgl. Acta facultatis medicae universitatis Vindobonensis III, 1490-1558, hg. von K. Schrauf, Wien 1904, S. 23. Zitiert nach Kramml 1986, S. 27. Nach Wenczeslaus folgt ein leerer Raum, wohl für den Nachtrag des Familiennamens. Vgl. Acta facultatis medicae universitatis Vindobonensis III, 1490-1558, hg. von K. Schrauf, Wien 1904, S. 23, Anm. 2. Zitiert nach Kramml 1986, S. 27. Vgl. Kühnel 1965a, S. 97; Kühnel 1965b, S. 114; Krammi 1986, S. 28-33; Maurer 1989, S. 162. Der Vertrag ist bei Kramml 1986 abgedruckt (Abb. 3) und ediert (S. 31 ff.). Vgl. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Allgemeine Urkundenreihe 1495 September 19. Zitiert nach Kramml 1986, S. 31 f.

I. 1. Lebenslauf

Bild 1: Operation Kaiser Friedrichs III. am 8. Juni 1493

Pfund Pfennig jährlich. Der Vertrag ist vom Erzbischof und Brack gesiegelt. Auf Bracks Siegel ist das bereits von Lehmann beschriebene Wappen zu erkennen, auf dem ein „springender weißer Hund (Bracke) auf rotem Felde" abgebildet ist, und das nun eindeutig Wenzeslaus Brack zugeordnet werden kann. 37 Brack verstarb jedoch einen Monat nach Vertragsabschluß am 31. Ok37

Vgl. Lehmann 1932, S. 12. Zu der von Lehmann beschriebenen Handschrift vgl. Kapitel I. 2. und Nr. 4 im Anhang zu Kapitel I. 2. Bracks Siegel ist bei Kramml 1986, Abb. 4, abgebildet.

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I. Der Verfasser Wenzeslaus Brack

tober 1495 in Salzburg, wo er im Kreuzgang der Benediktinerabtei St. Peter beigesetzt wurde. Sein Marmorgrabstein, der sich ursprünglich im Kreuzgangboden befand, ist heute im Westtrakt auf der Innenhofseite eingemauert und trägt die Inschrift: HIC TUMULATE SUNT EXUVIE QUONDAM EGREGII VIRI ARTIUM ET MEDICINE PROFESSORIS WENCESLAI PRACK QUI MORTEM OBIIT IN VIGILIA OMNIUM SANCTORUM. ANNO DOMINI Μ CCCCXCV.38 Bracks Ehefrau Adelheid bezahlte die Begräbnisfeier in St. Peter39 und teilte Erzbischof Leonhard am 11. November 1495 den Tod ihres Mannes mit.40 Adelheid Brack ging zurück nach Konstanz, wo sie dem Domkapitel zweimal erfolglos Bücher aus der Bibliothek ihres Mannes zum Kauf anbot. In den Protokollen des Domkapitels finden sich Einträge aus den Jahren 1496 und 1504: Der Witwe des Dr. Wentzeslaus soll abgeschlagen werden, dessen Bücher zu kaufen. [20. Juli 1496],41 Der Frau des fDr. Wentzeslaus soll der Kauf ihrer Bücher abgeschlagen werden. [23. Februar 1504].42 Ein letztes Mal wird Bracks Witwe 1510 im Steuerbuch der Stadt Konstanz aufgeführt, wo sie für 595 Pfund Heller Besitz und Silbergeschirr versteuerte: Adelhait Bräckin 595*} me dz silbergeschier43 Adelheid Brack schenkte die Büchersammlung ihres Manns schließlich Kloster Weißenau. Sie verstarb 1516 in Konstanz.

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Vgl. Zimmerl 1934, S. 190 f., S. 215, Nr. 24; Kramml 1986, S. 17. Vgl. Stiftsarchiv St. Peter, Salzburg, Hs. A 636 (Custerei Rechnungen III), fol. 89r. Die Angabe wurde von Kramml 1986, S. 28 übernommen. Vgl. Kühnel 1965a, S. 97; Kühnel 1965b, S. 114; Kramml 1986, S. 28, 31. Zitiert nach Krebs 1952, S. 217, Nr. 648. Zitiert nach Krebs 1954, S. 308, Nr. 2053. Zitiert nach Rüster 1963, S. 130, Nr. 798.

I. 2. Die Bibliothek des Wenzeslaus Brack

17

I. 2. Die Bibliothek des Wenzeslaus Brack Wenzeslaus Brack muß eine für das Spätmittelalter bemerkenswert große private Bibliothek besessen haben. Im 1504 von Albert Schwengler abgeschriebenen Nekrolog des Klosters Weißenau bei Ravensburg44 wird Brack und seiner Familie am 27. Oktober gedacht, weil der Klosterbibliothek von Bracks Witwe 276 Bände, darunter Handschriften vom 12. bis 15. Jahrhundert und Drucke, aus dem Nachlaß ihres Mannes geschenkt wurden: Wenzlai Brack, physicae doctoris, et Adelhaidis uxoris ejus, Wenzlai junioris, filii eorum. ipsa Adelhaidis dedit nostro monasterio ducenta septuaginta sex volumina pro victalicio.45.

Die Bibliothek des Klosters Weißenau besaß zu Beginn des 19. Jahrhunderts etwa 9000 Bände, darunter etwa 4500 Bände Theologie, 1000 Bände Kirchenund Weltgeschichte, 1000 Bände kanonisches und weltliches Recht, 500 Bände klassische Autoren, 400 medizinische Werke, 300 Bände antike Philosophen, die übrigen enthielten sonstige Literatur.46 Die Angaben sind unvollständig und beruhen auf einer groben Schätzung, die der letzte Weißenauer Bibliothekar P. Isfried Winkler bei seiner Bestandsaufnahme im November 1802 vornahm.47 In dieser Schätzung nicht Inbegriffen sind etwa 3000 Bände, die der letzte Weißenauer Abt Bonaventura Brem als seine Privatsammlung betrachtete und auf Schloß Liebenau, seinen letzten Wohnsitz, mitgenommen hat. Nach Brems Tod wurde dieser Teil der Weißenauer Bibliothek über Auktionen und Antiquariate in alle Welt verstreut.48 Kloster Weißenau kam 1803 nach der Säkularisation samt seiner Bibliothek in den Besitz des Grafen Franz von Sternberg-Manderscheid. Nach dessen Tod 1830 kaufte Fürst Johann Lobkowitz die Sternbergsche Sammlung an und fugte die Weißenauer Bücher seiner mehr als 600 Handschriften und etwa 20.000 Druckbände umfassenden

44 45

46 47

48

Zu Albert Schwengler vgl. Wenzel 1998, S. 60 f. Zum Nekrolog vgl. Mone 1857, S. 317 f. Vgl. Generallandesarchiv Karlsruhe, 64/62. Zitiert nach der Edition von Mone 1857, S. 324. Über Bracks Sohn Wenzeslaus, der hier genannt wird, ist nichts bekannt. Zu dieser Schenkung vgl. auch Lehmann 1932, S. 31; Kramml 1986, S. 31; Maurer 1989, S. 162; Binder 1995, S. 499; Wenzel 1998, S. 34, 78 f. Vgl. Lehmann 1932, S. 6; Binder 1995, S. 490. Einen neuzeitlichen Bibliothekskatalog gibt es nicht. Es existieren zwei mittelalterliche Bibliothekskataloge aus dem 12. und 13. Jahrhundert, die von Paul Lehmann in einer St. Petersburger und in einer Prager Handschrift entdeckt wurden (St. Petersburg, Russische Nationalbibliothek, Erm. lat. 5, fol. 55r; Prag, Närodni knihovna, XXIIIΕ 21, fol. 170rv). Vgl. Wenzel 1998, S. 38-46 und Abb. 9, 10, 11. Die neueste Edition dieser Kataloge findet sich bei Wenzel 1998, S. 137-142. Zudem gibt es einen unvollständigen Katalog der Weißenauer Klosterbibliothek von Charles Louis Hugo aus dem 18. Jahrhundert, der auf einer verschollenen Bibliotheksbeschreibung von 1625 beruht. Leider fehlen hier die Beschreibungen von Bracks Codizes. Vgl. Lehmann 1932, S. 9; vor allem Binder 1995, S. 501 f.; Wenzel 1998, S. 19, 34. Vgl. Lehmann 1932, S. 6 f.; Binder 1995, S. 490.

18

I. Der Verfasser Wenzeslaus Brack

Familienbibliothek hinzu, „die teils von den Grafen Sternberg, teils von den Fürsten Lobkowitz aus den verschiedensten Zeiten und Ländern und Wissensgebieten zusammengetragen waren." Die Lobkowitzsche Bibliothek ist seit 1930 im Besitz der Universität Prag 49 In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts untersuchte Paul Lehmann die Lobkowitzsche Sammlung der Prager Universitätsbibliothek (Närodni knihovna), wobei es ihm gelang, etwa 70 ehemals Weißenauer Handschriften zu ermitteln.50 Unter diesen Codizes befinden sich auch einige Handschriften, die aus der Bibliothek Wenzeslaus Bracks stammen. Sicher ist die Zuweisung bei den Handschriften XXIII F 128 (Lobk. 490), XXIII G 44 (Lobk. 522) und XXIII G 48 (Lobk. 529), in die der Besitzvermerk pro magistro wenceslao brack eingetragen ist. Die Handschrift XXIII D 157 (Lobk. 271) kann aufgrund von Bracks Wappen auf fol. 2r seiner Sammlung zugeordnet werden. Die Prager Handschriften datieren vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, enthalten medizinische Schriften, naturwissenschaftliche und komputistische Abhandlungen, verschiedene Artes dictandi, ein Abendmahlspiel und Tragödien Senecas.51 Da sich Bracks Handschriften meist in einem braunen oder roten Ledereinband des 15. Jahrhunderts befinden - gegenüber weißen Weißenauer Einbänden - häufig einen naturwissenschaftlichen und medizinischen Inhalt haben,52 kann von weiteren 12 Handschriften aufgrund dieser äußeren und inhaltlichen Merkmale vermutet werden, daß sie sich ehemals in Bracks Besitz befanden.53 In ihrer Dissertation über den Bestand der mittelalterlichen Bibliothek des Klosters Weißenau konnte Elke Wenzel die Anzahl der heute bekannten ehemaligen Weißenauer Codizes auf über 150 erhöhen, unter denen sich auch eine Freiburger (Universitätsbibliothek, Hs. 387) und eine Londoner Handschrift (British Library, Add. 24068) befinden, die vormals im Besitz von Wenzeslaus Brack waren.54 Die Freiburger Handschrift enthält als ersten Bestandteil eine von Brack selbst zwischen 1488 und 1491 geschriebene Sammlung von Exzerpten aus medizinischen Werken von Galen, Rhazes, Avicenna, Dioskurides, Serapion und Mesue. Der zweite Teil dieser Handschrift beinhaltet die um 1100 geschriebene Abhandlung Liber diaetarum universalium et particularium von Isaac Judaeus. Als Spiegel des Bandes dienen Fragmente eines lateinischen Pergamentbriefs von 1477, der von Papst

49 50 51 52 53

54

Vgl. Lehmann 1932, S. 7; Binder 1995, S. 493. Das Zitat stammt aus Lehmann 1932, S. 7. Vgl. Lehmann 1932. Vgl. die Handschriftenbeschreibungen 4-7 im Anhang zu diesem Kapitel. Vgl. Lehmann 1932, S. 8; Wenzel 1998, S. 25-30. Hierzu gehören folgende Codizes der Prager Universitätsbibliothek: XXIII D 131 (Lobk. 246), XXIII D 146 (Lobk. 272), XXIII D 161 (Lobk. 273), XXIII D 162 (Lobk. 274), XXIII D 179 (Lobk. 406), XXIII D 180 (Lobk. 407), XXIII D 181 (Lobk. 408), XXIII C 117 (Lobk. 410), Lobk. 466, XXIII F 129 (Lobk. 491), XXIII F 131 (Lobk. 493), XXIII F 132 (Lobk. 495). Zur Beschreibung dieser Handschriften vgl. Lehmann 1932, S. 10, 12, 31,44-48, 53-55. Vgl. Wenzel 1998, S. 78 f. Zur Freiburger Handschrift vgl. auch Binder 1995, S. 499. Vgl. die Handschriftenbeschreibungen 2 und 3 im Anhang zu diesem Kapitel.

I. 2. Die Bibliothek des Wenzeslaus Brack

19

Sixtus IV. an die Kirche von Konstanz geschickt wurde. Auf beiden Spiegeln befinden sich verschiedene Einträge des 15. und 16. Jahrhunderts, auf dem vorderen steht ein volkssprachiges Rezept Bracks zur Vertreibung von Maulwürfen: Wiltu talpas auß dem garten vertreyben ... Bei dem Londoner Codex handelt es sich um eine medizinische Sammelhandschrift, die im 13. Jahrhundert entstanden ist, und auf Bl. lv den Besitzvermerk Uber magistri Wenceslai Brack trägt.

Anhang: Handschriften aus dem Besitz von Wenzeslaus Brack 1. Cod. chart. 4°55 Papier; 112 Bll.; roter Ledereinband; 2. Hälfte 15. Jahrhundert; Autograph lr leer lv Calcidius utriusque lingue grece et latineperitissimus ... 2r Socrates in exhortacionibus suis .... S ist Initiale in rot und blau 39r Finit Thimeus platonis anno 1471, 6 Kaiende octobres per me wenceslaum boragk libemverder artis baccalaureum. 39v Spera apulei platonici ..., Federzeichnung: Kreis in verschiedene Ringe und Sektoren geteilt, mit Bezeichnungen, darunter die Gebrauchsanweisung 40 leer 41r Marci Tuly Ciceronis liber primus qui est de natura deorum incipit... 104v ffinit feliciter Tercius et ultimus liber Marci Ciceronis, qui est de natura deorum Anno 1471 die Marcij ultimo. 105r Tulius pro Marco Mar cello Incipit... II Or Et hic pro Marco Marcello Tulij finit oracio. llOv Tafel mit Abbreviaturen I I I r Lobspruch, den Peter von Andlau anläßlich der Gründung der Baseler Universität gehalten hat: Preconium studii basiliensis editum per Petrum de Andelo Juriscanonici doctor em ... 11 lv Autobiographie Bracks (1469-1477, nach Abschluß seines Baseler Magisterstudiums): Anno domini MCCCCLX1X Ego wenceslaus bragk alias libenwerder veni ex liptzensi studio basileam, ,..56 112 leer

55 56

Vgl. Goldschmidt 1920, S. 120-122. Zum vollständigen Text vgl. Kapitel I. 1, S. 9.

20

I. Der Verfasser Wenzeslaus Brack

2. Freiburg: Universitätsbibliothek, Hs. 387 57 Papier und Pergament; 101 Bll.; 21 χ 15,5 cm; brauner Ledereinband; Ende 15. Jahrhundert Die Handschrift besteht aus zwei Teilen: 1. Teil (Papier): Bl. 1-49, Foliierung 1-45 (4r-48r) von Brack; 58 zweispaltig; 33-40 Zeilen; in Kursive übergehende Bastarda, hervorgehobene Textteile in Bastarda, Randbemerkungen, meist von Brack, z.B. 28v und 32r deutsche Worterklärungen; Hinweiszeichen (Hände) gelegentlich am Rand; rubriziert; Wasserzeichenuntersuchung ergab einen wahrscheinlichen Zeitraum der Beschriftung von 1488-1491. Wenzeslaus Brack ist Verfasser und Schreiber von Teil 1. 2. Teil (Pergament): Bl. 50-101, Foliierung 1-20 (51r-70r) und 1-31 (71r-101r) von Brack; 5Or zweispaltig, 70ν dreispaltig (jeweils Kapitelverzeichnis); 31 Zeilen; ab 50v karolingische Minuskel, Capitalis Rustica als Auszeichnungsschrift, teilweise gemischt mit Unziale; Initialen und Überschriften rot; am Rand vereinzelt Hinweiszeichen (Hände) und mehrfach Bemerkungen des 15./16. Jahrhunderts, meist von Brack, von dem auch das Kapitelverzeichnis 50r, die Kapitelzählung des Verzeichnisses von 70v und die vielfach vorkommenden Seitentitel stammen; Datierung aufgrund der Schrift in den Übergang vom 11. zum 12. Jahrhundert. Der 2. Teil enthält die im 10. Jahrhundert entstandene Schrift Lib er diaetarum universalium et particularium des Isaac Judaeus, die von Wenzeslaus Brack durchgearbeitet wurde. 1 2r 4r 48r

leer Registrum adsimplicia sequencia in capita diversa... Allopicie etfluxui capillorum conferunt lixivium ex einere abrotani... ... Fetorem allei prohibent ruta zedoava apium. Ego Wenceslaus Brack artis et medicine doctor hec collegi ex simplieibus Galieni, Rasis, Avicenne, Dyascoride, Serapionis et Mesue et cetera. 48v leer 49 leer 50r Registrum inprimum librum dietarumparticularium domini Ysaac ... 50v Incipiunt dietq particulares. Complevimus in libro primo universalem signifleationem ... 70v Kapitelverzeichnis zu Buch 2 lOlr ... constipat epar et spien et lapidem in renibus er eat. Explicit. lOlv leer

57 58

Vgl. Hagenmaier 1974, S. 124-126. Vgl. fol. 14v bei Wenzel 1998 (Abb. 27).

I. 2. Die Bibliothek des Wenzeslaus Brack

21

3. London: British Library, Add. 2406859 Pergament; 98 Bll.; 19,5 χ 11,5 cm; 13. Jahrhundert; Randbemerkungen von späteren Händen. Der Besitzer war 1422 Heinrich Zinner (fol. 83v) und danach Wenzeslaus Brack, lv Liter magistri Wenceslai Brack 2r Versus vrinarum magistri Egidii, mit Marginalglossen 8r Verse zum gleichen Thema 8v Verse über den medizinischen Nutzen von Pflanzen, alphabetisch geordnet lOr Versus magistri Ade de signis et causis egritudinum 24r Tabelle mit medizinischen Gewichten, in Hexametern 24v Fragment des Antidotarium Nicolai, endet mit der Beschreibung von Athanasia 25r Aderlaßtraktat: In ventosatione ista sunt consideranda... 26r Aderlaßtraktat: Vene de quibus consuetum est flebotomari ..., mit Zeichnungen von Instrumenten 29r Anathomia Magistri Nicolai phisici... 35v Traktat über Symptome verschiedener Krankheiten: Circa principium cuiusque artis... 40r Abhandlungen über Medizin: Medicina diuiditur. Medicina quandoque proprie, quandoque improprie dicitur ... 47v Medizinische Rezepte 48r Abhandlung über Heilmittel, am Anfang unvollständig 48v Verse aus dem Regimen sanitatis Salernitanum, über medizinische Maße und Gewichte, die vier Körpersäfte, Fieber, usw. 50r Abhandlung über Augenkrankheiten: Cvm aliquis habuerit occulos limppidos vel rubeos... 51v Abhandlung über Krankheiten: Constat quia a corde omnes arterie ..., zum Teil in Frage-Antwort-Form, mit Randbemerkungen von späteren Händen 53v Abhandlung über die Behandlung von Krankheiten: Cvm ad egrotum accesseris ..., mit späteren Randbemerkungen 60r Medizinische Rezepte 61r 12 Salerner Heilpflanzen-Tafeln, mit Kommentar 83v Medizinische Rezepte 84r De uirtutibus herbarum, etprimo de atripice ... 92v Zaubersprüche gegen Krankheiten

59

Vgl. Catalogue 1998, S. 95.

of Additions

to the Manuscripts

in the British Museum, Bd. 2, S. 5 f.; Wenzel

22

I. Der Verfasser Wenzeslaus Brack

93r Abhandlung über die vier Temperamente: Iste terminus quatuor termini... 97v Rezeptsammlung: Pilule Magistri Michaelis Scoti...

equale et isti

4. Prag: Närodni knihovna, XXIII D 157 (Lobk. 271) 60 Papier; 230 Bll.; 29 χ 21,1 cm; 1472 in Deutschland geschrieben 2r Wappen des Wenzeslaus Brack: springender weißer Hund (Bracke) auf rotem Feld 228r Lib er tragediarum Senece anno 1472 in vigilia omnium sanctorum finit foeliciter.

5. Prag: Närodni knihovna, XXIII G 44 (Lobk. 522) 61 Pergament; 100 Bll.; 18 χ 12,5 cm; roter Ledereinband; 14. Jahrhundert; zweispaltig; fol. 9r datiert in das 15. Jahrhundert lr Bibl. Weiß. Kalendarium 7r Exzerpte, lateinisch und deutsch 9r Preisangabe: 12 sol.; unten pro magistro wenceslao brack. Incipiunt glosule super tractatum spere. Naturalis philosophia dividitur prim ο in tres partes ... 44r Alexander von Villa Dei: Massa computi, mit Kommentar 64r Alexander von Villa Dei: Algorismus, mit Ergänzungen 72v verschiedene Beispiele und Exzerpte 74 leer 75r leer 75v verschiedene Beispiele und Exzerpte 76r Schluß der Summa Guidonis (wohl Guido Faba) Johannes von Garlandia: Summa dictaminis, enthält Lucernam dictaminis ortum liliorum (nicht identisch mit der Lucerna des Johannes Bondi von Aquileja) 80v leer 81r Laurentius von Aquileja: Ars dictaminis62 89r Wetterregeln, Konstellationen und ihr Einfluß auf das Neugeborene, lateinisch; Schluß fehlt

60 61 62

Vgl. Lehmann 1932, S. 12. Vgl. Lehmann 1932, S. 36; Wenzel 1998, S. 78 f. Zu Guido Faba und Laurentius von Aquileja vgl. Kapitel IV. 1. 1.

I. 2. Die Bibliothek des Wenzeslaus Brack

23

6. Prag: Närodni knihovna, XXIII G 48 (Lobk. 529)63 Pergament; 86 B1L; 17 χ 11 cm; brauner Ledereinband (Rückendeckel zur Hälfte abgebrochen); 12./13. Jahrhundert; italienische Schrift Auf dem vorderen Spiegel ein Titelzettel aus dem 15. Jahrhundert: Antidotarius, electuarius et emplastra. lr Antidotarius, electuarius ... lv Lib er pro magistro Wenceslao Brack. 2r Eibl. Weiß. 61 ν Theodoras Priscianus: Euporiston fenomenon libri III (unvollständig)

7. Prag: Närodni knihovna, XXIII F 128 (Lobk. 490) 64 Papier; 213 Bll.; 21 χ 14,5 cm; grüner Lammfelleinband (Vorderdeckel fehlt), 15. Jahrhundert lr Uber pro magistro wenceslao brac lv Medizinische, naturwissenschaftliche und komputistische Abhandlungen und Auszüge, lateinisch und deutsch 53r Abendmahlspiel: Incipit Iudus de cena Domini..., lateinisch und deutsch ab 56v von Lehmann nicht weiter beschrieben

63 64

Vgl. Lehmann 1932, S. 37; Wenzel 1998, S. 78 f. Vgl. Lehmann 1932, S. 30 f.

II. Überlieferung der Textzeugen Wenzeslaus Bracks Kompendium besteht in seiner ursprünglichen Fassung, in der Baseler Erstausgabe Peter Kollickers 1483, aus fünf Teilen. Nach einem Inhaltsverzeichnis auf den ersten beiden Blättern folgen: 1. lateinisch-deutsches Sachvokabular, der Vocabularius rerum (lra-34vb) 2. lateinisch-deutsches Vokabular zum X. Buch der Etymologiae des Isidor von Sevilla (35ra-39va) 3. lateinisch-deutsches Verbvokabular (39vb-44va) 4. lateinischer Briefsteller (45ra-62va) 5. Didascalicon des Hugo von St. Viktor (63ra-95vb) In dieser vollständigen Form wird das Werk 1483 erstmals von Peter Kollicker in Basel, dann um 1485/86 von Johannes Grüninger in Straßburg und 1487 von Anton Sorg in Augsburg nachgedruckt. Die einzige bekannte Handschrift, der ehemals Donaueschinger Codex 56, datiert um 1486 und enthält die ersten drei zweisprachigen Abschnitte des Kompendiums. In den weiteren 13 überlieferten Auflagen wird nur der erste Teil des Gesamtwerks, das Sachvokabular mit dem Titel Vocabularius rerum, nachgedruckt. Um 1485 erscheint der Vocabularius rerum zum ersten Mal separat mit diesem Titel im rheinfränkischen Speyer bei den Brüdern Johann und Konrad Hist. Danach folgen Auflagen 1487 und 1489 von Martin Schott, 1489 von Johannes Prüss und 1491 von Georg Husner in Straßburg. 1491 erscheint in Leipzig bei Konrad Kachelofen die erste und einzige Ausgabe des Sachvokabulars im ostmitteldeutschen Sprachraum. Der Vocabularius rerum wird dann 1495 erneut von Georg Husner in Straßburg gedruckt. Im selben Jahr veröffentlicht Johann Schönsperger eine zweite Augsburger Auflage. Weitere Ausgaben des Sachvokabulars erscheinen in Speyer bei Konrad Hist (1496, 1501, 1509).1 Ein letztes Mal wird der Vocabularius rerum 1512 in Straßburg von Martin Flach gedruckt. Insgesamt sind etwa 350 erhaltene Druckexemplare in nationalen und internationalen Bibliotheken bekannt, von denen über ein Drittel das gesamte Kompendium enthalten. 2 Die Überlieferung des gesamten Kompendiums bzw. des Vocabularius rerum ist hinsichtlich des lateinischen und deutschen Textes in den Drucken

1 2

Zu der Auflage um 1498 vgl. Kapitel II. 2. 4. Vgl. die Auflistung der in den Bibliotheken vorhandenen Exemplare der einzelnen Druckauflagen in Kapitel II. 2.

II. Überlieferung der Textzeugen

25

weitgehend konstant. Geringfügige Änderungen betreffen das Einfügen weniger zusätzlicher volkssprachiger Interpretamente sowie die Graphie einzelner Wörter im Lateinischen und Deutschen. 3 Die Reihenfolge der Sachkapitel wird erstmals 1487 in Martin Schotts Straßburger Druck innerhalb der Kapitel 15 bis 24 verändert und in einigen Nachdrucken in dieser Form übernommen. 4 Die Kapitelverschiebung am Anfang des Vocabularius rerum findet sich danach in Schotts zweiter Auflage von 1489, in den Straßburger Drucken von Johannes Prüss (1489) und Georg Husner (1491, 1495), in der Leipziger Ausgabe Konrad Kachelofens (1491) sowie in Johann Schönspergers Augsburger Auflage (1495). In den Speyrer Drucken Konrad Hists (1496, 1501, 1509) und der letzten Ausgabe des Vocabularius rerum von Martin Flach (Straßburg 1512) bleibt die Abfolge der Sachkapitel unverändert. In verschiedenen Wörterbüchern des 16. Jahrhunderts, in Ausgaben der Gemma-Vokabularien und in Hermann Torrentinus' Elucidarius carminum et historiarum vel Vocabularius poeticus, werden die letzten sieben Kapitel des Vocabularius rerum über Zoologie, Botanik und Mineralogie als Appendix gedruckt. Die Gemma-Vokabularien bilden eine Wörterbuchgruppe, die ursprünglich aus dem niederländischen Sprachgebiet stammt und eine Bearbeitung des Vocabularius Ex quo darstellt, was bereits aus dem Titel der ersten Ausgaben hervorgeht: Gemmula vocabulorum alias Ex quo. cum additio diligenter reuisa et emendata. In der Zeit zwischen ca. 1493 und 1520 erscheinen die alphabetisch geordneten Vokabulare in insgesamt 39 Auflagen. Die einzelnen Ausgaben können aufgrund unterschiedlicher Titel in fünf Gruppen eingeteilt werden, die sich kaum hinsichtlich des Gesamtaufbaus und des lateinischen Textes, aber bezüglich der deutschen Interpretamente unterscheiden. 5 Eine Gruppe bildet der Vocabularius Gemma gemmarum, der zwischen 1505 und ca. 1520 in 14 Auflagen überwiegend im schwäbisch-alemannischen Raum gedruckt wurde. 6 Die 1505 bei Johannes Prüss in Straßburg erschienene

3

4

5 6

Zu Kriterien von Übernahme und Umsetzung volkssprachiger Interpretamente in Nachdrukken von Texten am Beispiel der Übertragung des Exercitium puerorum grammaticale vom Niederdeutschen ins Hochdeutsche vgl. Bellmann 1996, S. 211 ff. Zur Umsetzung in andere Schreibdialekte vgl. auch Stahl 1985, S. 100. Im 15. Kapitel folgt nach Caruuncula (15.169) der letzte Teil von Kapitel 18 ab Fratres (18.44) bis Auunculus (18.62), dann Kapitel 19 bis 23 vollständig, woran sich Kapitel 24 bis Vulgus (24.10) anschließt. Nach der neuen Überschrift herum de infirmitatibus folgt das Ende des 15. Kapitels von Dyaria (15.296) bis Vertigo (15.336), dann Kapitel 16 und 17 sowie der erste Abschnitt des 18. Kapitels von Pater (18.01) bis Consanguinei (18.43). Hieran schließt nach der zusätzlich eingefugten Überschrift Iterum de partibus corporis der noch verbleibende Teil des 15. Kapitels von Pulpa (15.170) bis Dissenteria (15.295) sowie der Rest von Kapitel 24 von Tribus (24.11) bis Ebursator (24.98) an. Vgl. Müller 2001, S. 49 ff. Die Druckorte mit der Anzahl ihrer Auflagen sind: Straßburg (9), Hagenau (3), Augsburg (1) und Lahr (1). Vgl. Claes 1977, Nr. 168, 174, 177, 187, 203, 207, 209, 212, 218, 227, 228,

26

II. Überlieferung der Textzeugen

Ausgabe weist Kapitel 99 bis 105 des Vocabularius rerum als Appendix auf. 7 Der Elucidarius oder Vocabularius poeticus von Hermann Torrentinus erschien 1498 erstmals in Deventer und wurde danach in über 20 Auflagen gedruckt. 8 Der letzte Druck erfolgte 1542 in Basel. Der alphabetisch geordnete Elucidarius bzw. Vocabularius poeticus enthält die letzten sieben Kapitel von Bracks Sachvokabular z.B. in folgenden Ausgaben: Straßburg 1505, Johannes Prüss; Straßburg 1514 und 1516, Reinhard Beck; Straßburg 1520, Johann Knobloch; Hagenau 1507, 1514 und 1518, Heinrich Gran; Lahr 1515, Wilhelm Schaffner. 9 Verbindungen zu späteren Drucken weist Bracks Vocabularius rerum laut Diefenbach mit dem Vocabularius von Johannes Altenstaig und dem Lexicon trilingue auf. 10 Der Vocabularius von Johannes Altenstaig wurde zwischen 1508 und 1515 in neun Ausgaben gedruckt, die jedoch nur vereinzelt deutsche Übersetzungen enthalten. In einer überarbeiteten Fassung, die 1516 und 1522 in Hagenau erschien, wurden volkssprachige Einträge hinzugefugt. 11 Altenstaigs Wörterbuch ist nach grammatischen Gesichtspunkten, nach den octo partes orationis, gegliedert. Die weitere Strukturierung erfolgt teils morphologisch, teils semantisch, aber auch alphabetisch. 12 Das Lexicon trilingue ist in Lateinisch, Griechisch und Deutsch verfaßt. Die Wortartikel sind strikt alphabetisch geordnet. Das Lexicon wurde 1586 erstmals in Straßburg gedruckt und erschien bis 1612 in etwa zehn Auflagen. 13 Der 1492 in Straßburg bei Martin larius predicantium oder Vocabularius Gerolzhofen enthält im Vorwort einen bularius predicantium sive Variloquus

7

8 9

10 11 12 13

Flach erschienene Druck des Vocabuvariloquus von Johannes Melber aus Hinweis auf Wenzeslaus Brack: Vocacollectus a Joh. Melber de Geroltz-

234. Bei Claes fehlen zwei Straßburger Drucke (vgl. Müller 2001, S. 50, Anm. 16). Vgl. auch Diefenbach 1857, Nr. 110 und V D 16, G 1083 ff. Vgl. Müller 1996, S. 153, Anm. 14.; Müller 2001, S. 54, 303, Anm. 19. Eine Überprüfung weiterer Ausgaben des Vocabularius Gemma gemmarum anhand von Exemplaren der BSB München hat ergeben, daß sich dort kein Appendix der Schlußkapitel des Vocabularius rerum findet. Die untersuchten Exemplare sind: Straßburg 1508, Johannes Prüss (4 L. lat. 213); Straßburg 1511, Reinhard Beck (Res. 4 L. lat. 215a); Straßburg 1514, Reinhard Beck (4 L. lat. 220); Hagenau 1512, Heinrich Gran (4 L. lat. 217); Augsburg 1512, Johann Schönsperger (4 L. lat. 216); Lahr 1514, Wilhelm Schaffner (4 L. lat. 219). Vgl. Müller 2001, S. 120,469; VD 16, Τ 1592 ff; Diefenbach 1857, Nr. 123. Überprüft wurden die Exemplare der BSB München mit folgenden Signaturen: Res. 4 A. gr. b. 470; Res. 4 L. eleg. g. 65g; Res. 4 L. eleg. g. 65m; 4 L. eleg. g. 65s; 4 Philol. 22; Res. 4 L. eleg. g. 65f; Res. 4 L. eleg. g. 65p; Res. 4 L. eleg. g. 65i. Vgl. Diefenbach 1857, Nr. 64, 88, 126. Vgl. Claes 1977, Nr. 251, 293; VD 16, A 1985 ff. Vgl. Müller 2001, S. 430 ff. Vgl. Claes 1977, Nr. 690, 694, 701, 719, 745, 824; VD 16, L 1412 f.; Müller 2001, S. 135 ff. und Anm. 94.

II. 1. Donaueschinger Handschrift 56

27

hosen ex sermonibus Wenceslai Brack.14 Der Vocabularius predicantium wurde von Melber unter Berücksichtigung von Predigten und Vorlesungen des Theologen Jodok Eichmann zusammengestellt, der normalerweise an Bracks Stelle im Vorwort genannt wird. Das alphabetisch geordnete und ftir Prediger bestimmte Werk erschien zwischen ca. 1477/80 und 1504 in knapp dreißig Auflagen. 15

II. 1. Donaueschinger Handschrift 56 Der Codex 56 wird nach Auflösung der Donaueschinger Hofbibliothek jetzt in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe aufbewahrt. Die Papierhandschrift: besteht insgesamt aus 128 Blättern in Quartformat. Der Text ist zweispaltig angelegt. Der erste Teil des Codex enthält den 1486 niedergeschriebenen Liber ordinis rerum bzw. £.v.se-£.v.ve«//a-Vokabular (2ra-35vb) und der zweite Teil die ersten drei lexikographischen Abschnitte von Wenzeslaus Bracks Kompendium, den Vocabularius rerum (37ra-100ra), das Isidor-Vokabular (lOOrb11 lra) und das Verbar (11 lrb-128rb): 16 lr 2ra 35vb 37ra 39ra lOOrb 11 lrb 128rb

14 15

16

Mitteilung über ein Schuldversprechen Besitzvermerk: hoc librum est donat clebber Esse wesen Essentia idem Explicit aureum vocabülario Laüs trinitati Et sie habes finem meßner lüt zesamen 1486 Inhaltsverzeichnis: De celo et celipartibus Vorrede: Quanquam singuli clavdimur in certafati condicione ... Text des Vocabularius rerum Ethymologie quorundam nominum ysiderus or dine alphabet! per integrum deeimum librum ponit De verbis brevior et compendiosa expedicio or dine alphabeti Veto as ve(r)büten

Vgl. Hänger 1972, S. 67; Hain 11043. Zu Johannes Melber vgl. Kirchert/Klein 1987. Vgl. Müller 2001, S. 45 ff., auch Anm. 14; Claes 1977, Nr. 14-16, 22, 23, 26-28, 33-34, 39, 43, 56, 65, 67, 70, 72, 92, 97, 99, 100, 102, 127, 137, 143, 163-165; VD 16, Μ 4439 f. Von dem Straßburger Druck des Martin Flach (1492) ist kein Exemplar bekannt. Vgl. Barack 1865 (1974), Nr. 56, S. 34 f.; Diefenbach 1867, S. XII f., Nr. 30 und 31; Schmitt 1983, Bd. I, S. XXIV; Schmitt 1978, Sp. 983.

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II. Überlieferung der Textzeugen

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rerum in der Donaueschinger Handschrift

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II. 2. Drucke

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Bei den drei Abschnitten aus Bracks Kompendium handelt sich um eine Abschrift der Druckfassung Kollickers oder Grüningers (Bild 2). Das in den Drucken stets gleich überlieferte Vorwort liegt in der Handschrift in veränderter Form vor und enthält nicht mehr den Namen des Verfassers Wenzeslaus Brack. Der lateinische Teil der Interpretamente ist gekürzt und das letzte Kapitel des Vocabularius rerum über Steine entfallen. Der Codex soll am Bodensee geschrieben worden sein.17 In den westoberdeutschen Sprachraum weisen auch einige typisch alemannische Wortformen wie z.B. kilchdyeb (Sacrilegus IS.26), kilwi (Scenopheya 76.07), dunnerclapf {Tonitruus 12.01) oder haystaffel (Locusta 96.43). Auffällig sind zudem die Graphien im lateinischen Text, z.B. De mensibüs, Torcülar, Ethymologie, sowie die Schreibung im Deutschen, z.B. gayß, pfyster.

II. 2. Drucke II. 2. 1. Basel, Peter Kollicker (1483) Peter Kollicker (gest. 1486) stammt aus Ölten in der Schweiz und studierte zur gleichen Zeit wie Wenzeslaus Brack an der Universität Basel, wo er sich 1470 als Petrus Kolliker de Berna immatrikulierte, 1472 Baccalaureus Artium und 1474 Magister Artium wurde. 18 Kollickers Erstausgabe von Bracks Kompendium umfaßt 97 Blätter in Folioformat, der Text ist zweispaltig zu jeweils 49 Zeilen gedruckt. Die Auflage enthält keinen Titel, beginnt auf den ersten beiden Blättern mit dem Inhaltsverzeichnis Incipit tabula vocabularii, dann folgt auf Blatt lra der Vokabulartext. Der Baseler Erstdruck endet auf Blatt 95vb mit dem Kolophon Anno M.cccc.lxxxiij in vigilia Simonis et iude [27. Oktober 1483].19 Exemplare (45): 2 0 Deutschland (20): [Berlin SB: Kriegsverlust]; Beuron Erzabtei; Frankfurt StUB: Inc. qu. 1284 N r 2; Freiburg U B : Ink. 4° D 4641, b; H a m b u r g StUB:

17 Vgl. Diefenbach 1867, S. XII f., Nr. 31. 18 Vgl. Geldner 1968, S. 120 f.; Wackernagel 1951, S. 84, Nr. 55. 19 Zu Buchtiteln bzw. Titelblättern und zum Kolophon in frühen Drucken vgl. Geldner 1978, S. 107 ff., 92 ff. 20 Die Zahlen in den runden Klammern geben die Anzahl der im GW, Bd. IV, Sp. 599 ff., Claes 1977 und Hänger 1972 nachgewiesenen Exemplare an. Einzelne Angaben wurden überprüft und gegebenenfalls berichtigt. Abkürzungen der Bibliotheken: AW = Akademie der Wissenschaften; BM = British Museum; GeM = Germanisches Museum; GM = Gutenberg Museum; HAB = Herzog-August-Bibliothek; HB = Hofbibliothek; KaB = Kantonsbibliothek; KaUB = Kantons- und Universitätsbibliothek; KB = Königliche Bibliothek; KrB = Kreisbibliothek; L = Library; LB = Landesbibliothek; NB = Nationalbibliothek; NUB = National- und Universitätsbibliothek; PSB = Priesterseminarbibliothek; SB = Staatsbibliothek; SStB = Staats- und Stadtbibliothek; SUB = Staats- und Universitätsbibliothek; StB = Stadtbibliothek; StUB =

30

II. Überlieferung der Textzeugen

Inc. B/10; Heidelberg UB: D 9873 qt. INC; Karlsruhe Badische LB (3); Metten StiB; München (2) SB: 2° Inc. c. a. 1304; UB: 2° Inc. lat. 1523: 1; Nürnberg GeM: Inc. 36672; Stuttgart (6) Württembergische LB: Inc. fol. 3700; Inc. fol. 3700 (2); Inc. fol. 13855; Inc. fol. 3700 (HB); Inc. fol. 2887 (HB); Inc. fol. 14191-1 (HB); Tübingen UB: Cc 47 a.2; Worms StB; Würzburg UB: an 1.1. f. 763 / Österreich (2): Fiecht StiB; Wien Österreichische NB / Schweiz (10): Basel (3) UB: A L III 4; Χ Β III 11; X D V 9; Engelbert (2) StiB: Ink. 163; Ink. 203; Frauenfeld KaB: X 148; Solothurn ZB: Rar I 56; St. Gallen StiB: 1509; Zürich (2) ZB: Ink. Κ 267; Raa 22. / England (2): London (2) BM: IB 37563; IB 37564 / Frankreich (4): Colmar StB; Selestat StB; Straßburg StB: C 51/1; Nimes: StB: incun. 39/7227, Bl. 3 u. 89 fehlen / Dänemark (1): Kopenhagen KB / Schweden (1): Stockholm KB: Bl. 65-98 fehlen / USA (5): Cambridge Harvard University L.; Cleveland Public L.; New Haven Yale University L.; San Marino, California Henry E. Huntington L.; Washington L. of Congress. 21

II. 2. 2. Straßburg, Johannes Grüninger (um 1485/86) Johannes Grüninger (um 1455-1532), eigentlich Johannes Reinhardt aus Markgröningen bei Stuttgart, kam Anfang der 80er Jahre von Basel nach Straßburg.22 Bracks Kompendium umfaßt in Grüningers Druck,23 der um 1485/86 datiert wird, 78 Blätter in Folioformat. Die Ausgabe beginnt mit einen Titelblatt, das den Aufdruck Vocabularius rerum. Breuia de modo epistolandi. Didascolon hugo de sancto Victore trägt. Danach folgen Inhaltsverzeichnis und Vokabulartext zweispaltig zu 51 bzw. 52 Zeilen. Am Schluß des Bandes finden sich weder Angaben zum Drucker noch zum Druckort oder Druckjahr. Exemplare (56): Deutschland (33): Aschaffenburg StiB: Ρ 475; Bamberg SB; [Berlin SB: Kriegsverlust]; Dresden Sächsische LB: Ink. 1668 2°; Düsseldorf UB: Ling 31/2° Ink.; Erlangen UB; Frankfurt (3) StUB: Ms. Praed. 49 Nr 1; Inc. qu. 870; Inc. qu. 871; Freiburg UB: Ink. 4° D 4641; Göttingen Niedersächsische SUB: 4° Ling IV 3702 Incun; Heidelberg UB: Q 6992-8 qt. INC : [3]; Karlsruhe Badische LB; Köln UStB: GBII a 283 b ; Konstanz Suso-Gymnasium: Bc 116 X; Lübeck StB; Maihingen Oettingen-Wallersteinsche Bibliothek; Mainz (3) StB: Inc. 343; Inc. 1155; PS: unvollständig; München (3) SB: 2° Inc. s. a. 237; 2° Inc. s. a. 237 b unvollständig; 2° Inc. s. a. 226872;

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22 23

Stadt- und Universitätsbibliothek; StiB = Stiftsbibliothek; UB = Universitätsbibliothek; UStB = Universitäts- und Stadtbibliothek; ZB = Zentralbibliothek. Vgl. GW 4984; Claes 1977, Nr. 40; Hänger 1972, S. 64 (1-10). Das Frankfurter Exemplar (Inc. qu. 1284 Nr 2) bildet die Grundlage der Edition. Vgl. den Inkunabelkatalog der StUB Frankfurt, Nr. 687. Das in dem Frankfurter Exemplar doppelt vorkommende Bl. 22r, das beim zweiten Mal irrtümlicherweise Bl. 21v auf der Rückseite trägt, fehlt in dem Exemplar der BSB München (2 Inc. c. a. 1304). Vgl. Inkunabelkatalog der BSB München, Bd. 1, B-792. Vgl. Geldner 1968, S. 71-75. Vgl. Diefenbach 1857, S. XVII, 64a. Dank der freundlichen Mithilfe von Herrn Dr. Tönnies, Leiter der Handschriften- und Inkunabelabteilung der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek, und seinem Mitarbeiter Herrn Kroll konnte der von Diefenbach 1857 auf S. XVII beschriebene und mit der Sigle 64a versehene Druck als die Ausgabe Grüningers identifiziert werden.

II. 2. Drucke

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Nördlingen StB; Nürnberg StB; Regensburg HB; Reutlingen StB: Inc. 148; Stuttgart (4) Württembergische LB: Incun. 3697 fol.; Trier PSB: Inc. 56, Bl. 7, 74, 75, 77, 78 fehlen; Tübingen UB: Cc 47.2; Würzburg UB: I. t. f. CCLXXXIV / Österreich (3): Göttweig StiB; Salzburg Erzabtei St. Peter; Wien Österreichische NB: unvollständig / Schweiz (6): Aarau KaB: Inc. 281 fol.; Basel (3) UB: Α Κ IV 16; D F IV 3; F III 4; Bern Burgerbibliothek: Cod. 295; Zürich ZB: Rb 8 / England (1): London BM: IB 1386 / Italien (1): Pisa UB / Frankreich (3): Colmar StB; Paris NB: Res. R 495; Straßburg NUB: Κ 910 / Polen (1): Krakau UB: Inc. 1672, var. A / Ungarn (1): Budapest Ungarische AW: 283 / Rußland (2): Königsberg UB; Petersburg Russische NB: unvollständig / USA (5): Boston Medical L.; Chicago Newberry L.; New York Union Theological L.; Philadelphia College of Physicians; San Francisco California State L. 24

II. 2. 3. A u g s b u r g , A n t o n Sorg ( 1 4 8 7 ) A n t o n S o r g ( u m 1 4 3 0 - 1 4 9 3 ) s t a m m t aus A u g s b u r g . 2 5 D a s 1487 v o n S o r g gedruckte K o m p e n d i u m B r a c k s u m f a ß t 168 Blätter in Q u a r t f o r m a t , die zweispaltig zu 33 Zeilen g e d r u c k t sind. 2 6 D a s Titelblatt enthält f o l g e n d e Mitteilung: Hoc opus egregium / ab illuminatissimo Benceslao Brack /professore et cetera Ex diuinis: humanisque scripturis originalibus compilatum. Aedum Triuij ac quadruuij artium liberalium / sedet: Aliarum Theologie. Legum. Canonum. / Medicorum: atque poetarum facultatum. / Similiter aliorum quorumcunque tarn temporalium quam spiritualium statuum vocabula: differentialiter continens / Vocabularium Archonium27 / nuncupatum feliciter incipit. D a n a c h folgt das Inhaltsverzeichnis u n d d e r V o k a b u l a r t e x t . D e r D r u c k endet auf Blatt 167ra n a c h d e m Didascalicon H u g o s v o n St. V i k t o r mit d e m K o l o p h o n Anno domini MccccLxxxvij in die sancte crucis [14. S e p t e m b e r 1487]. Exemplare (36): Deutschland (11): Augsburg SStB: 4° Ink 311; [Berlin SB: Kriegsverlust]; Dresden Sächsische LB: Ink. 74 (4°), Bl. 21-28, 161-168 fehlen; Eichstätt SB: Ν II 166; Frankfurt StUB: Inc. oct. 344, Bl. 149-168 fehlen; Leipzig UB; München (3) SB: 4° Inc. c. a. 494; 4° Inc. c. a. 494 a ; UB: 4° Inc. lat. 874; Passau KrB; Wolfenbüttel HAB: 125.17 Quodl. (2); Zwickau StB / Österreich (6): Admont StiB; Altenburg StiB; Linz UB: Bl. 1-112 fehlen; Salzburg Erzabtei St. Peter; Sankt Lambrecht StiB; Wien Österreichische NB / Schweiz (2): Basel UB: A L IV la; Engelberg StiB: Ink. 239 / England (2): London BM: IA 6004, Bl. 86, 91 u. 168 fehlen; Oxford Bodleian L. /

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Vgl. GW 4986; Claes 1977, Nr. 48; Hänger 1972, S. 65 (12-17). Grundlage der Beschreibung bildet ein Frankfurter (Inc. qu. 870) und ein Münchener Exemplar (2 Inc. s. a. 237). Vgl. Inkunabelkatalog der StUB Frankfurt, Nr. 689; Inkunabelkatalog der Β SB München, Bd. 1, B793. Vgl. Geldner 1968, S. 139-142; Steinberg 1988, S. 57; Künast 1997, S. 54, Graphik 86-89. Vgl. Diefenbach 1857, S. XVII, Nr. 64c. Vocabularius Archcmius bedeutet wohl ,Wortspeicher, Wörtersammlung', vgl. Diefenbach 1857, Sp. 46b. Dort wird z.B. Archonium, -us unter anderem mit ein haujf garben korns und schober übersetzt. Vgl. auch Vocabularius Ex quo, Bd. II, A 662.2; Closener/Twinger, Bd. I, S. 96.

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II. Überlieferung der Textzeugen

Niederlande (1): Leiden UB / Polen (4): Breslau UB: XV. Q. 353; XV. Q. 432; Krakau UB; Pelplin PSB / Tschechische Republik (4): Brno UB: MKP 185; Prag (3) UB; Metropolitani Capituli; Strahov-Kloster / Ungarn (2): Kalocsa Ecclesiae Metropolitanae: 12006; Szombathely Diözesenbibliothek: XXVI 3, 122 / USA (4): Cleveland Public L.; Cornell University L.; Philadelphia College of Physicians; San Marino, California Henry E. Huntington L.28

II. 2. 4. Speyer, Johann und Konrad Hist (um 1485, 1496, 1501, 1509) Die Brüder Johann und Konrad Hist wurden in Hilpoltstein in Mittelfranken geboren und studierten 1472 an der Universität Heidelberg. 29 Sie druckten den ersten Teil von Bracks Kompendium, das Sachvokabular, um 1485 in Speyer zum ersten Mal separat mit dem Titel Vocabularius rerum. Die Ausgabe umfaßt 64 Blätter in Quartformat, die einspaltig zu jeweils 35 bzw. 36 Zeilen gedruckt sind. Die Lemmata sind meist durch eine Virgel vom Interpretament abgesetzt. Von 1492 bis 1515 war Konrad Hist (gest. 1531) allein tätig. Um die Jahrhundertwende druckte er in Speyer weitere Auflagen des Vocabularius rerum (1496, 1501, 1509).30 Die Ausgabe von 1496 umfaßt insgesamt 52 Blätter in Quartformat. Sie ist einspaltig zu 38 Zeilen gedruckt und beginnt mit dem Titel Vocabularius rerum. Das Kolophon enthält nur die Jahresangabe Anno domini M. llll. xcvi. Die beiden Auflagen des 16. Jahrhunderts erfolgten auf jeweils 46 Blättern in Quartformat einspaltig zu 41 Zeilen. Die Ausgabe von 1501 weist keinen Titel auf, beginnt mit dem Inhaltsverzeichnis und endet auf Blatt 46r mit dem Kolophon Impressum Spire. Anno domini M. d. i. Bei Hists Auflage von 1509 handelt es sich um einen seitengenauen Nachdruck der Ausgabe von 1501. Sie beginnt mit dem Titel Vocabularius rerum, darunter ist als Signet das Wappen von Speyer abgebildet. 31 Der Druck endet auf Blatt 46r mit dem Kolophon Impressum Spire. Anno domini M. d. ix. Exemplare der Ausgabe um 1485 (10): Deutschland (7): [Berlin SB: Kriegsverlust]; Darmstadt Hessische LB; Köln UStB: GB II a 283 h; Mainz GM/StB: Ink. 623/2; Sangerhausen Bibliothek der Ulrichskirche; Stuttgart Württembergische LB: Inc. qt. 11040; Trier StB; Wolfenbüttel HAB: 235 Quodl. (hat einen schweren Schimmelschaden) /

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Vgl. GW 4988; Claes 1977, Nr. 63; Hänger 1972, S. 65 (18-19). Grundlage der Beschreibung bildet ein Exemplar der BSB München (Inc. c. a. 494a). Vgl. Inkunabelkatalog der BSB München, Bd. 1, B-795. Vgl. Geldner 1968, S. 192-194; Toepke 1884 (1976), S. 337, 339. Eine ca. 1498 von Konrad Hist in Speyer gedruckte Auflage, von der nur ein Exemplar in der Berkeley University of California bekannt ist, konnte nicht überprüft werden. Vgl. Claes 1977, Nr. 129. Zu Drucker- und Verlegermarken vgl. Geldner 1978, S. 112 ff.

II. 2. Drucke

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Schweiz (1): Basel UB: D Ε VII 7a / Tschechische Republik (1): Olmütz UB: 22258 / USA (1): Maryland National L. of Medicine Bethesda. 32 Exemplare der Ausgabe 1496 (14): Deutschland (6): Görlitz Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften; Karlsruhe Badische LB; Limburg (2) Dombibliothek; München (2) SB: 4° Inc. c. a. 1283, Blatt 52 fehlt; UB: 4° Inc. lat. 486 / Schweiz (3): Basel UB: D C V 9; Freiburg i. Ü. (2) KaUB: Ζ 114; Franziskanerkloster: Q 136 / England (2): London BM: IA 8789; Manchester John Ryland L. / Frankreich (1): Colmar StB / Belgien (1): Haag KB: 169 F 85 / USA (1): Berkeley University of California. 33 Exemplare der Ausgabe 1501 (5): Deutschland (5): Augsburg SStB: 4° Ink. 410/5; Freiburg UB: D 4641, d; Mainz StB: Ink. 190; München (2) SB: 4° L. lat. 64; 4° L. lat. 64 a , Bl. 39-46 fehlen. 34 Exemplare der Ausgabe 1509 (13): Deutschland (9): Berlin SB: Wb. 334 an Ef. 3062 verlagert; Freiburg UB: D 4641, di; Leipzig UB; Mainz (2) StB: Ink. 181; Ink. 1711; München SB: 4° L. lat. 64 d; Speyer Pfälzische LB: Β 1416; Stuttgart Württembergische LB: Phil. qt. 39; Zwickau Ratsschulbibliothek: 24.10.19/2 / Schweiz (1): Frauenfeld KaB: X 150 / England (1): London BM: 826 g 17 / USA (2): Chicago University L.; Washington L. of Congress. 35

II. 2. 5. Straßburg, Martin Schott (1487, 1489) Mit Martin Schott beginnt eine Anzahl weiterer Auflagen des Vocabularius rerum, in denen innerhalb der Kapitel 15 bis 24 eine Umstellung vorgenommen wurde.36 Martin Schott (gest. 1499) war mit einer Tochter von Johannes Mentelin, des ersten Straßburger Druckers, dessen Druckerei Schott später erbte, verheiratet.37 Bracks Vokabular wurde von Schott in zwei Auflagen 1487 und 1489 auf 60 Blättern in Quartformat einspaltig zu 36-37 Zeilen gedruckt, die keine Foliierung aufweisen. Beide Ausgaben Schotts beginnen mit dem Titel Vocabularius rerum, dann folgt das Inhaltsverzeichnis und der Vokabulartext. Das Kolophon enthält jeweils nur die Jahresangabe Anno M. cccc. Ixxxvij bzw. Anno M. cccc. Ixxxix. Schotts Auflage von 1489 ist ein fast seitengenauer Nachdruck seiner ersten Ausgabe.

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Vgl. GW 4985; Claes 1977, Nr. 47; Hänger 1972, S. 64 (11). Der Beschreibung liegt das Exemplar der WLB Stuttgart zugrunde (Inc. qt. 11040). Vgl. Inkunabelkatalog deutscher Bibliotheken - INKA, Interimsnr. 1164. Vgl. GW 4995; Claes 1977, Nr. 123; Hänger 1972, S. 66 (27-29). Grundlage der Beschreibung bildet das Exemplar der BSB München (Inc. c. a. 1283). Vgl. Inkunabelkatalog der BSB München, Bd. 1,B-801. Vgl. Claes 1977, Nr. 152; VD 16, Β 6884. Die Beschreibung erfolgt auf der Grundlage eines Exemplars der BSB München (4 L. lat. 64). Vgl. Claes 1977, Nr. 180; V D 16, Β 6885. Grundlage der Beschreibung bildet ein Exemplar der BSB München (4 L. lat. 64d). Vgl. Kapitel II, S. 25. Vgl. Geldner 1968, S. 70.

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II. Überlieferung der Textzeugen

Exemplare der Ausgabe 1487 (18): Deutschland (9): Bamberg SB; Bonn UB; Freiburg UB: Ink. D 4641, bf; Gießen UB: Ink. C 1895 (1); Hamburg StUB: Inc A/7; München (2) SB: 4° Inc. c. a. 494 b ; UB: 4° Inc. lat. 875, Bl. 1-4 fehlen; Regensburg HB; Würzburg UB: I. t. q. 333 / Österreich (2): Altenburg StiB; Melk StiB / England (1): Manchester John Rylands L. / Dänemark (1): Kopenhagen KB / Schweden (1): Uppsala UB / Polen (2): Breslau UB: XV. Q. 5161; Neisse Gymnasium / USA (2): Illinois Urbana University; Michigan Ann Arbor University. 38 Exemplare der Ausgabe 1489 (17): Deutschland (9): Aachen StB; Bamberg SB; [Berlin SB: Kriegsverlust]; Heidelberg UB: D 9875 oct. INC : [1]; Karlsruhe Badische LB; Lübeck StB; München SB: 4° Inc. c. a. 633 m ; Rostock UB; Stuttgart Württembergische LB: Incun. 3704.4°; Wolfenbüttel HAB: Kb 467 / Österreich (1): Wien Österreichische NB / Schweiz (1): Einsiedeln StiB: 466 Inc. 1031 / Frankreich (2): Auxerre StB: A 2104; Paris Bibliotheque Mazarine: Inc. 556 2 / Belgien (1): Haag KB: 168 F 12 / Polen (2): Breslau UB: XV. Q. 237; Poznan UB / USA (1): Washington L. of Congress. 39

II. 2. 6. Straßburg, J o h a n n e s P r ü s s ( 1 4 8 9 ) J o h a n n e s P r ü s s ( 1 4 4 7 - 1 5 1 0 ) 4 0 druckte B r a c k s V o k a b u l a r mit d e m Titel Vocabularius rerum 1489 auf 55 Blättern in Q u a r t f o r m a t zu 36 Zeilen. D i e Kapitelu m s t e l l u n g der S t r a ß b u r g e r A u s g a b e n v o n M a r t i n Schott a m A n f a n g des S a c h v o k a b u l a r s w u r d e ü b e r n o m m e n . D e r T e x t ist v o r w i e g e n d einspaltig, n u r die Blätter 7 u n d 8 sind zweispaltig angelegt. D a s V o k a b u l a r endet auf Blatt 5 4 v mit d e m K o l o p h o n Impressum Argentine per Johannem Prüß. Anno domini Λ489. In vigilia Epiphanie domini [5. J a n u a r 1489]. A n d e r s als in den bis j e t z t b e s c h r i e b e n e n D r u c k e n schließt diese A u f l a g e n a c h d e m K o l o p h o n mit d e m Inhaltsverzeichnis ab. Exemplare (18): Deutschland (8): Augsburg SStB: 1 an 4° Ink 309; [Berlin SB: Kriegsverlust]; Mainz StB: Ink. 150; München (2) SB: 4° Inc. c. a. 633; UB: 4° Inc. lat. 876; Regensburg HB; Stuttgart Württembergische LB: Incun. 3705.4°; Trier StB; Wolfenbüttel HAB: Ρ 337. 4° Heimst. (2) / Österreich (1): Wien Österreichische NB / Schweiz (3): Frauenfeld KaB: X 149; St. Gallen StiB: 1510; Zürich ZB: 2.143 / England (2): London BM: IA 1651; Oxford Bodleian L. / Polen (1): Breslau UB: XV. Q. 470 / Tschechische Republik (l): Olmütz UB: 22260 / Ungarn (1): Szekesfehervar Diözesenbibliothek: 215 / USA (1): Chicago Newberry L. 41

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Vgl. GW 4987; Claes 1977, Nr. 62. Grundlage der Beschreibung bildet das Exemplar der BSB München (4 Inc. c. a. 494b). Vgl. Inkunabelkatalog der BSB München, Bd. 1, B-794. Vgl. GW 4989; Claes 1977, Nr. 73; Hänger 1972, S. 65 (20). Die Beschreibung erfolgt auf der Grundlage des Exemplars der BSB München (4 Inc. c. a. 633m). Vgl. Inkunabelkatalog der BSB München, Bd. 1, B-796. Vgl. Geldner 1968, S. 76-78. Vgl. GW 4990; Claes 1977, Nr. 74; Hänger 1972, S. 66 (21-23). Grundlage der Beschreibung bildet das Exemplar der BSB München (4 Inc. c. a. 633). Vgl. Inkunabelkatalog der BSB München, Bd. 1, B-797.

II. 2. Drucke

35

II. 2. 7. Straßburg, Georg Husner (1491, 1495) Über die Herkunft Georg Husners (gest. 1506) ist nichts bekannt. Für die Zeit von 1479 bis 1493 konnte Husner als der Drucker des Jordanus von Quedlinburg identifiziert werden.42 Bei Husners erstem Druck des Vocabularius rerum von 1491 handelt es sich mit 55 Blättern in Quartformat zu 36 Zeilen um einen fast seitengenauen Nachdruck der Ausgabe von Johannes Prüss.43 Der Vokabulartext endet in Husners Druck auf Blatt 54v mit dem Kolophon Impressum Argentine Anno domini M.cccc.xcl. in die Sancte Brigide [1. Februar 1491], woran auf Blatt 55 das Inhaltsverzeichnis anschließt. Husners zweite Auflage des Vocabularius rerum von 149544 stimmt fast genau mit seinem ersten Druck von 1491 überein und trägt auf Blatt 54v das Kolophon Impressum Argentine Anno domini M.cccc.xcv. altera die postfestum sancti Thome apostoli [22. Dezember 1495]. Beide Ausgaben beginnen jeweils mit einem Titelblatt, das den Aufdruck Vocabularius rerum trägt, und weisen die Umstellung der Kapitel 15 bis 24 auf. Exemplare der Ausgabe 1491 (30): Deutschland (7): Berlin SB; Frankfurt StUB: Inc. oct. 431 Nr 2; Göttingen Niedersächsische SUB: 8° LING. IV 3709 INC; Limburg Dombibliothek; München (2) SB: 4° Inc. c. a. 825; UB; Nürnberg StB / Österreich (4): Kremsmünster StiB: Fragm. 26; Salzburg Erzabtei St. Peter; Wien Österreichische NB; Zwettl StiB / England (1): London BM: IA 2054 / Frankreich (1): Straßburg NUB: Κ 914 / Niederlande (1): Leiden UB: 1497 Ε 12 / Polen (1): Breslau UB: XV. Q. 222 / Ungarn (1): Budapest BN: 795 / Rußland (1): Königsberg UB / USA (1): New Haven Yale University L. 45 Exemplare der Ausgabe 1495 (28): Deutschland (12): Augsburg SStB: 2 an 4° Ink 533; [Berlin SB: Kriegsverlust]; Beuren Erzabtei; Darmstadt Hessische LB; Frankfurt StUB: Inc. oct. 346, Blattzählung angeschnitten; Freiberg Gymnasium; Freiburg UB: Ink. D 4641, c; Mainz StB; München (2) SB: 4° Inc. c. a. 1 1 9 Γ ; UB: 4° Inc. lat. 878; Nürnberg GeM: Inc. 91982; Rothenburg Konsistorial- und Ratsbibliothek; Würzburg UB: 2 an I. t. q. 125 / Österreich (2): Admont StiB; Wien UB / Schweiz (1): Solothurn ZB: Rar 134 / England (2): London BM: IA 1966; Oxford Bodleian L. / Italien (1): Rom Biblioteca Vaticana / Frankreich (2): Paris Bibliotheque Arsenal: Τ 3975 2 ; Straßburg NUB: Κ 915 / Schweden (1): Uppsala UB / Tschechische Republik (1): Olmütz UB: 609.65 / Rumänien (1): Sibiu Muzeul Brukenthal: Inc. 374 / Ungarn (1): Budapest UB: 541 / USA (4): Baltimore Johns Hopkins University L.; Norwalk Connecticut Burndy L.; Washington (2) Folger Shakespeary L.; L. of Congress. 46

42 43 44 45

46

Vgl. Geldner 1968, S. 65 f. Vgl. Kapitel II. 2. 6. Auch bei Husner sind Blatt 7 und 8 zweispaltig. Vgl. Diefenbach 1857, S. XVII, Nr. 64b. Vgl. GW 4991; Claes 1977, Nr. 90. Die Beschreibung erfolgt auf der Grundlage eines Frankfurter (Inc. oct. 431 Nr 2) und eines Münchener (4 Inc. c. a. 825) Exemplars. Vgl. Inkunabelkatalog der StUB Frankfurt, Nr. 692; Inkunabelkatalog der BSB München, Bd. 1, B-798. Vgl. GW 4993; Claes 1977, Nr. 107; Hänger 1972, S. 66 (24). Grundlage der Beschreibung bilden die Exemplare der StUB Frankfurt (Inc. oct. 346) und der BSB München (4 Inc. c. a.

36

II. Überlieferung der Textzeugen

II. 2. 8. Leipzig, Konrad Kachelofen (1491) Konrad Kachelofen (um 1450-1529) stammt aus Varsberg bei Metz und kam 1476 nach Leipzig. 47 Der Druck des Vocabularius rerum erfolgte auf 50 Blättern in Quartformat, die einspaltig zu 40 Zeilen gedruckt sind, nur Blatt 6v und 7 sind zweispaltig. Nach dem Titelblatt mit dem Aufdruck Vocabularius rerum folgt der Vokabulartext. Die Abfolge der Kapitel 15 bis 24 liegt in veränderter Form vor. Am Ende des Vokabulars steht auf Blatt 49r das Kolophon Impressum Liptzckper Conradum Kachelouenn. Anno domini m°cccc°lxxxxi°. Tercia feria post assumptionis marie virginis gloriose. Deo gratias. [16. August 1491]. Die Ausgabe endet auf Blatt 49v und 50r mit dem Inhaltsverzeichnis. Exemplare (18): Deutschland (9): [Berlin SB: Kriegsverlust]; Bremen StB; Detmold Lippische LB: an Incun Ph. 132. 4°; Freiburg UB: Ink. D 4641, bo; Gotha Forschungsund LB; Leipzig UB; Magdeburg Dominikaner Gymnasium; München UB: 4° Inc. lat. 23: 1; Stuttgart Württembergische LB: Inc. qt. 1498 (HB); Wolfenbüttel HAB: 164 Quodl. (5) / Italien (1): Rom Biblioteca Vaticana: Inc. IV 470, int. 2° / Polen (3): Breslau (2) UB: XV. Q. 200; XV. Q. 1147; Liegnitz StB / Tschechische Republik (3): 01mütz (2) UB: 48855; 60750; Prag UB / USA (2): Cleveland Public L.; Palo Alto, California Stanford University L.48

II. 2. 9. Augsburg, Johann Schönsperger (1495) Über Herkunft und Ausbildung von Johann Schönsperger d. Ä. (gest. 1520) ist nichts bekannt. Als erstem Drucker wurde Schönsperger 1508 öffentliche Anerkennung zuteil, als Kaiser Maximilian I. ihn zum Hofbuchdrucker ernannte. 49 Bei der Auflage des Vocabularius rerum von Johann Schönsperger handelt es sich um einen fast seitengenauen Nachdruck der Ausgaben von Prüss (1489) und Husner (1491, 1495).50 Schönspergers Druck beginnt mit einem Titelblatt, auf dem unter der Aufschrift Vocabularius rerum ein Holzschnitt abgebildet ist (Bild 3). 51 Der Text ist auf 55 Blättern in Quartformat einspaltig angelegt, nur Blatt 7 und 8 sind zweispaltig. Am Ende des Vokabulars steht auf Blatt 54v das Kolophon Inpressum Auguste per Johannem schönsperger

47 48

49 50 51

1191m). Vgl. Inkunabelkatalog der StUB Frankfurt, Nr. 693; Inkunabelkatalog der BSB München, Bd. l , B - 7 9 9 . Vgl. Geldner 1968, S. 240-244, 286. Vgl. GW 4992; Claes 1977, Nr. 89. Der Beschreibung liegt das Exemplar der WLB Stuttgart (Inc. qt. 1498 HB) zugrunde. Vgl. Inkunabelkatalog deutscher Bibliotheken - INKA, Interimsnr. 1167. Vgl. Geldner 1968, S. 146 f.; Steinberg 1988, S. 42; 58; Künast 1997, S. 55 f., 76 f., 91 ff., 96 ff., 120, 222, Graphik 78-81. Vgl. Kapitel II. 2. 6 und II. 2. 7. Zum Holzschnitt als Buchschmuck vgl. Geldner 1978, S. 77 ff.

II. 2. Drucke

37

Anno .M.cccc.xcv. In vigilia vigilie finitfeliciter [23. Dezember 1495]. Danach folgt auf Blatt 55 das Inhaltsverzeichnis. Exemplare (30): Deutschland (13): Augsburg SStB: 4° Ink 460; [Berlin SB: Kriegsverlust]; Darmstadt Hessische LB: nur Titelblatt; Freiburg UB: Ink. D 4641, ca; Leipzig UB; Mainz StB; München (6) SB: 4° Inc. c. a. 1191; 4° Inc. c. a. 1 1 9 Γ unvollständig; 4° Inc. s. a. 1253 a /l; 4° Inc. c. a. 152272 unvollständig; Res. 4° A. lat. b. 39/1; UB: 4° Inc. lat. 375: 2; Regensburg KrB; Überlingen Leopold-Sophien-Bibliothek: Ca 158 / Österreich (4): Innsbruck UB; Klosterneuburg StiB; Salzburg Erzabtei St. Peter; Wien Österreichische N B / Schweiz (2): Solothurn ZB: Rar 156; Zürich ZB: V Κ 401 / England (1): London BM: IA 6351 / Italien (2): R o m Biblioteca Angelica; Triest StB / Frankreich (1): Paris NB: Res X 1319 / Schweden (1): Stockholm K B / Polen (1): Breslau UB: XV. Q. 195 / Tschechische Republik (2): Brno UB: Mk Ρ 186; Olmütz UB / Ungarn (1): Budapest NB: 1173 1 / USA (2): Boston Medical L.; San Marino, California Henry E. Huntington L. 52

Bild 3: Titelblatt des Vocabularius rerum, Augsburg 1495 (Johann Schönsperger)

52

Vgl. GW 4994; Claes 1977, Nr. 108; Hänger 1972, S. 66 (25-26). Grundlage der Beschreibung bildet ein Exemplar der BSB München (4 Inc. c. a. 1191). Vgl. Inkunabelkatalog der BSB München, Bd. 1, B-800.

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II. Überlieferung der Textzeugen

II. 2. 10. Straßburg, Martin Flach (1512) Martin Flach d. J. (gest. 1539)53 druckte 1512 in Straßburg die letzte Auflage des Vocabularius rerum auf 54 Blättern in Quartformat einspaltig zu 37 Zeilen. Die Ausgabe beginnt mit einem Titelblatt, auf dem unter dem Aufdruck Vocabularius rerum das Signet von Martin Flach d. J. abgebildet ist (Bild 4). Danach folgt das Inhaltsverzeichnis und der Vokabulartext. Die Kapitelreihenfolge ist wie in den Speyrer Ausgaben von Konrad Hist (1496, 1501, 1509) unverändert. Am Schluß des Bandes steht auf Blatt 54r das Kolophon: Impressum Argentine per Martinum Flach. Anno domini.M.d.xij Laus deo. Exemplare (15): Deutschland (10): Augsburg (2) SStB: 4° Spw 462; 4 Alt 325/3; Berlin SB: Wb 340; Frankfurt StUB: Flugschr. G. Fr. 1399, vorher X 105; Gießen UB: Ink. C 2051; Mainz StB: Ink. 165; München (3) SB: 4° L. lat. 64 f; 4° L. lat. 64 g; UB: 4° Philol. 333; Ulm StB: 2 in: Kt 4900 / England (1): London BM: 12934 C 2 / Frankreich (2): Straßburg (2) N U B : R 101.599; StB: C 1609 / Polen (1): Breslau UB: App. phil. V Qu 32 / USA (1): Philadelphia University of Pennsylvania. 5 4

Bild 4: Titelblatt des Vocabularius rerum, Straßburg 1512 (Martin Flach)

53 54

Vgl. Geldner 1968, S. 80. Vgl. Claes 1977, Nr. 210; VD 16, Β 6886. Grundlage der Beschreibung bilden die Exemplare der StUB Frankfiirt (Flugschr. G. Fr. 1399) und der Β SB München (4 L. lat. 64f).

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums Wenzeslaus Brack stellte für seine Schüler an der Konstanzer Domschule ein umfangreiches Kompendium zusammen, das aus einem lexikographischen und einem nichtlexikographischen Teil besteht. Der lexikographische Teil umfaßt drei lateinisch-deutsche Vokabularien, den nach Sachgruppen geordneten Vocabularius rerum, ein Exzerpt aus dem X. Buch De vocabulis der Etymologiae Isidors von Sevilla mit volkssprachigen Übersetzungen, das hier als IsidorVokabular bezeichnet wird, und ein Verbvokabular. Der nichtlexikographische Teil enthält eine von Brack verfaßte lateinische Brieflehre mit dem Titel Tractatus de modo epistolandi und das Didascalicon des Hugo von St. Viktor.1 In den folgenden Abschnitten werden die drei zweisprachigen Vokabularien hinsichtlich ihres Aufbaus, Inhalts, ihrer Übersetzungen und Quellen sowie der sprachlichen Besonderheiten des volkssprachigen Wortschatzes untersucht.

III. 1. Aufbau und Inhalt der Vokabularien III. 1.1. Struktur der Vokabularien Das Kompendium beginnt nach dem Inhaltsverzeichnis mit einer lateinischen Einleitung, in der sich Wenzeslaus Brack in Form eines Briefes an seine Schüler wendet: Wenceslaus Brack arcis professor et examinator in Constantia suis scolipetis salutem plurimam dicit. Brack schreibt weiter, daß er sich vorgenommen habe, den Wünschen seiner Schüler nachzukommen, ihrer Ausbildung nützlich zu sein und ihnen das schulische Rüstzeug zu liefern, das ihnen fehle. Brack übt Kritik an der Lehrmethode seiner Vorgänger, die er für unangemessen hält.2 Brack fügt hinzu, daß er nichts Neues habe veröffentlichen können, seine Schüler nicht überfordern möchte, und daß er diese Vokabellisten mit maßvollen Zusätzen für den kindlichen Lernfortschritt niedergeschrieben habe.3

1 2

3

Vgl. Kapitel IV. In diesem Zusammenhang erwähnt Brack die Vorschriften eines Severinus (seuerini decrees), der weder unter den Konstanzer Domschullehrern in Kramml 1988, noch in Müllers Sammlung vor- und frühreformatorischer Schulordnungen genannt wird (vgl. Müller 1885). Vgl. Edition, S. 186.

40

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Der Vocabularius rerum ist das erste und umfangreichste der drei Vokabularien in Wenzeslaus Bracks Kompendium. Es umfaßt über 3700 lateinische Stichwörter, die thematisch nach Sachgebieten geordnet und in 105 Kapitel eingeteilt sind. Die Anzahl der Stichwörter pro Kapitel variiert erheblich und reicht von zwei in Kapitel 9 De ebdomoda bis 336 in Kapitel 15 De integralibus et corporalibus partibus hominis. Die 105 Kapitel lassen sich zusammenfassend folgenden Themenbereichen zuordnen: Astronomie [1] - Theologie [25] - Zeitrechnung und Meteorologie [6-12] - Mensch [13-17] - Verwandtschaft, Schwägerschaft, Heirat [18-23] - Stadt und Land, Knechtschaft und Dienstbarkeit [24] - Krieg [25] - Kleidung und Schmuck [26-30] - Bettzeug [31] - Schiffahrt [32-33] - Private, religiöse und öffentliche Gebäude, Grabformen [34-37] - Landschaftsformen [38-41] - Maße, Gewichte, Münzwerte [4244] - Speisen und Getränke [45-46] - Hausrat [47-53] - Wagen [54] - Geistliche Personen und Religion [55-57] - Wissenschaft und Zauberei [58-60] Landwirtschaft [61-68] - Handwerksberufe: Schreiber, Schmied, Zimmermann, Maurer [69-73] - Kirche [74-77] - Musik und Spiele [78-79] - Folterinstrumente [80] - Berufe: Jäger, Müller, Bäcker, Fleischer, Schuhmacher, Kauftnann, Barbier, Bader, Richter, Arzt, Winzer [81-91] - Zoologie [92-100] - Botanik [101-104] - Mineralogie [105]. Eine Besonderheit bilden Kapitel 19 bis 22 De patruis, De amitis, De auunculis, De materteris, die Merksprüche zu Verwandtschaftsbezeichnungen aus Isidors Etymologiae enthalten,4 sowie Kapitel 99 und 100 De volucrum vocali proprietate, De quadrupedum vocaliproprietate, in denen in Form einfacher Sätze zunächst den Vögeln, dann weiteren Tieren, aber auch dem Menschen, Wein und Bier jeweils Laute zugeschrieben werden, und die wohl dem Erlernen einfacher Verbformen dienen, z.B. Gallus cucurrit. (99.12), Homo ridet et loquitur. (100.01), Vinum biblit. (100.33). Beide Kapitel sind mit den Tierstimmenlisten in den Carmina Burana und Kapitel 99 auch mit dem sogenannten Pseudo-Isidor zu vergleichen.5 Mit dieser Zusammenstellung in den 105 Kapiteln ermöglicht Wenzeslaus Brack einen Einblick in Sachkultur und Lebensformen des 15. Jahrhunderts. Er bietet ein abgerundetes Bild der mittelalterlichen Lebenswelt, das nicht nur den Alltagsbereich behandelt sondern auch Fachgebiete einschließt. Das zweite Vokabular in Wenzeslaus Bracks Kompendium trägt den Titel Ethimologie nominum quorundam et est liber decimus isidori in ethimologijs ordine alphabeti und enthält ein Exzerpt aus dem X. Buch De vocabulis der

4 5

Vgl. Isidor: Etymologiae IX, 6, 24-27 und Kapitel III. 3 . 3 . 1 . Vgl. Fischer/Kuhn/Bernt 1974, Nr. 132; Migne 1850, Sp. 758, Appendix XVII. Auflistungen von Tierstimmen finden sich z.B. auch bei Hugutio von Pisa, Osbern von Gloucester sowie im Speculum grammaticae von Hugo und Konrad Spechtshart aus Reutlingen (vgl. Klein 2000, S. 128). Tierstimmenlisten sind auch im Summarium Heinrici enthalten, vgl. Kapitel III. 3. 1.

III. 1. Aufbau und Inhalt der Vokabularien

41

Etymologiae Isidors von Sevilla.6 Der Auszug ist entsprechend Isidors X. Buch, das in seinem sonst sachlich geordneten Gesamtwerk eine Ausnahme darstellt, alphabetisch nach dem ersten Buchstaben geordnet. Brack hat das exzerpierte Wortmaterial zu einem lateinisch-deutschen Vokabular umgearbeitet, das etwa 570 Stichwörter umfaßt, von denen etwa 80 nicht aus Isidors X. Buch stammen, sondern wohl von Brack hinzugefugt wurden. Die alphabetische Ordnung des Isidor-Vokabulars wird an vier Stellen unterbrochen: im Buchstaben Α durch Lunaticus (IA.39), das mit dem vorausgehenden Stichwort Astrosus (IA.38; X, 13) durch Bedeutungsähnlichkeit verbunden ist,7 im Buchstaben C durch Solatium (IC. 12), das als Nomen actionis zu Consolator (IC.ll; X, 38) gestellt wurde, im Buchstaben F durch Confederates, Confqderator (IF. 15), die als Nomina agentis mit dem Stichwort Fqdus (IF. 14; X, 100) verbunden sind, sowie im Buchstaben Ρ durch Opimus (IP. 17), das zu dem nachfolgenden Lemma Preopimus (IP. 18; X, 218) ergänzt wurde. Der Wortschatz des Isidor-Vokabulars enthält vor allem menschliche Eigenschafts- und Personenbezeichnungen. Der dritte lexikographische Abschnitt des Kompendiums trägt den Titel De verbis paruula positio ob tabule paruitatem und ergänzt die beiden ersten Vokabularien, die überwiegend Nomina enthalten, um ein Verbvokabular. Das Verbar umfaßt etwa 750 lateinische Stichwörter, die aus dem Verbteil des Vocabularius brevilogus exzerpiert wurden.8 Die Lemmata sind entsprechend ihrer Quelle bis auf wenige Ausnahmen strikt alphabetisch angeordnet. Das Alphabet wird im Verbvokabular an etwa 20 Stellen unterbrochen, weil entweder die Reihenfolge der Lemmata des Brevilogus geringfügig vertauscht, Sublemmata der Vorlage als Lemmata übernommen oder zusätzliche Stichwörter eingefügt wurden. Als Stichwörter übernommene Sublemmata sind z.B. Comedo zu Edo (VE.05, VE.04; 271rb), Refocillo zu Focillo (VF.44, VF.43; 276vb), Inhonesto, Dehonesto zu Honesto (VH.15-VH.17; 280rb) und Peyero zu Deiero (VD.16, VD.15; 257va).9 Zu den neu hinzugekommenen Lemmata zählen z.B. Exuo zu Induo (VI.30, VI.29; 282ra) sowie Philipendo, Vilipendo, Nichilipendo, Magnipendo, Paruipendo und Perpendo zu Floccipendo (VF.36VF.42; 276va). Die Verben in diesem Vokabular thematisieren überwiegend Tätigkeiten des Menschen.

6 7 8 9

Vgl. Kapitel III. 3. 3. 1. Lunaticus steht bei Isidor unter dem Buchstaben C (X, 61). Etwa 20 Lemmata stammen nicht aus dem Brevilogus. Dem Vergleich liegt der 1480 von Johann Amerbach gedruckte Vocabularius brevilogus zugrunde. Vgl. Kapitel III. Weitere als Lemmata übernommene Sublemmata sind: Defeco zu Feco (VF.18, 275rb), Refuto zu Futo (VF.70, VF.69; 278rb), Vorare zu Gurgito (VG.24, VG.23; Exheredo zu Heredo (VH.06, VH.05; 280rb) und Insinuo zu Sinuo (VS. 17, VS. 16; Vgl. auch Kapitel ΠΙ. 3. 1. 2.

in Basel 3. 1.2. VF.17; 279va), 307vb).

42

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Der lateinische Stichwortbestand des Vocabularius rerum10 weist hinsichtlich seiner Wortarten nicht ausschließlich Substantive auf, sondern auch etwa 100 Adjektive, mehr als 50 Verben sowie einige Adverbien und Partizipien. Über 20 Adjektive finden sich z.B. in Kapitel 15 De integralibus et corporalibus partibus hominis.11 Verben treten vermehrt, teilweise in festen Wendungen, z.B. am Ende des 25. Kapitels Militie et belli vocabula auf.12 Eine Anzahl Adverbien weist Kapitel 7 De die et eius partibus auf,13 die meisten erhalten jedoch keine deutsche Übersetzung. Einige Partizipien finden sich in Kapitel 45 De escis sowie vereinzelt über das gesamte Vokabular verteilt.14 Der Stichwortbestand des Isidor-Vokabulars umfaßt knapp 60 Prozent Adjektive, etwa 37 Prozent Substantive sowie einige Partizipien, Verben und Adverbien. Die Stichwörter des Verbvokabulars sind nahezu ausschließlich Verben, hinzu kommen gut 20 Substantive, zwei Adjektive und ein Adverb sowohl als Lemmata als auch als Sublemmata. Diese stehen in grammatischer Verbindung zu Verben des Vokabulars, 15 z.B. die Substantive Epilogus zu Epiloge (VE.25, VE.24; 272rb), Iactantia zu Iacto (VI.06, VI.05; 280va), Omen zu Ominor (V0.20, VO.19; 292vb), die Adjektive auidus zu Aueo (VA.76, VA.75; 258ra), Liuidus zu Liueo (VL.32, VL.31; 286vb) und das Adverb Liquide zu Liquor (VL.29, VL.30; 286vb). Die meisten Verweise, sowohl auf Kapitel als auch auf einzelne Stichwörter, finden sich innerhalb des Vocabularius rerum,16 z.B. am Ende von Kapitel 82 De molitore et pistore auf Kapitel 45 De escis und innerhalb von Kapitel 93 De pecudibus in specie auf Abschnitt 68 De equis et eorum ornamentis,17 Auf mehrfach im Vokabular vorkommende lateinische Stichwörter, meist mit ver-

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13 14 15 16 17

Zum volkssprachigen Wortschatz vgl. Kapitel III. 2, III. 4 und III. 5. Vgl. Acephas (15.05), Caluus (15.25), Monoculus (15.41), Ephebus (15.98), Macer (15.162), Macillentus (15.164), Crassus (15.165), Corpulentus (15.167), Paraliticus (15.293), Epilenticus (15.300), Idropicus (15.305), Leprosus (15.312), Pruriginosus, Scabiosus, Phanaticus (15.320-15.322), Lentiginosus, Cecus, Surdus, Mutus, Edentulus, Mancus, Claudus (15.32615.332), Contractus (15.334). Vgl. Castrametari (25.98), Circumuallare (25.99), Oppugnare (25.100), Funditus euertere (25.101), Funditus eradicare (25.102), Dirimere bellum (25.103), Dare treugas (25.104), Emittere treugas (25.105), Indicere bellum (25.106), Temptare bellum (25.107), Luctari (25.108). Vgl. Mane (7.01), Sero velserum (7.04), Hodie (7.05), Cras (7.06), Hesternum (7.07), Pridie (7.08), Postridie (7.09), Perendie (7.10). Vgl. z.B. Coctum (45.52), Assum (45.53), Elixum (45.54), Frixum (45.55), Salsum (45.56), Opiperatum (45.57), Muratus (73.09). Zu Übernahmen von Sublemmata aus dem Vocabularius brevilogus vgl. Kapitel III. 3. 1.2. Entsprechende Hinweise finden sich jeweils in den Anmerkungen der Edition. Der Verweis erfolgt nach 93.57. Weitere Kapitelverweise finden sich zu Beginn von Kapitel 74 De hijs que in ecclesia fiunt auf Kapitel 35 De edificijs sacris und auf Kapitel 36 De sepulcris, in Kapitel 83 De carnifice auf Kapitel 45 De escis und auf Kapitel 15 De integralibus et corporalibus partibus hominis sowie in den Artikeln zu den Stichwörtern Plica (84.24) und Instita (85.06), die auf Kapitel 27 De vestimentorum nominibus hinweisen.

III. 1. Aufbau und Inhalt der Vokabularien

43

schiedenen Bedeutungen, gibt es sowohl Vor- als auch Rückverweise, die in den Wortartikeln häufig durch infra bzw. supra signalisiert werden, z.B. Cicuta. [...] Et cicuta pro alio significato vide infra capitulo de herbis (64.23 auf 103.28), Funda. [...] Et supra de instrumentis belli (81.14 auf 25.30). 18 Es erhalten aber nicht alle doppelt im Vokabular vorkommenden Lemmata einen entsprechenden Verweis, z.B. Casula (28.01, 34.04) oder Griphes (93.71, 98.20). Im Isidor-Vokabular wird innerhalb des lateinischen Interpretaments zu Questor (IQ.01) auf dasselbe Stichwort im Kapitel Ciuium et populi et vocabula seniorum des Vocabularius rerum verwiesen (24.26). Ein Verweis auf den vierten Abschnitt des Kompendiums findet sich im Verbvokabular unter dem Stichwort Haurio (VH.02), der sich auf eine Stelle im Briefsteller bezieht, an der die unterschiedlichen Bedeutungen dieses lateinischen Verbs erläutert werden. 19 Durch den Verweis über die Vokabularien hinaus auf den Briefsteller, der nicht nur Wörter sondern auch Phrasen und Texte behandelt, wird die Zusammengehörigkeit der einzelnen Abschnitte des Kompendiums betont.

