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KNUT
AMELUNG
Die Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes
Schriften zum Off e n t l i e h e n Recht Band 392
Die E i n w i l l i g u n g i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes Eine Untersuchung i m Grenzbereich von Grundrechts- und Strafrechtsdogmatik
Von Dr. K n u t A m e l u n g Professor an der Universität Trier
D U N C K E R
&
H U
M B L O T
/
B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten © 1981 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1981 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04891 1
Meiner Frau
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist m i t dem Ziel begonnen worden, Dunkelzonen des Rechts der Amtsverbrechen und der strafprozessualen Grundrechtseingriffe etwas aufzuhellen. Dies hat mich weit tiefer in verfassungsrechtliche Probleme hineingeführt, als ich ursprünglich abgesehen habe. Die Vorbehalte, auf die ein solcher Ausgriff treffen muß, stehen m i r deutlich vor Augen. Aber die Entscheidung, mich den damit verbundenen Risiken auszusetzen, ist m i r trotzdem nicht übermäßig schwer gefallen. Denn die scharfe Scheidung zwischen Strafrechts- und Verfassungsrechtsdogmatik, die hier viel tiefere Gräben entstehen ließ als zwischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht, erscheint m i r ohnehin beiden Rechtsgebieten abträglich. Sie belastet das Strafrecht mit mancherlei vorkonstitutionellem Ballast, und sie entfremdet das Staatsrecht klassischen rechtsstaatlichen Fragestellungen, die bis 1848 seine Entwicklung maßgeblich beeinflußten, aber ihre Aktualität keineswegs verloren haben. Das Scheitern der Revolution von 1848, das den frühliberalen Bemühungen um eine Zusammenführung von Staats- und Strafrechtslehre den Boden entzog und beide Wissenschaften zur getrennten Fortbildung ihrer Grundbegriffe zwang, ist wohl die wichtigste Ursache dafür, daß Querverbindungen heute so selten hergestellt werden. Ist das richtig, so entspräche es aber durchaus den Zielen der Schöpfer des Grundgesetzes, wenn auch diese Spätfolge jenes großen historischen Unglücksfalles überwunden würde. Ob die vorliegende Arbeit dazu einen Beitrag leistet, der den unternommenen Ubergriff rechtfertigt, muß ich dem Urteil des Lesers überlassen. Den Mitarbeitern meines Lehrstuhls habe ich für vielfältige Hilfe zu danken. Insbesondere Joachim Classen, Gerhard Pauli und Karl-Hugo Peters haben manches zur Verbesserung des Textes beigetragen. Nicht unerwähnt lassen w i l l ich aber auch Petra Steiner, Antonius Duhr und Josef Hoffmann, die den M u t hatten, diese Untersuchung durch fachübergreifende Seminarreferate vorzubereiten. Zugeeignet sei die Arbeit meiner Frau! Trier, i m Januar 1981 Knut
Amelung
Inhaltsverzeichnis Kapitel
I
Einleitung 1. Grundrechtsbezogene E i n w i l l i g u n g e n als soziales u n d rechtliches Problem
9
2. Der Begriff der E i n w i l l i g u n g
13
3. Die faktische Möglichkeit einer E i n w i l l i g u n g i m Grundrechtsbereich
17
Kapitel
II
Die Zulässigkeit der Einwilligung 1. Vorgefundene
Ansätze
19
a) Der Ansatz beim „Grundrechtsverzieht"
19
b) Der Ansatz bei den Grundrechtstheorien
21
c) Formale Argumentationsmuster
24
d) Folgerungen f ü r den Gang der Untersuchung
25
2. Zulässigkeit u n d Grundrechtsdogmatik
26
a) Die Einwilligungsfreiheit u n d ihre Schranken aa) Der Grundrechtsschutz der Einwilligungsfreiheit bb) Die Schranken der Einwilligungsfreiheit
26 26 31
b) Die Einwilligungsfreiheit bei den Einzelgrundrechten aa) Grundrechte der Person bb) Grundrechte der politischen, kulturellen u n d wirtschaftlichen Kommunikation cc) Die institutionellen Garantien der A r t . 6 u n d 7 GG dd) Justizgrundrechte ee) Gleichheitsrechte c) Allgemeine grundrechtsdogmatische Zulässigkeitsschranken aa) Die Menschenwürde als Zulässigkeitsschranke? bb) Die Wesensgehaltssperre des A r t . 19 Abs. 2 GG cc) Die Schranke des Sittengesetzes dd) Die Schranke der Hechte anderer
33 33
3. Verfassungsprinzipien als Zulässigkeitskriterien
36 40 42 44 46 46 53 56 58 61
a) Allgemeines
61
b) Zulässigkeit u n d Gesetzmäßigkeitsprinzip
63
8
Inhaltsverzeichnis aa) E i n w i l l i g u n g u n d Vorbehalt des Gesetzes bb) E i n w i l l i g u n g u n d Vorrang des Gesetzes c) E i n w i l l i g u n g u n d Sozialstaatsprinzip Kapitel
63 70 75
III
Die Freiwilligkeit der Einwilligung 1. Einleitende Bemerkungen
79
a) Forsthoffs Bedenken gegen die F r e i w i l l i g k e i t von Zugeständnissen an den Staat
79
b) Der Gang der Untersuchung
82
2. Die F r e i w i l l i g k e i t der gesetzesvertretenden E i n w i l l i g u n g
82
a) F r e i w i l l i g k e i t als Rechtsbegriff
82
b) Die Koppelung der E i n w i l l i g u n g an Nachteile und Vergünstigungen aa) Der Grundsatz bb) Die F r e i w i l l i g k e i t der E i n w i l l i g u n g bei der Vergabe von Subventionen cc) Die Koppelung der E i n w i l l i g u n g an Beweisnachteile und Verdächtigungen dd) Die F r e i w i l l i g k e i t der E i n w i l l i g u n g gefangener Personen ee) „Gewissenszwänge"
84 84
c) Anforderungen an die Einzelerklärung aa) E i n w i l l i g u n g u n d Nichtausübung bb) Der I r r t u m über die F r e i w i l l i g k e i t cc) Die Pflicht zur A u f k l ä r u n g über die F r e i w i l l i g k e i t dd) Die durch Täuschung erschlichene E i n w i l l i g u n g
86 88 91 95 96 97 98 100 102
3. F r e i w i l l i g k e i t u n d Zwang bei der „eingriffsmildernden" E i n w i l l i g u n g 105 a) Eingriffsmilderung
als Einwilligungsprinzip
105
b) Die „Nebenfolgen vermeidende" E i n w i l l i g u n g
107
c) Die „Hauptfolgen vermeidende" E i n w i l l i g u n g
109
Kapitel
IV
Schluß 1. Zur Bedeutung des Themas für die Dogmatik des Verfassungsrechts 114 2. Z u r Bedeutung der E i n w i l l i g u n g für die Lehre vom Grundsatz volenti non fit iniuria i m öffentlichen Recht 116 3. Die E i n w i l l i g u n g u n d das Problem der Anwendbarkeit allgemeiner Rechtfertigungsgründe i m öffentlichen Recht 117 Anhang
120
Literaturverzeichnis
140
Kapitel I
Einleitung 1. Grundrechtsbezogene Einwilligungen als soziales und rechtliches Problem Die Lehre von der Einwilligung des Verletzten gilt als Domäne der Strafrechtswissenschaft. Die Besonderheiten, die sich bei der E i n w i l l i gung in die staatliche Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes ergeben, fallen dagegen in die Zuständigkeit der Staatsrechtslehre. Daraus entsteht ein Kompetenzkonflikt, der — wie viele Konflikte dieser A r t — dadurch gelöst wird, daß keine der einschlägigen Wissenschaften sich richtig des Problems annimmt 1 . Unter diesem Mangel leiden neben dem Strafrecht und dem Strafprozeßrecht manche andere Gebiete des öffentlichen Rechts bis hin zum Zivilprozeß- und Datenschutzrecht. Denn wie schon eine steigende Zahl einschlägiger öffentlich-rechtlicher Normen zeigt, hat die Einwilligung für die Beziehungen zwischen Staat und Bürger erhebliche Bedeutung erlangt 2 . Dafür gibt es gute Gründe. Bereits aus der Diskussion über den subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrag ist bekannt, daß auch der 1 Die Staatsrechtswissenschaft behandelt die E i n w i l l i g u n g i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes i. d. R. als Unterfall der Lehre v o m Grundrechtsverzicht. Die relativ ausführlichste Stellungnahme findet sich bei Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik (1977) S. 98 ff.; am Rande erörtert w i r d sie i m neueren Schrifttum ferner bei Dagtoglou, Bonner K o m mentar, A r t . 13 Rdnr. 54 ff.; Sturm, Festschrift für Geiger (1974) S. 173 ff. (insbes. S. 183 ff.); Malorny, J A 1974/475 ff. (insbes. S. 479 f.); Müller / Pieroth, Politische Freiheitsrechte der Rundfunkmitarbeiter (1976) S. 34 ff.; Erichsen, Staatsrecht u n d Verfassungsgerichtsbarkeit I (2. A u f l . 1976) S. 155; Pietzcker, Der Staat 1978/527 ff. (insbes. S. 532 f.); Bleckmann, Allgemeine G r u n d rechtslehren (1979) S.281 ff. (283). Die Strafrechtslehre behandelt staatsbezogene Einwilligungen ζ. T. i m Z u sammenhang m i t der allgemeinen Dogmatik der Amtsdelikte. Die ausführlichste Stellungnahme findet sich bei Wagner, A m tsverbrechen (1975) S. 347 ff.; vgl. ferner Maurach, Strafrecht B T (5. A u f l . 1969) S. 741; Rudolphi, S K Rdnr. 16 vor § 331 StGB. Meist werden solche Einwilligungen hier aber n u r i m Zusammenhang m i t der Kommentierung konkreter Normen des materiellen Strafrechts (ζ. B. des § 340 StGB) u n d des Strafprozeßrechts (ζ. B. des § 105 StPO) angesprochen, ohne daß systematisch auf Besonderheiten des Instituts eingegangen w i r d . 2 Vgl. dazu die Nachweise i m Anhang (S. 120 ff.).