III. 1. 2. Struktur der Wortartikel Die Wortartikel in Bracks Vokabularien beginnen mit einem lateinischen Stichwort, dann folgt ein volkssprachiges Interpretament und bzw. oder eine lateinische Erklärung. In einigen Artikeln steht die deutsche Übersetzung nach einer lateinischen Erläuterung. 20 Das lateinische Interpretament besteht in der Regel aus sprachlichen und etymologischen Erklärungen sowie aus Synonymen.21 Mitunter finden sich auch enzyklopädische Erläuterungen, die zum Teil sehr umfangreich ausfallen können, wie z.B. in den Artikeln Spera (1.06), Circuli cqli (1.17), Appologeticus (59.20) oder Leo (93.61). Die meisten und ausfuhrlichsten sprachlichen und sachlichen Worterklärungen gibt es im Vocabularius rerum. Im Isidor-Vokabular finden sich weniger lateinische Erläuterungen, die insgesamt kürzer ausfallen, z.B. bei Auarus (IA.29), Calamitas (IC.51), Nepos (IN.l 1). Im Verbvokabular bestehen die Wortartikel in der Regel aus lateinisch-deutschen Wortgleichungen, während die lateinischen Interpretamente mit wenigen Ausnahmen, z.B. lanto (VI.04), sehr knapp gehalten 18

Weitere Stichwortverweise sind Thorus (15.95 auf 31.01, 53.02), Villa (37.04 auf24.56), Municipium (37.10 auf 24.38, 24.39), Fornix (37.58 auf 34.42), Fauces (39.11 auf 37.27 Faux), Caro (45.50 auf 15.168), Scansile (53.16 auf 26.38, 68.24), Sypho (70.33 auf 15.223), Carpentum (72.04 auf 54.08, 54.10), Calculus (79.24 auf 15.315, 42.07, 79.06), Venabuli (81.06 auf 25.44 Venabulum), Lustrum (81.28 auf 39.13), Toga (86.23 auf 27.13, 27.41), Canis (93.48 auf 81.04 Venaticus, 81.05 Mollosus), Flagella (101.31 auf 91.15), Populus (102.108 auf 102.47). 19 Vgl. fol. 47ra in der Baseler Erstausgabe. 20 Vgl. Kapitel III. 2. 1. 21 Zu lateinischen Etymologien vgl. Klinck 1970.

44

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

sind. Manchmal bezieht sich ein lateinischer Text, der dann häufig mit Differunt tarnen beginnt, auf mehrere Stichwörter, die die gleiche Übersetzung erhalten haben, und deren Bedeutungsunterschied in dem erläuternden Text aufgezeigt wird, z.B. Celum, Firmamentum, Polus, Olimpus, Aether (1.011.05), Cesaries, Crinis, Coma, Pilus (15.15-15.18), Sepulcrum, Monumentum, Tumulus, Sarcofagus, Mausoleum, Piramis (36.01-36.06). Die lateinischen Interpretamente enthalten manchmal Zitate lateinischer Schriftsteller, vornehmlich von Vergil und Terenz, aber auch Verweise auf andere Autoren. 22 Grammatisch-morphologische Informationen werden nur zu verhältnismäßig wenigen Stichwörtern gegeben und sind in die Wortartikel integriert, anders als z.B. beim Vocabularius Ex quo oder den Druckauflagen des Vocabularius optimus, in denen jedem Stichwort in Form von Siglen Angaben zu Wortart und Flexionsklasse vorangestellt sind.23 Im Vocabularius rerum gibt Wenzeslaus Brack zu etwa 90 als Lemmata im Nominativ angesetzten Substantiven den zugehörigen Genitiv bzw. die Genitivendung an. Dies geschieht beispielsweise, wenn zwei Substantive im Nominativ gleich geschrieben werden und erst durch die Angabe einer flektierten Form die eindeutige Bestimmung der Wortbedeutung möglich wird, z.B. Frons. tis ,Stirn' (15.28) und Frons. dis ,Laub' (101.20), Os. oris ,Mund' (15.68) und Os. ossis ,Knochen' (15.173), Gl is. glitis ,Lehm' (38.12) und Glis. gliris .Siebenschläfer' (94.04), wenn Substantive im Nominativ auf -a bzw. -us enden, aber nicht zur a- bzw. o-Deklination gehören, sondern nach der konsonantischen Deklination flektiert werden, z.B. Prothoplasma. tis (13.12), Perisoma. tis (86.20), Vlcus. eris (16.11), Olus. eris (104.02), Tergus. oris (15.180). Die Angabe des Genitivs kann aber auch im lateinischen erläuternden Text stehen, z.B. Iter. weg. antiqui dixerunt itiner. ideo mansit genitiuus itineris (41.01), Acer, maßhalter. et tunc habet aceris in genitiuo (102.63). Bei Substantiven der u-Deklination gibt Brack statt des Genitivs, der hinsichtlich der Schreibung mit dem Nominativ übereinstimmt, die Endung des Dativs an, z.B. Singultus, tui (15.306), Tribus. bui (24.11), Cestus. tui (25.60). Im Isidor-Vokabular und Verbar erhalten nur zwei bzw. sechs Substantive die Angabe der Genitivendung. 24 Weitere grammatische Informationen zu den Substantiven sind in den lateinischen Interpretamenten enthalten und beziehen sich auf Numerus, Genus sowie Deklinationsklassen. Angaben zum Numerus verweisen meist auf die Verwendung oder erläutern die Bedeutung der Wörter im Plural, z.B. Epiger et melius pluraliter epigri (34.70), Cruces in plurali id est meretrices quia nos cruciant

22 23 24

Vgl. Kapitel III. 3. 2. und III. 3. 3. Zum Siglensystem vgl. Vocabularius Ex quo, Bd. I, S. 237 ff.; Bremer 1990, Bd. I, S. 74. Diese Substantive sind Fqdus. deris (IF. 14), Satelles, itis (IS.40), Indusiamen. minis (VI.32), Nundine. arum (VN. 17), Omen, minis (V0.20), Opitulamen. minis (V0.23), Scenofactor. oris (VS.05), Squalor, oris (VS.28).

III. 1. Aufbau und Inhalt der Vokabularien

45

(IC.32). 25 Die Nennung des Genus oder der Deklinationsklasse erfolgt bei Feminina auf -us, beispielsweise bei den Baumnamen, 26 z.B. Malus, feminini generis (102.24), Ficus. ci. feminini generis, secunde declinationis pro arbore (102.122). Andererseits werden Informationen zum Genus bei Substantiven mit der Endung -a gegeben, die sowohl männliche als auch weibliche Personen bezeichnen können, z.B. Verna. [...] communis generis (24.80), Scriba. [...] communis est generis (69.02), Collega. [...] et est generis communis (IC.33). 27 Hinsichtlich der Deklination wird neben der Angabe der Deklinationsklasse bei Tapete, tercie declinationis (27.44) oder Opera, prime declinatione (I0.14) auch auf den defizienten Formenbestand auftnerksam gemacht, z.B. Pondo. indeclinabile (42.01), Ador. [...] Et est nomen indeclinabile (64.08). 28 Bei einigen Substantiven wird darauf hingewiesen, daß es sich um ein Diminutivum handelt, z.B. Manticulus. diminutiuum (27.05). 29 Etwa 20 Adjektive erhalten im Vocabularius rerum zusätzlich zur maskulinen Form die Angabe der femininen und neutralen Endung, z.B. Caluus. a. um (15.25), Macer. a. um (15.162). Im Isidor-Vokabular, das überwiegend Adjektive enthält, wird nur zweimal die feminine und neutrale Endung zusätzlich zur maskulinen Form angegeben, wobei diese Information in einem Artikel im lateinischen Interpretament steht: Brutus, vnuernüfftig. quia sensu quo caret obrutus. Et hic brutus a. um (IB.07), Caducus a. um (IC.50). Im Vocabularius rerum werden die Komparationsformen von Adjektiven zweimal, im IsidorVokabular dreimal direkt nach dem Lemma und zweimal im erläuternden Text angegeben, z.B. Humanus. ior. issimus (13.08), Ferus. ior. issimus (93.58), Amens. [...] et comparabile est. amens. ior. issimus (IA.54). 30 Die Wortart des lateinischen Lemmas wird nur bei einigen Adverbien genannt, z.B. Nudius. aduerbium indeterminati temporis signißcatiuum (7.11), Viritim. aduerbium (13.17), Macte. aduerbium (IM.03). 31

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28 29 30 31

Weitere Angaben zum Numerus finden sich in den Artikeln Vber (15.155), Exta (15.278), Proceres (24.27, 34.67), Primores (24.28), Fori (32.08), Fores (34.13), Scala (34.24), Antes (34.68), Locus (39.01), Primicie (64.04), Litere (69.16), Ceremonie (74.14), Pecu (92.06), Inficie (11.67). Zum Genuswechsel der Baum- und Fruchtbezeichnungen in nachklassischer Zeit vgl. Lausberg 1962, § 601. Angaben zum Genus werden außerdem in folgenden Artikeln gemacht: Cenobita (35.23), Ambubaya (86.17), Formacopula (90.19), Celeuma (33.35), Metadus (41.09), Sementis (62.14), Cingula (68.22), Scrobes (91.27), Arbuslum (101.03), Internecida (11.64), Parricida (IP.51), Nuncium (IN.08). Weitere Substantive, die Angaben zum defizienten Formenbestand erhalten, sind Ador (64.08), Pecu (92.06), und Virus (95.35). Die Angabe, daß ein Diminutiv vorliegt, enthalten auch die Artikel Homunculus (13.04), Parunculus (33.17), Tigillum (34.64), Esculentum (45.08), Asciculus (73.20). Weitere Wortartikel sind Equus (IA.20), Secundus (IS.41), Venustus (IV.10), Argutus (LA.13). Angaben zur Wortart enthalten außerdem die Artikel Humanitus. humaniter (13.09) und Concinne. concinniter (78.15).

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Verben stehen im Vocabularius rerum meist im Infinitiv, aber auch der Ansatz der finiten Form (1. Pers. Sg. Ind. Präs.) kommt vor. Nur einmal steht das Verb in der 3. Pers. Sg. Ind. Präs. (mucrescit 45.27). Zusätzlich zur 1. Pers. Sg. Ind. Präs. erhalten sieben Verben die Angabe der Endung der 2. Pers. Sg. Ind. Präs. sowie weitere acht dazu noch die Endung des Infinitivs, z.B. Cudo. dis. dere (70.14), Dolo. as. are (72.10), Tinnio. is. ire (78.52).32 Im IsidorVokabular erhalten zwei der vier dort vorkommenden Verben zusätzlich zur 1. Pers. Sg. Ind. Präs. die Angabe der 2. Pers. Sg. Ind. Präs.: Inficior aris (11.66), Pelliceo es (IP.06). Teilweise werden innerhalb der lateinischen Interpretamente zu Adjektiven Flexive von Verben angegeben, z.B. Auidus. [...] ab aueo es (IA.28), Sanctus. [...] a sanctio is (IS.04). Im Verbvokabular stehen Verben in der 1. Pers. Sg. Ind. Präs. und nur dreimal im Infinitiv: Vorare (VG.24), Implorare (VI.21), Epilogare (VE.26), wobei die 1. Pers. Sg. Ind. Präs. des letztgenannten Verbs durch Epilogo (VE.24) bereits aufgelistet wurde. Am häufigsten wird entsprechend der Quelle dieses Vokabulars, dem Vocabularius brevilogus, das Flexiv der 2. Pers. Sg. Ind. Präs. angegeben, z.B. Abdico. as (VA.03), Fameo. es (VF.05), Mando. is (VM.07).33 Knapp 70mal wird hierzu noch die Endung des Infinitivs hinzugefugt, z.B. Cambio. is. ire (VC. 10), Erudio. is. ere (VE.31), Limito. as. are (VL.23). Etwa 110 Verben erhalten weder ein Flexiv noch die Infinitivendung. Die lateinischen Verben in finiter Form werden mit einem volkssprachigen Infinitiv übersetzt. Weitere grammatische Informationen im lateinischen Interpretament beziehen sich auf das Genus des Verbs, Deponentien und unpersönliche Ausdrücke, z.B. Cluo. is [...] actiuum est (VC.36), Queror. deponens (VQ.03), Abdecet. [...] Impersonale est (VA.06). Aus dem Griechischen ins Lateinische übernommene Wörter werden häufig Wort-fur-Wort lateinisch umgesetzt, z.B. Epiphania. [...] ab epi id est supra et phanes id est apparitio (76.06), Abba, grece. pater latine (IA.01), Ortodoxus. [...] ortos enim grece rectum latine. et doxus. id est gloria (IO.Ol).34 Persönliche Anmerkungen leitet Brack meist durch ego ein, z.B.

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Die Angabe der 1. und 2. Pers. Sg. Ind. Präs. erfolgt bei Ningo. gis (12.14), Ordior. iris (26.40), Venor. aris (81.01), Multo. as (82.02), Scarraxo. as (86.14), Spico. as (91.31), Balo. as (93.06). Zusätzlich die Angabe des Infinitivs erhalten Gemo. mis. ere (14.33), Titillo. las. lare (15.140), Geniculo. las. lare (15.230), Paniso. as. are (26.48) und Molo. is. ere (82.01). Zwei Verben erhalten die vollständige Form der 2. Pers. Sg. Ind. Präs.: Flo flas (VF.34) und No nas (VN.14). Vgl. auch Kapitel III. 3. 1. 2. Wörter griechischen Ursprungs werden z.B. auch in folgenden Artikeln lateinisch erläutert: Planeta (1.22), Dies (6.05), Antropos (13.02), Calonis (33.21), Epiger (34.70), Ecclesia (35.01), Analogium (35.19), Sarcofagus (36.04), Azismus (45.29), Potus (46.01), Calix (47.30), Metropolitanus (55.06), Ypodyacones (55.16), Abbas (56.07), Cathecuminus (57.08), Philosophus (58.01), Pallida (58.10), Elegia (59.12), Hystoria (59.18), Nigromanticus (60.02), Metallum (71.03), Amussis (73.17), Epistolare (75.05), Kyrieelyson (77.18), Holocaustum (77.29), Classicum (78.36), Archigenes (90.06), Antidotum (90.17), Leo (93.61),

III. 1. Aufbau und Inhalt der Vokabularien

47

Ruscus, rebenhand. Ego credo materiam pro materiato (91.30). 35 In manchen Artikeln versucht er, volkssprachige Wörter auf ähnlich klingende lateinische zurückfuhren, z.B. Bobino. [...] credo inde wlgare buob (VB.16). Einige Artikel enthalten Hinweise zur Orthographie der Stichwörter, z.B. C^lum. [...] et scribitur per dyptongon (70.25), Tus. [...] Et debet scribi sine aspiratione (102.15), Blasphemo. [...] etiam potuit scribi per ρ (VB.13). 36 In einem Artikel des Isidor-Vokabulars wird auf die im Mittellateinischen übliche Tilgung von s nach χ hingewiesen: Exors. [...] et abicitur s precedente χ (IE.13). Diese Schreibung findet sich nicht nur bei lat. exsors, sondern auch bei anderen Lemmata, so daß z.B. lat. exspes zu Expes (IE. 12) und lat. exsanguis zu Exanguis (IE.24) werden. Einen Hinweis auf die Kürze der vorletzten Silbe eines Substantivs enthält der Artikel Cirurgicus. penultima correpta (90.10). Im IsidorVokabular wird auf zwei unterschiedliche Betonungen eines Adjektivs, die jeweils eine andere Bedeutung implizieren, hingewiesen: Perfidus. [...] quasi perdens fidem. et hoc media curta (IP.46), Perfidus. media producta, valde fidelis perfecte fidelis (IP.47). In Bracks Vocabularius rerum finden sich nur vereinzelt Merkverse, z.B. am Ende von Kapitel 11 De anni partibus zu den vier Jahreszeiten Ver, Estus, Auttumnus, Hyems (nach 11.04), in Kapitel 15 zu Cor, Pulmo, Fei, Spien, Iecur (nach 15.266) und im 18. Kapitel zu Verwandtschaftsbezeichnungen (nach 18.38).37 Der Vocabularius rerum enthält somit deutlich weniger Merkverse als z.B. der Vocabularius optimus oder die Vokabularien von Fritsche Closener und Jakob Twinger von Königshofen. Der sachlich geordnete Vocabularius optimus weist etwa 60 Verse auf,38 während die alphabetischen Vokabularien von Closener und Twinger eine Fülle an Merkversen zu Grammatik, Etymologie und Prosodie enthalten, wobei die Anzahl der Verse mit jeder überarbeiteten Version stetig zunimmt. Während in Closeners Vokabular schon knapp 2000 Merkverse enthalten sind, umfaßt Twingers dritte Version schließlich 5000 Verse. 39 Der beträchtliche Unterschied zwischen der Anzahl der Merkverse in den sachlich geordneten gegenüber den alphabetischen Vokabularien liegt wohl darin, daß die sachliche Ordnung bereits einen mnemo-

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Pantera (93.63), Elephas (93.70), Apes (96.02), Cynomia (96.41), Olor (98.31), Ortogometra (98.86), Nictor (VN.09). Weitere Artikel, in denen Brack seine Ausführungen auf diese Art einleitet, sind: Tesca (62.09), Flagella (80.09), Auitella (81.19), Ambubaya (86.17), Humulus (102.143), Futuo (VF.71). Informationen zur Schreibung von Substantiven finden sich auch in den Wortartikeln Canabum, Canabis (26.05), Arena (73.13), Leo (93.61), Oestrum (96.38), Malumpunicum (102.31), Azger (LA.35), Znormis (IA.40), F^neror (VF.21). Weitere Merkverse stehen z.B. im Anschluß an die Artikel 13.14, 15.72, 25.52 und in den Kapiteln 19-22. Vgl. Pleuger 2000, S. 16; Vocabularius optimus, Bd. II. Vgl. Kirchert 1993, S. 122.

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

technischen Aspekt aufweist. Der Wortschatz der verschiedenen, in sich geschlossenen Sachbereiche kann leichter auswendig gelernt werden als der eines alphabetisch angeordneten Wörterbuchs. Insgesamt werden von Brack in den drei Vokabularien nur wenig grammatisch-morphologische Informationen zu den lateinischen Stichwörtern gegeben. Die Angabe der Wortart, von Flexions- und Komparativformen, Informationen zu Numerus und Genus, zu Besonderheiten bezüglich Schreibung und Aussprache finden sich nur sporadisch. Entsprechende Grundkenntnisse der lateinischen Sprache werden somit entweder vorausgesetzt oder mündlich im Schulunterricht vermittelt. Im Vocabularius rerum weisen einige Abschnitte zahlreiche etymologische und enzyklopädische Erklärungen auf, so daß dieses Vokabular hinsichtlich seines Artikelaufbaus eher zu den alphabetisch geordneten Wörterbüchern tendiert, fur die die Dominanz lateinischer Worterläuterungen charakteristisch ist.40

III. 2. Übersetzungstechnik III. 2. 1. Allgemeine Verfahrensweise In den drei Vokabularien weisen nicht alle lateinischen Stichwörter volkssprachige Interpretamente auf. Im Vocabularius rerum bleiben etwa 20 Prozent der Lemmata, im Isidor-Vokabular knapp 30 Prozent und im Verbvokabular etwa 23 Prozent unübersetzt.41 Bei diesen unverdeutschten, lateinisch erklärten Wörtern handelt es sich im Vocabularius rerum überwiegend um Namen und Bezeichnungen aus dem Bereich Theologie (Kapitel 2-5, 55-57, 77), Begriffe zur Zeiteinteilung (Kapitel 7, 8, 10), Heirat (Kapitel 23), Kriegsfuhrung (Kapitel 25), zu Gewichten (Kapitel 42), Wissenschaft und Zauberei (Kapitel 5860), Musikinstrumenten (Kapitel 78), zur Erbschaft (Kapitel 88) und um die Namen der Edelsteine (Kapitel 105). Weitere Stichwörter ohne volkssprachige Übersetzung finden sich zudem über das gesamte Sachvokabular verteilt. Im Isidor-Vokabular und im Verbar lassen sich die nicht übersetzten Wörter keiner spezifischen Sachgruppe zuordnen.

40 41

Vgl. Müller 2001, S. 305. Von den insgesamt etwa 3730 Lemmata des Vocabularius rerum erhalten ca. 725, von den etwa 570 Stichwörtern des Isidor-Vokabulars ca. 160 und von den etwa 750 Lemmata des Verbars erhalten ca. 170 keine volkssprachige Obersetzung. Im Unterschied dazu erhält im Uber ordinis rerum jedes Lemma ein deutsches Äquivalent (vgl. Schmitt 1983, Bd. I, S. XCVIII).

III. 2. Obersetzungstechnik

49

Das volkssprachige Interpretament steht in allen drei Vokabularien in der Regel unmittelbar nach dem lateinischen Lemma, es kann aber auch erst im Anschluß an ein lateinisches Interpretament stehen.42 Dann wird die volkssprachige Übersetzung manchmal durch die Indikatoren vulgo dicitur, vulgare, vulgo oder dicitur forte eingeleitet, z.B. Lacteus. [...] et vulgo dicitur der wisy weg (1.16), Napocaulis. [...] • wlgo kumpost (104.08).43 In den drei Vokabularien sind Wortartikel, in denen einem lateinischen Stichwort ein volkssprachiges Wort als Übersetzung zugeordnet wird, am häufigsten, z.B. mittag (Meridies 1.11), frölich (Alacris IA.16), schynen (Radio VR.02). Seltener wird ein lateinisches Lemma mit zwei deutschen Wörtern übersetzt, z.B. leder oder hautt (Pellis 15.151), fleyß vnd ler (Studium IS.02), syngen. frolocken (Iubilo VI.56).44 Mehrere deutsche Interpretamente sind meist durch oder bzw. und miteinander verbunden, einige Male auch mit vel, z.B. 12.21, 26.31. Nur wenige Stichwörter werden mit drei volkssprachigen Begriffen übersetzt, z.B. befestung oder bewaru(n)g od(er) ein were (Munitio 37.17), zornig, traurig vnd wunderlich (Bilosus IB.l 1), rechnen, zelen. schetzen (Taxo VT.03).45 Zwei Lemmata erhalten vier und ein Stichwort fünf Übersetzungen: [bischoff] eins gantzen landes oder balybischoff. [...] od(er) ein ertzbischoff oder ein fürst der bischoffen (Metropolitanus 55.06), schwer oder erlich. ernstlich, weyß (Grauis IG.03), bi(n)dfaden. harlaujf oder warffband vel kam vel weff (JLicium 26.31). Werden zwei aufeinanderfolgende lateinische Lemmata als Synonyme angesehen, steht nach der Übersetzung des ersten Stichworts beim folgenden idem, selten pro eodem (z.B. 34.83, 41.09, 64.26) und einmal ideo dicitur (70.20). Die deutschen Doppel- oder Mehrfachinterpretamente stellen jedoch meist keine Heteronyme in bezug auf fremde Sprachlandschaften dar, sondern geben Bedeutungsvarianten lateinischer Lemmata wieder. Bei einigen Doppelformen46 erfolgt die Angabe von Synonyma jedoch aufgrund landschaftlicher Wortschatzverschiedenheit im deutschen Sprachraum.47 Die Doppelformen dienen hier der Verständigung über die Grenzen der alemannischen bzw. oberdeutschen Großregion hinaus. So wird z.B. das oberdeutsche zunfft (Monopolion, Collegium, Zunjfta 24.43-24.45) durch den überregional verbreiteten Be-

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46 47

Die volkssprachige Übersetzung des Stichwortes steht im Vocabularius rerum knapp lOOmal, im Isidor-Vokabular etwa lOmal und im Verbar ca. 20mal nach einer lateinischen Erklärung. Weitere auf diese Weise eingeleitete Übersetzungen finden sich z.B. in den Artikeln Singultus (15.306), Toga (27.13), Ortogometra (98.86), Bobino (VB.16), Futuo (VF.71). Im Vocabularius rerum erhalten etwa 180 Lemmata, im Isidor-Vokabular knapp 40 und im Verbar etwa 50 Stichwörter zwei deutsche Übersetzungen. Weitere Lemmata mit drei deutschen Übersetzungen sind Ala (15.136), Neruus (15.172), Colonus (24.60), Fibula (30.08), Fultra (31.09), Cacabus (50.07), Cophinus, Corbis, Sporta (51.18-51.20), Dica (69.63), Dolo (72.10), Fomes (101.39), Anhelo (VA.50), Decerpo (VD.06), Fabulor (VF.01), Imprecor (VI.22), Limo (VL.22), Ringo (VR.28). Vgl. Besch 1993, bes. S. 32 f.; Kluge 1918, S. 97. Vgl. hierzu Kapitel III. 5.

50

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

griff samlung , Verband' ergänzt. Erst durch die Anwendung auf die Handwerkerverbände hat sich zunft im Mittel- und Niederdeutschen verbreitet und wurde dann in das Latein der Urkundensprachen als zunfta übernommen. 48 Dem hauptsächlich im Westoberdeutschen und angrenzenden Gebieten üblichen grusch ,Kleie' (Furfur, Siliqua 82.14, 82.15) wird das überlandschaftlich bekannte kleyen beigegeben. 49 Das vorwiegend im Westoberdeutschen und Teilen des Ostmitteldeutschen verbreitete Wort karst, das in Bracks Vokabular in der Variante karsch vorliegt (Liga 61.15), 50 wird durch das in den übrigen Sprachlandschaften bekannte haw ergänzt. Andererseits werden überregional verbreiteten deutschen Wörtern oberdeutsche Bezeichnungen hinzugefügt. So werden z.B. korb oder zayn (Cophinus, Corbis, Sporta 51.18-51.20) mit dem oberdeutschen kratt ,Korb' ergänzt,51 oder dem im gesamten deutschsprachigen Raum bekannten schlag ,Schlaganfall' (Tactus, Appoplexia 15.289, 15.290) wird guot, eine vor allem im Alemannischen für diese Krankheit verwendete Bezeichnung, beigegeben. 52 Besonderheiten weist Bracks Übersetzungswortschatz durch einige frühe Belege auf, die in den gängigen Wörterbüchern erst bei späteren Autoren dokumentiert sind. Dazu gehört brütgamßkamer als Übersetzung von lat. thalamus ,Brautgemach' (34.32), das im Frühneuhochdeutschen Wörterbuch erst für 1536 belegt ist, 5j trübelseniff als deutsche Entsprechung zu lat. fecida uva ,Weinsteinsalz' (46.35) wird im Deutschen Wörterbuch durch traubensenf erst für 1587 bei Fischart verzeichnet. 54 Hinzu kommt Bracks Übersetzung wynkundiger zu lat. abstemius ,Abstinenzler' (IA.33), womit ein sehr früher Beleg für kündigen in der Bedeutung auflcündigen vorliegt, das nach dem Deutschen Wörterbuch zuerst von Campe Anfang des 19. Jahrhunderts verzeichnet sein soll.55 Ein lateinisches Lemma wird von Brack manchmal mit einer deutschen Phrase übersetzt, z.B. ein frauenrock vnden mit samat verbrembt oder beschlagen {Limbus 21 Al), der kleyn segel vornen in dem schejf (Dalum 32.33), vergencklichen dingen anha(n)g nach gotes ν orsichtigkey t außgang (Fatum IF.20), ein starcker streyter (Atleta IA.55), wir dig zuo lieben (Amabilis IA. 10), mit eysen brennen ein zeichen (Cauterico VC.23), abziehen in der rechnung (Defalco V D . l l ) , und einmal mit einem Satz: ich muot hab (Perpendo

48 49 50 51 52 53 54 55

Vgl. DWb. 32, Sp. 574. Vgl. DWb. 9, Sp. 980 f. Vgl. DWb. 11, Sp. 231; Schwäbisches Wörterbuch, Bd. IV, Sp. 237. Zu sch für st vgl. Weinhold 1967, § 210. Vgl. DWb. 11, Sp. 2070. gutt ist ein Lehnwort aus lat. gutta. Vgl. hierzu und zum Wurzelvokal DWb. 9, Sp. 1477. Vgl. Frnhd. Wb. 4, Sp. 1000. Vgl. DWb. 21, Sp. 1319. Vgl. DWb. 11, Sp. 2630.

III. 2. Übersetzungstechnik

51

VF.42).56 Es gibt auch deutsche Interpretamente, in denen Brack die Übersetzung des lateinischen Stichworts durch einen volkssprachigen Zusatz genauer bestimmt, z.B. ei(n) grosse gaß do die landstraß gat {Platea 37.36), alb der weyß leynenrock {Alba 28.05), dreyer der köpff oder schüssel dreytt {Tornator 70.27), specht rot von färb {Picus 98.71), ei(n)geber der eine(m) ettwas ratet {Suasor IS.23). Einige Übersetzungen werden durch Beispiele in der Volkssprache verdeutlicht, z.B. zeychen. [...] als rot kreütz von Österreich {Cauterium 25.82), auerring oder schel. [...] als die zygeyner habe(n) {Inauris 30.03), das z.B. mit der Lesart oren ringh, vt Slaui solent portare in Handschriften des Vocabularius Ex quo zu vergleichen ist.57 Andere Lemmata erhalten neben einem lateinischen Interpretament ein Beispiel aus Bracks lokaler Umgebung als Erklärung, z.B. als die maynow {Circumluuium 39.35), als d(er) ryn zuo Costantz {Alluuium 39.36). Hier wird deutlich, daß der Bezug zum Lemma nicht in jedem Fall der der Übersetzung zu sein braucht. Selten wird ein lateinisches Lemma mit einer volkssprachigen Paraphrase erklärt, z.B. alles das man in dem morser zerstampfft {Mortisium 45.82), heyst alles das mangelt me(n)schlicher gestalt {Pecus 92.07), einer der auff dem sayl gat {Cenobates, Funabularius 60.25, 60.26),58 das braytt an dem ruoder {Palmula 32.13),59 der einen erneret oder der ernert wirt {Alumnus IA.07), das der Übersetzung des lateinischen Interpretaments dicitur qui nutrit uel qui nutritur des Vocabularius Ex quo entspricht und auf einen Vers des Grecismus, der lateinischen Grammatik des Eberhard von Bethune, zurückgeht.60 Zweimal wird ein Teil des lateinischen Interpretaments ins Deutsche übertragen, z.B. passio illium. der kleinen dermlin {Iliaca 13.36), passio ipsius colon, des grossen darms {Colica 13.38). Sublemmata sind in den drei Vokabularien manchmal durch Großschreibung typographisch hervorgehoben61 und erhalten im Vocabularius rerum nur in wenigen Artikeln, im Isidor-Vokabular nur einmal und im Verbvokabular häufiger eine deutsche Übersetzung, z.B. haffner {lutifigulus 47.03, Sublemma zu Fictile 47.02), eyn schribfeder {calamus 64.19, zu Culmus 64.18), verengert {differt ID.30, zu Dilator ID.29), trechter {clepsedra VC.35, zu Clepo VC.34), schnee {nix VN.12, zu Ningo VN.11), maier {pictor VP.21, zu Pingo

56 57 58 59 60

61

Vgl. auch die beiden deutschen Sätze in Bracks Briefsteller, Kapitel IV. 1. 2, S. 169. Vgl. Vocabularius Ex quo, Bd. III, I 243. Vgl. die Übersetzung ainr, der vf dem sail gat im Vocabularius Ex quo, Bd. III, F 583.1. Vgl. hierzu das Interpretament latitudo remi dicitur im Vocabularius Ex quo, Bd. IV, Ρ 56. Vgl. Vocabularius Ex quo, Bd. II, A 400 und dazu die gleichen Erklärungen Sit tibi, qui nutrit et qui nutritur, alumpnus in den Vokabularien von Fritsche Closener und Jakob Twinger (Bd. I, S. 50, Al 119) und dicitur ille qui nutrit uel nutritur im Uber ordinis rerum (Bd. I, 77, 31). Bei gaze (die schetz) und spicas (eher) (24.34, 64.02) werden die Übersetzungen der Sublemmata durch runde Klammern hervorgehoben.

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

VP.20). 62 In Kapitel 100 wird das Sublemma atthomi (100.34) zu Vinum (100.33) mit dem Beispiel als die kleyn steüblyn in der sunnen übersetzt, das mit dem lateinischen Interpretament Athome sunt corpuscula minuta in sole des Vocabularius Ex quo und mit der Übersetzung staub in der sunnen des Liber ordinis rerum zu vergleichen ist.63 Die Übertragung geläufiger lateinischer Auslegungen ins Deutsche liegt auch vor bei lat. Euangeliso ,das Evangelium verkünden' mit gutes verkünden (VE.36), das schon in Glossaren mit bonum annunciare Wort für Wort aus dem Griechischen übersetzt wurde. 64 Aus dem Lateinischen bzw. aus dem Griechischen über das Lateinische übernommene Fremdwörter werden oft mit einem kaum unterschiedenen Interpretament ins Deutsche übertragen. Diese Fremdwörter stammen größtenteils aus dem sonst meist unübersetzten kirchlichen Bereich, oder es handelt sich um Tiere, Pflanzen und Edelsteine, die im deutschen Kulturkreis zum Teil nicht heimisch und manchmal unbekannt waren, und für die die Volkssprache einen eigenen Terminus zum Teil bis heute nicht ausgebildet hat.65 Beispiele aus dem kirchlichen Bereich sind abbt (Abbas 56.07), accolit (Accolitus 55.26), antiphonar (Antiphonarium 75.02), chor (Chorus 35.16), gradual (Graduale 75.10), krisem (Crisma 74.3 1), paten (Patena 74.04), aus den Tierkapiteln basilisch (Basiliscus 95.09), track (Draco 95.24), falck (Falco 98.22), fasandt (Phasianus 98.52), galander (Galandra 98.77), pellican (Pellicanus 98.18), psitockuß (Psitacus 98.78), aus dem pflanzlichen Bereich balderian (Valeriana 103.23), basyly (Basilicum 103.51), eniß (Anisium \03A&),fenichel (Feniculum 103.14), kicher (Cicer 65.04), mirr (Mirra 102.16), palm (Palma 102.01), aus dem mineralogischen Kapitel adamant (Adamas 105.09), ametist (Ametistus 105.30), beryl (Berillus 105.25), granatly (Granatus 105.20), iasp (Iaspis 105.21), koral (Corallus 105.28), cristall (Cristallus 105.31), magnet (Magnes 105.10), schmaragt (Smaragdus 105.08). Gegenstände oder Bräuche, die im deutschen Kulturkreis nicht üblich waren, werden in den Vokabularien zuweilen übersetzt, indem die lateinische Bedeutung auf entsprechende Vorgänge oder Gegenstände des heimischen Bereichs übertragen wird. So wird die beim deutschen Hausbau selten verwendete lat. Tegula ,Dachziegel' mit der deutschen Entsprechung schindel (34.62) übersetzt 66 und Laruo ,verhexen,

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Weitere Sublemmata mit Übersetzung sind z.B. dies solis (6.06), Comare (15.19), Ciroteca (15.117), cadauer (15.171), calopes vel calopodium (15.237), gemini (18.14), matrimonium (23.14), thoralis vel conthoralis (31.02),paganus (37.07), officina (70.38), Pecus (92.07), egloceron (93.18), mulus mula (93.60), Raphanus minor (103.102), auidus (VA.76), Hestorium (VH.22), rigor et rigositas (VR.25). Vgl. Vocabularius Ex quo, Bd. II, A 817; Liber ordinis rerum, Bd. I, 183, 16. Vgl. Ahd. Gl, Bd. I, 136, 34 f.; Splett 1976, S. 207 f. Vgl. Stahl 1986, S. 209 f. Die Übersetzung von lat. tegula mit schindel findet sich auch in anderen Vokabularien, vgl. Diefenbach 1857, Sp. 575b; Vocabularius Ex quo, Bd. V, Τ 101; Vocabularius optimus, Bd. II, 5.125.

III. 2. Übersetzungstechnik

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verzaubern' mit bocken antlüt anlegen ,eine Bocksmaske aufsetzen' (VL.12), wobei diese Übersetzung wohl von den Tiermaskierungen zur Fastnacht im deutschsprachigen Südwesten beeinflußt ist.67 Die Placidus-Glosse pollinctum: funeratum aut sepultum. pollicitores enim funeratores dicuntur des 5./6. Jahrhunderts 68 zeigt, daß bereits die mittellateinische Wortfamilie die Bedeutung ,begraben' angenommen hat. Daher kann die Übersetzung todten begraben zu lat. Pollingo ,Leichen abwaschen und einbalsamieren' (VP.33) nicht den beiden bereits genannten Beispielen zugeordnet werden. Bei einigen deutschen Interpretamenten müssen Wörter dem lateinischen Lemma bzw. den vorausgehenden Wortgleichungen entsprechend ergänzt werden, z.B. wird Trinio ,drei Augen im Würfelspiel' mit dry ,drei' (79.14), das zu Iactus ein wurff (79.11) gehört, übersetzt, Crinis passus ,offen getragenes Haar' neben breythar mit lang zulotzt ,lang aufgelöst' (15.324) und Affinitas Verwandtschaft der Eltern' mit von vatter vnd muoter ,νοη Vater und Mutter' (18.41), das sich auf Cognatio gesypschajft von vatter (18.39) bezieht. Weit häufiger muß jedoch das lateinische Stichwort vervollständigt werden, z.B. [Digitus] Medius. der mittelfinger (15.121), [Vena] Splenetica. miltzader (15.257). Die spezielle Bedeutung eines lateinischen Stichwortes wird zuweilen mit einem allgemeinen, manchmal übergeordneten Begriff ins Deutsche übertragen. So wird z.B. Cantareda, Cantaredes ,Spanische Fliege' mit gryen kefferlin ,ein kleiner, grüner Käfer' (96.13, 96.14) übersetzt, Mellilotum ,Steinklee' mit pingsaug ,eine Pflanze, an der die Bienen saugen' (103.94), 69 Falernum ,Falernerwein' mit ein guoter weyn ,ein guter Wein' (46.17), 70 Causidicus ,Redner vor Gericht' mit reder ,Redner' (87.14), wobei sich die spezielle Bedeutung hier aus dem Sachkapitel Ad iudices spectantia ergibt, Singultio ,schluchzen' mit attmen ,atmen' (VS. 15),71 und Proselitus ,eine Person, die vom Heidentum zum Judentum übergetreten ist' mit ein frömbder ,ein Fremder' (57.12). 72 Umgekehrt wird die allgemeine Bedeutung eines lateinischen

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Vgl. den Artikel Larua ain schem den man in der fasnaht fur dz antlücz tut einer Handschrift des Vocabularius Ex quo, Bd. IV, L 95. Vgl. CGL, Bd. VII, Sp. 102a. Zu ähnlichen Umschreibungen vgl. Diefenbach 1857, Sp. 96a, 354c. Pingsaug nebst Varianten ist eine seit dem Althochdeutschen gängige Bezeichnung für verschiedene Pflanzen, die häufig von Bienen aufgesucht werden, vgl. z.B. binisuga in Ahd. Gl., Bd. II, 689, 12; Bd. III, 106, 29. Vgl. auch die Übersetzung Bynesug bzw. bünesuge für Apiago und Mellisa in den Vokabularien von Closener und Twinger (Bd. I, S. 81, Ap 16; Bd. II, S. 891, Me 42). Vgl. das lateinische Interpretament bonum vinum im Vocabularius Ex quo, Bd. III, F 38.1 und die Übersetzungen in Diefenbach 1857, Sp. 223c. Lat. singultare wird z.B. im Uber ordinis rerum mit slunticzen, schluczen und Varianten übersetzt (vgl. Bd. I, 698, 4). Vgl. zu lat. proselitus z.B. das Interpretament elender, et dicitur aduena, [...] im Vocabularius Ex quo, Bd. IV, Ρ 1268.

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Lemmas vereinzelt mit einer speziellen Bedeutung im Deutschen wiedergegeben, z.B. Cenobium ,Kloster' wird mit refental,Speisesaal eines Klosters' (35.22) übersetzt 73 und Statera ,Waage' mit zung in der wag (42.06), das durch idem mit Trutina ,Zeiger an der Waage' (42.05) gleichgesetzt wird.74 In einigen Wortartikeln wird einem lateinischen Substantiv ein deutsches Adjektiv zugeordnet. Brack übersetzt z.B. Ganeo .Verschwender' mit vnkeüsch ,sittenlos, ausgelassen' (IG. 10),75 Sacietas und Saturitas ,Reichlichkeit, Überfluß' mit benügsam ,zufrieden' (45.12, 45.13), 76 Rigor und Rigositas ,Strenge, Härte' neben hörtigkeyt, ernst auch mit straff ,streng, hart' (VR.25), 77 Pingwedo ,Fett, das Fettsein' mit fay st (15.161), wobei er diese Übersetzung durch idem mit Pingue ,dick' (15.160) gleichsetzt. 78 Ebenso wird Mulcator , Schläger; Schmeichler' mit boßhajftig (IM. 19) übersetzt und mit idem an Malignus ,böse, boßhaft' (IM. 18) angeschlossen. 79 Placitum g e f a l len, Verpflichtung' wird mit wolgefellig ,gefällig, angenehm' (88.16) im Deutschen erklärt.80 Das lateinische Substantiv Precinctus ,Umgürtung' erhält als Entsprechung das deutsche Partizip gürtet ,gegürtet' (IP.37) und umgekehrt wird das lateinische Partizip Effractus aufgebrochen, eingebrochen' mit dem

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In einer Handschrift des Vocabularius Ex quo steht auch die Übersetzung ayn refental (vgl. Bd. II, C 321). Sonst haben die meisten Vokabularien closter oder iunckfraucloster nebst Varianten. Möglicherweise wurde vom Schreiber der Ex gwo-Handschrift und Brack lat. cenobium mit cenaculum verwechselt (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 111c). Lat. statera wird in einigen lateinischen Interpretamenten des Vocabularius Ex quo mit lat. trutina gleichgesetzt: Statera [...] vel dicitur trutina und Item Statera est idem quod trutina [...], vgl. Bd. V, S 989. Bei Diefenbach 1857, Sp. 257b finden sich als Übersetzungen von lat. ganeo ausschließlich Substantive, z.B. fraz, hurer, lodderboejf, gefrassiger lecker oder bueb. In Kapitel 23 des Vocabularius rerum übersetzt Brack Ganneo mit huorenbub (23.39). Sacietas und Saturitas werden in den Vokabularien mit Substantiven wie satekeit und Varianten übersetzt (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 513c, 514b). Der Vocabularius Ex quo hat als Übersetzungen nur Substantive wie z.B. sadekeit, volhait (Bd. V, S 28, S 202). Sowohl im Vocabularius Ex quo als auch im Liber ordinis rerum und in anderen Vokabularien werden lat. rigor und rigositas nur mit Substantiven wie z.B. strengekeit oder twanck übersetzt. Vgl. Vocabularius Ex quo, Bd. V, R 347; Liber ordinis rerum, Bd. I, 510, 23; Diefenbach 1857, Sp. 498b. Die Vokabularien des Spätmittelalters übersetzen lat. pinguedo mit Substantiven, wie z.B. smer, feystekeit, fruchtbarkeit und Varianten. Vgl. Diefenbach 1857, Sp. 435c; Vocabularius Ex quo, Bd. IV, Ρ 592. Lat. mulctator wird in den Vokabularien mit ein sleger ins Deutsche übertragen, vgl. Diefenbach 1857, Sp. 370a. In den Vokabularien stehen nur Substantive wie z.B. gefallung oder gedinge (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 439c), der Vocabularius Ex quo hat z.B. behegelichkeit, wolgefellikait (Bd. IV, Ρ 660), Closener und Twinger übersetzen Placitum mit Götz Wille (Closener/Twinger, Bd. II, S. 1126, PI 6).

III. 2. Übersetzungstechnik

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deutschen Substantiv Zerstörer , Vernichter, Verderber' (IE.28) übersetzt. 81 Zuweilen ordnet Brack einem lateinischen Adjektiv ein deutsches Substantiv zu, z.B. wird Facundus redegewandt' mit wolredender ,ein guter Redner' (IF.Ol) ins Deutsche übertragen, 82 Contumax ,trotzig, widerspenstig' mit verachter ,Verächter' (IC.22),83 Fallax betrügerisch, täuschend' mit tryeger ,Betrüger, Heuchler' (IF.25)84 und Gulosus ,gefräßig' mit fraß (IG. 12), das mit idem an Gluto , Vielfraß, Schlemmer' (IG. 11) angeschlossen wird.85 Bei den deutschen Übersetzungen wird insgesamt Wert auf regionale und überregionale Verständlichkeit gelegt, so daß den landschaftlich nur begrenzt verbreiteten Ausdrücken wie z.B. grüsch oder harsch (82.14, 61.15) im gesamten deutschsprachigen Gebiet bekannte Bezeichnungen wie kleyen bzw. haw hinzugefugt werden. Andererseits werden überlandschaftlich verbreiteten Benennungen wie korb oder zayn und schlag (51.18-51.20, 15.289) regional bekannte Wörter wie kratt bzw. guot beigegeben. 86 Die in der Vokabulartradition allgemein übliche Vorgehensweise, fremde Bräuche und Gegenstände auf den heimischen Bereich zu übertragen und entsprechend zu übersetzen, wird von Brack z.B. bei den Verdeutschungen von Tegula (34.62) und Laruo (VL.12) angewandt. Die Nichtbeachtung der lateinischen Wortart bei der Übertragung ins Deutsche zeigt sich vor allem durch die Wiedergabe lateinischer Adjektive mit deutschen Substantiven auch in anderen Vokabularien des Spätmittelalters.

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Lat. precinctus wird in einer Handschrift des Vocabularius latino-germanicus mit gegurtet übersetzt, Grüninger hat ebenfalls gegurtet und Sorg gegyrtet. Lat. effractus wurde dagegen von Grüninger zu zersteret gebessert. Vgl. Diefenbach 1857, Sp. 452a, 196b. Bei Diefenbach 1857, Sp. 222c finden sich als Übersetzungen von lat .facundus außer dem Substantiv fraschmunder im Vocabularius theutonico-latinus (Nürnberg 1482) nur Adjektive wie z.B. redsam oder sprechig. Die Textzeugen des Vocabularius Ex quo und Uber ordinis rerum übersetzen ebenfalls nur mit Adjektiven wie z.B. redesam, redsprechig (vgl. Bd. III, F 23 bzw. Bd. I, 488, 26). In den Vokabularien von Closener und Twinger wird Facundus dagegen als Substantiv aufgefaßt und mit Redegeber ins Deutsche übertragen (Closener/Twinger, Bd. I, S. 527, F a 2 3 ) . Lat. contumax wird in den Vokabularien sowohl mit Adjektiven als auch mit Substantiven übersetzt, z.B. hochfertig, widderwillig, widderspennig neben rechtversmaher, vngehorsamer (Diefenbach 1857, Sp. 148a). Das gleiche Bild zeigt sich in den Übersetzungen des Vocabularius Ex quo durch en richtevorsmar neben widerspenig, vngehorsam, vgl. Bd. II, C 980. Im Liber ordinis rerum findet sich das Substantiv rechtversmeher (Bd. I, 530, 22). Bei Diefenbach 1857, Sp. 224a wird lat .fallax nur mit deutschen Adjektiven wiedergegeben, z.B. trugenhaftig oder betruglich in Grüningers Straßburger Druck des Vocabularius rerum (um 1485/86). In Handschriften des Vocabularius Ex quo und des Liber ordinis rerum findet sich neben trogenhajftig auch trugenhafftiger (Bd. III, F 37 bzw. Bd. I, 530, 29), Twinger übersetzt ebenfalls mit dem Substantiv Trugenhaftiger (Bd. I, S. 529, Fa 44). Für lat. gulosus finden sich bei Diefenbach 1857, Sp. 271a a u ß e r f r e s s e r u n d p a u c h f ü l l e r nur Adjektive wie z.B. geitig oder freßig. In den Handschriften des Vocabularius Ex quo wird Gulosus neben freßig auch mit frassiger und fras übersetzt (Bd. III, G 279), bei Closener mit Fros (Closener/Twinger, Bd. I, S. 658, Gu 8) und im Liber ordinis rerum mit vraas und geitig (Bd. I, 534, 1). Vgl. auch Kapitel III. 5.

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Andererseits handelt es sich bei den exemplarisch genannten volkssprachigen Phrasen, Zusätzen, Beispielen und Paraphrasen, wie z.B. zu Limbus (27.47), Fatum (IF.20), Cauterium (25.82), Ρ ecus (92.07) und bei der Zuordnung deutscher Adjektive zu lateinischen Substantiven in den Vokabularien möglicherweise um eigenständige deutsche Interpretamente Bracks. Zum einen stimmen Bracks Übersetzungen mit volkssprachigen Formulierungen anderer Vokabularien überein, wie z.B. bei Funabularius (60.26), andererseits überträgt Brack lateinische Interpretamente, die in der lexikographischen Tradition der Schulwörterbücher üblich sind, zu Stichwörtern wie Palmula (32.13), Alumnus (IA.07), Proselitus (57.12) oder atthomi (100.34) ins Deutsche. Schon anhand dieser Beispiele wird deutlich, daß viele Übersetzungsgleichungen fest etabliert sind, was auf die Unterrichtspraxis in den Lateinschulen zurückzufuhren ist. Dort war das Verdeutschen lateinischer Texte fester Bestandteil des Unterrichts und diente dazu, die Zielsprache Latein leichter zu erlernen. Die Mobilität von Lehrern und Schülern trug dazu bei, daß allgemein bekannte Worterklärungen weiträumig verbreitet wurden.87 Hinzu kommt, daß durch die lateinischen Interpretamente in den zweisprachigen Vokabularien Erklärungen tradiert werden, die meist auf den großen lateinischen lexikographischen und grammatischen Nachschlagewerken des Mittelalters fußen, die zum maßgeblichen Quellenkanon für die Aneignung der lateinischen Sprache gehörten, wie z.B. Papias' Elementarium doctrinae erudimentum (um 1050), die Magnae derivationes des Hugutio von Pisa (um 1200), Guillelmus Britos Summa Britonis bzw. Expositiones vocabulorum Biblie (Mitte 13. Jh.), das Catholicon des Johannes Baibus von Genua (1286) oder der Grecismus Eberhards von Bethune (13. Jh.).

III. 2. 2. Erklärungsbedürftige Übersetzungen In diesem Kapitel wird das Verhältnis von lateinischem Lemma und frühneuhochdeutschem Interpretament im Hinblick auf die Übereinstimmung der Bedeutung genauer untersucht. Es geht hier nicht darum, alle erklärungsbedürftigen Wortgleichungen zu erläutern, sondern es werden exemplarisch einige ausgewählte problematische Übersetzungen Bracks vorgestellt88 und wie im vorausgehenden Kapitel mit Interpretamenten der von Diefenbach zusammengestellten Vokabularien und den Editionen des Vocabularius optimus, des

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Vgl. Stahl 1986, S. 203 ff. Ein Kommentar zu jedem Wortartikel wie er zum ältesten deutschen Wörterbuch, dem Abrogans, vorliegt (vgl. Splett 1976), wäre auch fur die Vokabularien von Wenzeslaus Brack erforderlich, um zahlreiche Ungereimtheiten in den Wortartikeln erklären zu können. Dies kann jedoch im Rahmen dieser Studie nicht geleistet werden.

III. 2. Übersetzungstechnik

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Liber ordinis rerum, der Vokabularien von Fritsche Closener und Jakob Twinger sowie des Vocabularius Ex quo, das durch seine landschaftliche Verbreitung über den gesamten deutschsprachigen Raum und umfangreichste Überlieferung ausgezeichnete Wörterbuch des Spätmittelalters, verglichen. Verben, die im klassischen Latein einen Zustand beschreiben, werden von Brack gelegentlich mit Verben übersetzt, die einen Vorgang schildern, z.B. wird Albeo ,weiß sein' mit weyssen ,weiß machen' (VA.39) übersetzt, 89 Maceo ,mager sein' mit mager werden ,abnehmen, dünn werden' (VM.Ol), 90 Seneo ,alt sein' mit alten ,älter, alt werden' (VS.II), 9 1 Putreo ,faul sein' mit faulen ,faul werden, verfaulen' (VP.52) 92 und Humeo ,feucht, naß sein' mit netzen (VH.24), das mit Humecto und Humido ,benetzen, bewässern' (VH.25, VH.26) gleichgesetzt wird. 93 Die Verwechslung lateinischer Wörter liegt wohl bei folgenden Wortgleichungen vor, z.B. wird Plagiator Sklavenhändler, Kopfjäger' mit landstreicher ,nicht Seßhafter' (IP.40) übersetzt, wobei das folgende dem IsidorExzerpt hinzugefügte Stichwort Plaga ,Gegend' (IP.41) daraufhindeutet, daß Brack Plagiator als Ableitung von lat. plaga und nicht von lat. plagium ,Menschenraub' verstanden hat.94 Antes ,Reihen (von Weinstöcken)' (34.68) wird von Brack mit ein ν orschy essender steyn in d(er) mauer als ein pfost so man wurtzgarte(n) oder ettwas anders aufflegt ins Deutsche übertragen, das wohl mit lat. anta ,Pilaster, Pfosten' vertauscht wurde. 95 Succidium ,Speckseite' wird mit auffgehenckt fleysch ,aufgehängtes Fleisch' (45.59) übersetzt, wobei vermutlich eine Verwechslung mit lat. suspendere , aufhängen' bzw. substantiviert suspendium ,das Aufgehängte' vorliegt, Fqdus ,Bündnis' mit puntgenoß (IF. 14), das wohl mit lat. fqderatus Verbündeter' vertauscht wurde, Menia

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Bei Diefenbach 1857, Sp. 20b wird lat. albere neben weiß machen auch mit wiß syn von natur übersetzt, der Vocabularius Ex quo hat wiß werden (Bd. II, A 310) und der Liber ordinis rerum übersetzt mit weß werden (Bd. I, 629, 14). Für lat. macere stehen in den meisten Vokabularien Verben, die einen Vorgang beschreiben, wie z.B. welch werden (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 341b). Im Vocabularius Ex quo steht full werden uel wellig werden sowie die lateinische Erläuterung id est esse vel fieri macrum (Bd. IV, Μ 5). Der Liber ordinis rerum hat mager werden (Bd. I, 579, 13) Die gleiche Übersetzung zu lat. senere findet sich bei Diefenbach 1857, Sp. 526c, im Liber ordinis rerum mit alden (Bd. I, 654, 1) und im Vocabularius Ex quo neben alt werden, wo es mit lat. senescere gleichgesetzt wird (Bd. V, S 458). Für lat. putrere haben bei Diefenbach 1857, Sp. 475b alle Vokabularien faulen und Varianten. Im Vocabularius Ex quo wird neben fulen auch mit fawl sein übersetzt (Bd. IV, Ρ 1444). Diefenbach 1857, Sp. 281c hat z.B. nas b z w . f e u c h t werden, netzen, der Vocabularius Ex quo hat naß werden und Varianten (Bd. III, Η 176). Bei Diefenbach 1857, Sp. 439c findet sich z.B. die Übersetzung ein kinderverkauffer oder betrieger, im Vocabularius Ex quo steht die lateinische Erläuterung Item nota: Plagiator uel Plagiarius vocatur seductor uel venditor hominum, [...] (Bd. IV, Ρ 666). In einer Handschrift des Dictionarius latino-germanicus wird lat. antes mit id est ordo vinearum erklärt (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 37c) und andererseits im Vocabularius Ex quo mit marchstein ,Grenzstein' übersetzt (Bd. II, A 545.2).

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

,Stadtmauer' mit ein zynn (37.15), das entweder mit lat. minae ,Zinne' verwechselt wurde, oder es wird pars pro toto übersetzt. 96 Enodo ,entknoten' wird von Brack neben auffknüpffen auch mit entblotzen ,sich entblößen, ausziehen' (VE.22) ins Deutsche übertragen, womit lat. enudo übersetzt wurde. 97 Stupendus , erstaunlich, bewundernswert' wird mit erschrecklicher , Schrecken erweckend' (IS. 16) übersetzt, wobei diese Verdeutschung möglicherweise von lat. stupidus ,betäubt, verblüfft, in Erstaunen, Schrecken versetzt' beeinflußt wurde, und Emungo ,sich die Nase putzen' mit reyn machen (VE. 19), das wohl mit emundare ,reinigen' vertauscht wurde. 98 Biothanatos gewaltsamer Tod' wird im Deutschen mit das zwirist todt ,der doppelte Tod' (IB. 13) erklärt, wobei griech. βίος ,Leben, Stärke, Gewalt' mit lat. bi- ,zwei-, doppelt-' vertauscht wurde. 99 Scenofacio ,Zelte herstellen' erhält die Übersetzung seyl machen ,Seile herstellen' (VS.04) und entsprechend Scenofactor ,Zeltmacher' das Interpretament seylmacher ,Seiler' (VS.05), was auf einer Vertauschung der griechischen Wörter σχοΐνος ,Seil' mit σκηνη ,Zelt' beruht. 100 Tabellio ,Urkundenschreiber, Notar' wird mit ein leyffel, briefftreger ,Briefbote' (24.46) ins Deutsche übertragen, indem es durch idem mit Tabellarius (24.47) gleichgesetzt wird. 101

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In den Vokabularien steht sowohl zinne als auch statmaur oder eyn ringmuer (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 356a), im Vocabularius optimus haben die meisten Handschriften und die beiden Drucke rinckmaur, zwei Handschriften daneben auch zinn(e) (Bd. II, 5.034). Die Textzeugen des Vocabularius Ex quo weisen ebenfalls eyn zynne neben ain ring mur als Übersetzungen auf (Bd. IV, Μ 294). Der Uber ordinis rerum hat czinne (Bd. I, 55, 29). Lat. enodare wird nur in einer Handschrift des Vocabularius latino-germanicus auch mit entbloßen übersetzt (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 202c-203a). Im Vocabularius Ex quo haben alle Textzeugen uffknoppen und Varianten (Bd. III, Ε 174). Der Uber ordinis rerum übersetzt auch mit vpknopen (Bd. I, 625, 9). In den meisten Vokabularien wird dagegen lat. emungere mit snutzen, vßsnutzen oder ähnlich übersetzt, vgl. Diefenbach 1857, Sp. 201c. Im Vocabularius Ex quo steht z.B. vß snuczen die nasen, vgl. Bd. III, Ε 158. Diese Obersetzung findet sich auch in anderen Vokabularien des Spätmittelalters (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 74c) und wird in einem Textzeugen des Vocabularius Ex quo z.B. mit et tunc dicitur a „ bi ", quod est duo, et „ thanatos ", mors, quasi duplici morte dampnatus erklärt (vgl. Bd. II, Β 141.1). Vgl. Diefenbach 1857, Sp. 517c. Dort steht als Übersetzung zu lat. scenofacere sowohl seyl machen als auch geczelt machen. Lat. scenofactor wird in den Vokabularien überwiegend mit czeltmacher, tentenmacher, leubenmacher nebst Varianten aber auch mit zeyldreyer und seylmacher übersetzt (vgl. Sp. 518a). Im Vocabularius Ex quo steht ein leubenmecher fur Scenofactor und zu Scenofactoria die Erläuterung Dicitur ars faciendi tabernacula uel funes (vgl. Bd. V, S 261, S 262.1). Die gleiche lateinische Erklärung findet sich auch in Twingers dritter Vokabularfassung (vgl. Closener/Twinger, Bd. II, S. 1309, Sc 55). Im Vocabularius Ex quo steht zu Tabellio die Übersetzung ein schriber der meynheit, wird aber auch in einer Handschrift mit Tabellarius gleichgesetzt: Tabellarius id est publicus scriba. Idem est Tabellio (Bd. V, Τ 6 und Τ 5). Johannes Kotman übersetzt in seinem Vocabularius optimus lat. tabellio mit schriber (Bd. II, 23.007) und Closener/Twinger haben als

III. 2. Übersetzungstechnik

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Weitere Ungereimtheiten hinsichtlich der Übereinstimmung der Bedeutung des lateinischen Lemmas mit dem deutschen Interpretament liegen in folgenden Artikeln vor, z.B. wird Phytonissa ,Wahrsagerin' mit zaubrerey ,Zauberei' (60.10) übersetzt,102 Rotabulum ,Schürhaken' mit sybb ,Sieb' (50.16), das möglicherweise vom vorausgehenden Artikel übernommen wurde, 103 Brancia ,Kiemen' mit fischfederlin ,Fischflosse' (97.06) 104 und Ilaris ,fröhlich, heiter' mit senfft vnd gütig ,sanft und gütig' (ILIO), obwohl Brack im Vocabularius rerum das gleiche Stichwort Hylaris zutreffend mit frölich übersetzt hat (14.15). Sublinguium ,Kehldeckel' wird nach der zutreffenden und mit Isidor übereinstimmenden Erklärung operculum est gurgulionis mit rotz ,Schleim in den Nasenhöhlen' (15.102) übersetzt. 105 Calx ,Kalk' wird mit mörtel (73.05) ins Deutsche übertragen, das mit idem an Cementum ,Mörtel' (73.04) angeschlossen wird.106 Empericus erfahrener Arzt', das Brack im lateinischen Interpretament mit qui rerum medicine habeat experientiam erklärt, erhält die Übersetzung landfarender artzet ,nicht seßhafter Arzt' (90.08). 107 Liminium ,Verbannung' wird mit gefencknüß ,Kerker' (37.62) ins Deutsche übertragen, während Brack das Stichwort mit der lateinischen Erläu-

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Interpretament Publicus notarius. In seiner dritten Fassung fugt Twinger hinzu: quia olim portabant tabulas (Bd. II, S. 1441, Ta 3). Bei Diefenbach 1857, Sp. 237b bezeichnen die Übersetzungen der Vokabularien weibliche Personen, z.B. wisserin, aufweckerin der toten, zoubererin, Zainers Druck des Vocabularius optimus hat ein selbeschwererin (Bd. II, 40.003), Twinger erklärt [...], et indefltonissa diuinatrix (Bd. I, S. 564, Fi 80). Der Uber ordinis rerum hat czawbrerjn (Bd. I, 157, 6.1). Im Vocabularius Ex quo findet sich neben der Übersetzung zawberinn in einigen Handschriften die lateinische Erläuterung id est diuinacio (Bd. IV, Ρ 541.3). In anderen Vokabularien steht hauptsächlich feuergabel, ofengabel und Varianten (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 500c). In den meisten Vokabularien wird mit eyn k i f f , kinbake und Varianten übersetzt (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 80c). Kellers und Zainers Druck des Vocabularius optimus haben sowohl kaw als auch flos (Bd. II, 47.018), der Vocabularius Ex quo hat überwiegend ein kiwe nebst Varianten, aber auch flozz (Bd. II, Β 199). Im Uber ordinis rerum wird mit kibe übersetzt (Bd. I, 348, 21). Vgl. Isidor: Etymologiae XI, 1, 59. Im Vocabularius Ex quo steht das Interpretament raiczl, est folium quod ponitur sub ligwa (Bd. V, S 1168.1). In den Vokabularien haben die Handschriften und Drucke calk nebst Varianten als Übersetzung zu lat. calx (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 92a). Im Liber ordinis rerum und in den Drucken des Vocabularius optimus wird mit kalck übersetzt (Bd. I, 232, 18; Bd. II, 16.009). Closener und Twinger übersetzen dagegen mit Kalg oder morter oder versen (vgl. Bd. I, S. 211, Ca 104) und auch im Vocabularius Ex quo werden Kalk und Zement bzw. Mörtel gleichgesetzt: Calx dicitur esse [...] cimentum muri oder Cementum kalg. Calx idem (vgl. Bd. II, C 64, C 316). Die Übersetzung ist möglicherweise von dem deutschen Interpretament erfarner artzt des Vocabularius theutonico-latinus (Nürnberg 1482) beeinflußt, da erfarn neben .erfahren' auch .fahren, reisen' bedeuten kann (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 201b; Lexer I, Sp. 688).

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

terung expulsio extra limen erklärt. 108 Bei Obaudio ,gehorchen' liegt mit überhören ,nicht hören, ungehorsam sein' (VO.Ol) wohl eine etymologische Übersetzung des lateinischen Stichwortes vor, 109 ebenso bei Deprecior e n t werten, mißachten', das mit belonen ,belohnen, vergelten' (VD.28) übersetzt wird. 110 Armentum ,Großvieh' wird mit fich briichlich zuo streyt ,zum Kampf gerüstete Tiere' (92.08) übertragen, wobei Bracks Wortgleichung wohl von der Erklärung Armenia id est iumenta; dicta autem Armenia, quod sunt apta armis in hello uel quod hijs in armis vtimur beeinflußt wurde, die sich im Vocabularius Ex quo findet. 111 Lymphaticus ,wasserscheu, wahnsinnig' wird wohl unter Einfluß von vorausgehendem Lympha ,Wasser' (IL.21) mit wesserig ,feucht, wässerig' (IL.22) ins Deutsche übertragen, obwohl es bei Isidor zutreffend erklärt wird, 112 und entsprechend Limphor ,wahnsinnig werden, den Verstand verlieren' mit wessern ,bewässern' (VL.24). 113 Falco ,mähen' wird wohl wegen lat. falcatus ,sichelförmig gekrümmt' mit krümen ,krümmen, biegen' (VF.03) übersetzt. 114 Zahlreiche lateinische Stichwörter, die Tiere oder Pflanzen bezeichnen, waren im deutschen Kulturkreis zum Teil nicht heimisch, zuweilen auch unbekannt. Manchmal wird ein lateinischer Pflanzenname mit verschiedenen deutschen Wörtern unterschiedlicher Bedeutung übersetzt oder umgekehrt lassen sich zu verschiedenen Pflanzen gleiche volkssprachige Übersetzungen belegen. Die unterschiedlichen volkssprachigen Interpretamente beruhen zum Teil auch auf verschiedenen Bezeichnungen in einzelnen Gebieten des deutschen Sprachraums, was vor allem bei den Pflanzen die richtige Zuweisung er-

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Der Vocabularius theutonico-latinus (Nürnberg 1482) hat die Übersetzung vertreybung in das elend oder vencknuß (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 330b). Bei Diefenbach 1857, Sp. 386a steht zu lat. obaudire neben gehorsam sin in vielen Vokabularien auch vberhoren und Varianten, in den Textzeugen des Vocabularius Ex quo findet sich neben verhören auch gehorsam sein oder vberhorn (Bd. IV, Ο 5). Der Vocabularius Ex quo hat zu lat. depreciari neben verhönen auch belonen (vgl. Bd. III, D 203). In den Textzeugen des Vocabularius Ex quo finden sich neben diesem lateinischen Interpretament Übersetzungen wie z.B. ein rint uel kuwe oder ein rindt schar (Bd. II, A 706). In den anderen Vokabularien wird lat. armentum überwiegend mit rint, kuo vel vich und Varianten übersetzt (Diefenbach 1857, Sp. 49ab). Der Uber ordinis rerum hat rind (Bd. I, 298, 12). Vgl. Isidor: Etymologiae X, 161. Lat. lymphaticus wird bei Diefenbach 1857, Sp. 330c überwiegend mit waßerwuetig oder vnsynnig und Varianten übersetzt. Im Vocabularius Ex quo steht z.B. die Erläuterung id est lunaticus (Bd. IV, L 303), Closener/Twinger haben Furiosus, aquam timens (Bd. II, S. 819, Li 82). Im Liber ordinis rerum wird mit wasserwutig und wassersuchtig übersetzt (Bd. I, 546, 22). Lat. limphari wird in den Vokabularien sowohl durch mit wasser mengen als auch rasen ins Deutsche übertragen (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 330b). In den anderen Vokabularien steht sicheln, schniden, mehen und Varianten (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 223b). Der Vocabularius Ex quo hat die Wortgleichung Falcare est cum falce secare, mewen (Bd. III, F 33) und der Liber ordinis rerum die Übersetzung sicheln (Bd. I, 635, 23).

III. 2. Übersetzungstechnik

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schwert. Hinzu kommt, daß unterschiedliche Benennungen gleicher Pflanzen verschiedene Benennungsgründe haben kann, wie z.B. nach Standort, Blütezeit, Form, Farbe, Geschmack, Giftigkeit oder Verwendung als Heilmittel. So ist gerade in diesem naturkundlichen Bereich der Pflanzen und Tiere nicht nur im Vocabularius rerum von Wenzeslaus Brack, sondern in den meisten mittelalterlichen Wörterbüchern eine Vielfalt unterschiedlichster Übersetzungen anzutreffen. 115 Im Bereich der Tiere wird z.B. Fucus ,Drohne, männliche Honigbiene' mit hummel,Hummel' (96.08) übersetzt, 116 Mergus ,Säger' mit scharb 117 ,Scharbe' (98.80) und Canapellus ,Hanffink' mit schößlin ,Leinfink' (98.63). 118 Cotornix ,Wachtel' wird mit repphuon (98.76) ins Deutsche übertragen, indem es mit idem an Perdix ,Rebhuhn' (98.75) angeschlossen wird. 119 Die Übersetzung von Monedula ,Dohle' mit taub ,Taube' (98.45) ist ein Beispiel dafür, daß in den folgenden Auflagen des Vocabularius rerum einfach nachgedruckt bzw. unzutreffend korrigiert wurde. So wird z.B. in Sorgs Augsburger Druck die Übersetzung taub beibehalten, Grüninger, Schott, Prüss, Husner, Schönsperger, Hist und Flach ändern zu hetz ,Elster' und nur im Leipziger Druck Konrad Kachelofens findet sich die Verbesserung dole,120 Vipera ,Viper' wird mit egeß (95.21) übersetzt, das mit idem an Lacerta ,Eidechse' (95.20) angeschlossen wird, 121 und Lacerta ,Eidechse' mit plinttschleych (95.19), das durch idem mit Cecula ,Blindschleiche' (95.18) gleichgesetzt, 122 danach aber nochmals aufgeführt und mit egeß übersetzt wird (95.20). Vrus

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Vgl. die Übersetzungen der entsprechenden Stichwörter der Kapitel 93-98 sowie 102 und 103 mit Diefenbach 1857. In den Vokabularien steht als Übersetzung zu lat .fucus neben hummel und anderen Insekten auch dreno (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 250a). Im Vocabularius optimus haben sowohl Handschriften als auch Drucke trien bzw. tren (Bd. II, 46.041). Der Uber ordinis rerum übersetzt mit humil (Bd. I, 325, 23). Vgl. Suolahti 1909, S. 393,439. Bei Diefenbach 1857, Sp. 358a übersetzen viele lat. mergus mit taucher und Varianten, auch der Vocabularius Ex quo hat eyn duker (Bd. IV, Μ 257.2). In den Drucken des Vocabularius optimus steht scarp (Bd. II, 44.144). Vgl. Suolahti 1909, S. 119, 121 if., bes. 122. Die anderen Vokabularien bei Diefenbach 1857, Sp. 94a haben hanffling und Varianten. Im Vocabularius Ex quo findet sich ebenfalls eyn henffeling (Bd. II, C 80). Vgl. Suolahti 1909, S. 255, 259. Lat. cotornix wird in den Vokabularien sowohl mit wachtel als auch mit rephun nebst Varianten übersetzt (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 154bc). Im Vocabularius Ex quo steht Conturnix eyn rephun. Perdix idem. Item Conturnix in libris gentilium significat auem, que wlgariter dicitur wachtel (Bd. II, C 986). Vgl. Suolahti 1909, S. 185, 193 f. In den Vokabularien wird lat. vipera meist mit natter oder otter bzw. einfach mit schlang übersetzt (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 621b). Der Vocabularius Ex quo (Bd. V, V 333) sowie Zainer und Keller im Vocabularius optimus (Bd. II, 46.089) als auch der Uber ordinis rerum haben die Übersetzung nater (Bd. I, 327, 8). Closener und Twinger übersetzen Noter (Bd. II, S. 1564, Vi 79). Bei Diefenbach 1857, Sp. 314c haben die Vokabularien edechs und Varianten. Vgl. auch Vocabularius Ex quo, Bd. IV, L 23; II, C 585.2; Vocabularius optimus, Bd. II, 46.051; Uber ordinis rerum, Bd. I, 328, 10; Closener/Twinger, Bd. II, S. 773, La 21.

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

,Ur, Auerochse' wird mit ein püffel,Büffel' (93.44) ins Deutsche übertragen123 und Silurus ,Wels' mit hurling ,Heuerling, Barsch im ersten Jahr' (97.26).124 Unstimmige Wortgleichungen im Bereich der Pflanzennamen liegen in folgenden Artikeln vor, z.B. wird Moracelsi ,Maulbeere' mit erdtber ,Erdbeere' (102.74) übersetzt,125 Serpillum ,Quendel' mit feldkümich ,WiesenkümmeP (103.33),126 Iringus ,Mannstreu' mitfychdistel ,Mariendistel' (103.84),127 Mirica ,Deutsche Tamariske' mit hayd ,Heidekraut' (102.111),128 Nepita Katzenminze' mit weyßwurtz ,Salomonssiegel' (103.12),129 Cornus ,Kornelkirschbaum' mit hagdorn ,Hundsrose' (102.69),130 entsprechend Cornum ,Kornelkirsche' mit hagwurtz ,Hagebutte, Frucht der Hundsrose' (102.70),131 Hibiscus ,Eibisch' mit klee (103.25), das durch idem mit Trifolium ,Klee' (103.24) gleichgesetzt wird,132 und Accasia ,Schlehensaft' mit byerenmost ,Most aus Birnen' (46.52).133 Die Übersetzung von Vlmus ,Ulme' mit ein felber , Weide' (102.106) wird in Sorgs Augsburger Druck übernommen. In den Auflagen von Grüninger, Schott, Prüss, Kachelofen, Husner, Schönsperger, Hist und Flach wird diese oberdeutsche Benennung nicht entsprechend der Bedeutung des Lemmas korrigiert, sondern mit oder wide und Varianten ergänzt. Mollicina ,Malvenkleid' wird mit boumwollen kleydt (27.59) übersetzt, das mit idem an

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Die Vokabularien haben ein wilder ochs, vrind oder vrosse und Varianten als Übersetzung von lat. urus (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 630c). Bei Zainer und Keller im Vocabularius optimus findet sich vrochß (Bd. II, 45.169), bei Closener/Twinger Vrint oder vroße (Bd. II, S. 1589, Vr 32) und im Vocabularius Ex quo steht Vri vrochsen (Bd. V, V 527.1). Einige Vokabularien übersetzen lat. silurus mit weiß und Varianten, aber auch mit anderen Fischnamen (vgl. Diefenbach 1857, Sp. 534b). Closener und Twinger haben Barbe (Bd. II, S. 1360, Si 59). Vgl. Marzell 3, Sp. 217 ff.; Diefenbach 1857, Sp. 367bc. Vgl. Marzell 4, Sp. 699 ff., bes. 702; 1, 856 ff.; Diefenbach 1857, Sp. 530b. Vgl. Marzell 2, Sp. 307 ff.; 4, 330 ff.; Diefenbach 1857, Sp. 208a. Vgl. Marzell 1, Sp. 729; Diefenbach 1857, Sp. 358ab. Der Vocabularius Ex quo hat auch heyde (vgl. Bd. IV, Μ 440). Vgl. Marzell 3, Sp. 875 ff., bes. 878, 309 ff; Diefenbach 1857, Sp. 378bc. Im Vocabularius optimus wird in den Drucken von Zainer und Keller mit katzenwadel übersetzt (Bd. II, 50.216), bei Closener mit Katzenkrut oder se mintze (vgl. Closener/Twinger, Bd. II, S. 966, Ne 33). Vgl. Marzell 1, Sp. 1164; 3, 1395 ff, bes. 1398. In vielen Vokabularien wird lat. cornus mit hagdorn und Varianten übersetzt, vgl. Diefenbach 1857, Sp. 152b; Vocabularius Ex quo, Bd. II, C 1054; Vocabularius optimus, Bd. II, 48.105; Uber ordinis rerum, Bd. I, 379, 21; Closener/Twinger, Bd. I, S. 363 f., Co 343. Vgl. Marzell 3, Sp. 1403 ff. Lat. cornum wird in den Vokabularien überwiegend mit hagebute und Varianten übersetzt, vgl. Diefenbach 1857, Sp. 152ab; Vocabularius optimus, Bd. II, 48.106; Uber ordinis rerum, Bd. I, 379, 22; Closener/Twinger, Bd. I, S. 363, Co 342. Vgl. Marzell 1, Sp. 229. Bei Diefenbach 1857, Sp. 6c steht neben most von slehen und slehensap auch apffelmost und pirenmost jeweils mit Varianten. Der Vocabularius Ex quo erklärt lat. accasia z.B. mit est succus expressus a pomis uel piris (Bd. II, A 79). Im Uber ordinis rerum wird mit sleesap übersetzt (Bd. I, 381, 37.2).

III. 2. Übersetzungstechnik

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Bombicina ,Baumwollkleid' (27.58) angeschlossen wird. 134 Zudem wird Syndon ,feines Baumwollgewebe' mit samat oder wisser pfeller ,Samt oder weiße Seide' (27.29) übersetzt. 135 Die Untersuchung ausgewählter lateinisch-deutscher Wortgleichungen hinsichtlich der Übereinstimmung der Bedeutung von lateinischem Lemma und deutschem Interpretament zeigt, daß beispielsweise zwischen der Aktionsart lateinischer Verben bezüglich Beschreibung eines Zustands oder Vorgangs nicht nur von Brack sondern auch in den anderen mittelalterlichen Vokabularien nicht differenziert wurde, was vielleicht auf eine andere bzw. zusätzliche Bedeutung dieser Verben im Mittellateinischen verweist.136 Die Verwechslung lateinischer Wörter ist einerseits wohl auf Brack zurückzuführen, wie z.B. bei der Übersetzung von Plagiator (IP.40), aber andererseits wurden mit den Verdeutschungen von Biothanatos (IB 13) und Scenofactor bzw. Scenofacio (VS.05, VS.04) in der Vokabulartradition fest verwurzelte Vertauschungen griechischer und lateinischer Wörter von Brack angeführt. Zu den Unstimmigkeiten hinsichtlich volkssprachiger Übersetzungen, die Brack zuzuschreiben sind, gehören wohl z.B. auch die deutschen Interpretamente zu Lymphaticus (IL.22), Armentum (92.08), Falco (VF.03), Canapellus (98.63), Monedula (98.45), Moracelsi (102.74) und Vlmus (102.106). Aber die fragwürdigen Übersetzungen von z.B. Calx (73.05), Fucus (96.08), Cotornix (98.76), Brancia (97.06), Accasia (46.52), Cornus und Cornum (102.69, 102.70) finden sich auch in anderen Vokabularien des Spätmittelalters, so daß wohl allgemein übliche und verbreitete Verdeutschungen aus vorhandenen Wörterbüchern bzw. im Schulunterricht vermittelte Übersetzungen von Brack übernommen wurden. Durch einige volkssprachige Interpretamente liegen möglicherweise mittelalterliche Bedeutungen antiker Wörter vor, die in den Wörterbüchern noch nicht erfaßt sind.137

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Lat. bombyx .Seidenraupe' übernimmt im Mittellateinischen die Bedeutung .Baumwolle', was auf einem Irrtum von Plinius beruht, der meinte, daß Baumwolle von einem der Seidenraupe ähnlichen Insekt hergestellt würde. Vgl. Plinius: Historia naturalis XI, Kapitel 25, 75 ff. Im Vocabularius Ex quo wird mit ein tuch übersetzt (Bd. V, S 694). Die Drucke des Vocabularius optimus haben Sindo samat, weisser pfeller (Bd. II, 17.083) und der Liber ordinis rerum hat Sindo sindal (Bd. I, 210, 8). So ist z.B. zu Areo (VA.60), das von Brack mit dürren .trocken werden, verdorren' übersetzt wird, aber im klassischen Latein .trocken sein' bedeutet, im Mittellateinischen auch die Lesart ,dick, fest werden' bezeugt. Vgl. MLWb., Bd. I, Sp. 926. Vgl. Ijsewijn 1981, S. 73.

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

III. 3. Quellen Der in Wenzeslaus Bracks Kompendium enthaltene Vocabularius rerum beim zweiten lexikographischen Abschnitt wird das X. Buch von Isidors Etymologiae bereits im Titel als Quelle genannt und das Verbvokabular ist ein Exzerpt aus dem Verbteil des Vocabularius brevilogusm - wird hinsichtlich möglicher Vorlagen zunächst mit früheren, im deutschen Sprachraum überlieferten sachlich geordneten Wörterbüchern verglichen. Beeinflussend kann auch die Schulliteratur des Spätmittelalters in Form von Grammatiken und Kommentaren zu römischen Autoren gewirkt haben, was in einem zweiten Abschnitt untersucht wird. Schließlich steht der Vocabularius rerum als Sachvokabular im Traditionszusammenhang mit den Enzyklopädien der Antike und des Mittelalters, die in Bezug auf die Anordnung der Sachbereiche sowie die Strukturierung der Artikel als Vorlage gedient haben können.

III. 3. 1. Vokabularien Der Vocabularius rerum von Wenzeslaus Brack ist als Sachvokabular zunächst mit älteren zweisprachigen im deutschen Sprachraum überlieferten Vokabularien mit sachlicher Anordnung zu vergleichen.139 Der am Ende des 8. Jahrhunderts entstandene Vocabularius Sancti Galli enthält das erste nach Sachgruppen geordnete lateinisch-althochdeutsche Glossar, überliefert etwa 450 deutsche Wörter und ist nur in dem kleinformatigen Codex 913 der Stiftsbibliothek St. Gallen bezeugt.140 Die Sachgebiete weisen folgende Anordnung auf: Pflanzen - Gewässer - Mensch (Stand, Körperteile, Eigenschaften, Verwandtschaft, Krankheiten) - Tiere - Erde - Ackerbau - Straßen - Häuser Himmel - Wettererscheinungen - Jahreszeiten. Der Vocabularius Sancti Galli diente mit seinen Wort-für-Wort-Übersetzungen vermutlich auf Reisen als Sprachführer fur praktische Zwecke. Grundlage des Sachglossars ist ein griechisch-lateinisches Wörterbuch, das den ersten Teil eines antiken Schulbuchs, der Hermeneumata pseudodositheana aus dem 3. Jahrhundert, bildet. In England wurde das griechisch-lateinische Sachglossar im 7. Jahrhundert zu einem lateinisch-angelsächsischen Glossar umgearbeitet. Im Vocabularius Sancti

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Vgl. zum Isidor-Vokabular Kapitel III. 3. 3. 1. und zum Verbvokabular Kapitel III. 3. 1.2. Dieser Vergleich kann nur exemplarisch anhand einiger ausgewählter Vokabularien erfolgen, da die Vokabularliteratur hauptsächlich handschriftlich vorliegt und nicht ediert ist. Vgl. Grubmüller 1967, S. 5; Diefenbach 1857, S. XIII ff.; Diefenbach 1867, S. XII ff. Vgl. Mettke 1999; Baesecke 1933 mit Abbildungen (Tafel 1 und 2); Splett 1998, S. 223; Ahd. Gl. III, S. 1-8; IV, S. 459 ff. Der Vocabularius Sancti Galli enthält neben dem Sachglossar auch Gesprächsreste, Reste eines alphabetischen Glossars und Glossen zu Aldhelms Carmen.

III. 3. Quellen

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Galli wurden die angelsächsischen Übersetzungen schließlich durch althochdeutsche ersetzt. Dieses erste überlieferte Sachglossar weicht in seinem Gesamtaufbau, in der Reihenfolge der Lemmta und durch seine Wort-für-WortÜbersetzungen erheblich vom Vocabularius rerum Wenzeslaus Bracks ab, so daß wohl keine Verbindungen zwischen diesen beiden Sachvokabularien bestehen. Bemerkenswert große Ähnlichkeit weist der Vocabularius rerum dagegen mit dem im 11. Jahrhundert im fränkischen Raum entstandenen Summarium Heinrici auf, ein auf der Grundlage von Isidors Etymologiae nach Sachgruppen angelegtes lateinisches Vokabular mit spätalthochdeutscher Glossierung, die in den fortlaufenden lateinischen Text integriert ist.141 Das Summarium Heinrici enthält das Standardwissen des Mittelalters und ist in einer 10-Bücher-Fassung und in einer umgearbeiteten und gekürzten 6-Bücher-Fassung überliefert.142 Als elftes Buch schließt ein alphabetisch geordnetes Vokabular mit hebräischen, griechischen, lateinischen Lemmata und deutschen Interpretamenten an, das in einer Lang- und einer Kurzfassung bezeugt ist.143 Das Summarium bzw. einzelne Teile des Gesamtwerks sind in über 40 Handschriften vom Beginn des 12. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts überliefert.144 Das erste Buch der 10-Bücher-Fassung ist ein Exzerpt aus Priscians lateinischer Grammatik.145 Mit dem zweiten Buch, in dem Themenkomplexe aus dem Trivium und Quadrivium nach Isidor, Beda und Cassiodor behandelt werden, beginnt die spätalthochdeutsche Glossierung. Die Etymologiae Isidors von Sevilla bilden die Vorlage und Quelle aller folgenden, nach Sachbereichen geordneten Bücher:146 Gott, Engel - Mensch (Verwandtschaftsbeziehungen, Körper, Lebensalter) Zoologie - Botanik - Kosmologie - Meteorologie - Erde, Landschaftsformen Steine, Metalle, Maße und Gewichte - Städtewesen, Architektur - Völker, geistliche und weltliche Würdenträger, Stände, Berufe - Krankheiten - Kleidung - Speisen und Getränke - Kriegswesen - Gerichtsbarkeit - Schiffahrt Fischerei - Ackerbau - Medizin. Das Summarium überliefert insgesamt über 4000 Glossen, darunter viele Erstbelege, und diente wohl als Lehrbuch für den Elementarunterricht in den Klosterschulen.147 Der Vergleich des Vocabularius rerum mit dem Summarium Heinrici zeigt, daß bei einem unterschiedlichen Gesamtaufbau abschnittweise die gleiche Anordnung von Sachkapiteln und ei-

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Vgl. Hildebrandt 1995, Sp. 515 ff.; Splett 1998, S. 223 f.; Edition von Hildebrandt 1974 und 1982 sowie die Erschließung des Wortschatzes von Hildebrandt/Ridder 1995. Vgl. Hildebrandt 1982, S. XXV f. Vgl. Hildebrandt 1982, S. XXXIII ff. Vgl. Hildebrandt 1995, Sp. 510 ff.; Hildebrandt 1974, S. XXII ff.; Hildebrandt 1982, S. XXV f.; Hildebrandt/ Ridder 1995, S. XX f. Zu Priscians Grammatik vgl. Kapitel III. 3. 2. Vgl. die Synopse der Textparallelen in Hildebrandt 1974, S. XXVI ff. Vgl. Hildebrandt 1995, Sp. 510 f.

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

ne annähernd ähnliche Abfolge der Lemmata vorliegt,148 wobei einzelne Stichwörter wiederum vergleichbare lateinische Interpretamente aufweisen.149 Auffällig ist zudem, daß die zwei Kapitel mit Aufzählungen von Tierstimmen in beiden Werken vorkommen.150 Diese Kapitel sind mit den Tierstimmenlisten der Carmina Burana zu vergleichen und das Kapitel mit den Vogelstimmen weist daneben auch Übereinstimmungen mit dem sogenannten Pseudo-Isidor auf.151 Unterschiede bestehen z.B. darin, daß die im Summarium aufgelisteten Namen von Gewässern (V, 8-11), Ländern, Landschaften und Inseln (V, 1215), Bergen (V, 16), Städten (VII, 1, 3) und Völkern (VIII, 1) in Bracks Sachvokabular nicht vorkommen. Letztendlich sind die Gemeinsamkeiten wohl darauf zurückzufuhren, daß beide Werke Isidors Etymologiae als Vorlage und Quelle verwendet haben.152 Der Vocabularius rerum von Wenzeslaus Brack wird häufig mit dem vor 1330 von Johannes Kotman verfaßten, sachlich geordneten Vocabularius optimus verwechselt.153 Der Hinweis, daß Wenzeslaus Brack möglicherweise den Vocabularius optimus als Quelle fur sein Sachvokabular genutzt hat, wird in einem gesonderten Kapitel durch einen Vergleich beider Vokabularien überprüft.154 Ein weiteres mit dem Vocabularius rerum zu vergleichendes Sachvokabular liegt durch den am Ende des 14. Jahrhunderts im niederdeutschen Sprachraum entstandenen Liber ordinis rerum vor.155 Das Wörterbuch ist fur den Schulgebrauch konzipiert, durch über 70 Handschriften von 1400 bis 1502 in zwei Redaktionen, einer Lang- und einer Kurzfassung, überliefert und wurde nicht gedruckt.156 Ein Textzeuge ist die ehemals Donaueschinger Handschrift 56 aus dem Jahr 1486, die als ersten Teil die Kurzfassung des Liber ordinis rerum und als zweiten die drei Vokabularien aus Bracks Kompendium

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Vgl. z.B. folgende Kapitel des Vocabularius rerum mit der 10-Bücher-Fassung des Summarium Heinrict Kapitel 14, 15 mit III, 5-7; 45-47 mit IX, 15-18; 51-52 mit IX, 21-22; 55-57 mit VIII, 2-4; 58-60 mit VIII, 14-16. Vgl. z.B. Azismus (45.29) mit IX, 15, Z. 300; Aminium (46.12) mit IX, 16, Z. 357 f.; Cupus (48.19) mit IX, 18, Z. 414 f. Vgl. Bracks Kapitel 99 mit III, 20 und 100 mit III, 19, dazu Hildebrandt 1974, S. XXVI. Vgl. Fischer/Kuhn/Bernt 1974, Nr. 132; Migne 1850, Sp. 758, Appendix XVII. Vgl. Kapitel III. 3. 3. 1. Zum unterschiedlichen Aufbau des Summarium Heinrici und Vocabularius rerum vgl. auch die Synopse der Textparallelen in Hildebrandt 1974, S. XXVI ff. mit der Gegenüberstellung von Textstellen des Vocabularius rerum mit Isidors Etymologiae, Kapitel III. 3. 3. 1., S. 90 f. Vgl. Hain 3699; DWb. 33, Sp. 971; Müller 1882, S. 206; Zaunmüller 1958, Sp. 92; Hänger 1972, S. 63 f. Auf die Verwechslung von Hain machen Scholdrer 1913, S. 61 und Goldschmidt 1920, S. 120, Anm. 2 aufmerksam. Ohly/Sack 1967 verweisen von Brack, Wenzeslaus (S. 128) auf einen Vocabularius, lateinisch-deutsch (Nr. 2994,2995, S. 552), bei dem es sich jedoch um den Vocabularius optimus handelt. Vgl. Kapitel III. 3. 1. 1. Vgl. Schmitt 1985; Edition von Schmitt 1983. Vgl. Schmitt 1983, Bd. I, S. VIII ff.; XIII ff.

III. 3. Quellen

67

enthält.157 Die Langfassung enthält etwa 9500 lateinische Lemmata und ist mit Ausnahme von drei alemannischen Handschriften im nieder- und mitteldeutschen Raum in insgesamt 11 Textzeugen überliefert, die Kurzfassung weist ungefähr 6000 Stichwörter auf und ist überwiegend im bairisch-österreichischen Gebiet bezeugt. 158 Das Wortmaterial ist zunächst unter grammatischen Gesichtspunkten nach Substantiven, Adjektiven, Verben und Determinativen eingeteilt, innerhalb dieser Strukturierung liegt eine Ordnung nach Sachbereichen mit insgesamt 250 Kapiteln vor. Es handelt sich bei Bracks Vocabularius rerum aber keinesfalls um eine „Überarbeitung" des Lib er ordinis rerum,159 Der Liber ordinis rerum unterscheidet sich in seinem ersten substantivischen Teil mit 130 Sachkapiteln durch einen vollkommen anderen Gesamtaufbau, eine verschiedene Reihenfolge der Stichwörter sowie durch die überwiegend aus Wort-für-Wort-Gleichungen bestehenden Übersetzungen deutlich von der Strukturierung der Sachbereiche, der Artikel und der Form der Lemmakommentierung im Vocabularius rerum}60

III. 3. 1. 1. Vocabularius optimus Der Vocabularius optimus ist vor 1330 von dem aus Luzern stammenden Konstanzer Schulleiter Johannes Kotman verfaßt worden 161 und soll Wenzeslaus Brack als Vorlage für seinen Vocabularius rerum gedient haben. 162 Der Vocabularius optimus ist in 18 Handschriften und zwei Augsburger Drucken (Günther Zainer, nicht nach 1474; Johann Keller, 1478) bis in die 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts in fünf redaktionellen Bearbeitungen im oberdeutschen Sprachraum überliefert. 163 Der Vocabularius optimus enthält in seiner ursprünglichen Fassung, in der Autorhandschrift Johannes Kotmans (Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität, Cod. F III 21, lr-23rb), etwa 3000 substantivische

157 158

159 160 161 162

163

Vgl. K a p i t e l l ! 1. Vgl. Schmitt 1985, Sp. 765 f. Als Quellen des Liber ordinis rerum vermutet Schmitt Einzelglossare zu begrenzten Themenbereichen und schließt die großen Realenzyklopädien als Vorlagen aus (vgl. Schmitt 1983, Bd. I, S. XCIII). Vgl. Grubmüller 1990, S. 2039. Vgl. die Edition des Vocabularius rerum mit Schmitt 1983, Bd. I, S. 1 ff. Vgl. Wackernagel 1847 und die Edition von Bremer 1990. Zu Johannes Kotman vgl. Bremer 1990, Bd. I, S. 43-54. Vgl. auch Diefenbach 1857, S. XIX, Sigle 93. Vgl. Diefenbach 1857, S. XVII; Hänger 1972, S. 63 f.; Bremer 1985, Sp. 326. Grundlegende Unterschiede zwischen den beiden Vokabularien stellten dagegen bereits Scholdrer 1913 (1966), S. 61 und Müller 2001, S. 303 fest. Vgl. Bremer 1990, Bd. I, S. 77-85. Zur Wiener Handschrift des Vocabularius optimus vgl. Pleuger 2000. Bremer sieht einen möglichen Grund für das Ende der Überlieferung des Vocabularius optimus darin, daß der Bedarf eines Sachvokabulars bereits durch den in mehreren Auflagen gedruckt vorliegenden Vocabularius rerum von Wenzeslaus Brack gedeckt war (vgl. Bremer 1986, S. 174).

68

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Lemmata und handelt in 55 Kapiteln über den Menschen und seine mittelalterliche Lebenswelt:164 Mensch - Verwandtschaft und Schwägerschaft Gebäude - Hausrat - Kirche - Landwirtschaft - Handwerksberufe: Müller, Bäcker, Fleischer, Schmied, Zimmermann - Kleidung und Schmuck - Bettzeug - Berufe: Gerber, Schuhmacher, Kürschner, Krämer, Schreiber, Maler, Winzer - Reiten - Wagen - Schiffahrt - Krieg - Straftäter und Folterinstrumente Berufe: Arzt, Bader, Kaufmann - Münzwerte und Gewichte - Musik und Spiele - Geistliche Personen - Rechtsbereich - Wissenschaft und Zauberei - Weltliche Amts- und Würdenträger - Knechtschaft und Dienstbarkeit - Religion - Kollektive Personenbezeichnungen - Krankheiten - Zoologie - Botanik - Mineralogie - Welt - Landschaftsformen - Witterung - Zeitrechnung - Himmel. Das Vokabular ist in Form lateinisch-deutscher Wortgleichungen angelegt, enthält etwa 60 Merkverse und nur vereinzelt lateinische Erläuterungen.165 Bis der Vocabularius optimus schließlich von Günther Zainer und Johann Keller in Augsburg gedruckt wird, ist das Vokabular mehrfach bearbeitet worden.166 Durch Hinzufügen von Zwischenüberschriften wurden einzelne Kapitel in mehrere Kapiteleinheiten differenziert:167 Sechsteilung des 13. Kapitels, Dreiteilung des 5., 12., 17., 21. und 41. Kapitels und Zweiteilung der Kapitel 30-32, 39, 44, 45, 47. Die Abschnitte 16 und 34 kommen neu hinzu, die Kapitel 7, 9, 22, 24, 38, 49 sowie 51-57 entfallen. Zudem wurden großflächige Kapitelumstellungen vorgenommen. Der Vocabularius optimus enthält in den Druckexemplaren schließlich 65 Kapitel. Die Wortartikel wurden um einige Merkverse, grammatische Siglen nach dem Vorbild des Vocabularius Ex quo sowie vor allem um ausführliche lateinische, etymologische und enzyklopädische Erklärungen ergänzt. Die Struktur der Wortartikel sieht in den Drucken folgendermaßen aus: Grammatischer Sigle folgen Lemma mit volkssprachigem Interpretament und danach der lateinische Text, manchmal auch ein Merkvers. Für die Sachgruppen ergibt sich folgende Reihenfolge: Mensch - Verwandtschaft und Schwägerschaft - Kleidung und Schmuck - Bettzeug - Krieg - Schiffahrt Private, religiöse und öffentliche Gebäude - Hausrat: Sitzmöbel, Behältnisse Reiten - Münzwerte und Gewichte - Hausrat: Gefäße, Geschirr - Landwirtschaft: Ställe, Maße - Wagen - Landwirtschaft: Ackerbau, Arbeitsgeräte, Hirten - Handwerksberufe: Schreiber, Schmied, Zimmermann, Maurer - Kirche Folterinstrumente - Musik und Spiele - Landwirtschaft: Getreide, Gemüse, Speisen - Berufe: Winzer, Müller, Bäcker, Fleischer, Fischer, Jäger, Vogelfänger, Gerber, Schuhmacher, Schneider, Kaufmann - Unehrenhafte Personen und

164 165 166

167

Vgl. Bremer 1990, Bd. I, S. 102-106 und Bd. II. Vgl. Bremer 1990, Bd. II, 32.013, 53.003, 57.001, nach 57.008. Vgl. Bremer 1990, Bd. I, S. 77-85, 102-106. Beide Drucke sind nahezu identisch und werden nach der Überschrift über dem Inhaltsverzeichnis auch als Registrum vocabularii sequentis bezeichnet (vgl. Claes 1977, Nr. 4 und 17). Vgl. die Kapitelsynopse in Bremer 1990, Bd. I, S. 102 ff.

III. 3. Quellen

69

Straftäter - Berufe: Bader, Arzt - Wissenschaft und Zauberei - Rechtsbereich Geistliche und weltliche Amts- und Würdenträger - Knechtschaft und Dienstbarkeit - Religion - Kollektive Personenbegriffe - Krankheiten - Zoologie Botanik. Nach Diefenbach weist Bracks Vocabularius rerum auch Gemeinsamkeiten mit einem Vocabularius rerum auf, der 1468 von Johann Keller in Augsburg gedruckt wurde.168 Aufgrund eines Vergleichs der Übersetzungen und lateinischen Erläuterungen dieses Drucks bei Diefenbach mit den Entsprechungen im 1478 von Johann Keller in Augsburg gedruckten Vocabularius optimus,169 kann vermutet werden, daß es sich bei Kellers Vocabularius rerum von 1468 entweder um eine frühere Druckauflage des Vocabularius optimus oder um Kellers Ausgabe von 1478 handeln muß.170 Diefenbach beschreibt das von ihm bearbeitete Vokabular Zainers als Redaktion von Κ. V, die mit diesem durchaus identisch sei,171 und bezieht sich damit wohl auf den Augsburger Druck des Vocabularius optimus von Günther Zainer (nicht nach 1474).172 Die Kapitel des Vocabularius optimus weisen in den Augsburger Drucken von Günther Zainer (nicht nach 1474) und Johann Keller (1478) folgende Überschriften auf:173 1. De homine et de diuersis membris in eo existentibus (1, 2) [15, 16, 14] 174 2. Sequitur de homine et de diuersis conditionibus (4) [13] 3. Sequitur de consanguinibus et affinibus (3) [18, 23]

168

169

170

171 172 173

174

Vgl. Diefenbach 1867, S. XXI. Dieser Druck ist im Novum Glossarium mit der Sigle Κ. V. versehen. Kellers Druck von 1468 wird z.B. bei Claes 1977 nicht aufgelistet und laut Geldner ist Johann Keller nur zwischen 1478 und 1482 nachweisbar (vgl. Geldner 1968, S. 144). Vgl. Bremer 1990, Bd. I, S. 34 f.; Bd. II, Sigle 16 bzw. Redaktion C2. Kellers Druck enthält auf dem letzten Blatt das Kolophon Finit vocabularius rerum. Ex officina Johannis Keller in Augusta. Anno domini M. CCCC. Lxxviij. Vgl. z.B. Clauus (N96a; 28.059, 35.041), Crucibulum (N121a; 23.033), Diafragma (N133b; 1.111), Discrimen (N137b; 18.013), Dormitorium (N141a; 5.062), Genetliacus (N190b; 38.026), Labrusca (N225b; 25.024), Lira (N237a; 35.018), Monocordium (N256b; 35.020), Pila (N291b; 10.071), Teristrum (N362b; 17.101). Die Angaben in Klammern vor dem Semikolon beziehen sich auf Diefenbachs Novum Glossarium, die Ziffern danach auf Bremers Edition des Vocabularius optimus. Vgl. Diefenbach 1867, S. XXII. In Bremers Edition des Vocabularius optimus wird der Augsburger Druck des Sachvokabulars von Johann Keller aus dem Jahr 1468 nicht erwähnt. Vgl. Bremer 1990, Bd. I, S. 33 f. Die Kapitelübersicht basiert auf einer Autopsie von Exemplaren des Vocabularius optimus der BSB München: Augsburg nicht nach 1474, Günther Zainer (2 Inc. s. a. 1239); Augsburg 1478, Johann Keller (2 Inc. c. a. 797). Vgl. dazu den Inkunabelkatalog der BSB München, Bd. 5, V-290, V-291. Vgl auch die Kapitelsynopse und Edition von Bremer 1990, Bd. I, S. 102-106; Bd. II. Zainers Druck trägt in der Edition die Sigle 15, Kellers Druck Sigle 16, beide Drucke gehören zur Redaktion C2. Zu Zainer vgl. Geldner 1968, S. 132 ff.; Künast 1997, S. 86 ff., 220 ff., Graphik 102-105. Zu Keller vgl. Geldner 1968, S. 144 ff. Die Ziffern in runden Klammern beziehen sich auf die Kapitel der Edition des Vocabularius optimus, die Ziffern in eckigen Klammern auf das bzw. die entsprechenden Kapitel im Vocabularius rerum von Brack.

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

70

4. Sequitur de panno et de his que requiruntur adfactionem panni (17a) [26] 5. Sequitur de nominibus vestium quibus vti solent layci (17b) [27] 6. De nominibus vestium quibus vti solent sacerdotes (19) [28] 7. De indumentis pedum et crurum (17c) [29] 8. De ornamentis quibus homines solent ornari (18) [30, 29] 9. De lectisternijs et eorum utensilibus quibus vti solent homines (20) [31, 53] 10. De armis quibus homo solet se defendere (29) [25] 11 .De vocabulis pertinentibus ad artem nauigandi (28) [32, 33] 12. De nominibus mansionum in quibus homines solent morari et quietem habere (5a) [34, 3 7 ]

13. De nominibus significantibuspartes edificij habitationis humane (5b) [34, 37] 14. De nominibus significantibus edificia sacra in quibus homo deum solet orare (5c) [35] 15 .De nominibus significantibus vtensilia super quibus iudices et reges vel prelati solent sedere et iudicare (6) [53] 16. De nominibus significantibus vtensilia in quibus res seruabiles continentur (8) [51] 17. De nominibus significantibus vtensilia quibus vtimur circa equos (26) [68] 18. De nominibus significantibus mensuras necessarias pro communicatione rerum quibus vtimur communiter (32b) [42] 19. De nominibus significantibus vtensilia domus (10) [47-50, 52] 20. De nominibus significantibus seruatoria et instrumenta particularia ad frumenta et pascua (11) [43, 66] 21 .De nominibus significantibus instrumenta pertinentia ad curros et quadrigas (27) [54] 22. De nominibus rusticorum et instrumentorum et rerum et vasorum rusticalium plurimorum (13a,b,c) [61-63, 67, 44, 45] 23. De nominibus significantibus ea que pertinent ad scriptores (23) [69] 24. Sequitur de fabris et instrumentis eorum (14) [70, 71] 25. Sequitur de fabris lignarijs et instrumentis eorum (15) [72] 26. De murarijs et instrumentis eorum (16) [73] 27. De nominibus ornamentorum et instrumentorum pertinentium ad cultum dei (12a) [74] 28. De nominibus librorum ecclesie pertinentium ad cultum dei (12b) [75] 29. De nominibus locorum vbi solent sepelire corpora humana (12c) [36] 30. De nominibus locorum et instrumentorum penalium qui malefactoribus pene infliguntur (30b) [80] 31. De nominibus instrumentorum quibus lusores vtuntur (33) [79] 32. Sequitur de nominibus instrumentorum artificialium quibus vtimur ad consonantias musicales (35) [78] 33. De nominibus cultorum agrorum et eorum que pertinent ad culturas agrorum (13e) [64, 65] 34. De nominibus significantibus potus humanos et que pertinent ad tales potus et de instrumentis vinitorum (25) [91, 46] 35. De nominibus mollitorum et instrumentis eorum (13d) [82] 36. De nominibus pistorum et eorum instrumentorum que pertinent ad eos (13f) [82, 45] 37. De nominibus cocorum et eorum que pertinent ad eos (13g) [45] 38. De vocabulis carnificum vel lanistarum et eorum instrumentis (13h) [83]

III. 3. Quellen

39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50.

De De De De De De De De De De De De

71

vocabulis piscatorum et eorum instrumentis (47a) [81] nominibus venatorum et eorum instrumentis (45b) [81] nominibus aucupum et eorum instrumentis (44a) [81] nominibus cerdonum et eorum que pertinent ad eos (21a) [84] nominibus sutorum et eorum instrumentis (21b) [84] nominibus pelliflcum et sartorum et eorum instrumentis (21c) [84, 26] nominibus mercatorum et eorum que pertinent ad eos (32a) [85] nominibus inutilium et vanorum seu vagantium hominum (34) [23] nominibus tortorum et malefactorum (30a) [23] nominibus balneatorum et eorum que pertinent ad eos (31b) [86] medicis et eorum que pertinent ad medicine artes (31a) [90] nominibus magistrorum in scientijs liberalibus et eorum instrumentis (39b) [58,

59] 51. De nominibus dictatorum et eorum que pertinent ad eos (39a) [59] 52. De nominibus sapientum quipresciunt futura dubia et occulta (40) [60] 53. De nominibus officiorum iudicum et operum ac aliorum que concurrunt ad iudiciariam causam et cognitionem (37) [87] 54. De nominibus dignitatum ecclesiasticarum et officiorum eiusdem (36) [55, 56] 55. De nominibus dignitatum secularium personarum (41a) [25, 24] 56. De nominibus significantibus conditiones hominum propriorum (41b) [24] 57. De nominibusprofessionum (41c) [57] 58. De nominibus collectiuis hominum (42) [25, 24] 59. De nominibus quarundam egritudinum (43) [15, ab 15.282, 16] 60. De nominibus quadrupedum secundum ordinem alphabeti (45a) [92-94] 61. De nominibus auium secundum ordinem alphabeti (44b) [98, 96] 62. De nominibus piscium (47b) [97] 63. De nominibus vermium et serpentum secundum ordinem alphabeti (46) [96, 95] 64. De nominibus arborum in generali secundo in speciali secundum ordinem alphabet i c ) [101, 102] 65. De nominibus

graminum

et herbarum secundum

ordinem alphabeti

(50) [103, 104]

In den Drucken des Vocabularius optimus sind von 22 Sachkapiteln des Vocabularius rerum keine Entsprechungen nachweisbar. Es handelt sich um Bracks Kapitel 1-12 (De celo et eius partibus, De nominibus dei, De filio dei, De sancto spiritu, De angelis et choris, De tempore, De die et eius partibus, De nocte et suis partibus, De ebdomoda, De mensibus, De anni partibus, De impressionibus), 17 (De complexionibus), 38-41 (De terre vocabulis, De locis terre, Loca terre inferiora, De itineribus), 76-77 (De festis et offlcijs sacris, De officijs sacris), 88-89 (Instrumenta legalia, De rebus) und 105 (De lapidibus et gemmis). Ein Vergleich der Kapitelüberschriften des Vocabularius rerum mit denen des Vocabularius optimus in den Drucken von Günther Zainer und Johann Keller zeigt, daß keine genau übereinstimmt. 175 Gewisse Ähnlichkeiten weisen folgende Überschriften auf: De indumentis pedum et crurum (B: 29 +

175

Bei diesem Vergleich bleiben Kapitel 19-22 und 99-100 des Vocabularius rerum unberücksichtigt. Der Vergleich der Kapitelüberschriften Bracks mit denen der Autorhandschrift Johannes Kotmans zeigt, daß nur De piscibus und De lapidibus et gemmis übereinstimmen.

72

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

capitis et ceterorum, Z/K: 7),176 De lectisternijs (B: 31, Z/K: 9 + et eorum utensilibus quibus vti solent homines), De medicis (B: 90, Z/K: 49 + et eorum que pertinent ad medicine artes), Β: De fabris et eorum instrumentis (70) Z/K: Sequitur de fabris et intrumentis eorum (24), B: De fabris lignarijs (72) Z/K: Sequitur de fabris lignarijs et instrumentis eorum (25), B: De murarijs et eorum instrumentis (73) - Z/K: De murarijs et instrumentis eorum (26). Hinsichtlich der Kapitelanordnung zeigen sich nur in wenigen Bereichen Übereinstimmungen. Die Abschnitte über Kleidung und Bettzeug (B: 26-31, Z/K: 4-9), Schiffahrt und Gebäude (B: 32-35, Z/K: 11-14), Handwerksberufe wie Schreiber, Schmied, Zimmermann, Maurer (B: 69-73, Z/K: 23-26),177 Kirche (B: 7475, Ζ/Κ: 27-28)178 und über Bäume und Kräuter (B: 101-104, Z/K: 64-65) sind in den Sachvokabularien in der gleichen Reihenfolge angeordnet. Die Wortartikel innerhalb des Themenbereichs Kleidung weisen in bestimmten Abschnitten von zwei Kapiteln (B: 26, Z/K: 4 und B: 29, Z/K: 7) teilweise die gleiche Abfolge aber nicht immer übereinstimmende volkssprachige Übersetzungen auf:179 Lana (26.01, 17.003), B: woll, Z/K: woll Linum (26.03, 17.005), B: flachs, Z/K: flachs Bissus (26.04, 17.006), Β: -, Z: guter flacks, Κ: guter flachs Canabum vel Canabis (26.05), Canabis (17.008), B: haniff, Z/K: hanff Stupa (26.06), Stuppa (17.009), B: reyst oder kunckelflachs, Z/K: Tumetum (26.07, 17.010), B: werck, Z/K: awerck Sericum (26.09, 17.014), B: syde, Z/K: seid Bombex (26.10, 17.016), B: boumwoll, Z/K: bomwoll Filum (26.12, 17.017), faden, Z / K : f a d e n Glomus (26.13, 17.019), Β: kluel, Ζ: knüli, Κ: knüli Colus (26.14, 17.021), B: kunckel, Z/K: rock, gunckel Fusum vel Fusa (26.15), Fusus (17.022), B: spindel, Z/K: spindel Alabrum (26.17, 17.027), B: haspel, Z/K: haspel Girgillus (26.18, 17.028), B: garnstal, Z/K: garnstoll Panus (26.21, 17.029), B: spuol, Z/K: spül Subtela (26.24, 17.031), B: spuolsel, Z/K: sei, spul Vertibulum (26.25, 17.033), B: spuolysen, Z/K: spüleysen

176 177 178 179

Wenzeslaus Brack wird mit B, Günther Zainer mit Ζ und Johann Keller wird mit Κ abgekürzt. Die Ziffern beziehen sich auf die entsprechenden Kapitel bei Brack und Zainer/Keller. Dieser Themenbereich kommt in Isidors Etymologiae in dieser Form nicht vor. Vgl. Kapitel III. 3 . 3 . 1. Bei diesen beiden Kapiteln konnten keine Übereinstimmungen mit Isidors Etymologiae festgestellt werden. Bei den folgenden Beispielen aus dem Vocabularius optimus und dem Vocabularius rerum werden Getrennt- und Zusammenschreibung normalisiert. Bestimmte und unbestimmte Artikel entfallen. Kommas werden hinzugefügt. Die erste Ziffer bezieht sich auf die Edition von Bracks Vocabularius rerum, die zweite auf die Edition des Vocabularius optimus (Bremer 1990, Bd. II).

III. 3. Quellen

73

Calceus (29.08, 17.138), B: schuoch, Z/K: schüch Sotular (29.09), Socular (17.140), B: prißschuoch, Z/K: breißschüch Ocrea (29.10, 17.141), Crepida (29.11, 17.142), B: styfel, Z/K: lederhoß, stiuel Culpo (29.12, 17.144), B: prißschuoch, Z/K: buntschüch, baurenschüch Pero (29.13, 17.145), B: paurschuoch, Z/K: buntschüch, baurenschüch Coturnus (29.14, 17.146), B. -, Z/K: filtzschüch, mettinschüch Paticus (29.15), Patitus (17.147), B: sockel, Z: sockelen, K: sockeln Solea (29.17, 17.149), B: sool, Z/K: sol

Ein Stichwort im erstgenannten Kapitel wurde mit vier gleichen Übersetzungen ins Deutsche übertragen: Licium (26.31, 17.041), B: bi(n)dfaden, harlauff oder -warffband vel kam vel weff, Z/K: harlauff, warffband, kam, Z: wepff K: weff. Innerhalb der Themenbereiche Schiffahrt, Gebäude und Handwerksberufe sind die Wortartikel der beiden Vokabularien unterschiedlich angeordnet. Übereinstimmungen hinsichtlich der Reihenfolge einiger Artikel sowie lateinischer Erklärungen sind in einem kurzen Abschnitt im Kapitel über Gegenstände, die im Gottesdienst verwendet werden (B: 74, Z/K: 27), festzustellen: Vexillum (74.02, 12.009), B: dicitur a velum quasi per diminutionem quasi velulum. fan Z/K: van. [...] Et dicitur vexillum per diminucionem α nomine velum. Calix (74.03, 12.034), B: kelch, Z/K: kelch Patena (74.04, 12.035), B: paten, Z/K: paten Pixis (74.05, 12.037), B: büchs, Z/K: Ciborium (74.06, 12.038), B: cristenbüchs. sicut sacramentum quod est anime. cibus in eo seruatur, Z: cristenbüchs, K: cristenbüchs, Z/K: [...] Et dicitur α cibus, quia sacramentum, quod in ipso seruatur, est cibus anime. Ampulla (74.07), Ampula (12.039), B: alterkenttlin, Z/K: ampel

Obwohl die Kapitel über Bäume und Kräuter in beiden Vokabularien die gleiche Reihenfolge aufweisen, ist ihr inhaltlicher Aufbau im Hinblick auf die Abfolge der Wortartikel doch sehr unterschiedlich, zumal die Abschnitte des Vocabularius optimus über Tiere und Pflanzen (Z/K: 60-65) im Gegensatz zu den entsprechenden Kapiteln im Vocabularius rerum (B: 92-98, 101-104) alphabetisch angeordnet sind. Auffällige Übereinstimmungen zeigen bestimmte Abschnitte des Kapitels über den Rechtsbereich (B: 87, Z/K: 53),180 denn hier weist nicht nur die Abfolge der Wortartikel Entsprechungen auf, sondern es stimmen vor allem zahlreiche deutsche Übersetzungen fast genau überein. Die unterschiedlichen Arten von Briefen, die in diesem Kapitel zusammengestellt und übersetzt werden, finden sich außer in Bracks Vocabularius rerum und im Vocabularius optimus auch in dem um 1483/84 von Peter Drach in Speyer gedruckten Vocabularius incipiens teutonlcum ante latinum sowie ansatzweise

180

Einige Abschnitte dieses Kapitels sind erst später in den Vocabularius optimus eingefügt worden und finden sich noch nicht in der Autorhandschrift Johannes Kotmans. Zu Kellers Druck von 1468 vgl. Diefenbach 1867, Sp. 237b.

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

74 im Vocabularius erschien. 1 8 1

teutonico-latinus,

der 1482 bei Conrad Zeninger in N ü r n b e r g

Iudex (87.01, 37.001), B: richter, Z/K: richter Iudex delegatus (87.02, 37.003), Β: einer de(m) ettlich sach empfolhen seind, Z/K: em etlich sacken empfolhen seind Subdelegatus (87.03), Iudex subdelegatus (37.004), B: vnderrichter, Z/K: vnderrichtter Arbiter (87.04, 37.005), B: schydman, Z/K: scheidman Assessor (87.07, 37.006), B: richters wyser, Z: richters weiser, K: beysitzer, richter weiser Vicarius (87.08, 37.007), B: Statthalter, Z/K: verweser Officialis (87.09, 37.008), B: amptman, Z/K: official, amptman Littere excommunicationis (87.27), littera examinacionis (37.028), B: banbrieff Z/K: banbrieff Littere absolutionis (87.28), Littera absolucionis (37.029), B: ban entschlahen od(er) aufflösung, Z/K: banentschlachbrieff Littere interdicti (87.29), Littera interdicti (37.030), B: verschlachbrieffi TJYJ. verschlachbrieff Littere relaxationis (87.33), Littera relaxacionis (37.031), B: entschlachbrieff Z/K: entschlachbrieff Sententie (87.34), Littera sentencie (37.032), B: vrteylbrieff Z: vrteilbrieff K: vrteilbrief Appellatio (87.35), Appellacio (37.035), B: Verbindung, Z: vertziehung, verlengung, K: vertzeyhung, verlengung Littere recognitionis (87.36), Littera recognicionis (37.036), B: kundt oder vergichtbrieffi Z/K: buntbrieff Instrumentum (87.37, 37.037), B: zögbrieff Z/K: zeugbrieff Autentica (87.38), Autenticum (37.049), B: glaubbrieff Z/K: globbrieff Copia (87.39, 37.050), B: abgeschrifft, Z: abgeschriefft brieffi K: abgeschrift Prothocollum (87.40), Protocollium (37.052), B: entworffen brieffi Z/K: entworfen brieffi Citatio (87.45), Citatorium (37.053), B: ladbrieffi Z/K: ladbrieff Procuratorium (87.41, 37.055), B: verwesungbrieffi Z/K: weßbrieff Libellus (87.42, 37.056), B: sprachbriefif Z: ansprachbrieffi K: ansprachbrieff Expectatorium (87.44), Exspectatorium (37.054), B: warttbrieffi Z: wartbriefifi K: wartbrief Die A n o r d n u n g der Wortartikel innerhalb der übrigen einander inhaltlich entsprechenden Kapitel beider Vokabularien ist sehr unterschiedlich. 1 8 2 D e r Wortschatz der einzelnen Themenbereiche stimmt weitgehend überein, aber es handelt sich u m gängiges Vokabular, das sich in vielen anderen Wörterbüchern des Spätmittelalters gleichfalls findet. D e r A u f b a u der Wortartikel unterscheidet sich darin, daß den Stichwörtern in den Druckauflagen des Vocabularius optimus grammatische Siglen voran-

181 182

Vgl. Diefenbach 1857, Sp. 334a und S. XVIII (Nr. 74 und 75). Vergleichbar sind eventuell noch die Abschnitte Β: 15.86-15.90 mit Z/K: 1.076-1.080, B: 15.135-15.140 mit Z/K: 1.154-1.161, B: 68.23-68.27 mit Z/K: 26.020-26.026.

III. 3. Quellen

75

gestellt sind, die Bracks Vocabularius rerum nicht aufweist. Die Informationen, die in den lateinischen Interpretamenten von Brack und Zainer/Keller gegeben werden, sind überwiegend unterschiedlich. Während sich Brack im Vocabularius rerum abgesehen von einigen Ausnahmen meist auf knappe etymologische und sachliche Erläuterungen beschränkt, werden im Vocabularius optimus hauptsächlich vergleichsweise ausfuhrliche, überwiegend sachliche, aber auch sprachliche Erklärungen gegeben, z.B.: Stabulum (66.01, 11.019), B: stal. a stando, Z/K: stal. Stabulum/-li est domus uelpars domus pro custodia et requie brutorum animalium deputata. Et dicitur a sto/stas/ -are, quia in eo stant bruta animalia. Sedes (53.17, 6.001), B: sessel. a sedendo, Z/K: stül. SedesZ-dis generaliter dicitur quodlibet vtensile domus, cui sedens secundum nates inmittitur et incumbit; et sie est nomen generale ad omnia supradicta. Per apropriacionem tarnen attribuitur prelatis habentibus regimen animarum, ut sedes appostolica, sedes moguncia, et ceteris. Et dicitur sedes a sedeo/-es/-ere.

Die lateinischen Texte sind in den entsprechenden Artikeln so unterschiedlich, daß nicht davon ausgegangen werden kann, daß Brack aus einem der Drucke des Vocabularius optimus exzerpiert hat. Wenn sich innerhalb der lateinischen Erläuterungen ähnliche Formulierungen finden, kann dies darauf zurückzuführen sein, daß die Texte auf einer gemeinsamen Quelle beruhen, zumal auch Stellen aus Isidors Etymologiae im Vocabularius optimus nachgewiesen werden können.183 Abschließend ist festzuhalten, daß Wenzeslaus Brack der Vocabularius optimus Johannes Kotmans, schon wegen der zeitlichen und räumlichen Nähe beide waren ja in einem Abstand von etwa 150 Jahren Schulleiter an der Konstanzer Domschule - gekannt haben könnte. Aber nur in wenigen Kapiteln bzw. kurzen Kapiteleinheiten zeigen sich Übereinstimmungen. Möglicherweise wurden in einigen Abschnitten, wie z.B. fur den Rechtsbereich, die gleichen fachterminologischen Werke als Quellen genutzt. Insgesamt lassen sich in beiden Sachvokabularien weit mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten aufgezeigen. Mit dem Vocabularius rerum beginnt Wenzeslaus Bracks fünfteiliges Kompendium, dessen Konzeption über die eines einfachen, für Schulanfänger zusammengestellen Vokabulars, wie es der Vocabularius optimus mit seinen überwiegend einfachen sachlichen Erklärungen ist, hinausgeht.

183

Vgl. z.B. Vrsus (B: 93.73, Z/K: 45.170) mit Isidor XII, 2, 22. Vgl. auch Bremer 1990, Bd. I, S. 139 f.

76

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

III. 3. 1.2. Vocabularius brevilogus Der dritte lexikographische Abschnitt des Kompendiums, das Verbvokabular, ist ein Exzerpt aus dem Verbteil des Vocabularius brevilogus.184 Der Brevilogus ist ein lateinisches Vokabular,185 das am Ende des 14. Jahrhunderts entstanden ist und auf dem Lemmabestand der großen lateinischen Wörterbücher wie dem Elementarium doctrinae erudimentum von Papias, den Magnae derivations des Hugutio von Pisa, Guillelmus Britos Summa Britonis bzw. Expositiones vocabulorum Biblie und auf dem Catholicon des Johannes Baibus von Genua aufbaut. Der Brevilogus war eine der Hauptquellen des Vocabularius Ex quo und wird in dessen Vorrede unter den Wörterbüchern genannt, die es zu ersetzen gelte. Die Überlieferung des Brevilogus setzt zu Beginn des 15. Jahrhunderts im Niedersächsisch-Ostfälischen ein, wo sie ihren Schwerpunkt behält. Im Mittel- und Oberdeutschen ist das Vokabular wohl erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts bekanntgeworden. Der Brevilogus ist in über 40 Handschriften186 und 22 Druckauflagen von 1478 bis 1505 überliefert. Das Wortmaterial ist nach grammatischen Gesichtspunkten gegliedert und behandelt in drei strikt alphabetisch geordneten Abschnitten Nomina, Verben und Indeclinabilia.187 Die Wortartikel enthalten knappe Erläuterungen zur Wortbedeutung und Synonymie. Bei Appellativen erfolgt manchmal eine kurze Beschreibung der Sache. Der Verfasser zielt auf die Erklärung seltener und schwieriger Wörter, die Geistlichen die Lektüre der Bibel und anderer christlicher Texte erleichtern soll. Grammatische Erläuterungen sind selten, treten aber häufiger im Verbteil auf, wo die Stammformen bzw. deren Wortausgänge angegeben werden. In diesem Abschnitt des Vokabulars finden sich grammatische Siglen, die über Genus und Konjugationsklasse informieren und fast jedem Verb angefugt sind.188 Die Handschriften weisen einen unterschiedlichen Bestand an deutschen Glossen auf, die zu Anfang nur vereinzelt zur Worterklärung auftreten

184 185 186 187

188

Brack selbst nennt den Brevilogus in seinem Verbvokabular nicht als Quelle. Der Hinweis erfolgte durch Schmitt 1978, Sp. 983. Vgl. Grubmüller 1978; Miethaner-Vent 1986, S. 84 ff.; Grubmüller 1967, S. 31-39; Padberg 1912. Vgl. die Zusammenstellung der Handschriften in Grubmüller 1967, S. 36-38. Die älteste Handschrift datiert 1401. In der Vorrede wird die Wahl der alphabetischen Ordnung gerechtfertigt, denn die Organisation des Wissens erfolgte im Mittelalter normalerweise im Einklang mit Gottes Weltordnung, folglich nach Sachbereichen, die der Schöpfungsgeschichte entsprechend angeordnet wurden. Vgl. Miethaner-Vent 1986, S. 85; Stahl 1985, S. 98, Anm. 28; Smet 1986b, S. 151. Vgl. dazu auch Kapitel III. 3. 3. 2. Das Siglensystem findet sich ähnlich schon bei Papias (vgl. Vocabularius Ex quo, Bd. I, S. 7) und wird später im Vocabularius Ex quo vereinheitlicht und ausgebaut. Zur Auflösung der Siglen vgl. Vocabularius Ex quo, Bd. I, S. 237 ff. In den Druckauflagen des Vocabularius optimus sind den lateinischen Stichwörtern ebenfalls grammatische Siglen vorangestellt. Vgl. Vocabularius optimus, Bd. I, S. 74; Bd. II.

III. 3. Quellen

77

und im Laufe der Überlieferung immer mehr zunehmen. Eine wieder stärker auf wissenschaftliche Ansprüche ausgerichtete Neufassung des Brevilogus wurde 1475 von Johannes Reuchlin ausgearbeitet, dem auch der anonym erschienene Erstdruck von 1478 zugeschrieben wird. In der Druckfassung entfallen die deutschen Übersetzungen, das Siglensystem wird auf den ersten Abschnitt der Nomina erweitert und der gräzisierende Titel Brevilogus, den das Vokabular in den meisten Handschriften trägt, wird zu Vocabularius breviloquus relatinisiert. Ein Vergleich des Verbvokabulars mit dem Verbteil des Vocabularius brevilogus189 zeigt, daß Wenzeslaus Brack weniger als ein Viertel der Stichwörter des Brevilogus für sein Verbar übernommen hat.' 90 Die Lemmata sind bis auf wenige Ausnahmen der Reihe nach exzerpiert worden.191 Einige Sublemmata des Brevilogus wurden von Brack als Lemmata in sein Vokabular übernommen, z.B. die Verben Comedo zu Edo (VE.05, VE.04; 271rb), Refocillo zu Focillo (VF.44, VF.43; 276vb) und Insinuo zu Sinuo (VS.17, VS.16; 307vb), das Adjektiv Liuidus zu Liueo (VL.32, VL.31; 286vb) sowie die Substantive Indusiamen zu Indusio (VI.32, VI.31; 282ra), Opitulamen zu Opitulor (V0.23, VO.22; 293ra), Pabulum zu Pabulor (VP.02, VP.01; 293vb) und Scenofactor zu Scenofacio (VS.05, VS.04; 305vb).192 Brack selbst hat in sein Verbar zusätzlich gut 20 Lemmata eingeschoben, wobei meist entsprechende Substantive zu bereits vorhandenen Verben hinzugefügt wurden, z.B. Hereticus zu Hereo (VH.09, VH.07; 280ra), Omen zu Ominor (V0.20, V0.19; 292vb) oder

189 190 191

192

Zum Vergleich herangezogen wurde der Baseler Druck des Vocabularius breviloquus von Johann Amerbach aus dem Jahr 1480, der auf den Blättern 254ra-317va den Verbteil enthält. Von den etwa 3400 Lemmata des Verbteils sind ca. 730 im Verbar von Brack zu finden. Geringfügige Abweichungen von der Reihenfolge weisen folgende Artikel auf: Vertauscht wurden VA. 13 mit VA. 14 (254rb), VA.40 mit VA.41 (255vb), VC.08 mit VC.09 (259rb259va), VC.l 1 bis VC.13 (259vab), VC.40 mit VC.41 (262rb), VD.08 mit VD.09 (266vb267ra), VD.17 bis VD.20 (267vab), VD.35 bis VD.38 (269vb), VE.40 bis VE.52 (273vab274rab), VF.01 mit VF.02 (274vab), VF.13 mit VF.14 (275ra), VF.19 mit VF.20 (275rb), VF.53 mit VF.54 (277va), VF.56 mit VF.57 (277vab), VG.01 mit VG.02 (278rb-278va), VH.16 mit VH.17 (280rb), VI.40 bis VI.50 (282vb-283vb), VL.15 mit VL.16 (285rb), VM.10 bis VM.13 (287vb), VM.34 mit VM.35 (289vb), VN.03 mit VN.04 (290rb), VP.22 bis VP.25 (296rb), VP.30 bis VP.34 (297ra), VQ.03 mit VQ.04 (301ra), VR.12 mit VR.13 (301vb), VS.20 mit VS.21 (308rb), VS.29 mit VS.30 (309ra), VS.35 mit VS.36 (309vb), VS.40 mit VS.41 (310va), VT.08 mit VT.09 (312rb), an anderer Stelle finden sich VA.26 (255ra), VA.46 (256rb), VF.32 (277ra), V1.05 (280va), VI.58 (284ra), VL.28 (286ra), VM.04 (287rb), VM.16 (288vb), VM.28 (289rb), VR.10 (303ra) und V R . l l (301va). Weitere von Brack als Lemmata übernommene Sublemmata sind die Verben Peyero zu Deiero (VD.16, VD.15; 267va), Educo. is. ere zu Educo. as (VE.07, VE.06; 271va), Defeco zu Feco (VF. 18, VF.17; 275rb), Refiito zu Futo (VF.70, VF.69; 278rb), Vorare zu Gurgito (VG.24, VG.23; 279va), Exheredo zu Heredo (VH.06, VH.05; 280ra), Inhonesto, Dehonesto zu Honesta (VH.15-VH.17; 280rb), Impleo zu Imbuo (VI. 19, VI. 18; 281ra), Lacteo zu Lacto (VL.04; 284vb) und Liquet zu Liceo (VL.28; 286ra).

78

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Sopor zu Sopio, Soporo (VS.22-VS.24; 308rb, 308va).193 Als Sublemmata, die in Bracks Verbar eine volkssprachige Übersetzung erhalten, kommen außerdem hinzu: auidus zu Aueo (VA.76, VA.75; 258ra), clepsedra zu Clepo (VC.35, VC.34; 261rb), Hestorium zu Hostio (VH.22, VH.21; 280va), nix zu Nirtgo (VN. 12, VN.l 1; 290va) und rigor et rigositas zu Rigeo (VR.25, VR.24; 304ra).194 Brack hat das Siglensystem des Vocabularius brevilogus nicht übernommen, wohl aber bei zahlreichen Verben die Angabe des Wortausgangs der 2. Pers. Sg. Ind. Präs. sowie die Endung des Infinitivs.195 Zudem finden sich viele der kurzen lateinischen Erläuterungen des Brevilogus zur Wortbedeutung und zur Synonymie teilweise buchstabengetreu im Verbvokabular wieder, z.B. Deuoto as. per furorem maledicere (VD.33; 269rb) oder Gutto as. id est guttatim cadere. vel guttatim fundere. vel guttis perfundere. et dicitur α gutta (VG.25; 279vb).' 96 Da die Druckfassung des Vocabularius brevilogus keine volkssprachigen Einträge aufweist, wurden zwei Handschriften des Brevilogus im Hinblick auf ihre Übersetzungen mit Bracks deutschen Interpretamenten verglichen.197 Der Codex clm 17626 der Bayerischen Staatsbibliothek München ist um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden und enthält auf fol. 142rb-168rb den Verbteil des Vocabularius brevilogus.198 Der Vergleich des Verbars mit der Handschrift führte zu dem Ergebnis, daß Brack diesen Codex wohl kaum als Vorlage fur seine Übersetzungen genutzt hat, vgl. z.B.: Dapino as. speysen (VD.01) - anrichten (150rb) Ebrio as. truncken werden (VE.01) - truncken machen (152vb) Opitulor aris. behilfflich seyn (V0.22) - helffen (161ra) Spolio as. berauben, entfrömden (VS.26) - rawben (166va)

193

Weitere neu hinzugekommene Lemmata sind die Substantive Apocalipsis zu Appocalipsor (VA.54, VA.55; 256va), Epilogus zu Epilogo (VE.25, VE.24; 272rb), Exorcismus et exorcista zu Exorciso (VE.45, VE.44; 273vb), Iactantia zu Iacto (VI.06, VI.05; 280va), Ignile zu lgnio (VI.09, VI.08; 280vb), Nundine zu Nundino (VN. 17, VN. 16; 29 lrb), Squalor zu Squaleo (VS.28, VS.27; 309ra), das Adverb Liquide zu Liquor (VL.29, VL.30; 286vb) sowie die Verben Deplumo (VD.26), Euiscero (VE.39), Exuo (VI.30), Philipendo (VF.37), Vilipendo (VF.38), Nichilipendo (VF.39), Magnipendo (VF.40), Paruipendo (VF.41), Perpendo (VF.42), Insulto (VI.47), Lingo (VL.07) und Obduro ( V O . l l ) . Die Verben Paruipendo und Perpendo (VF.41, VF.42) finden sich im Breviloquus im Buchstaben Ρ (294va, 295vb).

194 195 196

Das Sublemmapictor (VP.21) steht im Brevilogus unter Pingo (VP.20; 296rb). Vgl. Kapitel III. 1.2. Umgekehrt stammen nur wenige Erläuterungen der Lemmata nicht aus dem Brevilogus, z.B. das lateinische Interpretament zu Ianto (VI.04; 280vb). Leider konnte der 1474 entstandene Codex 721 der Universitäts- und Landesbibliothek Münster nicht überprüft werden, da die Handschrift durch Kriegseinwirkungen verlorengegangen ist. Zu diesem Codex vgl. Padberg 1912. Vgl. Grubmüller 1967, S. 38; Catalogus codicum latinorum Bibliothecae Regiae Monacensis, Bd. 2.3, S. 110.

197

198

III. 3. Quellen

79

Die Handschrift clm 27250 der Bayerischen Staatsbibliothek München datiert 1443 und überliefert auf fol. 283vb-325vb den Verbteil des Brevilogus,199 Eine Überprüfung des Codex mit Bracks Verbvokabular führte auch hier zu dem Schluß, daß Brack diese Handschrift nicht als Quelle seiner deutschen Übersetzungen verwendet hat, vgl. z.B.: E f f e m i n o as. weybischen L a m e n t o r aris. trauren

( V E . 0 9 ) - verweyben ( V L . 0 8 ) - klagen

S a g i n o a s . f a y s t machen

(302ra)

(31 Orb)

( V S . 0 1 ) - mest(e)n

(320rb)

III. 3. 2. Grammatiken und Kommentare In den drei Vokabularien, überwiegend im Vocabularius rerum, in geringerem Maße im Isidor-Vokabular und im Verbar, werden von Brack eine Anzahl Autoren im Zusammenhang mit Zitaten oder Literaturverweisen genannt, die Bestandteil der Lehrbücher des Lektürekanons in den mittelalterlichen Schulen waren. Der Schulkanon kann anhand von Quellen, wie z.B. den Accessus ad auctores (um 1100), ursprünglich Einleitungen zur Lektüre von Schulautoren, Konrad von Hirsaus Dialogus super auctores (1. Hälfte 12. Jh.), dem Laborintus Eberhards des Deutschen (1. Hälfte 13. Jh.), Hugos von Trimberg Registrum multorum auctorum (1280), dem Carmen satiricum Nicolaus' von Bibra (13. Jh.) und der Forma discendi Hugo Spechtsharts (1346), rekonstruiert werden. Die in diesen Texten genannten Autoren können ergänzt werden durch zeitgenössische autobiographische Notizen, Schultextverzeichnisse in mittelalterlichen Bibliothekskatalogen, im Rahmen des Unterrichts entstandene Sammelhandschriften, volkssprachig glossierte Texte, Kommentare, Lehrpläne, Schulordnungen und Frühdrucke.201 Ein Vergleich der mit Hilfe dieser Quellen gewonnenen Zusammenstellung von Autoren, die in der Schule gelesen wurden, mit den in den drei Vokabularien genannten Schriftstellern zeigt, daß Brack überwiegend klassische Autoren wie Vergil, Terenz, Horaz, Ovid, Cicero, Statius, Persius und Plautus nennt,202 daß aber, abgesehen von Boethius und einigen Bibelzitaten aus dem Alten und Neuen Testament,203 christliche Schriftsteller wie Prudentius, Juvencus, Prosper, Theodulus, Sedu-

199 200 201 202

203

Vgl. Grubmüller 1967, S. 38; Catalogus codicum latinorum Bibliothecae Regiae Monacensis, Bd. 2.4, S. 258. Vgl. Curtius 1965, S. 59 ff.; Henkel 1988, S. 17 ff., 56 ff.; Fuhrmann 2001, S. 25 ff. Vgl. Schindel 1983; Grubmüller 1983; Bodemann/Dabrowski 2000. Hinzu kommen die im Kapitel De poetis (59) von Brack erwähnten, aber nicht zitierten Schulautoren, die für verschiedene literarische Gattungen exemplarisch genannt werden, z.B. Seneca für die Tragödie, Juvenal fur die Satire, Homer fur das Heldenepos, Livius fur Geschichtsschreibung sowie Aesop und Avian für die Fabel. Vgl. Spiritalis vnctio (4.12), Emorrois (15.302), Hostiarius (55.29), Camus (68.14), Pullus (98.04), Malumpunicum (102.31), Ficus (102.122). Zu Boethius vgl. Kapitel III. 3. 3. 2.

80

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

lius oder Arator bei ihm nicht vorkommen.204 Die jeweiligen Autoren werden von Brack namentlich genannt und meist wird auch das Werk angegeben, aus welchem das Zitat stammt.205 Es ist aber davon auszugehen, daß nicht primär aus den Texten der Schriftsteller exzerpiert wurde, sondern daß die Zitate überwiegend aus zweiter oder dritter Hand von Grammatikern wie Priscian, Kommentatoren wie Servius, aus Enzyklopädien wie Isidors Etymologiae oder aus Sammlungen von Stilbeispielen übernommen wurden.206 Grammatiklehrer, mit deren Texten im mittelalterlichen Schulunterricht das Erlernen der lateinischen Sprache begann, sind in Bracks Vokabularien durch Hinweise auf Priscian und Alexander von Villa Dei vertreten. Priscian (5./6. Jh.), Verfasser der Institutio de arte grammatica, einer umfangreichen lateinischen Grammatik in 18 Büchern, wird von Brack jeweils einmal im Vocabularius rerum und Isidor-Vokabular erwähnt.207 Priscians Werk enthält vor allem zahlreiche Zitate aus Vergil, Terenz, Cicero, Plautus, Lucan, Sallust, Ovid und Livius, aber auch Vergleiche mit der griechischen Sprache. Priscians Grammatik war seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts neben Donats Ars minor und Ars maior Grundlage des Grammatikunterrichts im Mittelalter und wurde im Vergleich zu anderen grammatischen Werken reichhaltig glossiert. Im 12. Jahrhundert entstanden zahlreiche Kommentare. Der Erstdruck erfolgte 1470 in Venedig mit dem Titel De octo partibus orationis in der Gesamtausgabe des Wendelin von Speyer.208 Alexander von Villa Dei (12./13. Jh.), der von Brack in dem Wortartikel lugerum (44.06) genannt wird, verfaßte das Doctrinale puerorum, eine lateinische Grammatik in Hexametern, die für fortgeschrittene Schüler bestimmt war, im Anschluß an die Grammatik Donats gelehrt wurde und schließlich die Institutio de arte grammatica Priscians ablöste. Alexanders Werk enthält keine Autorenzitate, zumal es in der Absicht des Verfassers lag, die heidnischen Dichter aus dem Schulunterricht zu verdrängen. Vom Doctrinale erschienen gedruckte Textausgaben (Erstdruck: Venedig um 1470) und kommentierte Ausgaben (z.B. 1483 in Lübeck) bis zum

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Prudentius ist der meistglossierte Autor im frühen Mittelalter (vgl. Splett 1998, S. 221). Unzutreffende Angaben von Belegstellen liegen vor bei Celum (1.01), Vesperum (8.02), Pingwedo (15.161), Fores (34.13), Laquear (34.28), Tigris (93.62), Apes (96.02), Argutus (IA. 13). Vgl. dazu die Edition in Kapitel VI. Vgl. hierzu z.B. die in den Etymologiae Isidors von Sevilla nachgewiesenen Zitate lateinischer Autoren: Luna (1.25) - III, 7 1 , 2 ; Vesperum (8.02) - V, 31, 5; Antropos (13.02) - XI, 1, 5; Mulier (13.19) - XIII, 10, Z. 24 und XVIII, 15, 9; Cocula (50.01) - XX, 8, 1; Cilindrus (61.30) - XX, 14, 9; Seges (62.11) - XV, 13, 8; Libatio (77.24) - VI, 19, 32; Tuba (78.28) III, 21, 3 und XVIII, 4, 2; Fucus (96.08) - XII, 8, 3; Fomes (101.39) - XVII, 6, 26; Pernix (IP.21) - X, 211. Vgl. Tubicena (78.30), Astutus (IA.12). Vgl. Jeudy 1995, Sp. 218; Schindel 1983, S. 437, Anm. 39; Splett 1998, S. 222; Edition von Hertz 1855/59(1961).

III. 3. Quellen

81

Ende des 15. Jahrhunderts in fast 300 Auflagen. Im 16. Jahrhundert wurde diese Versgrammatik von den Humanisten abgewertet und verspottet.209 Der von Brack mit über 60mal am meisten genannte Autor ist Vergil (7019 ν. Chr.). Brack zitiert in seinen drei Vokabularien nicht nur aus Vergils Aeneis, Bucolica und Georgica,210 sondern es finden sich zudem Verweise auf Schauplätze oder Personen und Situationen aus seinen Werken.211 Eine Auswertung von Autorenzitaten der in der Reihe Grammatici Latini edierten lateinischen Grammatiken ergab, daß Vergil viermal so oft wie der nächsthäufige Terenz und zehnmal so oft wie Cicero und Horaz genannt wird. So enthält z.B. Donats Ars maior in ihrem dritten, stilistischen Teil fast 100 und Priscians Institutio de arte grammatica über 1000 Vergilzitate. Zudem ist Vergil mit über 6000 Glossen in knapp 40 Handschriften nach Prudentius der meistglossierte Autor des Mittelalters. Die ältesten Bibliothekskataloge der Klöster Reichenau (821/22) und St. Gallen (Mitte 9. Jh.) listen neben christlichen Texten Vergil als einzigen profanen Schriftsteller auf. Die Beliebtheit und vor allem die Duldung Vergils im gesamten Mittelalter hängt auch damit zusammen, daß die im 4. Buch der Bucolica enthaltene Schilderung eines zu erwartenden Goldenen Zeitalters im Zusammenhang mit der Geburt eines Jungen seit dem 4. Jahrhundert als Prophezeihung der Geburt Christi gedeutet wurde.212 Der große spätantike Kommentar des Servius (4./5. Jh.) zu Vergils Aeneis, Bucolica und Georgica bestätigt die kontinuierliche Zugehörigkeit Vergils zu den Schulautoren. Brack zitiert in 15 Wortartikeln des Vocabularius rerum sowie in drei Artikeln des Isidor-Vokabulars aus Servius' Kommentar,213 der „als Schulbuch; als Intermediärquelle für Beispiele in Grammatiken

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Vgl. Müller/Neuenschwander 1980, Sp. 381; Schindel 1983, S. 437; Fuhrmann 2001, S. 21 ff.; GW 933 ff.; Edition von Reichling 1893. Vgl. Celum (1.01), Luna (1.25), Vesperum (8.02), Mulier (13.19), Virgo (13.24), Hirquus (15.54), Tergus (15.180), Anchora (32.19), Pauimentum (34.26), Laquear (34.28), Antes (34.68), Capeila (35.05), Altare (35.14), Glarea (38.08), Cliuus (38.19), Topographia (39.02), Lac pressum (45.86), Poculum (47.19), Esseda (54.26), Cilindrus (61.30), Seges (62.11), Noualis ager (62.18), Cicuta (64.23), Pedum (67.10), Tornus (70.26), Arena (73.13, 2x), Inferie (74.42), Libatio (77.24, 2x), Tuba (78.28), Ferula (80.10), Funda (81.14), Peculium (89.03), Medicor (90.02), Labrusta (91.08), Palmes (91.10), Scrobes (91.27), Ruscus (91.30), Vindemia (91.38), Pecu (92.06), Ceruus (93.20), Damma (93.22), Licisca (93.59), Tigris (93.62), Griphes (93.71), Taxus (93.78), Fucus (96.08), Accalantis (98.60), Arbustum (101.03), Fomes (101.39), Pomum (102.28), Verbena (103.108), Sandix (103.118), Mustus (103.127), Argutus (IA.13, 2x), Inmanis (11.43), Luxuria (IL.20), Presens (IP.13), Pernix (IP.21), Toruus (IT.08), Musso (VM.37). Vgl. Letargia (15.316), Cestus (25.60), Herebus, Stix, Coccitus, Leteus, Flegeton, Achiron (40.13-40.18). Vgl. Klopsch 1997, Sp. 1523 ff; Schindel 1983, S. 437 und Anm. 37, 39; Splett 1998, S. 222; Editionen von Götte/Bayer 1995 und Götte/Götte 1997. Vgl. Pingwedo (15.161), Viscus (15.277), Scala (34.24), Spelea (40.03), Flagella (80.09), Medicor (90.02), Scrobes (91.27), Apes (96.02), Fucus (96.08), Gurgulio (96.45), Plantaria

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

und Rhetoriklehrbüchern [...], für den persönlichen Zitatenschatz [...]; als Materialfundus für Grammatisches [...], Mythologisches und Antiquarisches"214 diente. Der Vergilkommentar wurde 1471 erstmals in Venedig gedruckt.215 Terenz (2. Jh. v. Chr.), von dem etwa 750 Handschriften vom 9. bis 15. Jahrhundert bekannt sind, gehört nach Vergil und Horaz in Spätantike und Mittelalter zu den meistgelesenen Schriftstellern und wurde schon früh in den Lektürekanon der Schulen aufgenommen. Seine Komödien sind reich an Versen, die Lebensweisheiten enthalten und zur moralischen Belehrung dienen können. In den meisten Schulordnungen steht die Forderung nach Erziehung zur Sittlichkeit im Vordergrund, womit im Spätmittelalter das Hauptaugenmerk auf den moralischen Nutzen der im Unterricht behandelten Texte gerichtet ist. Priscians Schulgrammatik weist etwa 500 Terenzzitate auf. Terenz' Erfolg beruht auch auf seinem eleganten Gesprächsstil, der zur Schulung der aktiven Sprachbeherrschung diente, was vor allem für die Humanisten von besonderer Wichtigkeit war.216 Insgesamt 16mal zitiert Brack aus oder bezieht sich auf Stellen in Terenz' Komödien Eunuchus, Andria, Heauton timorumenos, Phormio, Adelphoe und Hecyra,217 Im Rahmen des Lehrbetriebs wurden die Stücke bereits in der Spätantike kommentiert. Donat (4. Jh.) verfaßte neben seiner zweiteiligen Grammatik, Ars minor und Ars maior, die jahrhundertelang Grundlage des Lateinunterrichts in der Schule war,218 auch Kommentare zu Vergil und Terenz. Der Terenzkommentar Donats wurde im frühen Mittelalter von Glossatoren und Lexikographen genutzt und dann erst in den 30er Jahren des 15. Jahrhunderts von Giovanni Aurispa während einer Rheinreise in Mainz wiederentdeckt. Die Humanisten schätzten den Kommentar sehr, er ist in über 40 Handschriften des 15. Jahrhunderts überliefert und wurde um 1472 in Venedig und Rom sowie um 1473 in Straßburg gedruckt.219 Brack nimmt im Vocabularius rerum zweimal Bezug auf Donats Terenzkommentar.220 Von Horaz (65-8 v. Chr.) gehörten hauptsächlich seine Satiren, Briefe und natürlich die Ars poetica, selten die Oden und Epoden zum Lektürekanon der

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(101.18), Pomum (102.28), Arbutus (102.33), Cerusum (102.49), Mespilus (102.57), Argutus (IA.13), Presens (IP.13), Religio (IR.01). Vgl. Uhl 1995, Sp. 1797. Vgl. Hain 14705; Edition von Thilo/Hagen 1881-1902 (1986). Vgl. Villa 1997, Sp. 549 f.; Henkel 1988, S. 312; Schindel 1983, S. 447 f.; Anm. 39; Fuhrmann 2001, S. 25; Edition von Barsby 2001. Vgl. Luna (1.25), Mulier (13.19), Comare (15.19), Prouincia (24.23), Funda (25.30), Manipulus (25.85), Fores (34.13), Riscus (51.21), Fundus (62.27), Exoratio (77.33), Simbolus (77.34), Carnifex (83.01, IC.30), Sorex (94.06), Cruces (IC.32), Ligurio (VL.21). Das lateinische Grammatiklehrbuch Donats wurde noch im 15. Jahrhundert etwa350mal gedruckt. Vgl. Füssel 1999, S. 25 f. Vgl. Jeudy 1986, Sp. 1238 ff.; Fuhrmann 2001, S. 68; GW 9035-9037; Edition von Wessner 1902/05/08 (1962/63). Vgl. Cadauer (15.171) und Exoratio (77.33).

III. 3. Quellen

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Schule. In einer Alexander Neckam zugeschriebenen Belehrung über Schulautoren vom Ende des 12. Jahrhunderts werden dagegen von Horaz auch die Oden und Epoden empfohlen. Hugo von Trimberg unterscheidet in seinem Registrum multorum auctorum aus dem 13. Jahrhundert drei libriprincipales, die Ars poetica, Epistulae und Sermones, sowie zwei minus usuales, Carmina und Epodon liber. Nachdem Horaz seit dem 10. Jahrhundert häufiger zitiert wurde und im 12. Jahrhundert dann den vordersten Platz neben Vergil behauptete, nimmt seine unmittelbare Kenntnis, wie auch die anderer antiker Autoren, ab. Bekannt ist Horaz den Schülern im 13. Jahrhundert meist nur sekundär aus Zitaten und Spruchsammlungen. Das ändert sich erst im 14. Jahrhundert mit dem in Italien und Frankreich aufkommenden Humanismus, im nachfolgenden Jahrhundert auch im deutschsprachigen Raum.221 Brack behauptet, Horaz selbst gelesen zu haben: Ego legi in antiquissimo libro oracij primo epistolarum [...].222 Er zitiert insgesamt 14mal aus Horaz' Ars poetica, Briefen, Satiren, Oden und Epoden?23 Helenius Acron, ein römischer Grammatiker des 2. Jahrhunderts, verfaßte Kommentare zu Terenz' Adelphoe und Eunuchus sowie zu Horaz.224 Brack zitiert in dem Artikel Ambubaya (86.17) aus seinem Horazkommentar. Mit der karolingischen Renaissance beginnt die handschriftliche Überlieferung Ovids (43 v.-17 n. Chr.) und seine Bezeugung in Bibiliothekskatalogen, wobei die Metamorphosen hauptsächlich gegen Ende des 10. Jahrhunderts vertreten sind. Als Schulautor wird Ovid erstmals von Notker III. von St. Gallen erwähnt. Seit dem 11. Jahrhundert ist Ovid Vorbild neben Vergil und sein Vorhandensein im Unterricht zudem durch Glossierung, Schulhandschriften, Nennung in Autorenlisten und durch Kommentare belegt. In Priscians Institutio de arte grammatica finden sich etwa 80 Ovidzitate.225 Insgesamt zitiert Brack viermal aus oder bezieht sich auf Ovids Metamorphosen,226 Die Kenntnis der Satiren des Persius (34-62 n. Chr.) ist in Form von Kommentaren seit der ausgehenden Karolingerzeit bezeugt. Aufgrund des moralisierenden Charakters seiner Satiren, in denen die Laster der Römer gerügt werden, wurde Persius zum Schulautor, wobei seine Schriften im Mittelalter nicht so verbreitet waren wie die Satiren Juvenals. Die Zahl der Handschriften und vor allem der Zitate und Hinweise auf Persius nimmt bis zum 11. Jahrhundert stark zu.

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Vgl. Henkel 1988, S. 57; Curtius 1965, S. 59 und Anm. 3; Brunhölzl 1991a, Sp. 124; Edition von Färber 1993. Vgl. Tesca (62.09). Vgl. Coturnus (29.14), Fores (34.13), Nenia (36.12), Lama (38.17), Poeta (59.02), Tragicus (59.07), Tesca (62.09), Barbiton (78.40, 2x), Damma (93.22), Tigris (93.62), Coma (101.34), Pernix (IP.21, 2x). Vgl. Schmidt 1998, Sp. 281; Edition von Keller 1902/04. Vgl. Klopsch 1993, Sp. 1593 f.; Schindel 1983, S. 437, Anm. 39; Edition von Holzberg 1996. Vgl. Arcton (1.28), Antropos (13.02), Ilex (102.99), Solsequium (103.114).

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Auch unter den Humanisten war Persius sehr verbreitet und seine Satiren erschienen schon vor 1500 in zahlreichen Druckauflagen.227 Brack zitiert jeweils einmal aus Persius 2. und 3. Satire.228 Walther von Speyer bezeugt in seinem De studio poetae qui et scolasticus fur das 10. Jahrhundert, daß Statius' Thebais zur Schullektüre wird. Seit dem 11. Jahrhundert nimmt die in der karolingischen Zeit noch relativ selten bezeugte handschriftliche Überlieferung von Statius' Werken so stark zu, daß dieser zum meistzitierten antiken Autor neben Vergil, Horaz und Ovid wird.229 Ein Zitat Bracks stammt aus Statius' Thebais.230 Im 11. Jahrhundert setzt die handschriftliche Überlieferung von acht Komödien des Plautus (um 250-184 v. Chr.) in Süddeutschland ein. Nikolaus von Kues fand 1425 eine Handschrift des 11. Jahrhunderts in Köln, wodurch weitere 12 Stücke bekannt wurden. Die seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts einsetzende Beliebtheit von Plautus' Theaterstücken äußerte sich in Aufführungen, Übersetzungen und Nachbildungen sowohl in lateinischer Sprache als auch in den Volkssprachen. Die erste deutsche Übersetzung von Menaechmi und Bacchides stammt von Albrecht von Eyb. In Priscians Grammatik finden sich etwa 250 Plautuszitate. Im Ulmer Lektionsplan aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts wird Plautus neben anderen Autoren genannt.231 Brack zitiert nicht aus Plautus' Komödien, sondern die Stichwörter Cyrnea und Cocula (48.10, 50.01) werden unter Berufung auf Plautus erklärt. Cicero wurde im mittelalterlichen Schulunterricht vor allem aus zweiter Hand durch die lateinischen Kirchenväter Augustinus und Cassiodor vermittelt, die ihn als wichtigsten Autor neben Vergil, Terenz und Sallust, der sogenannten quadriga^2 kennengelernt hatten. So überwog die Kenntnis von Cicerozitaten aus moralphilosophischen Schriften, Lehrbüchern und Kommentaren die direkte Lektüre seiner Werke. Priscians Grammatik enthält knapp 350 Zitate aus Ciceros Werken. In der Alexander Neckam zugeschriebenen Belehrung über Schulautoren vom Ende des 12. Jahrhunderts werden von Cicero sowohl Paradoxa Stoicorum als auch die Schrift De officiis, die Cicero seinem in Athen studierenden Sohn widmete, empfohlen. In Bracks Vokabularien wird

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Vgl. Brunhölzl 1993, Sp. 1900; Henkel 1988, S. 283; Edition von Seel 1974. Vgl. Fidelia (50.04), Expes (IE. 12). Vgl. Curtius 1965, S. 58 f.; Schindel 1983, S. 431; Brunhölzl 1997a, Sp. 68; Edition von Klotz 1973. Vgl. Estiua (39.25). Vgl. Brunhölzl 1995a, Sp. 16 f.; Schindel 1983, S. 437, Anm. 39; Bodemann/Dabrowski 2000, S. 39; Edition von Leo 1958. Die Bezeichnung der vier Autoren als quadriga geht zurück auf Cassiodor. Vergil, Terenz, Cicero und Sallust wurden von Arusianus Messius (4. Jh.) seiner Sammlung grammatischer Konstruktionen zugrunde gelegt (vgl. Fuhrmann 2001, S. 24, Anm. 14).

III. 3. Quellen

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auf diese beiden philosophischen Werke Ciceros verwiesen.233 De officiis wurde um 1465 und Paradoxa Stoicorum um 1467 in Köln gedruckt.234 Zu den Vermittlern von Auszügen aus klassischen Schriften gehört das Werk De conpendiosa doctrina von Nonius Marcellus (4./5. Jh.), das er für seinen Sohn verfaßt hat und aus dem Brack Erklärungen zu einigen Lemmata zitiert.235 De conpendiosa doctrina umfaßt 20 Kapitel, die zum einen Etymologie, Stilistik, Semantik, Formenlehre und Syntax behandeln (Kapitel 1-11), zum anderen Wörter aus Sachgebieten wie Krieg, Schiffe, Hausrat, Lebensmittel, Kleidung und Verwandtschaftsbezeichnungen erläutern (Kapitel 13-20).236 Das Werk ist in lexikalischer Form angelegt, Kommenare des Autors fehlen fast ganz, es dominieren Belegzitate aus der älteren römischen Literatur. Vor allem wegen dieser Zitate nimmt das Interesse an De conpendiosa doctrina im Humanismus zu, wofür zahlreiche in dieser Zeit entstandene Handschriften und Drucke, z.B. 1478 in Venedig, sprechen.237 Insgesamt muß davon ausgegangen werden, daß die Schüler die klassischen lateinischen Autoren, die seit der karolingischen Renaissance in der Schule rezipiert wurden, im Schulunterricht des Spätmittelalters nur noch mittelbar in Form von Beispielen in Grammatiklehrbüchern und Kommentaren oder als Schmuck in Vokabularien kennenlernten, was sich erst später unter dem Einfluß der Humanisten wieder ändert.238 Brack hat die Zitate wahrscheinlich nicht primär aus den Texten der Schriftsteller exzerpiert - obwohl ja zahlreiche Ausgaben klassischer Autoren durch frühe Drucke zugänglich waren -, sondern er zitiert wohl überwiegend aus zweiter oder dritter Hand. In diese Richtung weisen auch die zum Teil völlig entstellten Zitate, die sich durch sekundäre Übernahmen erklären lassen.239 Im Hinblick auf lateinische Grammatik werden von Brack nicht nur spätantike und mittelalterliche Lehrschriften von Priscian und Alexander von Villa Dei erwähnt, sondern Brack beruft sich auch auf humanistische Grammatiker und Pädagogen wie Lorenzo Valla, Giovanni Tortelli, Guarinus aus Verona und Gasparinus Barzizza. Lorenzo Valla (1407-1457), italienischer Humanist und Philosoph, lehrte Rhetorik in Pavia und Rom. Aufgrund seiner Kritik am herrschenden Rechts- und Ordenswesen geriet er in Konflikt mit den Autori-

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Vgl. Sicarius (25.56), Officium (77.01). Brack nennt Cicero auch in dem Artikel Autoritas (IA.05). A u f w e i c h e Schrift Ciceros hier Bezug genommen wird, läßt sich nicht entscheiden. Vgl. Rüegg 1983, Sp. 2063 f.; Schindel 1983, S. 437, Anm. 39; Curtius 1965, S. 59; Editionen von Büchner 1994 und Nickel 2002; GW 6914; 7009. Sammlungen, die unter anderem beide Werke enthalten, wurden 1465 und 1466 in Mainz sowie 1472 in Straßburg gedruckt (GW 6921-6923). Vgl. Tunica (27.22), Plage (27.31), Castula (27.40), Tapete (27.44), Sumen (83.09). Das 16. Kapitel De genere calciamentorum ist verloren. Vgl. Schmidt 2000, Sp. 994 f.; Hain 11900 ff.; Edition von Lindsay 1903. Vgl. Schindel 1983, S. 447; Ijsewijn 1981, S. 81. Vgl. z.B. die Zitate zu den Stichwörtern Laquear (34.28) oder Antes (34.68).

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

täten seiner Zeit. Valla verfaßte Kommentare zur Bibel, zu Sallust und Quintilian und übersetzte Homer, Herodot und die Aesopischen Fabeln ins Lateinische. Wichtig im Zusammenhang mit dem Vocabularius rerum ist sein Werk Elegantiae linguae Latinae (1444), eine Stilistik der lateinischen Sprache in sechs Büchern, in der Valla die Grammatiken von Donat, Priscian und Alexander von Villa Dei einer kritischen Überprüfung unterzieht, und die zur Grundlage für die Normierung des humanistischen Lateins wurde. Zur Belebung des klassischen Lateins empfiehlt Valla von der Schriftsprache der späten römischen Republik und frühen Kaiserzeit, vor allem von Quintilian, auszugehen. Die Elegantiae linguae Latinae gehörten z.B. unter dem Rektorat von Tilman Kemener Anfang des 16. Jahrhunderts zum Lehrplan der Münsteraner Domschule. Vallas Stilistik übte großen Einfluß aus, ist in fast 50 Handschriften überliefert und wurde z.B. 1471 in Rom, Venedig und Paris, 1475 in Mailand, 1477 in Neapel und 1482 in Köln gedruckt.240 Brack gibt Lorenzo Valla in drei Wortartikeln als Quelle seiner grammatischen Ausführungen an.241 Der Humanist und Pädagoge Guarinus aus Verona (1374-1460) lehrte lateinische sowie griechische Grammatik und verfaßte dazu mnemotechnische Verse. Er studierte Plato und Aristoteles, kommentierte die rhetorischen und philosophischen Werke Ciceros, übersetzte Werke von Plutarch, Strabo und Lukian ins Lateinische und schrieb Hunderte von Briefen.242 Sein kleines grammatisches Traktat Ars diphthongandi punctandi et accentuandi wurde zusammen mit dem Vocabularius breviloquus z.B. 1480 in Basel gedruckt - ein Hinweis, daß es im Schulunterricht verwendet wurde. Brack bezieht sich in seinem Vocabularius rerum möglicherweise auf seine in zahlreichen Inkunabeln erschienenen Regulae grammaticales.243 Gasparinus Barzizza (um 1360-1431), italienischer Humanist, Pädagoge, Philologe und Epistolograph, war Professor für Grammatik, Rhetorik und Moralphilosophie in Pavia, Padua und Mailand. Gasparinus, Freund und Lehrer vieler Humanisten, wurde vor allem durch seine Sammlung von Musterbriefen, die stilistisch an Cicero orientiert sind, berühmt.244 Zu seinen didaktischen Schriften zählen außerdem De orthographia, Vocabularium breve und De compositione.245 Auf welches seiner Werke Brack sich im Isidor-Vokabular in dem Artikel Iucundus (11.12) bezieht, wird nicht deutlich. Der italienische Humanist und Grammatiker Giovanni Tortelli (um

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Vgl. Hoeges 1997, Sp. 1392 f.; Schindel 1983, S. 452; Buck 1984, S. 15 f.; Mout 1998, S. 56 f., darin die Übersetzung der Vorrede der Elegantiae'. S. 59 ff.; Hain 15800 ff.; Garin 1962 (Nachdruck der Elegantiae linguae Latinae, Basel 1540). Vgl. lugerum (44.06), Fides (78.41), Legisperitus (87.11). Vgl. Gerl 1989, Sp. 1761; Bellmann 1999, S. 10 f. Vgl. die Erläuterungen zu Cognati, Agnati und Affines, die vor den entsprechenden Artikeln (18.39-18.40) stehen, und Legisperitus (87.11); GW 11609 ff. Vgl. Bertalot 1975. Seine Sammlung von Briefen gilt als das erste in Paris gedruckte Buch (vgl. Steinberg 1988, S. 36). Vgl. Schalk 1980, Sp. 1502.

III. 3. Quellen

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1400-1466), der mit Lorenzo Valla befreundet war, studierte Griechisch und Theologie und war Bibliothekar in der Vatikanischen Bibliothek. Als sein Hauptwerk gelten die Commentatorium grammaticorum de orthographia dictionum e Graecis tractarum libri, deren Erstdruck 1471 in Genua erfolgte. 246 Brack nennt Giovanni Tortelli in dem Artikel lugerum (44.06). Der Bezug Bracks auf Humanisten wie Lorenzo Valla, Giovanni Tortelli, Guarinus aus Verona und Gasparinus Barzizza entspricht einer fortschrittlichen, aber durchaus zeitgemäßen Entwicklung, denn seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts zeigt sich zunehmend der Einfluß von humanistischen Texten italienischer Verfasser in Deutschland, deren Schriften etwa ab der Mitte des 15. Jahrhunderts in Handschriften zusammen mit herkömmlichen Schultexten überliefert werden. 247 Die Humanisten kritisieren vor allem die Entwicklung, die die lateinische Sprache während des Hochmittelalters in syntaktischer und lexikalischer Hinsicht genommen hat und somit das zeitgenössische scholastische Latein, das zum Teil in enger Beziehung zur Volkssprache steht.248 Dieses gesprochene Latein entspricht kaum dem klassischen Latein der antiken Autoren, es wird von den Humanisten als ,Küchenlatein' bezeichnet und kritisiert. Sie fordern, daß sich Wortschatz und Ausdrucksweise an den klassischen Autoren, insbesondere an Cicero, zu orientieren habe. 249 Von dieser geforderten Norm ist das Latein Bracks jedoch weit entfernt. Brack ist einerseits noch fest in der scholastischen Tradition des Mittelalters verwurzelt, andererseits möchte er sich durch die Nennung humanistischer Lehrer sowie durch Zitate klassischer Autoren den neuen Strömungen seiner Zeit anschließen.

III. 3. 3. Enzyklopädien Als Sachvokabular steht der Vocabularius rerum im Traditionszusammenhang mit den großen Enzyklopädien der Antike und des Mittelalters. 250 Eine Enzyklopädie dient als Bibliotheksersatz, in der das in einer Vielzahl von Büchern enthaltene Wissen über verschiedene Fachgebiete wie z.B. Astronomie, Geographie, Mineralogie, Botanik, Zoologie, Anatomie, Medizin nach Sachbereichen geordnet zusammengefaßt ist.251 Charakteristisch für die Komposition einer Enzyklopädie ist die offene Reihung. Die Einheiten innerhalb des Werks

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Vgl. Cortesi 1997, Sp. 882 f.; Hain 15563. Danach wurde das Werk 1471 in Venedig, 1477 in Parma, 1479 in Wien und 1480 in Köln gedruckt (Hain 15564-15567). Vgl. Henkel 1988, S. 22. Vgl. z.B. das Latein der im Schulunterricht verwendeten Gesprächsbücher (Schindel 1983, S. 440 ff.). Vgl. Schindel 1983, S. 448 f.; Fuhrmann 2001, S. 30. Vgl. Grubmüller 1967, S. 16. Vgl. Meier 1984, S. 475 f.; Meyer 2000, S. 22 f.

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

- sowohl Bücher, ganze Kapitel als auch einzelne Artikel - sind variabel und austauschbar.252 So beginnt z.B. Plinius seine Enzyklopädie mit Kosmologie, Isidor mit den Artes, Bartholomäus Anglicus mit Gott und Thomas von Cantimpre mit dem Menschen. Innerhalb der sachlichen Strukturierung findet sich bei einigen Autoren in bestimmten Abschnitten, z.B. bei der Auflistung von Bergen, Tieren, Pflanzen oder Steinen, eine alphabetische Anordnung, womit der praktische Aspekt der Benutzerfreundlichkeit in den Vordergrund gerückt wird.253 Einige dieser Sammelwerke weisen sowohl hinsichtlich ihres Aufbaus als auch ihrer Inhalte Verbindungen zu Bracks Sachwörterbuch auf. Die Historia naturalis von Plinius (um 23-79 n. Chr.) ist eine naturwissenschaftliche Enzyklopädie in 37 Büchern, fur die Plinius das Wissen aus ca. 2000 Schriften von über 400 griechischen und römischen Fachschriftstellern, die alle namentlich genannt werden, in etwa 20.000 Exzerpten zusammengetragen hat.254 Nach einer Vorrede im ersten Buch folgen die Sachbereiche Kosmologie - Geographie - Anthropologie - Zoologie (Landtiere, Wassertiere, Vögel, Insekten) - Botanik (Bäume, Ackerbau, Gartenpflanzen) - Medizin und Pharmakologie - Metallurgie - Kunst (Farben, Malerei, Plastik) - Steine. Den Artes mechanicae wird abgesehen von der Medizin kein selbständiger Abschnitt zugewiesen, die handwerklichen Künste sind jedoch durch Informationen über Acker- und Weinbau, Jagd, Metallverarbeitung und Textilherstellung in verschiedenen Büchern präsent.255 Der Vocabularius rerum beginnt wie die Historia naturalis mit Kosmologie und endet wie sie mit den Steinen, zudem wird Plinius zu den Fachbereichen Botanik und Mineralogie als Quelle angegeben, im letzten Kapitel (105) empfiehlt Brack die Bücher 36 und 37 über Steine als weiterfuhrende Lektüre.256 Die Historia naturalis wurde 1469 erstmals in Venedig gedruckt, bis 1600 erschien das Werk in über 50 Druckauflagen.257

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Vgl. Meier 1984, S. 481 ff. Vgl. z.B. Bartholomäus Anglicus: Deproprietatibus rerum, Bücher 12, 14-18; Thomas von Cantimpre: Uber de natura rerum, Bücher 4-12, 14; Vinzenz von Beauvais: Speculum naturale, Bücher 8-14, 16-20. Vgl. Kapitel III. 3. 3. 2. Vgl. Meier 1995, S. 27; Ernst 2002, S. 452; Edition von König/Bayer/Winkler/Hopp 1975 ff. Vgl. Meier 1995, S. 26 und Anm. 39, 40. Vgl. Linx (93.72), Viscus (102.118), Magnes (105.10) und den Hinweis nach dem letzten Lemma Arenarius (105.39). Für das Fachgebiet Botanik hat Brack auch Herbarien, auf die er in dem Wortartikel Krabe (103.85) durch vtpatet ab herbarijs verweist, genutzt. Schmitt vermutet, daß Bracks Kapitel 103 De herbis mit dem einzeln überlieferten und mit Arthemesia beginnenden Pflanzenglossar in der Handschrift Einsiedeln, Stiftsbibliothek, Cod. 219, 365v-366v in Zusammenhang steht (vgl. Schmitt 1983, Bd. I, S. XCIII). Vgl. Brunhölzl 1995b, Sp. 21 f.

III. 3. Quellen

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III. 3.3. 1. Isidors Etymologiae Die Etymologiae des Bischofs Isidor von Sevilla (um 562-636) ist das durch viele Jahrhunderte direkt und indirekt einflußreichste Werk, das die Basis der mittelalterlichen Enzyklopädistik bildet,258 und das gesamte antike und zeitgenössische Wissen umfaßt. Da Isidor die Etymologiae unvollendet hinterließ, wurde das gesammelte Material von seinem Freund Braulio, Bischof von Saragossa, der zudem Initiator und Adressat des Werkes war, in 20 Bücher eingeteilt und in dieser Form herausgegeben: 259 1. De grammatica; II. De rhetorica et dialectics, III. De mathematica, De musica, De astronomia; IV. De medicina; V. De legibus et temporibus\ VI. De libris et qfficiis ecclesiasticis; VII. De deo, angelis et sanctis: VIII. De ecclesia et sectis: IX. De Unguis, gentibus, regnis, militia, civibus, affinitatibus; X. De vocabulis; XI. De homine et portentis\ XII. De animalibus; XIII. De mundo etpartibus\ XIV. De terra etpartibus\ XV. De aedificiis et agris\ XVI. De lapidibus et metallis; XVII. De rebus rusticis; XVIII. De hello et ludis\ XIX. De navibus, aedificiis et vestibus; XX. [ohne Titel], Isidors Enzyklopädie umfaßt über 7000 Lemmata, die nach allgemeinen Themenbereichen unter schulisch-didaktischem Aspekt, aber mit wissenschaftlichem Anspruch geordnet sind.260 Der Bereich der Artes mechanicae wird durch Medizin im IV. Buch sowie ansatzweise durch Weberei, Schmiedekunst, Schiffahrt, Landwirtschaft und Jagd in den letzten drei Büchern behandelt. 261 Die Etymologien zu den einzelnen Stichwörtern bestehen aus grammatischen, historischen, philosophischen, theologischen und volkstümlichen Interpretationen, wobei die benutzten Quellen kontaminiert, erweitert und gekürzt wurden. Zu den zahlreichen benutzten Autoren gehören unter anderem Hieronymus, Augustinus, Cassiodor, Ambrosius, Gregor der Große, Prudentius, Aristoteles, Plato, Herodot, Hippokrates, Galen, Boethius, Palladius, Servius, Donat, Priscian, Plinius, Cicero, Horaz, Juvenal, Lucan, Ovid, Persius, Sallust, Seneca, Statius und Vergil.262 Die Abschnitte mit den einzelnen Artikeln enthalten viele Zitate klassischer und christlicher Autoren. 263 Die Etymologiae sind vom 7. bis zum 15. Jahrhundert in über 1000 Handschriften

258 259 260 261 262 263

Vgl. Meier 1984, S. 467; Meier 1995, S. 27; Meier 2002, S. 512. Vgl. Diaz y Diaz 1982, S. 114 ff. Zitiert wird nach der Oxforder Ausgabe von Lindsay 1911 (1957/1962). Vgl. Diaz y Diaz 1982, S. 184 f., 189. Vgl. Meier 1995, S. 28. Vgl. Diaz y Diaz 1982, S. 194 ff.; Diesner 1978, Tabelle 5, S. 121 ff. Neben diesen Hauptquellen wird Isidor auch Glossare benutzt haben (vgl. Goetz 1910, Sp. 1447). Am häufigsten werden Vergil (266mal), Cicero (57mal) und Lucan (45mal) zitiert. Weitere Zitate stammen von Terenz, Plautus, Sallust, Horaz, Ovid, Varro, Hieronymus und vielen anderen. Vgl. Diaz y Diaz 1982, S. 193 f. und die Nachweise der Zitate im 2. Band der Oxforder Ausgabe.