10
Kap. I: Einleitung
hoheitlich handelnde Staat an der einverständlichen M i t w i r k u n g der Betroffenen interessiert ist, um unübersichtliche Lagen i m gegenseitigen Einvernehmen zu bewältigen und langwierige Konflikte zu vermeiden 3 . Von der soziologischen Systemtheorie w i r d diese Aussage noch verschärft: Würden alle Bürger, von denen der Staat etwas w i l l , es zu gleicher Zeit auf den Einsatz staatlicher Gewalt ankommen lassen, so würde nach dieser Auffassung das politische System seinen „schwarzen Freitag" erleben und wegen Uberanstrengung seiner Kräfte i n Gefahr geraten 4 . Eine gewisse Bereitschaft der betroffenen Bürger, an der Verwirklichung staatlich-administrativer Ziele von sich aus mitzuwirken, erscheint aus dieser Sicht also für das politische System geradezu als lebensnotwendig. Vielfach kann der Staat insoweit auch auf ein Entgegenkommen seiner Bürger rechnen. Denn zum einen hat staatliche Zwangsanwendung in aller Regel schädliche Nebenfolgen, die der Betroffene vermeidet, wenn er sich staatlichen Zumutungen ohne Widerstand fügt 5 . I m vorliegenden Zusammenhang wichtiger ist aber, daß es — zumal i m Sozialstaat — für den Bürger i n bestimmten Lagen auch einmal günstiger sein kann, den Staat von sich aus in die Grundrechtssphäre einzulassen, weil damit Vorteile verbunden sind, die das Interesse des Einzelnen an der Behauptung seines Grundrechts übersteigen 6 . Man denke nur an staatliche Impfaktionen, bei denen oft auf die Androhung von Zwang verzichtet werden kann, weil die Interessen des Staates und die Interessen seiner Bürger sich vollständig decken, obgleich die Hinnahme der Impfung für letztere mit einer Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes verbunden ist. Andererseits wägt der vom Staat in Anspruch genommene Einzelne oft auch nur seine schwachen Kräfte gegen die vielfältigen Einflußmöglichkeiten seines mächtigen Gegenübers ab und w i l l i g t aus bloßer Furcht i n Beeinträchtigungen seiner Rechtssphäre ein, ohne lange nach Recht oder Unrecht zu fragen. Solche Überlegungen machen sich vor allem totalitäre Staaten zunutze. Denn das Spiel m i t diesem Ohnmachtskalkül erlaubt es ihnen, ihre Ziele durchzusetzen, ohne das i n ihnen angelegte Gewaltpotential öffentlich vorzeigen zu müssen. Doch darf man sich keiner Illusion hingeben: Auch i m demokratischen und sozialen Rechtsstaat besteht eine Scheu, staatliche Gewalt öffentlich einzusetzen, und auch hier ist man gezwungen, mit staatlicher Macht 3 Forsthoff, Verwaltungsrecht (10. Aufl. 1973) S. 274 ff.; EVwVfG1973, BTDrucks. 7/910 S. 77 (r. Sp.). 4 Parsons , Some Reflections on the Role of Force i n Social Process, i n ders., Sociological Theory and Modern Society (1967) S. 264 ff. 5 Z u r Bedeutung dieses Umstandes für die Dogmatik der E i n w i l l i g u n g s.u. Kap. I I I 3. 6 Ausführlicher dazu unten, Kap. I I 3 c u n d Kap. I V 1,
1. Das Problem
11
ö k o n o m i s c h u m z u g e h e n . B e i d e n A m t s w a l t e r n eines solchen G e m e i n wesens t r i t t sogar noch d i e Ü b e r l e g u n g h i n z u , daß das E i n v e r s t ä n d n i s des B ü r g e r s sie v o n der E i n h a l t u n g l ä s t i g e r V e r f a h r e n s v o r s c h r i f t e n b e f r e i e n k a n n . A l l dies d e u t e t d a r a u f h i n , daß auch i n dieser S t a a t s f o r m i n der s t a a t l i c h e n B ü r o k r a t i e s t a r k e M o t i v e v o r h a n d e n sind, v o m B ü r ger d i e E i n w i l l i g u n g i n eine B e e i n t r ä c h t i g u n g seiner G r u n d r e c h t s s p h ä r e zu erlangen, ohne subtile E r w ä g u n g e n über die F r e i w i l l i g k e i t u n d die rechtliche W i r k s a m k e i t e i n e r solchen E r k l ä r u n g anzustellen. E i n i g e B e i s p i e l e m ö g e n zeigen, welche P r o b l e m e sich h i e r b e i i n der a l l t ä g l i c h e n Rechtspraxis ergeben: 1. Bei der kriminalpolizeilichen E r m i t t l u n g ist es üblich, daß die Polizeibeamten ohne richterlichen Haussuchungsbefehl die Wohnung des V e r dächtigen aufsuchen u n d i h n fragen, ob er m i t einer Durchsuchung seiner Räume einverstanden ist. Nach A u s k u n f t von Kriminalpolizisten w i l l i g e n die erschreckten Wohnungsinhaber so gut w i e i m m e r ein — offenbar aus Furcht, sich durch eine Weigerung erst recht verdächtig zu machen. Ist es zulässig, die richterliche Präventivkontrolle von Haussuchungen auf diese Weise auszuschalten 7 ? 2. I m schulischen Bereich k o m m t es häufig vor, daß Eltern, die m i t ihren K i n d e r n Schwierigkeiten haben, dem Lehrer erklären, er dürfe ihren Sprößling r u h i g züchtigen. Was geschieht, w e n n ein Lehrer, dem einmal „die Hand ausrutscht", sich hierauf beruft? Diese Frage dürfte i n Z u k u n f t an Bedeutung gewinnen, da der Bundesgerichtshof dabei ist, das von i h m bislang noch als Gewohnheitsrecht anerkannte Züchtigungsrecht des L e h rers abzuschaffen 8 . 3. Das Kastrationsgesetz läßt es i n § 2 ausdrücklich zu, daß die Keimdrüsen von Triebtätern funktionsunfähig gemacht werden, sofern die Betroffenen über 25 Jahre alt sind u n d i n die Kastration einwilligen. Z u r D u l d u n g solcher Operationen erklären sich vor allem Straftäter bereit, die sich i m Gefängnis oder i n einer psychiatrischen Anstalt befinden u n d sich von der Kastration eine A b k ü r z u n g ihrer Haftzeit wegen günstiger Sozialprognose erhoffen. §3 Abs. 2 Kastrationsgesetz sagt dazu: „Die E i n w i l l i g u n g des Betroffenen ist nicht deshalb unwirksam, w e i l er zur Zeit der E i n w i l l i gung auf richterliche A n o r d n u n g i n einer Anstalt v e r w a h r t w i r d . " Aber täuscht m i t dieser Formulierung der Gesetzgeber nicht sich selbst u n d andere? Ist die Erduldung des Eingriffs nicht unfreiwillig, w e n n von i h r die Freilassung abhängt? Verschleiert die Rede von der gleichwohl w i r k samen „ E i n w i l l i g u n g " nicht nur, daß es sich hier u m einen zwangsweisen Eingriff i n den Kernbereich der Persönlichkeit handelt, gegen den unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Personenwürde Einwände erhoben werden müssen 9 ? 7 I n s t r u k t i v dazu Schwarberg, Der Stern v. 8. 9.1977 S. 250. β Vgl. dazu BGHSt 12/62 (69 f.); zur neueren E n t w i c k l u n g des Züchtigungsrechts des Lehrers i n der Rechtsprechung vgl. BGH N J W 1976/1949 m. A n m . v. Schall, N J W 1977/113; Bay ObLG N J W 1979/1371 m i t A n m . v. Vormbaum, JR 1979/477. » Vgl. dazu BGHSt 19/201 (206); Schwalm, i n Mergen (Hrsg.), Die j u r i s t i sche Problematik i n der Medizin (1971) Bd. 3 S. 200 ff.; Schönke / Schröder / Eser, StGB (20. Aufl. 1980) § 223 StGB Rdnr. 53 ff. m. w . N.
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Kap. I: Einleitung
Vier weitere Fälle belegen, daß die Einwilligung i n staatliche Grundrechtsbeeinträchtigungen aber keineswegs nur strafrechtlich bedeutsame Folgen hat. 4. Behördenvertreter finden bei Berichten aus ihrem Amtsbereich oft nicht die Zeit zur Absetzung schriftlicher Presseerklärungen. Amtsleiter A macht seine Mitteilungen an die Lokalzeitung daher stets mündlich u n d verabredet i n juristisch komplizierten Fällen, daß der E n t w u r f der M e l dung i h m noch einmal zur K o n t r o l l e vorgelegt w i r d . Entstellende Passagen werden von A dann gegebenenfalls verändert. Politische Gegner des A und des verantwortlichen Redakteurs R greifen diese Praxis auf und prangern sie als Vornahme von „Zensurmaßnahmen" an. A u n d R wehren sich m i t dem Argument, es handele sich hierbei lediglich u m zwanglose Kooperation 1 0 . 5. Bei der Verteilung von Subventionen sind staatliche Stellen daran i n t e r essiert, sich Einblick i n die Vermögensverhältnisse der potentiellen Subventionsempfänger zu verschaffen, u m ihre Bedürftigkeit zu prüfen. I m Bereich reiner Kultursubventionen besitzt die V e r w a l t u n g nach w i e vor keine spezielle gesetzliche Handhabe, u m an Informationen aus dem Bereich des Begünstigten heranzukommen. Darf dann aber ein K u l t u s minister, der von einem Doktoranden u m einen Druckkostenzuschuß f ü r seine Dissertation gebeten w i r d , die Förderung der A r b e i t davon abhängig machen, daß der Antragsteller i h n die Korrespondenz m i t seinen Eltern einsehen läßt, die ihrem Sohn eine Hilfe verweigerten 1 1 ? 6. Bei der Anfechtung von Wahlen, die die politischen Vertretungen i n Bund, Ländern u n d Gemeinden betreffen, haben sich die Gerichte nicht selten m i t dem Vorbringen auseinanderzusetzen, das Wahlgeheimnis sei verletzt worden. Dabei geht es meist darum, daß Wähler ihre Wahlzettel angeblich öffentlich ausgefüllt oder einander nahestehende Personen gemeinsam die Wahlkabine aufgesucht haben. I m Wahllokal der Eifelgemeinde E besteht die Wahlkabine aus einem Wandschirm, dem es an der nötigen Standfestigkeit mangelt. Bis Ersatz geschaffen ist, läßt Wahlleiter W es zu, daß ungeduldige Wähler ihre Wahlzettel am Tisch des Wahlaufsichtsgremiums ausfüllen, wobei dieses i n mehreren Fällen vom I n h a l t der Stimmabgabe Kenntnis n i m m t . W meint, die Wahrung des Wahlgeheimnisses sei Sache der Wähler, denn diese pflegten nach der W a h l ohnehin oft zu erzählen, für welche Partei sie sich entschieden hätten 1 2 . 7. Gegenstand des Fernmeldegeheimnisses i. S. d. A r t . 10 GG ist nach h e r r schender Meinung nicht n u r der I n h a l t eines Telefongesprächs, sondern auch die Tatsache, daß eine bestimmte Person überhaupt zu einem bestimmten Zeitpunkt telefoniert hat, sowie die Frage, m i t w e m sie dabei sprach. Technisch ist die Post durchaus i n der Lage aufzuklären, welche Anschlüsse von einem bestimmten Apparat aus zu einem bestimmten Zeitpunkt angewählt wurden u n d von welchem Anschluß aus ein Fernsprechteilnehmer angerufen wurde. A u f A n t r a g eines Anschlußinhabers, der sich etwa gegen anonyme A n r u f e oder gegen den unbefugten Gebrauch seines Apparates wehren w i l l , u n t e r n i m m t die Post entsprechende 10
s. dazu unten, Kap. I I b bb. Vgl. dazu zuletzt Bleckmann, Subventionsrecht (1978) S. 55/56. 12 Vgl. dazu OVG Koblenz A S 3/394; OVG Lüneburg, OVGE 14/257 (260); OVG Lüneburg DÖV 1964/355 ff. 11
2. Der Begriff der E i n w i l l i g u n g
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Aufklärungsmaßnahmen und erteilt dem Antragsteller über das Ergebnis Auskunft. Eine Rechtsgrundlage besitzt die Post für diese Maßnahmen nicht. Nach Auffassung der Gerichte kann sie fehlen, w e i l der Antragsteller i n die A u f k l ä r u n g eingewilligt hat. Die E i n w i l l i g u n g des anderen Gesprächspartners, der durch solche Maßnahmen ermittelt w i r d , soll dagegen nicht nötig sein. H i e r f ü r beruft m a n sich darauf, daß die Partner eines Ferngesprächs untereinander keinen Geheimhaltungsanspruch besitzen^. Aber k a n n ein Gesprächspartner deshalb w i r k l i c h über den Grundrechtsschutz des anderen verfügen? Solche u n d ä h n l i c h e F ä l l e s i n d G e g e n s t a n d d e r f o l g e n d e n Ü b e r l e g u n gen. Z u n ä c h s t ist der Themenbereich abzugrenzen, insbesondere der h i e r v e r w e n d e t e B e g r i f f der E i n w i l l i g u n g z u e r l ä u t e r n ( K a p . I, 2 u n d 3). D a n a c h w e r d e n die K e r n f r a g e n der Zulässigkeit ( K a p . I I ) u n d der Freiwilligkeit ( K a p . I I I ) e i n e r E i n w i l l i g u n g i n die B e e i n t r ä c h t i g u n g v o n G r u n d r e c h t s g ü t e r n b e h a n d e l t . A m E n d e s o l l e n d a n n i n e i n e m theoretischen Ausblick noch d i e K o n s e q u e n z e n der U n t e r s u c h u n g f ü r einige a l l gemeine F r a g e n angedeutet w e r d e n ( K a p . I V ) .