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

90

überliefert.264 Die ersten Drucke von Isidors Werk erschienen 1472 in Augsburg, 1473 in Straßburg, 1477 in Basel und um 1478 in Köln.265 Hinweise auf Isidor als eine mögliche Quelle des Vocabularius rerum werden zum einen durch die Ähnlichkeiten mit dem Summarium Heinrici, dessen Grundlage die Etymologiae bilden,266 zum anderen durch einige Verweise auf Isidor im Vocabularius rerum selbst267 sowie durch das zweite Vokabular in Bracks Kompendium, das durch seinen Titel als ein Auszug aus dem X. Buch der Etymologiae Isidors ausgewiesen wird, gegeben. Bei der Gegenüberstellung der Kapitel von Bracks Vocabularius rerum mit den vergleichbaren Abschnitten der Etymologiae Isidors auf dieser und der folgenden Seite ist zu beachten, daß innerhalb der sich entsprechenden Kapitel zum Teil noch erhebliche Kürzungen und Umstellungen der Isidor-Exzerpte vorgenommen wurden. So sind aus einem ganzen Abschnitt oft nur ein Satz oder Satzteil bzw. ein oder mehrere Wörter übernommen. Brack

Isidor

Brack

Isidor

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 II 12 13 14 15 16 17

III, 31 f.; 42-46; 60; 71 VII, 1 VII, 2 VII, 3; 4, 1 f. VII, 5 V, 29; 30, 1-12 V, 30, 13-22 V, 31 V, 32 V, 33 V, 35 XIII, 8-11 XI, 1-3 XI, 1 XI, 1; IV, 6; 8 IV, 8; XI, 1 IV, 5

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

IX, 5; 6, 1-23 IX, 6, 24 IX, 6, 25 IX, 6, 26 IX, 6, 27 IX, 6; 7; X IX, 3; 4 IX, 3; XVIII, 6-14 XIX, 27; 29 XIX, 22-25; 31 XIX, 22; 24; 33 XIX, 31; 33-34 XIX, 30-31; 33 XIX, 26 XIX, 1-4 XIX, 1; 3 XV, 3; 5; 7-8; XIX, 10; 12; 18-19

264

265 266 267

Vgl. Diaζ y Diaz 1982, S. 200-212. Es werden noch zahlreiche weitere Abschriften vermutet. Der älteste Textzeuge, vier kleine Fragmente einer um die Mitte des 7. Jahrhunderts datierten Handschrift, wurde in sehr früher irischer Halbunziale, die mit Elementen der Halbkursive durchsetzt ist, geschrieben und wird in der Stiftsbibliothek St. Gallen aufbewahrt (Collectanea 1399a, Nr. 1). Vgl. Dold/Duft 1955. Vgl. Diaz y Diaz 1982, S. 226 u. Anm. 25. Vgl. Kapitel III. 3. 1. Vgl. die Artikel Aruina (15.159), Viscus (15.277), Omentum (15.279), gemini (18.14), Agnatio, Cognatio (18.40, 18.39), Legio (25.83), Clamis (27.09), Toga (27.13), Amiculum (27.18), Proceres (34.67), Chorus (43.03), Ciphus (48.18), Peluis (48.25), Plaustrum (54.12), Leo (93.61).

III. 3. Quellen

91

Brack

Isidor

Brack

Isidor

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70

XV, 4 X V , 11 X V , 2; 9 XIV, 8; XVI, 1; 3 XIV, 8 XIV, 9 X V , 16 XVI, 25 XVI, 26 X V , 15 XX, 2 XX, 3 X X , 4; 5 XX, 6 XX, 7 XX, 8 XX, 9 X X , 10 X X , 11 X X , 12 VII, 12 VII, 13 VII, 14 VIII, 6 VIII, 7 VIII, 9 X X , 14 X V , 13-14 XVII, 2 XVII, 3 XVII, 4

71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105

XVI, 17-23 XIX, 19 XIX, 10; 18

-

X X , 16; XII, 1 , 4 1 ff. VI, 11-14; XIX, 17 XIX, 6-7

-

VI, 18 VI, 19 III, 15; 19-22 XVIII, 60-63; 65 V, 27 XIX, 5; X XV, 6 -

V, 24 V, 25 -

XVII, 5 XII, 1 XII, 1-2 XII, 3 XII, 4-7 XII, 5; 8 XII, 6 XII, 7 -

XVII, 6 XVII, 7-9 XVII, 9-11 XVII, 10 XVI, 3-5; 7-10; 13

Schon das 1. Kapitel des Vocabularius rerum weist Verbindungen zum dritten Abschnitt De astronomia des III. Buchs der Etymologiae Isidors auf. Die Reihenfolge der Stichwörter stimmt teilweise überein, 268 und es wurden mehrere

268

Wenn die Reihenfolge der Stichwörter übereinstimmt, so heißt dies nicht, daß alle Lemmata Isidors der Reihe nach übernommen wurden, sondern daß die Abfolge der Exzerpte aus den Etymologiae mit der Reihenfolge der Stichwörter in Bracks Vocabularius rerum übereinstimmt.

92

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Etymologien sowie das Vergilzitat zu Luna übernommen.269 Kapitel 2 bis 5 zeigen Übereinstimmungen mit einer Folge von Kapiteln des VII. Buchs: De deo, De filio dei, De spiritu sancto, De angelis (VII, 1-5). Nicht nur die Kapitelüberschriften, auch die Reihenfolge der Stichwörter und deren lateinische Erläuterungen sind nahezu identisch.270 Letztendlich gehen die Erklärungen hebräischer Namen in diesen Kapiteln auf den Liber de interpretationis hebraicum nominum von Hieronymus zurück.271 Bracks Abschnitte zur Zeiteinteilung (6-11) weisen Verbindungen zu einer Folge von Kapiteln aus Isidors V. Buch auf. Die Überschriften De hebdomada und De mensibus (V, 32-33) sind bei beiden gleich. Es stimmen fast alle Stichwörter, deren Reihenfolge, zahlreiche Etymologien und auch das Vergilzitat zu Versperum überein.272 Über die Hälfte der Lemmata des Kapitels zur Witterung (12) finden sich bei Isidor und weisen die gleiche Reihenfolge auf. Es wurden jedoch nur wenige lateinische Erläuterungen übernommen.273 Die Kapitel 13-17 über den menschlichen Körper zeigen zwar Verbindungen zu Abschnitten des XI. und IV. Buchs hinsichtlich einzelner Etymologien, zu denen Brack Isidor als Quelle angibt, und eines Ovidzitats,274 aber die Anzahl der gleichen Stichwörter ist gering und die Reihenfolge nicht identisch. Auffällige Übereinstimmungen weisen wiederum Kapitel 18-23 über Verwandtschaft und Schwägerschaft mit einzelnen Kapiteln des IX. Buchs auf. So zeichnen sich die Abschnitte De patruis, De amitis, De avunculis und De materteris (6, 2427) nicht nur durch dieselben Überschriften und die gleiche Abfolge wie Bracks Kapitel 19-22 aus, sondern auch die in ihnen enthaltenen Merkverse zur Verwandtschaft wurden wortgetreu übernommen. Viele Stichwörter des 18. Kapitels, das die gleiche Überschrift De adfinitatibus et gradibus (IX, 5) trägt, und ihre Etymologien sind bei Isidor nachweisbar,275 aber die Abfolge der Lemmata ist nicht identisch. Kapitel 23 zeigt zwar Übereinstimmungen mit Kapitel 6 und vorwiegend 7 des IX. Buches, Kapitel 7 auch bezüglich der Reihenfolge der Lemmata, aber einige Stichwörter des Vocabularius rerum finden

269 270 271 272 273 274

275

Vgl. z.B. Septentrio (1.10) - III, 42, 2; Arcturus (1.29) - III, 71, 9; Plyades (1.32) - III, 71, 13. Zum Vergilzitat vgl. Luna (1.25) - III, 71, 2. Vgl. z.B. Figura (3.14) - VII, 2, 22; Manus dei (3.15) - VII, 2, 23; Dextra (3.16) - VII, 2, 23. Vgl. Lagarde 1887 (1959). Zur Textgattung der Onomastica sacra vgl. allgemein Wutz 1914/1915. Vgl. z.B. Perendie (7.10) - V, 30, 22; Matutinum (8.08) - V, 31, 12; Iunius (10.07) - V, 33, 9. Zum Vergilzitat vgl. Vesperum (8.02) - V, 31, 5. Vgl. z.B. Fulgur (12.02) - XIII, 9, 1; Grando (12.12) - XIII, 10, 5. Vgl. z.B. Aruina (15.159) - XI, 1, 81; Viscus (15.277) - XI, 1, 116; Omentum (15.279) - XI, 1, 130. Vgl auch Compagia (15.174) - XI, 1, 85; Pale (15.146) - XI, 1, 94; Femur (15.208) XI, 1, 106. Zum Ovidzitat vgl. Antropos (13.02) - XI, 1, 5. Vgl. z.B. Proximi (18.42) - IX, 6, 3; Consanguinei (18.43) - IX, 6, 3 und den Merkvers nach dem Wortartikel 18.38 mit Isidor IX, 6, 23. Brack gibt zu folgenden Artikeln Isidor als Quelle an: gemini (18.14) - IX, 5, 20 und Agnatio, Cognatio (18.40, 18.39) - IX, 6, 1 f.

III. 3. Quellen

93

sich zudem auch im X. Buch.276 Bracks 24. Kapitel zeigt Entsprechungen mit dem 3. und hauptsächlich mit dem 4. Kapitel des IX. Buchs,277 und die Abfolge der Lemmata stimmt teilweise überein. Die Entsprechungen der Stichwörter des 25. Kapitels mit Lemmata in zwei Büchern Isidors hängt damit zusammen, daß die im Krieg agierenden Personen (IX, 3) und Waffen (XVIII, 6-14) bei Isidor auf zwei verschiedene Abschnitte verteilt sind, während diese Bereiche in Bracks Kriegskapitel zusammengefaßt sind. Die Reihenfolge der Lemmata stimmt teilweise überein und auf die Übernahme der Etymologie von Legio weist Brack in dem entsprechenden Artikel hin.278 Die Kapitel über Kleidung, Schmuck und Bettzeug (26-31) zeigen zahlreiche Verbindungen zu Kapiteln des XIX. Buchs,279 doch ergibt sich durch eine andere thematische Ordnung, z.B. die Verteilung von Frauen- und Männerkleidung auf zwei Kapitel bei Isidor, daß Bracks Stichwörter mit Lemmata aus verschiedenen Kapiteln übereinstimmen, somit ist deren Abfolge nicht gleich. Zu Kapitel 32 und 33 über Schiffahrt finden sich ebenfalls im XIX. Buch Entsprechungen mancher Artikel sowie einiger Etymologien,280 aber deren Abfolge ist wiederum aufgrund einer anderen thematischen Ordnung anders. Die Kapitel des Vocabularius rerum über Gebäude und Grabformen (34-37) weisen neben zahlreichen Übereinstimmungen der Stichwörter und lateinischen Erläuterungen281 auch drei entsprechende Kapitelüberschriften auf: De aedificiis sacris, De sepulcris und De aedificiis publicis (XV, 4; 11; 2). Die Reihenfolge der Lemmata stimmt mit dem 36. Kapitel genau, mit den Kapiteln 35 und 37 teilweise und mit Kapitel 34 nicht überein. Die vier Kapitel über Landschaftsformen (38-41) zeigen bei Isidor zahlreiche Entsprechungen. Die Überschrift von Kapitel 40 Loca terre inferiora ist ähnlich (XIV, 9: De inferioribus) und die des folgenden Kapitels De itineribus (XV, 16) bei beiden gleich. Die Reihenfolge der Artikel stimmt in Kapitel 39, in den Abschnitten 40 und 41 teilweise und in Kapitel 38 nicht überein. Einige Etymologien wurden übernommen.282 Bracks Kapitel über Gewichte, Münzwerte und Maße (42-44) tragen die gleichen Überschriften wie die entsprechenden Kapitel Isidors: De ponderibus, De mensuris, De mensura

276 277 278 279

280 281 282

Vgl. z.B. Gener (23.26) - IX, 6, 19; Vxores (23.12) - IX, 7, 12; Monogamus (23.17) - IX, 7, 14; Leno (23.48) - X, 160; Adulter (23.53) - X, 10. Vgl. Consul (24.03) - IX, 3, 6; Censor (24.18) - IX, 4, 13; Peregrinus (24.73) - IX, 4, 41. Vgl. Legio (25.83) - IX, 3, 47. Vgl. z.B. auch Cuneus (25.92) - IX, 3, 59. Vgl. z.B. Placium (26.08) - XIX, 27, 5; Baxee (29.25) - XIX, 34, 13; Tenia (30.02) - XIX, 3 1 , 6 . Auf die Übernahme von lateinischen Erläuterungen aus diesem Buch Isidors verweist Brack in den drei Wortartikeln Clamis (27.09) - XIX, 24, 2; Toga (27.13) - XIX, 24, 3-5; Amiculum (27.18) - XIX, 25, 5. Vgl. z.B. Fori (32.08) - XIX, 2, 2; Puluine (32.40) - XIX, 2, 16. Vgl. z.B. Martirium (35.12) - XV, 4, 12; Sarcofagus (36.04) - XV, 11, 2; Opidum (37.03) XV, 2, 5; Gynnasium (37.41) - XV, 2, 30. Vgl. z.B. Conuallis (38.27) - XIV, 8, 27; Statio (39.28) - XIV, 8, 39; Tartarus (40.11) XIV, 9, 8; Collis (41.10) - XV, 16, 10.

94

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

agrorum (XVI, 25-26; XV, 15). Die Abfolge der Stichwörter stimmt in Kapitel 44 genau, in Kapitel 42 zum Teil und in Kapitel 43 kaum überein. Für Kapitel 42 und 43 wurden einige und für Kapitel 44 fast alle lateinischen Erläuterungen übernommen.283 Auffällig enge Verbindungen einer Folge von Kapiteln des XX. Buches sind in zehn aufeinanderfolgenden Kapiteln des Vocabularius rerum (45-54) nachweisbar, wobei Bracks Kapitel die gleichen bzw. ähnliche Überschriften wie die entsprechenden Abschnitte Isidors tragen: De escis, De potu, De vasis escariis,2U De vasis vinariis et aquariis, De vasis oleariis, De vasis coquinariis, De vasis repositoriis, De vasis luminariorum, De lectis et sellis, De vehiculis (XX, 2-4; 6-12). Die Stichwörter weisen in den Kapiteln 45-50 und 53 fast die gleiche Reihenfolge auf, in Kapitel 51 und 52 stimmt die Abfolge der Lemmata teilweise und in Kapitel 54 nicht überein. Bezüglich zahlreicher lateinischer Erläuterungen sind ebenfalls Übereinstimmungen festzustellen.285 Die Abschnitte über Geistliche und Religion (55-57) tragen gleiche bzw. ähnliche Überschriften wie die entsprechenden Kapitel Isidors: De clericis, De monachis, De ceteris fidelibus (VII, 12-14). Die Reihenfolge der nachweisbaren Stichwörter stimmt überein und viele Etymologien wurden vor allem in Kapitel 55 und 57 übernommen.286 Die Abschnitte zu den Themen Wissenschaft und Zauberei (58-60) tragen mit De philosophis gentium, De poetis, De magis (VIII, 6-7; 9) zwar ähnliche bzw. gleiche Überschriften, aber es sind weniger als die Hälfte der Stichwörter Bracks bei Isidor nachweisbar, deren Abfolge in Kapitel 59 ganz und in 58 und 60 teilweise übereinstimmt. Es wurden nur wenige lateinische Erläuterungen aus den Etymologiae übernommen.287 Von Bracks Kapiteln zur Landwirtschaft (61-68) zeigen De stabulis (66) und De pastoribus (67) kaum Verbindungen zu Isidor,288 einige Kapitelüberschriften sind ähnlich bzw. stimmen überein: De instrumentis rusticis, De agris, De cultura agrorum, De frumentis, De leguminibus (XX, 14; XV, 13; XVII, 2-4). Die Reihenfolge der in diesen Kapiteln enthaltenen Stichwörter ist fast gleich und neben einigen Etymologien wurden auch zwei Vergilzitate

283

284 285

286 287 288

Brack verweist im Artikel Chorus (43.03) auf die entsprechende Stelle bei Isidor (XVI, 26, 17). Vgl. auch z.B. Examen (42.04) - XVI, 25, 5; Calculus (42.07) - XVI, 25, 8; Digitus ( 4 4 . 0 1 ) - X V , 15,2. In Bracks Kapitel 47, das nicht nur Eß- sondern auch Trinkgeschirr enthält, sind auch Stichwörter aus Isidors Kapitel XX, 5 (De vasis potatoriis) eingegangen. Vgl. die Verweise von Brack: Ciphus (48.18) - XX, 6, 5; Peluis (48.25) - XX, 6, 8; Plaustrum (54.12) - XX, 12, 3. Vgl. auch z.B. Sacietas (45.12), Saturitas (45.13) - XX, 2, 8; Succinacium (46.13) - XX, 3, 5; Vasa (47.01) - XX, 4, 1 • Rotabulum (50.16) - XX, 8, 6. Vgl. z.B. Sacerdos ( 5 5 . 1 1 ) - V I I , 12, 17; Hostiarius (55.29) - VII, 12, 32; Proselitus (57.12) -VII, 14, 10. Vgl. z.B. Vates (59.05) - VIII, 7, 3; Magus (60.01) - VIII, 9, 9; Prestigium (60.21) - VIII, 9, 33. Vgl. z.B. Caula (66.04) - XV, 9, 6; Mulio (67.05) - X, 183; Opilio (67.07) - X, 200 - Subulcus (67.08), Bubulcus (67.09) - X, 263.

III. 3. Quellen

95

übernommen.289 Die Abfolge der Lemmata in Kapitel 68 stimmt teilweise mit den entsprechenden Abschnitten Isidors überein, aber es finden sich nur wenig vergleichbare lateinische Erläuterungen.290 Auffällig ist, daß die unter dem Themenbereich Berufe subsumierten Kapitel 69-73 und 81-91 des Vocabularius rerum, die wie z.B. Kapitel 70, 81, 90 und teilweise 86 (Schmiedekunst, Jagd, Medizin) Bestandteil der Artes mechanicae sind, in den Etymologiae in dieser Form nicht vorkommen. Einzelne Kapitel Isidors weisen zwar eine Anzahl von Stichwörtern dieser Abschnitte in anderer Reihenfolge sowie vereinzelte lateinische Erläuterungen auf,291 aber einen eindeutigen Zusammenhang wie zahlreiche andere Kapitel der beiden Werke aufweisen, ist hier nicht festzustellen. Brack wird diese Abschnitte aus anderen Quellen, wohl auch aus Sachvokabularien, zusammengestellt haben.292 Eine Ausnahme bilden in dieser Reihe von Kapiteln die über Erbschaft handelnden Abschnitte Bracks (88, 89), die mit De instrumentis legalibus und De rebus (V, 24-25) eine ähnliche und eine gleiche Überschrift wie die entsprechenden Abschnitte Isidors tragen. Die Abfolge der Stichwörter stimmt in beiden Kapiteln fast vollständig überein, und es haben auch einige Etymologien Eingang in den Vocabularius rerum gefunden.293 Von Bracks Kapiteln zum Thema Kirche und Gottesdienst (7477) weisen die ersten beiden Abschnitte, abgesehen von vereinzelten Lemmata,294 bei Isidor keine Übereinstimmungen auf. Dagegen sind fast alle Stichwörter der Kapitel 76 und 77 in Isidors Etymologiae nachweisbar, wobei nicht nur die Abfolge der Lemmata fast genau übereinstimmt, sondern auch viele Etymologien und ein Vergilzitat.295 Im Sachkapitel Musik (78) finden sich im III. Buch zwar weniger als die Hälfte der Stichwörter Bracks, doch stimmt die Reihenfolge der Exzerpte zum Teil überein und neben einigen Etymologien wurde auch ein Vergilzitat übernommen.296 Vom Kapitel über Spiele (79) sind

289

290 291

292

293 294 295 296

Vgl. z.B. Pastinatum (61.27) - XX, 14, 8; Fundus (62.27) - XV, 13, 4; Limes (62.28) - XV, 14, 2; Cardo (62.29) - XV, 14, 4; Decumanus (62.30) - XV, 14, 4; Stercus (63.09) - XVII, 2, 3; Folliculus (64.27) - XVII, 3, 17; Faha (65.02) - XVII, 4, 3. Zu den Vergilzitaten vgl. Cilindrus (61.30) - XX, 14, 9; Seges (62.11) - XV, 13, 8. Vgl. z.B. Sella (68.19) - XX, 16, 4; Equa (68.02) - XII, 1, 41. Vgl. z.B. Faber (70.01) - XIX, 6, 1; Carnifex (83.01) - X, 49; Sutor (84.01) - X, 263; Mutuum (85.15) - V, 25, 18; Flebotomus (86.07) - IV, 11, 2; Iudex (87.01) - IX, 4, 14; Antidotum (90.17) - IV, 9, 7; Palmes (91.09) - XVII, 5, 9. Vgl. z.B. die Übereinstimmungen von Bracks Kapitel 87 mit dem entsprechenden Abschnitt im Vocabularius optimus oder die gleiche thematische Abfolge der Kapitel 69-73, hier Kapitel III. 3. 1. 1. Vgl. z.B. Ruptum (88.12) - V, 24, 10; Eriscunda (89.04) - V, 25, 9. Vgl. z.B. Calix (74.03), Ampulla (74.07) - XX, 5, 5; Euangelium (75.06) - VI, 2, 43; Bibliotheca (75.19) - VI, 3, 1. Vgl. z.B. Celebritas (76.03) - VI, 18, 2; Chorus (77.05) - VI, 19, 5. Zum Vergilzitat vgl. Libatio (77.24) - VI, 19, 32. Vgl. z.B. Organica (78.06) - III, 19, 1; Organum (78.27) - III, 21, 2. Zum Vergilzitat vgl. Tuba (78.28)-III, 2 1 , 3 .

96

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

nur sehr wenige Stichwörter nachweisbar, deren Abfolge nicht mit der Reihenfolge Bracks übereinstimmt. Einige Lemmata des Abschnitts über Folterinstrumente (80) kommen zwar in dem entsprechenden Kapitel der Etymologiae vor, aber deren Abfolge ist nur teilweise gleich, und es wurden keine lateinischen Erläuterungen übernommen. Von den Kapiteln zur Zoologie (92-98) tragen vier die gleiche und ein Abschnitt eine ähnliche Überschrift wie die entsprechenden Kapitel Isidors: De minutis animantibus, De serpentibus, De vermibus, De piscibus, De avibus (XII, 3-7). Eine vergleichbare Abfolge der Stichwörter weisen Kapitel 92, 93 und 96 auf, es stimmen einige Etymologien der zoologischen Kapitel und ein Vergilzitat überein.297 Kapitel 99 und 100 finden sich nicht in den Etymologiae, aber Kapitel 99 ist mit dem sogenannten Pseudo-Isidor zu vergleichen.298 Die Kapitel zur Botanik und Mineralogie (101105) sind mit mehreren Abschnitten der Etymologiae vergleichbar, aber nur in Kapitel 101 stimmt die Abfolge der Stichwörter nahezu überein. Während im letzten mineralogischen Sachkapitel weder die Reihenfolge der Lemmata noch die lateinischen Erläuterungen Entsprechungen aufweisen, zeigen die botanischen Kapitel doch einige vergleichbare Etymologien und die Übernahme eines Vergilzitats.299 Durch diesen Vergleich des Vocabularius rerum Wenzeslaus Bracks mit den Etymologiae Isidors von Sevilla wurde deutlich, daß sich Brack sowohl bei der Wahl seiner Kapitelüberschriften - 31 Kapitel tragen die gleiche Überschrift - als auch hinsichtlich seiner Kapitel- und Stichwortabfolge oft an Isidors inhaltlichen Aufbau gehalten hat. Besonders auffallig ist, daß die Abfolge einer Anzahl von Kapiteln Bracks mit der Reihenfolge der entsprechenden Abschnitte Isidors übereinstimmt.300 Insgesamt sind über die Hälfte der Stichwörter sowie zahlreiche lateinische Erläuterungen des Vocabularius rerum in Isidors Etymologiae nachweisbar. Es ist jedoch anzumerken, daß einige Stichwörter nicht die gleiche grammatische Form aufweisen und bei vielen etymologischen Deutungen Kürzungen und Umstellungen vorgenommen wurden. Ob die übereinstimmenden und modifizierten Wortartikel nun auf direktem wofür die vor 1483 erschienenen Drucke der Etymologiae sprechen - oder indirektem Weg in den Vocabularius rerum gelangt sind, läßt sich letztendlich

297

298 299 300

Vgl. z.B. Leo (93.61) - XII, 2, 3 f.; Verres (93.29) - XII, 1, 25; Vrsus (93.73) - XII, 2, 22; Griphes (93.71) - XII, 2, 17; Mus (94.01) - XII, 3, 1; Serpens (95.04) - XII, 4, 3; Vermis (96.01) - XII, 5, 1; Allee (97.34) - XII, 6, 39; Pluma (98.07) - XII, 7, 8. Zum Vergilzitat vgl. Fucus (96.08) - XII, 8, 3. Vgl. Migne 1850, Appendix XVII, Sp. 758. Zu Kapitel 99 und 100 vgl. auch Nr. 132 der Carmina Burana in der Edition von Fischer/Kuhn/Bernt 1974. Vgl. z.B. Frons (101.20) - XVII, 6, 13; Cedrus (102.76) - XVII, 7, 33; Piper (102.131) XVII, 8, 8; Ortus (104.12) - XVII, 10, 1. Zum Vergilzitat vgl. Fames (101.39) - XVII, 6, 26. Vgl. Kapitel 2-5 (VII, 1-5), 6-11 (V, 29-35), 18-22 (IX, 5-6), 39-40 (XIV, 8-9), 42-43 (XVI, 25-26), 45-54 (XX, 2-12), 55-57 (VII, 12-14), 58-60 (VIII, 6-9), 63-65 (XVII, 2-4), 76-77 (VI, 18-19), 88-89 (V, 24-25), 92-98 (XII, 1-7).

III. 3. Quellen

97

nicht entscheiden. Offensichtlich ist jedoch, daß Isidors Enzyklopädie Brack dazu diente, sein Sachvokabular in nicht wenigen Bereichen thematisch zu strukturieren und die Erklärungen zahlreicher Lemmata zu formulieren. Im zweiten lexikographischen Abschnitt seines Kompendiums gibt Wenzeslaus Brack bereits durch die Überschrift Ethimologie nominum quorundam et est Uber decimus isidori in ethimologijs ordine alphabeti an, daß es sich um ein Exzerpt aus dem alphabetisch geordneten X. Buch De vocabulis der Etymologiae Isidors von Sevilla handelt, was aufgrund einer vergleichenden Überprüfung beider Texte bestätigt werden kann. Die Stichwörter und mit ihnen zahlreiche Etymologien wurden aus dem X. Buch Isidors der Reihe nach übernommen. Geringfügige Abweichungen von der Reihenfolge weisen folgende Artikel auf: Vertauschung von Degulator (ID.37; X, 80) mit Desipiens (ID.38; X, 79), Honestus (IH.02; X, 116) mit Honorabilis (IH.03; X, 115), Lantus (IL.24; X, 163) mit Lotus (IL.25; X, 163), Neuter (IN.04; X, 187) mit Nequam (IN.05; X, 186 f.) und Predo (IP.36; X, 219) mit Precinctus (IP.37; X, 218). Einige Stichwörter Bracks, die an entsprechender Stelle bei Isidor fehlen, finden sich andererorts im X. Buch: Lunaticus (IA.39) im Buchstaben C (X, 61); Pelex (IP.05) in X, 229; Petulcus (IP.27) in X, 231 und Venustus (IV. 10) in X, 277. Das Isidor-Vokabular wurde von Brack um mehr als 80 Stichwörter erweitert, die nicht im X. Buch vorkommen. Zahlreiche dieser Lemmata weisen mit von Isidor übernommenen Stichwörtern grammatische Verbindungen auf. Brack fügt häufig zu einem vorhandenen Adjektiv das entsprechende Substantiv hinzu, z.B. Candor zu Candidus (IC.48, IC.49; X, 59), Gratia zu Gratus (IG.06, IG.05; X, 113), Studium zu Studiosus (IS.02, IS.03; Χ, 241).301 Die von Brack eingeschobenen Verben Inficior (11.66) und Pelliceo (IP.06) können den Substantiven Inficiator (11.65; X, 149) bzw. Pelex (IP.05; X, 229) zugeordnet werden. Brack hat auch Adverbien zu übernommenen Adjektiven hinzugefügt: Dementer zu Demens (ID.36, ID.34; X, 79), Macte zu Mactus (IM.03, IM.02; X, 165) und Obnixe zu Obnixus (IO.l 1,10.09; X, 198). Zudem hat Brack Nomina actionis zu einigen von Isidor übernommenen Nomina agentis in sein Vokabular eingeschoben, z.B. Experientia zu Expertus (IE.06, IE.05; X, 82), Preda zu Predo (IP.38, IP.36; X, 219), Scurrilitas zu Scurra

301

Weitere zu Adjektiven ergänzte Substantive sind: Contentio zu Contentiosus (IC.27, IC.26; X, 46), Cruces zu Cruciarius (IC.32, IC.31; X, 49), Calamistrum zu Calamistratus (IC.43, IC.41; X, 57), Doctrina zu Doctus (ID.07, ID.03; X, 65), Desidia zu Desidiosus (ID.32, ID.31; X, 77), Dementia zu Demens (ID.35, ID.34; X, 79), Egestas zu Egenus (IE. 19, IE. 18; X, 88), Exicium zu Exiciosus (IE.30, IE.29; X, 91), Facundia zu Facundus (IF.02, IF.01; X, 95), Facecia zu Facetus (IF.04, IF.03; X, 95), Facinus zu Factiosus (IF.30-IF.32; X, 106), Libido zu Libidinosus (IL. 16, IL. 17; X, 160), Lasciuia zu Lasciuus (IL. 19, IL. 18; X, 160), Petulantia zu Petulans (IP.26, IP.25; X, 213), Pauor zu Pauidus (IP.63, IP.62; X, 230), Religio zu Religiosus (IR.01- IR.03; X, 234), Seditio zu Sediciosus (IS.20, IS.19; X, 250), Spurcicia zu Spurcus (IS.33, IS.32; X, 254).

98

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

(IS.39, IS.38; Χ, 25 5).302 Umgekehrt wird dem Nomen agentis Confederals bzw. Confqderator (IF.15) das Nomen actionis Fqdus (IF.14; X, 100) zugeordnet. Die feminine Personenbezeichnung Discipula (ID.06) wurde der entsprechenden maskulinen Benennung Discipulus (ID.05; X, 66) hinzugefugt.303 Außerdem hat Brack zu bereits vorhandenen Stichwörtern Synonyme ergänzt, z.B. Crispatus zu Calamistratus (IC.42, IC.41; X, 57), Pugil zu Pugillator (IP.42, IP.43; Χ, 221), Scelestus und Sceleratus zu Scelerosus (IS.34-IS.36; X, 254).304 Ein Bedeutungsunterschied bei gleicher bzw. ähnlicher Schreibung soll durch den Einschub folgender Stichwörter verdeutlicht werden: Fedus. di zu Fqdus. deris (IF.16, IF.14; Χ, 100), Iucundus zu Iocundus (11.12, 11.11; X, 125) und Perfidus zu Perfidus (IP.47, IP.46; X, 222). In dem letztgenannten Artikel liefert Brack durch et pro vtraque significatione comparatur die Begründung für das Hinzufugen des Lemmas.305 Von diesen im X. Buch Isidors nicht vorkommenden Wörtern können etwa 20 in anderen Büchern der Etymologiae nachgewiesen werden.306 Abschließend ist festzuhalten, daß sich Brack sowohl hinsichtlich der alphabetischen Ordnung als auch der Stichwortabfolge innerhalb der einzelnen Buchstaben streng an das X. Buch von Isidors Etymologiae gehalten hat. Daß er jedoch neben Isidor auch andere Quellen verwendet hat, wird z.B. bei einigen lateinischen Erläuterungen deutlich.307

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Weitere Beispiele sind Abigies zu Abigeus (IA.42, IA.43; X, 14), Calumnia zu Calumniator (IC. 19, IC.18; X, 42), Contumacia zu Contumax (IC.23, IC.22; X, 45), Contumelia zu Contumeliosus (IC.25, IC.24; X, 46), Inficie zu lnflciator (11.67,11.65; X, 149), Lenocinium zu Leno (IL.15, IL.13; X, 160), Opera zu Opifex (10.14, 10.13; X, 200), Prostibulum zu Prostibularia (IP.60, IP.59) das als Synonym zu Prostituta (IP.58; X, 229) ergänzt wurde. Außerdem wurde Lena (IL.14) zu Leno (IL.13; X, 160) ergänzt und umgekehrt die maskuline Personenbezeichnung Prostitutus (IP.56) ihrem femininen Äquivalent Prostituta (IP.58; X, 229) hinzugefügt. Weitere eingefügte Synonyme sind: Desipidus zu Desipiens (ID.39, ID.38; X, 79), Garcio zu Garrulus (IG.09, IG.08; X, 114), Interpretator zu Interpres (11.04,11.03; X, 123), Procus zu Procax (IP.29, IP.28; X, 214), Prostibularia zu Prostituta (IP.59, IP.58; X, 229). Zudem wurden dem Isidor-Vokabular von Brack folgende Stichwörter hinzugefugt: Abba (IA.01), Abraam (IA.02), Autor (IA.04), Autoritas (IA.05), Amens (IA.54), Atleta (IA.55), Calamitas (IC.51), Celipeta (IC.07), Dediscens (ID.40), Discolor (ID.19), Egregius (IE.10), Effractus (IE.28), Fatum (IF.20, IF.21), Insons (11.09), Lentus (IL.01), Luxuria (IL.20), Lympha (IL.21), Nubes (IN.14), Opera (I0.14), Operosus (I0.15), Opimus (IP.17), Ouans (10.16), Ouatio (10.17), Patricida (IP.52), Petra (IP.64), Pellicatus (IP.65), Stupendus (IS.16). Vgl. Abba (IA.01) - VII, 13, 5; Abraam (IA.02) - VII, 7, 2; Amens (IA.54) - XI, 1, 11; Calumnia (IC. 19) - V, 26, 8; Cruces (IC.32) - V, 27, 33 f.; Calamistrum (IC.43) - XX, 13, 4; Calamitas (IC.51) -1, 27, 14; VII, 6, 5; XX, 3, 13; Fatum (IF.20, IF.21) - VIII, 11, 90; 92; 94; Facinus (IF.32) - V, 26, 2; Lentus (IL.01) - XVII, 7, 51; Nubes (IN.14) - XIII, 7, 2; Preda (IP.38) - XVIII, 2, 8; Plaga (IP.41) - XIII, 1, 3; Prostibulum (IP.60) - XVIII, 42, 2; Pauor (IP.63) - XIX, 10, 25; Petra (IP.64) - XVI, 3, 1; Religio (IR.01, IR.02) - VIII, 2, 2; Seditio (IS.20) - V, 26, 11; XVIII, 1, 6; Spurcicia (IS.33) - XII, 1, 26. Die lateinischen Erläuterungen zu Abba und Abraam sowie zu Facinus und Lentus stimmen teilweise überein. Vgl. z.B. Auarus (IA.29) - X, 9.

III. 3. Quellen

99

III. 3 . 3 . 2 . Enzyklopädien des Hochmittelalters Eine mittelalterliche Enzyklopädie ist zunächst eine Naturenzyklopädie, deren Aufgabe die Darstellung der Schöpfung auf der Grundlage einer sachlichen Anordnung der Dinge ist. Alexander Neckam beginnt sein Werk De naturis rerum (Anfang 13. Jh.) beispielsweise mit Genesis 1, 1 und Vinzenz von Beauvais ordnet weite Teile seines Speculum naturale nach dem Sechstagewerk.308 Die Darstellung der natürlichen Schöpfungswelt steht im Zentrum, wobei die christliche Anschauung von Kosmos und Geschichte die Grundlage der Werke bildet.309 Eine Enzyklopädie vereinigt in sich das gesamte Wissen über die von Gott geschaffene Welt, das zusammengefaßt und zum Teil mit allegorischen Deutungen versehen wird. Im Hochmittelalter übernimmt eine Enzyklopädie vor allem die Funktion der Predigtvorbereitung, soll aber auch Studierenden in den Bildungseinrichtungen der Orden naturkundliches, medizinisches und geographisches Wissen vermitteln sowie beim Verstehen der Bibel helfen.310 Später, vor allem in den volkssprachigen Ausgaben, kommt die Funktion eines Nachschlagewerks für Allgemeinwissen hinzu. Das vollständige Programm einer mittelalterlichen Enzyklopädie umfaßt vier Hauptteile: Darstellung der Schöpfung, Geschichte und Heilsgeschichte, Wissenschaftssystem der Artes liberales oder aristotelische Wissenschaftseinteilung, Ethik mit einer Auflistung von Tugenden und Lastern.311 Ein beispielhaftes enzyklopädisches Kompendium im Hinblick auf die Vollkommenheit des Werkprogramms wird durch das vermutlich nach 1256 veröffentlichte Speculum maius des Vinzenz von Beauvais mit seinen vier Bänden, die jeweils einen Hauptteil thematisieren, repräsentiert: Speculum naturale, doctrinale, morale und historiale.312 Unter den 17 Büchern des Speculum doctrinale, die von Vinzenz nach dem über Boethius vermittelten aristotelischen Schema eingeteilt werden, thematisiert Buch 11 erstmals nach Ansätzen bei Plinius und Isidor wieder den Bereich der Artes mechanicae in einer Enzyklopädie,313 wobei Vinzenz das Wissenschaftssystem Hugos von St. Viktor, das dieser in seinem Didascalicon formuliert, verarbeitet.314 Im Hinblick auf die verwendeten Quellen wird im allgemeinen

308

309 310 311 312 313 314

Vgl. Alexander Neckam: De naturis rerum I, 1; Vinzenz von Beauvais: Speculum naturale II-XXVIII. Vgl. dazu Meier 1984, S. 475; Meier 2002, S. 514 f.; Meyer 2000, S. 37 f. Vgl. hierzu auch den Aufbau der Sachgruppenwörterbücher des 16. Jahrhunderts z.B. der Murmellius-Gruppe oder der Golius-Gruppe (Müller 2001, S. 313 ff., 370 ff.). Vgl. Meier 1984, S. 470 f.; Meyer 2000, S. 27 ff. Vgl. Meier 1984, S. 488 f.; Meyer 2000, S. 26 f., 279. Vgl. Meier 1984, S. 479 f.; Meyer 2000, S. 33 f. Vgl. Vinzenz von Beauvais: Speculum quadruplex sive speculum maius\ Ernst 2002, S. 461. Zu Vinzenz von Beauvais vgl. Weigand 1999. Vgl. Vinzenz von Beauvais: Speculum doctrinale, Sp. 993-1072; Meier 1995, S. 20 f. und Anm. 14; Meier 2002, S. 518. Vgl. Meier 1995, S. 29 ff. Zum Didascalicon des Hugo von St. Viktor vgl. Kapitel IV. 2.

100

ΠΙ. Der lexikographische Teil des Kompendiums

eine authentische Wiedergabe der Fachschriftsteller angestrebt. Meist liefern die Verfasser eine detaillierte Aufzählung der Quellenautoren, wobei sich vor allem seit dem 13. Jahrhundert die Vermittlung der griechischen und arabischen Wissenschaft bemerkbar macht.315 Albertus Magnus (vor 1200-1280), der größte deutsche Gelehrte und Naturforscher des Mittelalters sowie Lehrer des Thomas von Cantimpre, hat alle damals bekannten Schriften von Aristoteles erklärt, die seit der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts hauptsächlich in der Interpretation von Ibn Rusd (1126-1198), latinisiert Averroes, bekannt wurden.316 Albertus Magnus selbst wird im Vocabularius rerum in drei Wortartikeln des mineralogischen Kapitels als Quelle angegeben,317 womit Brack sich wohl auf De mineralibus, ein aus fünf Büchern bestehendes mineralogisches Werk, das sowohl auf Ibn Sina (um 980-1037), latinisiert Avicenna, als auch auf Exzerpten aus der pseudo-aristotelischen Schrift De lapidibus beruht, bezieht.318 Aufbau und Inhalt einer mittelalterlichen Enzyklopädie wird im folgenden am Beispiel von dem um 1240 entstandenen Werk De proprietatibus rerum des Bartholomäus Anglicus erläutert. Die Enzyklopädie De proprietatibus rerum von Bartholomäus Anglicus besteht aus 19 Büchern, die folgende Sachbereiche thematisieren: Gott, Engel, Seele - Mensch (Körper, Temperamente, Lebensalter, Krankheiten, Stände, Nahrung, Medizin) - Kosmologie - Zeitrechnung - Element Feuer - Element Luft mit Meteorologie - Vögel und fliegende Insekten - Element Wasser mit Fischen - Element Erde mit Landschaftsformen - Länder, Provinzen - Mineralien, Metalle, Edelsteine - Pflanzen - Landtiere - Akzidenzien (Farben, Geruch, Geschmack) und Gegenstände des Quadriviums (elementare Mathematik, Musik).319 Der Epilog endet in den lateinischen Handschriften mit einer Auflistung der zitierten Autoren, die im Druck von 1601 dem Werk vorangestellt ist.320 Zu den als sancti oder theologi bezeichneten Schriftstellern zählen unter anderen Ambrosius, Augustinus, Beda, Hieronymus und Isidor. Zu den zahlen-

315 316 317 318

319

320

Vgl. Meier 1984, S. 477 f.; Meyer 2000, S. 23 ff.; Sudhoff 1918, S. 95 f. Vgl. Kübel 1980; Fries/Illing 1978. Vgl. Magnes (105.10), lacinctus (105.12), Crisolitus (105.26). Vgl. Kübel 1980, Sp. 296; Albertus Magnus: De mineralibus et rebus metallicis libri quinque, Köln 1569. De mineralibus ist in 92 Handschriften überliefert und wurde 1476 zum ersten Mal in Padua gedruckt (vgl. Fries/Illing 1978, Sp. 129; GW 686). Vgl. Bartholomäus Anglicus: De proprietatibus rerum\ Meier 1984, S. 479; Meyer 2000, S. 37 f. Die um 1241 vollendete Naturenzyklopädie De natura rerum des Thomas von Cantimpre weist eine vollkommen andere Ordnung der Sachbereiche auf: Mensch (Körper und Seele) - Landtiere - Vögel - Meerungeheuer - Fische - Reptilien - Amphibien und Insekten Bäume - Kräuter und medizinische Nutzpflanzen - Quellen und Flüsse - Steine - Metalle Luftregionen und Feuchtigkeiten der Erde - Kosmologie - Meteorologie - Elemente Fixsterne, Planeten, Sonnen- und Mondfinsternisse [später hinzugefugt]. Vgl. die Edition von Boese 1973, darin den Prolog, Z. 97 ff; Meier 1984, S. 479. Zu Thomas von Cantimpre vgl. Hünemörder/Ruh 1995. Vgl. Meyer 2000, S. 24.

III. 3. Quellen

101

mäßig reicher vertretenen philosophi und auctores gehören auch Aristoteles, Averroes, Avicenna, Boethius, Demokrit, Dioskurides, Euklid, Galen, Hippokrates, Plato, Pythagoras, Rhazes sowie Cicero, Juvenal, Ovid, Persius, Plautus, Plinius, Sallust, Seneca, Varro und Vergil.321 Bartholomäus beruft sich somit einerseits auf die Schriften der Kirchenväter, ist aber gleichzeitig offen für die Literatur der klassischen Autoren und die neuen arabischen Einflüsse vor allem auf dem Gebiet der Medizin.322 Innerhalb seines Werkes benennt Bartholomäus seine Quellen meist, indem er die Zitatblöcke, aus denen seine Artikel bestehen, mit Formeln wie ut dicit Isidorus beginnt und beschließt, wobei er sich möglichst genau an den Wortlaut seiner Vorlage hält.323 Entgegen seinem Grundsatz, nur Gegenstände behandeln zu wollen, die in der Bibel vorkommen, sind z.B. von den Tieren ca. 25 %, von den Pflanzen etwa 30 % und von den Steinen über 50 % biblisch nicht belegt. Bartholomäus zitiert die Bibel meist dann, wenn sie im Literalsinn Wissen vermittelt, meidet dagegen solche Bibelstellen, die einer allegorischen Auslegung bedürfen.324 Es handelt sich bei Bartholomäus' Enzyklopädie nicht um den Werktyp mit regelmäßig vollzogener Exegese der Dingbeschreibung wie etwa bei dem um 1200 verfaßten Liber de natura rerum des Alexander Neckam, einer Mischung aus naturkundlicher Beschreibung und Allegoriensammlung.325 Die Mehrzahl der lateinischen Codizes von De proprietatibus rerum weisen jedoch Randnoten auf, im Gesamtwerk etwa 10.500 bis 11.000 allegorische Deutungen in formelhafter Kürze, um den Text für die Predigtvorbereitung nutzen zu können.326 De proprietatibus rerum ist in der lateinischen Originalversion in knapp 190 Handschriften in Frankreich, Deutschland, Italien, England, Spanien und Portugal überliefert, etwa 66 weitere Handschriften enthalten Auszüge und Fragmente und 44 Handschriften Bearbeitungen unterschiedlichster Art. Das Werk erschien von 1470 bis 1609 in insgesamt 52 Druckauflagen, einschließlich französischer, spanischer, englischer und niederländischer Ausgaben.327 Eine Gesamtübersetzung ins Deutsche liegt nicht vor, sondern nur die Übertragung einzelner Werkteile. So enthält z.B. die sogenannte Redaktion Β von Konrads von Megenberg (1309-1374) Puoch von den naturleichen dingen, dessen Hauptquelle und Vorlage die Redaktion III des Liber de natura rerum des

321

322 323 324 325 326 327

Vgl. die Einleitung im Druck von 1601. Thomas von Cantimpre benennt die von ihm verwendeten Quellen in der Einleitung seines Werks nicht wie Bartholomäus in alphabetischer sondern in hierarchischer Reihenfolge. Am wichtigsten sind ihm Aristoteles, Plinius, Solinus, Ambrosius, Isidor, Jakob von Vitry, dann folgen Palladius, Galen, Hippokrates und viele mehr (vgl. den Prolog, Z. 17 ff.). Vgl. Meyer 2000, S. 415. Vgl. Meyer 2000, S. 25 f. Vgl. Meyer 2000, S. 31 f. Vgl. Meier 1984, S. 490; Meyer 2000, S. 30, 293. Vgl. Meyer 2000, S. 30, 284. Vgl. Meyer 2000, S. 41 ff., 127 ff., 149 ff., 240, 398 ff.

102

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Thomas von Cantimpre ist, Textteile aus Bartholomäus' Werk, die von Gott, Engeln und Seele handeln, und bei Thomas nicht vorkommen.328 Ähnlichkeiten hinsichtlich der Kapitelabfolge in Bartholomäus' Enzyklopädie und der Artikelreihenfolge in Bracks Vocabularius rerum sind wie auch beim Summarium Heinrici auf die gemeinsame Quelle Isidor zurückzuführen.329 Zusammenhänge zwischen mittelalterlichen Enzyklopädien und dem Vocabularius rerum Bracks zeigen sich neben der sachlichen Anordnung und variablen Struktur der Werke auch in den gemeinsamen Quellen. Zu den Schriftstellern, die sowohl in den Enzyklopädien als auch von Brack zitiert bzw. genannt werden, gehören unter anderem Aristoteles, Boethius, Varro, Columella, Palladius, Evax, Avicenna und Valerius Maximus. Mit predicamenta, der lateinischen Übersetzung von griech. Kategoriai, wird im Artikel Leuigal (72.13) auf eine Abhandlung von Aristoteles (384-322 v. Chr.) verwiesen, die zu seinen im Organon zusammengefallen logischen Schriften gehört. Die predicamenta wurden schon Anfang des 6. Jahrhunderts von Boethius (um 475/80-524), der dem Mittelalter griechische Philosophie und Wissenschaft vermittelte, und mit dem im Abendland die erste Beschäftigung mit Aristoteles begann, ins Lateinische übersetzt.330 Die Logik des Aristoteles wurde im Rahmen der Dialektik, der philosophischen Disziplin des Triviums, in der Schule unterrichtet. Lateinische Ausgaben des Organon wurden etwa Mitte der 70er Jahre des 15. Jahrhunderts in Neapel und 1481 in Venedig gedruckt.331 Seit dem 12. Jahrhundert wurden vor allem durch lateinische Übersetzungen aus dem Arabischen und später aus dem Griechischen in Spanien und Sizilien weitere Werke von Aristoteles bekannt, die Albertus Magnus seinen Zeitgenossen erklärte.332 Mit Ab aristoteles quarto ethicorum in noua translatione bezieht sich Brack im Isidor-Vokabular (Speciosus IS.09) vermutlich auf das ethische Hauptwerk von Aristoteles, die Ethika Nikomacheia (Nikomachische Ethik) in 10 Büchern, die bereits 1469 in Straßburg in lateinischer Übersetzung mit dem Titel Ethica ad Nicomachum gedruckt wurde.333 Im ersten Kapitel des Vocabularius rerum wird Aristoteles von Brack zudem als Quelle seiner astronomi-

328 329

330 331 332 333

Vgl. Meier 1984, S. 485; Meyer 2000, S. 394; Steer 1985, Sp. 233; Edition von Luff/Steer 2003. Vgl. z.B. im 8. Buch von Bartholomäus' De proprietatibus rerum Kapitel 35 De Arcture mit Arcturus (1.29) in der Edition des Vocabularius rerum, Kapitel 36 De Orione mit Orion (1.30), Kapitel 37 De Hyadibus mit Hyades (1.31), Kapitel 38 De Pleiadibus mit Plyades (1.32) und Kapitel 39 De Canicula mit Canicula (1.33). Vgl. dazu Isidor: Etymologiae III, 71,9-14. Zu Boethius vgl. auch S. 103. Vgl. Steenberghen 1980, Sp. 936 f.; GW 2390 f. Vgl. Curtius 1965, S. 65; Steenberghen 1980, Sp. 937. Vgl. GW 2367. Vgl. auch die um 1493 entstandene Textsammlung aus dem Studienbetrieb der Leipziger Artistenfakultät, Nr. 3 (Henkel 1988, S. 162 f.).

III. 3. Quellen

103

sehen Ausführungen genannt.334 Zu den naturwissenschaftlichen Werken des Aristoteles, die sich mit Astronomie beschäftigen, gehören die jeweils vier Bücher umfassenden Schriften Peri uranu (Über den Himmel) und Meteörologika (Meteorologie). Diese beiden kosmologischen Werke wurden in lateinischer Übersetzung mit den Titeln De caelo et mundo und Meteororum libri mit einem Kommentar von Averroes 1473 bzw. 1474 in Padua gedruckt.335 In diesem Zusammenhang ist auch das bekannteste und letzte Werk De consolatione philosophiae in fünf Büchern von Boethius zu nennen, das sich auf Plato, Aristoteles, die Stoa und den Neuplatonismus stützt. Brack zitiert in dem Artikel Fatum (IF.20) des Isidor-Vokabulars aus dem 4. Buch der Consolatio, in dem die Rechtfertigung Gottes hinsichtlich des von ihm in der Welt zugelassenen Übels, das mit dem Glauben an seine Allmacht, Weisheit und Güte in Einklang gebracht werden soll, erörtert wird. Boethius' Schrift wurde bereits von Notker III. von St. Gallen ins Althochdeutsche übersetzt und im mittelalterlichen Schulbetrieb ausgiebig glossiert.336 Die Consolatio philosophiae erschien in zahlreichen Inkunabeln und wurde z.B. schon um 1474 in Basel, um 1475 in Köln und 1476 in Nürnberg gedruckt.337 Zum Fachbereich Landwirtschaft nennt Brack neben Beispielen aus Vergils Georgica338 die Autoren Varro, Columella339 und Palladius in dem Wortartikel Iugerum (44.06). Varro (116-27 v. Chr.) gilt als der größte römische Gelehrte zur Zeit Caesars. Rerum rusticarum libri tres ist seine einzige vollständig erhaltene Schrift,340 die in drei Büchern in Dialogform das damalige Wissen zum Thema Landwirtschaft zusammenfaßt. Das erste Buch handelt vom Ackerbau, das zweite von der Tierhaltung und das dritte, womit ein neuer Zweig der Fachliteratur erschlossen wird, von Kleintier- und Bienenzucht. Varros Fachbuch erschien zusammen mit den landwirtschaftlichen Schriften von Cato, Columella und Palladius unter dem Titel Scriptores rei rusticae erst-

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335 336 337 338 339 340

Vgl. Zodiacus (1.15). Die in dem Artikel Lacteus (1.16) verwendete Bezeichnung philosophus bzw. philosophi in den Artikeln Spera (1.06) und Stella (1.19) wird sich vermutlich auch auf Aristoteles beziehen. Vgl. GW 2423, 2357; Edition der lateinischen Meteorologica von Schoonheim 2000. Vgl. Splett 1998, S. 222 f. Vgl. Gruber 1983, Sp. 311; GW 4514, 4516, 4526; Edition von Gigon 1998. Vgl. Aruum (62.02), Ager consitus (62.03), Agerpaseuus (62.04), Agerfloreus (62.05), Bumasta (91.45). Im Speculum doctrinale des Vinzenz von Beauvais wird Columella z.B. im 6. Buch De arte oeconomica, Kapitel 16 De habitaculis construendis, Sp. 513, genannt. Daneben ist Varros Grammatik De lingua latina nur bruchstückhaft überliefert. Von den ursprünglich 25 Bänden sind nur 6 Bücher (5-10) über Etymologie und Deklination erhalten, doch stammen Zitate daraus in der Regel aus zweiter oder dritter Hand. De lingua latina wurde 1471 erstmals in Rom gedruckt (vgl. Brunhölzl 1997c, Sp. 1414 f.; Hain 15852 ff.; Edition von Goetz/Schöll 1910). Brack nennt Varro in den Artikeln Scala (34.24) und Arena (73.13) vermutlich mit Bezug auf seine Grammatik.

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

mals 1472 in Venedig.341 Von Columellas (1. Jh.) landwirtschaftlicher Schrift De re rustica waren, bis Poggio Bracciolini Anfang des 15. Jahrhunderts eine heute verlorene Handschrift von Columellas Werk entdeckte, von der etwa 20 Abschriften aus dem 15. Jahrhundert erhalten sind, nur zwei Handschriften aus dem 9./10. Jahrhundert bekannt. Columellas Werk umfaßt 12 Bücher, die von Acker-, Wein-, Obst-, Gartenbau und Tierzucht handeln. Das 10. Buch schrieb Columella in Nachahmung des von ihm verehrten Vergil in Hexametern.342 De re rustica war im mittelalterlichen Europa weit weniger verbreitet als das Werk Palladius', der Columellas Fachbuch als Hauptquelle nutzte. Palladius (4./5. Jh.) verfaßte das Opus agriculturae, ein landwirtschaftliches Werk in 15 Büchern, das in über 60 Handschriften überliefert ist. Nach einer Einleitung zu Anlage und Ausstattung des Landguts sowie allgemeinen Vorschriften im 1. Buch, folgen die Bücher 2 bis 13 dem Ablauf eines Jahres, so daß jeder Monat und damit die in ihm zu verrichtenden Arbeiten jeweils in einem Buch behandelt werden. Buch 14 thematisiert Veterinärmedizin und das 15. Buch schließt mit einer Elegie über das Pfropfen ab, womit ein metrischer Abschluß nach dem Vorbild Columellas gegeben wird. Die ersten dreizehn Bücher wurden im Mittelalter als Handbuch viel genutzt und in verschiedene Volkssprachen übersetzt.343 Bei dem im Kapitel De lapidibus et gemmis mehrfach genannten Evax344 handelt es sich um den Verfasser einer Schrift über Steine, einer lateinischen Übersetzung von Exzerpten aus dem Werk Peri lithon des Damigeron.345 Das Buch beginnt mit einer Widmung an Kaiser Tiberius (1. Jh.), in der Evax sich selbst als Arabiae rex bezeichnet.346 Aufgrund des Aufbaus und der Behandlung des Themas wird jedoch vermutet, daß es sich um ein Werk des 5. Jahrhunderts handelt. Die Schrift behandelt die Arten, Namen, Fundorte, Farben sowie magisch-medizinische Eigenschaften von 50 Steinen und ist in der Handschrift Cod. lat. 7418 der Pariser Nationalbibliothek überliefert.347 Am Ende des Kapitels De mineralibus (105) empfiehlt Brack mit in secundo libro canonis den Qänün fi t-tibb (Kanon der Medizin) des persischen Philosophen, Arzt und Naturforschers Avicenna als weiterführende Lektüre. Das 2. Buch des Kanon der Medizin enthält eine alphabetische Aufzählung und Beschreibung der Simplicia, der unvermischten Heilmittel pflanzlicher, tierischer und

341 342 343 344

345 346 347

Vgl. Brunhölzl 1997c, Sp. 1415; Edition von Flach 1996-2002. Vgl. Harvey 1986, Sp. 67 f.; Edition von Richter 1981-1983. Vgl. Gruber 1993, Sp. 1642; Edition von Rodgers 1975. Vgl. Adamas (105.09), Magnes (105.10), lacinctus (105.12), laspis (105.21) und den Literaturverweis nach dem letzten Artikel Arenarius (105.39). Evax wird auch von Thomas von Cantimpre in seinem Kapitel über Steine genannt (vgl. Uber de natura rerum 14, Z. 41). Zu Büchern, die über medizinisch-magische Wirkungen von Steinen informieren, vgl. Hünemörder 1999 und Jüttner 1991. Vgl. Abel 1881 (1971), S. 162, Z. 8: Evax Arabiae rex Tiberio Imperatori salutem. Vgl. Wellmann 1909, Sp. 849 f.; Abel 1881 (1971), S. 155 ff.

III. 3. Quellen

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mineralischer Herkunft. Das Werk wurde im 12. Jahrhundert von Gerhard von Cremona in Toledo ins Lateinische übersetzt. Der Canon medicinae wurde vor 1473 erstmals in Straßburg gedruckt und erschien bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts in insgesamt 36 Druckauflagen. Aus Avicennas Kitäb as-Siß' (Buch der Heilung) wurden die Kapitel über Geologie und Mineralogie als ein Liber de mineralibus Aristotelis in das aristotelische Corpus eingefugt. Da es daneben aber auch die richtige Zuweisung auf Avicenna gab, werden sich Bracks weitere Literaturverweise wohl auf die mineralogischen Kapitel im Buch der Heilung beziehen. 348 Brack zitiert dreimal aus Valerius Maximus' (1. Jh.) Facta et dicta memorabilia,349 einer Sammlung von historischen und moralischen Beispielen aus dem Altertum in neun Büchern. Einträge in mittelalterlichen Bibliothekskatalogen finden sich seit dem 12. Jahrhundert, dann nimmt die Zahl der Handschriften bis zum 15. Jahrhundert stetig zu und vieles, was an Exempla und anekdotenartigen Geschichten aus dem Altertum bekannt war und zitiert wurde, entnahm man den Facta et dicta memorabilia. Im Spätmittelalter entstehen die ersten Kommentare zu dem bei Humanisten beliebten Werk, das um 1470 in Straßburg und 1471 in Mainz gedruckt wurde. 350 Verbindungen zwischen mittelalterlichen Enzyklopädien und dem Vocabularius rerum Bracks zeigen sich neben der sachlichen Ordnung somit auch in den gemeinsamen Quellen wie z.B. Isidor, Plinius, Aristoteles, Boethius, Varro, Columella, Palladius, Avicenna, Evax und anderen, so daß wiederum davon auszugehen ist, daß Brack seine Informationen und Zitate nicht primär den Quellentexten - die zwar bereits gedruckt vorliegen - entnimmt, sondern neben Vokabularien, Grammatiken und Kommentaren vor allem auch auf Enzyklopädien zurückgreift, die das Wissen einer Vielzahl von Büchern nach Sachbereichen geordnet darbieten.

III. 3. 4. Auswertung der Ergebnisse Als Vorlage für die beiden alphabetisch geordneten Vokabularien verwendete Wenzeslaus Brack das X. Buch aus den Etymologiae Isidors von Sevilla und den Verbteil des Vocabularius brevilogus. Als Hauptvorlage für den Vocabularius rerum dienten Brack die Etymologiae Isidors, was an der Kapitel- und

348

349 350

Vgl. Lauer 1980, Sp. 1299 f.; Strohmaier 1999, S. 115, 103; Keil 1978, Sp. 572 f.; GW 3114. Avicenna wird auch von Johannes Kotman in der Einleitung zu seinem Vocabularius optimus genannt (vgl. Bremer 1990, Bd. II, S. 5). Vgl. Palludamentum (27.15), Amiculum (27.18), Ceremonie (74.14). Im 6. Buch des Speculum doctrinale des Vinzenz von Beauvais wird Valerius Maximus genannt (Sp. 483). Vgl. Brunhölzl 1997b, Sp. 1391; Patschovsky 1999, S. 16 f.; Hain 15773 f.; Edition von Shackleton Bailey 2000.

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Stichwortabfolge sowie anhand der Kapitelüberschriften deutlich wird. Sogar die Reihenfolge einer Anzahl von Kapiteln Bracks stimmt mit der Abfolge der entsprechenden Abschnitte Isidors überein. Dagegen weicht das im Vocabularius Sancti Galli enthaltene, sachlich geordnete lateinisch-althochdeutsche Glossar in seinem gesamten Aufbau, der Lemmaabfolge und durch die Wortfür-Wort-Übersetzungen von Bracks Sachvokabular ab. Die Übereinstimmungen der Sachkapitel des Summarium Heinrici mit dem Vocabularius rerum sind auf die gemeinsame Vorlage der Etymologiae Isidors zurückzuführen. Die Abweichungen des Vocabularius rerum von Johannes Kotmans Vocabularius optimus sind insgesamt größer als die wenigen spezifischen Entsprechungen. Auch der Uber ordninis rerum unterscheidet sich durch die Strukturierung der Sachbereiche, der Wortartikel und der Form der Lemmakommentierung deutlich von Bracks Sachvokabular. Die von Wenzeslaus Brack im Zusammenhang mit Zitaten und Literaturverweisen genannten Autoren gehören überwiegend zum Lektürekanon der mittelalterlichen Schulen. Herausragend im Unterschied zu Verfassern früherer Vokabularien ist, daß Brack den Autor, meist das Werk und manchmal die Stelle angibt, woher das Zitat stammt. Innovativ ist zudem, daß Brack vorwiegend klassische Autoren wie Vergil, Terenz, Horaz, Ovid, Cicero, Statius, Persius und Plautus nennt, nicht aber spätantike christliche Schriftsteller wie Prudentius, Juvencus, Prosper von Aquitanien, Sedulius oder Arator. Eine Benutzung der damals schon edierten klassischen Werke ist unwahrscheinlich. Zahlreiche entstellte Zitate deuten darauf hin, daß Brack diese sekundär aus Grammatiken, Kommentaren, Enzyklopädien oder Florilegien entnommen hat. Darüber hinaus bezieht sich Brack hinsichtlich lateinischer Grammatik auf die Humanisten Lorenzo Valla, Giovanni Tortelli, Guarinus aus Verona und Gasparinus Barzizza, was einer fortschrittlichen, durchaus zeitgemäßen Entwicklung entspricht. Übereinstimmungen mittelalterlicher Enzyklopädien mit dem Vocabularius rerum sind neben der Ordnung nach Sachbereichen die zitierten Autoren wie Aristoteles, Boethius, Varro, Columella, Palladius, Evax, Avicenna und Valerius Maximus. Wegen der grundsätzlichen Problematik im Hinblick auf die verwendeten Quellen bei der offenen Textsorte Vokabular sind kaum sichere Aussagen möglich. Die genannten und zitierten Autoren verdeutlichen jedoch besonders anschaulich Bracks Stellung zwischen mittelalterlicher und humanistischneuzeitlicher Lexikographie. Brack distanziert sich von spätantiken christlichen Schriftstellern und bevorzugt klassische Autoren und Humanisten. In diese Richtung weist auch der Briefsteller, dem Brack mit dem Titel Tractatus de modo epistolandi keine bei den Humanisten verpönte mittelalterliche Bezeichnung wie Ars dictandi oder dictamen gibt.

III. 4. Lautstand des volkssprachigen Wortschatzes

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III. 4. Lautstand des volkssprachigen Wortschatzes Im 15. Jahrhundert gibt es bekanntlich noch keine einheitliche für den gesamten deutschen Sprachraum geltende Orthographieregelung. Seit Anfang des 14. Jahrhunderts formen sich im Zusammenhang mit der Entstehung der Stadtkultur und ihrem Bedürfiiis nach Schriftlichkeit die regionalen frühneuhochdeutschen Schreibsprachen aus (Karte 1), in denen Ausgleichstendenzen zwischen den Schreibgewohnheiten fürstlicher und städtischer Kanzleien im Rahmen einer die territorialen Grenzen überschreitenden Großregion festzustellen sind. Die westlichen und östlichen mittel- und oberdeutschen Schreibsprachen stehen im ganzen 14. und 15. Jahrhundert gleichwertig nebeneinander.

Karte 1: Der deutsche Sprachraum vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Die Drucksprachen gelten bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts als gemäßigt raumgebunden. Im Laufe des 16. Jahrhunderts lösen sie sich zunehmend aus ihrer landschaftlichen Bindung, so daß die gedruckten Texte geographisch häufig nicht mehr einzuordnen sind.351 Die ersten drei lexikographischen Abschnitte aus dem Kompendium von Wenzeslaus Brack weisen in Peter Kollickers Baseler Erstdruck aus dem Jahr 1483 etwa 3500 volkssprachige Interpretamente auf. Der Druck gehört sprachgeographisch zum Westoberdeutschen, wobei Basel am südlichen Rand des niederalemannischen Sprachgebietes liegt. Der Verfasser Wenzeslaus Brack kommt ursprünglich aus Sachsen, das zum ostmitteldeutschen Sprachraum gehört, lebt aber seit über zehn Jahren im alemannischen Sprachgebiet, zuerst in Basel, wo er mehrere Jahre an der Universität studiert hat, danach in Konstanz, wo er als Rektor der Domschule das Kompendium für seine Schüler zusammengestellt hat. Der Drucker Peter Kollicker, den Wenzeslaus Brack vermutlich während ihrer gemeinsamen Studienjahre an der Baseler Universität kennengelernt hat,352 stammt aus Ölten, das etwa 50 Kilometer südöstlich von Basel an der nördlichen Grenze des Hochalemannischen liegt. In den zwei folgenden Kapiteln wird der Lautstand der in der Edition vorliegenden Baseler Erstausgabe auf der Basis der rund 3500 volkssprachigen Interpretamente hinsichtlich seiner sprachgeographischen Ausprägung untersucht.

III. 4. 1. Vokalismus Die neuhochdeutsche Diphthongierung der mittelhochdeutschen Langmonophthonge /i:/, /u:/, /iu/ zu den neuhochdeutschen Diphthongen /ei, ai/, /au/ und /eu, äu/ setzt bereits in frühmittelhochdeutscher Zeit im bairischen Sprachraum ein, wo sich zu Beginn des 12. Jahrhunderts erste Belege in Südtiroler und Kärntener Urkunden finden, und breitet sich in den folgenden Jahrhunderten über den größten Teil des mitteldeutschen Gebietes aus. Zu unterscheiden ist eine ältere Diphthongierung im Hiatus und im Wortauslaut, die im gesamten Hochdeutschen außer dem Höchstalemannischen durchgeführt wurde, und eine jüngere Diphthongierung in den übrigen Wortpositionen, die nicht im Alemannischen, Osthessisch-Westthüringischen und Ripuarischen stattfand. Das Schwäbische weist zu Beginn des 15. Jahrhunderts als einzige alemannische Teillandschaft neuhochdeutsche Diphthongierung auf. In den Gebieten ohne neuhochdeutsche Diphthongierung wurden die digraphischen Schreibungen im Laufe des Frühneuhochdeutschen in die Schriftlichkeit übernommen. So sind Diphthonggraphien aus alemannischen Quellen des 16. Jahrhunderts bekannt,

351 352

Vgl. Frnhd. Gr. 1993, S. 5 ff. Vgl. K a p i t e l l ! 2. 1.

III. 4. Lautstand des volkssprachigen Wortschatzes

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obwohl hier in den Mundarten keine Diphthongierung vorkommt.353 Die volkssprachigen Interpretamente im Baseler Erstdruck von 1483 zeigen ein uneinheitliches Bild und weisen sowohl monographische als auch digraphische Schreibungen auf. Eine Unterscheidung von altem mittelhochdeutschen Diphthong /ei/ durch -Graphien und neuem, durch die Diphthongierung von /i:/ entstandenem /ei/ durch -Schreibungen ist nicht nachweisbar. Der Monophthong /i:/ wird durch , der Diphthong /ei/ durch graphisch wiedergegeben, z.B. schreyber/geschichtschryber (69.01, 69.48),354 bley/anckerbly (71.09, 32.35), karfreytag/frytag (76.13, 6.11), reich/erdtrich (39.07, 38.01), wayd/wyd (103.118, 102.107).355 Das oft vorkommende Diminutivsuffix -lin, -lyn liegt mit Ausnahme von künigleyn (93.26) durchweg mit monographischer Schreibung vor, z.B.fensterlin, euglin, schiffelin (34.80, 15.39, 33.10). Der Monophthong /u:/ wird durch und der Diphthong /au/ durch graphisch dargestellt, z.B. braut/ brutfuerer (23.05, 23.28), glockenhauß/hußmuter (74.22, 18.10), kraus/kruß (IC.41, 15.323), weyntraub/trub (91.18, 91.16), maul/mulwerff (93.60, 94.10).356 Für den mittelhochdeutschen Monophthong /iu/ sind Schreibungen belegt, während /eu, äu/ durch -Graphien wiedergegeben werden, z.B. freundt/nachfrundt (IA.08, 18.42), zeug/fewerzug (15.202, VI.09), grewen/grüwen, grwen (VH.18, VN.02, VA. 15), reiitten/riittebrunst (VR.34, 63.02).357 Die neuhochdeutsche oder mitteldeutsche Monophthongierung der mittelhochdeutschen Diphthonge /ie/, /üe/ und /uo/ zu den langen Monophthongen /i:/, /ü:/ und /u:/ vollzieht sich seit dem 11 ,/12. Jahrhundert im Mitteldeutschen. Im gesamten Oberdeutschen außer dem östlichen Ostfränkischen sind die Diphthonge erhalten geblieben. Während der frühneuhochdeutschen Epoche wer-

353 354

355

356

357

Vgl. Mhd. Gr. 1998, § 42; Frnhd. Gr. 1993, § L 31; Besch 1967, S. 75 f. und Karte 1; HSS, Karten 48-51, TextS. 142 f. Die Ziffern in Klammern verweisen jeweils auf eine Belegstelle, auch wenn eine Schreibung im Baseler Druck mehrfach bezeugt ist. Weitere mögliche Belegstellen können im Register des volkssprachigen Wortschatzes nachgesehen werden. Weitere Beispiele sind: dreylichldry (26.33, 79.14), eysenlbrantysen (71.06, 52.11), seydenkleydlsyde (27.60, 26.09), streychholtzlstrichholtz (VH.22, 43.08), leybllibsfrucht (15.02, IA.50), weyß/wißbrott (IC.49, 45.46), zeytt/zytlloj.5 (6.01, 103.81), zweyfeln/zwifeln (VH.07, VA.43), zweyg/zwyg (101.21, 101.15), weyn/wynfas (46.03, 48.02), abschnaydt/abschnyt (91.25, 101.28), eingang/yngang (34.14, 34.20), gleychnen/glychnen (VE.28, VS.14), gleychßner/glychßner (IS.22, IH.08), kleyen/klyen (82.14,45.49), streytt/stryt (25.02,92.08). Weitere Beispiele für Diphthonggraphien sind: bauch (15.185), daum (15.119), faust (15.128), lauß (96.28), hautt (15.150), maus (94.01), taub (98.45), weynschlauch (48.11), brauchen (VR.04), mauer (37.14), lautt (78.46), baw (70.37), saw (93.28). Weitere Beispiele für Diphthongschreibungen sind: ein teutsche tafel (69.62), leuchte (52.12), steüernagel (32.18), seufftzen (14.33), spreuer (61.36), eutter (15.155), kreütz ( 8 0 . 1 5 \ f r e w e n (VG.20), kewsch (IC.03), trew (IC.14), hewlen (VE.12), schewer (61.31), new (101.02).

110

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

den dort die monographischen Schreibungen übernommen.358 In der Erstausgabe von Bracks Vokabularien überwiegen Digraphe bei weitem, es finden sich jedoch vereinzelt monographische Schreibungen, wie z.B. gutes (VE.36), muter (18.08), blutschyß (15.295), holtzschuch (15.237), großmütig (IM.05), gütig (IB.02), süßholtz (103.68), richterstüll (53.24), trüb (46.16). Die Senkung der mittelhochdeutschen hohen Kurzmonophthonge /i, u, ü/ zu /e, o, ö/ vor Nasal, aber auch vor Liquid plus Konsonant erscheint zunächst im Mitteldeutschen und teilweise im Schwäbischen, später auch im übrigen Oberdeutschen. Im Alemannischen bleiben die hohen Monophthonge meist erhalten und werden zum Teil erst im späten 17. Jahrhundert in die Schriftsprache übernommen.359 Kollickers Druck zeigt neben meist erhaltenen hohen Monophthongen, wie z.B. wittwe, himel, sybent (23.20, 1.03, 74.39), summer, sun, sunne (11.02, 18.15, 1.24), hüle, künig, münich (40.05, 25.03, 56.01), auch vereinzelte Senkungen, z.B. scheff{33.06), schlecht (72.14). Rundungen von /e, e:/ zu /ö, ö:/ und Γι, i:/ zu /ü, ü:/ treten vor allem im Alemannischen auf und sind dort graphisch durch - statt -Schreibungen seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts bezeugt. Seit dem 14. Jahrhundert finden sich Belege fur Labialisierung im angrenzenden Schwäbischen und Ostfränkischen, aber selten im Bairischen und Mitteldeutschen.360 Im Baseler Druck treten zu /ö, ö:/ bzw. /ü, ü:/ gerundete neben nicht gerundeten Wortformen auf, z.B. öpffelschüssel/epffel (47.13, 102.26), frömbd/fremdt (24.66, 24.69), hör/herschlaher (25.28, IM.20), mörrauber/mergries (33.16, 103.91), östrich (34.26), bzw. trüglich/tryeger (ID.26, IF.25), lüstig/lystig (IC. 15, IA.12), wüschtuoch/wischtüchlin (68.35, 31.34),früren (VF.48), küstlin (51.16).361 Entrundungen der mittelhochdeutschen Monophthonge /ü, ü:/ zu /i, i:/ bzw. /ö, ö:/ zu /e, e:/ und der Diphthonge /iü, öu/ zu /ei/ bzw. /üe/ zu /ie/ sind seit dem 12. Jahrhundert durch -Schreibungen im Bairischen belegt und finden sich im 16. Jahrhundert im gesamten hochdeutschen Sprachgebiet mit Ausnahme des Ripuarischen, Ostfränkischen und Hochalemannischen. Am häufigsten tritt Entlabialisierung von /ü, ü:/ zu /i, i: / auf.362 Belege der Erstausgabe für entrundete zum Teil neben nicht entrundeten Formen sind z.B. auffschyrtzen/schurtz (VS.37, 27.46), schissel/'schussel (47.07, 47.11),

358 359 360 361

362

Vgl. Mhd. Gr. 1998, § 43; Frnhd. Gr. 1993, § L 32; Besch 1967, S. 79 ff. und Karte 2a. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 33; Moser 1929, §§ 72-74; Mhd. Gr. 1998, § 50; Besch 1967, S. 103 f., Karten 15, 16. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 36, 2.; Moser 1929, § 66; Mhd. Gr. 1998, § 48; Besch 1967, S. 95 ff., 99 ff. und Karten 12-14; HSS, Karten 3, 4, 19, 21-27, Text S. 99 ff., 116 ff. Als weitere Beispiele sind zu nennen: außerwölen/erwelter sun (VD.17, 18.20), entfremden/ entfremden (VS.26, VA.01), hörtten/herttung (VD.23, 15.285), höfel (45.26), vngehöfelt (45.29), höcht (97.19), röchböcklin (93.23), weberströl (26.36), küttel (27.51), gemüscht (46.15), kutten (102.60), sunnenwurbel (103.62). Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 36, 1; Moser 1929, § 65; Mhd. Gr. 1998, § 49; HSS, Karten 8587, T e x t S . 180 ff.

III. 4. Lautstand des volkssprachigen Wortschatzes

111

fuoßhylin/hüle (15.242, 40.05), kirsefnj/kürsen (27.26, 28.15), byn (34.27), pimß (69.19), für Entrundung von /ö, ö:/ zu /e, e:/ z.B. schnedigkeyt/schnöd (IS.39, IV.06), von /iü, öu/ zu /ei/ z.B. außreytten/reütten (VE.51, VR.34), flaytt (78.33), eyl (98.35), beytel (82.10), leyffel (24.46) und von /üe/ zu /ie/ bzw. /ü:/ zu /i:/ z.B. gryen/grim (96.13, IV.03), dries (15.141), myed (IF.18), blyen (VG.05, VP.50), wiettrich (103.28). Schreibungen mit statt mittelhochdeutschem kurzem , wie sie in Kollickers Druck durch deckloch (27.44) neben decklach (31.13) oder dunnerkloppff (12.01) belegt sind, treten vorwiegend im Bairischen und nur in Ausnahmen im Schwäbischen und Hochalemannischen auf. Lautliche Grundlage ist die Hebung und Rundung von mittelhochdeutsch /a/.363 Dieser Lautwandelprozeß erreicht aber nicht die Ausdehnung des entsprechenden Vorgangs der Hebung und Rundung von mittelhochdeutschem langem /a:/, der bereits im 12. Jahrhundert im Bairischen erscheint und noch in mittelhochdeutscher Zeit das Niederalemannische, Ostfränkische und Mitteldeutsche erfaßt. Vom Beginn des Frühneuhochdeutschen an finden sich dann Schreibungen mit anstelle von mittelhochdeutschem langem nahezu im gesamten hochdeutschen Sprachgebiet, wobei -Schreibungen im Niederalemannischen dominieren.364 Belege liegen im Baseler Druck durch or (98.29), bromber (102.73) und monath (1.25, 1.27) vor. Schreibungen mit für den mittelhochdeutschen Diphthong , deren lautliche Grundlage die Monophthongierung von mittelhochdeutsch /ou/ zu /o:/ ist, treten vor allem im Mitteldeutschen und Ostfränkischen bis ins 17. Jahrhundert, in Teilen des Alemannischen im 14. und 15. Jahrhundert auf,365 so auch in der Erstausgabe von Bracks Vokabularien, z.B. bom (101.01), brutloffe (23.11), gockler (60.23). Schreibungen mit fur mittelhochdeutsche -Graphien finden sich in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts im Schwäbischen und sind auch im Mitteldeutschen und Ostfränkischen verbreitet, wo sie jedoch selten auftreten. Lautliche Grundlage ist die bereits im Bairischen vor allem in Handschriften des 14. bis 17. Jahrhunderts bezeugte Monophthongierung von mittelhochdeutsch /ou, öu/ zu langem /a:/ vor /ch/ und Labialen.366 Belege hierfür finden sich auch im Baseler Druck, z.B. sam (43.06), knoblach (103.06), weyrach (102.15), zam neben zaumleder (68.12, 68.18). Schreibungen mit fur mittelhochdeutsches , deren lautliche Grundlage die besonders im Süd- und Mittelbairischen vorkommende Annäherung von /a/ und /o/ ist, sind vorwiegend in bairischen Handschriften bis ins 17. Jahrhundert bezeugt. Im Aleman-

363 364 365 366

Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 14, Anm. 1; Moser Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 22, Anm. 1; Moser Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 22, Anm. 5; Moser S. 169 f.; Mhd. Gr. 1998, § 79. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 18, Anm. 5; Moser 167 ff.

1929, § 69. 1929, § 75, 1, 2; Mhd. Gr. 1998, § 48. 1929, § 79,1, Anm. 9, 13; HSS, Karte 76, Text 1929, § 79,1, Anm. 9; HSS, Karte 75, Text S.

112

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

nischen sind Belege mit , wie z.B. räch (79.21) in Kollickers Ausgabe, eher selten und meist auf das 14. und 15. Jahrhundert beschränkt.367 In alemannischen Texten des 14. und 15. Jahrhunderts finden sich häufig -Schreibungen anstelle eines mittelhochdeutschen und sekundären vor Nasal. Lautliche Grundlage ist der Lautwandel von /e/ und /ä/ zu /a/.368 Ein Beleg hierfür liegt im Baseler Druck durch sprangwadel (70.34) statt sprengwadel (74.26) vor. Schreibungen mit statt mittelhochdeutsch und neuhochdeutsch standardsprachlich vor , wie sie im Baseler Druck z.B. durch esch (52.10), tesch (51.09), weschen (VA.14) und reß (78.19) vorliegen, sind im westlichen Mittel- und Oberdeutschen bis zur ostoberdeutschen Grenze belegt. Lautliche Grundlage dieser Schreibungen, die im Südwesten bis ins 18. Jahrhundert vorkommen, ist der Umlaut von /a/ zu läl vor /j/.369 Schreibungen mit statt treten in Einzelfällen auch in anderen lautlichen Umgebungen auf,370 z.B. in Kollickers Druck bei epjfel (102.26), encker (32.19), eniß (103.48), krenich (98.14), mentag (6.07), kennel (34.81), mermel (105.34), merckthauß (37.42), mistber (61.41), dürschlecht (13.40), vorhefften (VA.63), zwifelhefftig (IA.31). Schreibungen mit für den mittelhochdeutschen Diphthong vor /1, η/, seltener vor anderen Konsonanten, im Baseler Druck durch seger (46.21) belegt, sind seit dem 12. Jahrhundert im Mittelfränkischen nachweisbar, breiten sich von dort nach Süden aus und finden sich seit dem 14. Jahrhundert im Alemannischen. Lautliche Grundlage bildet die Monophthongierung von mittelhochdeutsch /ei/ zu /e:/.371 -Schreibungen für ein gedehntes mittelhochdeutsches kurzes Iii in geschlossener Silbe vor Irl, seltener vor IV, /ht, hs/, treten im gesamten Oberdeutschen auf. Lautliche Grundlage ist die Diphthongierung von gedehntem langem Ii:/ zu lie/.372 Ein Beleg liegt im Baseler Druck durch byerenmost (46.52) neben bir (102.37) vor. Schreibungen mit statt eines mittelhochdeutschen besonders vor Nasal, wie in Kollickers Druck bei syen (25.65), sind im Schwäbischen belegt. Lautliche Grundlage dieser -Schreibungen bildet die Diphthongierung von mittelhochdeutsch /e/ zu /ie/.373 Schreibungen mit für mittelhochdeutsches langes , im Erstdruck von Bracks Vokabularien durch lauerbon, lauerberbom (102.23, 102.22) belegt, finden sich im größten Teil des Bairischen, im Westschwäbischen, südlichen Rheinfränkischen,

367 368 369 370 371 372 373

Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 11; Moser 1929, § 73, 1. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 11, Anm. 2; Moser 1929, § 7 1 , 2 . Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 12, 2. Zum Partizip Präteritum geweschen (IL.25) vgl. Besch 1967, S. 86 ff. und Karte 7. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 12, Anm. 5. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 19, Anm. 3; HSS, Karte 64, Text S. 155 f. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 30; Moser 1929, § 72, Anm. 1; HSS, Karte 17, Text S. 114 f. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 30; Moser 1929, § 70, Anm. 7; HSS, Karte 13, Text S. 110.

III. 4. Lautstand des volkssprachigen Wortschatzes

113

Mittelfränkischen und Schlesischen seit dem 13. Jahrhundert. Im 14. und 15. Jahrhundert sind diese Schreibungen, deren lautliche Grundlage die Diphthongierung von /o:/ zu /au/ ist, in Handschriften und Drucken häufig, in einzelnen Schreiborten sind sie bis ins 16. Jahrhundert belegt.374 Gedehntes /u, ü/ wurde im Oberdeutschen bereits im 12. Jahrhundert vor Nasalen, Liquiden, /ht, hs/ und im Auslaut zu /uo, üe/ diphthongiert. Solche Formen sind in oberdeutschen Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts und in frühen Drucken oft bezeugt. Ein Beleg liegt im Baseler Druck durch guot (15.289) vor. Am häufigsten sind - statt -Graphien im Niederalemannischen, am wenigsten im Bairischen belegt. Seit Beginn des 16. Jahrhunderts sind diese Schreibungen aber fast nur noch in niederalemannischen Drucken anzutreffen.375 Die Suffixvarianten -nus, -nüs gehen im Althochdeutschen wohl vom Bairischen aus, sind in mittelhochdeutscher Zeit auch im östlichen Alemannischen verbreitet und werden später, vor allem seit dem 15. und 16. Jahrhundert ins Mitteldeutsche, wo bisher das Suffix -nis dominierte, übernommen.376 Besch unterscheidet fur das 15. Jahrhundert zwei Großlandschaften: -nis gilt als die mitteldeutsche, niederdeutsche, niederfränkische und oberrheinische Form, während -nus, -nüs im Ostalemannischen, Bairischen und Ostfränkischen vorherrschen.377 Im Baseler Druck finden sich nur die Suffixe -nus, -nüs, z.B. finsternuß (39.22), gedechtnuß (88.25), erkantnuß (77.34), gelübnüß (88.25), gefencknüß (37.62), treügnüß (79.04). Vom 13. bis zum 15. Jahrhundert zeigt die Verwendung der - und Formen von gen/gan bzw. sten/stan eine deutliche sprachlandschaftliche Verteilung (Karte 2). Im Westoberdeutschen und Westmitteldeutschen überwiegen die -Formen, die auch im 16. und 17. Jahrhundert noch oft verwendet werden. Im 15. Jahrhundert dominieren die -Formen im Ostoberdeutschen und teilweise im Ostmitteldeutschen. Dort sind zwar auch -Formen vom 14. bis zum 17. Jahrhundert belegt, aber ihr Anteil beträgt nur maximal 40 Prozent. Als Nebenformen erscheinen vereinzelte -Graphien im gesamten Sprachraum, die aber im Westoberdeutschen des 15. Jahrhunderts allgemein verbreitet sind.378 In Kollickers Druck sind ausschließlich -Formen belegt: gan (VG.15, VM.19), angan (VA.34), muss ig gan (VO.15), weggan (VA.08), vor tag aujfstan (VA.51), widerstan (VR.21). Der Augsburger Druck der Vokabularien von Anton Sorg weist dagegen sowohl - als auch -Formen sowie

374 375 376 377 378

Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 28; Moser 1929, § 78, 3. Vgl. Moser 1929, § 74, Anm. 1. Vgl. Gr. d. Frnhd. 1,3, §§ 14, 15. Vgl. Besch 1967, S. 225 ff., Karten 67, 68. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § Μ 148, 4 und Anm. 3; Besch 1967, S. 83 f., 86, 341, Karten 4, 6; HSS, Karten 43-45, Text S. 140; DWb. 5, Sp. 2382 ff.; DWb. 17, Sp. 1396 ff.

114

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

eine -Form auf: geen (69va, 71ra), miessig geen (7Ivb), angan (66rb), weggan (66ra), widerstan (72va), vor tag auffston (66va).

Karte 2:

gen/gan

in Handschriften des 15. Jahrhunderts

Seit dem Spätgermanischen wird der ursprünglich frei wechselnde Wortakzent auf den Wortanfang und somit zumeist auf die Wurzelsilbe festgelegt. Die Festlegung des Akzents ist die Ursache für den bereits in spätalthochdeutscher Zeit einsetzenden Verfall der Phonem- und Graphemoppositionen in den Nebensilben. Die im Althochdeutschen noch vollen Vokale der nichtstarktonigen Silben werden zu /e/ abgeschwächt oder fallen ganz aus. Beim Schwund der Nebensilbenvokale, der in spätmittelhochdeutscher Zeit beginnt und besonders in der frühneuhochdeutschen Epoche wirksam ist, wird zwischen Synkope, dem Verlust eines unbetonten Vokals im Wortinneren, und Apokope, dem Ausfall eines unbetonten Vokals im absoluten Wortauslaut, unterschieden.

III. 4. Lautstand des volkssprachigen Wortschatzes

115

Apokope kommt nur in Endsilben, Synkope dagegen in Vor-, Mittel- und Endsilben vor. Im Niederalemannischen erscheinen erste Belege fur Apokope um 1325, wo sie sich bis 1450 zu 90 Prozent durchsetzt. Die Restituierung des setzt im Westoberdeutschen erst im 17. Jahrhundert ein. Im Ostmitteldeutschen ist Apokope nicht eingetreten.379 Im Baseler Druck dominieren apokopierte Wortformen zu etwa 95 Prozent, z.B. äff (93.68), bot (81.46), flieg (96.03), palm (102.01), wag (1.41). Nur bei wenigen Wörtern wurde das nicht apokopiert, z.B. gesichte (15.31), heyde (37.07), mule (82.07), wanne (61.34), were (37.17). Synkope ist in Kollickers Ausgabe zum Teil neben nicht synkopierten Formen belegt, z.B. aydgnoß (IF. 15), puntgnoß/puntgenoß (VF.20, IF. 14), gschos (101.15), pingsaug (103.94), gleytzßerer (24.50), artzt/artzet (58.03, 90.03), paurschuoch/pauer (29.13, 61.03), pimß/bymmeß (69.19, 105.37), zaubrer/zauberer (60.02, 60.11), ledrer (84.06), gründonrstag (76.10), nachtgall (98.41), braytwegrich (103.08), pyßm (103.142) und bei einigen Verben, z.B. adlen (VI.45), bettlen (VM.18), ebnen (72.10), haglen (VG.17), hoblen (72.10), lestren (VB.16). Daneben sind die seit dem Spätmittelhochdeutschen graphisch zu abgeschwächten Nebensilbenvokale im Frühneuhochdeutschen mit abnehmender Tendenz zum Teil noch mit anderen Vokalgraphien belegt. Die am häufigsten anzutreffende Variante ist , die im 14. Jahrhundert besonders im Westoberdeutschen und Mitteldeutschen geschrieben wurde. Die Graphien und sind vor allem im Alemannischen belegt, schwinden aber bis zum 16. Jahrhundert.380 Im Erstdruck von Bracks Vokabularien finden sich vor allem Schreibungen mit der Variante , die zum einen auf altes langes /i:/ zurückgehen, z.B. becky (48.25), decky (31.19), küssy (31.05), libry (75.19), kelthin (12.16), fürhinhartz (102.82), herintuoch (31.18), guldiner mantel (27.34), auf altes kurzes Ii/, z.B. bütty (91.37), kuchy (34.74), datylkeren (103.65), münich (56.01), banckpfulbin (31.07), dryssigist (74.40), oder auf altes /a/, das schon im Mittelhochdeutschen meist zu Id abgeschwächt wurde, z.B. erly (102.105), badgelty (86.27), schalty (32.31), tungy (63.06), redyn (VC.44), gerstinwasser (46.39), seniffsamen (103.30). Die Graphie ist einige Male belegt, z.B. ana (18.38), gotta (18.60), zyttwar (103.78), hemat (27.39), samat (27.29), thorath (11.48), geharat (95.02), hynckat (15.332). Die Vorsilbe vor- statt ver- ist hauptsächlich in ostmitteldeutschen Quellen bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts belegt, kommt daneben auch im übrigen Mitteldeutschen vor, und ist im Oberdeutschen mit Ausnahme des Bairischen nur sporadisch bezeugt.381 Belege liegen in Kol-

379 380

381

Vgl. Mhd. Gr. 1998, §§ 51-55; Frnhd. Gr. 1993, §§ L 39, L 40; Gr. d. Frnhd. 1, 1, §§ 1-35. Zur Apokope im 15. Jahrhundert vgl. Besch 1967, S. 255 ff. und Karte 79. Vgl. Mhd. Gr. 1998, § 59; Frnhd. Gr. 1993, § L 38; Gr. d. Frnhd. 1, 2, §§ 23, 24, 29, 52 für -Graphien, §§ 25, 57, auch Anm. 4 für -Graphien; HSS, Karte 95, Text S. 196 fur -Graphien. Vgl. Gr. d. Frnhd. 1,2, § 17.

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III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

lickers Druck z.B. durch vorleschung (12.22), vorhefften (VA.63) und vorstan (VC.06) vor. Eine gegenläufige Entwicklung zum Schwund der Vokale ist der Zusatz von neuen, etymologisch nicht begründeten Sproßvokalen im Inlaut. Seit indogermanischer Zeit bilden bestimmte Konsonanten, besonders die Liquiden /l, r/ und die Nasale /m, n/ silbische Allophone, aus denen sich Sproßvokale entwickeln können. Im 13. Jahrhundert ist im Spätbairischen die Sproßvokalbildung von /e/ zwischen Irl und /m, n/ verstärkt nachweisbar. 382 Wörter mit dem Sproßvokal /e/ sind auch im Baseler Druck belegt, z.B. hyren (15.14), stiren (15.28), keren (102.40), turen (37.29), zoren (14.12), korenhauß (61.29), harenglaß (15.221), eychhoren (94.08). Der Vokalismus der volkssprachigen Interpretamente in Kollickers Druck ist einerseits durch einige typisch alemannische Merkmale, andererseits vor allem durch seine Gemeinsamkeiten mit anderen Sprachlandschaften und seine Überregionalität gekennzeichnet. Zu den alemannischen Besonderheiten gehören die Rundungen von /e, e:/ zu /ö, ö:/ und /i, i:/ zu /ü, ü:/, die überwiegende Erhaltung der mittelhochdeutschen Monophthonge /i, u, ü/ anstelle von gesenkten Formen, die - statt -Schreibungen, die ausschließliche Verwendung der -Formen gan und stan sowie die Graphien und statt eines abgeschwächten in den End- und Nebensilben. Dagegen sind typische Alemannismen wie -Graphie für mittelhochdeutsches und - für mittelhochdeutsche -Schreibungen jeweils nur einmal belegt. Gemeinsamkeiten mit dem Bairischen liegen vor durch den Vokaleinschub von /e/ zwischen /r/ und /m, η/, den -Schreibungen für mittelhochdeutsches kurzes , der -Graphie für mittelhochdeutsches und durch die Verwendung der Suffixvarianten -nus/-nüs. Gesamtoberdeutsch ist zudem, daß keine Monophthongierung der mittelhochdeutschen Diphthonge /ie, üe, uo/ stattgefunden hat, vereinzelte Monographien sind als Ausnahmen zu werten. Gemeinsamkeiten mit dem Mitteldeutschen und Ostfränkischen weist Kollickers Druck durch -Graphien für mittelhochdeutsches , mit dem angrenzenden Schwäbischen durch Schreibungen von für mittelhochdeutsche und von für mittelhochdeutsches auf. Die Nähe zum Schwäbischen zeigt sich auch in den zahlreichen digraphischen Schreibungen für die mittelhochdeutschen Monophthonge /i:/, /u:/, /iu/, da in Basel keine Diphthongierung vorkommt. Diese digraphischen Schreibungen können möglicherweise auf habsburgisch-österreichische Kanzleieinflüsse zurückgeführt werden. 383 Übereinstimmungen des Baseler Drucks mit dem gesamten hochdeutschen Sprachraum sind apokopierte und synkopierte Wortformen, Entrundungen mittelhochdeutscher Monophthonge und Diphthonge sowie Schreibungen für mittelhochdeutsches langes /a:/. Insgesamt ist der Vokalis-

382 383

Vgl. Mhd. Gr. 1998, § 57; Frnhd. Gr. 1993, § L 4 1 ; Gr. d. Frnhd. 1, 1, § 38, 1. Vgl. HSS, Text S. 142.

III. 4. Lautstand des volkssprachigen Wortschatzes

117

mus in Kollickers Erstausgabe durch die Vermeidung von auffälligen dialektalen Eigenheiten gekennzeichnet. Das Schwanken zwischen alten und neuen Formen, das vor allem bei der neuhochdeutschen Diphthongierung deutlich wird, zeigt, daß sowohl vom Verfasser als auch vom Drucker eine überregionale Geltung des Textes angestrebt wird.

III. 4. 2. Konsonantismus Durch die zweite oder hochdeutsche Lautverschiebung wird westgermanisches Ibl im Bairischen und Alemannischen zu /p/ verschoben. Während das Alemannische bereits in althochdeutscher Zeit zu Ibl zurückkehrt, bewahrt das Bairische /p/ im Anlaut bis in das Spätmittelalter.384 Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert wird im Alemannischen hauptsächlich geschrieben, aber in einzelnen Texten des 14. Jahrhunderts überwiegt dort

- gegenüber Schreibung. In der oberrheinischen und schweizerischen Drucksprache erscheint

bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts vor allem als wortgebundene Variante z.B. in pauer, pund, pürtig und pusch.

- statt -Schreibungen stehen generell häufiger in indirekter Initialstellung als in direkter, besonders nach stimmlosen Konsonanten und nach dem Präfix ent- sowie seinen Varianten en- und em-.3SS Die volkssprachigen Interpretamente des Baseler Drucks weisen eine Anzahl von

-Schreibungen sowohl in direkter als auch in indirekter Initialstellung auf, z.B. pauer (61.03), pay η (15.173), plindt (15.327), porst (93.33), püffel (93.44), pingsaug (103.94), erdtper (103.137), steynpock (1.43), verpergen (VA.04), entplötzen (VD.43), enplecken (VR.28).386 Wörter mit initialer

-Schreibung, die erst nach der althochdeutschen Lautverschiebung aus dem Lateinischen und Romanischen meist aus dem kirchlichen und naturkundlichen Bereich entlehnt wurden, erscheinen in althochdeutschen Quellen und in der neuhochdeutschen Schriftsprache in der Regel mit

. In der gesamten frühneuhochdeutschen Epoche werden diese Lehnwörter dagegen vorwiegend im Oberdeutschen und schon im 13. Jahrhundert verstärkt im Südwesten mit geschrieben,387 so auch im Erstdruck von Bracks Vokabu-

384 385 386

387

Vgl. Mhd. Gr. 1998, § 129. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 44, 2; Moser 1951, §§ 137, 138; HSS, Karten 137, 139, 140, Text S. 239 ff., 243. Weitere Belege für

- statt -Schreibung sind z.B.: piegen (VG.03), pilsenkrautt (103.82), pimß (69.19),pirck (80.12), poren (72.17), puntgenoß (IF.14), puschlin (101.04), puoll (IA.11), pyßm (103.142), piß (68.13), pluotsaugerschlang (95.12), pinden (VC.19), verpringen (VP.09), geperer (18.06), inpilden (VI.23), wyldprett (45.70), schriberprett (69.31), hauptküßlin (31.11), lusterperlich (39.20), gewepp (26.26), rapp (98.47). Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 44, 4; Moser 1951, § 138, 2; HSS, Karte 133, Text S. 235 f.

118

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

larien, z.B. bapst (55.02), briester (55.11), brobst (IP. 10), bilgerin (24.73), beltz (27.21), bappel (103.93), boley (103.13), buretz (103.10). Im Gesamtgebiet mit Ausnahme des Hochalemannischen wird mittelhochdeutsches im Inlaut vor Konsonanten und im Auslaut zu , im Bairischen und Schwäbischen um 1400, im Niederalemannischen und Mitteldeutschen etwas später. Nach Vokal erscheinen -Schreibungen im Bairischen bis in die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts häufig, während sie im Schwäbischen hauptsächlich auf das ältere Frühneuhochdeutsche beschränkt und im Niederalemannischen insgesamt selten sind. Nach den Liquiden /l, r/ wird schon seit dem 14. Jahrhundert im Gesamtgebiet meist zu . In hochalemannischen Handschriften und Drucken dagegen bleibt -Schreibung bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts üblich. 388 Belege für - statt mittelhochdeutschen -Graphien liegen in Kollickers Druck durch pfabenschwantz (1.23), blabe dyntt (69.60), wannenbech (98.27), ryebig (IQ.05), ackerrüby (63.05), schmerb (15.159), banckpfulbin (31.07), schneyben ( 1 2 . 1 4 \ f a r b (98.71), erbis (65.05), sperber (98.25) und schwalben (98.43) vor. -Schreibungen für regelrechtes finden sich seit Beginn des Frühneuhochdeutschen am häufigsten im Niederalemannischen, seltener im Schwäbischen, im 15. Jahrhundert im Bairischen und später im Ostmitteldeutschen. 389 Dieses durch Schwächung zu erklärende ΙάΙ findet sich kaum im Baseler Druck, z.B. dynntt (69.27), dottengesang (36.12), drapp (98.19), drettstuol (26.38). Medial nach Nasal tritt /d/ auf dem oberdeutschen und ostmitteldeutschen Gebiet regelmäßig auf, so in Kollickers Druck in zehenden geben (VD.07), in Zusammensetzungen mit hinder- und vnder-, z.B. hynderthür (34.09), vndergiirtel (28.09) und ebenso zwischenvokalisch in güdig (IP.30). Dagegen ist initiales, zum Teil auch nachliquides aufgrund südoberdeutscher, vor allem hochalemannischer Schreibungen bis in das späte Frühneuhochdeutsche in vielen Wörtern anzutreffen, die im Neuhochdeutschen haben. 390 Belege für diese - statt -Schreibungen weist der Baseler Druck z.B. durch tach (34.57), legen (25.57), tichter (59.02), toter (98.100), trostel (98.55) und hünttin (93.57) auf. 391 Initiales mittelhochdeutsches entwickelt sich seit dem Spätmittelhochdeutschen und dann verstärkt im 14. und 15. Jahrhundert zuerst im Schwäbischen, dann im Ostoberdeutschen und Westmitteldeutschen zu

388 389 390 391

Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 44, 4; Moser 1951, § 131,3. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 46, 3; Moser 1951, §§ 142, 143; HSS, Karten 154-158, Text S. 250 ff. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 46, 3; Moser 1951, §§ 142, 143; HSS, Karten 165-171, Text S. 258 ff. Weitere - statt -Graphien sind z.B. tacht (52.21), ein teütsche tafel (69.62), toldenspitz (101.42), tyl (103.15), tinckel (61.37), lichten (VF.27), tistelvogel (98.58), track (95.24), vndertrucken (VS.36), getichte (59.03), miltren (VM.27), ratten (103.125).

III. 4. Lautstand des volkssprachigen Wortschatzes

119

.392 Belege dafür sind in der Erstausgabe von Bracks Vokabularien z.B. zwerichter weg (41.11), zwerglin (13.05), zwehel (31.29), zwingen (VC.38). Die Phonemfolge /t/ plus /s/, die unter anderem bei Synkope auftritt, kann besonders in oberdeutschen Drucken bis in die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts wie die Affrikata geschrieben werden. Ein Beleg liegt im Baseler Druck durch ein hörtz erdtrich (38.16) vor.393 Für die direkt und indirekt initiale Lautverbindung /kw/ ist die Regelschreibung im gesamten Frühneuhochdeutschen, nur vereinzelt finden sich Schreibungen mit . Im Alemannischen fällt der /w/-Laut häufig aus,394 im Baseler Druck z.B. in kecksilber (71.12), kütten (102.60), badkost (82.20) und erkücken (VF.43). Das Doppelgraph erscheint in zwischenvokalischer Stellung nach Kürze seit dem 13. Jahrhundert im Niederalemannischen, im 14. Jahrhundert in zunehmendem Maße im gesamten Oberdeutschen. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts setzt sich die digraphische Schreibung auch in oberdeutschen Drucken durch. Seit Beginn des Frühneuhochdeutschen, verstärkt jedoch im 15. Jahrhundert tritt -Schreibung auch in Medialstellung nach Langvokal, Diphthong oder Konsonant und in allen Finalpositionen auf.395 In Kollickers Druck weisen zahlreiche Interpretamente das Doppelgraph in allen genannten Positionen auf, z.B. nottstal (70.09), attem (14.31), arbeytter (24.60), wartten (V?A\),frölichkeytt (14.14), hautt (15.150).396 Das Doppelgraph kann in allen mittleren und finalen Positionen stehen. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts wird unabhängig von der Quantität des vorangehenden Vokals und der etymologischen Herkunft eher geschrieben. -Graphien werden seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zur regulären Doppelschreibung für germanisches . Der prozentuale Anteil der Digraphien liegt im Südwesten des deutschen Sprachraums zwischen 1290 und 1349 bei 9 %, in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts bei 40 % und zwischen 1400 und 1430 bei 60 %. Seit dem 15. Jahrhundert bildet sich die allgemeine Regelung aus, die Vokalkürze durch Dopplung des Folgekonsonanten zu kennzeichnen. Im 16. Jahrhundert wird entsprechend der allgemeinen Tendenz zur Konsonantenhäufung weiterhin sowohl nach Kurz- als auch nach Langvokalen häufig geschrieben.397 Doppelschreibung wird im Baseler Druck in allen mittleren und finalen Positionen, nach kurzem und langem Vokal bevorzugt, z.B. ruffen (VA.22),

392 393 394 395 396

397

Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 59, 3; Moser 1951, § 144; Besch 1967, S. 129, Karte 29; HSS, Karte 172, Text S. 259, 264. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 59, 3; Moser 1929, § 45, Anm. 1. Vgl. Mhd. Gr. 1998, § 135; Frnhd. Gr. 1993, § L 49, 2; Besch 1967, S. 162 ff., Karte 42. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 47, 2; Moser 1929, § 30, 3. Weitere Belege für -Schreibung sind z.B. bestreytten (25.100), zenttner (42.26), eütter (15.155), verretter (IP.45), gürtten (VB.06), vatter (18.01), wintter (11.04), ettwas muott (VA.50), brattwurst (83.05), brenttkrautt (103.71), dratt (84.13), zartt (IS.44), armuott (IE. 19), bartt (15.97), gratt (97.02), krott (95.29), spatt (7.04). Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 51, 2; Moser 1929, § 30, 2, 6.; HSS, Karte 144, 145, Text S. 245 f.

120

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

freffler (IP.24), keffer (96.10), brieff{69.17), schlaffen (VS.22), straff (VR.25), halffter (68.16). 398 Für die Affrikata /pf/ stehen im Frühneuhochdeutschen sowohl - als auch -Schreibungen. Eine bestimmte geographische Verteilung kann für die beiden Digraphe nicht festgestellt werden. Zeitlich finden sich -Graphien vor allem im älteren Frühneuhochdeutschen, halten sich aber zum Teil vereinzelt bis ins 16. Jahrhundert. 399 Die Untersuchung der Verteilung der beiden Digraphe für den südwestdeutschen Sprachraum hat ergeben, daß vor 1330 zu 88 %, nach 1330 zu 30 % und nach 1400 nur noch zu 3 % in Initialposition geschrieben wurde. 400 Vereinzelte Belege fur -Graphien liegen in Kollickers Druck z.B. durch phnisel (15.103), phnufftz (15.306), campher (103.63) und fuoßstaph (41.17) vor. -Graphien für regelrechtes finden sich besonders im Mitteldeutschen des 14. Jahrhunderts. 401 Im Alemannischen können noch im 15. Jahrhundert - für -Schreibungen stehen, 402 so auch im Baseler Druck, wo /pf7 durch -Schreibungen graphisch umgesetzt wird, z.B. pflegel (61.32), phynnet (45.58), schapff (32.22). Derartige Schreibungen finden sich auch in oberdeutschen Drucken vom Anfang des 16. Jahrhunderts. Hauptsächlich im älteren Frühneuhochdeutschen erscheint im Gesamtraum initial, medial und final statt regelrechter -Graphie vereinzelt die Schreibung , 403 im Erstdruck von Bracks Vokabularien z.B. in schmaragt (105.08) und mesch (71.18). Im gesamten Frühneuhochdeutschen werden für die Lautverbindungen /sp/ und /st/ normalerweise und geschrieben. - und -Schreibungen sind besonders in mundartnahen Texten des 14. und 15. Jahrhunderts vor allem im Oberdeutschen und zum Teil im angrenzenden Mitteldeutschen bezeugt. In dieser Zeit ist die Graphie im Schwäbischen häufig bezeugt, die Verbindung dagegen erst in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts vereinzelt belegt. Schreibungen mit und gelten allgemein als Kennzeichen des Alemannischen. 404 Belege im

398

399 400 401 402 403 404

Andere Beispiele für das Doppelgraph sind auffknupffen (VE.53), wurffei (79.08), dürfftig (IM. 13), verkauffen (VC.22), pfeyffen (VF.29), werfen (VI.02), botschafft (IN.08), vernunfft (14.05), g i f f t (95.34), süeffmuter (18.09), vorhoff (34.20), schaff (93.01), greyff (93.71), hilff (V0.23), dorff (24.56), wolff (93.14). Die digraphisehe Schreibung findet sich in Kollickers Druck auch im Lateinischen in einem aus dem Deutschen entlehnten Wort: Zunffta (24.45). Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 58, 2. Vgl. HSS, Karten 130, 131, Text S. 232 ff. Vgl. Moser 1929, § 40, Anm. 2. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 58, 3; Besch 1967, S. 123, 127 und Karte 27; HSS, Karte 134, Text S. 237. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 54, 4. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 54, 2, 4; Moser 1951, § 147, l b ; HSS, Karte 178, Text S. 269 f.; Weinhold 1967, § § 2 0 6 , 2 1 0 .

III. 4. Lautstand des volkssprachigen Wortschatzes

121

Baseler Druck sind geröschet (45.55), karsch (61.15), beide mit Schwund des , außerdem kruschpel (15.67) neben cruspel (15.67). -Graphien für altes des Erbwortschatzes finden sich im Oberdeutschen generell häufiger als im Mitteldeutschen und zwar medial zwischenvokalisch, vor- und nachkonsonantisch, final nachvokalisch und nach /l, r, n/.405 Die Schreibung für intervokalisches germanisches ist nach Urkunden des 13. Jahrhunderts - vom Bairischen abgesehen - typisch Südalemannisch. Danach ist -Graphie nur im Süden und Osten des westoberdeutschen Sprachraums vereinzelt und spät bezeugt.406 Belege für - statt Schreibungen liegen in Kollickers Druck z.B. durch schlech (102.66), anlechnen (VA.58), verschlachbrieff (87.29), hocher (VA.48), rauch (IH.06), flach (96.30), scharsach (86.05), merch (68.02) und farch (93.30) vor. Der Schwund von -Graphien tritt im 14. und 15. Jahrhundert im Gesamtraum infolge von Drei- oder Mehrfachkonsonanz und im westlichen Mittel- und Oberdeutschen vor /t/ auf. Der Wegfall von in durch ist seit dem Althochdeutschen im Alemannischen bezeugt und im 13. Jahrhundert südlich einer Linie Straßburg-Bodensee belegt. Seit dem 14. Jahrhundert wird die Schreibung dur für durch im Elsaß, seit dem 15. Jahrhundert auch in der Schweiz, gemieden.407 Im Baseler Druck zeigt sich Schwund von noch bei dürschlecht (13.40) und beim Negationspartikel nicht, z.B. vergiß nit mein (103.88), nit verwilligen (VA. 13). Aphärese des , die in Kollickers Druck bei ein erlicher frauenmantel (27.07) und eher (98.68) vorliegt, ist vor allem im Ostmitteldeutschen, aber auch im westlichen Mittel- und Oberdeutschen in Handschriften häufiger als in Drucken bis ins 16. Jahrhundert belegt.408 Im gesamten Frühneuhochdeutschen wechselt die Schreibung etymologischer Herkunft medial und final mit -Graphien, wobei im südlichen Raum des Oberdeutschen eine gewisse Häufung und längere Bewahrung des festgestellt werden kann.409 Etymologische Schreibungen finden sich im Erstdruck von Bracks Vokabularien, z.B. bei sambstag (6.12) und ampt (77.01) sowie in Zusammensetzungen mit vmb-, z.B. vmbhang(31.22), vmbgemauret (73.09), vmbschwayjf (39.77). In spätmittelhochdeutscher Zeit entsteht nach /m/ ein Konsonantenzusatz von /b/, der vor allem vor den Dentalen It, d/, aber auch in anderen Positionen im Gesamtraum auftreten kann.410 Solche etymologisch unbegründeten - bzw. -

405 406 407 408 409 410

Vgl. Frnhd. Gr. 1993, §§ L 56, 1 und L 57, 2. Vgl. HSS, Karte 202, Text S. 293. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 56, 3; Besch 1967, S. 201 f. und Karte 57; HSS, Karte 210, Text S. 301. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 57, 3. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 44, 4; § L 61, Anm. 2; HSS, Karte 138, Text S. 241 ff. Vgl. Mhd. Gr. 1998, § 129; Frnhd. Gr. 1993, § L 61, 2; Moser 1951, § 127, 7.

122

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Schreibungen weist der Baseler Druck durch frömbder (57.12), nit zymbt (VA.06), ambayß (94.13), richtumb (45.06) und empssig (IS. 12) auf. Direkt oder indirekt finales /n/ kann in Einzelfällen im Alemannischen mit ImJ wechseln.411 Belege liegen in Kollickers Druck durch harm (15.219), kestem (102.121) und schwimkrautt (103.60) vor. Schwund von /n/ kann in bestimmten Positionen, z.B. vor I f , s, d, t/, aber auch vor anderen Konsonanten und im Auslaut auftreten. Dieser Ausfall der -Graphie ist vor allem in oberdeutschen Texten des 14. und 15. Jahrhunderts und im Alemannischen besonders vor den Spiranten Isl und /ft, teils mit Ersatzdehnung, teils mit Diphthongierung der pränasalen Vokale, bezeugt.412 Belege für Nasalschwund liefert der Baseler Druck z.B. durch Costanz (39.36), vernüfftig (11.01), becke (78.55). Das mittelhochdeutsche Diminutivsuffix -lin ist in Kollickers Druck meist erhalten, kann aber auch von Nasalverlust betroffen sein,413 z.B. granatly (105.20), hely (50.11), kelbly (93.42), ephewberly (102.45), korenseckly (64.27), züngly (IT.05). /n/ und Irl können durch Dissimilation zu IM werden. Dieser Wandel ist im unmittelbaren Wortauslaut bei der unbetonten Silbe -er im Gesamtgebiet, vor allem aber im Oberdeutschen und in vielen alemannischen Namen, während der ganzen frühneuhochdeutschen Epoche sehr verbreitet.414 Im Baseler Druck sind - statt mittelhochdeutscher -Schreibungen, z.B. cörpel (15.01), mermel (105.34), mörtel (73.04), raygel (98.21), zundel (101.39), und statt -Graphien, z.B. kuchel (70.33), höfel (45.26), trüb eis eniff (4635), belegt.415 Epithese bzw. Einschub von /d, t/ als Übergangslaut zwischen /n/ und l\l ist gelegentlich bereits im Mittelhochdeutschen, häufiger erst im Spätmittelhochdeutschen, vor allem jedoch seit dem 14. und 15. Jahrhundert nach betonter Silbe vorwiegend im Oberdeutschen, nach unbetonter Silbe überwiegend im Mitteldeutschen belegt. Einschub von /d, t/ vor dem Diminutivsuffix -lin ist im 15. und 16. Jahrhundert meist auf das Oberdeutsche beschränkt und im Bairischen noch bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts bezeugt.416 Belege für diesen Dentaleinschub liegen im Erstdruck von Bracks Vokabularien durch mandlich (13.18) und mendlin (13.16) vor. Ein lautlicher Einschub von Irl tritt insgesamt selten, vorwiegend im älteren Frühneuhochdeutschen oder gelegentlich in oberdeutschen Drucken auf,417 z.B. in Kollickers Erstausgabe indirekt final in

411 412 413 414 415 416 417

Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 61, 4; Moser 1951, § 134 und Anm. 4. Die Sehreibung schwamm (98.31) für schwan ist wohl eher als Druckfehler zu werten. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 62, 4; Moser 1951, § 134, 4; HSS, Karte 125, Text S. 225 f. Vgl. HSS, Karten 120-124, Text S. 221 ff. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 64, 3; Moser 1951, §§ 136, 134, 2. Zu trübel als typisches Baseler Wort vgl. Müller 1960, S. 80 ff., Karte 3. Vgl. Moser 1951, § 129, 8d; Frnhd. Gr. 1993, § 46, 5. Vgl. Frnhd. Gr. 1993, § L 65, 3; Moser 1951, § 129, 6.

III. 4. Lautstand des volkssprachigen Wortschatzes

123

Wörtern wie erstercken (VS.32) und zunsterck (37.23), die durch erstecken (VS.40) und rebsteck (91.28) auch ohne r-Epithese belegt sind. Der Konsonantismus des volkssprachigen Wortschatzes im Baseler Druck ist hauptsächlich durch seine Gemeinsamkeiten mit anderen frühneuhochdeutschen Schreibsprachen gekennzeichnet, weist jedoch auch einige alemannische Besonderheiten auf. Dazu gehören - statt regelrechte -Graphien, die Schreibung fur , -Schreibungen für , für die Graphie mit Ausfall des , einige - statt -Schreibungen und der Schwund von in durch. Gemeinsamkeiten mit dem Bairischen gegenüber dem Mitteldeutschen zeigt der Baseler Druck durch viele

- statt -Graphien, Schreibungen des Doppelgraphs in allen Positionen, die Bewahrung einiger etymologischer -Graphien, den Schwund von /n/ auch im DiminutivsufFix -lin und durch -Graphien für regelrechtes , die auch im Ostmitteldeutschen bezeugt sind. Zu den konsonantischen Merkmalen des Frühneuhochdeutschen, die sowohl im Mittel- als auch im Oberdeutschen anzutreffen sind, gehören - statt

-Schreibungen in Lehnwörtern aus dem Lateinischen und Romanischen mit ursprünglichem

im Anlaut, Graphien für mittelhochdeutsches außer im Hochalemannischen, der Zusatz von /d, t/ zwischen /n/ und IV, Schreibungen des Doppelgraphs , etymologisch unbegründete -Graphien und Epithese von Irl. Im Gesamtraum bezeugt, jedoch häufiger im Oberdeutschen finden sich die in Kollickers Druck belegten -Graphien für altes des Erbwortschatzes und die Dissimilation von /n/ und Irl zu IV. Im Baseler Erstdruck von Bracks Vokabularien wird hinsichtlich des Konsonantismus der volkssprachigen Interpretamente überwiegend von mundartlichen Eigentümlichkeiten abgesehen. Oberdeutsche Besonderheiten wie

- statt -Schreibungen liegen zwar in zahlreichen Wortformen vor, doch sind typische Alemannismen nur sporadisch bezeugt. Wie im Vokalismus wird auch im Konsonantismus auf ein die Sprachlandschaft übergreifendes Verständnis abgezielt, um eine möglichst weiträumige Verbreitung des Kompendiums zu erreichen.

124

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

III. 5. Wortgeographie Der volkssprachige Wortschatz der 1483 bei Peter Kollicker in Basel erschienenen Erstausgabe von Wenzeslaus Bracks Kompendium weist neben vorwiegend im gesamten hochdeutschen Raum geläufigen Übersetzungen eine Anzahl von Wörtern auf, deren Verbreitung im Spätmittelalter landschaftlich auf das Oberdeutsche begrenzt ist. Einflüsse aus Bracks sächsischer Heimat konnten nicht festgestellt werden. Das in der Umschreibung heyst alles das mangelt me(n)schlicher gestalt (Pecus 92.07) enthaltene Verb mangeln galt ursprünglich nur im Süden des deutschen Sprachgebiets. In Werner Beschs Untersuchung wird mangeln in mitteldeutschen Handschriften durch darben und entperen ersetzt,418 die wiederum dem zeitgenössischen Oberdeutschen fremd waren, was sich z.B. in Adam Petris Glossar zu Luthers Neuem Testament zeigt, in dem darben mit nott, armut leyden erklärt wird.419 Das oberdeutsche räters, rätersch ,Rätsel' findet sich in Bracks Verbvokabular in dem Interpretament retterisch auffgeben (Enigmatiso VE.21). Das gewöhnliche rätersch wird später wohl als eine Adjektivform auf -isch in substantivischem Gebrauch aufgefaßt, was auch die Form retterisch bei Brack erklären würde.420 Weitere, hauptsächlich im Oberdeutschen verbreitete und bekannte Wörter in Bracks Vokabularien sind z.B. feyst ,fett' (Crassus 15.165), schab ,Motte' (Tinea 96.22), stupffei ,Stoppel' (Stipula 64.16), cruspel, kruschpel ,Knorpel' (Interfinium 15.67, Cartilago 15.109), wyler ,Dorf (Vicus 37.09, 37.11), laym ,Lehm' (Argilla 38.11), ieychen Jagen' (Fugο VF.56), fesen oder tinckel ,Spelt' (Spelta 61.37), rottling ,Rotauge' (Rubiculus 97.39) und zaunschlüpfflin ,Zaunkönig' (Sepiuaga 98.70) 421 Oberdeutsche statt mitteldeutsche Schreibungen weist Bracks Vocabularius rerum in folgenden Wörtern auf, z.B. Wasserträger (Lixa 86.25) statt wassertregerf22 wertz (Verruca 15.301) statt

418 419

420 421

422

Vgl. Besch 1967, S. 191 f., Karte 53. Vgl. den Abdruck von Adam Petris Glossar in Kluge 1918, S. 106-112, hier: S. 107, Z. 33. Der Baseler Drucker Adam Petri nahm keine Veränderungen des Wortschatzes in Martin Luthers Neuem Testament vor, sondern fügte seinen Nachdrucken der Bibel 1523 ein Glossar an, in welchem dem westoberdeutschen Leser unverständliche ostmitteldeutsche Wörter Luthers erklärt werden. Vgl. DWb. 14, Sp. 182; Kluge 1918, S. 102. Zu feist vgl. Kluge 1918, S. 100; Bahder 1925, S. 51 f.; Ising 1968, Bd. II, S. 60 und Karte 27; Schirokauer 1987, S. 70; zu schabe: Kluge 1918, S. 110, Z. 115 (Petris Glossar); Grubmüller 1967, S. 243; Schirokauer 1987, S. 77; Wissmann/Pfeifer 1965, S. 5 ff., 16 ff.; zu stupfel. Kluge 1918, S. 102; Bahder 1925, S. 51; DWb. 20, Sp. 554 f.; zu kruspel: DWb. 11, Sp. 2478 f.; Schirokauer 1987, S. 80; zu weiter. DWb. 28, Sp. 814 f.; zu leim·. Kluge 1918, S. 103; DWb. 12, Sp. 697; zu jeuchen: DWb. 10, Sp. 2325 f.; zu fese: DWb. 3, Sp. 1554 f.; zu dinkel. DWb. 2, Sp. 1178; zu rötling: DWb. 14, Sp. 1313; zu zaunschlüpfer. Suolahti 1909, S. 83 f.; DWb. 31, Sp. 414. Vgl. DWb. 27, Sp. 2535.

III. 5. Wortgeographie

125

wartz423 sowie scharpff vnd reß (Accuta 78.19) statt scharf und rasch,424 Einige lateinische Stichwörter werden in Bracks Vokabularien mit Begriffen übersetzt, die in ihrer landschaftlichen Ausdehnung im Frühneuhochdeutschen hauptsächlich auf das Alemannische begrenzt sind, z.B. zweyhen ,veredeln' {Plantare 101.16), gryen ,Steinchen' (Calculus 15.315), gaytz am pfluog ,Pflugsterz' (Stiua, Buris 61.07, 61.08), ampel ,Lampe' (Lampas 52.23), kensterlin ,ein kleiner Wandschrank' (Riscus 51.21), ynhinessen ,Essen hineinschlingen' (Ingero 14.35), das zwirist todt ,der doppelte Tod' (Biothanatos IB.13), glentz ,Frühling' (Ver 11.01), eine alemannisch-schwäbische Nebenform zu lenz, die ursprünglich auch im Bairischen verbreitet war, und weynkouff (Mercipotus 85.21), das auch im Westmitteldeutschen und Niederdeutschen verbreitet ist, und dem im Bairischen und Ostmitteldeutschen li(t)kouf entspricht.425 Im Baseler Druck Kollickers werden andererseits typische Alemannismen gemieden, das sich beispielsweise bei den Übersetzungen heüschreck (Locusta 96.43) statt matschreck oder heustaffel,426 wechollterboum (luniperus 102.92) statt reckholterboum,427 kirch (Ecclesia, Delubrum, Basilica, Templum 35.01-35.04) statt kilchn% und preß oder kelter (Torcular 91.32) statt trotte zeigt.429 Vom 14. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts stehen die westlichen und östlichen ober- und mitteldeutschen Schreibsprachen gleichwertig nebeneinander.430 Wenn ein Text von einer Sprachlandschaft in eine andere gelangt, ist es üblich, ihn von der einen in die andere Schreibsprache umzusetzen, wobei nicht nur Laut- und Formenstand, sondern bei Abweichungen im Wortgebrauch auch der Wortschatz verändert wird.431 Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts finden sich in den Prologen der Wörterbücher Ansätze fur das Bewußtsein dieser regionalen Unterschiede. So verweist z.B. Adam Siber 1570

423 424 425

426

427 428

429 430 431

Vgl. DWb. 27, Sp. 2198. Vgl. DWb. 14, Sp. 125 f., 818; Besch 1967, S. 123 ff., Karte 27; Bahder 1925, S. 74; Schirokauer 1987, S. 72. Zu zweigen vgl. Besch 1967, S. 237 f., Karte 71; Grubmüller 1967, S. 252 f.; zu grien: DWb. 9, Sp. 262; zu geize: DWb. 5, Sp. 2816 f.; zu ampel: Frnhd. Wb. 1, Sp. 932 f.; zu känsterlein: Frnhd. Wb. 8, Sp. 583; DWb. 11, Sp. 171 f.; zu inhin: Frnhd. Wb. 8, Sp. 108; zu zwierig: DWb. 32, Sp. 1163; zu glenz: DWb. 7, Sp. 8332 f.; Schirokauer 1987, S. 102 f.; zu weinkauf/lei(t)kauf: DWb. 28, Sp. 944; DWb. 12, Sp. 693, 739; Grubmüller 1967, S. 253 f. Vgl. Kluge 1918, S. 100; Grubmüller 1967, S. 235 f.; Kunze 1985, S. 166 ff. Kunze untersucht die Bezeichnungen fur .Heuschrecke' anhand von Obersetzungen lateinischer Legendensammlungen ins Deutsche und ihrer weiteren Überlieferung vom 14. bis 15. Jahrhundert. Vgl. DWb. 27, Sp. 55; DWb. 14, Sp. 449; Grubmüller 1967, S. 244 f. Schon seit althochdeutscher Zeit ist kilch eine Kennform des Alemannischen. Vgl. Ahd. Gr. 1987, § 120, Anm. 1; Mhd. Gr. 1998, §§ 121, 122, 160, Anm. 3; Frnhd. Gr. 1993, § L 64, 3; Besch 1967, S. 181 f., Karte 49. Vgl. Kapitel III. 5. 2. 4. Vgl. Kapitel III. 4. und K a r t e i . Vgl. Wiesinger 1989, S. 334.

126

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

darauf, daß er in seinem Auszug aus Hadrianus Junius' Nomenciator ostmitteldeutsche Wörter mit einem Sternchen gekennzeichnet habe, und Johannes Altenstaig schreibt in seiner Vorrede, daß es sich bei seinen deutschen Übersetzungen um schwäbische Einträge handle.432 Bei den folgenden wortgeographischen Untersuchungen wird kein Vergleich von historischen Schreibmit rezenten Sprachlandschaften vorgenommen, vielmehr steht die Verwendung der Wörter in spätmittel- und frühneuhochdeutscher Zeit im Mittelpunkt, wobei - soweit faßbar - auch althochdeutsche Sprachverhältnisse berücksichtigt werden. Die landschaftliche Verteilung des frühneuhochdeutschen Wortschatzes kann nur für eine relativ geringe Anzahl von Wörtern als gesichert gelten. Der in historisch-wortgeographischen Untersuchungen aus zeitgenössischen Quellen wie z.B. Bibelübersetzungen, Vokabularien, Urbaren, Urkunden, Rats- und Gerichtbüchern bereits gewonnene Befund dient dazu, einzelne Wörter landschaftlich zuzuordnen.433 Weitere Vergleichsmöglichkeiten ergeben sich durch entsprechende Artikel im Deutschen Wörterbuch. Zu einigen Begriffen liegen Synonymenkarten geschichtlicher Sprachstadien vor, die jedoch meist nur eine geringe Belegdichte aufweisen, was am Umfang der untersuchten Quellen und der sprachlichen Tradierung liegt. Die Wortkarten sind somit im allgemeinen dadurch charakterisiert, daß sie aufgrund der eingeschränkten Quellengrundlage nur einen Ausschnitt aus den überlieferten Schreibsprachen widerspiegeln. Die Überlieferung des Vocabularius rerum von Wenzeslaus Brack hat mit insgesamt acht Auflagen in den Druckorten Basel und Straßburg sowie der Donaueschinger Handschrift ihren Verbreitungsschwerpunkt im westoberdeutschen, alemannischen Sprachraum. Zwei Ausgaben werden in Augsburg an der Grenze zum bairischen Sprachgebiet gedruckt. Außerhalb des Oberdeutschen erscheinen vier Drucke im rheinfränkischen Speyer434 und eine Auflage im ostmitteldeutschen, obersächsischen Sprachraum in Leipzig.435 In den historisch-wortgeographischen Einzeluntersuchungen werden ausgewählte volkssprachige Interpretamente aus dem Vocabularius rerum des Erstdrucks mit den Übersetzungen in den Nachdrucken und der Donaueschinger Handschrift hinsichtlich ihrer geographischen Ausprägung verglichen. Um die Gegenüberstellung der Interpretamente übersichtlich darstellen zu können, werden fur die Textzeugen folgende Abkürzungen verwendet:

432 433 434 435

Vgl. Smet 1986b, S. 153; Müller 2001, S. 431. Vgl. z.B. die Untersuchungen von Kluge 1918, S. 95 ff.; Bahder 1925; Besch 1967; Grubmüller 1967, S. 216 ff.; Ising 1968. Konrad Hists Druck um 1498 bleibt hier unberücksichtigt, vgl. Kapitel II. 2. 4. Zu beachten ist, daß der Leipziger Drucker Konrad Kachelofen ursprünglich aus dem moselfränkischen Metz stammt. Vgl. Kapitel II. 2. 8.

127

III. 5. Wortgeographie

Peter Kollicker, Basel 1483 Johannes Grüninger, Straßburg 1485/86 Anton Sorg, Augsburg 1487 Johann und Konrad Hist, Speyer um 1485 Cod. Donaueschingen 56, wobd., nach 1486 Martin Schott, Straßburg 1487 Martin Schott, Straßburg 1489 Johannes Prüss, Straßburg 1489 Konrad Kachelofen, Leipzig 1491 Georg Husner, Straßburg 1491 Georg Husner, Straßburg 1495 Johannes Schönsperger, Augsburg 1495 Konrad Hist, Speyer 1496 Konrad Hist, Speyer 1501 Konrad Hist, Speyer 1509 Martin Flach, Straßburg 1512

Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

III. 5. 1. Oberdeutsch-ostmitteldeutscher Sprachgegensatz Das volkssprachige Interpretament in Peter Kollickers Baseler Erstdruck und in den im süddeutschen Raum entstandenen Nachdrucken ist durch seine eingeschränkte landschaftliche Verbreitung im Oberdeutschen gekennzeichnet. In Konrad Kachelofens Leipziger Druck ist demnach eine Veränderung der Übersetzung in die ostmitteldeutsche Schreibsprache bzw. die Hinzufugung eines in diesem Sprachraum üblichen gleichbedeutenden Wortes zu erwarten. So wird z.B. samstag {[Dies] Saturni 6.12) durch sonabent ersetzt. Das im Westoberdeutschen heimische kensterlin ,kleiner Wandschrank' (Riscus 51.51) wird von Kachelofen wohl nicht verstanden und im Leipziger Druck zu fensterleyn und das als Krankheitsname im Alemannischen gebräuchliche gutt , Schlag, Schlaganfall', das im Interpretament schlag oder guot (Tactus, Appoplexia 15.289, 15.290) vorliegt, zu schlag oder gerurt umgedeutet.436

436

Zu Samstag/Sonnabend \gl. Avedisian 1963; Wiesinger 1985, S. 160; Eickmans 1986, S. 218 ff.; zu känsterlein vgl. Frnhd. Wb. 8, Sp. 583 und zu gutt vgl. DWb. 9, Sp. 1477.

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

128

III. 5. 1. 1. Sperling: spatz / sperling Passer (98.44) Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss

spatz,437 spatz spatz spatz spatz spatz spatz spatz

Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

sperlingk spatz spatz spacz spatz spatz spatz spatz

Der Name des Sperlings ist gemeingermanisch und geht im Deutschen auf das seit dem 8. Jahrhundert belegte ahd. sparo, mhd. spar(e) zurück. Eine mit kSuffix gebildete Nebenform zu ahd. sparo ist das seit dem 12. Jahrhundert überlieferte sperih, sperc, sperke. Schon im 11. Jahrhundert ist die Verbindung von ahd. sparo mit dem Diminutivsuffix -ling zu ahd. sperili(n)g, mhd. sperlinc, spirlinc bezeugt. Spatz, mhd. spaz, spatze, ist seit dem 13. Jahrhundert belegt und eine ursprünglich oberdeutsche Diminutivbildung mit dem Suffix ahd. -(i)zo zu ahd. sparo.43* In Spätmittelalter und früher Neuzeit wird sperling hauptsächlich im ostmitteldeutschen und später auch im angrenzenden östlichen niederdeutschen Sprachgebiet zur Bezeichnung des Vogels verwendet, während spatz im gesamten Oberdeutschen, neben spar im Alemannischen und sperk im Bairischen, verbreitet ist (Karte 3).439 Lüning, mnd. lunink, ist eine niederdeutsche Benennung des Sperlings und schon im 9. Jahrhundert durch hliuning bezeugt. Am Mittel- und Niederrhein wird der Vogel mit müsche, mnd. musche, bezeichnet, das durch die Form ahd. muscha in einer im mittelfränkischen Sprachgebiet in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts entstandenen Handschrift erstmals belegt ist.440 Die Übersetzungen in den Drucken des Vocabularius rerum entsprechen der dokumentierten landschaftlichen Verteilung der Bezeichnungen des Sperlings. In den oberdeutschen Drucken und in den westmitteldeutschen Speyrer

437

438

439 440

Bei den deutschen Übersetzungen der Drucke und der Handschrift werden hier und im folgenden die bestimmten und unbestimmten Artikel weggelassen, die Zusammen- und Getrenntschreibung normalisiert und Kommas hinzugefugt. Vgl. Pfeifer 1999, S. 1317, 1321 f.; Suolahti 1909, S. 124 ff. Der erste Beleg fur spatz stammt von Albrecht von Halberstadt aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts (vgl. Suolahti 1909, S. 126). Pfeifer gibt als frühestes Vorkommen das 14. Jahrhundert an (Pfeifer 1999, S. 1317). Vgl. Kluge 1918, S. 102; Grubmüller 1967, S. 237 ff.; Ising 1968, Bd. I, S. 101; Bd. II, S. 40. Vgl. Suolahti 1909, S. 127 f.

III. 5. Wortgeographie

129

Karte 3: Verbreitung der Bezeichnungen fur ,Sperling' in Bibeltexten und Vokabularien 441 ο Bibeltexte

• Vokabulare

Auflagen wird lat. passer mit spatz übersetzt. Kachelofen hat dieses Interpretament in seinem Leipziger Druck zu sperling, der im Ostmitteldeutschen heimischen Bezeichnung des Vogels, geändert.

441

Isings Karten beruhen auf seiner Untersuchung des Wortschatzes in vorreformatorischen Bibelübersetzungen und Vokabularien. Die älteste Quelle ist eine Handschrift vom Ende des 13. Jahrhunderts, die jüngste ist die Halberstädter Bibel von 1522. Die übrigen Bibelübersetzungen datieren in das 14. und 15. Jahrhundert. Die Vokabularien stammen überwiegend aus dem 15. Jahrhundert, einige aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Die Größe der Kreise zeigt an, ob es sich um vollständige oder annähernd vollständige Bibelübersetzungen, um Teilübersetzungen oder um Einzelbelege handelt. Die Sektoren innerhalb der Kreise beziehen sich auf die Häufigkeitsrelation der Synonyme innerhalb einer Quelle. Die Wortwahl in Luthers Bibelübersetzung wird gesondert in dem Kästchen unten rechts dargestellt. Die Gesamtzahl der in der Karte verzeichneten Belege gibt die Ziffer unten in der Mitte an. Vgl. Ising 1968, Bd. II, S. 2 f. und das Quellenverzeichnis in Bd. I, S. 1 ff. Zum unterschiedlichen Wortschatz in Bibelübersetzungen vgl. auch Kluge 1918, S. 95 ff.

130

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

III. 5. 1.2. Lippe: leftze / lippe Labium (15.71), Labrum (15.72) Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss Kachelofen Husner Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

oberlefftzlin oberlefftzlin oberlefftzlin oberlefftzlin obe(r)lefftzy oberlefftzlin oberlefftzlin oberlefftzlin oberlippeleyn oberlefftzlin oberlefftzlin oberleftzlin oberlefftzlin oberlefftzlin oberlefftzlin oberlefftzlin

vnderlefftzlin vnderlefftzlin vnderleftzlin vnderlefftzlin vnderleffczy vnderlefftzlin vnderlefftzlin vnderlefftzlin vnderlippeleyn vnd(er)lefftzlin vnderlefftzlin vnderleffczlin vnderlefftzlin vnderlefftzlin vnderlefftzlin vnderlefftzlin

Bei Lefze, ahd. lefs, mhd. lefs(e), frnhd. lefz(e), das seit dem 9. Jahrhundert im oberdeutschen Raum bezeugt ist, handelt es sich um die Weiterbildung eines sStammes, der durch ahd. leffur und as. lepor belegt ist. Lippe, frnhd. lippe, ist erst im 14. Jahrhundert im mitteldeutschen Sprachraum und im 15. Jahrhundert im Mittelniederdeutschen nachweisbar.442 Im Spätmittelalter wird lippe im nieder- und mitteldeutschen Sprachraum verwendet, während lefze im Oberdeutschen üblich ist (Karte 4).443 In Adam Petris Baseler Glossar zu Luthers Bibelübersetzung wird Luthers lippe mit lefze erklärt.444 Im 16. Jahrhundert dringt frnhd. lippe aus dem Nieder- und Mitteldeutschen nach Süden vor, gelangt auch durch den Einfluß Luthers in die Literatursprache und verdrängt das verwandte, gleichbedeutende frnhd. lefze, das im Neuhochdeutschen nur noch in der Bedeutung ,Tierlippe' verwendet wird.445 Die Übersetzungen in den Drucken entsprechen der landschaftlichen Verteilung, die für lippe und lefze im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit dokumentiert ist. Die Speyrer Drucke schließen sich den oberdeutschen Be-

442 443 444 445

Vgl. Pfeifer 1999, S. 805. Zu Isings Karte vgl. Anm. 441. Vgl. Kluge 1918, S. 109, Z. 101, vgl. auch S. 101, 114;DWb. 12, Sp. 515 f. Vgl. Pfeifer 1999, S. 805; Bahder 1925, S. 34 ff.; DWb. 12, Sp. 1054; Ising 1968, Bd. I, S. 93; Bd. II, S. 12.

131

III. 5. Wortgeographie

Karte 4: Verbreitung der Bezeichnungen f ü r , L i p p e ' in Bibeltexten und Vokabularien ο Bibeltexte

• Vokabulare

Zeichnungen an, da die Verwendung des Wortes lefze in dem im südlichen Bereich des Westmitteldeutschen gelegenen Speyer durchaus üblich und lippe noch nicht bis dort vorgedrungen war. Im Leipziger Druck wird lefze durch das im Ostmitteldeutschen übliche Synonym lippe ersetzt.

III. 5. 1.3. Taufpate: gotte/pate,

Taufpatin:

gotta/patin

Patrinus (18.59), Patrina (18.60) Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss

gotte gotte gotte gotte gotty gotte gotte gotte

gotta gotta gotta gotta gotta gottin gottin gottin

Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

pate gotte gotte gotte gott gott gott got

patin gottin gottin gottin gottin gottin gottin gottin

132

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Während im Deutschen Wörterbuch im Anschluß an Frings davon ausgegangen wird, daß es sich bei Gote, ahd. gota, mhd. got(t)e ,Taufpatin' und Göte, ahd. *goto, mhd. göt(t)e ,Taufpate' um Kurzformen zu altengl. godmother/ godfather handelt, die mit der angelsächsischen Mission in den westmittel- und oberdeutschen Sprachraum gelangten,446 meint Hildebrandt, daß die im Englischen und Mittelniederländischen belegten Komposita später gebildet wurden, als die genusunterscheidenden Endungen nicht mehr vorhanden waren. Hildebrandt sieht die Patenschaft nicht nur im Christentum verankert sondern nimmt an, daß es eine mit der Namensgebung in Verbindung stehende Person auch im germanisch-heidnischen Bereich gab. So hält Hildebrandt im Anschluß an Schoof die etymologische Verbindung von ahd. *goto mit ahd. got ,Gott' für wenig wahrscheinlich und geht davon aus, daß ahd. gota/*goto auf got. gudja ,Priester' zurückzufuhren sind, die auch im Altnordischen durch gojje ,Priester' und gypja ,Priesterin' bezeugt sind.447 Das Maskulinum göt(t)e ist in mittelhochdeutscher Zeit nur im Alemannischen und Bairisch-Österreichischen belegt, während das Femininum got(t)e neben dem Oberdeutschen auch im Westmitteldeutschen vorkommt, wo ihm als maskulines Pendant pate bzw. später petter/pfetter zur Seite steht.448 Pate, mhd. pate, soll aus mlat. pater spiritualis geistlicher Vater, Taufzeuge' entlehnt sein.449 Der Entlehnungsvorgang ist wegen unverschobenem /p/ und /t/ erst nach Abschluß der hochdeutschen Lautverschiebung anzusetzen und der r-Verlust am Wortende unklar. Aufgrund der Wortkarte Pate*so vermutet Hildebrandt, daß das Wort pate im Westmitteldeutschen älter sein muß und „zum Altbestand des Frühfränkischen mit der dafür typischen Ausdehnung ins Ostmitteldeutsche im Zuge der fränkischen Ostexpansion" gehört.451 Das unverschobene /p/ im Ostmitteldeutschen kann so durch einen frühen Vermittlungsweg über das Niederdeutsche erklärt werden.452 Bei früher Entlehnung muß bezüglich des Dentals davon ausgegangen werden, daß nicht lat. pater sondern spätlat. pader die Ausgangsform war, die als zeitlichen Ansatz das 4./5. Jahrhundert nahelegt. Hildebrandt erläutert, daß dieser Entlehnung nicht die christliche Taufpraxis, sondern wie bei ahd. gota/*goto ein germanischheidnisches Ritual zugrunde lag, und daß im fränkischen Raum *pado wegen Homonymenflucht früh an die Stelle von *godo getreten ist, so daß statt des

446 447 448 449 450 451 452

Vgl. DWb. 8, Sp. 990; Frings 1966, S. 130 f.; Frings/Müller 1968, S. 368 ff. Vgl. Hildebrandt 1988, S. 662 ff.; Schoof 1900, S. 284 f. Dieser Etymologie schließen sich auch Kluge/Seebold 1999, S. 332 an. Bei petter/pfetter handelt es sich um eine Entlehnung aus lat. patrinus. Vgl. Kluge/Seebold 1999, S. 616 f. Vgl. Pfeifer 1999, S. 980; Kluge/Seebold 1999, S. 616 f. Vgl. D W A I V . Vgl. Hildebrandt 1988, S. 667 f. Vgl. Hildebrandt 1988, S. 668.

III. 5. Wortgeographie

133

fast lautidentischen Wortpaares goda/godo nun goda/pado, später goda/petter bevorzugt wurde. Hinsichtlich der nicht beibehaltenen er-Endung denkt Hildebrandt an einen Morphemaustausch, bei dem das -er in pader durch -o und -jo (pado, padjo) analog zu godo, godjo ersetzt wurde.453 Das entsprechend zum Maskulinum pate gebildete Femininum patin soll erst seit dem 17. Jahrhundert bezeugt sein.454 Das patin in Kachelofens Druck von 1491 erweist aber ein höheres Alter dieser Bildung. In den oberdeutschen Drucken werden die dort üblichen Bezeichnungen für den Taufpaten und die Taufpatin, gotte und gotta bzw. gottin, als Übersetzungen von lat. patrinus und patrina gewählt.455 Die Speyrer Drucke von Konrad Hist zeigen neben dem auch im Mitteldeutschen heimischen movierten Femininum gottin als maskuline Entsprechung das oberdeutsche gott mit Apokope statt des im Westmitteldeutschen normalerweise üblichen pate. Im Leipziger Druck Konrad Kachelofens werden die oberdeutschen Benennungen für die Taufpaten durch die im Ostmitteldeutschen heimischen Bezeichnungen pate und patin ersetzt.

III. 5. 1.4. Ziege: geiß /ziege Capra (93.14), Ennoycus (67.06) Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss

gayß gayß gayß gayß gayß geyß geyß geyß

geyßhirtt geyßhyrtt geyßhirt geyßhirtt geißhyrtt geyßhirt geyßhirdt geyßhiert

Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

geyß geiß geiß geyß geyß geyß geyß geyß

tzigenhirte geyßhiert geyßhirt geyßhirt geißhirt geißhirt geißhirt geißhirt

Geiß, ahd. mhd. geiz, ist schon im Abrogans, dem ältesten deutschen Wörterbuch, als althochdeutsche Entsprechung zu lat. capra bezeugt.456 Das Wort war ursprünglich auf dem gesamten germanischen Gebiet verbreitet und ist im Gotischen durch got. gaits belegt. Heute gilt Geiß vorwiegend im oberdeutschen und westmitteldeutschen Sprachgebiet.457 Ziege, ahd. ziga, mhd. zige, ist

453 454 455 456 457

Vgl. Hildebrandt 1988, S. 668 f. Vgl. Hildebrandt 1988, S. 670; Pfeifer 1999, S. 980; DWb. 13, Sp. 1504. In der Form gotta ist der im konservativen Alemannischen häufig bewahrte volle althochdeutsche Endsilbenvokal -a bezeugt. Vgl. Ahd. Gr. 1987, §§ 57, 60. Vgl. Ahd. Gl., Bd. I, 114,4: daz ist caiz; 115, 4: keiz. Zum Abrogans vgl. Splett 1976. Vgl. Pfeifer 1999, S. 414; DWA V. Durch Raumnamen vom 9. bis zum 12. Jahrhundert ist bezeugt, daß geiß im frühen Mittelalter auch außerhalb der heutigen oberdeutschen Verbrei-

134

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

seit dem 9. Jahrhundert in fränkischen bzw. fränkisch beeinflußten Quellen bezeugt und muß auch im gesamten Oberdeutschen bekannt gewesen sein. Erst im 12. Jahrhundert ist ziege durch die Ostkolonisation auch im ostmitteldeutschen Sprachraum bezeugt.458 Erste Zeugnisse von ziga sind Übersetzungen von lat. haedus junger Ziegenbock' oder lat. capella junge weibliche Ziege', die zusammen mit geiz als Entsprechung zu lat. capra ,Ziege' in denselben Handschriften stehen. Andererseits wird auch lat. capra mit ziga übersetzt. Dieser scheinbaren Mischung liegen innersprachliche Veränderungen im Bezeichnungssystem zugrunde. Es ist davon auszugehen, daß das im Fränkischen belegte Wort ziga zunächst das Jungtier bezeichnet, und sich dann ein Bedeutungswandel vom jungen zum ausgewachsenen Tier von West nach Ost vollzog: ahd. ziga ,haedus' > spätahd. ziga ,capella' > mhd. zige ,capra'. So wird die Stelle für ,haedus' im Benennungssystem frei und eine neue Bezeichnung notwendig, die mit formalen Mitteln des Affekts, Kürzung und Gemination, aus demselben Stamm gebildet wird: zikki(n) ,haedus'. Erste Belege für zikki(n) stammen auch aus dem fränkischen Raum, so daß sich das Ursprungsund Verbreitungsgebiet der Affektform mit dem der Grundform deckt. Die Wortform zikki(n) macht denselben Bedeutungswandel wie ziege von der Bezeichnung des jungen zu der des ausgewachsenen Tieres mit. Ahd. zikki(n) wird nach Abschwächung des Endsilbenvokals mhd. zicke zum Konkurrenten für ziege und später zur dominierenden Form im ostmitteldeutschen Sprachgebiet.459 Die Handschriften des Vocabularius Ex quo dokumentieren für das Spätmittelalter eine Verbreitung der Bezeichnung geiß im gesamten Oberdeutschen und angrenzenden Westmitteldeutschen. Das Synonym ziege ist dagegen vorwiegend in niederdeutschen und ostmitteldeutschen Handschriften bezeugt. Sowohl geiß als auch ziege sind in zwei nordrheinfränkischen und einem böhmischen Textzeugen belegt.460 In Thomas Wolfs Baseler Glossar zu Martin Luthers Übersetzung des Alten Testaments erklärt Wolf Luthers zige mit geyß-461 Entsprechend der geographischen Verbreitung des Wortes geiß wird diese Benennung als erstes Kompositionsglied der Übersetzung von lat. ennoycus in den oberdeutschen und den westmitteldeutschen Drucken gewählt. Die Verdeutschung geiß in der Leipziger Auflage für lat. capra zeigt, daß diese Be-

458

459 460 461

tungsgebiete Geltung hatte (vgl. Rein 1958, S. 214 f.). Die Verbreitung von geiß im Norden ist durch Belege in Urkunden von 1338 bis 1620 überliefert (vgl. Rein 1958, S. 238 f.). Vgl. Bahder 1925, S. 12 ff.; Rein 1958, S. 223, 293; DWb. 31, Sp. 898 f. Raumnamen mit ziege als Namensbestandteil von 1100 bis 1500 bestärken die Annahme fränkischer Herkunft von ziga (vgl. Rein 1958, S. 227 f.). Vgl. Rein 1958, S. 247 ff. Die Bezeichnung des Jungtiers erfolgt nun im gesamten mitteldeutschen Gebiet mit dem Diminutivsuffix -el: zickel. Vgl. Grubmüller 1967, S. 232 f. Vgl. Kluge 1918, S. 114, Z. 59, vgl. auch S. 103.

135

III. 5. Wortgeographie

Zeichnung dem aus Metz stammenden Konrad Kachelofen nicht unbekannt war. In dem Kompositum, das eine Person bezeichnet, bevorzugt er jedoch die im Ostmitteldeutschen übliche Bezeichnung ziege und ersetzt geißhirt durch tzigenhirte.

III. 5. 1. 5. Topf: hafen/topf,

Töpfer: hafner / töpfer

Olla (50.02),462 Lutifigulus (47.03) Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss

hafen hafen hafen hafen haffen haffen hafen haffen

haffner haffner hafner haffner haffner haffner haffner haffner

Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

haffen haffen hafen haffen haffen haffen haffen hafen

haffner haffner haffner haffner haffener haffener haffener haffner

Hafen, ahd. havan, mhd. haven, ist seit dem 10. Jahrhundert häufig belegt.463 Hafner, ahd. havanäri, mhd. havencere, ist seit dem 9. Jahrhundert bezeugt und im Spätmittelalter wie hafen im gesamten Oberdeutschen und angrenzenden Fränkischen verbreitet.464 Topf, ahd. tuphfn, mhd. tupfen, westmd. duppen, ostmd. topf, ist erstmals in einer Handschrift des 13. Jahrhunderts überliefert, aber die Formen sind im Mittelhochdeutschen nur selten belegt.465 Die Form mit i(n)- bzw. en-Suffix kommt nur im Westen des deutschen Sprachgebietes vor, z.B. als düppen im Niederdeutschen oder als düpfi in Basel,466 und muß vom Mittel- und Rheinfränkischen ausgegangen sein, wo sie seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar ist. Topf ist dagegen häufig im Ostmitteldeutschen, z.B. etwa 30mal in der Prager Wenzelsbibel Ende des 14. Jahrhunderts, belegt. In der spätmittelalterlichen Bibelübersetzung außerhalb des ostmitteldeutschen Sprachraums wird topf in der Regel noch nicht verwendet. Seit dem 16. Jahrhundert findet sich topf auch in Wörterbüchern alemannischer Verfasser.467

462 463 464 465 466 467

Das Stichwort Olla wird zuerst genannt, danach folgen Fidena und Fidelia, das volkssprachige Interpretament steht nach leerem Raum hinter Fidena (vgl. die Edition und fol. 18rb). Vgl. Pfeifer 1999, S. 491 f.; Hildebrandt 1963, S. 309 f. Vgl. Pfeifer 1999, S. 491 f.; Hildebrandt 1963, S. 428; Grubmüller 1967, S. 249 f.; Ising 1968, Bd. II, S. 30 ff. Vgl. Pfeifer 1999, S. 1438; Hildebrandt 1963, S. 325 ff. Im Oberdeutschen ist topf nur in der Bedeutung ,Kreisel' heimisch. Vgl. Bahder 1925, S. 19. Zum Schwund von finalem -n vgl. Kapitel III. 4. 2. Vgl. Kluge 1918, S. 103; DWb. 21, Sp. 823 ff.

136

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Karte 5: Verbreitung der Bezeichnungen für ,Topf in Bibeltexten und Vokabularien ο Bibeltexte

• Vokabulare

Töpfer, mhd. topper, topf er, ist erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts bezeugt und verbreitet sich im 15. Jahrhundert ausgehend vom Ostmitteldeutschen langsam im Westen.468 Die Untersuchung der Bezeichnungen für ,Topf in vorreformatorischen Bibeltexten und Vokabularien bestätigt diese Angaben (Karte 5).469 Im Niederdeutschen gelten die Bezeichnungen grope und pot, im Ostmitteldeutschen topf im äußersten Westen vom Ober- bis zum Niederdeutschen duppen und im gesamten Oberdeutschen und angrenzenden fränkischen Gebiet hafen.470 In den ober- und westmitteldeutschen Drucken des Vocabularius rerum steht entsprechend der dargelegten landschaftlichen Verteilung der Bezeichnungen für ,Topf und , Töpfer' im Spätmittelalter hafen bzw. hafner. In der Leipziger Ausgabe hätte dem ostmitteldeutschen Sprachgebrauch gemäß eine

468 469 470

Vgl. Pfeifer 1999, S. 1438; DWb. 21, Sp. 850; Frings 1966, S. 118; Grubmüller 1967, S. 250; Ising 1968, Bd. II, S. 32 f., Karte 13. Zu Isings Karte vgl. Anm. 441. Vgl. Ising 1968, Bd. II, S. 30 f.

137

III. 5. Wortgeographie

Umsetzung zu topf und töpfer erfolgen müssen, die aber aus Nachlässigkeit oder aufgrund Kachelofens süddeutscher Herkunft nicht durchgeführt wurde.

III. 5. 1.6. Fleischer: metzger /

metzler/fleischer

Carnifex (83.01), Lanius (83.02), Mactator (83.03) Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

metzger metzger metzger metziger metzgar metzger metzger metzger metzeler metzger metzger meezger metzger metzger metzger metzger

metzger metzger metzger metziger metzger metzger metzger metzger metzler metzger metzger meezger metzler metzler metzler metzler

metzger metzger metzger metziger metzgar metzger metzger metzger metzler metzger metzger meezger metzger metzger metzger metzger

Metzger, mhd. metzjcere, metzjer, ist seit dem 13. Jahrhundert bezeugt, und die Belege vom 13. bis zum 15. Jahrhundert zeigen, daß metzger im 14. Jahrhundert noch ganz auf das Alemannische begrenzt war. In den folgenden Jahrhunderten dehnt sich die Verwendung des Wortes sowohl nach Norden als auch nach Osten aus. Im Westmitteldeutschen wird metzler im 15. und 16. Jahrhundert durch metzger verdrängt.471 In der Zeit von 1470 bis 1530 dominiert die Bezeichnung metzger im gesamten Westoberdeutschen und wird im Ostoberdeutschen an zweiter Stelle gleich nach dem dort noch vorherrschenden fleischhacker verwendet.472 Die Bezeichnung metzler ist bereits im 9. Jahrhundert im alemannischen Raum bezeugt. Die Quellen vom 13. bis zum 16. Jahrhundert zeigen, daß metzler hauptsächlich im fränkischen Gebiet verwendet

471

472

Vgl. Sehönfeldt 1965, S. 25 ff. Zu den historischen Belegen vom 13. bis zum 15. Jahrhundert für metzger vgl. Sehönfeldt 1965, S. 34 ff. und Karte 3. Als Quellen wurden Wörterbücher und Urkundenbücher ausgewertet, vgl. dazu in Sehönfeldt 1965 die Einleitung S. 6 und das Literaturverzeichnis S. 142-157. Vgl. Braun 1981, S. 75 und Tabelle 5. Von 57 metzger-Belegen stammen 39 aus westoberdeutschen Quellen (vgl. Braun 1981, S. 111, Anm. 54). Zu den von Braun verwendeten Quellen vgl. das Literaturverzeichnis in Braun 1981, S. 116 ff.

138

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

wurde. Das Zentrum liegt im Rheinfränkischen, wobei die Belege gelegentlich auch aus dem Ostfränkischen, Moselfränkischen und Schwäbischen stammen. Im 14. und 15. Jahrhundert erreicht metzler seine größte Ausdehnung, wird aber seit dem 16. Jahrhundert von dem aus dem Süden vorstoßenden Synonym metzger zurückgedrängt.473 Brauns Untersuchung für die Zeit von 1470 bis 1530 bestätigt dieses Ergebnis.474 Im Ostmitteldeutschen herrschen zu dieser Zeit die Bezeichnungen fleischhauer und fleischer vor. Fleischhauer ist im 13. und 14. Jahrhundert vorwiegend auf nieder- und mitteldeutschem Sprachgebiet belegt.475 Nach Brauns Untersuchung ist fleischhauer von 1470 bis 1530 vor allem im Ostmitteldeutschen und Niederdeutschen bezeugt.476 Fleischer, mhd. vleischer, ist seit der Mitte des 14. Jahrhunderts bezeugt und in der Zeit von 1470 bis 1530 vorwiegend auf das Ostmitteldeutsche beschränkt.477 Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist Fleischer die offizielle Berufsbezeichnung im ganzen deutschsprachigen Gebiet.478 Die Übersetzungen metzger und metzler in den oberdeutschen und westmitteldeutschen Drucken bestätigen das Ergebnis der historisch-wortgeographischen Untersuchungen von Schönfeldt und Braun. Die Bezeichnung metzger herrscht von 1470 bis 1530 im gesamten westoberdeutschen Gebiet vor und steht auch im Baseler Druck. Die Ausdehnung nach Osten und Norden wird durch die Übersetzungen in den Augsburger Auflagen von Sorg und Schönsperger bestätigt. In den Speyrer Drucken von Konrad Hist zeigt sich durch die Verwendung sowohl von metzger als auch von metzler möglicherweise, daß das im Rheinfränkischen heimische metzler bereits von dem aus dem Westoberdeutschen vordringenden metzger in seiner Verwendung eingeschränkt wird. Im Leipziger Druck steht die in Konrad Kachelofens moselfränkischer Heimat übliche Bezeichnung metzler als Übersetzung und nicht das im Ostmitteldeutschen heimische fleischhauer bzw. fleischer.

473

474 475 476 477

478

Vgl. Schönfeldt 1965, S. 31, 113. Zu den historischen Belegen vom 13. bis zum 16. Jahrhundert für metzler vgl. Schönfeldt 1965, S. 29 ff. und Karte 2. Fmhd. metzeln hat im 16. Jahrhundert eine Bedeutungserweiterung erfahren. Wahrend metzeln im 15. Jahrhundert ausschließlich ,schlachten' bedeutete, kommt im 16. Jahrhundert die Bedeutung .massenweise niedermachen, hinmorden' hinzu (vgl. Pfeifer 1999, S. 868). Vgl. Braun 1981, S. 76 und Tabelle 5, S. 81. Vgl. Schönfeldt 1965, S. 50. Zu Belegen für fleischhauer von 1250 bis zum Ende des 15. Jahrhunderts vgl. Schönfeldt 1965, S. 46-50. Vgl. Braun 1981, S. 76. Vgl. Braun 1981, S. 77. Von 43 fleischer-Belegen stammen 38 aus ostmitteldeutschen Quellen (vgl. Braun 1981, S. 111, Anm. 54). Zu Belegen für fleischer von 1361 bis 1520 vgl. Schönfeldt 1965, S. 58 f. Vgl. Schönfeldt 1965, S. 114.

139

III. 5. Wortgeographie

III. 5. 1.7. Scheune: scheuer /scheune

/stadel

Horeum (61.31) Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss

schewer scheüre oder stadel scheyer scheuer oder stadel schür scheur oder stadel scheur oder stadel scheur oder stadel

Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

scheuer oder stadel schuwer oder stadel schuwer od(er) stadel schewer oder stadel schuwer oder stadel schür oder stadel schür oder stadel schür oder stadel

Scheuer, ahd. skiura, scüra, mhd. schiur(e), schiuwer, ist seit dem 9. Jahrhundert belegt und eine Bildung zu einem in ahd. scür, mhd. schür ,Schutz, Obdach' erhaltenen Substantiv.479 Scheuer ist gemeingermanisch, in frühneuhochdeutscher Zeit im gesamten deutschen Sprachgebiet bekannt und wird bis ins 18. Jahrhundert in der Schriftsprache bevorzugt.480 Scheune ist seit dem 10. Jahrhundert durch ahd. scuginna ,Schuppen, Obdach', im Mittelhochdeutschen mit Verlust des -g- zwischen den Vokalen als schiun(e) bezeugt und im Spätmittelalter vor allem im östlichen Niederdeutschen bis ins Ostmitteldeutsche verbreitet.481 Stadel, ahd. stadal ,Stand, Scheune', mhd. stadel,Scheune, Herberge, Wohnung', ist seit dem 8. Jahrhundert belegt.482 Stadel ist gemeingermanisch, auch im Mittelniederdeutschen bezeugt und wird im Spätmittelalter bevorzugt im Bairischen verwendet. Im Augsburger Druck der Bibel wird stadel 1475 beibehalten, im Nürnberger Bibeldruck 1483 jedoch zu schewr geändert.483 Isings Untersuchung der Verbreitung der Bezeichnungen für ,Scheune' in vorreformatorischen Bibeldrucken und Vokabularien hat ergeben (Karte 6),484 daß scheuer überwiegend im gesamten Westen und mittleren Osten des deutschen Sprachgebietes verbreitet ist. Scheune ist östlich der Weser im Nieder- und Mitteldeutschen belegt, während stadel im Oberdeutschen, vor allem im Bairischen neben kästen, bevorzugt wird.485 In den Ausgaben des Vocabularius rerum entspricht die Verwendung von scheuer als Übersetzung zu lat. horreum durchaus der für die frühneuhochdeutsche Zeit dokumentierten Verteilung. Stadel, das hauptsächlich im Ober-

479 480 481 482 483 484 485

Vgl. Pfeifer 1999, S. 1195. Vgl. Bahder 1925, S. 10 ff. Vgl. Pfeifer 1999, S. 1195; Bahder 1925, S. 11; Ising 1968, Bd. I, S. 94; Bd. II, S. 26. Vgl. Pfeifer 1999, S. 1338 f. Vgl. Bahder 1925, S. 12 und Anm. 2; DWb. 17, Sp. 416 f.; Kluge 1918, S. 102. Zu Isings Karte vgl. Anm. 441. Vgl. Ising 1968, Bd. II, S. 26 f.; Schirokauer 1987, S. 78.

140

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Karte 6: Verbreitung der Bezeichnungen f ü r , S c h e u n e ' in Bibeltexten und Vokabularien ο Bibeltexte

• Vokabulare

deutschen vertreten ist, erscheint jedoch auch im Leipziger Druck Kachelofens, wo neben scheuer statt stadel eigentlich scheune zu erwarten wäre.

III. 5. 2. Oberdeutsche Besonderheiten Die im folgenden gegenübergestellten Übersetzungen der Textzeugen des Vocabularius rerum zeichnen sich entweder durch eine Regionalgliederung innerhalb des Oberdeutschen aus, oder das Interpretament in Kollickers Baseler Erstausgabe ist in seiner Verbreitung auf das Alemannische eingeschränkt. In diesem Fall ist nicht nur im Leipziger Druck, sondern auch in den Augsburger und Speyrer Auflagen mit Veränderungen der Übersetzungen in die entsprechenden Schreibsprachen zu rechnen. So wird z.B. lat. pica ,Elster' (98.83) im Baseler Druck mit agerst übersetzt und in Sorgs Ausgabe gegen alster, die bairisch-österreichische Namenform der Elster, ausgetauscht.486 Das alemanni-

486

Vgl. Suolahti 1909, S. 195 f.; Grubmüller 1967, S. 239 f.

III. 5. Wortgeographie

141

sehe dunnerklapff Grüningers (Tonitruus 12.01) wird im Speyrer Druck der Brüder Hist zu dunnerschlag geändert. 487

III. 5. 2. 1. Dienstag:

zinstag/erichtag/dinstag

[Dies] Maitis (6.08) Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss

zinstag zinstag erichtag zinstag zinstag zinstag zinstag zinstag

Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

dinstag zinstag zinstag zinstag dinstag dinstag dinstag dinstag

Die lateinische Benennung des Wochentags dies Martis geht auf den römischen Kriegsgott Mars zurück und war Vorbild für die germanische Bezeichnung. Das erste Kompositionsglied von Dienstag kann aufgrund der seit dem 13. Jahrhundert im Mittelniederdeutschen belegten Formen mnd. dingesdach, dinstag auf den in Inschriften bezeugten germanischen Götternamen Thingsus zurückgeführt werden. Thingsus gilt als Beiname des germanischen Himmelsund Kriegsgottes *Tiwaz, der im Althochdeutschen durch ahd. Ziu belegt ist und Grundlage des Wochentagsnamens ahd. ziestag, mhd. ziestac, nhd. alem. Zistig bildet.488 Die Form zinstag ist eine seit dem 13. Jahrhundert belegte alemannische Nebenform von ziestag, die wiederum seit dem 12. Jahrhundert bezeugt ist.489 Im Bairischen ist für ,Dienstag' seit dem 13. Jahrhundert die Bezeichnung ergetag nachweisbar, die sowohl in historischer Überlieferung als auch in ihrer gegenwärtigen Verbreitung nur im Bairischen vorkommt. 490 Ergetag tritt in zahlreichen Varianten auf und liegt in Sorgs Augsburger Druck durch erichtag vor. Ausgehend von dem ältesten Beleg mhd. ergetac können die Formen ahd. *eriotag und frühahd. *ariotag erschlossen werden, die auf got. *arjausdags zurückführen, das wohl letztendlich auf das im 3. und 4. Jahrhundert bezeugte griech. Άρεως ημέρα ,Tag des Kriegsgottes Ares' zurückgeht.491 Es ist davon auszugehen, daß diese Wochentagsbezeichnung von dem ostgermanischen Stamm der Goten, der im 4. und 5. Jahrhundert auf dem Bal-

487 488 489 490 491

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

DWb. 2VI, Sp. 1236 f. Pfeifer 1999, S. 225; DWb. 2VI, Sp. 991 f. DWb. 31, Sp. 1534, 1236 ff. Kranzmayer 1929, S. 25 f f , 74 ff., Karten 2-5. Wiesinger 1985, S. 158; Kluge/Seebold 1999, S. 229.

142

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

kan mit der griechischen Kultur in Berührung kam, gebildet wurde, und dann im 6./7. Jahrhundert von den Baiern eine rein lautliche Übernahme ohne etymologisches Sinnverständnis erfolgte.492 Das mnd. dinstag dringt im 14. Jahrhundert nach Osten und dann nach langsam Süden vor, wo es die älteren oberdeutschen Formen bairisch ergetag und alemannisch ziestag verdrängt. Erst seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts ist Dienstag die allgemein gültige Form in der Schriftsprache.493 Die Wochentagsbezeichnungen für ,Dienstag' weisen in den Drucken eine landschaftliche Verteilung auf. Das typisch alemannische zinstag im Baseler Druck, den Straßburger Auflagen und in der Donaueschinger Handschrift wird in Sorgs Augsburger Ausgabe durch bairisch erichtag ersetzt. In den Drucken von Kachelofen, Hist und Flach wird zinstag durch das im größten Teil des Mitteldeutschen verbreitete Synonym dinstag ersetzt. Dagegen wird die alemannische Bezeichnung des Wochentags zinstag in der Speyrer Ausgabe von Johann und Konrad Hist um 1485 und in Schönspergers Augsburger Auflage beibehalten.

III. 5. 2. 2. Bäcker: pfister / becker / beck 494 Pistor (82.18).494

Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss

Pfister Beck oder pfister pfister Becker od(er) pfister pfyster Becker oder pfister beck oder pfister Becker od(er) pfister

Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

becker oder pfister becker od(er) pfister becker od(er) pfister becker oder pfister Beck oder pfister Beck oder pfister Beck oder pfister Beck oder pfister

Pfister, ahd. phistur, mhd. pfister, ist seit dem 9. Jahrhundert belegt und wurde aus mlat. pistor ,Klosterbäcker' entlehnt.495 Müller kommt aufgrund seiner Untersuchungen von Ratsbüchern und Urkunden zu dem Ergebnis, daß die Bezeichnung pfister im Mittelalter im südlichen alemannischen und bairischösterreichischen Sprachraum verwendet wurde (Karte 7), im nahezu gesamten

492 493 494

495

Vgl. Wiesinger 1985, S. 184 f.; Frings/Müller 1968, S. 100. Vgl. Pfeifer 1999, S. 225. Das Stichwort Pistor wird zuerst genannt, danach folgen Panifex, Clibanarius und Furnarius, das volkssprachige Interpretament steht nach leerem Raum hinter Clibanarius (vgl. die Edition und fol. 26vb). Vgl. Pfeifer 1999, S. 86; Kluge/Seebold 1999, S. 626.

III. 5. Wortgeographie

143

Gebiet der heutigen Schweiz dominierte und dort erst im 17. und 18. Jahrhundert, an einzelnen Orten noch später, dem heute geltenden beck gewichen ist.496 Am Bodensee, z.B. in Konstanz, und im Gebiet nördlich des Sees gilt in spätmittelhochdeutscher Zeit wohl schon weitgehend brotbeck.497 Die Urkundensprache des 13. Jahrhunderts zeigt durch die Verwendung von brotbeck in Basel und pfister in Zürich im wesentlichen schon die geographische Verbreitung wie im Spätmittelalter.498 Erst in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts erscheint die Bezeichnung (brot)beck in Zürich. Ende des 13. Jahrhunderts sind im Baseler Urkundenbuch noch einige Belege von pfister bezeugt, wobei solche ausgenommen sind, bei denen es sich um den Klosterbäcker handelt. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts hat sich brotbeck in Basel als Berufsbezeichnung durchgesetzt.499 Vor der Mitte des 16. Jahrhunderts löst beck in Basel die ältere Benennung brotbeck ab.500 Im übrigen Westoberdeutschen und in Teilgebieten des Westmitteldeutschen wird pfister weiterhin für den Klosterbäcker verwendet. Brauns Ergebnis seiner wortgeographischen Untersuchung der Verbreitung der Synonyme für ,Bäcker' dokumentiert, daß von 1470 bis 1530 im gesamten Oberdeutschen, im Bairischen zu 95 Prozent, die Bezeichnung beck, ahd. becko, mhd. becke, vorherrscht, die im Alemannischen durch die Verwendung von brotbeck und pfister eingeschränkt wird, und weder im Westmitteldeutschen noch im Niederdeutschen für diesen Zeitraum belegt ist.501 Die Zusammensetzung brotbeck wird überwiegend im Westoberdeutschen, z.B. in der Zürcher Bibel, verwendet, nur zwei Belege stammen aus bairischen Quellen.502 Bäcker, ahd. beckeri, mhd. becker, ist seit dem 12. Jahrhundert bezeugt und das Nomen agentis zu backen, ahd. bahhan, backan, mhd. bachen, backen, das seit dem 9. Jahrhundert belegt ist.503 Bäcker ist von 1470 bis 1530 vor allem im nieder- und mitteldeutschen Raum bezeugt. Es dominiert im gesamten Niederdeutschen konkurrenzlos, im Westmitteldeutschen zu über 85 Prozent, und herrscht im Ostmitteldeutschen vor beck, wo ca. 60 Prozent bäcker und etwa 40 Prozent beck belegt sind.504

496 497 498 499 500 501

502 503 504

Vgl. Müller 1960, S. 100 f. Vgl. Müller 1960, S. 96. Zu Belegen vgl. Müller 1960, S. 94 f. Vgl. Müller 1960, S. 98. Vgl. Müller 1960, S. 94 f. und die Belege S. 95. Vgl. Braun 1981, S. 65 f. Von 163 beck-Belegen stammen 139 aus oberdeutschen Quellen (vgl. Braun 1981, S. 110, Anm. 31). Auffällig ist, daß bäcker im Westoberdeutschen erstmals 1498 bezeugt und auch im 16. und 17. Jahrhundert kaum belegt ist, während das Kompositum brotbäcker dort seit 1370 durchgehend in den Quellen bezeugt ist (vgl. Braun 1981, S. 109, Anm. 26). Vgl. Braun 1981, S. 65, 67. Vgl. Pfeifer 1999, S. 86. Vgl. Braun 1981, S. 63, Tabelle 1. Von 184 bäcker-Belegen stammen 169 aus nieder- und mitteldeutschen Quellen (vgl. Braun 1981, S. 110, Anm. 31).

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

144

(pestour) W - l b c c k

pistore Karte 7: Verbreitung der Bezeichnungen für,Bäcker' im deutschen Sprachraum in Spätmittelalter und früher Neuzeit

Zunächst wird die im südlichen Alemannischen dominierende Bezeichnung pflster des Baseler Erstdrucks in allen späteren Auflagen und in der Donaueschinger Handschrift beibehalten, wobei in Basel und Konstanz zu dieser Zeit laut Urkunden und Ratsbüchern eigentlich die Bezeichnung brotbeck üblich ist. Im Augsburger Druck Schönspergers steht nicht das zu erwartende beck, sondern das vorwiegend im Mitteldeutschen übliche und im Leipziger Druck sowie in einigen Straßburger Ausgaben hinzugefugte becker. In den Straßburger Auflagen von Schott (1), Prüss und Husner ist den wortgeographischen Untersuchungen entsprechend eigentlich beck zu erwarten. In Konrad Hists Drucken wird beck hinzugefugt, das zwar in dem von Braun untersuchten Zeitraum im Westmitteldeutschen nicht belegt ist, aber nach Müllers Karte liegt Speyer in einem Gebiet, wo die Bezeichnungen becker und (brot)beck nebeneinander vorkommen.

145

III. 5. Wortgeographie

III. 5. 2. 3. Gerichtsbote:

weibel/pedell

Bidellus (87.47) Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss

waybel waybel oder pedell weybel waybel oder pedel waybel waybel oder pedel weybel oder pedel weybel od(er) pedell

Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

weybel weybel weybel weybel weibel weibel weibel weibel

oder pedel od(er) pedell oder pedel oder pedell oder pedell oder pedell oder pedell od(er) pedell

Weibel, ahd./mhd. weibel, ist ein seit dem 11. Jahrhundert bezeugtes Nomen agentis zu ahd. weibön ,sich hin und her bewegen' und in der Bedeutung .Gerichtsbote' vorwiegend im Alemannischen verbreitet, hauptsächlich im Gebiet der heutigen Schweiz, seltener im Schwäbischen. Außerhalb dieses Gebietes ist nur Feldwebel, ein militärischer Ausdruck des 16. Jahrhunderts, in der ostmitteldeutschen Lautform mit Monophthongierung von /ei/ zu /e/, bekannt.505 Pedell ist seit dem 14. Jahrhundert belegt und aus mlat. pedellus, bedellus ,Diener, Bote' entlehnt, wobei es sich um die Latinisierung der seit dem 11. Jahrhundert bezeugten germanischen Bildung ahd. bitil ,Freier, Werber, Bittender' handelt. Die allgemeine Bezeichnung pedell,Diener, Dienstbote' wurde später auf einen bestimmten Bediensteten eingeschränkt und nur noch in der Bedeutung ,Hausmeister einer Schule' verwendet.506 In allen Nachdrucken außer Sorgs Augsburger Ausgabe und der Donaueschinger Handschrift werden dem hauptsächlich im Alemannischen verbreiteten weibel die allgemein bekannte und durch ihre überlandschaftliche Verbreitung gekennzeichnete Benennung pedell für den Gerichtsboten beigegeben. Bei diesen Doppelformen erfolgt die Angabe des Synonyms pedell somit aufgrund landschaftlicher Wortschatzverschiedenheit und dient der Verständigung über die Grenzen des Alemannischen hinaus.