2. D e r Begriff der E i n w i l l i g u n g D e r Begriff der E i n w i l l i g u n g w i r d h i e r i n U b e r e i n s t i m m u n g m i t d e m Sprachgebrauch des Strafrechts u n d der z i v i l r e c h t l i c h e n L e h r e v o n d e n u n e r l a u b t e n H a n d l u n g e n v e r w e n d e t 1 4 . D a n a c h ist die E i n w i l l i g u n g eine E r k l ä r u n g , m i t d e r d e r E i n w i l l i g e n d e k u n d t u t , daß er eine B e e i n t r ä c h t i g u n g seines Rechtsgutes d u r c h e i n e n a n d e r e n h i n n e h m e n w i r d 1 5 . K o n s t r u k t i v w i r d i n dieser U m s c h r e i b u n g v o n einer Trennung zwischen (individuellem) Grundrecht und Grundrechtsgut ausgegangen. 13 Vgl. dazu BayObLG JZ 1974/399; V G Bremen, N J W 1978/66 ff.; OVG Bremen, N J W 1980/607; Amelung / Pauli M D R 1980/801 ff. 14 Vgl. dazu Jescheck, Strafrecht A T (3. Aufl. 1978) S. 299 ff.; Deutsch, H a f tungsrecht Bd. 1 (1976) S. 226 ff. Die Frage, ob es sich i m öffentlichen Recht u m das gleiche Rechtsinstitut handelt, ist m i t dieser begrifflichen A n k n ü p f u n g nicht vorentschieden. Das Problem der rechtlichen Identität k a n n erst nach der Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen u n d der Rechtsfolgen einer E i n w i l l i g u n g i m öffentlichen Recht geklärt werden, s. dazu unten, Kap. I V 3. is Der Text folgt m i t dieser Formulierung der i n der Strafrechtslehre herrschenden „Rechtsschutzverzichtstheorie". Vgl. dazu BGHSt 17/359 (360), Hirsch, L K (9. Aufl. 1970 ff.) Rdnr. 104 vor §51; Schönke / Schröder / Lenckner, Strafgesetzbuch (20. A u f l . 1980) Rdnr. 33 vor § 32 m. w. N. Andere Auffassungen gehen dahin, daß Strafnormen, die den Einzelnen schützen, zugleich seine Autonomie schützen, so daß das strafrechtliche Schutzobjekt beim Gebrauch dieser Autonomie gar nicht berührt w i r d . Als Repräsentanten dieser „Autonomielehre", von der es verschiedene Schattierungen gibt, vgl. z.B. Schmidhäuser, Strafrecht A T (2. A u f l . 1975) S. 267 ff.; Stratenwerth, Strafrecht A T I (2. A u f l . 1976) S. 122 ff. sowie zuletzt Kühne, J Z 1979/241 ff. (242) alle m. w. N. Eine K r i t i k der „Autonomielehre" ist erst auf der interpretatorischen Ebene möglich. Siehe dazu unten, Kap. I I 2 a aa. Z u r sog. „Güterabwägungstheorie" siehe unten Kap. I I 2 b aa Anm. 56.
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Kap. I : Einleitung
U n t e r e i n e m G r u n d r e c h t s g u t w i r d h i e r d e r v o n d e r V e r f a s s u n g geschützte G e g e n s t a n d oder Schutzbereich v e r s t a n d e n , e t w a d e r u n v e r sehrte K ö r p e r , v o n d e m i n A r t . 2 A b s . 2 S. 1 G G d i e Rede ist. Das ( i n d i v i d u e l l e ) G r u n d r e c h t besteht d e m g e g e n ü b e r i n d e r (zusätzlichen) B e f u g n i s , e i n e r B e e i n t r ä c h t i g u n g dieses Gegenstandes ( d u r c h d e n Staat) rechts w i r k s a m e n t g e g e n t r e t e n z u k ö n n e n 1 6 ; das g i l t j e d e n f a l l s f ü r seine F u n k t i o n als A b w e h r r e c h t . D i e E i n w i l l i g u n g ist d i e E r k l ä r u n g des G r u n d r e c h t s t r ä g e r s , daß er v o n dieser A b w e h r b e f u g n i s k e i n e n G e b r a u c h machen u n d d i e R e c h t s g u t s b e e i n t r ä c h t i g u n g h i n n e h m e n w i l l . I m U n t e r s c h i e d z u r „ G e n e h m i g u n g " w i r d d i e E i n w i l l i g u n g vor d e r B e e i n t r ä c h t i g u n g abgegeben 1 7 . Die Strafrechtswissenschaft unterscheidet üblicherweise von der E i n w i l l i gung das sog. Einverständnis 1 8 . Der Begriff des Einverständnisses bezeichnet eine ex ante erklärte Zustimmung, die den Tatbestand einer Strafnorm u n d gegebenenfalls auch die Beeinträchtigung des durch sie geschützten Rechtsgutes ausschließt. Die Z a h l der Straftatbestände, bei denen eine Zustimmung als Einverständnis anzusehen ist, ist allerdings ebenso u m s t r i t t e n 1 9 w i e die Frage, ob der Unterscheidung überhaupt verschiedenartige Rechtsfolgen zugeordnet werden können 2 0 . I m Verfassungsrecht ist diese Unsicherheit noch größer 2 1 . Daß die Zustimmung schon das Eingreifen des Grundrechtstatbestands ausschließt, k a n n m i t Gewißheit lediglich dort angenommen w e r den, wo eine Grundrechtsnorm ausdrücklich n u r ein Handeln gegen den W i l l e n des Grundrechtsträgers verbietet wie etwa A r t . 6 Abs. 3 GG. I n allen übrigen Fällen ist die Frage des Tatbestandsausschlusses eine Frage der Interpretation. Der hierfür notwendige A u f w a n d lohnt sich letztlich aber nur, wenn sicher ist, daß sich i m Verfassungsrecht an die Unterscheidung zwischen E i n w i l l i g u n g und Einverständnis auch unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen. Ob dies der F a l l ist, ist aber erst recht ungewiß 2 2 . Deshalb 16 Z u m Grundrecht als subjektivem Recht u n d zum Verhältnis zwischen subjektivem Recht u n d rechtlich geschütztem Interesse vgl. Bachof, Reflexw i r k u n g e n u n d subjektive Rechte i m öffentlichen Recht, Gedächtnisschrift f ü r Walter Jellinek (1955) S. 287 ff.; Dürig, i n Maunz / D ü r i g / Herzog/ Scholz, A r t . 19 Abs. 4 GG Rdnr. 34; Schwabe (Anm. 1) S. 177 ff.; Schenke, Rechtsschutz gegen Normen (1979) S. 73 ff. m. w. N.; zum Verhältnis von Rechtsgut u n d rechtlich geschütztem Interesse vgl. Amelung, Rechtsgüterschutz u n d Schutz der Gesellschaft (1972) S. 188 ff. Nachweise f ü r abweichende K o n struktionen der Grundrechte bei Schwabe, ebd. S. 17 ff.; Schenke, ebd. S. 62 ff. « Vgl. § 183 BGB. 18 Jescheck (Anm. 14) S. 299 m. w. N. i m Anschluß an Geerds, E i n w i l l i g u n g u n d Einverständnis des Verletzten, Diss. K i e l 1953, S. 105 ff. 19 Vgl. Kientzy, Der Mangel am Straftatbestand infolge E i n w i l l i g u n g des Rechtsgutsträgers (1970) S. 38 ff., 48 ff. 20 Vgl. dazu etwa Kientzy (Anm. 19) S. 65 einerseits, Jescheck (Anm. 14) S. 300 ff. andererseits. 21 Angesprochen w i r d der Tatbestandsausschluß durch Erteilung einer Zustimmung i n der Staatsrechtslehre ζ. B. bei Dürig (Anm. 16) A r t . 2 Abs. 2 Rdnr. 37 (Fußn. 4); Dagtoglou (Anm. 1) Rdnr. 54; Pietzcker (Anm. 1) S. 543. 22 Vgl. dazu einerseits Dagtoglou ebd., der die Zulässigkeit einer Z u s t i m mung i m wesentlichen v o m begrifflichen Ausschluß einer Rechtsgutsverlet-
2. Der Begriff der Einwilligung
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w i r d hier auf die Unterscheidung grundsätzlich n u r dort eingegangen, w o es auf sie ankommen könnte. Begriffliche Unschärfen, die sich hieraus ergeben, werden aus forschungspraktischen Gründen i n K a u f genommen.
Weiter ist hervorzuheben, daß hier m i t der Einwilligung lediglich Erklärungen behandelt werden, die keine Bindungswirkung entfalten, sondern frei widerrufen werden können 2 3 . Hierdurch unterscheidet sich die Einwilligung einmal vom öffentlich-rechtlichen Vertrag und verwandten Instituten wie dem umstrittenen „Verwaltungsakt auf Unterwerfung" 2 4 . Grundrechtsdogmatisch bedeutsamer ist aber, daß i n der freien Widerruflichkeit auch das Unterscheidungskriterium zum Grundrechtsverzicht liegt. Als Verzicht bezeichnet man i. d. R. eine (Willens-)Erklärung, mit der ein Recht aufgegeben w i r d 2 5 ; das wäre hier das Recht, einer Beeinträchtigung des Grundrechtsgutes zu widersprechen. Da der Verzichtende mit einer solchen Erklärung sein Recht verliert, kann er sich i n aller Zukunft nicht mehr darauf berufen. Insoweit ist ein (wirksamer) Verzicht bindend und fällt damit aus dem Rahmen dieser Erörterungen 2 6 . Schließlich w i r d hier mit dem Begriff der Einwilligung eine Erklärung bezeichnet, m i t der der Einwilligende kund tut, daß er die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes durch einen anderen hinnehmen wird. Die ausdrückliche oder konkludente Erklärung, sich selbst schädigen zu wollen, w i r d damit aus dem Begriff der Einwilligung ausgeschieden. Dies entspricht der strafrechtsdogmatischen Begriffsbildung 2 7 und zung abhängig machen w i l l , andererseits Pietzcker ebd., f ü r den es hierauf nicht entscheidend ankommt. Z u r eigenen Auffassung s. u. Kap. I I 1 c. 23 Allgemeine Meinung: vgl. n u r Jescheck (Anm. 14) S. 308; Pietzcker (Anm. 1) S. 532. 2 * Dazu ausführlich Rende, JuS 1971/77 ff. (78 f). 2 5 Larenz, Allgemeiner T e i l des Bürgerlichen Rechts (5. A u f l . 1980) S. 211; Schoenborn, Studien zur Lehre v o m Verzicht i m öffentlichen Recht (1908) S. 12 ff., 27; Schwabe (Anm. 1) S. 93 m. w. N. I n der Grundrechtsdogmatik ist allerdings die Kennzeichnung der E i n w i l ligung als U n t e r f a l l des „Grundrechtsausübungsverzichts" verbreitet. Sinn dieser Einordnung ist aber gerade, die E i n w i l l i g u n g v o m echten „ G r u n d rechtsverzicht" abzusetzen. Vgl. z. B. Pappermann, i n v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar Bd. 1 (1974) A r t . 13 GG Rdnr. 15; Malorny (Anm. 1) S. 476, 478 ff.; weitere Nachweise zur Trennung von „Grundrechtsverzicht" und „Grundrechtsausübungsverzicht" bei Pietzcker (Anm. 1) S. 537 Fußn. 43. 26 s. aber noch unten, Kap. I I 1 a u n d Kap. I V 2. 2 7 Vgl. z. B. schon M. E. Mayer, Der Allgemeine T e i l des Deutschen Strafrechts (1915) S. 289. Die Unterscheidung w i r d i m Strafrecht z. B. durch die Abgrenzung des straflosen Selbstmordes von der strafbaren Tötung auf Verlangen gefordert (vgl. Roxin, Täterschaft u n d Tatherrschaft [3. A u f l . 1975] S. 565 ff.) u n d ist heute vor allem i m Bereich der fahrlässigen Delikte bedeutsam (vgl. Schönke / Schröder / Lenckner Rdnr. 107 v o r §32 StGB; Roxin, Festschrift f ü r Gallas [1973] S. 241 ff. [246, 250]). Siehe i m übrigen Schmitt, Festschrift f ü r Maurach (1972) S. 113 ff. (115) m. w. N.; Hirsch, Festschrift f ü r Welzel (1974) S. 775 ff. (786).