505 506

Vgl. Kluge/Seebold 1999, S. 880; Pfeifer 1999, S. 334; DWb. 28, Sp. 377 ff.; Frnhd. Wb. 3, Sp. 381. Vgl. Kluge/Seebold 1999, S. 619; DWb. 13, Sp. 1523.

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

146

III. 5. 2. 4. Kelter: trotte/

torkel/preß/kelter

Torcular (91.32), Prelum (91.33) Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

preß oder kelter trott, preß oder kelter preß oder kelter trott, preß oder kelter breß od(er) torckel trot, preß oder kalter trot, preß oder kalter trot, preß oder kelter trot, preß oder kelter trot, preß oder kelter trot, preß od(er) kelter trot, preß oder kelter trott, preß oder kelter trott, preß oder kelter trott, preß oder kelter trott, preß oder kelter

kelterbom od(er) torckelbom keltterbaum oder trotbaume kelterbaum oder torgelbaum kelterbaum oder trotbaume to(r)gelbowm kalterboum oder trotboum kalterbaum oder trotbaum keltterbaum od(er) trotbaum kelterbaum oder trotbaum kelterbaum od(er) trotbaum kelterbaum od(er) trotbaum kelterbaum oder trotbaum kelterbaum oder trottbaum kelterbaum od(er) trottbaum kelterbaum od(er) trottbaum kelterbaum od(er) trottbaum

Presse, ahd. pressa, mhd. presse, ist seit dem 12. Jahrhundert belegt und aus spätlat. pressa zu lat. premere ,pressen, drücken' entlehnt. Die frühesten Belege für presse mit der Bedeutung ,Kelter' stammen aus dem Nordwesten des deutschen Sprachgebiets.507 Kelter, ahd. calcatura, mhd. kelter, ist im 9. Jahrhundert aus lat. calcatura ,das Treten', einer Ableitung von lat. calcare ,mit der Ferse treten', unverschoben aus der Galloromania über den Trierer Raum nach Deutschland gelangt.508 Trotte, ahd. trota, mhd. trot(t)e, ist ebenfalls seit dem 9. Jahrhundert bezeugt und wurde zu ahd. trotön ,treten, keltern' gebildet, einer hochdeutschen Nachbildung des lat. calcatura.509 Sowohl kelter als auch trotte beziehen sich ursprünglich auf die einfache Art des Pressens, bei der die Trauben mit den Füßen in einem Bottich ausgetreten werden. Torkel, ahd. torcul(a), mhd. torkel, wurde im 8./9. Jahrhundert über rätoromanisch tuorkel, oberitalienisch torchio, aus dem lat. torculum bzw. spätlat. torcula ,Drehpresse zur Weinbereitung' entlehnt und bedeutet gegenüber lat. calcare durch das lateinische Grundwort lat. torquere ,winden, drehen' einen technischen Fort-

507 508 509

Vgl. Pfeifer 1999, S. 1040; Alanne 1950, S. 77, 147, 176 f.; Frings/Müller 1968, S. 139 ff; DWb. 13, Sp. 2103 f.; DWb. 28, Sp. 973 f. Vgl. Frings/Müller 1968, S. 137 f.; Pfeifer 1999, S. 648; Alanne 1950, S. 45 f.; DWb. 11, Sp. 524 f.; Ising 1968, Bd. I, S. 96. Vgl. Frings/Müller 1968, S. 136 f.; Kluge/Seebold 1999, S. 838; Alanne 1950, S. 85 f., 212 f.; DWb. 22, Sp. 1075 f.

III. 5. Wortgeographie

147

schritt beim Keltern.510 Isings Untersuchung der Verteilung der deutschen Bezeichnungen fur lat. torcular in vorreformatorischen Bibelübersetzungen und Vokabularien führte zu dem Ergebnis (Karte 8),511 daß sowohl kelter als auch (wein)presse im gesamten deutschsprachigen Raum anzutreffen sind. Trotte ist dagegen nur im Alemannischen und Rheinfränkischen bezeugt.512 In Thomas Wolfs Baseler Glossar zu Luthers Übersetzung des Alten Testaments wird Luthers kelter mit trott und weinpreß

erklärt. 513

Karte 8: Verbreitung der Bezeichnungen f u r , K e l t e r ' in Bibeltexten und Vokabularien ο Bibeltexte

• Vokabulare

Die Untersuchung der geographischen Verbreitung der Bezeichnungen für ,Kelter' im südwestdeutschen Sprachgebiet aufgrund von Urbaren des 13. bis 15. Jahrhunderts hat eine eindeutige Verteilung der Synonyme kelter, trotte

510 511 512 513

Vgl. Frings/Müller 1968, S. 138 f.; Pfeifer 1999, S. 1439; Alanne 1950, S. 62, 150; DWb. 21, Sp. 890 f. Zu Isings Karte vgl. Anm. 441. Vgl. Ising 1968, Bd. I, S. 116 f.; Bd. II, S. 24. Vgl. Kluge 1918, S. 114, Z. 32, vgl. auch S. 101.

148

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Karte 9: Bezeichnungen fur ,Kelter' in Urbaren des 13. bis 15. Jahrhunderts im Südwesten des deutschen Sprachgebiets

und torkel auf drei verschiedene Räume ergeben (Karte 9). Die Belege wurden am Sitz der jeweiligen Grundherrschaft, dem Urbarskriptorium, lokalisiert. Kelter herrscht im südfränkischen Norden vor, trotte ist vorwiegend am Oberrhein verbreitet, und torkel ist im Untersuchungsgebiet am Hochrhein und Bodensee belegt. Seit dem 13./14. Jahrhundert bestehen diese drei Wortareale nahezu unverändert bis heute.514

514

Vgl. HSS, Karte E17, Text S. 27; Kleiber 1986, S. 85 f. und Karte 1.

149

III. 5. Wortgeographie

Mit preß und Kelter werden in den Drucken die durch ihre überlandschaftliche Verbreitung gekennzeichneten Übersetzungen gewählt. Abgesehen von Sorgs Augsburger Auflage werden in allen Nachdrucken den beiden Synonymen das vorwiegend im Alemannischen und Rheinfränkischen heimische trotte hinzugefugt, das hinsichtlich der dokumentierten landschaftlichen Verteilung in Schönspergers Augsburger Auflage nicht die angemessene Bezeichnung darstellt, denn hier wäre eine Hinzufügung von torkel statt trot zu erwarten. Die vermutlich am Bodensee entstandene Donaueschinger Handschrift fügt dem überlandschaftlichen breß die in dieser Region übliche Bezeichnung torckel für die Weinpresse hinzu. Die Übersetzungen von lat. prelum ,Dreharm der Kelter' weisen in Kollickers Baseler Druck, Sorgs Augsburger Ausgabe und in der Donaueschinger Handschrift ein Kompositum mit dem bairischen torkel auf, in den übrigen Auflagen wird entsprechend der Verdeutschung von lat. torcular die Übersetzung trot(t)baum gewählt.515 Kollickers Erstdruck schließt sich mit torckelbom folglich nicht dem Baseler sondern Bracks Konstanzer Sprachgebrauch an.

III. 5. 2. 5. Taubenmännchen: kauter / tauber Columbus (98.48) Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss

tauber, kutter tauber, kutter tauber, kutter tauber, kutter tüber taubenkutter taubenkutter taubenkutter

Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

taubenkutter tubenkutter tubenkutter taubenkutter tauber, kutter tuber, kutter tuber, kutter tuber, kütter

Tauber, mhd. tuber, ist die vom Femininum mhd. tube abgeleitete Maskulinform, die erst seit dem 14. Jahrhundert belegt und im Nieder- und Mitteldeutschen heimisch ist.516 Im Alemannischen wird das Taubenmännchen durch eine onomatopoietische Maskulinbildung benannt, die zuerst um 1330 in der hochalemannischen Autorhandschrift Johannes Kotmans im Vocabularius optimus durch tub kuto belegt ist, wobei kuto hier wohl das Vogelmännchen überhaupt bezeichnet.517 Größere Verbreitung erreicht das Wort mit der Weiterbildung kuter ,Taubenmännchen', die erstmals 1483 im Baseler Druck von

515 516 517

Vgl. auch Spira (91.44). Vgl. Suolahti 1909, S. 210; Pfeifer 1999, S. 1417. Vgl. Bremer 1990, Bd. II, 44.075; Suolahti 1909, S. 211, DWb. 11, Sp. 365 f.

150

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Bracks Vokabularius rerum belegt ist, und heute in der Schweiz Chut(t)er, im Elsaß Kütter und in Schwaben Kauter lautet.518 Die beiden Synonyme tauber und kutter in Kollickers Baseler, Grüningers und Flachs Straßburger, Sorgs Augsburger sowie in Hists Speyrer Drucken sind in den weiteren Auflagen zu taubenkutter zusammengesetzt. Das Kompositum taubenkutter in den Ausgaben des Vocabularius rerum von Schott, Prüss, Kachelofen, Husner und Schönsperger läßt darauf schließen, daß den Druckern das alemannische kutter , Taubenmännchen' entweder nicht oder nur in der Bedeutung , Vogelmännchen' bekannt war.

III. 5. 3. Neuerungen Wörter, die im Mittelalter im gesamten hochdeutschen Sprachgebiet Gültigkeit besaßen, wie z.B. die Bezeichnungen eyß ,Geschwür' (Vlcus 16.11), prißschuoch ,Schnürschuh' (Sotular 29.09, Culpo 29.12), hofer ,Höcker, Buckel' 0Gibbus 13.32) oder sturtz ,Kopftuch, Schleier' (Flammeum 27.42) in Kollickers Druck,519 gelten nach einer gewissen Zeit in einigen Gebieten als obsolet und werden dort durch neue Bezeichnungen ersetzt. So wird z.B. veraltetes eyß (Vlcus 16.11) bereits in Grüningers erstem Straßburger Nachdruck mit geschwer ergänzt, das sich in allen folgenden Textzeugen außer in Sorgs Augsburger Auflage und der Donaueschinger Handschrift wiederfindet. Im Oberdeutschen halten sich vor allem im dialektalen Bereich einige Wörter länger als im übrigen deutschsprachigen Raum.

III. 5. 3. 1. Großmutter: ane/großmutter,

Großvater:

eni/großvater

Avia, Ava (18.38), Auus (18.37) Kollicker ana Grüninger ane Sorg ana Hist 1 ane Don. 56 any Schott 1 ane Schott 2 ane Prüss großmuter, ane

518 519

eny eny eny eny eny eny eny eny

Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

großmuter, großmutter, großmuter, großmutter, ane ane ane ane

ane ane ane ane

eney eny eny eny eny eny eny eny

Vgl. Suolahti 1909, S. 211 f. Zu eiß vgl. Bahder 1925, S. 130 f.; DWb. 2VII, Sp. 1185; zu breisschuk. Bahder 1925, S. 76; DWb. 2, Sp. 355 f.; zu hofer. DWb. 10, Sp. 1664; zu stürz. DWb. 20, Sp. 687 ff.

III. 5. Wortgeographie

151

Die Benennungen für ,Großmutter' und ,Großvater', ahd. ana und ano, mhd. ane und eni nebst Varianten, sind seit dem 9. Jahrhundert bezeugt.520 Erste Belege für großmuoter und großvatter stammen vom nördlichen Oberrhein und sind in der ältesten Handschrift der ersten Fassung des Vokabulars von Jakob Twinger von Königshofen belegt, die dem Vorwort gemäß in das Jahr 1399 datiert.521 Müller kommt in seiner Untersuchung der Bezeichnungen für die Großeltern im alemannischen und angrenzenden Raum aufgrund von Urkunden, Gericht-, Steuer- und Stadtbüchern zu dem Ergebnis, daß die älteren Benennungen ane und eni bereits um 1400 in Basel, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Zürich und zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Alpenvorland durch die Bezeichnungen großmutter und großvater abgelöst wurden.522 Während im alemannischen Südwesten diese Neuerungen schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts auftreten und sich dort dann auch durchsetzen, behält das östliche Alemannische und das Bairische mit ane/eni und das westliche Mitteldeutsche mit anfrauwe/anherre, aniche/anich bzw. anichfrauwe/anichherre die älteren Bezeichnungen fur die Großeltern über Jahrhunderte bis in die neuhochdeutsche Zeit bei.523 Im nieder- und ostmitteldeutschen Sprachgebiet werden im 14. und 15. Jahrhundert aldermoder/aldervader, oldermoder/oldervader und eldermoder/ eldervader zur Bezeichnung der Großeltern verwendet.524 Etwas früher als im alemannischen Westen tauchen zuerst im Niederdeutschen, später im Ostmitteldeutschen erste Belege der Neuerungen grotmoder/grotvader auf.525 Die relativ schnelle und großflächige Verbreitung der neuen Bezeichnungen für die Großeltern wird wohl vor allem durch die gleiche Wortstruktur begünstigt, da lediglich ein Wechsel des ersten Kompositionsgliedes erfolgt: elder-moder/ elder-vader nebst Varianten wird zu grot-moder/grot-vader. Im Norden liegen somit günstigere Voraussetzungen für die Ausbreitung von großmutter/großvater vor als im Süden. Dennoch sind die neuen Bezeichnungen erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts im Ostmitteldeutschen aufgenommen worden, wo sie sich seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts durchsetzen.526

520

521 522 523 524 525 526

Vgl. Pfeifer 1999, S. 19; Bahder 1925, S. 83 f. Die in Kollickers und Sorgs Druck bezeugte Form ana weist den im konservativen Alemannischen häufig erhaltenen vollen Endsilbenvokal -a auf (vgl. Ahd. Gr. 1987, §§ 57, 60). Vgl. Müller 1979, S. 21 und die Edition Closener/Twinger, Bd. 1, S. 44* f. und S. 3, Ab 8. Zu Belegen im großmutter und großvater im 15. und 16. Jahrhundert im westoberdeutschen Raum vgl. Muller 1979, S. 22, 29 f., 39 und Karte 5. Vgl. Müller 1979, S. 37, 50. Zu Belegen für aldermoder/aldervader, oldermoder/oldervader und eldermoder/eldervader im 14. und 15. Jahrhundert vgl. Müller 1979, S. 53 ff. Zu Belegen für grotmoder/grotvader im 14. und 15. Jahrhundert vgl. Müller 1979, S. 57 und Karte 8. Der erste Beleg datiert 1350. Vgl. Müller 1979, S. 60.

152

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

So treten an zwei weit auseinanderliegenden Stellen des deutschen Sprachraums mit verschiedenen sprachlichen Voraussetzungen etwa gleichzeitig die Neuerungen großmutter/großvater auf.527 Vermutlich wurden sie nach dem Muster der französischen Zusammensetzungen frz. grandmere/grandpere gebildet, die jedoch im Französischen erst verhältnismäßig spät belegt sind: grand'mere einmalig im 13. Jahrhundert und grand 'pere erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.528 Müller hält im Südwesten des deutschen Sprachgebiets eine Entlehnung für sicher, da für eine selbständige Neuerung die Voraussetzungen fehlen und im Norden aufgrund der Gesamtsituation für wahrscheinlich.529 Obwohl die Bezeichnungen großmutter und großvater bereits um 1400 in Basel bezeugt sind, werden in Kollickers Erstausgabe die älteren Benennungen ana und eny als Übersetzungen bevorzugt. Im Straßburger Druck von Johannes Prüss wird erstmals in der Überlieferung des Vocabularius rerum die Neuerung großmuter dem Interpretament ane hinzugefugt, die in den von Prüss abhängigen Nachdrucken von Kachelofen, Husner und Schönsperger übernommen wird. In den mitteldeutschen Drucken werden die oberdeutschen Übersetzungen von Hist und Kachelofen nicht verändert, obwohl in diesen Sprachräumen andere Bezeichnungen für die Großeltern üblich sind.

III. 5. 3. 2. Hochzeit:

brautlauf/hochzeit

Nuptie (23.11) Kollicker Grüninger Sorg Hist 1 Don. 56 Schott 1 Schott 2 Prüss

brutlojfe brutlouff brautlauffe hochzijt brütloffty hochzyt hochzeit hochzyt

Kachelofen Husner 1 Husner 2 Schönsperger Hist 2 Hist 3 Hist 4 Flach

hochtzeyt hochzyt hochzyt hochtzeit brutlauff brutlauff brutlauff brutlauff

Bei den Bezeichnungen brautlauf und hochzeit handelt es sich nicht um landschaftlich verschiedene Benennungen, sondern um eine ältere und eine neuere Bezeichnung für das Vermählungsfest. Brautlauf, ahd. brüthlaufti, brüt(h)louft, mhd. brütlouf ist seit dem 8. Jahrhundert belegt und im Skandinavischen

527 528 529

Vgl. Müller 1979, S. 60 f. Vgl. Müller 1979, S. 18. Vgl. Müller 1979, S. 61.

III. 5. Wortgeographie

153

(z.B. schwed. bröllopp) und Niederländischen bis heute erhalten.530 Die Bedeutung des Wortes ist nicht eindeutig geklärt. Während früher vermutet wurde, daß brautlauf ein Wettrennen um die Braut531 oder den Brauttanz532 bezeichnete, nimmt man heute an, daß mit brautlauf die Heimfuhrung der Braut, die ein rechtsverbindlicher Vorgang war, gemeint ist.533 Die ältere Bezeichnung brautlauf wird im 14. und 15. Jahrhundert durch hochzeit verdrängt. Hochzeit, mhd. hdch(ge)zit, ist aus ahd. diu höha gezit zusammengewachsen, seit dem 9. Jahrhundert belegt, und bedeutete ursprünglich ,hohes, großes kirchliches Fest'. Hochzeit seinerseits wird in seiner ursprünglichen Bedeutung, die noch bis zum 17. Jahrhundert galt, durch das lateinische Lehnwort Fest ersetzt und auf das ,Fest der Eheschließung' eingeengt.534 Im alemannischen Sprachraum wird nach Müllers Untersuchung in Zürich brautlauf wesentlich früher als in Basel durch hochzeit verdrängt.535 Im 14. Jahrhundert stehen in Züricher Rats- und Gerichtbüchern beide Bezeichnungen nebeneinander. Im 15. Jahrhundert hat sich hochzeit in Zürich durchgesetzt, da auf hochzit dreißig Belege entfallen, während brutlouf nur zweimal bezeugt ist. Ebenso gilt in Konstanz im 15. Jahrhundert hochzeitP6 In Basel herrscht dagegen brutlouf bis zum ersten Viertel des 16. Jahrhunderts vor, erst etwa ab 1520 sind beide Benennungen gleich oft bezeugt.537 Die Belege in den Drucken zeigen, daß in Kollickers Druck mit dem zu dieser Zeit in Basel üblichen Wort brutlojfe und nicht mit dem in Konstanz gebräuchlichen hochzeit übersetzt wurde. Während Grüninger, Sorg, Hist und Flach die laut Müllers Untersuchungen zu dieser Zeit bereits obsolete Übersetzung brautlauf ihrer jeweiligen Vorlage übernehmen, wird diese Bezeichnung in Johann und Konrad Hists gemeinsamen Speyrer Druck, den Straßburger Auflagen von Schott, Prüss und Husner sowie in Kachelofens Leipziger und Schönspergers Augsburger Ausgabe durch die Neuerung hochzeit ersetzt. Die Donaueschinger Handschrift schließt sich mit brütlojfty dem älteren Sprachgebrauch an.

530 531 532 533 534 535 536 537

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Müller I960, S. 48 und Karte 2. DWb. 2, Sp. 336. Müller 1960, S. 48. Kluge/Seebold 1999, S. 133; Schmidt-Wiegand 1986, S. 116 ff. Kluge/Seebold 1999, S. 378; Pfeifer 1999, S. 548; Ising 1968, Bd. I, S. 95. Müller 1960, S. 47. Müller 1960, S. 48 f. Müller 1960, S. 52 ff., 56.

154

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

III. 5. 3. 3. Geige:

fidel/geige

Fidula (78.47) Kollicker fydel Grüninger fidein Sorg fidel Hist 1 fidein Don. 56 fydel Schott 1 fidein Schott 2 fidein Prüss fidein

oder geyge oder geyge oder geyge oder geyge oder geyge

Kachelofen fidein Husner 1 fiedel Husner 2 fidel Schönsperger fidel Hist 2 fidel Hist 3 fidel Hist 4 fidel Flach fidel

oder geyge oder gyge od(er) gyg oder geigen oder gyge oder gyge oder gyge oder gyge

Fiedel, ahd. fidula, mhd. videl(e), ist seit dem 9. Jahrhundert belegt. Geige, ahd. giga, mhd. gige, ist erst seit dem 12. Jahrhundert bezeugt. Mittelalterliche Schriftsteller machen keinen Unterschied zwischen den Instrumenten Fiedel und Geige. Noch im 16. Jahrhundert wird die Bezeichnung geige allgemein fur Streichinstrumente verwendet.538 Die Wortfamilien von fiedel und geige werden in zweisprachigen Vokabularien des 15. Jahrhunderts regional unterschiedlich bevorzugt (Karte 10).539 Der aus Luzern stammende Konstanzer Schulleiter Johannes Kotman übersetzt vor 1330 in seinem Vocabularius optimus lat. fidula mit giga (35.038) und lat.figellator mit giger (35.047). Die Ubersetzungen mit geig bzw. gig werden in der schwäbischen Redaktion Ci und in der Augsburger Redaktion C2 mit videl bzw. fidel ergänzt.540 Die beiden Straßburger Chronisten Fritsche Closener und Jakob Twinger übersetzen lat. fidula und vigella mit gyge, das in der schwäbischen Handschrift Stl von 1437 mit fidel ergänzt wird.541 In der als südrheinfränkisch mit alemannischen Relikten charakterisierten Handschrift R6, die 1474 datiert, wird die Übersetzung gyge mit oder fidele ergänzt.542 In dem am Ende des 14. Jahrhunderts im niederdeutschen Raum entstandenen Liber ordinis rerum werden lat. figella und figellator in allen hauptsächlich im niederdeutschen und bairischen Raum entstandenen Handschriften mit fedele bzw. fedeler ins Deutsche übertragen. Nur in einem alemannischen Textzeugen, der Donaueschinger Handschrift, die als zweiten Teil Bracks Vokabularien überliefert, wird mit gig vel fidel bzw. giger

538 539

540 541 542

Vgl. Pfeifer 1999, S. 341, 413 f.; DWb. 2IX, Sp. 472 f.; DWb. 5, Sp. 2567 ff.; Relleke 1980, S. 75 ff; 180. Vgl. Kunze 1996, S. 38-41. Die Angaben zum Vocabularius optimus und zu den Vokabularien von Closener und Twinger sind dort teilweise unzutreffend, z.B. werden die Übersetzungen geig bzw. gig in Ci und C 2 nicht durch fidel bzw. videl ersetzt, sondern mit diesen Wörtern ergänzt. Vgl. Vocabularius optimus, Bd. II, S. 378 f. Vgl. Closener/Twinger, Bd. I, S. 28* ff.; S. 558, Fi 30; S. 1558, Vi 33. Vgl. Closener/Twinger, Bd. I, S. 30* f.; S. 558, Fi 30.

III. 5. Wortgeographie

155

vel flderer übersetzt.543 Im Vocabularius Ex quo, der am Anfang des 15. Jahrhunderts im niederdeutschen Sprachraum entstanden ist, wird in einer um 1400 entstandenen westfälischen Handschrift lat. figellator mit ein fiddeler übersetzt, das in der ostfränkischen Handschrift N1 von 1413 mit uel geyger ergänzt und in der konsequent ins Oberdeutsche umsetzenden Redaktion P-E durch ain giger ersetzt wird.544 Das in den 60er Jahren des 15. Jahrhunderts entstandene mittelniederdeutsch-lateinische Stralsunder Vokabular weist zu den Lemmata veddele und veddeler die Interpretamente lat. figella und figellator auf. Die ebenfalls vorkommenden Lemmata ghigen, ghiger und gighe erhalten keine lateinischen Entsprechungen.545

Karte 10: fidel und geige in Vokabularhandschriften des 15. Jahrhunderts

543 544 545

Vgl. Uber ordinis rerum, Bd. I, S. 263. Vgl. auch Kapitel II. 1. Vgl. Vocabularius Ex quo, Bd. III, F 246. Vgl. Stralsunder Vokabular, S. 428, 12326 f.; S. 218 f., 3537 ff.

156

III. Der lexikographische Teil des Kompendiums

Die Übersetzungen in den Vokabularien des Spätmittelalters legen nahe, daß fiedel eher im niederdeutschen und geige im oberdeutschen Sprachraum bevorzugt wurde. Die Entwicklung der weiteren deutschen Sprachgeschichte zeigt, daß die ältere Bezeichnung fiedel durch geige verdrängt wird, so ändert z.B. Luther sein fiddel nach 1534 in geige.546 Geige wird seit dem 16./17. Jahrhundert durch Violine in seinem Geltungsbereich eingeschränkt. Trotzdem bleibt Geige das vorherrschende Wort, während Fiedel heute in abwertendem Sinn verwendet wird.547 In allen Textzeugen des Vocabularius rerum wird lat .fidula mit fidel übersetzt. Außer in Kollickers Baseler Erstausgabe, Sorgs Augsburger Druck und der Donaueschinger Handschrift wird stets das Interpretament geige hinzugefugt. Eine Bevorzugung von geige im Oberdeutschen liegt somit in den Textzeugen des Vocabularius rerum nicht vor. Dagegen wird in den mitteldeutschen Drucken fidel mit der Neuerung geige ergänzt.

III. 5. 4. Auswertung der Ergebnisse Der Vergleich ausgewählter volkssprachiger Interpretamente aus 16 Textzeugen des Vocabularius rerum zeigt, daß das Sachvokabular überwiegend ohne wesentliche lexikalische Veränderungen nachgedruckt wurde. Es liegen mehr konservierende Übernahmen als Änderungen vor. Der oberdeutsch-ostmitteldeutsche Sprachgegensatz wurde in dem Ersatz von zinstag durch dinstag, gotte und gottin durch pate bzw. patin, lefze durch lippe und spatz durch sperlingk deutlich. Bei den oberdeutschen Bezeichnungen hafen, hafner und stadel sowie bei dem ursprünglich westmitteldeutschen metzler sind Umsetzungen zu topf, töpfer, scheune und fleischer bzw. fleischhauer nicht erfolgt.548 Hier haben sowohl die Abhängigkeit von einer oberdeutschen Vorlage als auch die Herkunft des Druckers aus dem süddeutschen Raum den wortgeographischen Befund beeinflußt. Oberdeutsche Besonderheiten zeigten sich z.B. durch den Ersatz von alemannischem zinstag durch das bairische erichtag sowie durch den Zusatz von trott und stadel. Neuerungen liegen durch den Ersatz von brautlauf durch hochzeit sowie durch das Hinzufugen von großmuter zu ane vor. Zudem wurden Verbindungen einzelner Textzeugen untereinander deutlich. Die Straßburger Ausgaben von Schott, Prüss und Husner gehören eng zusammen. Aufgrund der übereinstimmenden Übersetzungen kann vermutet werden, daß Kachelofen und Schönsperger einen dieser Straßburger Drucke

546 547 548

Vgl. Schirokauer 1987, S. 77. Vgl. Pfeifer 1999, S. 414; DWb. 5, Sp. 2568; Relleke 1980, S. 178 f. Von Kachelofen nicht in die ostmitteldeutsche Schreibsprache umgesetzt wurden außerdem z.B. stuppfel, mangelt, wynkoujf. Vgl. auch Kapitel III. 5.

III. 5. Wortgeographie

157

als Vorlage genutzt haben. Bei den drei Speyrer Auflagen von Konrad Hist handelt es sich dagegen wohl nicht um weitere Nachdrucke der Straßburger Ausgaben von Schott, Prüss und Husner. Vielmehr schließt Hist an die um 1485 gemeinsam mit seinem Bruder gedruckte Auflage des Vocabularius rerum an. Der letzte Druck von Martin Flach 1512 in Straßburg knüpft eng an die drei Speyrer Ausgaben von Konrad Hist an. Wenzeslaus Brack und sein Drucker Peter Kollicker schließen sich mit torckelbom dem Konstanzer und mit brutloffe dem Baseler Sprachgebrauch an, so daß ein eindeutiges Übergewicht von Eigenheiten des Konstanzer Wirkungsort Bracks gegenüber dem Druckort Basel nicht vorliegt.

IV. Der nichtlexikographische Teil des Kompendiums IV. 1. Der Tractatus de modo epistolandi Der Tractatus de modo epistolandi ist ein von Wenzeslaus Brack verfaßter Briefsteller, der den vierten Teil seines Kompendiums bildet. Daß die drei Vokabularien, die seinen Schülern an der Konstanzer Domschule Grundkenntnisse der lateinischen Sprache vermitteln, durch eine lateinische Brieflehre ergänzt werden, stellt im Zusammenhang mit der spätmittelalterlichen Lexikographie etwas Besonderes dar, das sich bei keinem der bekannten Vokabularien dieser Zeit findet.1 Bracks Lehrschrift über das mustergültige und kunstgerechte Abfassen von Briefen soll seinen Schülern Grundlagenwissen auf diesem Gebiet vermitteln. Bevor der Inhalt des Briefstellers untersucht wird, wird zunächst eine kurze Einführung in die Geschichte und Entwicklung dieser Textsorte gegeben, um Bracks Traktat angemessen beurteilen und einordnen zu können.

IV. 1. 1. Die mittelalterliche Ars dictaminis Im Mittelalter wird die Kunst des Verfassens von Texten, hauptsächlich von Briefen und Urkunden als Ars dictaminis oder Ars dictandi bezeichnet, wobei Ars dictaminis als Terminus für die Disziplin und Ars dictandi für das Lehrbuch bevorzugt wird.2 Der Begriff dictare bedeutet ursprünglich ,vorsagen, diktieren', weil die Autoren der Antike ihre Werke gewöhnlich nicht selbst verfaßten, sondern schreiben ließen. Später bezeichnet dictare das Abfassen von Texten überhaupt, besonders das von Briefen und Urkunden.3 Eine Ars dictandi kann in verschiedenen Formen begegnen, z.B. als kurzer Traktat oder

1

2 3

Schriften zur Ars dictaminis sind vereinzelt in Sammelhandschriften von Lehrern vom Ende des 15. Jahrhunderts enthalten. Vgl. z.B. die Briefmuster in der Handschrift Peters van Zirn, den Modus epistolandi in einem Codex Christoph Hubers oder Bernhard Hirschvelders Modus epistolandi mit einem Musterbrief an Münchener Herzöge in Bleumer 2000, S. 83 ff., 87 ff., 94 ff. Vgl. Curtius 1965, S. 85 f.; Schaller 1980. Vgl. auch den Artikel „Brief, Briefliteratur, Briefsammlungen", in: LMA, Bd. 1, München 1980, Sp. 648-682. Vgl. Rockinger 1863, S. VII f.; Müller 1882, S. 358; Bütow 1908, S. 47 f.; Curtius 1965, S. 86.

IV. 1. Der Tractatus de modo

epistolandi

159

umfangreicher Kommentar, als praktisches Kanzleihandbuch oder als Lehrbuch für die Schule. Die Kunst des Briefschreibens wurde schon lange in der Schule geübt und zwar im Rahmen des Rhetorikunterrichts. Jedoch wird der Brief selbst als Gattung in den lateinischen Rhetoriken der Antike kaum erwähnt. Gelernt wurde das stilistisch einwandfreie Verfassen von Briefen und Urkunden anhand von Brief- und Urkundensammlungen z.B. Cassiodors oder Gregors des Großen.4 Seit Ende des 11. Jahrhunderts entstehen in Oberitalien Traktate zur Ars dictaminis, in denen Stilregeln, der Aufbau und Inhalt von Briefen und Urkunden in theoretischen Anweisungen systematisch zusammengefaßt werden. Mit der Entwicklung der Städte nahm auch der Schriftverkehr stetig zu, und man benötigte Normen, die das Abfassen von Schriftstücken für Verwaltung, Recht, Wirtschaft und Politik regelten.5 Eine mittelalterliche Ars dictandi besteht in der Regel aus einem theoretischen Teil und aus einem Anhang von Brief- und Urkundenmustern. Als Quellen für den theoretischen Abschnitt dienten grammatische und rhetorische Schriften aus der römischen Antike wie z.B. Ciceros De inventione. Die Mustersammlungen wurden einerseits aus Briefen und Urkunden kirchlicher und städtischer Archive und Kanzleien, andererseits aus fingierten Schriftstücken zusammengestellt. Zuweilen wurden diese Übungstexte durch Nennen von Personen der Zeitgeschichte oder tatsächlicher politischer Ereignisse so den damaligen Zeitverhältnissen angepaßt, daß eine Unterscheidung von echten und fingierten Texten schwierig ist. Oft wurden aber nur die Anfangsbuchstaben der Namen in den Mustern beibehalten oder die Personen- und Ortsnamen durch einfaches oder doppeltes N, talis oder talis loci oder einfache Punkte ersetzt, manchmal auch ganz weggelassen, so daß allgemein gehaltene Muster entstanden.6 Es sind Hunderte von Artes dictandi in insgesamt etwa 3000 Handschriften überliefert. Der größte Teil dieser Traktate ist bislang kaum mehr als äußerlich bekannt und somit weder untersucht noch eingeordnet.7 Ein typisches Merkmal in der Überlieferung dieser Textsorte ist ihre Variabilität, die in erweiterten, gekürzten oder neu geordneten Fassungen einzelner Texte deutlich wird, und der der ständige Gebrauch dieser Schriften zugrunde liegt. Primäre Anwendung fanden die Artes dictandi im Bereich der städtischen und bischöflichen Kanzleien, aber auch in Klöstern oder an der päpstlichen Kurie. Diese Brief- und Urkundenlehren stellen zum Teil aber auch reine Schultexte dar, sind einschließlich der Muster eigens für diesen

4 5 6 7

Vgl. Rockinger 1863, S. XVIII; Schaller 1980, Sp. 1035; Worstbrock 1981, S. 188. Vgl. Schaller 1980, Sp. 1035; Worstbrock 1981, S. 187 f.; Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. IX. Vgl. Rockinger 1863, S. XXXVI ff.; Müller 1882, S. 358. Ein Überblick über die Entwicklung dieser Textsorte bis 1200 vermitteln Worstbrock/Klaes/ Lütten 1992. Für die Zeit nach 1200 liegt eine entsprechende Entwicklungsgeschichte noch nicht vor.

160

IV. Der nichtlexikographische Teil des Kompendiums

Zweck verfaßt und dienten vorwiegend der Ausbildung von Sekretären und Notaren.8 Alberich von Montecassino (ca. 1030-1105), Mönch im dortigen Benediktinerkloster, war der erste, der Lehren zur Abfassung von Briefen schrieb, und bei dem die Herausbildung der Ars dictaminis als eigenständige Disziplin beobachtet werden kann.9 Alberichs Werke umfassen das Dictaminum radii oder Flores rhetorici und eine Sammlung verschiedener Traktate, die unter der Bezeichnung ,Alberich-Corpus' zusammengefaßt werden, da sie bis auf eine Ausnahme in den Handschriften stets zusammen überliefert sind. Die sechs zum Corpus zusammengefaßten Schriften sind zwischen 1077 und 1085 entstanden. Das Alberich-Corpus enthält das Breviarium, eine Lehre der Ausdrucksvariation durch grammatische commutatio, der Transformation eines Wortes, Syntagmas oder Satzes in eine inhaltlich gleiche, aber stilistisch höhere Variante. Danach folgen vier Abfassungsanleitungen für Epistolae formatae (Erlaubnisschreiben, die Priester beim Wechsel von einer Diözese in eine andere vorzuweisen hatten), Papsturkunden, Königs- bzw. Kaiserurkunden und fur die salutatio (Begrüßung) zu Beginn eines Briefs. Als Beispiele dienen fingierte Urkunden Papst Gregors VII. und Kaiser Heinrich IV. für Montecassino sowie Salutationsmuster, die vorwiegend den monastischen Bereich behandeln. Die darauf folgenden vier Anhänge zum Breviarium ergänzen dieses um eine Sammlung von Redewendungen, einen Katalog von Stilfehlern, Erläuterungen rhetorischer Figuren, die größtenteils der Rhetorica ad Herennium entnommen sind, und um eine Beispielsammlung zur lexikalischen und grammatischen Ausdrucks variation. Es schließen sich De rithmis mit Regeln und Formen rhythmischer Dichtung, die den kirchlichen Hymnus behandeln, und eine stiltechnische Abhandlung an. Die Ars dictandi ist die letzte Schrift des Corpus und zeigt bereits den typischen Aufbau späterer Brieflehren: Definition von Prosa und der Gattung Brief, Salutationslehre, Gliederung eines Briefs in bestimmte Teile.10 Der Brief wird insgesamt durch das gesellschaftliche Verhältnis der Briefpartner zueinander bestimmt, das durch Überordnung, Gleichrangigkeit und Unterordnung (maior, equalis, minor) definiert ist. Die rhetorischen Genera des hohen, mittleren und niederen Stils werden von Alberich direkt auf den Brief übertragen, so daß epistola sublimis (an Höhergestellte), mediocris (an Gleichgestellte) und tenuis (an Niedrigergestellte) unterschieden werden. Diese Personenhierarchie bestimmt auch die Form der Begrüßung,

8 9 10

Vgl. Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. IX f. Zu Alberich von Montecassino vgl. Rockinger 1863, S. 1-8; Bütow 1908, S. 15-20; Worstbrock 1981, S. 188 f.; Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 7-18. Auf eine genaue Beschreibung des Briefaufbaus, der sich bei allen dictatores auf den klassischen Aufbau der Rede stützt, wird bei Alberich von Montecassino und den anderen Vorgängern von Magister Bernardus verzichtet, da erst seine Fünfgliederung des Briefs für die Arles dictandi bis ins späte Mittelalter grundlegend wurde. Vgl. S. 162.

IV. 1. Der Tractatus de modo

epistolandi

161

entscheidet über die Anzahl der Briefteile und wird später von vielen Nachfolgern Alberichs übernommen.11 Das Dictaminum radii ist um bzw. vor 1080 entstanden und war möglicherweise ursprünglich mit dem Breviarium, dem ältesten Teil des Corpus, verbunden, ist aber stets von diesem getrennt überliefert. Das Dictaminum radii beinhaltet Erläuterungen zur Klarheit von Darstellung und Ausdruck, zum Briefaufbau, die durch Beispiele aus Sallusts Iugurtha und Catilina sowie durch einen Freundschaftsbrief Alberichs illustriert werden, außerdem eine Stilistik, in der auf Horaz' Ars poetica Bezug genommen wird. Alberich bleibt in dem Dictaminum radii der rhetorischen Schultradition verbunden und verknüpft sie mit seiner Theorie vom Brief.12 Im 12. Jahrhundert entsteht ein bedeutendes Zentrum der Ars dictaminis in Bologna. Die Praecepta dictaminum von Adalbertus Samaritanus ist eine um 1115 verfaßte Brieflehre,13 die zusammen mit der Ars dictandi Alberichs von Montecassino und den Rationes dictandi prosaice Hugos von Bologna grundlegend für die Frühgeschichte dieser Textsorte ist. Adalbertus war zur Zeit der Abfassung des Traktats Lehrer in Bologna, was aus der Widmungsvorrede an seine Schüler hervorgeht. Er behandelt in seinen in mehreren Redaktionen überlieferten Praecepta dictaminum den Aufbau des Briefs, vorwiegend Regeln zur angemessenen Begrüßung mit vielen Mustern, in denen erstmals zwischen weltlichen und geistlichen Personen unterschieden wird, und Zeichensetzung (distinctiones: cola, comma, periodus). Er weist Alberichs Stilistik als veraltet zurück und führt sieben Gestaltungsformen von Briefen (modi positionum) ein. Der modus per repeticionem soll beispielsweise dazu befähigen, sich kurz zu fassen, wenn der Stoff umfangreich, und ausfuhrlich zu sein, wenn er begrenzt ist. Adalbertus nennt als stilistische Vorbilder z.B. Cicero, Sallust, Terenz, Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Boethius. Wie bei Alberich dominiert auch hier der Stand des Adressaten in der Gesellschaft die gesamte Anlage des Briefs. In der ersten Redaktion wird dieser theoretische Abschnitt mit einer Zusammenstellung von Musterbriefen ergänzt, von denen zwei der Briefsammlung Symmachus' entnommen sind. Zu seinen Quellen gehören Alberichs Ars dictandi und für die modi positionum die stilistischen Verfahren zeitgenössischer Kanzleien.14 Die Rationes dictandi prosaice Hugos von Bologna sind zwischen 1119 und 1124 entstanden.15 In seinem Prolog

11

12 13 14 15

Vgl. Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 8-16 und die Edition von Auszügen aus dem Alberich-Corpus bei Rockinger 1863, S. 29-46. Die dort auf S. 9-28 edierten Rationes dictandi wurden nicht von Alberich von Montecassino sondern von Magister Bernardus verfaßt. Vgl. Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 16-18. Zu Adalbertus Samaritanus vgl. Bütow 1908, S. 21-30; Schmale 1961, S. 1-24; Worstbrock 1981, S. 190 f., 194; Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 1-6. Vgl. Worstbrock 1981, S. 190 f., 194; Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 1-6 und die Edition von Schmale 1961, S. 28-74. Zu Hugo von Bologna vgl. Rockinger 1863, S. 47-52; Bütow 1908, S. 44-46; Worstbrock 1981, S. 190; Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 80-84. Hugo ist wie Adalbertus Samaritanus

162

IV. Der nichtlexikographische Teil des Kompendiums

distanziert sich Hugo von Adalbertus Samaritanus, von dem er trotzdem manches übernimmt, und erklärt Alberich von Montecassino zu seinem Vorbild. Hugos Rationes dictandi prosaice bestehen aus drei Teilen. Der erste Abschnitt enthält allgemeine Bemerkungen zur Gattung des Briefs, die Unterscheidung von drei Stilebenen entsprechend dem gesellschaftlichen Verhältnis der Briefpartner zueinander, Regeln zum Aufbau des Briefs und zur Zeichensetzung. Der zweite Teil liefert Muster und Beispiele fur die Salutation und die anderen Briefteile. Der dritte Abschnitt enthält eine Briefsammlung, die hauptsächlich privaten Briefwechsel zwischen Vater und Sohn, Lehrer und Schüler und vor allem Freunden berücksichtigt.16 Magister Bernardus, auch Bernardus Bononiensis genannt, verfaßte um 1138 bis 1143 die Rationes dictandi, eine ausfuhrliche Brieflehre in zwei Büchern, in denen die Entwicklung der Theorie der Ars dictaminis einen vorläufigen Abschluß erreicht hat.17 Im ersten Buch wird die bis ins späte 15. Jahrhundert und zum Teil noch darüber hinaus mustergültige Fünfgliederung des Briefes erläutert, die - abgesehen von der salutatio - von der antiken Rhetorik, besonders von Ciceros De inventione, beeinflußt ist: 1. salutatio: Begrüßung mit Berücksichtigung von Titulaturen und Grußformeln 2. captatio benevolentiae (exordium)·. Art und Weise, die Gunst des Empfängers, insbesondere in bezug auf den Zweck, zu erwerben 3. narratio: Schilderung von Situationen und Tatsachen 4. petitio: erfolgversprechende Formulierung von Bitten und Forderungen 5. conclusio: Schluß, der zum vorangegangenen Ganzen paßt

Bernardus legt besonderen Wert auf die Erörterung der Salutationen, die wie bei seinen Vorgängern von der dreigliedrigen Personenhierarchie bestimmt wird, und der er eine Mustersammlung zur Begrüßung geistlicher und weltlicher Personen beigibt. Das zweite Buch enthält eine Sammlung von Ergänzungen zu Buch I, in denen vorwiegend die captatio benevolentiae und Stilistik behandelt werden. Hinsichtlich der Quellen zeigen sich Verbindungen zum Breviarium Alberichs von Montecassino und zu den Rationes dictandi prosaice Hugos von Bologna. Für Magister Bernardus waren die Rationes dictandi vermutlich ein vorläufiger Entwurf, der später die Grundlage für seine Summa bildete.18 Die Summa dictaminium ist um 1144/45 entstanden und

16 17

18

ein Privatlehrer der Ars dictaminis. Die Vermutung, Hugo sei Lehrer an der Domschule in Bologna gewesen, trifft möglicherweise nicht zu, da es fur die Existenz einer Bologneser Domschule zu dieser Zeit keinen Nachweis gibt. Vgl. Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 81. Vgl. Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 80-84 und die Edition bei Rockinger 1863, S. 53-94. Zu Magister Bernardus vgl. Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 24-42. Zu den Rationes dictandi vgl. Müller 1882, S. 359 und Anm. 183; Bütow 1908, S. 46; Worstbrock 1981, S. 190 f. und Anm. 13, 18; Harth 1983, S. 85 f. Die Rationes dictandi hat Rockinger unzutreffenderweise Alberich von Montecassino zugeschrieben. Vgl. Rockinger 1863, S. 3 f. Vgl. Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 24-28 und die Edition von Buch I sowie Auszüge aus Buch II in den Anmerkungen bei Rockinger 1863, S. 9-28.

IV. 1. Der Tractatus de modo epistolandi

163

erweitert seine Rationes z.B. um Erläuterungen zu den drei Genera des Stils, die auf der Rhetorica ad Herennium fußen, und zur Ausdrucksvariation, die Übereinstimmungen mit dem Breviarium Alberichs aufweisen. Die Summa ist zusammen mit anderen Traktaten zur Ars dictaminis überliefert, deren Zahl in den einzelnen Handschriften variiert. Zudem ist nicht geklärt, ob diese Abhandlungen, zu denen eine Exordiensammlung, eine Figurenlehre, zwei Traktate zur Metrik, eine Urkundenlehre, eine Rhythmik und eine Briefsammlung mit 16 Mustern gehören, von Magister Bernardus selbst stammen. Bei vielen späteren Artes dictandi des 13. Jahrhunderts zeigen sich Verbindungen zu Bernardus' Summa dictaminium}9 Bereits um die Mitte des 12. Jahrhunderts wurden die Ars dictandi-Traktate auch in Frankreich und Deutschland bekannt. In Frankreich entwickelten sich bedeutende Zentren der Briefkunst in Tours und Orleans. Im deutschsprachigen Raum kopierte man zunächst die Abhandlungen italienischer Autoren, dann wurden die Eigennamen in den Mustern durch einheimische Namen ersetzt, und schließlich entstanden selbständige Traktate.20 So verfaßte Baldwin von Viktring, Mönch, später Abt im dortigen Zisterzienserkloster, zwischen 1160 und 1194 den Liber dictaminum, eine ausschließlich für Geistliche konzipierte Brieflehre, die sich an der Summa dictaminium von Magister Bernardus orientiert. Neben vielen Bibelzitaten werden auch Sallust, Cicero und Horaz als Muster herangezogen.21 Die Halberstädter Ars dictandi kann ebenso als Beispiel einer selbständigen Aneignung dieser Kunst herangezogen werden. Sie entstand um 1193/94 im Bistum Halberstadt und wurde vom anonymen Verfasser als Libellus introductorius in usum dictandi bezeichnet. Bei dem Werk handelt es sich um ein praxisbezogenes Einfuhrungsbuch in die Brief- und Urkundenlehre mit verschiedenen Urkundenmustern, in denen die Ausrichtung auf eine bischöfliche Kanzlei deutlich wird. Die Exordienmuster sind aus dem zweiten Buch der Rationes dictandi des Magister Bernandus und der Abschnitt über stilistische Variation aus dem Breviarium Alberichs von Montecassino übernommen.22 Im 13. Jahrhundert sind - um einige wichtige Vertreter dieser Textsorte exemplarisch zu nennen - neben den Schriften Boncompagnus' aus Signa bei Florenz (um 1170-1240) vor allem die Abhandlungen des Bolognesers Guido Faba (ca. 1190-1245) von zentraler Bedeutung. Nach der handschriftlichen Überlieferung ist Guido einer der erfolgreichsten Autoren der Ars dictaminis des Mittelalters. Der Magister, Notar und Sekretär verfaßte etwa 18 Traktate und kleinere Abhandlungen mit Mustern für Reden, Briefe und Urkunden. Zu

19 20 21 22

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 28-37. Schaller 1980, Sp. 1035 f. Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 21-23. Worstbrock/Klaes/Lütten 1992, S. 136 f.

164

IV. Der nichtlexikographische Teil des Kompendiums

seinen Hauptwerken zählen die Summa dictandi und die Dictamina rhetorical Von Guido Faba sind die ersten in der italienischen Volkssprache abgefaßten Briefmustersammlungen überliefert.24 Danach zählten die ganz auf den praktischen Gebrauch ausgerichteten Handbücher Laurentius' von Aquileja und seines Schülers Johannes Bondi von Aquileja zu den weitverbreitetsten Schriften der Ars dictaminis.25 Laurentius war von 1269 bis 1304 Kanoniker von Aquileja, zudem Rhetoriklehrer an der Universität Bologna und verfaßte sieben Werke zur Brief- und Redekunst sowie eine Briefsammlung, die in mindestens 90 Handschriften überliefert sind, und von denen seine Practica dictaminis und einige Briefe gedruckt wurden.26 Von Johannes Bondi stammen die Flores regularum artis dictaminis und die Lucerna dictaminis super formis diversimode variandis, fur die er Werke seines Lehrers Laurentius als Quelle herangezogen hat. Johannes' Practica sive usus dictaminis ist übersichtlich in Tabellenform angelegt.27 Die Geschichte und weitere Entwicklung der Ars dictaminis im 14. und 15. Jahrhundert sowie die Entstehung humanistischer Briefsteller sind noch kaum untersucht und die Verhältnisse der verfaßten Schriften zueinander unklar. Die Brieftheorie ist weit weniger entwickelt als die Briefpraxis der Humanisten.28 Die Humanisten schrieben ihre Briefe, häufig kunstvolle, literarische Produkte, meist mit dem Gedanken an ein Lesepublikum und somit an eine spätere Veröffentlichung. Private Mitteilungen treten in den Hintergrund, es überwiegt der Austausch politischer Neuigkeiten, gelehrter Erfahrungen und philosophischer Belehrungen, dem durch die Form des Briefs eine persönliche Note gegeben wird. Briefe sind eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Quelle humanistischen Gedankenguts. Viele Humanisten wie z.B. Leonardo Bruni, Poggio Bracciolini oder Enea Silvio Piccolomini sammelten und überarbeiteten ihre Briefe, um sie später zu veröffentlichen.29 Lateinische Briefsteller

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24

25 26 27 28 29

Bei dem in Bracks Handschrift mit Summa Guidonis bezeichneten Werk handelt es sich wahrscheinlich um die Summa dictandi Guido Fabas, so daß davon ausgegangen werden kann, daß Brack dieser Briefsteller bekannt war. Vgl. Nr. 5 im Anhang zu Kapitel I. 2., fol. 76r. Vgl. Rockinger 1863, S. 175-184 und dort die Edition der Doctrina ad inveniendas incipiendas et formandas materias et ad ea quae circa huiusmodi requiruntur und des Schlusses der Summa dictandi S. 185-200; Schaller 1980, Sp. 1036; Schaller 1989, Sp. 1775 f. Vgl. Rockinger 1864, S. 951; Schaller 1980, Sp. 1037 f. Vgl. Schaller 1991b, Sp. 1759 f. Die Ars dictaminis des Laurentius von Aquileja ist auch in einer der Handschriften Bracks überliefert, vgl. Nr. 5 im Anhang zu Kapitel I. 2., fol. 8 lr. Vgl. Rockinger 1864, S. 949-955, Edition der ersten vier Tafeln: S. 956-965; Schaller 1991a, Sp. 558. Vgl. Worstbrock 1981, S. 195; Harth 1983, S. 83. Vgl. Mout 1998, S. 354. Vgl. auch die Edition der Briefsammlung des Gasparinus Barzizza in Bertalot 1975. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts treten humanistische Briefsammlungen und Briefmuster zusammen mit herkömmlichen Schultexten in Schulhandschriften des deutschsprachigen Raums auf (vgl. Henkel 1988, S. 22-26).

IV. 1. Der Tractatus de modo

epistolandi

165

wurden beispielsweise von den Humanisten Lorenzo Valla, Niccolö Perotti, Francesco Nigri und Erasmus von Rotterdam verfaßt. Die humanistischen Traktate zur Brieflehre unterscheiden sich hinsichtlich ihres formalen Aufbaus kaum von ihren mittelalterlichen Vorläufern, wobei jedoch bei der Wahl des Titels bewußt auf die mittelalterlichen Termini Ars dictandi, dictamen und dictare verzichtet wird.30 Lorenzo Vallas Libellus de conficiendis epistolis beginnt mit einer Definition des Briefs, handelt dann von den fünf Briefteilen, denen praktische Hinweise zur äußeren Form des Briefs und zur Anwendung des römischen Kalenders folgen. Die Abhandlung endet mit sprachlichen und stilistischen Anweisungen.31 Niccolö Perotti erörtert in seinem Modus epistolandi zuerst den Zweck des Verfassens von Briefen, gibt dann eine Briefdefinition und beschreibt unterschiedliche Briefarten. Er betont die Zugehörigkeit der Brieflehre zum Lateinunterricht, wobei seine Erläuterungen verschiedener brieflicher Formulierungen der Erörterung allgmeiner Fragen der Grammatik und Semantik dienen.32 Francesco Nigri beschreibt in seinem Briefsteller Wesen und Funktion des Briefs, daran schließt eine Liste von zwanzig Briefarten mit praktischen Beispielen an.33 Erasmus von Rotterdam verfaßte mit De conscribendis epistolis die inhaltsreichste theoretische Schrift zum humanistischen Brief. Der erste Teil enthält allgemeine Überlegungen zu Form und Funktion des Briefs, in denen er die zeitgenössischen Briefsteller kritisch beurteilt. Im zweiten Teil gibt Erasmus eine Briefklassifikation, in der die umfangreiche Anzahl möglicher Briefarten auf die drei antiken rhetorischen Genera zurückgeführt werden: Genus suasorium, encomiasticum und iudicale. Hiervon hebt Erasmus das Genus familiare als gesonderte Gattung ab, zu der die verschiedenen Formen des Privatbriefs gehören.34 Während sich die humanistischen von den mittelalterlichen Brieflehren formal kaum unterscheiden, wird bei einer inhaltlichen Untersuchung ihre Verschiedenheit deutlich. Hinsichtlich der Briefdefinition steht bei den mittelalterlichen Artes dictandi der sprachlich angemessene Ausdruck des Absenders in einem einwandfreien, mustergültigen Prosatext im Mittelpunkt. Dagegen beziehen sich die Humanisten in ihrer Definition des Briefs nicht auf mittelalterliche Vorbilder sondern auf Cicero, der die Mitteilung von Nachrichten an einen abwesenden Freund als die ursprünglichste Form des Briefes auffaßt. Diese Definition des Briefs als sermo amicorum absentium im 2. Buch der Epistolae ad familiares wird von den Humanisten in ihren Brieflehren zum

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Vgl. Schaller 1980, Sp. 1038; Worstbrock 1981, Anm. 2. Vgl. Harth 1983, S. 86; Garin 1962, Bd. II, S. 97-115 (Nachdruck der Ausgabe Venedig 1503). Vgl. Harth 1983, S. 86 f. Vgl. Harth 1983, S. 87. Vgl. Harth 1983, S. 87, 94 f.

166

IV. Der nichtlexikographische Teil des Kompendiums

Teil wörtlich übernommen,35 womit der Brief als eine dialogische Gattung begriffen wird.36 Hinsichtlich der Anrede des Adressaten fordern die Humanisten die Aufgabe der Verwendung des Majestätsplurals, der in den mittelalterlichen Artes dictandi vorgeschrieben wird. Diese Forderung entspricht jedoch nicht der tatsächlichen Briefpraxis der Humanisten, denn es zeigt sich, daß in den Originalfassungen der Briefe an den in den Traktaten kritisierten mittelalterlichen Konventionen festgehalten wird, während der Majestätsplural in den veröffentlichten Fassungen der Briefe getilgt ist.37 Uneinigkeit herrscht in den humanistischen Briefstellern sowohl bezüglich thematischer als auch stilistischer Normvorstellungen. Lorenzo Valla fordert einen einfachen, schlichten Stil und ordnet den Brief dem Genus attenuatum zu. Der Brief dürfe weder stilistisch noch thematisch das Niveau eines gebildeten Gesprächs überschreiten.38 Niccolö Perotti ordnet den Brief in das System der Genera dicendi des hohen, mittleren und niedrigen Stils ein, wobei er das Stilniveau des Briefs insgesamt eine Stufe unterhalb der Rede ansetzt.39 Erasmus dagegen lehnt sowohl die Zuordnung des Briefs zum Genus attenuatum als auch seine Einordnung in das System der rhetorischen Genera ab. Er hebt die Individualität des Adressaten hervor, die das Vorschreiben einer bestimmten Stilhöhe untersage. Zudem wendet sich Erasmus gegen die Beschränkung auf bestimmte Themen und verlangt, daß der jeweilige Gegenstand den stilistischen Ausdruck bestimmt. Der Brief habe sich somit dem Thema, der Persönlichkeit des Adressaten und den Absichten des Absenders anzupassen.40 Für die Humanisten wird der dialogische Bezug auf ein persönliches Gegenüber zum grundlegenden Merkmal der literarischen Gattung Brief. Der Freundschaftsbrief dient in einigen Briefstellern des 15. Jahrhunderts der Entwicklung eines Stilideals, des sogenannten familiariter scribere, das die Behandlung anspruchsvoller Themen auf eine leichte, anschauliche Weise, den geschickten Wechsel von Themen und Formen (Variatio), eine ungekünstelte Sprache, Humor, Heiterkeit und die Vermeidung stilistischer Nachlässigkeit fordert. Es soll ein Ausgleich „zwischen Leichtigkeit und Nichtigkeit, zwischen Urbanitas und Scurrilitas" geschaffen werden.41 Dieses Stilideal wird

35 36

37 38 39 40 41

Vgl. zu Lorenzo Valla den Nachdruck in Garin 1962, Bd. II, S. 98. Vgl. Harth 1983, S. 87 f.; Cicero: Epistulae adfamiliares II, 4, 1: „Epistularum genera multa esse non ignoras, sed unum illud certissimum, cuius causa inventa res ipsa est, ut certiores faceremus absentis, si quid esset quod eos scire aut nostra aut ipsorum interesset." Ein Codex mit Ciceros Briefen an Atticus wurde um 1345 von Francesco Petrarca in Verona entdeckt (vgl. Fuhrmann 2001, S. 68). Vgl. Harth 1983, S. 93. Vgl. Harth 1983, S. 90; Garin 1962, Bd. II, S. 97 f. Vgl. Harth 1983, S. 90. Vgl. Harth 1983, S. 91; Worstbrock 1981, S. 197 f. Vgl. Harth 1983, S. 95 f.

IV. 1. Der Tractatus de modo

epistolandi

167

beispielsweise von Poggio Bracciolini in seinem berühmten Brief an Niccolö Niccoli über die Bäder von Baden im Aargau (1416) erreicht.42

IV. 1.2. Wenzeslaus Bracks Brieflehre Bracks Tractatus de modo epistolandi (45ra-62va) beginnt mit einem Brief an seinen Freund Johannes Lantz, Propst in Hofen (45ra): Wenceslaus Brack ioanni lantz proposito in hoffen, viro inquam celebri et humanissimo. suo omnium primario Salutem plurimam dicit. Daran schließt eine grammatischstilistische Bedeutungslehre an (45rb-51rb), in der überwiegend nach dem Schema χ pro y, z.B. Prouincia pro curatio, Prouincia ,in der Bedeutung von' curatio, unterschiedliche Wortbedeutungen erläutert werden. Begonnen wird mit Adjektiven und Substantiven, dann folgen Verben (ab 46rb), Adverbien (48vb-51ra) und einige Konjunktionen (51ra). Den größten Abschnitt beansprucht die Erklärung einzelner Bedeutungen von Verben und Adverbien. Es werden Bedeutungsunterschiede angesprochen, z.B. Dimidiatum a dimidio differtplurimum (47vb), oder das Wort erhält eine stilistische Bewertung, z.B. Obseruo elegantissimum verbum est (47vb). Die Bedeutungsvarianten werden durch Zitate klassischer und mittelalterlicher Autoren veranschaulicht. Meist wird das Werk angegeben, zum Teil auch das Buch oder die genaue Stelle, woher das Zitat stammt. Am häufigsten werden Terenz (ca. 80mal) und Vergil (über 70mal) sowie die entsprechenden Kommentare von Donat (ca. 30mal) und Servius (etwa 15mal) zitiert. Genannt werden auch die Elegantiae linguae Latinae Lorenzo Vallas (12mal), Plautus (7mal), Horaz (2mal) sowie jeweils einmal Priscian, Lucan und Nonius Marcellus. Neu in diesem vierten Abschnitt von Bracks Kompendium sind, hinsichtlich der in den Vokabularien nicht zitierten Autoren, Zitate aus verschiedenen Werken Ciceros (ca. 40), aus Sallusts Coniuratio Catilinae und Bellum Iugurthinum (insgesamt 10), Quintilians Institutio oratoria (5) und aus den Noctes Atticae von Aulus Gellius (6). Zitiert wird aus Ciceros philosophischen Werken (ca. 20mal) De officiis, De re publica, Cato maior, Paradoxa Stoicorum, De natura deorum, Tusculanae disputationes und Laelius de amicitia sowie aus den rhetorischen Schriften (4mal) In Verrem, In Catilinam und Pro Milone, aber auch aus Ciceros Briefen an Familienmitglieder, Freunde, Bekannte und Politiker (15mal). In den Textverweisen und Anwendungsbeispielen bezieht Brack in seiner Brieflehre somit auch rhetorische Werke und Briefe humanistischer Vorbilder wie Quintilian und Cicero mit ein.

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Vgl. Mout 1998, S. 247 ff. Poggio Bracciolini entdeckte auf einer seiner Bibliotheksreisen während des Konstanzer Konzils (1414-1418) in St. Gallen unter anderem einen vollständigen Text der Institutio oratoria Quintilians (vgl. Fuhrmann 2001, S. 30, 32).

168

IV. Der nichtlexikographische Teil des Kompendiums

Nach dieser allgemeinen grammatisch-stilistischen Einfuhrung folgt eine Anleitung zum Verfassen von Briefen (Precepta in scribendis epistolis seruanda, 51rb-51vb). Hier werden, wie schon in den ersten bekannten Artes dictandi, ein niedriger, mittlerer und hoher Stil entsprechend dem sozialen Status des Adressaten in der Gesellschaft gefordert. Hinsichtlich der Wortwahl merkt Brack beispielsweise an, daß Wortwiederholungen oder griechische Wörter möglichst vermieden werden sollten und fordert Kürze und Klarheit für Aufbau und Inhalt des Briefs. Der nächste Abschnitt widmet sich der Zeichensetzung (De punctis und der Anfang des Kapitels Figure talium punctorum, 51vb-52ra), in dem, neben den schon in den Arles dictandi wichtigen coma, cola und periodus, auch suspensio, virgula, semipunctus, geminuspunctus, interrogativus und parenthesis erklärt werden. Ein Anwendungsbeispiel zur Zeichensetzung richtet sich an die Konstanzer Schüler. Unter Berufung auf Cicero werden zwei Arten von Briefen unterschieden: duo esse epistolarum genera. [...] vnum familiare et iocosum. Alterum seuerum et grauet Im Anschluß daran gibt Brack die Definition des Briefs nach Cicero als sermo amicorum absentium, indem er wie in den Briefstellern der Humanisten die entsprechende Stelle aus dem 2. Buch der Epistolae adfamiliares fast wörtlich übernimmt (52ra).44 Es folgt eine Aufzählung verschiedener Briefarten: Sunt enim epistole alie consolatorie. alie preceptorie. alie iocose. alie commendaticie. alie hortatorie. alie amatorie (52rab). Brack wendet sich nun der Begrüßung am Briefanfang zu und erläutert die angemessene Anrede hochgestellter Persönlichkeiten. Als Beispiele werden Papst Sixtus IV. (1471-1484) und der Konstanzer Bischof Otto von Sonnenberg (1474-1491) genannt.45 Für die Anrede im Brief empfiehlt Brack die Anrede mit ,Du' für Niedriger- und Gleichgestellte sowie den Majestätsplural für Höhergestellte und erklärt dies scherzhaft an einer Ausnahme dieser Regel: pater noster qui estis in celis ha ha (52rb). Im nächsten Abschnitt beschreibt Brack die Anwendung des römischen Kalenders, der zur Datierung am Ende des Briefs beherrscht werden muß (52va-53va). Erläutert werden die Einteilung des Jahres in 12 Monate, die Unterteilung der Monate in Nonae, Idus und Kalendae, die am Beispiel des Januars exemplarisch vorgeführt wird. Im Anschluß daran greift Brack das Thema der angemessenen Begrüßung erneut auf (53vab). In den folgenden Kapiteln werden verschiedene Möglichkeiten, dem Gefühl sprachlich Ausdruck zu verleihen und Situationen zu schildern, vorgeführt (54ra-55va). Thematisiert

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44 45

Vgl. dazu die Briefsammlung Poggio Bracciolinis, dessen Briefe sich in zwei Gruppen einteilen lassen: einerseits belehrende, ermahnende Briefe, zum anderen erzählende, novellistische Briefe und humorvolle Freundschaftsbriefe (Epistolae iocosae). Vgl. Harth 1983, S. 96 f. Vgl. Cicero: Epistulae ad familiares II, 4, 1, hier Anm. 36. Zum Bischofs- bzw. Bistumsstreit zwischen Graf Otto IV. von Sonnenberg und seinem Rivalen Ludwig von Freiberg um das Konstanzer Bischofsamt vgl. Kramml 1985, S. 223-231; Maurer 1989, S. 138-141, 164.

IV. 1. Der Tractatus de modo

epistolandi

169

wird z.B. der Ausdruck von Liebe, Glück, Freude, Rührung, Traurigkeit und Zorn, aber auch die Bitte um Geheimhaltung, die Schilderung von Krankheiten und vom Tod sowie die Beschreibung schöner Landschaften, ungünstig gelegener Orte und des Studiums. In diesem Abschnitt findet sich die erste volkssprachige Formulierung mir gan all ding nach willen als Übersetzung von Ad vota michi secundant singula, die durch vulgare huius postremi est eingeleitet wird (54va). Es folgt eine Anleitung zum Verfassen von Bittbriefen (Petitionis precepta, 55vab), die die zweite und letzte volkssprachige Äußerung in der Brieflehre enthält: wilt du habe(n) mit forcht ma(n)tel vn(d) rock, so wirst mit eine(n) par hosen • ehe du ler weg gast, zuofriden vnd co(n)tentiret (55va). Es schließen zahlreiche Musterbriefe mit Wenzeslaus Brack als Absender an (56ra-58ra). Der Beginn der Briefe erfolgt stets nach dem gleichen Schema: Name des Absenders, dann Name des Adressaten mit dessen Amts- und Würdenbezeichnung, gefolgt von der Formel Salutem plurimam dicit.A6 Adressiert sind diese Bittbriefe z.B. an seinen Freund Johannes Lantz, Propst in Hofen (Petitio ad amicum pro studii emolimento), an seinen Vater Martin Brack (Petitio ßlii ad patrem pro studii suffragio), seine Mutter Cecilia Brack (Petitio filij ad matrem. vt pro filio aput durum patrem intercedat), außerdem an Hieronymus von Croaria (Bild 5),47 Heinrich Fischer, Kanoniker von St. Johann in Konstanz, Werner Würster und an Johannes Sattler, Domherr in Konstanz und Großonkel des Hieronymus von Croaria.48 Auf diese Briefbeispiele folgt eine Anleitung zum Verfassen von Trostbriefen (Est aliud genus epistolare. consolatorium, 58rab), an die sich Musterbriefe an Martin Grülich und Christoph Pfluoger, Prior in Wettingen, anschließen. Das Verfassen von offiziellen Schreiben wird im Anschluß daran anhand von Mustern an Papst Sixtus IV. und an Kaiser Friedrich III. eingeübt (59rab). Es folgt eine Anleitung zum Verfassen von Dankschreiben (Sunt etiam epistole quedam gratiarum relatorie, 59va). Die Musterbriefe hierzu sind an Christoph Pfluoger, Johannes Lantz und an Klostergemeinschaften adressiert. Den Abschluß der Brieflehre bildet ein umfangreicher Brief von Wenzeslaus Brack an Johannes Lantz vom 4. September 1483 (Familiarissima epistola de felici economiapro-

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Diese Form des Briefbeginns findet sich z.B. auch in Briefen Ciceros, Lorenzo Vallas oder Gasparinus Barzizzas. Vgl. Vallas Epistolarumfamiliarum in Garin 1962, Bd. II, S. 115-129; Bertalot 1975, S. 58-101. Hieronymus von Croaria war 1476 an der Universität Basel immatrikuliert und erwarb vermutlich an einer italienischen Universität den Doktor für geistliches und weltliches Recht. Seit 1486 war er Professor für weltliches Recht an der Universität Tübingen, an der er 1492 und 1496 das Amt des Rektors bekleidete. 1497 lehrte Hieronymus Kirchenrecht an der Universität Ingolstadt. Drei Jahre später gab Hieronymus von Croaria als erster Akten und Beschlüsse des Konstanzer Konzils heraus, die 1500 in Hagenau gedruckt wurden. Er verstarb 1527. Vgl. Maurer 1989, S. 123-125. Zu Johannes Sattler vgl. Maurer 1989, S. 123 f.; Maurer 1981, S. 288.

170

IV. Der nichtlexikographische Teil des Kompendiums

positi in hoffen, 60rb-62rb), in dem Szenen aus dem Landleben geschildert werden,49 sowie ein kurzer Nachtrag vom 12. September 1483 (62va).

Bild 5: Hieronymus von Croaria

Bei der Wahl des Titels Tractatus de modo epistolandi verzichtet Brack auf die bei den Humanisten verpönten mittelalterlichen Bezeichnungen Ars dictandi und dictamen. Während in den mittelalterlichen Artes dictandi die Beachtung der sozialen Stellung in den Eingangs- und Schlußformeln der Briefe durch Nennung des Adressaten mit Amts- und Würdentiteln vor dem Namen des Absenders gefordert wird,50 nennt sich Brack im Gegensatz dazu selbst stets zuerst. Ausnahmen bilden die Musterbriefe an Kaiser Friedrich III., Papst Sixtus IV. und Bischof Otto von Sonnenberg, für die er entsprechend der mittelalterlichen Konvention den Majestätsplural verwendet. Bemerkenswert in Bracks Brieflehre ist vor allem seine Definition des Briefs, die wie bei den Humanisten unter Berufung auf Cicero erfolgt. Die Inhalte der wohl fingierten Briefe zielen bei Brack vor allem auf private Korrespondenz mit Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten. Nur wenige Musterbriefe sind an offizielle

49 50

Vgl. Joachimsohn 1896, S. 73 und Anm. 2. Vgl. Harth 1983, S. 92.

IV. 2. Das Didascalicon

Hugos von St. Viktor

171

Personen wie den Papst oder Kaiser gerichtet. Die Themen der Briefe sind nicht neu, z.B. findet sich eine Bitte um finanzielle Unterstützung für das Studium, wie sie von Brack in dem Brief an seinen Vater formuliert wird (56rb56va), bereits bei Adalbertus Samaritanus.51 Neu ist wohl die Forderung nach der Datierung am Schluß des Briefs und der in diesem Zusammenhang erläuterte Kalender, der zudem in anderer Form auch in der Brieflehre Lorenzo Vallas enthalten ist. Besonders die stilistische Orientierung an rhetorischen Schriften Ciceros und Quintilians sowie die Wahl des ciceronianischen Briefstils als Vorbild verleihen Bracks Briefsteller einen humanistischen Anstrich. Insgesamt handelt es sich bei seiner Brieflehre um einen reinen Schultext, der eigens zu didaktischen Zwecken verfaßt wurde und künftigen Geistlichen und Beamten eine Einführung in das Verfassen von privaten und offiziellen Briefen bietet.52 Der Tractatus de modo epistolandi bereitet zudem auch auf ein Universitätsstudium vor, denn z.B. wurde den Studenten der Universität Leipzig im Wintersemester 1483 im Baccalaureatsexamen die Aufgabe gestellt, einen Brief zu formulieren: Dictamen socii ad socium, universale Studium

visitetP

IV. 2. Das Didascalicon Hugos von St. Viktor Den Abschluß des fünfteiligen Kompendiums von Wenzeslaus Brack (63ra95vb) bildet das Didascalicon de studio legendi des Hugo von St. Viktor (um 1095-1141).54 Hugo stammt vermutlich aus Sachsen, hat einige Zeit im flandrisch-lothringischen Raum verbracht und kam um 1113/14 in die Augustinerchorherrenabtei St. Viktor bei Paris, wo er als Probst und Lehrer bezeugt ist.55 Das Didascalicon wurde von Hugo etwa Mitte der 20er Jahre des 12. Jahrhunderts verfaßt und enthält eine Studieneinführung in Philosophie und Theologie,

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55

Vgl. Schmale 1961, S. 66-68. Vgl. auch die Bezeichnung der verschiedenen Briefe im Kapitel 87 des Vocabularius rerum (87.27-87.45). Vgl. Grubmüller 1983, S. 376 f. Der Text des Didascalicon in Bracks Kompendium stimmt überwiegend mit der Edition von Offergeid 1997 überein. Unterschiede bestehen - abgesehen von verschiedenen Graphien lediglich darin, daß im Baseler Druck die Überschriften De origine artium des Kapitels I, 1 (63va) sowie De historia von Abschnitt VI, 3 (90ra) fehlen. Hinzu kommt, daß im Baseler Druck einige Zwischenüberschriften eingefugt wurden, die sich in Offergeids Edition nicht finden, z.B. epilogusprescriptorum nach Kapitel I, 11 (67rb; Offergeid 1997, S. 152, 9), Nota de inuentoribus singularum artium und vnde inicium litterarum hebreorum als Unterkapitel zu III, 2 (74rb; Offergeid 1997, S. 220, 20 und 74vb; Offergeid 1997, S. 224, 16) sowie De coherentia artium zu III, 4 (75vb; Offergeid 1997, S. 234, 16). Das Kapitel IV, 2 De ordine et numero librorum der Edition ist im Baseler Druck in zwei Abschnitte eingeteilt: De triplici ordine veteri testamenti und De triplici ordine noui testamenti (80rb, 80va). Vgl. Ehlers 1991, Sp. 177 f.; Ruh 1983, Sp. 282; Offergeid 1997, S. 34 f.

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IV. Der nichtlexikographische Teil des Kompendiums

eine Wissenschaftslehre, die methodische Anleitungen zur Vorgehensweise beim Studium gibt. Das Werk besteht aus sechs Büchern, stellt eine Art Gesamtlehrplan für Hugos Unterricht in St. Viktor dar und informiert darüber, welche Werke man wie und in welcher Reihenfolge lesen sollte.56 Das Didascalicon ist in etwa 125 Handschriften überliefert und wurde um 1470/73 erstmals in Straßburg gedruckt.57 Im Vorwort gliedert Hugo das Didascalicon in zwei Teile: die ersten drei Bücher behandeln das Lesen von weltlichen Schriften, die letzten drei widmen sich dem Studium der geistlichen Schriften, hauptsächlich der Bibel. Das erste Buch thematisiert den Ursprung sowie die Definition, Einteilung und Zweckbestimmung der Philosophie. Im II. Buch wird die Einteilung der Wissenschaften dargestellt und eine Einfuhrung in 21 Disziplinen gegeben. Hugo gliedert die Philosophie in die vier Teilbereiche Theorik, Praktik, Mechanik und Logik, die ihrerseits verschiedene Disziplinen umfassen. Die Theorik besteht aus Theologie, Mathematik und Physik, wobei Mathematik in die traditionellen Quadriviumsdisziplinen Arithmetik, Musik, Geometrie und Astronomie unterteilt wird. Die Praktik umfaßt Ethik, Ökonomik und Politik. Die Mechanik besteht aus sieben Disziplinen, die sich nach dem Vorbild der Artes liberales in eine Dreier- und eine Vierergruppe teilen: Weberei, Schmiedekunst, Schiffahrt sowie Landwirtschaft, Jagd, Medizin, Theatertechnik. Die Logik ihrerseits umfaßt Grammatik und Argumentationslehre, wobei letztere wiederum in Beweisführung, Dialektik und Rhetorik sowie Sophistik unterteilt wird. Im III. Buch werden die Begründer der einzelnen Wissenschaften aufgelistet und die Diziplinen der Artes liberales hervorgehoben. Hugo betont zudem drei Voraussetzungen, die für ein erfolgreiches Studium unbedingt notwendig sind: natürliche Begabung (natura), die aus Lesen und Meditation besteht, Übung (exercicium) und sittliche Disziplin (disciplina). Das IV. Buch wendet sich dem Studium der heiligen Schriften zu, worunter Hugo nicht nur die Bibel, sondern auch die Dekretalen sowie die Werke der Kirchenväter versteht, die er als dritten Teil zum Neuen Testament rechnet, in Analogie zu der Dreiteilung von Gesetz, Propheten und Hagiographen im Alten Testament. Buch IV enthält zudem eine Liste von Namen- und Begriffserklärungen, oft mit etymologischen Erläuterungen, in der unter anderem die Namen der biblischen Bücher, ihre Autoren sowie Übersetzer und Wörter, wie z.B. Apokryphen, Bibliothek, Kanontafeln oder Synode, erklärt werden. Im V. Buch beschäftigt sich Hugo mit methodischen Verfahren, mit deren Hilfe man zum Verständnis der Bibel gelangen kann. Er erläutert die Unterscheidung von historischem, allegorischem und tropologischem Wortsinn und stellt die sieben

56 57

Vgl. Offergeid 1997, S. 40 f. Vgl. Goy 1976, S. 14 ff.; Offergeid 1997, S. 96, Anm. 183. Zu verschiedenen Titeln des Werks vgl. Goy 1976, S. 14.

IV. 2. Das

Didascalicon Hugos von

St. Viktor

173

hermeneutischen Regeln aus dem Lib er regularum des Tyconius (4. Jh.) vor. Das VI. Buch thematisiert die Reihenfolge, in der die Bücher der Heiligen Schrift zu lesen sind, und erklärt nochmals den dreifachen Schriftsinn.58 Als Quellen und Vorbilder dienten Hugo von St. Viktor vor allem Augustinus' De doctrina Christiana, Cassiodors Institutiones divinarum et saecularium lectionum, Isidors Etymologiae und Hrabanus Maurus' De institutione clericorum. Zitiert wird vor allem aus der Bibel, aus Schriften von Boethius, den Bibelkommentaren des Hieronymus sowie aus Werken klassischer Autoren.59 Hugos Einbeziehung der Artes mechanicae in die Philosophie ist als einer der bedeutendsten und zukunftsweisendsten Beiträge zur mittelalterlichen Wissenschaftstheorie zu werten. Die Einteilung der Mechanik in sieben Disziplinen wurde kanonbildend und hat bis über das 15. Jahrhundert hinaus Gültigkeit besessen.60 „Diese Aufwertung der traditionell geringgeachteten, den niederen Bevölkerungsschichten zugewiesenen handwerklichen Arbeit ist als der klarste Erweis seines neuen, alle Bereiche des menschlichen Daseins umfassenden Bildungsverständnisses zu sehen."61 Das in den Büchern I-III thematisierte philosophische Wissenssystem wird, wie das religiöse in den letzten drei Büchern des Didascalicon, als völlig eigenständig, in sich abgeschlossen und vollständig beschrieben. Hugo ordnet die Philosophie nicht dem Bibelstudium unter, und sie ist somit auch nicht Vorbedingung zum Verständnis der Heiligen Schrift. Gemeinsamer Bezugspunkt beider Teile ist das methodische Vorgehen, das aus dem Studium der Philosophie übernommen und auf das Bibelstudium angewendet werden soll.62 Brack gibt seinen Schülern an der Konstanzer Domschule mit dem Didascalicon Hugos von St. Viktor eine Einführung in die Vorkenntnisse zu einem wissenschaftlichen Studium, die nicht nur die sieben Artes liberales sondern in Anlehnung an Aristoteles weitere Disziplinen einbezieht.

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Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Offergeid Offergeid Offergeid Offergeid Offergeid

1997, 1997, 1997, 1997, 1997,

S. S. S. S. S.

51 ff., 104 ff. 41 f., 48 ff. 46, 62 ff.; Meier 1995, S. 30. 46. 72 ff.

V. Zusammenfassung Das Kompendium von Wenzeslaus Brack bietet in seiner spezifischen Komposition ein Werk, das im Spätmittelalter einmalig ist. Mit den drei lateinischdeutschen Vokabularien, die Nomina und Verben behandeln, einer Brieflehre, in der Syntax thematisiert wird, und dem Didascalicon Hugos von St. Viktor, das eine Anleitung zum Lesen, Lernen und Studieren enthält, stellte Wenzeslaus Brack für seine Schüler an der Konstanzer Domschule ein Lehrbuch zusammen, das Grundlagenwissen für ein Universitätsstudium vermittelt. Der Verfasser Wenzeslaus Brack stammt aus Sachsen und siedelte schon früh zur Fortsetzung seines Studiums in das dem Humanismus aufgeschlossene Basel über. Frühhumanistische Einflüsse seiner Umgebung zeigen sich auch in Bracks Werk. Nach dem Druck des Kompendiums und einer lateinischen Grammatik verlieren sich Bracks Spuren. Wenzeslaus Brack begegnet als historische Persönlichkeit erst wieder als Leibarzt des Habsburger Kaisers Friedrich III., später des Salzburger Erzbischofs Leonhard von Keutschach. Nach Bracks Tod 1495 werden von seiner Frau 276 Bände aus der privaten Bibliothek Wenzeslaus Bracks dem Kloster Weißenau bei Ravensburg geschenkt. Einige dieser Handschriften konnten in verschiedenen Bibliotheken Europas ausfindig gemacht werden. Das gesamte Kompendium wird in drei Auflagen im oberdeutschen Raum gedruckt. Die ebenfalls im oberdeutschen Gebiet entstandene Donaueschinger Handschrift 56 enthält die drei Vokabularien. Der erste Abschnitt des Kompendiums, das Sachvokabular mit dem Titel Vocabularius rerum, wird in 13 weiteren Ausgaben im ober- und mitteldeutschen Sprachgebiet bis ins 16. Jahrhundert separat gedruckt. Im Unterschied dazu werden vergleichbare handschriftlich überlieferte Sachwörterbücher wie der Vocabularius optimus nur zweimal in Augsburg und der Lib er ordinis rerum gar nicht gedruckt. Der Vocabularius rerum Wenzeslaus Bracks wirkte darüber hinaus in Form von Auszügen, die als Appendix in anderen Wörterbüchern erscheinen, bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Zu diesen Wörterbüchern gehört der Elucidarius carminum et historiarum vel Vocabularius poeticus von Hermann Torrentinus, von dem einige überprüfte Ausgaben die letzten sieben Kapitel des Vocabularius rerum als Anhang aufweisen. Die drei Vokabularien Bracks stellen mit insgesamt etwa 5000 Stichwörtern ein Wörterbuch mittleren Umfangs dar. Der Liber ordinis rerum beinhaltet in seiner Langfassung ca. 9500, in seiner Kurzfassung etwa 6000 Lemmata

V. Zusammenfassung

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und der Vocabularius optimus umfaßt in der Autorhandschrift ca. 3000 Stichwörter. Im Vocabularius rerum überwiegen in einigen Abschnitten lateinische etymologische und enzyklopädische Erläuterungen, deren Dominanz eigentlich für alphabetisch geordnete Wörterbücher charakteristisch ist. Der Anteil dieser Erklärungen ist im Isidor-Vokabular reduziert, so daß sich der lateinische Text auf kurze sprachliche Erläuterungen oder auf knappe Erklärungen der Bedeutung beschränkt. Im Verbvokabular, das vorwiegend aus lateinisch-deutschen Wortgleichungen besteht, sind lateinische Interpretamente schließlich auf ein Minimum beschränkt. Die Stichwörter erhalten insgesamt nur wenig grammatisch-morphologische Informationen, was Bracks Vokabularien z.B. von den Druckauflagen des Vocabularius optimus unterscheidet, in denen jedem Stichwort in Form von Siglen Angaben zu Wortart und Flexionsklasse vorangestellt sind. Entsprechende Grundkenntnisse der lateinischen Sprache werden von Brack somit entweder vorausgesetzt oder mündlich im Unterricht vermittelt. Die drei Vokabularien sind hinsichtlich ihres Anspruchsniveaus als Schulwörterbücher für den fortgeschrittenen Unterricht an einer auf ein Universitätsstudium vorbereitenden Lateinschule einzustufen. Die volkssprachigen Übersetzungen dienen wie in allen zweisprachigen Vokabularien des Spätmittelalters der Vermittlung von Lateinkenntnissen und erfüllen keine auf das Deutsche bezogene zielsprachliche Funktion. Durch den Kanon an Sachbereichen im Vocabularius rerum liegt auch ein bedeutendes kulturgeschichtliches Zeugnis vor, das Informationen über Lebensformen im 15. Jahrhundert, wie z.B. die Einrichtung von Wohnräumen, Bekleidungsarten oder Ernährungsgewohnheiten, enthält. In seinen Vokabularien leistet Wenzeslaus Brack durch die frühen Belege von brütgamßkamer, trubelsenijf und wynkündiger einen wichtigen Beitrag zur frühneuhochdeutschen Lexikographie, der in Konrad Kachelofens Leipziger Druck durch den sehr frühen Beleg von patin ergänzt wird. Bei den deutschen Interpretamenten legt Brack Wert sowohl auf regionale als auch auf überregionale Verständlichkeit. Landschaftlich nur begrenzt verbreiteten Übersetzungen werden Bezeichnungen hinzugefügt, die im gesamten deutschsprachigen Gebiet bekannt sind, und ebenso werden allgemein verständlichen Interpretamenten Bezeichnungen beigegeben, die im südwestdeutschen Raum heimisch sind. Bracks Übersetzungen stimmen überwiegend mit volkssprachigen Interpretamenten anderer spätmittelalterlicher Vokabularien überein, woran deutlich wird, daß zahlreiche Übersetzungsgleichungen fest im mittelalterlichen Schulbetrieb verankert sind, was auf die Unterrichtspraxis in den Lateinschulen zurückzuführen ist, denn dort war das Übersetzen lateinischer Texte eine wichtige Hilfe, um die Zielsprache Latein leichter zu erlernen. Diese Worterklärungen wurden durch Lehrer und Schüler auch in Form von in der oder für die Schule angefertigten Codizes weiträumig verbreitet. Mit den lateinischen Erläuterungen werden in den zweisprachigen Vokabularien Worterklärungen

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tradiert, die meist auf den großen lateinischen lexikographischen und grammatischen Standardwerken des Mittelalters, wie z.B. Papias' Elementarium doctrinae erudimentum oder dem Catholicon des Johannes Baibus von Genua, fußen. Durch die Untersuchung des Verhältnisses von lateinischem Lemma und frühneuhochdeutschem Interpretament im Hinblick auf die Übereinstimmung der Bedeutung anhand ausgewählter Wortgleichungen zeigte sich, daß zum einen möglicherweise mittelalterliche Bedeutungen antiker Wörter in den Wörterbüchern noch nicht erfaßt sind, daß aber zum anderen in der Vokabulartradition fest verwurzelte Vertauschungen griechischer und lateinischer Wörter übernommen wurden. Durch den Vergleich mit anderen Vokabularien des Spätmittelalters wie dem Vocabularius Ex quo, den Vokabularien von Fritsche Closener und Jakob Twinger, dem Uber ordinis rerum und dem Vocabularius optimus konnte festgestellt werden, daß manche Unstimmigkeiten der Wortgleichungen wohl Brack zuzuschreiben sind. Insgesamt bleibt der Wortschatz, wie auch die Form der Erläuterung, ganz im Bereich des allgemeinen Bildungswissens. Hinsichtlich seiner Quellen gibt Wenzeslaus Brack beim zweiten lexikographischen Abschnitt seines Kompendiums in der Überschrift an, daß es sich um ein Exzerpt aus dem alphabetisch geordneten X. Buch der Etymologiae Isidors von Sevilla handelt. Diese Angabe konnte aufgrund einer vergleichenden Überprüfung beider Texte bestätigt werden. Brack hat sich sowohl im Hinblick auf die alphabetische Ordnung als auch auf die Stichwortabfolge innerhalb der einzelnen Buchstaben streng an Isidors Buch De vocabulis gehalten. Beim dritten lexikographischen Abschnitt des Kompendiums handelt es sich um ein Exzerpt aus dem Verbteil des Vocabularius brevilogus, einem nach Wortarten und dann alphabetisch geordneten Schulwörterbuch, das auch dem Vocabularius Ex quo als Quelle diente. Der Vergleich der beiden Vokabularien miteinander ergab, daß Brack weniger als ein Viertel der Stichwörter aus dem umfangreichen Verbteil des Brevilogus für sein Verbar übernommen hat. Die Lemmata wurden bis auf wenige Ausnahmen der Reihe nach exzerpiert. Da die Druckfassungen des Vocabularius brevilogus keine volkssprachigen Interpretamente aufweisen, wurden zwei Münchener Handschriften im Hinblick auf den deutschen Wortschatz geprüft. Jedoch haben diese beiden Codizes Brack wohl nicht als Vorlage für seine Übersetzungen gedient. Für den Vocabularius rerum konnte mit den Etymologiae Isidors von Sevilla eine Hauptquelle festgestellt werden. Isidors Enzyklopädie diente Brack dazu, sein Sachvokabular in einigen Bereichen thematisch zu strukturieren, indem er sich hinsichtlich der Kapitel- und Stichwortabfolge oft an Isidors inhaltlichen Aufbau gehalten hat, so daß die Abfolge einer Anzahl von Kapiteln Bracks mit der Reihenfolge der entsprechenden Abschnitte in den Etymologiae übereinstimmt. Über 30 Kapitelüberschriften sowie zahlreiche etymologische Erklärungen wurden von Brack zum Teil in modifizierter Form übernommen. Bracks Vocabularius

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rerum weist aufgrund der gemeinsamen Quelle Isidor Übereinstimmungen mit dem Summarium Heinrici auf. Die Vermutung, daß Brack aus dem Vocabularius optimus geschöpft habe, konnte auf der Grundlage einer vergleichenden Überprüfung sowohl der Kapitel- und Stichwortabfolge als auch von Kapitelüberschriften und Wortgleichungen der beiden Augsburger Druckauflagen des Vocabularius optimus mit Bracks Vocabularius rerum zurückgewiesen werden. Nur hinsichtlich einiger kurzer Kapitelabschnitte kann angenommen werden, daß Brack den Vocabularius optimus gekannt hat, oder daß für beide Vokabularien die gleiche Quelle herangezogen wurde. Insgesamt ließen sich bei weitem mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten aufzeigen. Einfluß auf den Vocabularius rerum sowie auf das Isidor-Vokabular und das Verbar hat wohl auch die Schulliteratur des Spätmittelalters in Form von Grammatiken und Kommentaren zu römischen und griechischen Autoren gehabt. Brack zitiert z.B. aus Werken von Vergil, Terenz, Horaz oder Ovid, wobei jedoch anzunehmen ist, daß diese Belegzitate nicht primär aus den Texten der Schriftsteller exzerpiert wurden, sondern mittelbar aus Grammatiklehrbüchern, Kommentaren oder Zitatsammlungen stammen. Neben mittelalterlichen grammatischen Werken von Priscian und Alexander von Villa Dei nennt Brack auch Humanisten wie Lorenzo Valla, Giovanni Tortelli, Guarinus aus Verona und Gasparinus Barzizza, das einer neuen, aber durchaus zeitgemäßen Entwicklung entspricht. Auffällig ist, daß abgesehen von Boethius und knapp zehn Bibelzitaten aus dem Alten und Neuen Testament christliche Schriftsteller wie Prudentius, Sedulius oder Arator nicht genannt werden. Die Belegzitate klassischer lateinischer Autoren sowie humanistischer Grammatiklehrer und Pädagogen als Beispiele für die kontextuelle Verwendung der Stichwörter deuten die Lexikographie des 16. Jahrhunderts an und verweisen auf eine die veränderten Bildungsziele widerspiegelnde Komponente. So erfolgt die Aufnahme von Kontextbeispielen nicht nur sprachreglementierend, indem beispielhaft syntagmatische Bezüge hergestellt werden, sondern auch sprachlegitimierend, indem auf klassische und humanistische Autoritäten verwiesen wird. Im 16. Jahrhundert entstehen neue, mit humanistischem Anspruch verfaßte Wörterbücher, die auch für den Schulunterricht konzipiert sind, aber die Vermittlung der lateinischen Sprache orientiert sich jetzt am klassischen Latein antiker Autoren, deren primäre Lektüre im spätmittelalterlichen Unterricht weitgehend vernachlässigt wurde, und die nun als Vorbilder dienen sollen. Die Sprachausbildung zielte auf die Aneignung einer insbesondere an Cicero orientierten rhetorischen Kompetenz. Von dieser geforderten Norm ist Bracks Latein noch weit entfernt, und er ist selbst noch mit der spätmittelalterlichen Tradition verbunden, möchte sich aber durch die Nennung von Humanisten und durch die Zitate klassischer Autoren neuen humanistischen Bildungszielen anschließen. Abgesehen von diesen klassischen und humanistischen Autoren zitiert Brack auch aus der Historia naturalis von Plinius, aus mineralogischen

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Werken von Albertus Magnus, Evax und Avicenna, aus landwirtschaftlichen Schriften von Varro, Columella und Palladius sowie aus astronomischen Werken von Aristoteles. Die Zitate und Informationen wird Brack ebenfalls nicht primär aus den Quellentexten, sondern vermutlich aus mittelalterlichen Enzyklopädien übernommen haben, die das in einer Vielzahl von Büchern enthaltene Wissen über Botanik, Zoologie, Mineralogie, Geographie und Astronomie nach Sachbereichen geordnet überliefern. Die Sprache des volkssprachigen Wortschatzes der drei Vokabularien von Wenzeslaus Brack in der Erstausgabe, die 1483 bei Peter Kollicker in Basel erschien, und die im VI. Kapitel ediert ist, ist hinsichtlich Vokalismus und Konsonantismus der alemannischen Schreibsprache zuzuordnen, wobei jedoch auffällige Dialektismen vermieden werden. Einflüsse aus Bracks sächsischer Heimat konnten nicht aufgezeigt werden. Zu den alemannischen Besonderheiten gehören z.B. Rundungen von Vokalen oder Schreibungen von statt . Insgesamt fehlen sowohl im Vokalismus als auch im Konsonantismus des Baseler Drucks auffallige dialektale Eigenheiten, so daß von Verfasser und Drucker bzw. Setzer wohl eine möglichst weiträumige Verbreitung des Kompendiums angestrebt wurde. Hinsichtlich der geographischen Ausprägung des volkssprachigen Wortschatzes in Kollickers Erstausgabe konnte festgestellt werden, daß neben vorwiegend im gesamten hochdeutschen Raum geläufigen Wörtern eine Anzahl von Übersetzungen erscheint, deren räumliche Geltung zum einen auf das gesamte Oberdeutsche begrenzt ist, z.B. stupffei, schab, feyst, kruschpel, ieychen, rottling oder zaunschlupfflin, zum anderen auf das Alemannische eingeschränkt ist, wie z.B. kensterlin, gryen, zweyhen, ampel oder weynkouff. Da von Wenzeslaus Bracks Vocabularius rerum auch Auflagen außerhalb der westoberdeutschen Sprachlandschaft erschienen, konnte untersucht werden, ob bei nur regional bekannten Wörtern Veränderungen im Wortschatz vorgenommen wurden. Dazu wurden in historisch-wortgeographischen Einzeluntersuchungen ausgewählte volkssprachige Interpretamente aus dem Vocabularius rerum der Baseler Erstausgabe mit den Übersetzungen in 14 Nachdrucken und der Donaueschinger Handschrift hinsichtlich ihrer landschaftlichen Ausprägung verglichen. So wurden in der Leipziger Auflage Konrad Kachelofens z.B. Bracks spatz zu sperlingk, lefze zu lippe, gotte und gotta zu pate und patin geändert, oder in Anton Sorgs Augsburger Ausgabe wurde zinstag zu erichtag verändert, wofür im Leipziger Druck wiederum dinstag eingesetzt wurde. Die Handschrift weist statt kelterbaum oder trotbaum das Interpretament torgelbowm auf. Einige nur im alemannischen Sprachbereich heimische Wörter wie z.B. kutter ,Taubenmännchen' in dem Interpretament tauber, kutter, das lat. columbus übersetzt, oder gutt ,Schlaganfall' in der Übersetzung schlag oder guot von lat. tactus, apoplexia wurden in anderen Landschaften nicht mehr verstanden und zu taubenkutter zusammengesetzt oder zu schlag gerurt umgedeutet. Im Straßburger Druck von Johannes

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Prüss wird erstmals die Neuerung großmuter für älteres ane oder im Speyrer Druck der Brüder Hist hochzeit für obsoletes brautlauf eingesetzt. Es wurde deutlich, daß sowohl der Faktor Vorlagenabhängigkeit als auch die Herkunft des Druckers den wortgeographischen Befund beeinflussen kann, und daß Vokabularien zum Teil sprachlandschaftsübergreifend ohne wesentliche lexikalische Veränderungen nachgedruckt werden. Die sprachlichen Entwicklungsprozesse des 15. und 16. Jahrhunderts werden somit von den Wörterbüchern nicht nur reflektiert, sondern auch mitgetragen. Durch den Vergleich der ausgewählten Übersetzungen aus 16 Textzeugen des Vocabularius rerum konnte gezeigt werden, wann in der Überlieferung ein volkssprachiges Interpretament übernommen, verändert oder um eine weitere Übersetzung des lateinischen Stichwortes ergänzt wurde. Mit Hilfe dieser Abweichungen und Übereinstimmungen im volkssprachigen Wortschatz konnten wahrscheinliche Abhängigkeitsverhältnisse einzelner Textzeugen untereinander aufgezeigt werden. So wurde z.B. deutlich, daß die Straßburger Auflagen des Vocabularius rerum von Schott, Prüss und Husner eng zusammengehören, und daß wohl auch der Leipziger Druck Kachelofens sowie die Augsburger Ausgabe Schönspergers eine dieser Straßburger Auflagen als Vorlage genutzt haben. Diese Vermutung wird durch die Umstellung der Kapitel 15 bis 24 in diesen Drucken bestärkt. Dagegen sind die letzten drei Speyrer Ausgaben von Konrad Hist offensichtlich keine Nachdrucke der Straßburger Auflagen, sondern knüpfen an die Speyrer Ausgabe des Vocabularius rerum an, die um 1485 von den Brüdern Hist gemeinsam gedruckt wurde. Die letzte Auflage des Sachvokabulars 1512 in Straßburg von Martin Flach scheint wiederum von einem der Speyrer Drucke Konrad Hists abhängig zu sein. Den drei Vokabularien Bracks, die seinen Schülern an der Konstanzer Domschule Grundkenntnisse der lateinischen Sprache vermitteln, wird eine von Wenzeslaus Brack verfaßte lateinische Brieflehre angefügt, was im Bereich der spätmittelalterlichen Lexikographie etwas Besonderes darstellt. Bracks Lehrschrift soll seinen Schülern, unter denen sich sowohl künftige Geistliche und Beamte als auch Schüler, die ein Universitätsstudium beginnen wollen, befinden, Wissen über das mustergültige und kunstgerechte Abfassen von Briefen vermitteln. Schon bei der Wahl des Titels Tractatus de modo epistolandi verzichtet Brack auf die von den Humanisten abgelehnten und an mittelalterliche Briefsteller erinnernden Bezeichnungen Ars dictandi und dictamen. Bemerkenswert an Bracks Brieflehre ist seine Definition des Briefs, in der er sich wie die Humanisten auf Cicero beruft, der den Brief als sermo arnicorum absentium und somit als dialogische Gattung versteht. Bracks Briefmuster thematisieren vor allem private Korrespondenz mit Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten, selten sind die Schreiben an offizielle Personen wie z.B. an Papst Sixtus IV. oder an Kaiser Friedrich III. gerichtet. Es handelt sich bei seinem Briefsteller um einen zu didaktischen Zwecken verfaßten

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Text, der seinen Schülern eine Einfuhrung in das Verfassen von privaten und offiziellen Briefen bietet. Zahlreiche Belegzitate aus rhetorischen Schriften Ciceros und Quintilians sowie die Orientierung am ciceronianischen Briefstil verleihen Bracks Brieflehre trotz des mittelalterlichen Lateins eine humanistische Note. Den Abschluß des Kompendiums bildet das Didascalicon, eine von Hugo von St. Viktor im 12. Jahrhundert verfaßte Studieneinfuhrung in Philosophie und Theologie, die methodische Anleitungen zur Vorgehensweise beim Lesen und Lernen gibt. Hugos Wissenschaftssystem unterteilt die Philosophie in Anlehnung an Aristoteles in die Bereiche Theorik, Praktik, Mechanik und Logik. Die Einbeziehung der Artes mechanicae, die nach dem Vorbild der Artes liberales in einer Dreier- und eine Vierergruppe eingeteilt werden, ist von herausragender Bedeutung und zeugt von einer besonderen Vorstellung von umfassender Bildung. Wenzeslaus Brack bietet seinen Schülern mit dem Kompendium insgesamt eine Propädeutik, die in dieser Form und Zusammenstellung im Spätmittelalter einmalig ist. Die Komposition des Gesamtwerks ist zum einen noch mit der spätmittelalterlichen Tradition verbunden, zum anderen tritt auch eine sich von der scholastischen Methode abwendende, eine neue, am humanistischen Bildungsideal ausgerichtete Orientierung hervor. Brack verfaßte sein Werk mit wissenschaftlichem Anspruch, was auch durch den Paradigmawechsel im Hinblick auf den Quellenkanon deutlich wird. Die Vokabularien Wenzeslaus Bracks markieren einen Übergang von der spätmittelalterlichen zur humanistischen Lexikographie und sind damit Wegbereiter der neuzeitlichen Wörterbücher, die z.B. durch das Dictionarium von Petrus Dasypodius (1535) oder Sebald Heydens Nomenclatura rerum domesticarum (1530) repräsentiert werden.

VI. Edition Die vorliegende Edition enthält den Vocabularius rerum, das Isidor-Vokabular sowie das Verbvokabular von Wenzeslaus Brack, die den lexikographischen Teil seines Kompendiums bilden, das erstmals 1483 von Peter Kollicker in Basel gedruckt wurde.1 Die in der Inkunabel gewählte Anordnung des Vokabulartextes in zwei Spalten wird in der Edition beibehalten. Die Blattzählung des Inhaltsverzeichnisses ist durch eine Seitenzählung, die sich auf die entsprechenden Kapitel der Edition bezieht, ersetzt worden.2 Die Kapitel des Vocabularius rerum sowie die Stichwörter innerhalb der Kapitel werden in der Edition fortlaufend in eckigen Klammern gezählt, um in der Untersuchung und den Registern auf das gesamte Sprachmaterial verweisen und bei weiteren Analysen darauf Bezug nehmen zu können.3 Der Kapitelüberschrift geht die Nummer des jeweiligen Kapitels voraus. Die erste Ziffer der Lemmazählung bezieht sich auf das Kapitel, ihr folgt nach einem Punkt die zwei- bis dreistellige Zählung des Stichwortes, z.B. [15.110] Brachium. arm. Für die beiden alphabetisch geordneten Vokabularien, das Isidor-Vokabular und das Verbvokabular, werden entsprechend der Kapitelzählung im Sachvokabular die Abkürzungen I für Isidor-Vokabular und V für Verbvokabular gewählt. Der zweite Buchstabe bezieht sich auf den im Vokabular behandelten Buchstaben des Alphabets, z.B. [ID.04] Docilis. gehorsam, [VN. 11] Ningo. is. ere. schnyen. Zur besseren Lesbarkeit werden in der Edition die lateinischen Stichwörter und gegebenenfalls deren Flexionsformen oder Flexionsendungen durch Fettdruck, die volkssprachigen Interpretamente durch Fett- und Kursivdruck hervorgehoben. Das Ansetzen von Lemmata ergibt sich aus deren Hervorhebung durch Großschreibung und teilweise Rubrizierung in Kollickers Druck. Zudem werden in der Edition Stichwörter im lateinischen erläuternden Text angesetzt,

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Textgrundlage ist das Exemplar der Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek mit der Signatur Inc. qu. 1284 Nr 2. Das in dem Frankfurter Exemplar doppelt vorkommende Bl. 22r, das beim zweiten Mal Bl. 21 ν auf der Rückseite trägt, sowie selten vorkommende sekundäre marginale oder interlineare Anmerkungen bleiben in der Edition unberücksichtigt. Die Kapitelüberschriften im Inhaltsverzeichnis des Drucks, die sich auf Wenzeslaus Bracks lateinischen Briefsteller und das Didascalicon Hugos von St. Viktor beziehen, sind in der Edition weggelassen. Vgl. z.B. die Lemmazählung des in der Reihe Texte und Textgeschichte erschienenen Vocabularius optimus, Bremer 1990, Bd. II.

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VI. Edition

wenn diese Sublemmata von Brack mit volkssprachigen Interpretamenten versehen wurden, z.B. [15.236] Pes. fuoß. quasi poda. quia a greco nomine tractum. Inde [15.237] calopes vel calopodium. holtzschuch. quasi ligneus pes. Bezieht sich ein deutsches Interpretament auf mehrere lateinische Stichwörter, wird entsprechend der Darstellung in Kollickers Druck größerer Abstand zwischen den Lemmata und der Übersetzung gelassen, z.B. [15.239] Calx [15.240] Calcaneus sool. [15.241] Planta Die mittellateinischen und frühneuhochdeutschen Schreibungen des Drucks werden beibehalten, um das historische Erscheinungsbild der spätmittelalterlichen Graphien angemessen darzustellen. Getrenntschreibungen von heute zusammengeschriebenen deutschen Wörtern und umgekehrt sind im Druck häufig anzutreffen und werden nicht nach heutigen Normen modernisiert, sondern dem Überlieferungsbefiind entsprechend in der Edition übernommen, z.B. wasser streytt (25.96) oder volschlaffes (14.41). 4 Fehlerhafte Getrennt- bzw. Zusammenschreibungen im lateinischen Text, die als Druckfehler zu werten sind, z.B. ab alearibus populis statt a balearibus populis (25.63), bleiben unberücksichtigt und werden gebessert in die Edition übernommen. Die zahlreichen Abbreviaturen im lateinischen Text werden aufgelöst, z.B. e für est, δι für dicitur oder fc3 für scilicet.5 Bei deutschen Interpretamenten werden Abkürzungen, die vorwiegend in Form von Nasalstrich und (e)r-Haken auftreten, aufgelöst und durch runde Klammern gekennzeichnet, z.B. beltz od(er) kirse(n) (27.26). Die nach heutiger Ansicht eigenwillige Interpunktion des Drucks, die aus selten verwendeten Virgeln, Doppelpunkten, Trennungsstrichen und runden Klammern, häufiger auftretenden Punkten in der Mitte und auf der Zeile besteht, wird beibehalten. Worttrennungen am Zeilenende werden stillschweigend aufgehoben. Die Groß- und Kleinschreibung der Edition entspricht der Schreibung in der Baseler Erstausgabe, so z.B. die überwiegende Kleinschreibung von Eigennamen. Um den individuellen Usus des Drucks zu bewahren, werden beispielsweise auch die Graphien für und für übernommen, letzteres eine volkssprachige Schreibung, die sich im Druck auch bei lateinischen Wörtern findet, z.B. wlturnus (12.24). Schreibungen von für , für und umgekehrt, sowie die Um-

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Eine nach heutigen Normen modernisierte Schreibung hinsichtlich Getrennt- und Zusammenschreibung weist das alphabetische Register des volkssprachigen Wortschatzes in Kapitel VII. I. auf. In diesem Register werden neben hochdeutschen Übersetzungen auch sprachliche und sachliche Verständnishilfen gegeben, beispielsweise wenn individuelle Schreibungen den direkten Zugang zum Verständnis erschweren, oder wenn ein heute obsoletes Wort bzw. ein Fachbegriff unklar ist. Zur Auflösung der Abkürzungen vgl. Cappelli 1990, Bischoff 1986 und Grun 1966.

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lautgraphien für , für und für werden entsprechend der Graphie im Druck beibehalten. Eindeutig als Druckfehler zu wertende Schreibungen, wie z.B. häufig vorkommendes für oder für , beides auch umgekehrt, werden in der Edition gebessert und bei Wörtern in recte kursiv, bei kursiv geschriebenen Wörtern in recte kenntlich gemacht. Über die Lesart des Drucks informieren die Anmerkungen der Edition. Irrtümlich doppelt gedruckte Wörter werden aus dem Text genommen und in den Anmerkungen aufgeführt. Die Anmerkungen enthalten zudem Hinweise auf die im Vokabulartext von Brack gemachten Verweise, die sich auf Textstellen innerhalb seiner Vokabularien beziehen und meist mit vt supra oder vide infra eingeleitet werden. In den lateinischen Text eingeschobene Zitate z.B. von Vergil oder Terenz, die durch die Nennung des Autornamens bzw. Werktitels von Brack kenntlich gemacht wurden, werden in den Anmerkungen nachgewiesen.6 Bei fehlerhafter oder bruchstückhafter Überlieferung der Zitate wird die Textstelle zitiert. Über im lateinischen Text genannte Autoren bzw. Werke informiert Kapitel III. 3. Quellen, auf das an den entsprechenden Stellen verwiesen wird.

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Für den Nachweis der Zitate waren die Konkordanzen zu Vergil und Terenz von Wacht 1996 und McGlynn 1963, 1967 sehr hilfreich. Zu den entsprechenden Editionen der genannten Werke vgl. das Literaturverzeichnis.

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VI. Edition

Incipit tabula vocabularii [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10 [11 [12 [13 [14 [15 [16 [17 [18 [19 [20 [21 [22 [23 [24 [25 [26 [27 [28 [29 [30 [31

De celo et eius partibus. 186 De nominibus dei. 189 De fllio dei. 189 De sancto spiritu 190 De angelis et choris 191 De tempore. 191 De die et eius partibus. 192 192 De nocte et suis partibus De ebdomoda. 193 De mensibus. 193 194 De anni partibus. 194 De impressionibus De homine et eius origine atque sexu 195 De proprietatibus hominis interioris et de affectibus. 196 De integralibus et corporalibus partibus hominis 197 De sanguine. 204 De complexionibus. 204 De affinitatibus et gradibus. 205 De patruis. 207 De amitis. 207 De auunculis. 207 De materteris. 207 De nuptijs et ex his contrac tis amicicijs et appendicijs. 207 Ciuium et populi et vocabula seniorum 209 Militie et belli vocabula. 211 De panno et tela materia siue instrumentis eorum. 214 De vestimentorum nominibus. 215 De indumentis sacerdotalibus. 218 De indumentis pedum et crurum capitis et ceterorum.218 De ornamentis hominum. 219 De lectisternijs. 219

[32 [33 [34 [35 [36 [37; [38; [39 [40 [41 [42 [43 [44 [45 [46 [47 [48 [49 [50 [51 [52 [53 [54 [55 [56 [57 [58 [59 [60 [61 [62 [63 [64 [65 [66 [67

De nauigio. Nauium genera. De domo et eius partibus. De edificijs sacris · De sepulcris. De publicis edificijs. De terre vocabulis. De locis terre. Loca terre inferiora. De itineribus. De ponderibus. De mensuris. De mensura agrorum De escis De potibus. De singulis vasorum generibus primo de escarijs De vasis vinarijs et aquarijs. De vasis olearijs. De vasis coquinarijs et pistorijs De vasis repository s. De vasis luminariorum. De lectis et sellis. De vehiculis. De clericis et episcopis. De monachis. Nomina fidelium. De philosophis. De poetis. De magis. De rusticis et eorum instrumentis. De agris. De culturis agrorum. De frumentis. De leguminibus. De stabulis. De pastoribus.

220 221 222 225 226 226 228 229 230 231 231 232 232 233 235 236 237 237 237 238 238 239 240 241 241 242 242 243 245 245 246 248 248 249 249 249

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[68] De equis et eorum ornamentis. 249 [69] De scriptoribus et eorum instrumentis 250 [70] De fabris et eorum instrumentis. 251 [71] De metallis. 252 [72] De fabris lignarijs. 253 [73] De murarijs et eorum instrumentis 253 [74] De hijs que in ecclesia fiunt.254 [75] De libris ecclesie. 255 [76] De festis et officijs sacris 255 [77] De officijs sacris 256 [78] De musica et speciebus eius. 257 [79] De ludis. 259 [80] Loca penalia. 259 [81] De venatione aucupio. piscatura et captura animalium et ceterorum in genere 260 [82] De molitore et pistore. 261 [83] De caraifice. 261 [84] De sutore. 262 [85] De hijs que mercatorum et similium sunt 262 [86] De rasoribus et balneatoribus 263

[87] [88] [89] [90] [91] [92] [93] [94] [95] [96] [97] [98] [99] [100] [101] [102] [103] [104] [105]

Ad iudices spectantia. Instrumenta legalia · De rebus. De medicis. De vineatore De animalibus in genere. De pecudibus in specie. De minutis animalibus. De serpentibus. De vermibus. De piscibus De auibus. De volucrum vocali proprietate. De quadrupedum vocali proprietate De arboribus in generali. De arboribus in speciali. Deherbis. De Oleribus De lapidibus et gemmis.

263 264 265 265 266 267 268 271 271 272 273 274 276 276 277 278 282 284 285

Ethimologie nominum quorundam. et est liber decimus ysidori in 287 ethimologijs ordine alphabet!. De verbis paruula positio ob tabule paruitatem.

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Wenceslaus Brack arcis professor, et examinator in Constantia. suis scolipetis salutem plurimam dicit. Multa ad te prestans iuuenta. et assidua eruditione et beniuolentia afficior ea qua soleo. vtpote mea tuis longe plerumque posthabuerim. Sic est profecto. boni viri munus. potentur idem quod tuetur. obque nomen susceptum nedum vendicare. verum etiam tueri quam optime possit • Hac ipse impulsus occasione tuis prodesse tarnen votis cum rudimentis quoad potui / induxi animum. Esto / quod optimi adolescentuli ad me iam prece non pauca declinastis. et quod verecunde expetere voluistis / intuitu defixo scienter / indice rubore / satis explodistis. Quid enim eneruacius te sepenumero scolasticis armis egentem nihil sua ad propriatione ausis lingue committere · Venit priscorum vicio id insolentie precipiendi genus / aut multa (si quando denique fit) barbarice / strepitu efferre canoro. Non obsecute seuerini decretis maternum obticent elogium. Ego vero qui ab hisce inuoluor sudoribus / earn palestram nolens / sequi cogor • in medium nil noui dare potui Sed ne tarnen iustis te abigam orationibus que ex autenticis vidi acceptiora ne te ex pluribus obtunderem. teneritati tue / subscriptis consignaui modicis puerili progressu tabellos • vale.

[1] De celo et eius partibus [1.01]Celum [ 1.02] Firmamentum [1.03] Polus Derhimel [1.04] Olimpus [1.05] Afther Differunt tarnen. Quia celum dicitur aut quia omnia celat · vel quia est stellis tanquam vas celatis id est insculptis signis impressum. Aliquando celum pro aere ponitur. vt est illud virgilij in sexto. Ο nimium celo confise sereno7 Firmamentum dicitur. Quia suis legibus et cursu est firmatum. Polus vero a puncto dicitur qui terminat axem. talis vero punctus est duplex scilicet articus et antarticus et cetera Olimpus a monte sicilie vt credo altissimo. Aether vero locus dicitur in quo sunt sidera. Et reuera aether modo pro igne modo pro aere varie accipitur. [1.06] Spera die sper. corpus solidum rotundum et in hoc differt a circulo qui est in piano. Item theologi dissentiunt et philosophi de numero celorum. Nam vltra octauam speram quam vocamus primum mobile ponunt celum trinitatis. empirreww.8 cristallinum · Empirreum quod quasi ignitum sonat. Spere planetarum sunt Septem Prima saturni. Secunda iouis. Tercia martis. Quarta solis. Quinta veneris. Sexta mercurij. Vltima lune. sub qua est perpetuum bellum quali-

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Vgl. Vergil: Aeneis V, 870 f.: „o nimium caelo et pelago confise sereno, / nudus in ignota, Palinure, iacebis harena." Palinurus ist der Steuermann des Aeneas. empirren

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tatum primarum in elementis ad se continuo repugnantibus. Est enim sub luna ignis qui est summe calidus et remisse siccus, sub quo aer qui est summe humidus et imperfecte calidus. ergo ignis et aer in calido simbolisant id est conueniunt. ideo facilior in se est transitus id est mutatio talium elementorum. Aqua sub aere est nisi in locis vbi deus terram propter respirantia in ea aquis voluit esse discoopertam · Est' enim aqua summe frigida · imperfecte humida. igni maxime contraria. Ideo deus vtriusque simbolisans puta aerem tanquam bonum arbitrium in medio posuit. Terra infimum est elementorum. summe sicca et imperfecte frigida. aeri contraria, voluit prudens deus aquam esse in medio · et hoc totum vocamus mundum. et quodlibet seorsum partem mundi. Ideo quia sunt in continuo motu, et ibi nulla est quies. Nam spere planetarum feruntur contra octauam speram. licet per eam rapiuntur. Elementa vero perpetuo pugnant in se. non vt primum se temptant corrumpere. sed quantum quodque posset alteram in se hoc est in sui naturam conuertere. Ideo mundus dicitur. quia est semper in motu et hoc quo ad speras. vel alterationem et hoc quo ad elementa. Ianue celi sunt due. vna ex qua sol procedit sicut est oriens. Alia in quam sol recipitur. et est occidens. 10 [ 1 . 0 7 ] P l a g a Clima et pars celi idem sunt. [ 1 . 0 8 ] O r i e n s auffgang der sunnen.

nydergang. gen mitternacht. a Septem stellis qu§ illic rotantur [ 1 . 1 1 ] M e r i d i e s mittag, quia medius dies, vel quia sol in meridie merw/w11 id est purum diem facit • [ 1 . 1 2 ] E m i s p e r i u m . id est media spera halb himel. [1.13] O r i s o n , id est terminator visus. halb himel. [ 1 . 1 4 ] C e n i t . punctus qui ymaginatur in celo. lineam supra caput nostrum terminari. [1.15]Zodiacus est circulus animalium quem arestoteles 12 vocat obliquum. quia oblique per octauam speram constat. Alij eundem vocant signiferum. quia fert signa que sunt duodecimo [ 1 . 1 6 ] L a c t e u s . circulus quem philosophus vocat galaxiam. et vulgo dicitur der wisy weg [ 1 . 1 7 ] C i r c u l i c f l i sunt quinque scilicet articus ab arcturis signis quem in septentrione esse, circulus vero huic directe oppositus antarticus est.13 ab anti quod est contra, quia artico contrapositus. Secundus circulus dicitur tropicus, id est reuolutionis. quia in eo sol aquilonis finibus estatem faciens vltra eum non transit, sed statim reuertitur. Tercius circulus est equinoctialis. in quo sol facit equinoctium. id est equat noctem diei. quod fit in ariete et libra. Iacincti et die

9 10

12 13

Cst est

[1.09] O c c i d e n s

[1.10]Septentrio.

11

meri; vgl. Isidor: Etymologiae III, 42, 3. Das Werk wird im folgenden mit .Isidor' zitiert. Zu Isidor von Sevilla und seinen Etymologiae als Quelle fur den Vocabularius rerum vgl. Kapitel III. 3. 3. 1. Zu Aristoteles vgl. Kapitel III. 3. 3. 2. est

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sancti gregorij. Quartus circulus est antarticus vt supra. Quintus est tropicus hyemalis. Nam cum sol ad eum peruenit facit hijs qui sunt ad aquilonem hyemem. et hijs que ad austrum sunt estatem. In secundo circulo solsticia sunt, quorum vnum est estiuale in cancro die viti et modesti. Aliud hyemale quod est in capricorno die lucie • [1.18] Eclipsis est luminis defectio [1.19] Stella stern, a stando dicta · quia non nisi per speram cui est infixa mouetur. Dicunt enim philosophi Stella est densior pars orbis Ideo recipit illuminationem [1.20] Astrum ein grosser stern, vt sunt orion. boetes et cetera [1.21]Sydus ein gestirn. a considerando. Nam ambulantes in mari et temporum obseruatores ea considerant [1.22] Planeta. planet, a planon quod est errare · Nam abusio est planetas stellas dicere. nisi addamus erraticas stellas dicendo. [1.23]Cometa pfabenschwantz an de(m) hymel quasi Stella comata 14 vel crinita [1.24] Sol sunne. quia solus lucens. [1.25] Luna monath. quia luce nitet aliena puta luce solis. hanc et lucinam poete vocant eo quod parientibus fert lucem et cetera Virgilius in bucolica Casta faue lucina. 15 Therencius in in andria. Ο iuuo ο lucina fer

opem 16 et cetera Item lunam in CQIO · dyanam in terris venationi preesse vero proserpinam inferis dicari trime hinc oritur nomen [1.26]Phebus · appollo sunne. [1.27]Phebe. pftebes 17 monath. Fingunt poete iouem concubuisse latone. et ex ea in delos insula phebum genuisse et ph^be. [1.28]Arcton (signorum primus) Septem stellis circa axem iuxta polum articum rotatur vrsam vocamus. quod in fabulis liquet ouidianis in metamorphoseos. 18 Vocamus et septentrionem quasi Septem terionem Nam triones quasi teriones boues aratorij dicuntur. quia terram terunt. quia tales stelle in plaustri modum vertuntur vocamus plaustrum. [1.29] Arcturus. sydus post caudam maioris vrse in signo boetes [1.30] Orion astrum ante thauri vestigia quo modo ab urina orion fabule testantur [1.31]Hyades stell? Septem in fronte thauri. et tempore vernali oriuntur. pluuiasque colligunt. [1.32]Plyades a pluralitate dicte. Septem sunt stelle ante genua thauri easdem dicimus vergilias. quia tempore veris oriuntur et occasu suo yemem ortu estatem. primeque nauigationis tempus ostendunt. [1.33]Canicula der hund stern. Sirion eandem vocant: Caniculares dies inde venire. Nam tunc sol calorem

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14 15

camata Vgl. Vergil: Bucolica 71,2.

IV, 10; Isidor III,

17 18

Vgl. Terenz: Andria III, 1, 473: „Iuno Lucina, fer opem, serva me, obsecro." Juno Lucina ist die römische Geburtsgöttin und Beschützerin der neugeborenen Kinder. p/ebes Vgl. Ovid: Metamorphosen II, 468-507.

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suum duplicat. quo corpora, dissoluit euaporando. tempus medicine prohibitum. [1.34] Lucifer mane. Vesper aut hesperus in sero. Venus idem semper. Signa celi sunt duodecim. 19 scilicet [1.35] Aries der wider. [1.36] Thaurus der ochß. [1.37] Gemini zwyling. [1.38] Cancer krebs. [1.39] Leo lewe [ 1.40] Virgo Iunckfraw. [1.41] Libra wag. [1.42] Scorpio vel scorpius scorpion. [1.43]Capricornus. steynpock [1.44] Aquarius wasserman. [1.45]Piscis visch. Hec signa · aut quia ab effectibus diuersis a celo mortalibus inffusis sortita sunt huiusmodi appellationem variam. Aut gentilium incredulitas · hec celo in suorum diuini memoriam intulit et colit. Nam arietem ob iowis20 hamonis memoriam qui in arietis ymagine. aut cornutus vt aries ab egiptijs adorabatur signum celi constituerunt. Pariter. iouem cretensem. thaurum. quia cum Europa agenoris filia thauri habitu mundum pererrauit. Gemini, quod signum propter castorem et pollucem fratres et cetera in fabulis poetarum. Planete similiter a gentilibus vt fabule ferunt in celum translati hominum nominibus. Saturnum regem crete. Iouem eius filium. similiter martem iouis adulterio procreatum et cetera

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20

Das Sternbild Schütze fehlt in der folgenden Auflistung, wird aber in den Nachdrucken ergänzt. iwnis

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Nostra fides ea licet obseruat sine tarnen (non vt gentes) superstitione.

[2] D e nominibus dei [2.01] El hebraice deus dicitur latine [2.02] Ischiros id est fortis. [2.03] Athanatos id est immortalis [2.04]Sabaoth id est exercituum dominus. [2.05] Eleon id est excelsus. [2.06] Adonai id est dominus. [2.07] la idem quod vltima sillaba alleluia dicit id est omnes laudate dominum. [2.08] Tetragramaton id est ineffabile et gloriosum nomen dei. [2.09] Saddan id est omnipotens • [2.10] Eternus id est immortalis. [2.11] Incorruptibilis. incommutabilis. omnipotens dicitur deus.

[3] D e filio dei [3.01]Cristus. crismate vnctus. hoc est dono gratie [3.02]Messias id est cristus. [3.03]Hiesus id est saluator. [3.04]Emanuel id est nobiscum deus. [3.05]Vnigenitus. quia nullus sibi frater fuit diuinitatis excellentia [3.06]Primogenitus. humanitatis susceptione in qua per gratie adoptionem fratres dignatus est habere. [3.07]Principium quia ab ipso sunt omnia. [3.08] Finis, quia in fine temporum humiliter voluit in carne nasci. Vel

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quia vltra ipsum quod querimus aliud nil est. [3.09]Os dei. quia verbum eius est. [3.10] Verbum quia per ipsum pater omnia tanquam per nuncium iussit et reuelauit · [3.11] Veritas, quia non fallit. [3.12]Vita quia creauit omnia, aut sua passione vitam nobis dedit. [3.13] Ymago dei dicitur propter patris similitudinem. [3.14]Figura. quia in forma serui patris immensam designauit magnitudinem. [3.15]Manus dei. quia per ipsum omnia facta sunt [3.16]Dextra. propter effectum operis tocius creature. [3.17]Brachium. quia omnia continet. [3.18] Virtus • quia patris in se habet potestatem. [3.19] Sapientia. quia secreta reuelat. [3.20]Splendor, propter quod manifestat [3.21]Lumen, quia illuminat. [3.22]Lux. quia ad veritatem oculos cordis aperit. [3.23]Fons, quia omnium fontale principium. [3.24] Alpha et o. principium et finis [3.25] Mediator, inter deum et hominem. [3.26]Missus, quia huic mundo apparuit. [3.27] Homo • quia natus ex virgine. [3.28]Propheta. quia futura reuelauit. [3.29]Sacerdos. quia se hostiam obtulit pro nobis [3.30]Pastor · quia nos oues eius. [3.31] Vitis. quia nos eius palmites.

[3.32]Panis viuus. nam viuificat [3.33]Magister, quia suos docuit · [3.34]Mirabilium operator, quia deum se ostendit [3.35]Nazarenus. quia de nazareth loco. [3.36]Nazareus. id est sanctus. [3.37] Via. quia per ipsum ad patrem gradimur. [3.38]Hostium. per quod ad deum est iter [3.39]Möns quia est fortis. [3.40] Petra · quia credentium firmitas · [3.41] Lapis angularis, quia pacem angelis et hominibus in se fecit • [3.42]Fundamentum. quia in eo firmissima fides.

[4] D e sancto spiritu. [4.01]Spiritussanctus. quia patris et filij. [4.02] Spiritus, eo quod inspirat. Est enim vno modo generale, et sie incorporea creatura omnis spiritus meruit dici. [4.03]Spiritussanctus non est genitus. quia sic duo essent in trinitate filij. Neque est ingenitus. quia sic duo essent in trinitate patres quod est hereticum sed ab vtroque est processio. [4.04]Paraclitus id est consolator. quia apostolos lugentes cristus per ipsum consolatus est. [4.05] Septiformis. propter septem eius dona que merentibus tribuit. puta spiritum sapientie et intellectus. consilij et fortitudinis. scientie et pietatis et timoris domini. [4.06] Donum. quia datur dignis.

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[4.07] Caritas, quia naturaliter eos a quibus vel ad quos procedit coniungit[4.08] Gratia · quia gratis a deo datur. [4.09] Digitus dei. vt eius operatoria virtus cum patre et filio significetur. [4.10] Ignis, quia ignitus vel in ignis forma cunctis apostolis insedit [4.11] Lingua · quia eos quod loquerenter docuit [4.12]Spiritalis vnctio. per similitudinem. quia sicut oleum naturaliter fertur supra omnem liquorem cui permiscetur. ita spiritus domini ferebatur super aquas, vtpatet in exodo. 21 [4.13]Trinitas. quia trium personarum vnitas patris. filij. spiritussancti.

[5] D e angelis et choris [5.01]Angelus, id est nuncius. nomen officij. quia naturaliter spiritus sunt, mittuntur enim de celo hominibus ad annunciandum aliquid [5.02] Archangelus, quasi archa angelorum. ertzengel. quasi summus sit angelus et nuncius. [5.03] Michael, quasi quis vt deus interpretatur quia vltra alios micat. Ideo michael interpretatur. [5.04] Gabriel, id est fortitudo dei · [5.05] Raphael, quasi medicina dei per ipsum nunciatur. [5.06]Vriel. interpretatur ignis dei. veluti moysi in rubo apparuit. [5.07]Chori vel ordines spirituum nouem scilicet, angeli • archangeli. throni · dominationes. virtutes. princi-

21

Vgl. Vulgata, Exodus 14.

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patus. potestates. cherubin. et seraphin · [5.08] Virtutes. quedam ministeria angelica sunt per que fiunt signa et miracula mundo [5.09] Potestates dicuntur. quia sua potestate spiritus malignos coercent. ne nobis noceant quantum cupiunt. [5.10]Principatus sunt, quia agminibus angelorum presunt. iubendo explere quod deus vult per ipsos fieri. [5.11]Dominationes • quia potestatibus et virtutibus preeminent, et ipsis dominantur. [5.12]Troni. sunt angelorum agmina qui quasi sedes dicuntur. eis deus presidet. et per eos sua iudicia decernit [5.13]Cherubin. id est sublimes potestates angelorum. et plenitudo scientie dicuntur. [5.14]Seraphin angelorum multitudo.

[6] D e tempore. [6.01] Tempus, zeytt. [6.02] Momentum, augenblick. minimum temporis. [6.03] Hora. stundt. [6.04] Annus, iar. quia reuoluitur in se vt annulus [6.05] Dies. tag. a dyan id est darum. Nam solis presentia et claritas diem absentia vero noctem facit. Aut quia gentiles suis dijs dies sacrarunt Dies naturalis continet vigintiquatuor horas puta noctem et diem artificialem. Artificialis vero solum xij. continet qui est dies noster. quo sol ab Oriente mouetur in occidens Dicuntur enim

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dies, quia pagani suis dijs eos sacrarunt vt [6.06] dies solis. sunnentag [6.07] Lüne, mentag. [6.08]Martis. zinstag. [6.09]Mercurij. mittwoch. [6.10] Iouis · dornstag. [6.11] Veneris • fry tag. [6.12] Saturni. sambstag • Licet in celo alius eorum quasi in septimane diebus sit ordo. Tarnen quia sol qui facit diem occupat primam dominice diei horam. tanquam princeps planetarum. et sic continuando a sole secundum ordinem celi tunc venus sibi adaptabit secundam horam dominice diei. Mercurius terciam · Luna quartam · Saturnus quintam Iupiter sextam. Mars septimam. Sol octauam · Et sic computando per omnes horas diei naturalis habemus primam horam secunde ferie lune conuenire. et sic de alijs planetis • Item egiptij inchoant dies ab occasu solis Perse et populi greci ab ortu solis. Athenienses a sexta hora diei. Romani et nos a media nocte. Hebrei a vesperarum hora. Ferie dicte sunt a fando. quod in eis nobis sit tempus dictionis. id est in diuino vel in humano officio fari.

[7] De die et eius partibus [7.01] Mane. frue. nam mane a mano22 id est bono, nil enim luce melius estimatur [7.02] Meridies • quod sit medius vel purus et clarus dies. Est enim merum 22

man«

purum, quia tunc sol micat Je 23 celo medio. [7.03] Suprema · dicitur vltima que in die pars superest [7.04] Sero vel serum, spatt. quia tunc prope est nox. et sere sunt clause [7.05]Hodie. quia hoc die. et quottidie. id est quot diebus. [7.06] Cras quod est sequentis diei [7.07] Hesternum gestryg [7.08]Pridie quod sit priori die. [7.09]Postridie. quod sit posteriori die. [7.10]Perendie. id est parante die vel in antecessu id est primus. [7.11]Nudius aduerbium indeterminati temporis significatiuum. nisi addamus numerum ordinis. vt nudiustercius. nudiusquartus.

[8] De nocte et suis partibus [8.01] Nox. nacht, quia nocet oculis. Partes noctis sunt septem. [8.02] Vesperum prima pars, a Stella occidentis que solem occiduum sequitur Vnde virgilius in bucolica Ante diem clauso componet vesper olimpo.24 [8.03] Tenebre quia teneant vmbram. [8.04]Crepusculum • dubia lux. hoc est medium inter lucem et tenebras. [8.05] Conticinium tempus quo omnia silent · [8.06]Intempestum medium noctis dicitur · quasi inactuosum. quia tunc quiescunt omnia ·

23 24

e Vgl. Vergil: Aeneis I, 374; Isidor V, 31, 5.

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[8.07]Galliciniuiii. quia galli tunc diem nunciant futurum · [8.08]Matutinum est tempus inter abcessum tenebrarum. et aduentum aurorem. [8.09]Diluculum. quod iam incipiat lux diei videri

[9] De ebdomoda [9.01]Ebdomoda. a numero dierum dicitur [9.02] Septimana. quia Septem sunt in ea mane id est luces, et sol septies in ea oritur

[10] De mensibus. [10.01] Mensis, a mene id est luna vel defectio Nam omni mense luna deficit cum incenditur. [10.02] Ianuarius. quia est ianua anni. Vel a iano deo bifronti ad signandum introitum et exitum anni. et hunc romani coluerunt et superis sacrarunt. [10.03] Februarius. a februo id est plutone. qui inferni ydolum cui hunc mensem sacrarunt romani gentiles. [10.04] Marcius a marte romanorum auctore vel quia animantia suos mares vocant ad coeundi opus quod sit in marcio [10.05] Aprilis quasi aporilis quia poros terre aperit ad germinandum. Vel afrodis id est venere cui aprilem sacrarunt.

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[10.06] Mayus. a maya mercurij matre. Vel a maioribus et principibus reipublice. quibus est sacratus. [10.07] Iunius similiter a iunioribus natu vel a iunone. Nam antea populus romanus diuisus erat in centurias seniorum et iuniorum · [10.08] Iulius et augustus a cesaribus nominati qui prius erant quintilis et sextilis quasi quintus et sextus a marcio qui tunc a romanis primus mensis anni erat. Ceteri inde a numero dicti sunt. [10.09] September, october. nouember. december. quia a marcio septimus. octauus. nonus et decimus fuerunt. Item cuiuslibet mensis tres sunt dies festi a romanis instituti scilicet kaiende, none et ydus. quia hijs diebus officia magistratuum aut alterabantur aut elegebantur. [10.10] Kaiende a colendo. primi dies mensium quos et romani et hebrei coluerunt. None dies post primum. qui fuit kalendarum quatuor vel sex proximi a nundinis nomen sumpserunt. quia hijs nundine erant in populo romano. [10.11]Idus vero sunt proximi dies octo post nonas. aut ab yduo id est separatione nundinarum. aut ab edendo · quia erant apud veteres dies epularum vt patent in kalendario. [10.12] Tempus bimestre. id est duorum mensium [10.13] Tri#iestre25 id est trium mensium. et sie de singulis [10.14] Bimatus. tui. zwey iarzeytt. [10.15] Trimatus. tui. dry iar zeytt •

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trwestre

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[11] D e anni partibus [11.01] Ver: quia viret. das glentz [11.02] Estus. der summer • ab estu. [11.03] Auttumnus. der herbst, a tempestate [11.04] Hyems. der wintter. Inicia temporum anni. Ver petro detur. estas exinde sequetur. Hanc dat vrbanus autumnum simphorianus Festum dementis caput est hyemis venientis

[12] D e impressionibus [12.01] Tonitruus. dunner kloppff [12.02] Fulgur. fulgor et fulmen. wetter glast od(er) schlag. Ictus celestis iaculi dicuntur a feriendo · id est percutiendo. Differunt tarnen fulgur quia tangit. fulgor quia incendit. fulmen quia findit • [12.03] Cuneus est lapis qui fulmine descendit. stral. [12.04] Iris, regenbogen. [12.05] Halo, circulus apparens ambire sydera in modum corone. [12.06] Pluuia. regen. [12.07] Nimbus, ein grosser schneller regen Imber et pluuiam et nimbum signat dictus eo quod terram inebriet [12.08] Labrocera · groß regentropff.

[12.09] Persecada. kleyn regentröpflin. [12.10] Gutta, tropff. [12.11] Stilla. tachtropff [12.12] Grando. hagel. a granorum similitudine. [12.13] Nix. schnee. [12.14] Ningo gis. schneyben. [12.15] Glacies. eyß [12.16] Gelu kelthin. [12.17] Pruina. r y f f . a perurendo arbores [12.18] Ros. taw. [12.19] Nebula welchen. [12.20] Motus terre · erdtbidung. [12.21] Eclipsis solis. sunnen schines vnd(er)tzug. vel sunnen finster. [12.22] Eclipsis lune · monatfinster oder vorleschung. [12.23] Cauma. incensio facta in aere apparens que et ipercauma dicitur [12.24] Ventus. wind, quia eius flatus vehemens est et violentus. Trahunt enim venti nomina aut a locis a quibus fiant. vt affricus ab affrica. Subsolanus. quia sub sole oritur. Aut a conditione. vt wlturnus quia nocet wltui. Zephirus quia facit virere gramina et cetera Vnde autem quilibet fiat per adiunctos sibi collaterales patet in figura. [12.25] Turbo, wyndßbrut. Ventus in se reflexus turbo dicitur. et aliquando ex pluribus ventis contra se motis turbo est

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[13] De homine et eius origine atque sexu [13.01] Homo, mensch, ab humo [13.02] Antropos grece mensch. Nam ana sursum et tropos reuolutio. quia solus homo celum spectat. Vnde ouidius primo metamorphoseos Pronaque cum cetera spectent animalia terram. Os homini sublime dedit. celumque videre.26 [13.03] Homuncio. menschlin. [13.04] Homunculus idem Dim/'raitiua27 quantitatis humane non nature [13.05] Gnanus zwerglin. [13.06] Pigmeus idem [13.07] Humanitas, menscheyt [13.08] Humanus ior. issimus · menschlich. [13.09] Humanitus. humaniter. aduerbia idem. [13.10] Adam prima creatura nomen a quatuor plagis. aut quia forte ab agro damasceno · Vel quia ab eo nobis damnum venit. adam a quo damnum [13.11] Prothoplastus • der erst votier [13.12] Prothoplasma tis • die erst Schöpfung [13.13] Plasma, schöpffung oder gehurt [13.14] Eua. quia cum effectu ve. Inde euax. interiectio dolentis Adam creatus. eua facta, cristus conceptus. nos geniti.

Eua seduxit. maria reduxit. Adam peccauit. cristus liberauit. [13.15] Vir. man a virtute. [13.16] Virunculus. ein mendlin. [13.17] Viritim. aduerbium. von man zuo man. per siwgulos28 viros [13.18] Viriliter. mündlich [13.19] Mulier. weyb. quia mollis anni. aut quia inconstans vt mola. Vnde therencius ymo certe noui ingenium mulierum. Vbi tu velis nolunt. vbi tu nolis. cupiunt vitro.29 Et virgilius de dydone ait. Varium semper et mutabile femina30 [13.20] Muliebritas. weybheyt. [13.21] Muliebris. weybisch [13.22] Muliebriter. weyblich. [13.23] Femina. fraw. a femine. [13.24] Virgo, iunckfraw. et virginem ab etate viridi. Virgilius dixit in bucolica de pasiphe · Infelix virgo que te dementia cepit31 [13.25] Virguncula. iunckfreülin. [13.26] Adolescens. iüngling. [13.27] Puer. quia non parit. aut quia purus est. [13.28] Infans. vnred. quia non fatur [13.29] Infantulus tula. Iüngling. [13.30] Ermofroditus ta · aliquis vel aliqua in quo vel in qua vtriusque sexus membra apparent [13.31] Hermodactilus. zittlosen32

28 29 30

31 26

27

Vgl. Ovid: Metamorphosen I, 85 f.: „[...], os homini sublime dedit, caelumque videre / iussit et erectos ad sidera tollere vultus "; Isidor XI, 1, 5. Dimrautiua

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32

siugulos Vgl. Terenz-.EunuchuslV, 7, 812 f. Vgl. Vergil: Aeneis IV, 569 f.; Isidor XIII, 10, 24. Dido ist die Gründerin Karthagos und Geliebte des Aeneas. Vgl. Vergil: Bucolica VI, 47. Pasiphae, Königin von Kreta, war mit unnatürlicher Liebe zu einem Stier geschlagen und gebar den Minotaurus. Hermodactilus ist eine Pflanze, die Herbstzeitlose, vgl. [103.81],

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[13.32] Gibbus. hofer. [13.33] Gibbosus. kofferet. [13.34] Struma. kropff. [13.35] Strumosus kropff et [13.36] Iliaca. passio [13.37] ilium. der kleinen dermlin [13.38] Colica passio ipsius [13.39] colon, des grossen darms. [13.40] Variola, die dürschlecht [13.41] Varioli. a colore vario. Morbillus eius species est. Morbilli vero cum saniescit. et post eiectionem saniei Stigmata relinquuntur.

[14] D e proprietatibus hominis interioris et de affectibus. [14.01] Homo interior, die sei. [14.02] Anima idem. [14.03] Spiritus, geyst [14.04] Intellectus. verstentnuß. [14.05] Ratio, vernunfft. [14.06] Ingenium, synne. quasi intus genitum. [14.07] Voluntas, der wille. [14.08] Volitio. willung. [14.09] Conceptus. vermerckung [14.10] Affectus. girlichkeyt [14.11] Affectio bewegnuß [14.12] Ira · zoren. [14.13] Gaudium .freude [14.14] Leticia .frölichkeytt. [14.15] Hylaris./rö//cA. [14.16] Hylaritas. iocunditas [14.17] Hylaranter. iocunditer. [14.18] Spes Hoffnung. [14.19] Exspes. anhoffnung

[14.20] Tristicia traurigkeytt. [14.21] Tristis · traurig [14.22] Lugubris. waynber. [14.23] Luctus. waynung. [14.24] Dolor, schmertz. [14.25] Timor, forcht. [14.26] Tremor, erschreckung. [14.27] Titubatio. zyttrung [14.28] Oscitatio. auffgynnung. [14.29] Suspirium. vorseüfftze. [14.30] Inspirium. ynseüfftz. [14.31] Spiritus, attem [14.32] Respirare. attemziehen. [14.33] Gemo mis · ere · seüfftzen. [14.34] Gemitus · id est dolor. [14.35] Ingero ynhin essen. [14.36] Digero • verdeüen. [14.37] Digestio. verdeüung. [14.38] Egero. außwerffen. Et hoc nature superfluum qwod33 egestum dicimus. [14.39] Somnus. schlaff. [14.40] Somnium träum [14.41] Somnolentus. volschlaffes [14.42] Sopor, nafftzung [14.43] Vigilia. wache. [14.44] Memoria. [14.45] Recordatio gedechtnuß. [14.46] Reminiscentia. Differunt. Memoria est preteritorum non oblitorum • Reminiscentia vero oblitorum. Recordatio est genus illorum. [14.47] Appetitus · begerung. [14.48] Desiderium idem [14.49] Sinderesis. himelische seel krafft.

33

qnod

VI. Edition

[15] De integralibus et corporalibus partibus hominis [15.01] Exterior homo, der cörpel [15.02] Corpus, leyb. [15.03] Caput · haubt [15.04] Cephas, idem [15.05] Acephas. onhaubt. [15.06] Occiput, der rtack. [15.07] Sinciput, anterior pars. [15.08] Interciput. media pars. [15.09] Vertex, schayttel • [15.10] Craneus. hyrnschal. [15.11] Cranella. idem. [15.12] Duramater. ausserhyrnschal • [15.13] Piamater. ynnerhyrnschal [15.14] Cerebrum • hyrert. [15.15] Cesaries. [15.16] Crinis. [15.17] Coma. Har. [15.18] Pilus Differunt Cesaries a cedendo et tondendo virorum est. Crines eo quod vittis discriminatur. et proprie mulierum est. Com? sunt pexi crines · [15.19] Comare. strelen vel ornare. Vnde therencius in heautoramenon. Et nosti mulierum mores dum molliuntur dum cowantur34 annus est.35 Pili dicti a pelle. quia ex ea prodeunt [15.20] Capillus. harlock. [15.21] Cirrus, harschopff. [15.22] Trica. zopff [15.23] Caluicium. glatz. [15.24] Caluicies. idem. [15.25] Caluus. a. um. glatzig. [15.26] Caluaria. tottenschedel.

34 35

camantur Vgl. Terenz: Heauton 239 f.

timorumenos

II, 2,

197

[15.27] Tempus, der schlaff. [15.28] Frons. tis · stiren. [15.29] Vultus antlit. [15.30] Facies idem. Faciem natura, wltum dat hominis voluntas. Vultus mutatur. Facies non. [15.31] Visus • gesichte. [15.32] Auditus. gehöre. [15.33] Odoratus. ryeche [15.34] Olefactus. idem. [15.35] Gustus · schmack. [15.36] Tactus · begriffung. [15.37] Sensus. empflntnuß. [15.38] Oculus aug. [15.39] Ocellus euglin. [15.40] Talmus. aug [15.41] Monoculus eindgig. [15.42] Obtalmia augenwee [15.43] Pupilla. augenapffel [15.44] Vuea idem [15.45] Palbebra. augbra · vel sinus oculorum [15.46] Acies. gesichte. [15.47] Corona, der mittel circkel inter album et pupillam. [15.48] Cornea, quia vt cornu durum. Albuginem dici. [15.49] Lacrima treher. [15.50] Treraa36 idem. Lippus oculus vel cui fluunt oculi. [15.51] Cilium. braw. [15.52] Supercilium. oberbraw. [15.53] Intercilium est medium inter cilia et super cilia, quod sine pilis est. [15.54] Hirquus. augenwinckel. V i gilius in bucolica. Et quo te transuersa tuentibus hyrquis37

36 37

Trema Vgl. Vergil: Bucolica ΙΠ, 8 f.: „novimus et qui te transversa tuentibus hircis, / et

198

VI. Edition

[15.55] Gene, partes infra oculos vsque quo barba se elicit [15.56] Mala, wenglin oder becklin. Vnde maxilla eminentior sub oculis pars [15.57] Nasus. naß. [15.58] Polippus. vetor nasi. [15.59] Naris. naßloch. [15.60] Nasellus. [15.61] Nasiculus kleyn neßlin. [15.62] Nasicellus. [15.63] Simus. est qui nasum habet recuruum sursum. krum naß. [15.64] Aquilus. langnaß. [15.65] Pinnula naßspitz. [15.66] Pirula idem [15.67] Interfinium. das mittel in der naß. die cruspel. [15.68] Os oris · mundt. [15.69] Oscedo. mundstanck. [15.70] Osciduum est diuinatio que fit in apertione oris [15.71] Labium, das ober lefftzlin. [15.72] Labrum. das vnder lefftzlin Labia mulierum. labra virorum dicuntur [15.73] Ligwa. zung. [15.74] Glossa idem. [15.75] Dens. zan. [15.76] Dentes precisores. vorder zen. [15.77] Dentes molares, stock zen. quia quid illi molant hoc alij precidunt [15.78] Dentes canini. sunt acuti medij inter molares et precisores ex sinistra et leuo ordine. duo superius et duo inferius oppositi

quo - sed faciles nymphae risere - sacello."

[15.79] Gingiwa.38 zanßeysch [15.80] Mandibula. bilder oder kynback [15.81] Saliua. spaychel. [15.82] Sputum, idem. [15.83] Palatum, räche, concauitas est supra linguam. [15.84] Faux, quia effundit voces. [15.85] Arterie, vene arte per quas a pulmone spiritus ad vocis mittitur ge39 nerationem. [15.86] Vua [ 15.87] Vuula attem blatt. [15.88] Epiglotis Vel nodus guttereus. est caruuncula que cadit supra meatum anhelitus aut arterie orificium ne quid in viam anhelitus decidat. [15.89] Guttur · kel. [15.90] Collum, hals [15.91] Gula. vorderhals. [15.92] Ceruix. hinderhals. [15.93] Gurgulio. schlund. [15.94] Mentum. kyn. [15.95] Thorus fayste an de(m) kyn [15.96] Palear idem. Alio modo pro lecto dicitur. Inde conthoralis vt infra in capitulo de lectis, ·· 40 ternys [15.97] Barba. bartt. [15.98] Ephebus. onbartt [15.99] Lanugo, iungbartt. [15.100] Rumen, yndruck. [15.101] Ruma idem, vel in gutture nodolus existens. Erumna inde venit id est miseria ·

38 39 40

Gingiva Vgl. [15.104], Verweis von [15.95] auf [31.01] bzw. [53.02],

199

VI. Edition

[15.102] Sublinguium. operculum est gurgulionis. rotz. alio modo est humor naturalis frigidus et humidus in corpore humano. [15.103] Catarrus · schnupff oder phnisel. [15.104] Canna. pulmonis, das ror von der lungert, vt supra vocalis arteria. 41 [15.105] Ysophagus. schlundror. [15.106] Trachea, lungenror [15.107] Auris. or. [15.108] Auricula • orleplin. Aures hominum. Auriculas asinorum vel brutorum dicas. [15.109] Cartilago. kruschpel. waychbayn. sicut in auriculis et similibus. [15.110] Brachium. arm. [15.111] Vlna. vorder arm [15.112] Lacertus. hinderarm. quia lateri insitus. [15.113] Cubitus, elbogen. quia eo flexo incubamus super ipso [15.114] Manus. hand, et potestas dicitur vt armata manus. id est potestas. [15.115] Callus est duricies manus · [15.116] Cirus. hand, vnde [15.117] Ciroteca. hentschuch. quia tegit cirum. 42 [15.118] Digitus · finger [15.119] Pollex, daum. [15.120] Index, der zeyger [15.121] Medius. der mittel finger. [15.122] Auricularis. orfinger. [15.123] Annularis, rinckfinger. [ 15.124] Ir. das mittel in der handt [15.125] Dextra. rechte handt.

[15.126] Leua. lincke handt. [15.127] Sinistra, idem. [15.128] Pugnus. 4 3 /a«s/ [15.129] Palma gestrackt handt. [15.130] Pugillus. feustlin. [15.131] Vnguis. nagel. [15.132] Vngula idem Vngues hominum. Vngule brutorum. [15.133] Artus, glaych. [15.134] Articulus. glaychlin. [15.135] Musculus, mußbratt. [15.136] Ala. üchsen oder arm. vettach. [15.137] Ascella. vnderüchß. [15.138] Subhircus vel subhirquinus. idem. Nam cilleo id est moueo. Inde enim brachia mouentur. Et quia ibi semper sudoris est vetor. ideo subhircus dicitur · et hircus a fetore animal est quod multum fetet. [15.139] Titillicus. kutzelfieysch. [15.140] Titillo las. lare. kutzlen. [15.141] Glandula, dries. [15.142] Humerus, achsel. [15.143] Armus idem. Differunt tarnen · nam humeri hominum. armi vero brutorum [15.144] Scapula, schulter • [15.145] Interscapulum. zwischen der schultter. [15.146] Pale. arum, sunt dorsi dextra. leuaque membra eminentia [15.147] Truncus a collo ad inguem. [15.148] Pectus brüst. [15.149] Torax idem Differunt tarnen, nam pectus est inter eminentes mammillarum partes quasi pexum. Torax vero a collo ad stomachum tenditur.

41 42

43

Verweis auf [15.85], arum

Pungnus

200

VI. Edition

[15.150] Cutis, hautt [15.151] Pellis. leder oder hautt. [15.152] Corium leder. Differunt tarnen. Cutis carnem tegit. Pellis. quia iniurias tegit. Corium. quia ea caro tegatur. Item cutis hominis vel dum est in animali. Pellis dum est in abstracta. Corium dum est in vsum dispositum. vt Cutis bouis. pellis cerdonis. corium sutoris [15.153] Mamma me. dicitur a mala, quia rotunda est vt mala · Inde mamilla le. diminutiuum. Et sunt mamme mulierum. mammille virorum. vbera pecorum. [15.154] Papille sunt capita mammarum que sugentes comprehendunt. düttwertzlin • [15.155] Vber. brüst oder eütter. et vbera pro eo significatio solum dici pluraliter. [15.156] Lac milch • [15.157] Porus. schweyßloch. [15.158] Sudor, schweys. [15.159] Aruina. schmerb. [15.160] Pingue./ajsi. [15.161] Pingwedo idem. Differunt tarnen · Quia ysidorus in .xi. ethymologie Aruinam dicit cuti adherere.44 Pingwe vero quodlibet corpus dicitur • Seruius primo georgica virgilij dicit quod neque pinguedo neque pingwitudo liceat dicere.45 sed nos sie vsurpauimus. [15.162] Macer. a. um. mager. [15.163] Maries. magerung. [15.164] Macillentus. gantzmager. [15.165] Crassus./eysf. [15.166] Crassitudo./ejste.

44 45

Vgl. Isidor XI, 1, 81. Vgl. Servius: Vergil, Georgica III, 124.

[15.167] Corpulentus. großleybig. [15.168] Caro. fleysch.46 [15.169] Caruvuicxüa.fleyschlin [15.170] Pulpa, magerfleysch Item caro · quia cecidit. id est mortua.47 Inde [15.171] cadauer. schelm • Pulpa vero. quia pulsata et percussa vt in maccello. Donatus in commentarijs thereneij. quod pwlpas48 homines.49 carnes vero bruta vt lupi aut canes comedunt Et caro quasi cado · quia mortua nature aut suo vicio. [15.172] Neruus. geeder. waltenwachs. sicut cartilago. oder harwachß. [15.173] Os ossis. payn. [15.174] Compagia · capita ossium sunt, quia nerui hijs sunt compacti. [15.175] Medulla march. [15.176] Costa, rypp • [15.177] Latus · sytt. quia latet dum super eum iacemus. [15.178] Dorsum. [15.179] Tergum. Ruck. [15.180] Tergus oris. Differunt tarnen. Dorsum quia durum ad labores et ad portandum Tergum. quia supini in terra super tergo soli homines iacent. Tergus brutorum. Vnde virigilius primo eneide. Tergora diripiunt costisque viscera nudant50 • Et tergora quia quasi tersa apparent. [15.181] Nucha, ruckenmarck. [15.182] Spina dorsi. ruckenpayn. [15.183] Spondilia. sunt juncture dorsi.

46 47 48 49 50

Vgl. [45.50], id est mortua est. palpas Vgl. Donat: Terenz, Eunuchus Vgl. Vergil: Aeneis I, 211.

III, 1, 426.

201

VI. Edition

[15.184] Venter. [15.185] Aluus. bauch. [15.186] Vterus Differunt tarnen. Venter, quia cibum digerit acceptum. Aluus quia cibum recipit et solet purgari ab abluendo dictus. Vterus mulierum est quia in eo concipiunt. [15.187] Vmbilicus nabel [15.188] Ilia, kleyn dermlyn [15.189] Clunis. arßback. [15.190] Nates, idem. Differunt quia a cluno id est defendo. quia sedentis ossa defendunt. Nates vero quia dum sedemus eis innitimur. Ilia vero quia obuoluamus nos · Est enim ilios grece obuoluere [15.191] Genitalia, gemecht [15.192] Inguina idem. [15.193] Inguera51 et mulierum et virorum potest esse. [15.194] Priapus [15.195] Dactilus [15.196] Ramex. [15.197] Virga virilis. zagel. [15.198] Veretrum quia virus emittit. [15.199] Erreus [15.200] Mentula [15.201] Prepucium. zagel decklin. [15.202] Testis, hod. oder ein zeug.52 quia sicut quilibet mas perfectus habet duos testes ita in ore duum vel trium stat omne verbum id est testamentum. [15.203] Testiculus. hödlin [15.204] Vulua. quia ventris valua [15.205] Aurea porta hec idem significant [15.206] Pudenda • schäm.

51 52

Inguem zueg

[15.207] Posteriora · quia natura retro posuit. ne dum illa purgantur. inquinemur aspectu. [15.208] Femur, quia ea parte sexus viri et femine discrepant · Est ea pars que est ab inguinibus ad genua · huff [15.209] Sperma tis. mansamen. [15.210] Menstruum frauenkranckheyt • Quia omni mense sanguis fluit liuidus per spinam dorsi. [15.211] Ypomenes. venenum stillans ex vulua [15.212] Matrix, pellicula que post conceptum semen statim attractum clauditur. et continet in se decern cellulas. [15.213] Matrix, bermuter [15.214] £mbrio. ein vngeborn kindt [15.215] Abhortiuus. vnzeyttig kindt. [15.216] Secundina dicitur pellicula in qua puer voluitur in vtero matris · Et dicitur a sequor. quia sequitur in mundum. kindsburdlin. [15.217] Merda • dreck. [15.218] Stercus idem. [15.219] Vrina. harm. [15.220] Vritides sunt pori vesice per quos destillat vrina. Et dicitur vrina quia fit ex digestionis vstura Nam medici dicunt quod vrina est colamentum sanguinis et olim humorum naturalium. [15.221] Vrinale · harenglaß. [15.222] Madula. bruntzkachel oder bruntzwinckel. [15.223] Sipharius. idem, et proprie mulierum. Nam sipho onis53 · est sibulus quem mulieres immingendo faciunt.

53

Vgl. [70.33],

202

VI. Edition

[15.224] Minctura bruntz. [15.225] Anus. arß. [15.226] Cuius-idem. [15.227] Coxa, geschloß [15.228] Crus. bayn. quia in eo currimus. sed sub genubus illa pars crus est. [15.229] Genu, knye [15.230] Geniculo las. lare · knyebiegen. [15.231] Poples itis. knyescheyb. [15.232] Suffragiens. knyebiege. od(er) knyeweyche • quia subtus franguntur et inclinantur sicut supra in brachijs. [15.233] Tibia, schinbeyn. ad similitudinem tube. [15.234] Sura. wad. [15.235] Talus, knod. sub sura. [15.236] Pes. fuoß. quasi poda. quia a greco nomine tractum. Inde [15.237] calopes vel calopodium. holtzschuch. quasi ligneus pes [15.238] Solea sool. quia solum id est terram imprimimus [15.239] Calx [15.240] Calcaneus sool. [15.241] Planta Differunt tarnen, quia a calcando calx. A planitie planta. solea a solo imprimendo. [15.242] Subtellus. fuoßhylin.54 quia est sub talo. [15.243] Pedica. zehe oder fuoßysen quia pedem capit • [15.244] PtAor. fuoßstanck. [15.245] AIlux. groß zehe. cetera vt supra digitus [15.246] Angina, halßgeschwulß.

[15.247] Orexis. vomitus exiens ex ore. [15.248] Orexia · infirmitas ex nimia comestione. [15.249] Cor. hertz [15.250] Vecordia • hertzwee. [15.251] Cordiaca. hertzader. et est aliquando cordis passio [15.252] Vena. ader. quia per earn sanguis venit id est fluit per corpus et iuncturas [15.253] Precordium. vorhertze. [15.254] Pulsus · schlag. [15.255] Pulsatilis. Schlagader. [15.256] Splen. miltz. [15.257] Splenetica. miltzader. [15.258] Iecur. leber. [15.259] Epar idem. [15.260] Colon • bodler der groß darm. a quo venit Colica passio. vt infra patebit. 55 [15.261] Ilia, kleyn dermlin. [15.262] Epatica. leberader. [15.263] Fibre, iecoris extremitates. Et sunt quedam vene dicte fibre quia ab ariolis ad phebi aras pro oraculis captandis ferebantur [15.264] Bilis. gallenbittere, humor fellis. et aliquando pro ira ponitur. [15.265] Fel. gall. [15.266] Cistifellis. gallenblatter. quasi cista fellis. indeclinabile. Effectus talium · Cor sapit. Pulmo loquitur. Fel conmouet iram. Splen ridere facit. Iecur cogit amare. [15.267] Vesica, blatter, quasi vas aque · [15.268] Vritides. blatterlöchlin

54

55

fuoßhyliw

Verweis auf [15.284],

VI. Edition

[15.269] Lumbus inebriat · quia in lumbis consistit libido. [15.270] Ren. nyer [15.271] Lien · maßdarm. [15.272] Lienteria infirmitas lienis. [15.273] Podex icis. arßdarm. [15.274] Reticulum, netzlin. [15.275] Stomachus mag. [15.276] Intestinum, ingeweyde. [15.277] Viscus idem. Et pluraliter maxime pro hoc significato reperitur Sunt enim viscera secundum ysidorum .xj. ethimologie. circumfusa cordis loca quasi vistora. et ab alijs viscera dicuntur omnia interiora sub cute et maxime solide carnes Hec seruius.56 [15.278] Exta. plerumque pro eodem. [15.279] Omentum, wamm oder gederm • et continet intestinorum maiorem partem secundum ysidorum. 57 [15.280] Cecum, intestinum quod est sine foramine. et vere hoc est impossibile • nam habet vnum foramen per quod recipit. et aliud per quod expellit. sed talia foramina respectu aliorum intestinorum non sunt directe opposita. sed iuxta se posita. Ideo cecum dicitur. [15.281] Ieiunum. tenue intestinum. Inde ieiunium. quia extenuat ventrem. [15.282] Omasum, kuttlen. [15.283] Colus. krumer darm. oder budler. quia digestum per ipsum colatur. [15.284] Colica · passio coli.58

56 57 58

Vgl. Servius: Vergil, Aeneis VI, 253. Vgl. Isidor XI, 1, 130. Vgl. [15.260],

203

[15.285] Laxus • waych in de(m·) bauch. [15.286] Constipatus · hert in de(m) bauch • [15.287] Constipatio. herttung. [15.288] Eructatio außwerffung. prouenit enim ex cibi superfluitate. [15.289] Tactus. schlag od(er) guot. [15.290] Appoplexia. idem · [15.291] Spasmus, krampff. [15.292] Paralisis · membrorum resolutio. [15.293] Paraliticus. gichtbruchig [15.294] Stranguiria. vrine constrictio. [15.295] Dissenteria. blutschyß. [15.296] Dyaria. die ruor. [15.297] Epilensis. fal[15.298] Morbus caducus lent[15.299] Morbus comicialis siech [15.300] Epilenticus. qui patitur epilentiam [15.301] Verruca, wertz • [15.302] Emorrois. idis · fluxus sanguinis. et forte dum per os exspuimus. Et quia dominus sanauit in ewangelio emorroissam mulierem vocatam a sanguinis fluxu. 59 [15.303] Podagra pedum. Cirogra est manuum infirmitas. [15.304] Idropisis Wassersucht. [15.305] Idropicus. wassersuchtig. [15.306] Singultus, tui. anhelitus difficilis attractio. Vel vt medici dicunt. singultus est sonus violente commotionis oris, ex fumosa stomachi dispositione proueniens. Et dicitur forte die phnufftz oder der nesch. [15.307] Febris. kaltsiechtag.

59

Vgl. Vulgata, Matthäus 9, 20-22; Markus 5, 25-34; Lukas 8, 43-48.

204

VI. Edition

[15.308] Terciana. dry tegig. [15.309] Quartana, viertegig. [15.310] Cottidiana febris. teglich. [15.311] Lepra, feltsiechtag. [15.312] Leprosus. maitzig oder feltsiech [15.313] Epidimia ·pestilentz. [15.314] Pestilencia. idem [15.315] Calculus, gryen. Etiam calculus paruus lapillus cadens in calceum ledit calcem Etiam calculus lapis quo calculatur id est computatur. 60 [15.316] Letargia. obliuionis infirmitas. A leteo flumine inferni. vtpatet. vi. eneyde. 61 [15.317] Scabies. [15.318] Prurigo raude. ex ardore. [15.319] Pruritus tui. Prurigo quasi perurigo. quia ex ardore ad scalpendum impellit et perurit membra [15.320] Pruriginosus. [15.321] Scabiosus. reudig62 [15.322] Phanaticus. menig [15.323] Crispus. kruß. [15.324] Crinis passus. breythar. lang zu lotzt. [15.325] Lentigo, rubea faciei macula ad modum lentis.

60 61

62

Vgl. [79.24], Vgl. Vergil: Aeneis VI, 713 ff.: „tum pater Anchises ,animae, quibus altera fato / corpora debentur, Lethaei ad fluminis undam / secures latices et longa oblivia potant. / [...]"' Lethe ist ein Fluß der Unterwelt, der den Verstorbenen Vergessenheit bringt. Im Baseler Druck steht Phanaticus vor Scabiosus und die Obersetzung reudig folgt nach menig in einer Zeile, so daß sich die beiden deutschen Interpretamente auf die Lemmata 15.320-15.322 beziehen würden.

[15.326] Lentiginosus · rysameth. [15.327] Cecus. plindt. [15.328] Surdus. taub. [15.329] Mutus. stum. [15.330] Edentulus. on zen. [15.331] Mancus. on hand, quia carens manu. [15.332] Claudus. lam oderhynckat[15.333] Loripes. steltzer. [15.334] Contractus, lam. [15.335] Mutilatio. membrorum priuatio. [15.336] Vertigo, haubtschwindel.

[16] Sanguis [16.01] Sanguis bluot. in corpore, quia saginat corpus. [16.02] Cruor. schweyß. [16.03] Sanies, eytter. [16.04] Tabi idem. [16.05] Putris. tre: [16.06] Putridus da. dum. faul. [16.07] Marcidus [16.08] Tabidus. [16.09] Capitosus. hirnig. [16.10] Lunaticus. menyg. [16.11] Vlcus. eris. eyß. [16.12] Vulnus. wund. [16.13] Cicatrix, maße.

[17] Complexio [17.01] Complexio. art oder aygne natur. auß vier element eygenschafft. [17.02] Melancolia. terrea et sicca et frigida complexio · Inde melancolicus. grauis. tardus, iners lutei coloris. tristis. et cetera

VI. Edition

[17.03] Flegma. aquea frigida et humida complexio. Et fere omnes mulieres flegmatice sunt · [17.04] Sanguinea optima est. aerea humida et calida. A qua sanguineus ad optima aptus. pulcer amabilis. liberalis. affabilis. prudens. [17.05] Colera ignea. calida et sicca siccitate ignis. Inde colericus et cetera

[18] D e a f f i n i t a t i b u s et gradibus. [18.01] Pater vatter. Cure vt tutor Honoris vt abbas. Geniture id est nature Etate quia senex · Creationis vt deus Adoptiuus. ex optione. [18.02] Pater Optio · id est elecrio.63 Putatiuus. quia putatur vt ioseph pater hiesu [18.03] Legittimus eelicher vatter [18.04] Adulterinus eebruchlicher vatter. Naturalis, quouismodo quia genuit. [18.05] Vitricus stieffuatter. Et pater a patratione · est enim patratio venerei consumatio [18.06] Genitor geperer [18.07] Paterfamilias hußuatter. [18.08] Mater muter quasi in generatione existens materia · quia masculus in earn semen terit [18.09] Nouerca stieffmuter. quasi noua mater.

63

eleicio

205

[18.10] Materfamilias. hußmuter • [18.11] Parentes. quasi parientes · Pater generat. mater marit. vtrumque gignit. [18.12] Puerpera. kindtpererin • [18.13] Gemellipera. que non duos sed plures parit pueros. sicut [18.14] gemini zwyling. Et non solum duo sed plures possunt dici gemini, teste Isidorus .ix. ethymologie. 64 [18.15] Filius SM«. [18.16] Vnigenitus. eingeborner sun. [18.17] Primogenitus erstgeborner sun. [18.18] Priuignus. stieffsun. quia prius genitus. 65 [18.19] Gnatus. id est filius quasi generates. [18.20] Filius adoptiuus. erweiter sun. [18.21] Filius legittimus. eelicher sun. [18.22] Filius naturalis quouismodo genitus. [18.23] Filius adulterinus. eebruchlicher sun • [18.24] Posthumus · nachgeboren. quia humato id est sepulto patre est genitus. [18.25] Filius doctrine • filius imitationis. vt apostolus nos vocat filios [18.26] Basthardus generale est. [18.27] Spurius ex concubina. [18.28] Nothus ex adultera. [18.29] Manser ex scorto. [18.30] Soboles progeniei ordinatio dicendo primogenitus. vnigenitus. medius. nouissimus. et cetera [18.31] Filia. tochter.

64 65

Vgl. Isidor IX, 5, 20. Vgl. [18.33],

206

VI. Edition

[18.32] Gnata idem. [18.33] Priuigna stiefftochter. quia primus genita. Die sicut de yilio66 supra.67 Item nothus de patre nobili matre ignobili · Spurius econuerso • vel ex patre incerto. et matre vidua quasi extra puritatem castitatis conceptus. [18.34] Orphanus na. [18.35] Pupillus la. wayßlin. [18.36] Orbatus ta. Pupillus matre. Orphanus patre. orbatus vtroque caret parente. [18.37] Auus. eny. patris pater. [18.38] Auia vel aua. ana. Auus paternus • Auus maternus. Auia vel aua paterna. Auia vel aua materna. Auctor mei generis est mihi pater. ego illi fllius vel filia. Patris mei pater, michi auus est. ego illi nepos aut neptis. Patris mei auus michi proauus est. ego illi pronepos vel proneptis. Patris mei proauus michi abauus est. ego illi abnepos vel abneptis. Patris mei abauus michi attauus est: ego illi adnepos vel adneptis. Patris mei attauus michi tritauus est. ego illi trinepos vel trineptis. Cognati sunt patris. agnati matris. Affines vtriusque. hec guarrinus68 [18.39] Cognatio gesypschafft von vatter [18.40] Agnatio von der muoter. [18.41] Affinitas von vatter vnd muoter. Isidorus aliter de hijs dicit. Quod agnati ex patre. et dum desunt

66 67 68

jilio Verweis auf [18.18], Zu Guarinus aus Verona vgl. Kapitel III. 3. 2.

filij in locum eorum succedunt vt essent nepotes aut eius filij. Cognati quasi propinquitate iuneti. et veniunt per feminei sexus personas.69 [18.42] Proximi nachfrundt. a sanguinis propinquitate. [18.43] Consanguinei. quia ex vno sanguine id est patris semine. [18.44] Fratres brueder. quia sunt ex eodem seminis fruetu. [18.45] Sorores schwestern. quia sociate semine [18.46] Germani brueder. ex eadem genitrice. id est matre. [18.47] Germane geschwestern. similiter vterini ex vno eodemque vtero licet ex diuersis patribus. [18.48] Gemini gemelli. quia uno partu geniti [18.49] Fratres patrueles sunt quorum patres germani fratres inter se sunt. [18.50] Patrueles bruederkinder. [18.51] Patruus vetter. patris frater quasi alius pater. [18.52] Arnica baß. soror patris quasi alia mater [18.53] Matertera beßlin. soror matris quasi altera mater · [18.54] Fratrueles sunt filij matertere [18.55] Nepos kindes sun. [18.56] Neptis kindes tochter [18.57] Compater geuatter. [18.58] Commater geuetterin70 • [18.59] Patrinus gotte [18.60] Patrina gotta. [18.61] Consobrini geschwisterkindt • quasi consorini. siue hoc ex fratre et sorore. siue ex duabus sit sororibus.

69 70

Vgl. Isidor IX, 6, 1 f. geuetteri/

VI. Edition [18.62] Auunculus matris me? frater. quia ab auo diminuit.

[19] De patruis. Patris mei frater michi patruus est. ego Uli fratris filius vel filia. Patrui mei pater mihi pater magnus est. ego illi filij fratris filius vel filia. Patrui mei auus michi propatruus est. ego illi filij filie nepos aut neptis. Patrui mei proauus. michi adpatruu.v71 est. ego illi nepotis aut neptis filij filius aut filia.

[20] De amitis. Patris mei soror. michi arnica est. ego illi fratris filius aut filia Amite mee mater · michi amica magna est. ego illi fratris filie filius aut filia · Amite mee auia. michi proamita est ego illi neptie filius aut filia. Amite mee proauia michi abamita est ego illi nepos aut neptis ·

[21 ] De auunculis Matris me? frater. michi auunculus est. ego illi sororis filius aut filia Auunculi mei pater mihi auunculus magnus est. ego illi filij sororis filius aut filia.

71 adpatruua

207

Auunculi mei auus. michi proauunculus est. ego illi filij sororis nepos aut neptis · Auunculi mei proauus michi abauunculus est. ego illi neptis filius aut filia.

[22] De materteris Matris me? soror michi matertera est. ego illi sororis filius aut filia Matertee mee soror. michi matertera magna est. ego illi sororis nepos aut neptis Auie mee soror michi abmatertera est. ego illi pronepos sororis aut proneptis. Proauie mee soror · michi promatertera est. ego illi sororis neptis filius aut filia.

[23] De nuptiis et ex his contractis amiciciis et appendiciis [23.01] Maritus man. [23.02] Marita fraw • [23.03] Masculus mendlin. [23.04] Sponsus brutgam [23.05] Sponsa braut. A verbo spondeo id est promitto. vel a sponda id est lecto. Nam sponsa condormiendo sponso suam exit spondam: Arrabo quod datur pro coniugio. dicitur quasi bona arra. [23.06] Arra ein hafft. nam inter coniuges fiebant quedam stipulationes et promissiones. Coniuges quasi fide coniuncti propter indiuiduam vitam vt subiciantur iugo matrimonij. [23.07] Coniugium vermahelung.

208

VI. Edition

[23.08] Procus kupier, a precando nuptias [23.09] Pronuba eemacherin. [23.10] Innuba. vnuermahelte. [23.11] Nuptie. brutloffe · quia in hijs primum nubentium capita velantur. [23.12] Vxores quasi vnxores · Nam olim nubentes puelle ad postes mariti venientes antequam ingrederentur laneis vittis ornate oleo vngebantur [23.13] Matrona nupta casta. Vnde [23.14] matrimonium die ee • matrona que in matrimonium venit. vel quia in matrimonium trusa ideo dicitur matrona. [23.15] Mater que genuit. [23.16] Materfamilias que solennitate iuris in familiam mariti venit hußmuter. [23.17] Monogamus der ein eefrawen hat quia vni tantum nupsit. Est enim monos vnum et gama mulier. [23.18] Bigamus. vir duarum aut vidue. [23.19] Digamus idem, nam gama mulier dicitur [23.20] Vidua wittwe. quasi viro ydua id est viro priuata [23.21] Viduus wittling. [23.22] Fratrissa vxor fratris. [23.23] Leuir. frater mariti quasi sit leuus · non verus vir. [23.24] Ianifr/ces.72 zweyer brueder wiber. [23.25] Socer qui dat filiam. [23.26] Gener qui duxit filiam · [23.27] Socrus schwigere • [23.28] Paranymphus. brutfuerer oder hueter. [23.29] Paranympha brutfuererin.