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Kap. I: Einleitung
ist i m vorliegenden Zusammenhang für die Beurteilung von Zulässigkeitsproblemen von Bedeutung. Wer die Zulässigkeit einer „Selbstschädigung" i m Grundrechtsbereich verneint, verwandelt eine Handlungs- oder Unterlassungsfreiheit unversehens i n einen Handlungsoder Unterlassungszwang. Erklärt man dagegen die Einwilligung i n eine Fremdbeeinträchtigung für unwirksam, so t r i t t diese Zwangswirkung nicht ein. Wer es z.B. wegen der demokratischen Funktion der Presse für unzulässig erklärt, daß ein Presseunternehmen von der Veröffentlichung eines bereits hergestellten Druckwerks absieht, würde aus der Pressefreiheit eine Äußerungspflicht ableiten, gegen die stärkste Bedenken anzumelden wären. Wer dagegen aus dem gleichen Grunde eine Einwilligung des Presseunternehmens i n staatliche Zensurmaßnahmen für unwirksam hält, ist jedenfalls diesen Bedenken nicht ausgesetzt 28 . Solche Differenzen lassen es angebracht erscheinen, auch i m Bereich der Grundrechtsdogmatik zwischen der Einwilligung und der Selbstschädigung zu unterscheiden. Dagegen soll darauf verzichtet werden, exakt den Kreis derjenigen festzulegen, die durch eine Einwilligung i m hier gemeinten Sinn begünstigt werden. Da m i t der herrschenden Auffassung davon ausgegangen wird, daß Grundrechte sich zu allererst gegen den Staat richten 2 9 , sind unter dem Begriff der Einwilligung i n dié Beeinträchtigung von Grundrechtsgütern zwar i n erster Linie Einwilligungen i n staatliche Maßnahmen zu erörtern. Doch wäre es unpraktisch, sich starr auf A k t e staatlicher Amtswalter zu beschränken. Denn einmal spielen i m vorliegenden Zusammenhang Einwilligungen i n die Beeinträchtigung der Körper- und Intimsphäre eine große Rolle, die von medizinisch ausgebildeten Privatpersonen lediglich i m staatlichen Auftrag vorgenommen werden. Darüber hinaus schafft der Staat aber auch Situationen, die die davon betroffenen Bürger zur Einwilligung i n private Rechtsgutsbeeinträchtigungen veranlassen, für die keinerlei staatlicher Auftrag besteht. Man denke an Strafgefangene, die sich einem privaten Arzneimittelunternehmen für medizinische Versuche zur Verfügung stellen, weil sie sich davon Vergünstigungen versprechen 30 . Aus Gründen des Sachzusammenhangs erscheint es ratsam, die Untersuchung für solche und ähnliche Fälle offen zu halten. Angesichts der sonstigen Einschränkungen mag man aber fragen, ob der verwendete Begriff der Einwilligung überhaupt noch wissenschaftlich fruchtbar ist. Für den Strafrechtler stellt sich diese Frage zwar nicht, denn i h m ist die Einwilligung i n der hier definierten Form als Rechtfertigungsgrund vertraut. Dagegen interessiert sich der Staatsse s. zu diesem Fall im übrigen unten, Kap. I I 2 b bb. 20 Vgl. die Nachweise bei Bleckmann so s. dazu unten, Kap. I I I 2 b dd.
(Anm. 1) S. 146.
3. Die faktische Möglichkeit einer Einwilligung
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und Verwaltungsrechtler i. d. R. eher für die i m Vorstehenden ausgeklammerten Phänomene des öffentlich-rechtlichen Vertrages, des „Verwaltungsakts auf Unterwerfung" u. a. Doch ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß es i m öffentlichen Recht eine steigende Zahl von Normen gibt, die offenbar die Einwilligung i m hier umschriebenen Sinn meinen 31 . Dogmatisch bedeutsamer ist aber, daß die Einwilligung, wie sie hier abgegrenzt wird, als kleinster Baustein einer Lehre vom Grundsatz volenti non fit iniuria im öffentlichen Recht aufgefaßt werden kann 3 2 . Alle verwandten Phänomene, die hier ausgeschieden wurden, können als Komplizierungen dieses Grundfalles konstruiert werden und daher lohnt es auch unter spezifisch öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten, sich gerade mit ihm genauer zu befassen 33 .
3. Die faktische Möglichkeit einer Einwilligung im Grundrechtsbereich Rein faktisch möglich sind Einwilligungen der umschriebenen A r t zunächst überall dort, wo ein Grundrecht eine vergegenständlichte Sphäre schützt, i n die ein Repräsentant des Staates m i t der Erlaubnis des Grundrechtsträgers eindringen kann. Zu nennen sind hier i n erster Linie die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 I I 1 GG), das Post-, Brief- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG), das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und die Grundrechtsgarantie des Eigentums (Art. 14 GG), zumindest soweit sie Sacheigentum schützt 34 . Doch auch bei anderen Grundrechten, etwa beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 11/21 GG) oder beim Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 1 2 GG) kann sich der Schutzbereich so 31
s. dazu den Anhang (S. 120 ff.). 32 s. dazu unten, Kap. I V 2. 33 I n die gleiche Richtung weist die These von Pietzcker (Anm. 1), die „ Z u lässigkeit der individuellen Verfügung über Grundrechtspositionen" sei das eigentliche Problem des Fragenkreises (ebd. S. 531, 544, 551). Dieses Problem stellt sich bei der E i n w i l l i g u n g sozusagen i n „reiner Form". Der Zulässigkeitsbegriff von Pietzcker ist allerdings zu weit, da er auch die F r e i w i l l i g keit umfaßt (ebd. S. 547, 550, 551). Aber die m i t i h r verbundenen Fragen präsentieren sich ebenfalls gerade bei der E i n w i l l i g u n g ohne störendes Beiwerk. Dazu Treffendes bei Schwabe (Anm. 1) S. 120 ff. 34 Die meisten dieser Grundrechte dürften als reine „Schutzrechte" zu interpretieren sein, die keine Handlungsfreiheit, sondern Schutzobjekte i m engeren Sinne dieses Wortes sichern. Z u A r t . 14 G G s. aber unten, Kap. I I 2 a aa bei A n m . 46; speziell f ü r A r t . 13 GG abweichend Gusy JuS 1980/718 ff. (719). Allgemein zu dieser A r t von Grundrechten Giese, Die Grundrechte (1905) S. 90; Gentz, Die Unverletzlichkeit der Wohnung (1968) S. 38 f.; Schwabe (Anm. 1) S. 14; Bleckmann (Anm. 1) S. 160. Z u Unrecht übergangen werden sie von Grabitz, Freiheit u n d Verfassungsrecht (1976) S. 116; kritisch dazu Schwabe ebd. S. 13 Fußn. 20. 2 Amelung
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Kap. I: Einleitung
vergegenständlichen, daß eine Einwilligung denkbar ist. Man nehme etwa einen Zeugen, der dem Richter die Einsicht i n sein Krankenblatt gestattet (Art. 11/21 GG) 3 5 , oder ein Presseunternehmen, das einer staatlichen Behörde die Kontrolle und evtl. Vernichtung eines noch nicht publizierten Druckwerkes erlaubt (Art. 5 I 2 u. 3 GG). Weiterhin ist eine Einwilligung unter besonderen Voraussetzungen bei Grundrechten möglich, die die Freiheit zur Vornahme bestimmter Handlungen garantieren, ζ. B. beim Grundrecht der (Fortbewegungs-)Freiheit der Person (Art. 2 I I 2 GG). Die bloße Erklärung, eine Handlung zu unterlassen, deren ungehinderte Vornahme grundrechtlich gesichert ist, enthält allerdings noch keine Einwilligung i m hier gemeinten Sinne. Denn diese Erklärung löst keine freiheitsbeschränkenden Aktivitäten des Staates aus. Doch sind Einwilligungen bei Handlungsgrundrechten möglich, wenn der Grundrechtsträger es staatlichen Organen gestattet, ihn i n eine Lage zu versetzen, i n der er faktisch seine Handlungsfreiheit nicht mehr ausüben und sie auch ohne staatliche M i t w i r k u n g nicht einfach wiedererlangen kann. Man denke etwa an einen Bürger, der bei der Polizei Schutz sucht und sich damit einverstanden erklärt, daß er in eine Zelle eingeschlossen wird. Ähnlich liegt es bei Grundrechten, die wie die negative Bekenntnisfreiheit (Art. 4 1 GG) ein Unterlassen gewährleisten. I m allgemeinen ist hier zwar lediglich eine „Selbstschädigung" möglich, da ein Unterlassen nur durch ein Handeln des Grundrechtsträgers selbst aufgegeben werden kann. Doch kann man sich i n Sonderlagen auch hier echte Einwilligungen vorstellen, wenn staatlichen Organen der Zugriff auf eine Vergegenständlichung des Bekenntnisses, etwa auf ein Tagebuch, eröffnet w i r d oder der Grundrechtsträger sich damit einverstanden erklärt, daß er i n eine Situation gebracht wird, i n der die bewußte Kontrolle über sein Tun unterlaufen werden kann, wie ζ. B. beim Anschluß an einen Lügendetektor.
Vgl. dazu BVerfG
32/373 ff.
Kapitel I I
Die Zulässigkeit der Einwilligung Die Zulässigkeit einer Einwilligung i n die Beeinträchtigung von Grundrechtsgütern w i r d vielfach recht zurückhaltend beurteilt. Die Begründungen, die man für die Beschränkung oder gar Verneinung der Zulässigkeit gibt, sind ebenso disparat wie die Ansätze, von denen aus man sich dem Problem nähert. I m folgenden soll zunächst ein Überblick über die bisherigen Ansätze gegeben werden (Kap. I I 1). Danach w i r d der eigene Lösungsvorschlag entwickelt. Er unterteilt die Zulässigkeitsfragen i n Probleme der Grundrechtsdogmatik (Kap. I I 2) und Probleme, die sich aus der Anwendung der Grundprinzipien unserer Verfassung ergeben (Kap. I I 3). 1. Vorgefundene Ansätze a) Der Ansatz
beim
„Grundrechtsverzicht"
I n der Grundrechtsdogmatik ist es üblich, die Zulässigkeit der Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes als Unterfall der Zulässigkeit eines „Grundrechtsverzichts" zu behandeln 1 . Diese Einordnung des Problems führt aber leicht in die Irre. Denn wie gezeigt, ist es sinnvoll, „Einwilligung" und „Verzicht" begrifflich zu unterscheiden. Der Verzicht ist bindend, die Einwilligung nicht. Aus diesem Unterschied entstehen verschiedenartige Zulässigkeitsprobleme, die eine unterschiedliche, ja sogar eine gegensätzliche Beurteilung erfordern. Wer auf ein Freiheitsrecht verzichtet, verliert das Recht, einer Beeinträchtigung dieser Freiheit durch den Staat zu widersprechen. Nach einem Verzicht auf das Grundrecht aus A r t . 10 GG könnte daher jeder Brief des Verzichtenden auch gegen seinen Willen auf der Post geöffnet werden. Insofern enthält ein Verzicht eine Ermächtigung zur permanenten Freiheitsverletzung, die nicht nur die Freiheit des Bürgers, son1 s. oben, Kap. I A n m . 1. Die Einordnung gewinnt freilich zunehmend Züge einer rein sprachlichen Konvention; denn i n sachlicher Hinsicht mehren sich bei den angesprochenen Autoren die Vorbehalte dagegen, m i t dem Begriff des Grundrechtsverzichts (im strengen Sinne dieses Wortes) anzusetzen, u m die Probleme des Grundsatzes volenti non fit i n i u r i a i m Verfassungsrecht zu bewältigen. Vgl. dazu insbesondere Schwabe (Kap. I A n m . 1) S. 93; Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 531. 2*
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
dern auch die rechtsstaatliche Qualität des Staatshandelns berührt. Wer auf ein Grundrecht verzichtet, stellt m. a. W. die künftigen Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger auf eine neue Grundlage: er gibt sich dem Staat rechtlich i n die Hand. Wer dagegen i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes einwilligt, ermöglicht dem Staat nicht die dauernde Mißachtung seiner Autonomie. Er tut lediglich kund, daß er die Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Sphäre hinnehmen wird, solange er es wünscht. Widerruft der Grundrechtsträger die Einwilligung, so müssen die staatlichen Organe dies respektieren, wollen sie nicht Gefahr laufen, rechtswidrig zu handeln. A r t und Maß der Grundrechtsgutsbeeinträchtigung bleiben also immer vom Willen des Einwilligenden abhängig. Der Einwilligende liefert sich dem Staat nicht aus, sondern bleibt Herr des Geschehens. Vom Grundrechtsverzicht unterscheiden sich selbst jene Sonderfälle, i n denen der Einwilligende einem Staatsorgan Maßnahmen erlaubt, die zur dauerhaften Schädigung oder Vernichtung des Grundrechtsgutes führen, wie bei der Einwilligung i n eine Amputation oder i n die Zerstörung von Eigentum. Solche Einwilligungen führen zwar ganz oder teilweise zum Entfall des Substrats des subjektiven Rechts und damit zum dauerhaften Verlust von Handlungsmöglichkeiten. Sie bilden daher Grenzfälle der Einwilligung, deren Zulässigkeit gegebenenfalls spezieller Prüfung bedarf 2 . Doch fehlt auch hier die Rückwirkung auf künftiges Staatshandeln, die den Verzicht kennzeichnet. Denn hat der Einzelne sich einer sachlichen Voraussetzung zum Handeln begeben, so hat er insoweit auch keine Freiheit mehr, die der Staat künftig mißachten könnte. Der Einwilligende entzieht sich i n den erwähnten Fällen zwar mit Hilfe des Staates eine Handlungschance, aber er schafft keine Rechtsbeziehung, die ihn dauernd dem Staat in die Hand gibt. Die begrifflich ungenaue Einordnung der Einwilligung i n die Kategorie des Verzichts hat zur Folge, daß die Einwände gegen die Zulässigkeit des Verzichts auf Grundrechte auch die Beurteilung der Zulässigkeit einer Einwilligung beeinflussen. Wo dies nicht dazu führt, daß mit dem Grundrechtsverzicht unzulässigerweise auch die Einwilligung als absolut unwirksam bezeichnet w i r d 3 , müssen dann Hilfskonstruktionen wie die Unterscheidung zwischen dem „Verzicht auf das Recht" und dem „Verzicht auf seine Ausübung" bemüht werden, u m der als harmloser empfundenen Einwilligung noch ein Hintertürchen offenzuhalten 4 . 2
s. dazu unten, Kap. I I c bb bei A n m . 149. 3 Erichsen (Kap. I A n m . 1) S. 155; Müller / Pieroth (Kap. I A n m . 1) S. 36; Bussfeld, J Z 1976/765 ff. (770); i m Prinzip auch Sturm (Kap. I A n m . 1) S. 185 ff., 198 (dazu s. unten S. 22).
1. Vorgefundene Ansätze
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Dabei geraten aber verfassungsrechtlich wesentliche Unterschiede aus dem Blick. Nach einem Verzicht entscheidet — wie gezeigt — der Wille des Staates, bei der Einwilligung bleibt dagegen der Wille des Grundrechtsträgers maßgeblich. Der Verzicht enthält damit notwendig eine Preisgabe, die Einwilligung dagegen grundsätzlich einen Fall der Verwirklichung persönlicher Autonomie. Während die Freiheit beim Verzicht also nicht mehr umfaßt als die Freiheit zu ihrer Selbstzerstörung 5 , lohnt es bei der Einwilligung, nicht nur nach ihren verfassungsrechtlichen Schranken, sondern auch nach ihrer grundrechtlichen Sicherung zu fragen 6 . Diese Fragestellung, die erst den Zugang zum positiven Verfassungsrecht eröffnet 7 , kommt aber nicht i n den Blick, wenn man die Einwilligung nicht als eigenständiges Phänomen, sondern nur als gerade noch zulässigen Grenzfall eines an sich unzulässigen Instituts ansieht, wie dies in der Lehre vom Grundrechtsverzicht geschieht 8 . b) Der Ansatz bei den Grundrechtstheorien I n engem Zusammenhang mit dem Ansatz bei der Lehre vom Grundrechtsverzicht stehen Versuche, die sog. „Grundrechtstheorien" für die Beantwortung der Zulässigkeitsfrage heranzuziehen 9 . Ausgangspunkt ist dabei der Gegensatz zwischen der „liberalen" und den verschiedenen Spielarten der „objektiven" Auffassung von den Grundrechten 10 . Die „liberale" Grundrechtstheorie betont den Charakter der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat mit der Aufgabe, individuelle Autonomie zu garantieren 11 . Leitbild dieser Auffassung ist ein Grundrecht wie Art. 13 GG. Die „objektiven" Lehren heben demgegenüber hervor, daß die Grundrechte Strukturelemente unserer Gesellschaftsordnung sichern, die wegen ihrer gesamtgesellschaftlichen Funktionen, 4 Dagtoglou (Kap. I A n m . 1) A r t . 13 GG Rdnr. 54; Malorny (Kap. I A n m . 1) S. 479; Pappermann (Kap. I A n m . 25) A r t . 13 GG Rdnr. 15; kritisch Schwabe (Kap. I A n m . 1) S. 95 ff.; Bleckmann (Kap. I A n m . 1) S. 283. s Ä h n l i c h Dürig AöR 81 (1956) S. 117 ff. (153); Fries, Der Verzicht auf Grundrechte, Diss. Würzburg 1968, S. 164 ff. 6 F ü r die Handlungsformen, die herkömmlich dem zulässigen „ G r u n d rechtsausübungsverzicht" subsumiert werden, ebenso ζ. B. Fries (Kap. I I A n m . 5) S. 146 ff.; Malorny (Kap. I A n m . 1) S. 478; Bleckmann (Kap. I A n m . 1) S. 286. Weitere Nachweise unten, Kap. I I 2 a aa A n m . 42. 7 s. unten, Kap. I I 2 a. » Abweichend Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 532. Z u r K r i t i k dieser Position s. unten, Kap. I V 2. ο Sturm (Kap. I A n m . 1) S. 192 ff.; Bussfeld (Kap. I I A n m . 3) S. 770 ff.; vgl. auch Erichsen (Kap. I A n m . 1) S. 154 f.; Müller / Pieroth (Kap. I A n m . 1) S, 35. 10 Übersichten bei Böckenförde, N J W 1974/1529ff.; Kröger, Grundrechtstheorie als Verfassungsproblem (1978) S. 15 ff. 11 A l s Verfechter g i l t insbesondere Carl Schmitt, Verfassungslehre (5. A u f l . 1970) S. 126,158; vgl. ferner H. H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat (1972) S. 53 ff.
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
etwa als Voraussetzungen eines demokratischen Staates, geschützt werden 12 . Leitbild solcher Theorien ist der Grundrechtsschutz der Pressefreiheit i n Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Es liegt nahe, aus der „liberalen" Auffassung die Konsequenz zu ziehen, daß die Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes prinzipiell zulässig sein muß; denn auch eine autonome Einwilligung ist Ausdruck individueller Freiheit. Den „objektivistischen" Auffassungen wohnt demgegenüber eine Tendenz gegen die Zulassung der Einwilligung inne; denn wie sollte der Einzelne befugt sein, die Grundlagen der Organisation der ganzen Gesellschaft einschließlich des Staates zu verändern? Die Fruchtbarkeit derart allgemeiner Ausgangspositionen für die Beantwortung der Frage, ob eine Einwilligung in die Beeinträchtigung eines bestimmten Grundrechtsgutes zugelassen werden kann, ist aber sehr zweifelhaft. Rein „individualistische" und rein „objektivistische" Grundrechtstheorien lassen sich i m Grunde nur aufrechterhalten, wenn sie die Grundrechtsnormen vernachlässigen, die der Gegenposition als Leitbild dienen. Dann aber entsteht die Gefahr, daß die Theorie an die Stelle von Wortlaut und Sinn der Verfassung tritt. Es ist eben fraglich, ob einem Grundrecht, das so offensichtlich auf den Schutz einer individuellen Freiheitssphäre zielt wie Art. 13 GG, gesamtgesellschaftliche Funktionen unterstellt werden können, die seine individuelle Verfügbarkeit aufheben. Bezeichnenderweise scheut selbst ein engagierter Vertreter „objektivistischer" Grundrechtstheorien wie Sturm davor zurück, diese Konsequenz zu ziehen 13 . Andererseits liegt es auf der Hand, daß die „liberale" Grundrechtstheorie mit einer institutionellen Garantie wie Art. 7 GG größte Schwierigkeiten haben muß. Denn liberales Gedankengut spielte bei deren Entstehung nur eine geringe Rolle 1 4 . Selbst eine vermittelnde Theorie wie Hesses Lehre von der Doppelnatur der Grundrechte 15 verwischt derartige für die Einwilligung bedeutsame Unterschiede und begründet damit die Gefahr, daß der Kontakt zum positiven Recht verlorengeht. Das zeigen die Konsequenzen, die Müller und Pieroth zur Lösung des anstehenden Problems aus die12 Als Urheber (in Deutschland) gilt Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, i n ders., Staatsrechtliche Abhandlungen (2. Aufl. 1968) S. 119 ff. (260 f.); Nachweise für weitere, vielfach an Smend anknüpfende Spielarten bei Kröger (Kap. I I A n m . 9) S.20ff.; Klein (Kap. I I Anm. 10) S.20ff. 13 Sturm (Kap. I A n m . 1) S. 183, allerdings m i t dem begrifflich f r a g w ü r d i gen Argument, beim Einlaß eines Polizisten i n die Wohnung handele es sich lediglich u m einen F a l l der „Nichtausübung" des Wohnungsgrundrechts; kritisch dazu Schwabe (Kap. I A n m . 1) S. 92. s. dazu auch unten, Kap. I I I 2 c aa. 14 Vgl. dazu Holstein, AöR 51 (1927) S. 187 ff. (199 ff.); Heckel / Seipp, Schulrechtskunde, (5. A u f l . 1976) S. 11 ff. 15 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland (12. Aufl. 1980) S. 118 ff,