72

Ianices

[23.30] Hymeneus deus nuptiarum · [23.31] Hymen deus castitatis et pellicula virginitatis. [23.32] Tentigo • quia tangitur et tactu rumpitur illud quod apparet et floret dicimus. [23.33] Diuorcium viri et femine separatio. [23.34] Repudium femine reiectio. hec aliter a legistis dicuntur. [23.35] Epitalmion est carmen nuptiarum. [23.36] Osculum pacis est. [23.37] Basium amicorum est. [23.38] Suauium. lasciuorum est [23.39] Ganneo. huorenbub [23.40] Ganneum [23.41] Lupanar huorhuß [23.42] Prostibulum. [23.43] Prostituta • huor. meretrix idem • [23 .44] Scortum buebin. [23.45] Pellex zuwyb. [23.46] Pelliceo blande decipio et est meretricum. [23.47] Concubina. vneelich wyb. [23.48] Leno buob [23.49] Lenocinium bueberey [23.50] Lena buebynn. [23.51] Prostibularius frauenwirt. [23.52] Prostibularia frauenwirtin. [23.53] Adulter eebrecher. [23.54] Adultera eebrecherin. [23.55] Fornicarius huerer • [23.56] Fornicaria huererin. [23.57] Stuprator. qui virginem violat. [23.58] Desertor idem, quia virgini sertum id est crinile deponit. [23.59] Sacrelegus. qui in personam sacram agit.

VI. Edition

[23.60] Incestator qui in amicam agit. [23.61] Raptor qui rapit quem cognoscit [23.62] Mechus est generale. [23.63] Zelotipus. qui meam amat vel ego suam. Inde zelotipia. que est suspicio amoris

[24] Ciuium et populi et vocabula seniorum. [24.01] Ciuis. burger, quia ciues quasi in vnum vt viuant coeuntes dicuntur. [24.02] Ciuilis. bürgerlich. Inde ciuilitas. [24.03] Consul · ratsherr. a consulendo. [24.04] Proconsul, einer an eins ratsherrn stat. [24.05] Exconsul: quia functus est consulatu. [24.06] Dictator, fuit populi magister. et est rome dignitas supra consules. durabat enim dictatura ad quinquennium. cum omni anno, consules qui duo erant variabantur. [24.07] Edictum. künigklich gebot. Et quia a dictatoribus edicta condebantur. [24.08] Populus comprehendit et ciues et plebem [24.09] Plebs, gemeyn volck · demptis senatoribus et patribus. et plebs dicitur eo quod plures. [24.10] Vulgus. id est plebs · Vulgus eo quod quisque facit quod wlt. Est enim vulgus passim inhabitans multitudo. [24.11] Tribus bui. geschlecht

209

[24.12] Tribunus. quia iura tribuit. aut tributa dat siue colligit Romani creauerunt tribunos plebis et militum et cetera [24.13] Senatus. ein ratt. a senioribus. [24.14] Conscripti patres, romani senatores. quia eorum nomina aureis litteris et enea tabula conscribebantur [24.15] Senatusconsultus. a consulendo dicitur. quia senatus consuluit [24.16] Senatusdecretum. eines rats meynung. [24.17] Plebiscitum. eo quod plebs scire debet. [24.18] Censor, ein richter. a censo eris. sunt enim patrimoniorum iudices. [24.19] Iudex, vrteyler. quasi ius dicens [24.20] lusticium cij. quasi iuris tacium. quod fit cum iudicis sententia aut silet aut repellitur. [24.21] Prefes. ein vogt. quia prouincie preest. [24.22] Prefectus idem. [24.23] Prouincia. eyn Versorgung. regiones a romanis bello victe dicebantur prouincie procul victe quibus dabatur. Prefectus id est procurator · dicimus enim. istac in re. meam accipe prouintiam id est procurationem, valet enim idem, quod meas tuere vices. aut partes. Et hoc therentianum est Vnde in phormione Ο geta geta duram accepisti prouinciam 73 [24.24] Pretor. ein obrer der quasi preceptor [24.25] Pretorium ratthauß

73

stat

Vgl. Terenz: Phormio I, 2, 73: „o Geta, provinciam cepisti duram."

VI. Edition

210

[24.26] Questor · quasi quesitor aput quem questiones agebantur 74 [24.27] Proceres, die edlen, quasi alijs precedentes. [24.28] Primores. quia alijs preeminent Primores et proceres pluraliter dicuntur. [24.29] Nummularius seckler. [24.30] Numerarius idem [24.31] Erarius. der stat seckel. quia ibi era deponuntur. [24.32] Erarium. locus talis. [24.33] Gazophilacium. ein schätz seckel. vbi [24.34] gaze (die schetz) reseruantur. [24.35] Fiscus. ein gemeyner seckel. [24.36] Sindicus · ein gemeiner procurator. vt syndicus ecclesie. syndicus capituli. [24.37] Municeps. nati in eodem municipio. [24.38] Municipium. ein verbürg. quibus extra habetur ciuitatis municio. id est defensio. [24.39] Municipium freyheyt. a principe impetrata. Inde iura municipalia.75 [24.40] Burgum. ein bürg. Inde burgarius et burgensis. [24.41] Prothonotarius. statschreyber [24.42] Scabinus. assessor iudicis. zunfftmeyst(er). [24.43] Monopolio Ein zunfft oder [24.44] Collegium ein samlung. [24.45] Zunffta. Fictum est Inde magister zunfftarum sicut magister ciuium

74 75

Vgl. [IQ.01], Zu [24.38], [24.39] vgl. [37.10],

[24.46] Tabellio onis. ein leyffel. brieff treger. [24.47] Tabellarius idem, a tabulis. [24.48] Mercenarius. a. myettling [24.49] Conducticius. idem. [24.50] Conductor. gleytzfüerer. [24.51] Theolonius vel theoloniator. zoller. [24.52] Publicanus. idem. [24.53] Exactio. Schätzung [24.54] Pedagium./ho/Jzo// [24.55] Edagium. wagen oder roß zoll [24.56] Villa, dorff. a vilibus perso•

·

76

ms in ea. [24.57] Villanus, dorffman. [24.58] Villana dorffwib [24.59] Villicus. rector ville dicitur [24.60] Colonus. arbeytter. ackerman. od(er) rebman. sunt enim aduene quibus locatur ager pro emphyteosi id est pro vsufructu [24.61] Emphiteosis. bodemzins. [24.62] Inquilinus. ynseß. quasi aliena incolens [24.63] Aduena. frömder. Aduenena manet. sed inquilinus ad tempus manet • [24.64] Exter us. frömder. [24.65] Alienus. idem [24.66] Longinquus./er her frömbd [24.67] Indigena eingeborner. [24.68] Incola. ynwoner. sed ex aduenis proprie. [24.69] Alienigena./re/Mi/f geboren. [24.70] Rurigena. genitus in rure. [24.71] Francigena. genitus in francia [24.72] Sueuigena. genitus in sueuia.

76

Vgl. [37.04],

VI. Edition

[24.73] Peregrinus. bilgerin. eo quod parentes eius ignorantur [24.74] Vrbanus. natus in vrbem. statman • [24.75] Opidanus. natus in opido. Romani quondam solum vrbani. quia sola roma merebatur vrbis nomen. Ceteri aut opidani ab opidis. aut castellani a castellis [24.76] Opidum. stettlin oder mercklin. quia opes in vrbem ferebat aut his abundabat. [24.77] Famulus, ein knecht. et ex propria familia [24.78] Seruus. ein knecht. quia in bello seruatus · nam iure belli seruus debuit occidi. [24.79] Mancipium. ein dienst, quia manu captum. vt homo, equus. hec sunt inducta iuregentium. quia iure naturali omnes liberi nascimur. [24.80] Verna, knecht oder magt. communis generis [24.81] Vernaculus. knechtlin • [24.82] Architriclinus. Schaffner. [24.83] Patronus. verweser [24.84] Pedagogus. züchter oder lerer [24.85] Pedissequus. a · nachuolgend(er) knecht [24.86] Empticius seruus. gekaufter knecht • [24.87] Liber. frey. Inde liberalis et liberalitas. [24.88] Ingenuus. edel, a genere sed non a facto habet libertatem. [24.89] Libertus. ein entledigiter knecht. quasi a seruitute liberatus [24.90] Libertinus. filius liberti. [24.91] Manumissus. ledig gesagter [24.92] Dediticius. quia se victum dedit.

211

[24.93] Deditio. ein auffgebung. castri vel burgi aut ciuitatis oppugnanti [24.94] Pallacium. pfaltz. [24.95] Palantinus. pfaltzgraff [24.96] Palliuus. landtuogt [24.97] Inbursator. einseckler. [24.98] Ebursator. außgeber.

[25] M i l i c i e et belli v o c a b u l a [25.01] Miles • ritter. quia romulus post vrbem conditam mille elegit quos milites id est propugnatores vocauit. [25.02] Bellum, streytt. Antifraseos. quia non pulcrum. bellus ior. issimus. id est pulcer [25.03] Rex. künig. quia regit. [25.04] Tyrannus. künig. propria significatione. quia fortis. Nam tyro onis. id est fortis [25.05] Satrapa. est sapiens vel potens rex [25.06] Dux. hertzog. nam ducit exercitum. [25.07] Princeps. fürst, dignitatis nomen [25.08] Monarcha. ein eyniger fürst. [25.09] Iulius monarcha. romanorum primus fuit [25.10] Tetrarcha. qui tenet quartam partem regni qualis aput iudeam philippus fuit [25.11] Ciliarcha. gewaltiger über tausent ritt(er). [25.12] Centurio. gewaltig über hundert ritter [25.13] Miles Ordinarius qui per ordinem militat et adhuc sine gradu. Et dicitur gregarius quia humilis et ex grege

VI. Edition

212

[25.14] Extraordinarius, qui adeptus est virtuti [25.15] Emeritus · ein alter ritter. quiescens a militia, his rome taberna meritoria fuit constituta vt omnibus amore patrie in militia consumptis tandem quo viuerent prouisum erat [25.16] Veteranus idem • [25.17] Equester. reytter. ab equo. [25.18]Tyro onis • starcker. aptus militie. [25.19] Tyrocinium. id est noua militia. Nam electo tyrone intemptabatur. [25.20] Stipendium, sold, a stipitibus id est denarijs [25.21] Pedester. fuoßknecht. apede. [25.22] Phalanx, id est legio. schar. [25.23] Satelles, itis qui satis latus tuetur [25.24] Satellicium. est satellitis Stipendium.

[25.25] Excubitor · qui excubias seruat. [25.26] Excubie arum, schiltwache eo quod extra cubant propter exercitus custodiam [25.27] Velites. quasi veloces pugnatores. nam in bellis romanorum post terga militum. equis insidebant. cum ventum erat ad hostes descenderant. [25.28] Castrum, ein hör. olim nulla his mulier interfuit. quasi castum • ne militia lasciuie cederet. [25.29] Tentorium, gezelt [25.30] Funda. schlyng. nam iactibus lapidum pugnatur.77 vt traso aput therencium in oppugnatione edium thaidis.78

77 78

Vgl. [81.14], Vgl. Terenz: Eunuchus IV, 7, 786 ff.

[25.31] Fundibularij. qui pugnant cum funda. [25.32] Sagittarij. cum sagitta. [25.33] Balistarij. cum arcu et balista. sie cum bombardis79 • et cetera [25.34] Balista nomen cepit ab inuentoribus. scilicet a balearibus populis [25.35] Clipeus. schilt. Inde clipifer. [25.36] Pelta idem, ad lune similitudinem. [25.37] Anchille is. rotundus clipeus. [25.38] Vmbo onis. est locus in medio clipei a quo dependet. Inde vmbilicus. [25.39] Parma, ein kleyns schiltlin. a paruitate [25.40] Scutum, buckler. [25.41] Egis. clipeus pelle caprina tectus. [25.42] Telum. langgeschos. [25.43] Iaculum. quia iacitur. etiam pro telo capitur. [25.44] Venabulum • iag spies.80 [25.45] Spiculum. geschos. ad modum spiee. [25.46] Lancea. sper. [25.47] Cuspis. spies. [25.48] Falarica/eurpfeyl % 1 [25.49] Gladius [25.50] Mucro spitz. [25.51] Ensis. schwertt. [25.52] Spata. Differunt tarnen. Ensis ansa, mucro scindit. gladius totum. Spata quia lata [25.53] Framea. messer. a fractura · [25.54] Anceps. gladius vtrobique scindens

79 80 81

bombardis Vgl. [81.06], fwerpfeyl

213

VI. Edition

[25.55] Sica. stabschwert. [25.56] Sicarius. quia fert sicam. velut anthonius in senatu romano siccarius inuentus est. teste tulio in paradoxis. 82 Est enim his pena statuta vt in titulo lege de siccarijs. [25.57] Pugio. tegen. [25.58] Trusile. idem, quia in trudendo stimulat. [25.59] Cluniculus. cultellus. clunibus supra ligatus [25.60] Cestus tui. [25.61] Claua eysenner kolb. [25.62] Contus. Cestus a cedendo, id est percutiendo dictus. veluti inter daretem et Entellum. virgilius in quinto commemorat. 83 Item contus etiam genus gladij est a coctando id est inquirendo. Nam occidit querendo animam. [25.63] Balista. armbrust. a balearibus populis. [25.64] Arcus · bogen, quia a remotis arcet [25.65] Corda. syen. quia extensa sicut corda. [25.66] Pharetra. kocher. quia fert iacula [25.67] Aries instrumentum belli simile arieti. [25.68] Erix. cratis testudo. hec ab animalibus nomina capiunt per similitudinem. Cratis paries virgultis con-

82

83

Diese Stelle bezieht sich möglicherweise nicht auf Ciceros Paradoxa Stoicorum sondern auf die Philippicae orationes, da hier Marcus Anthonius als Meuchelmörder bezeichnet wird. Vgl. z.B. II, 8; II, 31; V, 18; XIII, 23. Zu Cicero vgl. Kapitel III. 3. 2. Vgl. Vergil: Aeneis V, 387-467. Entellus und Dares verzichten auf ihre caesti als Waffen und kämpfen mit den Fäusten.

textus. testudo. quia bellantes tegit sicut testa conacham. [25.69] Petraria. quia iacit petras. [25.70] Mango, quia manibus agitatur. ein boler. [25.71] Mortorium. quia proicitur et proiectu in partes scinditur. suoque tactu mortificat [25.72] Galea · helm, sed ex corio [25.73] Cassis, helm, sed ex ferro vel auro. Galea est peditum. Cassis militum [25.74] Manubie. spolia manu capta. [25.75] Conus, quod supra ponitur galee. [25.76] Crista idem. [25.77] Torax. brustblech. [25.78] Lorica. pantzer. cetera a partibus indumentorum trahunt sua nomina. [25.79] Veles velitis. est leuis armatura [25.80] Ferentarij. pro eodem significato. [25.81] Tessera, krey • vt dum datur clam militibus. ne fiat confusio inter eos. [25.82] Cauterium. zeychen. signature vt sint cauti de se. als rot kreütz von Österreich. [25.83] Legio. ein schar, ab electione militum. continet enim milia armatorum sex aut .6.6.6.6. vt alij dicunt. Legio teste ysidorus habet sexaginta centurias. manipulos .xxx. cohortes. xij. Turmas · cc. 84 [25.84] Centuria. centum militum est. [25.85] Manipulus. ductor militum est. Sunt enim hij qui primo bellum

84

Vgl. Isidor IX, 3, 47.

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incipiunt. Vnde aput therencium. vbi est ille manipulus furum sanga.85 [25.86] Turma. est triginta equitum [25.87] Cohors. quingentos habet milites [25.88] Acies. spitz • quia ferro armata. [25.89] Exercitus. schar, ab exercicio belli. [25.90] Classis • diuisio bellantum est. [25.91] Nodus • est peditum densa multitudo · [25.92] Cuneus. est in vnum militum collecta multitudo. Coitio pro eodem significato · [25.93] Ala est triginta equitum multitudo. quia vt ale auem ita ipsi tegunt exercitum [25.94] Cornu. est extremum exercitus quasi acutum, die hynderspitz [25.95] Agmen. exercitus dum transit ab agendo [25.96] Nauale bellum. wasser streytt. [25.97] Campestre bellum, feit streytt. [25.98] Castrametari. ein feit schlahen [25.99] Circumuallare. vmblegen. [25.100] Oppugnare. bestreytten. [25.101] Funditus euertere zegrunt verstören [25.102] Funditus eradicare. idem [25.103] Dirimere bellum, streytt vnder ziehen.

85

Vgl. Terenz: Eunuchus IV, 7, 776: „ubi centuriost Sanga et manipulus furum?" Sanga ist Koch und Sklave des Soldaten Thraso. Diefenbach 1857, Sp. 347ab deutet sanga als volkssprachig; vgl. mhd. sänge .Ährenbüschel' (Lexer II, 604).

[25.104] Dare treugas. ein fride nemen. [25.105] Emittere treugas. ein fride absagen. [25.106] Indicere bellum, ein streyt verkünden [25.107] Temptare bellum, scharmitzlen [25.108] Luctari. ringen. [25.109] Duellum. zweyer person streytt. [25.110] Delabrum vel bra. hellenbarth. [25.111] Gladiator, fechter. [25.112] Dimicator. idem

[26] D e panno et tela materia, siue i n s t r u m e n t s eorum. [26.01] Lana. woll. a laniendo. [26.02] Vellus. woll. ab euellendo. quia antiquitus oues non tondebantur cum non dum forpex inuentus esset. [26.03] Linum. flachs, quia lene et molle est [26.04] Bissus. genus lini candidissimi et mollissimi et nascitur in egipto. [26.05] Canabum vel canabis. haniff et dicitur ad canne similitudinem. quia sic crescit. alij per p. scribunt. [26.06] Stupa. reyst oder kunckel flachs [26.07] Tumetum. a werck. quia turnet. [26.08] Placium. est stuppa et crassedo serici. [26.09] Sericum. syde. quia seres populi inuentores serici fuere. [26.10] Bombex. boumwoll. Etiam vermis dicitur qui net sericum. [26.11] Vestuca. agen.

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[26.12] Filum Jaden. [26.13] Glomus mi. vel eris. kluel. [26.14] Colus. kunckel. [26.15] Fusum vel fusa se. spindel [26.16] Pensum, wirtel · quia appendet fuso [26.17] Alabrum. haspel. a duabus alis. [26.18] Girgillu a giro id est circulo [26.19] Mataxa garnstal a meta id est [26.20] Globellum a globo · circuitu [26.21] Panus. quia ex eius cursu per [26.22] Panulus spuol. stamen fit [26.23] Cannellus pannus. Et dicitur cannellus. quia est ex cannis factus. [26.24] Subtela. spuol sei. vel ille stilus qui stamen disterminat dum texitur. [26.25] Vertibulum. spuolysen. quia vertitur [26.26] Tela, lynwatt. oder, gewepp. [26.27] Stamen, gewepp. quia stat • der zetel • [26.28] Trama. wefel • est enim filum quod recta via mittitur per telam. Inde trames id est recta via. [26.29] Subtegmen. der eintrug. [26.30] Telacium weberstuol. [26.31] Licium. bi(n)dfaden. harlauff. oder warfßand vel kam • vel weff. Et dicitur eo quod ligat stamina. [26.32] Bilex. zwilich [26.33] Trilex · dreylich • [26.34] Radius, weberschefflin. [26.35] Nauicula. idem. [26.36] Pecten weberströl. oderblatt. [26.37] Textrina. tunck. [26.38] Scansile. drettstuol86

[26.39] Textrinum. sub pedibus textoris. idem [26.40] Ordior iris, weben [26.41] Texo. idem. [26.42] Textor. weber. [26.43] Textrix. Weberin • [26.44] Pannus · tuoch • [26.45] Netrix. neerin oder Spinnerin. [26.46] Pannitorium. tuochhauß. [26.47] Textorium. weberhauß. [26.48] Paniso as. are. spuolen. [26.49] Panisator. spuoler. [26.50] Panisatrix. spuolerin. [26.51] Liciatorium. lignum quo licium inuoluitur. das wefel holtz.

86

87

Vgl. [53.16],

[27] D e v e s t i m e n t o r u m nominibus [27.01] Vestis. klayd. et proprie mulierum. [27.02] Vestimentum. idem, et proprie virorum. [27.03] Pallium, mantel, quasi pellium quia antiquitus ex pellibus fuit. et est virorum [27.04] Mantellus. mantel [27.05] Manticulus. diminutiuum ein kleyns mentelin [27.06] Penula. mantel, quasi deorsum pendens [27.07] Palla. ein erlicher frauen mantel [27.08] Collibium. iunckfrawen mantel. [27.09] Clamis. mantel, et virorum est. Et secundum ysidorum .xix. est in latere opertura. 87 Vgl. Isidor XIX, 24, 2.

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[27.10] Clamis. ein mantel offen auff der seyten [27.11] Mantus pallium · quod solum manus tegat [27.12] Pretexta fuit puerile olim palleum quod pueri vsque ad .xvj. annos ferebant. et soli nobilium pueri • dum studijs manciparentur. vnde pretexti dicebantur. et dicitur pretexta. quia ei latior pretexebatur purpura. [27.13] Toga, secundum ysidorum pallium rotundum quod inundante sinu sub dextro in sinistrum ponitur. vt patet in picturis trium regis. Item toga vestis romana. quod nobiles tempore pacis portabant. Toga vero wlgo a nobis, badhemat. Toga palmam induebantur victores. In quibus picte erant palme id est victorie eo88

rum [27.14] Toga Candida, induebantur candidati qui profecti in marcium campum magistratus ambitione tenebantur [27.15] Palludamentum. pallium regis in bello. quo induto significabatur omnibus mens regis esse ad bellum Consueuit enim album aut purpureum esse, licet Marcus Crassus. pullo id est nigro paludamento contra parthos vtebatur. De hoc Valerius libro primo capitulo de prodigijs. §. non sinit nos Marcus Crassus et cetera 89 dicitur enim paludamentum a palam et mente. quia ipso induto palam est mens principis de bello faciendo. 88 89

Vgl. Isidor XIX, 24, 3-5; [86.23], Vgl. Valerius Maximus: Facta et dicta memorabilia I, 6, 11. Das Werk wird im folgenden mit ,Valerius Maximus' abgekürzt zitiert. Zu Valerius Maximus vgl. auch Kapitel III. 3. 3. 2.

[27.16] Sagum sagi. pallium militare. [27.17] Aulea. betthler mantel [27.18] Amiculum. secundum ysidorum huoren mantel, erat enim ex lino, et in adulterio deprehense eo etiam induebantur 90 ne pallam contaminarent. Licet Valerius libro primo de simulata regione. Amiculum scribit dyonisium ab stulisse ydolo. 91 [27.19] Melotes. 92 kürsen mantel. [27.20] Amphitapus. ynne(n) vnd aussen rauch kleyde. [27.21] Pellicium. beltz. quia ex pellibus. [27.22] Tunica, ein rock an ermel. Teste nonio marcello 93 [27.23] Circumtextum. ein sywalkleyd oder ein gestepfft kleyd. [27.24] Ciclas. idem. [27.25] Trabea. ein sammat kleyd. quasi transbeatum faciens. nam regij honoris erat trabeatum esse. [27.26] Mastruga. vel mastruca. beltz od(er) kirse(n) fit enim pellibus brutorum qua veste sardi vtuntur. [27.27] Dyplois. ein zwifaltig kleydt [27.28] Anaboladus. pannus vel syndon quo mulieres humeros tegunt [27.29] Syndon. samat oder wisser pfeller [27.30] Pegillum reginarum · pepulum vero matronarum. 94 ein Schleyer.

90 91 92 93

94

Vgl. Isidor XIX, 25, 5. Vgl. Valerius Maximus I, 1, ext. 3. Molotes; vgl. Isidor XIX, 24, 19. Vgl. Nonius Marcellus: De conpendiosa doctrina XIV, 536, 15: „TVNICA est vestimentum sine manicis." Das Werk wird im folgenden mit ,Nonius Marcellus' zitiert. Zu Nonius Marcellus vgl. auch Kapitel III. 3 . 2 . matranarum

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[27.31] Plage et plageile, linteum torale. secundum nonium marcellum dicitur. et est grande.95 [27.32] Strophium. fastia breuis quo colligantur mammille. ein schutzlin [27.33] Renno. ein rauch deck me(n)telin bis auff den nabel. [27.34] Patagium. guldiner mantel [27.35] Polimita. ein kleyd von vil färben. [27.36] Richa. schweyßtuoch. [27.37] Sudarium idem [27.38] Iiu/usium vel inrfussa.96 ein ynwendigs kleyd. quasi intustrum. quia intus corpori adheret. [27.39] Camisia. hemat · quia in hijs camis id est stratis antiqui dormiebant. [27.40] Castula. teste nonio.97 est palliolum precinctui quo nude infra papillas cinguntur. et est mulieram. ein vnder schurtz [27.41] Toga et feminarum et mulieQQ

rum est [27.42] Flammeum. ein sturtz. vel id quo mulieres sua tegunt capita [27.43] Reticulum, tegmen capitis mulierum ad rete similitudinem. [27.44] Tapete tercie declinationis secundum marcellum tegmen vnice varijs pictum coloribus" ein gemalt deckloch. 95

96 97 98 99

Vgl. Nonius Marcellus XIV, 537, 19 ff.: „PLAGAE, grande linteum tegmen quod nunc torale vel lectuariam sindonem dicimus; quarum diminutivum est plagulae." Inc/usium vel inc/ussa Diese Stelle konnte bei Nonius Marcellus nicht ermittelt werden. Vgl. [86.23], Vgl. Nonius Marcellus XIV, 542, 10: „TAPETE, tegmen unite pictum de coloribus variis."

217

[27.45] Capucium. haubtloch. Etiam aliquando capitum tegmina · [27.46] Supparum. ein schurtz. a femore vsque ad talos protensum [27.47] Limbus. ein frauen rock vnden mit samat verbrembt oder beschlagen. Inde est quod limbus aliquando capitur pro ora vestimenti. ein bast. Aliomodo limbus inferni pars dicitur. Sunt enim quatuor partes inferni. scilicet. Infernus damnatorum. Limbus puerorum. Purgatorium. et limbus patrum. [27.48] Pannucia. peciata vestis. ein bletzt kleid [27.49] Coccinus. ein rotterpfeller. [27.50] Coccinia. ein rott kleyd. sicut purpura, a cocco rubeo flore tractum est. [27.51] Teristrum. ein kuttel oder ein schlütlin. aut quia eo terit faciem. aut a theros id est estas. quia estiualis vestis est · [27.52] Suparus. stauch [27.53] Supara. longe vestes dicuntur. et est plurale. [27.54] Interula. ein vnder hemmat. quasi intus adherens [27.55] Talaris, tunica longa vsque ad talos [27.56] Talare. pallium longum ad talos [27.57] Lumbare, ein kleyde das man auf gürt quia lumbis adheret. [27.58] Bombicina boumwollen kleydt. [27.59] Mollicina idem, quia mollis vestitus. [27.60] Sericea vestis. seydenkleyd [27.61] Olosericea. gantz von seyden

218

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[27.62] Tramosericea. ein halbs seyden kleyd. cuius trama ex serico et stamen ex lineo [27.63] Purpurea vestis. ein rotes kleyd [27.64] Olofora. ein gantz rotes kleyd. quia olon valet totum. [27.65] Bissina. ex optimo et molli lino · [27.66] Linostema.100 ein kleid. halb wollen halb flechsen. quia in stamine linum in trama lanam habet. [27.67] Acupicta. glyssamet kleyd. quasi acu texta. tunica inconsutilis sicut nostri hiesu christi et cetera

[28] De indumentis sacerdotis [28.01] Casula. meßgewand. Et aliquando domus pauperis diminutiuum a casa. quia ad cadendum inclinata. [28.02] Dalmatica · dyaconrock Quia eius vsus et textura in dalmatica regione primum inuentus est. [28.03] Humerale. der briester geller. quia humeros tegit [28.04] Superhumerale. humeral. [28.05] Alba, alb der weyß leynen rock. [28.06] Zona.101 gürtel [28.07] Manipulus hantfann. [28.08] Stola, stol. que et succingula. quia in ambobus sacerdotis lateribus succingitur [28.09] Succingulum. vndergürtel. [28.10] Superpellicium. chorhemmat

100 101

Limoste/ia; vgl. Isidor XIX, 22, 17. Zoma

[28.11] Scapulare. zepler. quia inter scapulas dependet. [28.12] Almucium. kutzhuot. [28.13] Cuculla. ein münichs kutten oder gug(e)l [28.14] Aculeus. idem, quia insutus ad modum aculei. [28.15] Sucortus. kursen • mulierum vestis est.

[29] De indumentis pedum et crurum capitis et ceterorum. [29.01] Pileus. huott. [29.02] Galerus. bilgerin huot. et ponitur sepe pro corona. [29.03] Mitra. haub. et proprie mulierum [29.04] Caliendrum. raucher kutz huot. quia calidum. [29.05] Cirotheca. hentschuoch. [29.06] Manica · ermel. [29.07] Caliga.102 hoß. [29.08] Calceus. schuoch • [29.09] Sotular. prißschuoch. [29.10] Ocrea. sty fei. [29.11] Crepida. idem, quia calcando crepat id est sonat. [29.12] Culpo. priß schuoch. a culpando. quia delicati culpant ipsum. [29.13] Pero. paurschuoch. latus vt pera. [29.14] Coturnus • calceus tragicorum. soccus comicorum. Vnde oracius in poetria · Hunc socci cepere pedem grandesque coturni.103 [29.15] Paticus. sockel. [29.16] Clauatus / rynckschuoch.

102 103

Caligo Vgl. Horaz: Ars poetica,

80.

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[29.17] Solea. sool. [29.18] Planella idem [29.19] Sandalia. bischoffschuoch • [29.20] Soccus. sock. [29.21] Liga, hoßnestel. [29.22] Fascia. wiegenbandt. [29.23] Pedules. Iis. fuoßtuochm [29.24] Pedux.fuoß strick105 [29.25] Baxee. mulierum calciamenta [29.26] Corrigia. schuochryem.

[30] D e ornamentis hominum. [30.01] Vitta. haub. oder harbandt. Et a vincio is. ire dicitur • quia ligat crines. [30.02] Tenia. haubenba(n)dt. vel extremitas vitte dependens in modum corone. [30.03] Inauris. auerring oder sehet • ornamenta auribus illigata. als die zygeyner habe(n) [30.04] Torques, halsband. et virorum est [30.05] Monilia vero mulierum. [30.06] Armille. quia armis circulus induitur. id est brachijs · et virorum est ab armorum virtute collate victorie causa, que olim virile dicebantur. [30.07] Monile. pectoris ornamentum. [30.08] Fibula, ein brüst hefftlin oder am mantel oder ein schöner gürttel ring. [30.09] Lunula, bullula aurea mulierum in lune similitudinem dependens [30.10] Spinter • ein vorspang. od(er) ein gluff

104

fuoßtuoc/t

105

fiioß stricA

219

[30.11] Speculum. Spiegel, quia in ipsum species rei reeipitur. [30.12] Crinile. crentzlin • a crinibus. [30.13] Sertum. idem, a sertis herbis. [30.14] Corona, krön, quia circuitu vna. [30.15] Dyadema. künigclich krön [30.16] Sceptrum. künigclich zepter [30.17] Tridens. idem · quia tres quasi dentes. [30.18] Laurea. corona ex lauro in signum triumphi. Inde laureatus. id est coronatus Et baccalarius. id est coronatus lauri. bacca. qualis mos in athenis fuisse comperitur. [30.19] Tyara. bischoff oder abbt krön. [30.20] Infula. ynfel. Inde infolatus. [30.21] Cingulus. manßgurtel [30.22] Cingulum.frauen gurtel. [30.23] Cingula. le. gurt. et est equorum [30.24] Strophium phij. ein guldiner gurtel Et licet de saneto iohanne baptista dicitur stropheum ex bidentibus. id est pellibus ouium [30.25] Balteus. ritter gurtel. [30.26] Bulla, gurtel. spang, vel tumor aque ex cadente pluuiali gutta in eam. ein wasser blatt • Etiam bulla sigillum cere impressum. Inde bullatus [30.27] Semicinctum. halb gurtel.

[31] D e lectisterniis [31.01] Thorus. beth. et proprie qui solet esse de herbis. 106 Inde [31.02] thoralis vel conthoralis. gemahel

106

Vgl. [15.95],

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220

[31.03] Lectus. beth • quia de varijs floribus legebatur. [31.04] Stratum, beth. qui substeraitur quiescenti [31.05] Puluinus · kussy. a plumis dicitur. [31.06] Puluillus. küßlin. [31.07] Puluinar. banckpfulbin. [31.08] Lodex. goiter, quasi Iudex, quia in ludis iuuenes theatrum exientes. cum in prostibula irent. his facies suas ob verecundiam tegebant [31.09] Fultra. quia lectos fulciant siue caput et vocantur reclinatoria. nuck bettlin. reclinatorium oder gutschlin od(er) lotterbetli(n) [31.10]Sponda. spanbet. [31.11] Ceruical. hauptküßlin. a ceruice [31.12] Culcitra. bettzyech. [31.13] Thoral. decklach. [31.14] Tapetum. teppich. pedibus substernitur [31.15] Simplum tapetum. halbrauch teppich [31.16] Amphitabum. bayder teyl rauch teppich. [31.17] Stragula. gestryfft tuoch • [31.18] Viltrum. herintuoch. a villis. [31.19] Tegimen vel tegmen. decky. [31.20] Tegumentum. coopertorium. [31.21] Cooperculum idem · [31.22] Cortina · vmbhang. de pellibus • [31.23] Velum · vmbhang. a velando [31.24] Auleum. heydenisch werck. ab attallo rege perga/worum107 in eius aula reperta pannus in parietibus regum extensus

107

perganorum

[31.25] Anaba/rum. 108 pannus sursum in templis vel regum aulis protensus. [31.26] Petasma matis. parietibus templi extenditur. [31.27] Linteum. velum quod in lectulo sternitur ley lach. Et quodlibet linteum. [31.28] Linteamen · idem. [31.29] Mappa. quasi manuppa. zwehel [31.30] Mappella, ein kleyns zweheiin [31.31] Manutergium. est togilla cum qua tergitur manus. [31.32] Facitergium schweyß[31.33] Faciletum tüchlin od(er) [31.34] Sudarium wischtüchlin Et dicitur sudarium quia sudorem abstergit. [31.35] Stragulum. decke. [31.36] Stratorium. idem, quia Strato superiacitur.

[32] De nauigio [32.01] Nauclerus · schyffherr. [32.02] Nauta. schiffman • nauem tuens. dieresis poetica. [32.03] Nauita. idem [32.04] Nauis. schiff • a nando dicta [32.05] Prora. Vorderschiff, quasi prior pars. [32.06] Puppis · hynderschiff. quasi posterior · [32.07] Carina, venter nauis. aut quasi currina · vel quia caret rima.

108

Anabraftim

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[32.08] Fori, pluraliter. tabulata aut latera concaua nauium. onera vel incessus ferentia. [32.09] Agiauia • transitus hortatoris ad remiges [32.10] Columbaria, loca vbi remi eminent a columbarum109 nidis similitudinem. [32.11] Transtra • sedilia remigum. quia transuersaliter in naue ponuntur. [32.12] Remus, ruoder a remouendis fluctibus [32.13] Palmula. das braytt an dem ruoder. [32.14] Remex. est gubernator nauis. ruoger [32.15] Remigium. ruogung [32.16] Antemne. quasi ante amnem. anhenck. ne fluctus nauem turbant [32.17] Malus, segelbowm. [32.18] Clauus. nachschalt, ruoder oder steüernagel. quia clauo nauis regitur. [32.19] Anchora. encker oder. hack. Virgilius Anchora de prora iacitur.110 [32.20] Tonsilla. pfall. qua ligatur nauis [32.21] Alueus. wasserlauff. in naui. [32.22] Alueolus. schapff. instrumentum nauticum. puta hausorium. do man wasser mit auß schöpffet. [32.23] Scrupus. ruoder seyl. [32.24] Restis. wyd. [32.25] Funis, sayl oder strick • [32.26] Velum, segel. [32.27] Linteum. pro eodem. [32.28] Rudentes. segel seyl. quia ventis contacti. ut asini rudent.

109 110

cocolumbarum Vgl. Vergil: Aeneis VI, 901.

[32.29] Prouesia. bandsayl. alias prosiuesium quo fune in littore ligatur nauis [32.30] Contus. stösel. [32.31] Trudes. dis. schalty. [32.32] Acateon. der groß mittel segel. [32.33] Dalum, der kleyn segel vornen in dem scheff. [32.34] Epidromos. der groß segel hinden in dem schiff. [32.35] Cataforates. ancker bly. anchore iungitur vt descendat ad explorandam profunditatem. [32.36] Remulcus. zugseyl. [32.37] Cerutus. [32.38] Ventilogium. wyndgemerck [32.39] Arthemo. [32.40] Puluine sunt machine quibus naues deducuntur et adducuntur in portum. weelhöltzerxn

[33] Nauium genera [33.01] Nauis dicta, a gnauo id est prudenti rectore · [33.02] Celox. ein schnels schiflin. quasi velox · [33.03] Phaselus. camparum nauigium. [33.04] Lembus. flscher schiflin. [33.05] Horia. cawpulus112 cymba. lenunculus. carabus. pro eodem. [33.06] Oneraria. ein scheff mit guot. [33.07] Barca. ein scheff mit kauffmanschatz.

111 112

weelhöltzey ca«pulus

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[33.08] Corbita. ein gros langsam scheff. [33.09] Pontonium. nisi impellitur non transit [33.10] Scaffa. ein angehengt schiffe tin. [33.11] Cafascopus.113 idem, et hoc barce torbite et cetera [33.12] Actuaria. nauis remis • velis simul acta [33.13] Auctoria. merckscheff. [3 3.14] Paro. raubscheff in dem mör. [33.15] Mioparo. idem. [33.16] Pirata. mörrauber. [33.17] Parunculus. diminutiuum. [33.18] Denter. tris. streyt scheff [33.19] Liburnus. fast laufendt scheff [33.20] Dromo. idem. [33.21] Calonis. holtzscheff calon lignum [33.22] Calaria. idem. [33.23] Ypogamus. roßscheff • Et vbi reliqua bruta traducuntur. [33.24] Linter · tröglin. nauis lintri similis. [33.25] Trabaria [33.26] Candex [33.27] Cawdica114 [33.28] Litoria. Nauis lintri similis. ex vna trabe cauata et capiunt ad maximum decern homines [33.29] Cibaria. speys schiff [33.30] Biremes · Triremes, quadriremes • Ab ordine remorum dicuntur [33.31] Classis est nauiummultitudo · [33.32] Traductoria. überfürer schefflin.

113 114

Carascopus Candica

[33.33] Epibacha. ein überfürer [33.34] Nauium Ii. Schiffer Ion [33.35] Celeuma / neutri generis, est cantus nautarum

[34] De domo et eius partibus [34.01] Domus. est que constat ex parietibus. tecto. et /ündamento" 5 protegens nos a caumatibus et ymbribus. Vel est vnius familie habitaculum. sicut vrbs vnius populi. et sicut orbis domicilium est totius hwmani116 generis. [34.02] Domuncula · heüßlin • [34.03] Casa. eines armen mans haus [34.04] Casula. einni armes heüßlin. a cadendo. [34.05] Vestibulum. vorschopff. [34.06] Ianua. thür [34.07] Hostium. thür. [34.08] Antica. forderthür [34.09] Postica. hynderthür [34.10] Sera, schlos [34.11] Cardo. thürangel. [34.12] Limen. schwell, nam intrantibus est limis. id est transuersalis. [34.13] Fores pluraliter · türen oder heüser. Oracius primo sermone singulariter dicit fore in versu. Exclusus fore cum longarenus foret intus118 · Therencius in adelphoe pluraliter.

115 116 117 118

mndamento hnmani ei u Vgl. Horaz: Satiren I, 2, 67. Longarenus ist ein Liebhaber von Sullas Tochter Fausta.

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Sed quid nam fores crepuerunt. 119 Fores dicuntur. quia antiquitus foris aperiebantur [34.14] Introitus. eingang • et est cuiuslibet rei. [34.15] Repagulum. [34.16] Obex. [34.17] Pessulum. Rygel [34.18] Vectes. [34.19] Clater vel clatrus. Differunt tarnen. Repagulum intrantibus repugnat. Obicitur enim ideo obex est. Pessulum. a pello. Vectes. a vehendo · vti in castris et burgis. in bigis magis lapides ducuntur tempore noctis ad valuas firmius concludendas et muniendas Clater. vel clatrus a claudendo. et proprie ortorum vel vinearum est. Et ex clatrum fit cratis et cetera [34.20] Atrium, vorhoff, yngang. prius se locus intranti obicit. ab atro id est nigro. quia olim sine fenestris aut a fiimo. nam illic enim custodes. aut portitorij incubebant. [34.21 ] Portitor. pfortner. [34.22] Ianitor. idem [34.23] Gradus. stayg oder Staffel. [34.24] Scala. laytter a scandendo. Et solum pluraliter gramatici priores, seruius. varro 120 et ceteri dixerunt. [34.25] Interscalare. laytterstaffel. [34.26] Pauimentum. ostrich, a pauio is. ire. id est percutere. nam percutitur vt solidatur. Vnde virgilius de area facienda primo georicorum simi-

le dicit. Area tarnen primum ingenti equanda cylindro. 121 [34.27] Tabulatum, byn. [34.28] Laquear. idem. Virgilius in secundo eneide • Pendet lichni. laquearibus aureis incensi.122 [34.29] Solarium, summerhauß. [34.30] Aula. sal. [34.31] Camera, kamer [34.32] Thalamus, brütgamßkamer. [34.33] Cubile. schlaffkamer. [34.34] Stuba. stub. [34.35] Cenaculum. vM123 cenamus [34.36] Mensa, tisch, ab amenitate [34.37] Gausape. tischlach, quia sapimus in eo gaudium. [34.38] Abacus, kredentzy. [34.39] Abaculus. ein kleyns credentzlin. [34.40] Paries, wand. [34.41] Testudo. ein gewelb oder schneck [34.42] Fornix. schwybogen oder gewelb. Etiam fornix domus meretricum. Inde fornicor aris. et cetera 124 Inde fornicarius [34.43] Columna. pjyler. quasi Collum sustentando. [34.44] Pilare • idem. [34.45] Statua. saul. [34.46] Celare. keller · a celando.

121

122 119

120

Vgl. Terenz: Heauton timorumenos I, 1, 173 f.: „sed quid crepuerunt fores hinc a me?" Zu Servius vgl. Kapitel ΠΙ. 3. 2, zu Varro Kapitel III. 3. 3. 2.

223

123 124

Vgl. Vergil: Georgica I, 178 ff.: „area cum primis ingenti aequanda cylindro / et vertenda manu et creta solidanda tenaci, / ne subeant herbae neu pulvere victa fatiscat." Vgl. Vergil: Aeneis I, 725 ff.: „it strepitus tectis vocemque per ampla volutant / atria; dependent lychni laquearibus aureis / incensi et noctem flammis funalia vincunt." \h\ Vgl. [37.58],

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[34.47] Celarium. idem. [34.48] Penu vel penus oris, vel penus ni. siue penum ni. omnia pro eodem. kellerhalß [34.49] Fundamentum. grundtfeste • [34.50] Promptuarium · speycher. [34.51] Dispensa. speyßkamer. [34.52] Almarium · quia ibi reponuntur ea quibus alimur. [34.53] Penetral. heymlich. kamer. [34.54] Cloaca · dicitur quelibet fossa ad quam sordes defluunt. et dicitur a cleo es. quod est abscondere vel sorbere. eo quod stercora et immunda absorbeat vel abscondat. [34.55] Oletum. est fetor vel locus vbi frequenter mingitur qui grauiter fetet. [34.56] Vrinarius. seychwinckel. [34.57] Tectum, tach [34.58] Pinna, spytz. [34.59] Pinnaculum. omne id quod supponitur pinne [34.60] Scindula • schyndel. [34.61] Later, zyegel. [34.62] Tegula. schindel oder raffen. [34.63] Tignus vel tignum. sparr. oder latt [34.64] Tigillum. diminutiuum. idem [34.65] Tingna. iuncta faciunt trabem. [34.66] Trabs · balk, quia ex transuerso vtrosque parietes terminat. [34.67] Proceres, pluraliter secundum ysidorum .ix. ethimologie dicuntur trabium capita, que extra edificium foris protenduntur. 125 ein vorschyesse(n)derU6 balck

125 126

Vgl. Isidor IX, 4, 17. vorsch/yesse(n)der

[34.68] Antes, ein vorschyessender127 steyn. in d(er) mauer als ein pfost. so man wurtzgarte(n) oder ettwas anders aufflegt • Vel sunt extra eminentes lapides · Et solum pluraliter dicitur. Virgilius secundo georgicorum. Iam canit extremos effetus vinitor antes.128 Illic capitur a virgilio antes aut pro maceria. aut extremo vicium ordine. [34.69] Tolus. est veluti scutum breue in medio tecto vbi trabes coeunt. gybbel [34.70] Epiger et melius pluraliter epigri. holtznagel. quibus ligna coniunguntur. Et dicitur ab epy quod est supra, et agros quod est tractus. quia supertrahitur [34.71] Clauus. ein ysennernagel • a calibe id est ferro. [34.72] Commissura. tabularum coniunctio. zuofügung. [34.73] Missocomion. locus in quo infirmi in plateis reperti deponuntur [34.74] Culina. kuchy · vel coquina · [34.75] Caminus. kemmich. [34.76] Lucanar. rauchloch. [34.77] Fumus. rauch [34.78] Fuligo. ruoß. [34.79] Fenestra, fenster [34.80] Fenestella. fensterlin [34.81] Canna. kennel oder ror. [34.82] Cannale idem • [34.83] Imbrex, pro eodem. [34.84] Stilla tachtropff. [34.85] Stillicidium der tropfffal [34.86] Stiricidium. pro eodem

127 128

vorsch/yessender Vgl. Vergil: Georgica II, 417: „iam canit effectos extremus vinitor antes: / [...]"

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[34.87] Stiria. gefrorner scholl oder zapff· appendet tecto [34.88] Triclinium, locus cene tribus lectulis discumbentium · dictus more prisco [34.89] Secessus. locus secessus. quasi sine accessu [34.90] Diuersorium. quia ex diuersis vijs conuenitur. [34.91] Apogeum. ein hüle in dem erdirich. [34.92] Xenodochium. ein bilgerin haus.

[35] De edificiis sacris [35.01] Ecclesia quia gloriosus locus. Nam eleos id est gloria • [35.02] Delubrum. quia delet kirch vmbras peccatorum [35.03] Basilica quia fundamentum fidei. [35.04] Templum. quia locus amplus. [35.05] Capella. capel. aut quia olim pellibus caprinis tegebatur. aut quia pro significato tali abutimur · quia capella est parua capra. Vnde virgilius in fine bucolica. Ite iam sature venit hesperus · ite Capelle.129 [35.06] Sacellum. locus sacer. [35.07] Oratorium. [35.08] Oraculum. betheüßlin [35.09] Propiciatorium · Differunt tarnen. Oratorium tantum orationi consecratum. Oraculum. dum in ea responsa dabantur. Propiciatorium. propiciationis locus Est enim propiciatio placatio.

129

Vgl. Vergil: Bucolica X, 77: „ite domum saturae, venit Hesperus, ite capellae."

225

[35.10] Sanctasanctorum. locus quem solus presbiter intrabat in lege, vbi cerimonie. aut archa conderetur. [35.11] Fanum. id est templum. a faunis populis quia gentili more ea construxere. [35.12] Martirium. locus martirij [35.13] Ära · producte aller, et sunt are inferorum. [35.14] Altare. Altaria superiorum. Virgilius in bucolica. En quatuor aras. Ecce duas tibi daphni. duosque130 altaria phebo.131 [35.15] Pulpitum. pulpret • quia in publico positum [35.16] Chorus, chor. et cetera multa signat. [35.17] Cancellum. cantzel oder ein getter siue cratis. a cancellatis lignis. [35.18] Ambo on/s. 132 predig stuol. [35.19] Analogium. idem, ab ana quod est sursum. et logus sermo. quia in alto loco fit [35.20] Claustrum, closter. deberet esse clausum [35.21] Monasterium. idem, vnius proprie hominis habitatio. Vel fortassis a vita monastica. vel quia omnia aput ipsos sunt monos. id est vnum et communia [35.22] Cenobium. refental quia est omnibus commune [35.23] Cenobita. communis generis id est conuentualis

130 131

132

duoque Vgl. Vergil: Bucolica V, 65 f. Phoebus ist ein Beiname des römischen Sonnengottes Apollo und Daphnis, Sohn des Merkur, ist ein schöner Hirtenjüngling in Sizilien, der als Erfinder der bukolischen Poesie gilt. on/s

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[35.24] Refectorium. refental. a refectione [35.25] Ambitus, creüztgang · et corri. mediam [35.26] Circuitus. idem. [35.27] Cimiterium. kirchhoff.

[36.11] Senotaphium. ein ler grab. [36.12] Ne«ia.136 dotiert gesang. cantus in funeribus mortuorum. Vnde oracius secundo carminum. Sed ne relictis musa procax iocis. Cee retractes munera neme.137

[36] De sepulcris

[37] De publicis edificiis.

[36.01] Sepulcrum. [36.02] Monumentum. [36.03] Tumulus. [36.04] Sarcofagus. Grab [36.05] Mausoleum133 [36.06] Piramis idis. Differunt tarnen. Sepulcrum a sepulto. olim quisque in domo sua sepeliebatur. Monumentum quia monet pretereuntem facere sepulti memoriam. Tumulus, quia est terra tumens. Sarcofagus. quia ibi corpora absummuntur • Sarcos grece id est caro. fagos id est comedere. Mausoleum a mausoleo134 rege egiptiorum. Piramides vero regum sepulcra in altum columne ascendentes. pirami similitudinem habebant. Quale primum aput egipcios in vsu fuit

[37.01] Ciuitas. statt, et populi est. [37.02] Vrbs. idem, ab orbe parte aratri qua muri designabantur. et menium dicitur. [37.03] Opidum. stettlin oder mercklin • vel a murorum oppositione vel ab opibus illic recondendis [37.04] Villa · dorff • vt supra patuit.138 [37.05] Castellum. castel. a vite castitate. [37.06] Pagus. dorff. a conuentu hominum. aut quia domus in pago sunt disperse. Inde [37.07] paganus. rusticus. oder ein. heyde. [37.08] Castrum, geschlos. [37.09] Vicus. wyler [37.10] Municipium. vt supra de ci-

[36.07] Epitaphium, ober geschrifft auffde(m) grab [36.08] Epicedion. idem • Differunt tarnen, quia epicedion est nondum corpore sepulto. aut a loco translato. Epitaphium, vbi corpws135 est sepultum et illic quiescit [36.09] Feretrum. bar. [36.10] Baratrum. idem.

133 134 135

Nauseo/um Nauseo/um a nauseo/o corpos

•i

· 139

uibus patuit [37.11] Vicus · a via quia tantum habet vias sine muris. wyler. [37.12] Colonia. ein newe einwonung. antiquis cultoribus spoliata terra. nouis reductis colonia dicitur. [37.13] Compita. locus in quibus rustici in agris conueniunt. [37.14] Murus. mauer.

136 137 138 139

Newia newie; vgl. Horaz: Oden II, 1, 37 f. Verweis auf [24.56], Verweis auf [24.38], [24.39],

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[37.15] Menia. ein zynn. [37.16] Phala. hültzener turen. [37.17] Munitio. befestung oder bewaru(n)g od(er) ein were eo quod manu facta sit. [37.18] Munimentum. idem [37.19] Cohors. die ausser were.140 quia omnia coerceat et concludat. [37.20] Valium, ein auff gesellitt were. oder ei(n) auffgeschitt erdtrich • [37.21] Agger · idem [37.22] Vallus. fustes quibus fit vallum [37.23] Sudes dis. zunsterck. [37.24] Palus Ii. idem [37.25] Maceria. zun. oder wand. [37.26] Seps. zun. Maceria vinearum est. sed seps satorum et frugum. [37.27] Faux, eingang der stat · ad faueum animalium similitudinem · quia per fauces est via eibi in stomachum 141 [37.28] Suburbium. vorstat. [37.29] Turris. turen. a turrendo hostes. [37.30] Propugnaculum. ercker. [37.31] Arces. summe turres sunt a quibus hostes maxime arcentur. [37.32] Coclea · altissima turris rotunda. quasi ciclea. nam ab eo quasi a circulo tota ciuitas conspicitur. [37.33] Porta, tor. ab ex vel in portando. [37.34] Promurale, zwyngolff. [37.35] Vicus. gaß. quia in eo vie sunt. [37.36] Pia tea. ei(n) grosse gaß do die land Straß gat

140 141

die ör ausser were Vgl. [39.11],

227

[37.37] Cloaca, wasserlauff. et hoc per vicos. quasi per eos colatur aqua. Etiam locus secessus a cluo verbo. nam clunibus hijs insedemus [37.38] Pretorium. ratthauß. quia ibi debet sedere pretor. [37.39] Curia, ratshauß. quia in ea geritur ciuitatis cura [37.40] Forus. richthauß • a fando. aut foroneo athenarum rege. [37.41] Gynnasium · generalis exerciciorum locus, sicut scole et cetera. [37.42] Pandoxium. merckthauß. [37.43] Meritorium. werckhauß. a mercenary s [37.44] Taber/ia 142 est proprie domuncula in qua panis et vinum et carnes cocte venduntur et dicitur a tabulis que ibi substernuntur merciZms.143 wirtzhauß. [37.45] Asylum, ein144 freyheyt hawße. Nam ab a et sileu tactus · neminem lieuit in asilo ledere et tangere. [37.46] Mediastinus. pranger. quia olim in medio fori situs • [37.47] Forum, marck. [37.48] Circus.platz, a circuitu equorum. [37.49] Theatrum, locus spectaculorum. et erat rotunde figure. [37.50] Amphiteatrum idem hec loca a romanis et cetera [37.51] Spectaculum. ein gesycht od(er) schertz [37.52] Maccellum. metzg. [37.53] Apolotorium. vbi lauantum ponuntur vestes.

142 143 144

Taberua merci/ius ei«

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[37.54] Mercatum. locus vbi res mercatur. [37.55] Theolonium. zollerhauß • et aliquando ipsum vectigal dicitur. [37.56] Prostibulum · frauenhauß. a prostituo. [37.57] Lupanar idem, a lupa vxore faustuli. [37.58] Fornix, idem habet significatum. a fornicor. vt supra patuit.145 [37.59] Career, kercker. a coercendo [37.60] Ergasculus · idem, locus damnatorum. [37.61] Eculeus · idem quod carcer. genus tormenti ad modum crucis. [37.62] Liminium. gefencknüß. expulsio extra limen [37.63] Postliminium, erlösung. id est reuersio

[38] De terre vocabulis [38.01] Terra, erdtrich. quiateritur. [38.02] Telus. idem, est dea terre • [38.03] Humus, idem quod terra, ab humiditate et humore. [38.04] Lutum · koth. quasi non lotum [38.05] Limus. schlym • quia lenis et mollis [38.06] Scenum. wüst, quia atrum vt vmbra. [38.07] Gieba, ein scholl erdtrich [38.08] Glarea. dürr vnfruchtber erdtrich. Virgilius secundo georgica Nam ieiuna quidem cliuosi glarea ru-

[38.09] Creta. weyfi erdtrich. [38.10] Hyulca terra, zerschlunden erdtrich. a verbo hyo as. hyulcus a. um. apertus a. um. vel fissus. a. um. [38.11] Argilla. laym [38.12] Glis glitis leiten [38.13] Cespis. ein waß [38.14] Arena, sandt [38.15] Zabulum. idem, oder ein ley cht erdtrich. [38.16] Scabra terra, ein rauch hörtz erdtrich Inde scabies venit. [38.17] Lama, scharpff erdtrich. Oracius primo epistolarum. Viribus per cliuos flumina lamas147 [38.18] Möns. berg, quia terra eminens. [38.19] Cliuus est descensus montis. Virgilius in bucolica. Mollique iugum demittere cliuo148 [38.20] Iugum. die höhe des bergs. [38.21] Collis eminencius montis iugum. [38.22] Tumulus, kleyn berglin. quasi tumens tellus [38.23] Monticulus idem. [38.24] Campus, feld. terra plana · [38.25] Equor. et terre et maris equalitas. [38.26] Vallis tall [38.27] Conuallis et le. inter montes loca depressa. [38.28] Solum, quia firmum. ein hört erdtrich Inde soliditas. id est firmitas [38.29] Scopulus · eminens in mari lapis, eyn felß. aut a speculando aut tegumento nauium dictus. [38.30] Saxum. quia durum.

147 145 146

Verweis auf [34.42], Vgl. Vergil: Georgica II, 212.

148

Vgl. Horaz: Briefe I, 13, 10: „viribus uteris per clivos flumina lamas." Vgl. Vergil: Bucolica IX, 8.

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[38.31] Rupis. ein fels. quia non facile rumpitur [38.32] Lapis, stayn. quia ledit pedem. [38.33] Petra, idem, quia pede trita et consumpta. [38.34] Arenarius. sandtstayn. [38.35] Bibulus idem · quia inhibit aquas. [38.36] Tofus. tuffsteyn. [38.37] Silex. kyfiling. [38.38] Marmor, mermel •

[39] D e locis terre. [39.01] Locus et pluraliter loci principia artis vt maxime in loyca et rethorica. Topicorum liber de illis locis tractat [39.02] Topographia. est loci descriptio. Vnde virgilius in primo eneide · Est in secessu longo locus insula portum efficit. 149 [39.03] Regio, landt [39.04] Plaga. gemerck. nach dem himel [39.05] Prouincia. land. [39.06] Ora. idem. [39.07] Regnum. reich [39.08] Insula, einynsel. quia in solo id. est in mari posita. [39.09] Mediamnis • in medio amnis id est fluminis sicut augia maior. Item amnis. dicitur aqua suauiter cur-

149

Vgl. Vergil: Aeneis I, 157 ff.: „Defessi Aeneadae quae proxima litora cursu / contendunt petere et Libyae vertuntur ad oras. / est in secessu longo locus: insula portum / efficit obiectu laterum, [...]."

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rens et dicitur ab amenitate • quia ibi semper locus delectabilis inuenitur. [39.10] Saltus. locus vbi noui exiliunt frondes ein newer wald • [39.11] Fauces, dicitur angusti inter montes aditus. et supra faux ciuitatis patuit150 · [39.12] Confrages. loca vbi venti concurrunt. [39.13] Lustrum, ein thier gart, vt luporum cubilia vel brutorum habitacula siue latibula tenebrosa dicuntur lustra. Et quandoque ludi quinquennio rome ab augusto celebrati. et pro quinquennio lustrum capitur151 [39.14] Lucus. ein finster wald. quia non lucet. [39.15] Desertum. wueste. quia ibi non seritur. aut a mansione hominum deseruntur• [39.16] Heremus. wueste. et vbi nulla fuit hominum mansio [39.17] Auiarium. ein stat do vogel fliegent. locus in quem solis auibus est accessus • Item inuia sunt maris, auia silue. deuia terre. [39.18] Amena. loca delectabilia. quasi amata. [39.19] Tempe. loca tessalie viridia et perpetuo flore. [39.20] Appricus a. urn. lusterperlich. locus accessu solis et aperto celo gaudens [39.21] Opacus a. um. ein finstere stat [39.22] Opacitas. finsternuß [39.23] Lubricus a. um. ein schlipfferig stat. a labendo id est cadendo

150 151

Verweis auf [37.27], Vgl. [81.28],

230

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[39.24] Tenebrosus. locus, quia tenet vmbram · [39.25] Estiua. loca sunt quibus pecora estatis vitant calores. Vnde Stacius. Et vmbrosa patuere estiua licei152 [39.26] Nauale. locus vbi naues edificantur. [39.27] Textrinum. idem. [39.28] Statio. scheff stat. vbi ad tempus stant naues. [39.29] Portus. locus vbi naues hiemant [39.30] Importunium. ein stat on lust · locus vbi nullus est portus aut refrigerium. [39.31] Portus. a deportandis commercijs [39.32] Baya. locum antiqui a baiulandis commercijs. et est idem cum portu • [39.33] Litus land am more, quia maris fluctibus eliditur. [39.34] Ripa. ein land an de(m) bach, oder flyesende wasser. quia flumine rapitur eius terra [39.35] Circumluuium. locus quem aqua circumluit. als die maynow [39.36] Alluuium quem aqua abluit. als d(er) ryn zuo Costantz. [39.37] Margo. cuiuslibet loci pars. oder eyn vmbschweyff. [39.38] Maritima loca maris intima. [39.39] Gurges, tyeffe. aque profiindior locus.

152

Vgl. Statius: Thebais 1, 362 f.: „[...], nullisque aspecta per aevum / solibus umbrosi patuere aestiva Lycaei." Lycaeus ist ein Berg in Arkadien.

[39.40] Abyssus. tyeffe. quia abest fundus. Et dici/ur 15 ' ab a quod est sine et byssus quod est genus lini candidissimi. quasi sine bisso id est candore. [39.41] Sentina. locus in quem confluunt omnes immundicie. [39.42] Sterquilinium. scheyßgruob [39.43] Spectaculum. est locus ludi. aut ipsemet ludus [39.44] Specula, etn'54 wartt. vt tempore belli in montibus et altis turribus speculatores de aduentu spoliantium prenunciant eo quod speculantur id est anteuident. et dicitur a specio cis. quod est considerare.

[40] Loca terre inferiora [40.01] Specus a qua prospici potuit [40.02] Spelunca gruob [40.03] Spelea. Grecum est dicit seruius super bucolica.155 Et nota quod speleum deriuatur a spelunca. [40.04] Spiraculum. locus quo terra spiritum edit, id est ventum [40.05] Cauerna. hule. quia caret verno id est luce • [40.06] Infernus. die hell. [40.07] Auernus idem, quia sine luce. aut quia ibi nullum ver est. [40.08] Hyatus. preruptio terre profunda. eingefallen erdtrich. Translat e est ab homine cuius oris est hyatus [40.09] Profundum. tyeff. a procul et fundo

153 154 155

dicirar em Vgl. Servius: Vergil, Bucolica X, 52.

VI. Edition

[40.10] Baratrum. profunditas atra · die helle [40.11] Tartarus, die hell, quia illic omnia sunt turbata [40.12] Gehenna, hellisch fewr et capitur pro loco eiusdem ignis [40.13] Herebus. [40.14] Stix a tristicia. [40.15] Coccitus a luctu [40.16] Leteus. ab obliuione die helle [40.17] Flegeton ab ardore a deo infernorum. [40.18] Achiron · ab inuidia. Sunt enim hec quinque a poetis inferni flumina. vt patet sexto eneide 156 • [40.19] Infernus. locus omnium inferior [40.20] Orcus. id est infernus

[41] D e itineribus. [41.01] Iter. weg. antiqui dixerunt itiner. ideo mansit genitiuus itineris. [41.02] Via. idem, qua itur vehiculum [41.03] Publica, frey oder lands sir as. [41.04] Regia via. lands stras. [41.05] Regium iter · idem. [41.06] Priuata via. que ducit ad opidum aut villam solum. [41.07] Strata, quia wlgi pedibus trita-

156

Vgl. Vergil: Aeneis, fur Erebus: VI, 247, 404, 671; Styx: VI, 154, 439; Cocytos: VI, 132, 297, 323; Lethaeus: VI, 705, 714, 749; Phlegethon: VI, 6, 265, 551; Acheron: VI, 107, 295. Erebus ist die Unterwelt. Styx, Cocytos, Lethaeus, Phlegethon und Acheron sind Flüsse der Unterwelt. Zu Lethaeus vgl. Anm. 61.

231

[41.08] Semita. ein fuoßsteyg. quia semis id est media via. [41.09] Metadus. generis feminini. pro eodem [41.10] Callis. iter pecudum inter montes angustum et callo pedum perduratum [41.11] Trames. ein zwerichter weg. quia per agros transuerse transmittitur [41.12] Diuerticulum scheidweg. quia vna via diuertitur ab alia. [41.13] Compita. concursus plurium viarum. quia plures in ea vie competunt. vt sunt biuie · triuie [41.14] Biuium id est duplex via. [41.15] Cliuosum iter est flexuosum. [41.16] Orbita. wagen laysl [41.17] Vestigium, fuoß staph. [41.18] Miliare, meyl. a mille passibus [41.19] Leuca · mille et quingentos habet passus [41.20] Stadium, ein roßlouff. Et continet centum viginti quinque passus. Octo stadia faciunt vnum miliare Stadium a statione herculis venit. quia ipse vno spiritu tot passus confecit.

[42] D e p o n d e r i b u s [42.01] Pondo indeclinabile. id est pondws.157 [42.02] Pondus · quia pendet in libra quasi pendus [42.03] Libra, ein wag. [42.04] Examen, filum medium quo trutina equatur et regitur. [42.05] Trutina. zung in der wag.

157

pondns

232

VI. Edition

[42.06] Statera. idem quia equaliter debet stare [42.07] Calculus, minima pars ponderis est. constans grauis lentis geminis.158 [42.08] Siliqua vicesima quarta pars solidi [42.09] Scrupulus. sex siliquas continet [42.10] Dragma. acht teyl der vntz. [42.11] Denarius, pondus aut numerus decern nummorum [42.12] Solidus. schilling, quia illi nil deest. ideo solidus dicitur • [42.13] Semiuncia · halb vntz. [42.14] Semissis. idem [42.15] Quadrans. das vierd teyl der vntz. [42.16] Vntia vntz oder gewicht • [42.17] Libra, pfundt • duodecim vncijs constat sicut annus duodecim mensibus. et est pondus perfectum. Dicitur enim libra, quia159 includit in se cuncta iam dicta pondera. [42.18] Mna. ein pfundt. [42.19] Mina idem. [42.20] Sestercium. est pondus duarum librarum et semis. [42.21] Sextarius. duarum librarum est quibis assumptus dicitur bilibris. [42.22] Assumptus. quater fit greco nomine. [42.23] Cerix. quinquies complicatus quinarem siue gomor facit. [42.24] Adice sextum reddit congium. Nam congius sex metitur sextarijs [42.25] Marca. march. [42.26] Centenarius zenttner.

158 159

Vgl. [79.24], quiaquia

[42.27] Talentum. ein pfundt oder lott. [42.28] Bilanx. ein wag. quia habet binas lances id est scutellas.

[43] De mensuris. [43.01] Metreta. ei(n) maß • Et est mensura liquidorum [43.02] Modius. ein miitt oder symmerey. et est granorum · [43.03] Chorus · pro eodem. Et secundum ysidorum. triginta modiorum mensura dicitur.160 [43.04] Vrna. aymmer. [43.05] Plaustrum./«orfer. [43.06] Seuma. sam. [43.07] Vina, ein ein. et est panni et lini [43.08] Hostarium. strichholtz. [43.09] Quartal e.fierteyl. [43.10] Quartarium idem.

[44] De mensura agrorutn [44.01] Digitus, flngerbreyte. pars minima agrestium mensurarum. [44.02] Vncia. inde habet tres digitos [44.03] Palmus mensura quatuor digitorum. [44.04] Pes sedecim digitos habet · et hoc secundum latitudinem · [44.05] Passus, ein schrytt. pedes habet quinque. [44.06] Iugerum. ein iuchart melius hoc iugerum quam iuger dicimus.

160

Vgl. Isidor XVI, 26, 17.

VI. Edition

licet hoc secundum allexandrum 161 sibi vsurpat. legentes de agri cultura varronem et palladium et colomellam162 · ymo laurencius vallensis et tortelius 163 testes sunt dicere hoc iugerum in secunda inflexione. Iugerum autem continet longitudine pedum ducentorum quadraginta. latitudine centum viginti

[45] D e escis. [45.01] Cibus. speys. [45.02] Victus. narung. a viuo. [45.03] Alimentum. fuorung ab alo verbo. [45.04] Alimonia · idem · Sed differunt. Nam alimentum est quo alimur. Et alimonia est alendi cura [45.05] Affluentia. überßüssigkeytt. [45.06] Opule/itia. 164 richtumb. ab opibus [45.07] Esca Ab edo verbo [45.08] Esculentum diminutiuum [45.09] Epulum speys. ab epulor. [45.10] Dapes. Sed differunt. Nam epule priuatorum • dapes vero regum sunt. [45.11] Pulmentum. gemäß, a pulte. [45.12] Sacietas · benügsam. [45.13] Saturitas. idem. Sed differunt • nam sacietas potest dici ex vno cibo quasi satis sit. Saturi-

161 162 163 164

Zu Alexander von Villa Dei vgl. Kapitel III. 3. 2. Zu Varro, Palladius und Columella vgl. Kapitel III. 3. 3. 2. Zu Lorenzo Valla und Giovanni Tortelli vgl. Kapitel III. 3. 2. Opuleutia

233

tas vero est ex vario alimentorum apparatu. [45.14] Crapula. fresserey • quasi cruda epula. Nam crapula digestionem impedit [45.15] lantaculum. fruo stuck oder speyß. a iano deo qui est anni principium a quo et ianuarius et iantaculum. id est primum ferculum quod mane et prope diei principium datur. quia eo ieiunium soluitur. [45.16] Prandium. ymbis. ab apparatu [45.17] Merenda. vesperbrott. quia post meridiem sumitur. [45.18] Merendare est post meridiem comedere [45.19] Cena. nachtmal. [45.20] Obsonium. ei(it) kleyne urte(n) od(er) schlafftru(n)ck [45.21] Symbolus vel lum. ein gemeine ürten. [45.22] Annona. getraytt. oder frucht. quia omni anno crescit noua. [45.23] Panis. brot. a pan. id est totum vel omne. quia omni cibo apponitur. [45.24] Cibarius · speys brot. et est seruorum. [45.25] Fermentacius panis · gehöflet brot. [45.26] Fermentum. höfel. nam fermen sonat corruptionem. vt talis panis. quia [45.27] mucrescit. schymlet. [45.28] Reubacius. ein layb brott. [45.29] Azimus. vngehöfelt brott. ab a id est sine et zimus corruptione. [45.30] Siligineus. rockenbrott. [45.31] Triticeus panis · waysen brott. [45.32] Ordeacius panis. gersten brott

VI. Edition

234

[45.33] Auenacius. hebrln [45.34] Subcinericius. escherkuoch. [45.35] Focarius idem, quia in foco id est igne coctus. [45.36] Clibanicus. brot gebachen in de(m) ofett. [45.37] Clibanus. bachofen • [45.38] Arthocrea krapff. [45.39] Placenta, pfanzelt. [45.40] Libum. idem [45.41] Nebulo. hyppy. [45.42] Laganum vel lagana.flad. [45.43] Crusta. rind. [45.44] Crustula. idem, od(er) bretzli(n). [45.45] Torta. kuoch. [45.46] Simila. semel oder wißbrott [45.47] Pastillus. ein pastill. [45.48] Farina, melb. [45.49] Furfur, grutsch oder klyen. [45.50] Caro. fleysch. quasi cado. vt supra. 165 [45.51] Crudum. dicitur quod non est coctum. row [45.52] Coctum. gekocht • quia coactum · [45.53] Assum. gebraten, quia ardeat. [45.54] Elixum. gesoten. quia lixos grece est aqua latine [45.55] Frixum. geröschet [45.56] Salsum. gesaltzen. quia sale aspersum [45.57] Opiperatum. gepfeffert. [45.58] Rancidum./7Äj/t/t£f. [45.59] Succidium. auffgehenckt fleysch [45.60] Caro fumigata. rauchet fleysch

[45.61] Ceruina. hirschen fleysch. [45.62] Vrsina. berenfleysch. [45.63] Leporina. hasenfleysch [45.64] V ulpina.fuchßfleysch [45.65] Lupina. wolffleysch. [45.66] Caro Vitulina. kelberin fleysch. [45.67] Bouina. rinderin fleysch [45.68] Ouina. schafffleysch. [45.69] Porcina sew fleysch. [45.70] Caro ferina. wyldprett. [45.71] Lardum. speck [45.72] Offa. supp. [45.73] Vippa. win warm. [45.74] Vappa. wassersupp. [45.75] Prodium. brüe. [45.76] Ius. idem, od(er) iussel [45.77] Galreda sultz. [45.78] Frustrum. stuck, a frumine quo capitur. [45.79] Buccella. ein mundtvoll quia buccam id est inflationem oris facit. [45.80] Mica, brosem. [45.81] Farcimen. bratt wurst. [45.82] Mortisium. alles das man in dem morser zerstampfft. [45.83] Lac. milch, a candore. [45.84] Colustrum. nouum lac dicitur. [45.85] Caseus. keeß • quia lac coactum · [45.86] Lac pressum · keeß oder zyger. Virgilius in bucolica. Et pressi copia lactis.166 [45.87] Seracium. ziger. [45.88] Quaccum geru(n)nen milch, quia lac coagulo actum. [45.89] Coagulum. renny [45.90] Mel. honig

166 165

Verweis auf [15.168],

Vgl. Vergil: Bucolica I, 80 f.: „sunt nobis mitia poma, / castaneae molles et pressi copia lactis."

VI. Edition

[45.91] Fauum. die süsse des honigs od(er) d(er) wab. [45.92] Arthocopus, mützel. quia artus panis

[46] D e p o t i b u s [46.01] Potus. tranck. a greco quod est potes. [46.02] Potio. idem. [46.03] Vinum. weyn. nam cito venas sanguine replet [46.04] Lieum. idem, a proprijs liberi patris [46.05] Bachum, idem. [46.06] Temetum. est bonum vinum. eo quod tenet mentem. et hoc inebriando. [46.07] Temulentus. a. um. tru(n)cken. [46.08] Vinolentus · voll wyn. [46.09] Merum. lautier wein. [46.10] Mustum. most. [46.11] Roseum vinum. quod nos rubeum vocamus [46.12] Aminium. weyßweyn. quia est sine minio. id est rubore. [46.13] Succinacium. gelfar weyn succine gemme simile est. [46.14] Limpidum vinum. klar weyn quasi perspicuum. [46.15] Limphatum vinum. gemüscht wein mit wasser. [46.16] Turbidum vinum. trüb weyn. [46.17] Falernum. ein guoter weyn. a falerno campanie monte. [46.18] Villum. ein arger weyn. quia est vile. [46.19] Infertum vinum. schenk

235

oder opffer wein, quia nil sibi debet adferri id est commisceri [46.20] Spurtum vinum. quod offerre non licet, quia spurium id est aqua mixtum. [46.21] Pendulum, seger weyn. [46.22] Honorarium vinum est quod datur regibus [46.23] Crudum vinum vnmilt wein. quale est vinum seruorum. [46.24] Acetum • essich. vinum aqua mixtum quasi aquidum. quia hoc citius accessit [46.25] Acidum · quasi aqua mixtum, sicut in torculari post expressum vinum aqua infunditur acino et vinacio. [46.26] Conditum. krüter oder gemacht wein [46.27] Lactatum. potio ex lacte. [46.28] Mulsum, quia melle mixtum et aqua. [46.29] Mellicratum. pro eodem. [46.30] Idromel. lauttertranck. quia ex idros id est aqua et melle. [46.31] Incomelum. most gehoniget. quia fortiter commotum. [46.32] Saccatum. sack weyn. [46.33] Oximeilum. mixtio aceti et mellis. [46.34] Rodomellum. potio ubi in succo mellis rose admiscentur. [46.35] Fecula vua. trübel seniff. [46.36] Vinum passum. gesotten weyn. [46.37] Defrutum. gefange(n) wein. quasi defraudatum [46.38] Carenum. weyn auff dem dritten teyll ein gesotten [46.39] Ptisana · gerstin wasser. [46.40] Sicera. est omnis potio que extra vinum inebriat

236

VI. Edition

[46.41] Cereuisia. byer. acerere. quia ex frugibus conficitur. [46.42] Medo. meth. [46.43] Sucus. safft. quia sacco exprimitur. [46.44] Fex. heff [46.45] Tartarum. weinheff. [46.46] Amurca. ölheff [46.47] Garum. ingesaltzner [46.48] Muria. visch [46.49] Liquamen. brüe Differunt tarnen, quia garum a garo pisce qui a grecis primum est salsus. Muria dicitur. quia ex aqua et sale facta in modum maris est acerba. Liquamen vero · quia post pisces in salcamento talis liquor liquatur [46.50] Malfesia. malfesyer. [46.51] Malfesetum. idem. [46.52] Accasia. byeren most [46.53] Claretum. klaret. [46.54] Nectar, deorum potus. vt dicunt poete. nectit linguas bibentium.

[47] D e singulis v a s o r u m generibus primo de escariis [47.01] Vasa. dicta a vescendo. quia in his esce deponebantur. [47.02] Fictile, getraytfaß. est vas luteum decoctum • Inde tunc [47.03] lutifigulus. haffner. nam lutum fingit id est componit in olla. et cetera [47.04] Celatum vas. ein außgegraben oder gemalt vas. [47.05] Anaglipha. vasa sunt superius sculpta. [47.06] Discus · teller. [47.07] Scutella schissel. a scuto cuius habet similitudinem [47.08] Messorium. messet schlisse/.

[47.09] Lanx. gemalt schüssel. [47.10] Parapsis. vier ecket schüssel. [47.11] Patina, brayt schüssel. [47.12] Patena. idem [47.13] Apofereta. öpffel schüssel. a pomis ferendis · [47.14] Cinsorium. teller brott. [47.15] Salinum. saltz veßlin. [47.16] Accetabulum. essich veßlin. [47.17] Cociear. dicitur instrumentum quo cibi liquidi solent manducari. löffei. [47.18] Sinabellum seniff veslin. quia a sinape [47.19] Poculum. trinck geschyr. Virgilius in bucolica. Et bina pocula nobis alchimendon fecit. 167 [47.20] Viale. poculum ex vitro [47.21] Vitrum glas. [47.22] Patera, schal. [47.23] Crater, becher. olim habuit duas 168 ansas [47.24] Ansa · ein ha(n)dtheb an de(m) trinck geschir. [47.25] Craterculus. ein [47.26] Cjatus' 69 · kleyns [47.27] Ciphus. becherlin. [47.28] Emistis. pro vno haustu sufficit. mygolin. [47.29] Mygale • idem [47.30] Calix. ein hültzenes trinck geschyr. quia calon id est lignum. [47.31] Calatus. idem [47.32] Dyotha. zwey öriger kopff [47.33] Otha. ein örig kopff.

167

168 169

Vgl. Vergil: Bucolica III, 44: „Et nobis idem Alcimedon duo pocula fecit, / [...]." Alcimedon ist der Name eines Bildschnitzers. duss Cqytus

VI. Edition

[48] De vasis vinariis et aquariis. [48.01] Doleum. vas rotundum [48.02] Enoforum. wynfas. [48.03] Flasculum. vel vasculum [48.04] Flascula vel vascula ßeschlin [48.05] Fastulum · [48.06] Lagena. legel. [48.07] Situla idem. [48.08] Ydria. wasserkruog. [48.09] Situla. quia sitientibus sit apta. [48.10] Cyrnea. in amphitrione a plauto potest dici vas vinorum.170 coreo circumductum [48.11] Vter vteris. weynschlauch [48.12] Cadus. weynfaß. [48.13] Catinum. vas fictile, yrdeny schüssel. [48.14] Amphora, kruog. quia ampla. [48.15] Orca. zuber. [48.16] Vrcius. idem. [48.17] Vrciolus. züberlin. [48.18] Ciphus. secundum ysidorum in .XX. ethimologie vas in quo manus lauamus171 [48.19] Cupus. a capiendo vina vel aquas. [48.20] Cupa. idem. [48.21] Mulgarium. melckfas. [48.22] Mulcra. idem. [48.23] Mulcrale. idem. [48.24] Labrum. kindes bat geltlin. quia in eo fit infantum lotio. [48.25] Peluis becky. quia secundum ysidorum in ea pedes lauantur.172

[48.26] Lauacrum. gyeß vas. Et reuera generaliter omne vas lotionis. [48.27] Fusorium. giesfas. ab effundendo.

[49] De vasis oleariis [49.01] Emicadium. [49.02] Lechitus. ölfas. [49.03] Scorcia quia est ex corio. [49.04] Alabastrum. salbe(n) büchsen [49.05] Pixis idis. idem. [49.06] Lenticula. vas olei. quo sacerdotes et reges inunguntur. vt vas sacri crismatis.

[50] De vasis coquinariis et pistoriis [50.01] Cocula. omnia vasa coquendi causa, a plauto dicuntur.173 [50.02] Olla. [50.03] Fidena. hafen [50.04] Fidelia. Vnde persius respondet viridi non cocta fidelia limo 174 [50.05] Tedale. branteysen [50.06] Patella, pfann. quia patula. [50.07] Cacabus. stütze oder kachel oder hafen decke. [50.08] Fodula. kachel. [50.09] Patina, pfann [50.10] Lebes. est quedam olla. ein tigel. 172 173

170 171

Vgl. Plautus: Amphitruo I, 1, 429: „Cadus erat vini, inde implevi hirneam." Vgl. Isidor XX, 6, 5, Zeile 6.

237

174

Vgl. Isidor XX, 6, 8. Vgl. Plautus, Bd. 2, 551): „Aeneis coculis omnis misericordia." XX, 8, 1. Vgl. Persius: 3. Satire,

Fragment 57 (S. mihi excocta est Vgl. auch Isidor 22.

VI. Edition

238

[50.11] Gramacula. hely [50.12] Sartago id est patella, olla enea. et dicitur a sarcos quod est caro et ago agis. quia in ea caro agitatur. rostpfannen • [50.13] Frixorium. idem. [50.14] Tripes, dryfuoß [50.15] Cribrum syb. quasi currifrum. quia per ipsum frumenta currunt • [50.16] Rotabulum. sybb. a proruendo stercora. [50.17] Mortorium. mörser. [50.18] Tribulum. idem, od(er) der stössel. [50.19] Mensuale. hackbanck. [50.20] Craticula. rost. [50.21] Caldare • kessel. [50.22] Artawus.175 hackmesser [50.23] Pilus · stösel in dem mörser. [50.24] Contus. idem. [50.25] Sitropodes. sunt vasa fictilia trium pedum, vt olle coquinarie.

[51] D e vasis repositorijs. [51.01] Gazophilacium silberkamer. et proprie vbi thesauri templi reponuntur [51.02] Area, ein arch, ab arcendo intrantes. [51.03] Tibutum. id est archa. ein tettlin [51.04] Loculus. deponendarum rerum est. etiam loculus pro crumena · et pro feretro ·

175

Arta«us

[51.05] Crumena [51.06] Cruma. [51.07] Saccus. Seckel [51.08] Marsuppium. [51.09] Pera. tesch [51.10] Capsa. leder sack. [51.11] Fiscus. gemeyner seckel [51.12] Sistarcia. nautarum sarculus. [51.13] Inuolucrum. idem. Et dicuntur sistarcie quia sunt sute · [51.14] Inuolucra. quia aliquid in se volutum teneat [51.15] Canistrum. ein crettlin [51.16] Cistella • ein küstlin. [51.17] Cista dicitur a costa. quia a costis id est ex cannis vel lignis quibus texitur fit. [51.18] Cophinus. korb [51.19] Corbis oder zayn. [51.20] Sporta· kratt. [51.21] Riscus. est fissura vel fenestra patens in pariete. vt patet in eunucho thereneii. 176 eyn kensterlin • [51.22] Armarium, harnischkamer • [51.23] Scrinium. sehr eyn. [51.24] Mantica. wattsack. [51.25] Theca. kast. [51.26] Capsula, leder sack, a capio. [51.27] Coriola. idem, a corio. [51.28] Clitella. brieff tesch. vti cortisani in curia dueunt.

[52] D e vasis luminariorum. [52.01] Focus ligna · quia fouent ignem. [52.02] Focus, hertt stat oder fewer [52.03] Flamma. der flamm. [52.04] Teda. brand.

176

Vgl. Terenz: Eunuchus IV, 6, 754.

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VI. Edition

[52.05] Torris. idem [52.06] Carbo · koll. [52.07] Pruna. gluott. [52.08] Scintilla, funck. [52.09] Fauilla. id est scintilla. Sed scintilla proprie dicitur accensa. fauilla vero extincta et igne deserta. quia fauilla est extinctus scintille ignis vel cinis. gnyst oder emrytz. [52.10] Cinis. esch. [52.11] Tedifera. ferrum vel lapis super quo ligna aut tede ponuntur. brantysen [52.12] Lucerna, dicitur a lucinium. vel a luce, quasi intra se lucem arcens. leuchte. [52.13] Licinius. est candela lucerne, quasi lucinius [52.14] Candelabrum, leüchter oder kerstal. quasi candelaforum [52.15] Candela. kertz a candeo. quia accensa candet. [52.16] Lucanar. ein hanget liecht. quia in luce et aere. [52.17] Fa x.fackel. [52.18]Facula. idem[52.19] Cereus. kertzliecht von wachß [52.20] Funale. quod intra ceram fit funis. Inde funus venit. [52.21] Lichnus. ein tacht. [52.22] Sepum.177 vnschlitt. [52.23] Lampas. ampel. [52.24] Laterna. dicitur in quo latet ignis [52.25] Lucubrum. dicitur quod in vmbra lucet [52.26] Pira. lignorum congeries vt ardeat. pir enim id est ignis. [52.27] Rogus dicitur cum iam ardeat

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Cepum

[52.28] Bustum cum iam sit exustum. Fuit enim tempore pitagore sepultura per ignem tanquam per elementum perfectius. In quo busta in rogo corpora, pire superiecta per cineres recollectos condebantur in terrain vasis aut ereis aut terreis [52.29] Acerra. weyrach faß oder rauchfaß [52.30] Turibulum. idem

[53] De lectis et sellis [53.01] Lectus. a lectis herbis. [53.02] Thorus. a contostis herbis olim in gramine dormiebatur. [53.03] Stratus, a sternendo dictus. Hec tria genera erant ante laneorum inuentionem et vsum. [53.04] Cama. ein kleyns hettli(n) auff de(m) erdtrich [53.05] Grabatum · ein beth. grecum est [53.06] Baionola. ei(n) roß bar. lectus qui in equis baiulatur id est portatur[53.07] Geniales lecti. braut bette. [53.08] Sponda. das ausser teyl an dem beth. am span beth. [53.09] Pluteus. interior pars lecti. [53.10] Asser. brett [53.11] Cunabulum. wagy. [53.12] Cuna idem, puerorum est. [53.13] Scamnum. banck. a scandendo. Nam olim alta erant scamna [53.14] Scabeüum. fuoßschemel. [53.15] Supedaneum idem [53.16] Scansile. gradus vbi honorati sedent quia secundum sub et supra178· 178

Verweis auf [26.38] und [68.24],

VI. Edition

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[53.17] Sedes. sessel. a sedendo. [53.18] Sedile. idem. [53.19] Solium, kunigs stuol. quia solus in eo rex sedet. vel quia ex lignis solidis factum [53.20] Cathedra, sedes doctorum. [53.21] Thronus. quod est solium. [53.22] Subsellium. est ceterorum cathedra [53.23] Sella quasi sedda. ein sattel. [53.24] Seile curules. richter Stull. Nam magistratus romanorum hijs insidentes iura reddebant. et dicebantur curules a curribus. nam magistratus propter itineris longinquitatem in curribus ducebatur [53.25] Tripodes. scamna habentia tres pedes [53.26] Appodium. ein lentry len. [53.27] Appodiare. an lehnen.

[54] D e vehiculis. [54.01] Carrus a cardine rotarum [54.02] Biga karr. [54.03] Carruta. [54.04] Reda. ein schlyt. [54.05] Vehiculum. idem. [54.06] Currus. wagen, quia rotas habet quibus currit. [54.07] Quadriga, idem, quia quattuor habet rotas [54.08] Carpentum. pompaticus cur-

[54.11] Pilentum. bedeckter wagen [54.12] Plaustrum. secundum ysidorum in ,xx. ethimologie. Est duarum rotarum oneribus portandis aptum.181 [54.13] Auriga, fuorman • [54.14] Vector, idem [54.15] Bigator · karrer. [54.16] Bigarius. idem. [54.17] Currus falcatus. streytt wagen. Nam falx est belli instrumentum. [54.18]Rota te. dicitur a ruo is. eo quod ruat. eyn rad. [54.19] Circumferentia./