1. Vorgefundene Ansätze
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ser Lehre ableiten 16 . Nach Hesse sind Grundrechte sowohl subjektive Rechte als auch Elemente einer objektiven Ordnung und insoweit negative Kompetenzbestimmungen für die staatlichen Gewalten. Sind Grundrechte aber negative Kompetenznormen, so folgern Müller und Pieroth, dann können sie nicht zur Disposition des Einzelnen stehen. Erklärungen, mit denen der Einzelne einwilligt, sich i n polizeiliche Schutzhaft nehmen zu lassen oder eine Wohnungsdurchsuchung ohne richterlichen Befehl zu erdulden, seien daher unzulässig. Gegen diese Argumentation ist einzuwenden, daß Grundrechte nach überkommenem Verständnis meist nur die Kompetenz zur Vornahme von „Eingriffen" begrenzen. I n den Art. 2 Abs. 2 und 13 GG, auf die sich die Beispiele von Müller und Pieroth beziehen, ist davon ausdrücklich die Rede. Bei der Lösung der Beispielsfälle wäre daher erst einmal zu prüfen, ob die staatlichen Maßnahmen, die durch die Einwilligung gestattet werden, überhaupt „Eingriffe" darstellen. Orientiert man sich an Wortsinn und Geschichte des Eingriffsbegriffs, so gibt es Anlaß, daran zu zweifeln 1 7 . A u f diese Auslegungsfrage gehen Müller und Pieroth aber nicht ein, denn die vorgefaßte Theorie verstellt ihnen den Blick für eine solche Beschäftigung mit dem Verfassungstext. I m Fall der Schutzhaft ist außerdem zu bedenken, daß der E i n w i l l i gende sie wohl nur i n Kauf nimmt, um dadurch Leib oder Leben zu retten. Diese Güter sind aber in A r t . 2 Abs. 2 GG ebenfalls grundrechtlich geschützt. Wenn Müller und Pieroth mit ihrer rigorosen Zurückweisung der einverständlichen Schutzhaft dem Bürger die Möglichkeit absprechen, i n solchen Fällen äußerster Bedrohung beim Staat Schutz zu suchen, so gewinnt ihre Deduktion ungewollt einen grundrechtsfeindlichen Zug. Auch dies liegt an der theoriebedingten Vernachlässigung positivrechtlicher Normen wie § 22 BGSG 1 8 und A r t . 2 Abs. 2 S. 1 GG, aus dem das Bundesverfassungsgericht bekanntlich weitreichende Pflichten des Staates zum Schutz menschlichen Lebens abgeleitet hat 1 9 . Diese Beispiele dürften ausreichen, um zu zeigen, daß eine Orientierung an den Grundrechtstheorien nicht allzu viel Erfolg verspricht. Die gängigen Theorien auf diesem Felde sind nicht so fein gesponnen, daß man aus ihnen unmittelbar Kriterien zur Beurteilung der Zulässigkeitsfrage ableiten kann, die mit dem positiven Recht i m Einklang stehen 20 . Müller / Pieroth (Kap. I A n m . 1) S. 35; ähnlich Erichsen (Kap. I A n m . 1) S. 154 f.; kritisch Bleckmann (Kap. I A n m . 1) S. 282. 17 s. dazu unten, Kap. I I 3 b aa. 18 Abgedruckt i m Anhang I I I B. ι» BVerfG 39/1 ff. (42 f.); 46/160 ff. (164); 49/24 ff. (53). 20 I m Ergebnis ebenso Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 542. Wenn nicht alles täuscht, hat allgemein die Bereitschaft, aus einer Grundrechtstheorie posi-
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung c) Formale
Argumentationsmuster
Damit ist man bei Ansätzen, die die Zulässigkeit eines Grundrechtsausübungsverzichts und damit oft auch einer Einwilligung anhand des positiven Verfassungstextes prüfen. Derartige Ansätze bilden das Gegenstück zur Ausrichtung an einer Grundrechtstheorie. Während die grundrechtstheoretische Argumentation der Gefahr ausgesetzt ist, über generalisierende Sinnaussagen den Verfassungstext aus den Augen zu verlieren, vernachlässigt die Anknüpfung an vereinzelte Elemente des Wortlauts von Grundrechtsnormen leicht deren Gesamtzusammenhang und Zweck. So schließt ζ. B. Malorny aus Art. 1 Abs. 2 GG, daß bei Menschenrechten ein „Ausübungsverzicht" unzulässig sei, weil diese Gruppe von Grundrechten dort als „unveräußerlich" bezeichnet w i r d 2 1 . Doch vermißt man eine Auskunft darüber, aus welchem inneren Grund ein „Ausübungsverzicht" bei Menschen-, aber nicht bei Bürgerrechten unzulässig sein soll. Solange aber Malorny hierzu nichts sagt, bleibt er dem Einwand ausgesetzt, A r t . 1 Abs. 2 GG enthalte lediglich eine pathetische Eingangsformel, aus der so weitreichende Folgerungen kaum abgeleitet werden können 2 2 . Andere ziehen die Gesetzesvorbehalte zur Bestimmung von Zulässigkeitsschranken heran 2 3 . Dem ist das teleologisch begründete Argument entgegenzuhalten, daß solche Vorbehalte am zwangsweisen Eingriff orientiert sind. Für die Beurteilung von freiwillig veranlaßten Rechtsgutsbeeinträchtigungen erscheinen sie daher nicht ohne weiteres als aussagekräftig 24 . Zuweilen w i r d die Zulässigkeit einer Einwilligung davon abhängig gemacht, ob der Wortlaut einer Grundrechtsnorm oder die Beschaffenheit eines Rechtsgutes beim Vorliegen einer solchen Erklärung den Verletzungstatbestand entfallen lassen. Dies soll nach Dagtoglou ζ. B. bei A r t . 10 und 13 GG der Fall sein 25 . Es ist jedoch fraglich, ob etwa eine Haussuchung, die mit Einwilligung eines Hausberechtigten erfolgt, tiv-rechtliche Ergebnisse abzuleiten, vorerst ihren Höhepunkt überschritten. Vgl. dazu neben Pietzcker ebd., Ossenbühl, N J W 1976/2100; Schwabe (Kap. I A n m . 1) S. 5 ff., 102 sowie letztlich auch Böckenförde (Kap. I I A n m . 10) S. 1536 ff. u n d Kröger (Kap. I I A n m . 10) S. 33 f., die freilich die Suche nach der Grundrechtstheorie des Grundgesetzes fortgesetzt sehen wollen. 21 Malorny (Kap. I A n m . 1) S. 478. 22 Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 538; Bleckmann (Kap. I A n m . 1) S. 282; vgl. auch schon Wilde, Der Verzicht Privater auf subjektive öffentliche Rechte, Diss. H a m b u r g 1966, S. 79 ff. 2» Forsthoff (Kap. I A n m . 3) S. 128 zur „ E i n w i l l i g u n g " i n Grundrechtsbeeinträchtigungen beim E i n t r i t t i n ein „besonderes Gewaltverhältnis". 24 v.Münch, Freie Meinungsäußerung u n d besonders Gewaltverhältnis (1957) S. 29 Fußn. 13; Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 537. 25 Dagtoglou (Kap. I A n m . 1) A r t . 13 QQ Rdnr. 54,
1. Vorgefundene Ansätze
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wirklich den räumlichen Privatbereich gar nicht tangiert, so daß wegen „Einverständnisses" bereits der Verletzungstatbestand entfällt. Immerhin kann ζ. B. der Hausherr i n diesem Fall die Wohnung nicht zum Schlafen nutzen. Er kann also trotz seiner Einwilligung die Wohnung nicht als jene Rückzugs- und Entlastungszone gebrauchen, als die Art. 13 GG diese Sphäre gerade schützt. Das spricht gegen die These von der mangelnden Rechtsgutsberührung eines einverständlichen Eindringens i n den räumlichen Privatbereich. Die Behauptung, eine Einwilligung schließe schon das Eingreifen des Grundrechtstatbestandes aus, überzeugt ohne nähere Begründung nur dort, wo ausdrücklich von einem Handeln „gegen den Willen" des Betroffenen die Rede ist wie etwa i n A r t . 6 Abs. 3 GG. Würde man die Wirksamkeit der Einwilligung aber auf Grundrechtsnormen beschränken, die i n dieser Weise formuliert sind, so würde die Zulässigkeit von redaktionellen Zufälligkeiten abhängig werden. Das zeigt ζ. B. ein Vergleich zwischen A r t . 3 Abs. 2 S. 1 der rheinland-pfälzischen Verfassung und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Beim Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit w i r d i n RheinlandPfalz der mit Zustimmung erfolgende Heileingriff ausdrücklich zugelassen, i m Grundgesetz dagegen nicht. Niemand w i r d hieraus jedoch i m Ernst materielle Unterschiede zwischen Landesverfassungsrecht und Grundgesetz ableiten wollen 2 6 . Schließlich w i r d damit argumentiert, es fehle an dem i n etlichen Grundrechtsnormen ausdrücklich geforderten „Eingriff", wenn eine Einwilligung des Grundrechtsträgers vorliege 2 7 . Das ist gewiß bedenkenswert. Aber als einzige Begründung für die Beachtung einer E i n w i l ligung reicht das Argument ganz offensichtlich nicht aus. Denn es kann allenfalls dort Bedeutung erlangen, wo feststeht, daß der E i n w i l l i gende die Befugnis zur Verfügung über das Grundrechtsgut besitzt. Wie bereits angedeutet, ergeben sich aber gerade hier die eigentlich schwierigen Probleme der Grundrechtsinterpretation 28 . d) Folgerungen für den Gang der Untersuchung Die kritische Übersicht über den Meinungsstand ergibt also, daß die Frage der Zulässigkeit einer Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes nur anhand einer vorsichtigen, an Wortlaut und Sinn orientierten Auslegung der verfassungsrechtlichen Normen beantwortet werden kann. Die Auseinandersetzung lieferte aber nicht nur dieses noch reichlich triviale Ergebnis. Die Behandlung des Ansatzes beim Grundrechtsverzicht ergab, daß die Einwilligung einen A k t der Selbst2» I m Ergebnis w i e hier Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 543, 551. 27 So insbesondere Schwabe (Kap. 1 A n m . 1) S. 99 ff. m. w. N. 28 Ebenso Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 534 f., 536, 551,
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
bestimmung darstellt, der möglicherweise grundrechtlich gesichert ist. Bei der Diskussion der Grundrechtstheorien schälte sich heraus, daß die Frage der Verfügungsbefugnis über ein Grundrechtsgut offenbar ein Schlüsselproblem ist, das kaum einheitlich zu beantworten sein dürfte. Schließlich zeigte sich, daß i n der Frage nach der „Eingriffsqualität" einer einverständlich vorgenommenen Grundrechtsgutsbeeinträchtigung ein zweites Schlüsselproblem liegt, das genauerer Prüfung bedarf. Die beiden zuerst genannten Fragen nach der grundrechtliehen Sicherung der Einwilligungsfreiheit und nach der Verfügungsbefugnis über Grundrechtsgüter sollen als i m engeren Sinne grundrechtsdogmatische Probleme der Zulässigkeit zunächst erörtert werden (Kap. I I 2). Die Frage nach der Eingriffsqualität einverständlich erfolgender Rechtsgutsbeeinträchtigungen weist dagegen über die Grundrechtsdogmatik hinaus in die Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes. A u f sie w i r d erst eingegangen werden, wenn die Bedeutung der Verfassungsprinzipien für die Zulässigkeitsfrage erörtert w i r d (Kap. I I 3 b).
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik a) Die Einwilligungsfreiheit
und ihre Schranken
aa) Der Grundrechtsschutz der Einwilligungsfreiheit Wendet man sich der Frage nach dem Grundrechtsschutz der Einwilligungsfreiheit zu, so stößt man zunächst in der Staatsrechtslehre wie auch in der Strafrechtswissenschaft auf Lehrmeinungen, die den Schluß nahe legen, daß diese Freiheit immer in dem Spezialgrundrecht mitgeschützt ist, dessen Rechtsgut durch die zugelassene Handlung verletzt wird. I n der Strafrechtswissenschaft w i r d ζ. T. die Auffassung vertreten, die Freiheit zur Verfügung über das Rechtsgutsobjekt sei in der jeweiligen strafrechtlichen Individualschutznorm mitgesichert 29 . Danach schützt etwa der Tatbestand der Körperverletzung nicht ausschließlich den unversehrten Zustand des Leibes, sondern auch die Freiheit, über die leibliche Unversehrtheit zu verfügen. Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen 30 . Sie gerät ζ. B. dort i n Schwierigkeiten, wo die Rechtsordnung bestimmten Personen eine Befugnis zur Verfügung über das Rechtsgut abspricht, wie dies etwa bei einem Kleinkind der Fall ist. Nach der skizzierten Meinung müßte das Unrecht einer Körperver2» Schmidhäuser (Kap. I A n m . 15) S. 267 ff.; Stratenwerth (Kap. I A n m . 15) S. 123; Samson, SK Rdnr. 39 vor § 32; Kühne (Kap. I A n m . 15) S. 242 m. w. N. so Ebenso Schönke / Schröder / Lenckner Rdnr. 34 vor §32 StGB; Jescheck (Kap. I Anm. 14) S. 301 m, w. N,
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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letzung, die an einem Kleinkind begangen wird, geringer sein als das Unrecht einer Körperverletzung, die einen Erwachsenen trifft. Denn eine Verfügungsfreiheit, deren Verletzung angeblich erst das volle Unrecht des § 223 StGB konstituiert, ist beim Kleinkind nicht vorhanden. Weder § 223 StGB noch sonst eine strafrechtliche Regel läßt aber erkennen, daß der Strafgesetzgeber i n dieser Weise zwischen der Verletzung eines Erwachsenen und der Verletzung eines Kleinkindes differenzieren w i l l 3 1 . Ähnliches gilt von den Eigentumsdelikten der §§ 242 ff./303 StGB. Auch sie schützen das Eigentum unabhängig davon, ob der Eigentümer durch Normen des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts an der Verfügung gehindert ist oder nicht 3 2 . Der skizzierte A n satz besteht also schon nicht den Test am positiven Strafrecht und das zeigt seine Gefahren: Er stützt sich nicht auf das Gesetz, sondern auf ein personalistisches Vorverständnis des Gesetzes33 und verfälscht deshalb nur allzu leicht gesetztes Recht, das diesem Vorverständnis nicht entspricht. Einen ähnlich allgemeinen Anhaltspunkt könnte die i n der Staatsrechtslehre häufig verf oditene These bieten, jedes Freiheitsrecht gewährleiste nicht nur die positive, sondern auch die negative Freiheitsausübung 34 . Nach Scholz ergibt sich z. B. schon aus der „Logik", daß die negative Vereinigungsfreiheit wie die positive in A r t . 9 Abs. 1 GG geregelt ist 3 5 . Dem ist aber zu widersprechen. Ein Verfassungsgesetzgeber, der etwa i n einem Art. 9 Abs. 1 S. 2 GG ausdrücklich die staatliche Bildung von Zwangsvereinen vorgesehen hätte, wäre damit nicht i n Widerspruch zu sich selbst geraten. Denn das Recht, zusätzliche Ver31 M a n k a n n dies auch nicht dadurch erklären, daß beim K l e i n k i n d m i t dessen Körperverletzung zugleich die „Autonomie" der Sorgeberechtigten verletzt werde. E i n m a l wäre es schon schief, etwa die elterliche Sorge als „ A u t o n o m i e " anzusprechen (dazu aus verfassungsrechtlicher Sicht treffend Ossenbühl, FamRZ 1977/533). Außerdem wäre eine solche K o n s t r u k t i o n äußerst künstlich und würde immer noch versagen, w e n n kein Sorgeberechtigter mehr vorhanden ist. Beispiel: Der Täter tötet die Eltern und m i ß handelt danach deren vierjähriges K i n d . 32 §§242/303 StGB stellen Diebstahl u n d Sachbeschädigung unabhängig davon unter Strafe, ob dem Eigentümer durch Einsetzung eineö Testamentsvollstreckers oder durch Konkurseröffnung die Verfügungsbefugnis entzogen ist. §§ 243 Abs. 1 Nr. 5/304 StGB enthalten zwar strafrechtliche Sonderregelungen für eine Vielzahl von Gegenständen, die öffentlich-rechtlichen Verfügungsbeschränkungen unterliegen, doch senken sie den Strafrahmen nicht wegen der eingeschränkten Autonomie des Eigentümers, sondern erhöhen i h n wegen de9 zusätzlichen Schutzes öffentlicher Interessen. 33 Dieses Vorverständnis ist deutlich erkennbar i n Stratenwerths bekannter A b h a n d l u n g über „Prinzipien der Rechtfertigung", Z S t W 6 8 (1956) S. 41 ff. (insbes. S. 44 ff.), die f ü r die hier kritisierte Auffassung grundlegend ist. 34 Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 123; v. Mangoldt / Klein, Das Bonner G r u n d gesetz (2. Aufl. 1966) A r t . 18 GG A n m . I I I 3 a ff.; Lerche, Die Grundrechte der Soldaten, i n Βettermann / Nipperdey / Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte Bd. I V 1. Halbbd. S. 447 ff. (483 f.). 35 Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem (1971) S. 42,
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
einigungen zu bilden, wäre erhalten geblieben. Ob die Freiheit zur negativen Grundrechtsausübung i m Spezialfreiheitsrecht selbst oder i n A r t . 2 Abs. 1 GG geregelt ist, ist keine Frage der „Logik", sondern eine Frage der Interpretation der Einzelgrundrechte 36 . Dies verbietet es, der These von der spezialgrundrechtlichen Sicherung der negativen Ausübungsfreiheit von vornherein Allgemeingültigkeit zu unterstelllen. Aber nicht nur aus diesem Grund ist die These kein tauglicher Ausgangspunkt einer Überlegung zum Sitz der Einwilligungsfreiheit. Es kommt hinzu, daß zwischen der negativen Ausübungsfreiheit und der Einwilligungsfreiheit wertungserhebliche Unterschiede bestehen, die es nicht ratsam erscheinen lassen, Aussagen über die eine Freiheit einfach auf die andere zu übertragen. Die negative Freiheitsausübung ist als Nichtgebrauch einer grundrechtlich gesicherten Handlungsmöglichkeit ein Fall der „Selbstschädigung" i m Sinne der hier vorgeschlagenen Terminologie 3 7 . Wie bereits gezeigt, führt bei Handlungsgrundrechten die Einschränkung der Selbstschädigungsfreiheit, also die Einschränkung der Freiheit zum Nicht-Handeln, notwendig zur Schaffung von Handlungszwängen, die unter einer liberalen Verfassung grundsätzlichen Bedenken ausgesetzt sind 3 8 . Einschränkungen der Freiheit, i n eine Fremdschädigung einzuwilligen, begründen dagegen nicht notwendig solche Handlungszwänge; denn wer — wie erwähnt — z. B. nicht in eine Zensurmaßnahme einwilligen darf, w i r d damit noch nicht zu einer Meinungsäußerung gezwungen 39 . Deshalb ist von einer liberal geprägten Verfassung zu erwarten, daß sie der Einwilligungsfreiheit andere und wahrscheinlich engere Grenzen zieht als der negativen Grundrechtsausübungsfreiheit. Da aber liberale Einflüsse auf das Grundgesetz schwerlich bestritten werden können — so streitig ihr Umfang i m Einzelnen auch sein mag 4 0 — empfiehlt es sich, diesen Unterschied nicht zu verwischen. 36 Ebenso m i t voneinander abweichenden Ergebnissen für die Einordnung der negativen Vereinigungsfreiheit Friauf, Festschrift für Reinhardt (1969) S. 389 ff. (393); Etzrodt, Der Grundrechtsschutz der negativen Vereinigungsfreiheit (1980) S. 95 ff. Nach Etzrodt ist die „negative Handlungschance" zwar „logisches K o r r e l a t " der positiven Handlungsfreiheit, w e i l n u r derjenige als frei bezeichnet werden könne, der Handlungsalternativen besitze (ebd. S. 97); doch könne die negative Handlungsfreiheit vom Verfassungsgesetzgeber anders bewertet werden als die positive (ebd. S. 95). Aber noch nicht einmal dieser „logische" Zusammenhang ist logisch zwingend. Denn (positive) Handlungsalternativen bestünden selbst dann noch, w e n n jeder Deutsche von V e r fassung wegen 5 Vereinigungen angehören müßte, jedoch wählen könnte, welchen er beitreten oder welche er gründen w i l l . 3 7 s oben, Kap. I 2 bei A n m . 27. 38 s. oben, Kap. 12 bei A n m . 27. Diese liberale Wertung (aber nicht die „ L o g i k " ) ist der berechtigte K e r n des Strebens nach möglichster Sicherung der negativen Ausübungsfreiheit. 3 » s. oben, Kap. I 2 bei A n m . 27. 40 s. dazu oben, Kap. I I 1 b,
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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Es ist daher nötig, sich dem Problem ohne die Hilfe dogmatisch anerkannter Allsätze zuzuwenden. Ausgangspunkt muß die Überlegung sein, daß die Befugnis, ein Rechtsgut preiszugeben, sachlich und begrifflich nicht mit der Befugnis identisch ist, dieses Rechtsgut (gegenüber dem Staat) zu verteidigen. Man kann daher nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß die Freiheit, i n die Beeinträchtigung eines Rechtsgutes einzuwilligen, i n dem speziellen Grundrecht mitgeschützt ist, das dem Rechtsgutsträger die Befugnis einräumt, dieses Rechtsgut gegen den Staat zu behaupten. I m Gegenteil: Interpretiert man die Grundrechte aus dem historischen Problem, das sie lösen sollten, so kann man als allgemeine Aussage aus ihnen zunächst nur ableiten, daß Freiheitsrechte i m Prinzip dazu geschaffen wurden, einen Einbruch von Repräsentanten der staatlichen Bürokratie i n bestimmte Sphären abzuwehren 4 1 und nicht dazu, fremden Einfluß i n sie hineinzuholen. Dies spricht dagegen, daß jedes einzelne Freiheitsrecht auch die Freiheit zur E i n w i l ligung i n die Beeinträchtigung der Grundrechtssphäre sichert. Man muß vielmehr grundsätzlich davon ausgehen, daß die Einwilligungsfreiheit nur Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit ist, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Art. 2 Abs. 1 GG gesichert w i r d 4 2 . Abstrakt betrachtet ist die Einwilligungsfreiheit als Form der allgemeinen Handlungsfreiheit offen für beliebige Zwecke. I n der Rechtswirklichkeit w i r d sie jedoch meist zur Verfolgung persönlicher Interessen des Einwilligenden genutzt. Diese Interessen können wiederum grundrechtlich geschützt sein. Wie schon erwähnt, dient etwa die Einwilligung, sich in Schutzhaft nehmen zu lassen, i. d. R. dem Zweck, die i n Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Güter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit zu sichern 43 . Derartige Zwecke sind zu beachten, wo die Frage auftaucht, ob eine Einwilligung zugelassen werden kann oder entgegenstehenden öffentlichen Interessen der Vorzug zu geben ist. Denn für die Zulassung der Einwilligung streitet bei dieser A b 41
F ü r die Gesetzgebung k a n n m a n dies dagegen nicht ohne weiteres behaupten, denn zumindest i n Deutschland mußte der Gesetzgeber des 19. Jahrhunderts viele Sozialsphären erst i m liberalen Sinne ordnen, u m die rechtlichen u n d sozialen Voraussetzungen für die Ausübung von Grundrechten herzustellen. Vgl. dazu zuletzt Wahl, Der Staat 18 (1979) S. 321 ff. 42 A u f A r t . 2 Abs. 1 GG verweisen ebenfalls: speziell f ü r die E i n w i l l i g u n g Zipf, E i n w i l l i g u n g u n d Risikoübernahme i m Strafrecht (1970) S. 32; Geppert, ZStW 83 (1971) S. 947 ff. (953); Kühne, (Kap. I Anm. 15) S. 241 ; Bichlmeyer, JZ 1980/53 ff. (54) — alle i n strafrechtlichen Z u sammenhängen; generell f ü r die zulässigen Formen des „Grundrechts(ausübungs)Verzichts": BVerwG 14/21 (27); Hering, Gedächtnisschrift f ü r H.Peters (1967) S. 513 ff.; Fries (Kap. I I Anm. 5) S. 146 ff.; Malorny (Kap. I A n m . 1) S. 478; Bleckmann (Kap. I A n m . 1) S. 286. 43 s. oben, Kap. I I 1 b bei Anm. 18.
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
wägung dann nicht nur der Eigenwert der allgemeinen Handlungsfreiheit, sondern auch der grundrechtsrelevante Zweck, zu dem sie genutzt wird. Aus dieser Überlegung läßt sich i n aller Vorsicht eine allgemeine Aussage zur spezialgrundrechtlichen Sicherung der Einwilligungsfreiheit ableiten. Wo die Einwilligung das einzige M i t t e l ist, ein Grundrechtsgut zu sichern, ist davon auszugehen, daß die Befugnis zur Abgabe einer solchen Erklärung i n der speziellen Grundrechtsnorm gewährleistet ist, die dieses Rechtsgut schützt. Denn anderenfalls könnte der Gesetzgeber durch eine Beschränkung der Freiheit zur Einwilligung den Grundrechtsschutz dieses Rechtsgutes stärker einschränken, als es die speziellen Gesetzesvorbehalte des schützenden Grundrechts zulassen. Deshalb ist etwa die Freiheit, in einen Heileingriff einzuwilligen, nicht i n A r t . 2 Abs. 1 GG, sondern in A r t . 2 Abs. 2 S. 1 GG garantiert 4 4 . Ebenso w i r d man die Befugnis eines Unternehmers, gegen Fabrikbesetzer die Polizei zur Hilfe zu rufen, als durch A r t . 13 Abs. 3 GG gesichert ansehen müssen, wenn man mit dem Bundesverfassungsgericht auch Betriebsräume zum Schutzbereich des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung zählt 4 5 . Von diesem allgemeinen Grundsatz abgesehen, kann natürlich im Einzelfall die Auslegung eines bestimmten Grundrechts auch sonst zu dem Ergebnis führen, daß die Einwilligung in i h m spezialgrundrechtlich gesichert ist. Hiervon ist ζ. B. bei Art. 14 GG auszugehen, der nach herrschender Auffassung die Freiheit schützt, über das Eigentum zu verfügen 46 . Ebenso w i r d man die Befugnis zur Einwilligung i n ärztliche 44 I m Ergebnis ebenso Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung u n d Bestandsschutz (1970) S. 54/55. Wenn dagegen Hamann / Lenz, G r u n d gesetz (2. A u f l . 1970) A r t . 2 A n m . Β 9 ohne Begrenzung auf den Heileingriff ganz allgemein die „Verfügungsbefugnis über den eigenen K ö r p e r " i n A r t . 2 Abs. 2 S. 1 GG gesichert sehen wollen, so beruht dies w o h l auf dem hier bekämpften Schluß von der A b w e h r - auf die Einwilligungsbefugnis. Die Rechtsprechung zum ärztlichen Heileingriff leitet zwar die Pflicht des Arztes zur Einholung einer E i n w i l l i g u n g des Patienten aus dem Zwangsverbot des A r t . 2 Abs. 2 S. 1 GG ab, begründet aber die Notwendigkeit eines „informed consent" m i t einem nicht näher eingeordneten „Selbstbestimmungsrecht", der „Freiheit" und/oder der „Menschenwürde". Vgl. dazu die grundlegenden Entscheidungen BGHSt 11/111 (113,114); BGHZ 29/176 (179, 181). Ä h n l i c h beruft sich das Mehrheitsvotum i n BVerfG 52/131ff. (168) sow o h l auf A r t . 2 Abs. 2 als auch auf A r t . 2 Abs. 1 GG, u n d das Minderheitsv o t u m ebd. S. 171 ff. (173) auf A r t . 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 2 Abs. 2 S. 1 GG. Die i n der Zivilrechtslehre zu findende Ableitung aus dem „allgemeinen Persönlichkeitsrecht" schließlich beruht vorwiegend auf Gründen der haftungsrechtlichen Konstruktion. Vgl. dazu Laufs, N J W 1974/2025 ff. (2028). Siehe dazu auch unten Kap. I I c aa bei A n m . 129. 45 BVerfG 32/54 ff. (68 ff.). Siehe aber die K r i t i k dieser Entscheidung unten, Kap. I I 2 b aa Anm. 57. 4 « BVerfG 26/215 ff. (222); 31/229 ff. (240); 37/132 ff. (140); 38/348 ff. (370); 42/263 ff. (294); 52/1 ff. (30); Dicke, i n v . M ü n c h (Hrsg.), Grundgesetzkommen-
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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Maßnahmen, die die Schutzgüter des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts berühren, als Bestandteil dieses i n A r t . 1 Abs. 1/2 Abs. 1 GG geschützten Rechts auffassen müssen, was etwa für die verfassungsrechtliche Beurteilung der sog. „Psychochirurgie" von Bedeutung ist 4 7 . Ein weiteres Beispiel bildet Art. 6 Abs. 2 GG, der mit der Befugnis der Eltern zur Pflege ihrer Kinder auch die Freiheit sichern muß, die hierfür notwendigen Einwilligungen zu erteilen 4 8 . Zusammenfassend ist zum Sitz der Einwilligungsfreiheit also zu sagen: I m allgemeinen ist diese Freiheit nur i n A r t . 2 Abs. 1 GG geschützt. Wo die Einwilligung das einzige M i t t e l ist, ein Grundrechtsgut zu erhalten, ist sie in der entsprechenden speziellen Schutznorm m i t gesichert. Darüber hinaus kann i m Einzelfall auch sonst die Auslegung eine spezialgrundrechtliche Sicherung der Einwilligungsfreiheit ergeben 49 . bb) Die Schranken der Einwilligungsfreiheit Damit ist der positivrechtliche Ausgangspunkt für die Beantwortung der Zulässigkeitsfrage gewonnen. Die Schranken der Zulässigkeit einer Einwilligung in die Beeinträchtigung von Grundrechtsgütern ergeben sich aus den verfassungsrechtlichen Schranken der grundrechtlich gesicherten Einwilligungsfreiheit. Soweit die Einwilligungsfreiheit i n Spezialgrundrechten geschützt ist, bestimmen sich die Schranken nach ihnen. I m allgemeinen aber sind sie als Schranken der allgemeinen Handlungsfreiheit in A r t . 2 Abs. 1 GG niedergelegt. Von den Fällen spezialgrundrechtlicher Sicherung abgesehen, ist die Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes also unzulässig, soweit sie die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verletzt 5 0 . tar (1975) A r t . 14 GG Rdnr. 10; Schmidt-Bleibtreu / Klein, Grundgesetz (5. Aufl. 1980) A r t . 14 GG Rdnr. 1 u n d 3 m. w. N. 47 Vgl. dazu BGHZ 67/48 (50) (Sterilisation); BVerfG 49/286 (297 ff.) (Geschlechtsumwandlung). Ubersehen w i r d das allgemeine Persönlichkeitsrecht dagegen von O L G Hamm N J W 1976/2311 ff. (stereotaktische Hirnoperation eines sicherungsverwahrten Sexualstraftäters). Speziell zur „Psychochirurgie" s. unten, Kap. I I 2 c aa bei A n m . 132. 48 Die Strafrechtswissenschaft u n d die zivilrechtliche Deliktsrechtslehre leiten dagegen diese Befugnis herkömmlich aus der elterlichen Sorge i. S. d. § 1626 Abs. 2 a. F. B G B ab. Vgl. Lenckner Z S t W 7 2 (1960) S. 446 ff. (460 f.); Laufs, Arztrecht (2. A u f l . 1978) S . 4 4 f l ; BGHZ 29/33 (37). M a n muß aber davon ausgehen, daß der K e r n solcher zivilrechtlichen Befugnisse i n A r t . 6 Abs. 2 GG geschützt ist. Vgl. dazu Maunz i n Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz A r t . 6 G G Rdnr. 24; Palandt / Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch (39. Aufl. 1980) Anm. 5 vor § 1626 B G B m. w. N. 49 Dieses Ergebnis ähnelt der Auffassung Dürigs zur verfassungsrechtlichen Einordnung der Vertragsfreiheit, die nach i h m ζ. T. i n A r t . 2 Abs. 1 GG, ζ. T. i n Spezialgrundrechten gesichert ist. Vgl. Dürig i n Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz A r t . 2 Abs. 1 GG Rdnr. 53 ff. m. w. N.
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
Nach herrschender Auffassung enthalten diese Schranken verfassungsunmittelbare Freiheitsbegrenzungen 51 . Nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung i n A r t . 2 Abs. 1 GG regeln sie außerdem die Befugnis des einfachen Gesetzgebers, die allgemeine Handlungs- und damit auch die Einwilligungsfreiheit zu beschränken 52 . Hier interessiert zunächst nur die erste Funktion. Denn mit den Rechten anderer und der verfassungsmäßigen Ordnung verweist A r t . 2 Abs. 1 GG darauf, daß der Grundrechtskatalog des Grundgesetzes selbst schon der Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes Grenzen setzt, wenn die Einwilligungsfreiheit mit den dort geschützten Interessen kollidiert. Eine solche Kollision entsteht vor allem, wo ein Grundrecht öffentliche Interessen schützt und diese durch eine Einwilligung beeinträchtigt werden 5 3 . Dabei ist zu bedenken, daß „öffentliche" Interessen nicht notwendig staatliche I n teressen sind, also Kollisionsfälle der geschilderten A r t auch dort auftreten können, wo ein Grundrecht eine „rein gesellschaftliche" Sphäre sichert 54 . I m folgenden ist daher ein Doppeltes zu prüfen. Einmal ist zu untersuchen, ob und wo die allgemeine Einwilligungsfreiheit mit grundrechtlich geschützten Interessen i n Kollision gerät. Wo dies der Fall ist, ist gegebenenfalls weiter zu fragen, ob die entgegenstehenden Interessen mit der Einwilligungsfreiheit zu „praktischer Konkordanz" gebracht werden können oder ob sie schlechthin die Zulässigkeit einer Einwilligung ausschließen 55 .
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Die Schranke der Rechte anderer u n d die Schranke des Sittengesetzes gelten dabei nach verbreiteter Auffassung auch für die Spezialgrundrechte u n d damit für die dort gesicherte Einwilligungsfreiheit. Vgl. Scholz AöR 100 (1975) S. 265 ff. (283 FF); Erichsen (Kap. I A n m . 1) S. 139; Bleckmann (Kap. I Anm. 1) S. 249 f., 251 (mit gewissen Einschränkungen f ü r das Sittengesetz). Siehe auch unten Kap. I I 2 cc u n d dd. 51 Diirig i n Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz A r t . 2 Abs. 1 GG Rdnr. 12; Scholz (Kap. I I A n m . 50) S. 285. 52 BVerfG 6/32 (37). 53 Ä h n l i c h f ü r die Zulässigkeit des „Grundrechtsverzichts" Sturm (Kap. I A n m . 1) S. 198 ff.; Pietzcker (Kap. I Anm. 1) S. 539. Beide begreifen aber nicht w i e hier die Zulässigkeitsschranken als positiv-rechtliche Schranken der Einwilligungsfreiheit. 54 Vgl. dazu allgemein Hans Peters, Festschrift f ü r Nipperdey zum 70. Geburtstag Bd. 2 (1965) S. 878 ff.; speziell für die Grundrechte Häberle, Das öffentliche Interesse (1970) S. 355 ff.; ders. AöR 95 (1970) S. 86 ff. (112 ff.) m i t Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. 55 Vgl. dazu Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 28 f., 135 m. w. N. sowie etwa Blaesing, Grundrechtskollisionen, Diss. Bochum 1974; Schlink, A b w ä g u n g i m Verfassungsrecht (1976); Schwabe (Kap. I A n m . 1) S. 304 ff.; Fohmann, K o n kurrenzen und Kollisionen i m Verfassungsrecht (1978).
2. Zulässigkeit u n d Grundrechtsdogmatik b) Die Einwilligungsfreiheit
bei den
33
Einzelgrundrechten
aa) G r u n d r e c h t e der P e r s o n D e n Grundfall, i n dem die Zulässigkeit einer E i n w i l l i g u n g unproblem a t i s c h a n g e n o m m e n w e r d e n k a n n , b i l d e n d i e Grundrechte der Person. D e n n d i e r e c h t l i c h e r h e b l i c h e n W i r k u n g e n e i n e r solchen E r k l ä r u n g b e s c h r ä n k e n sich i n diesem F a l l ex d e f i n i t i o n e a u f d i e S p h ä r e des G r u n d rechtsträgers, u n d es w ä r e w e n i g angemessen, h i e r v o n e i n e r „ K o l l i s i o n " d e r a l l g e m e i n e n E i n w i l l i g u n g s f r e i h e i t m i t d e n i n diesen G r u n d r e c h t e n geschützten Interessen z u sprechen. D i e a l l g e m e i n e H a n d l u n g s f r e i h e i t , z u d e r d i e a l l g e m e i n e E i n w i l l i g u n g s f r e i h e i t g e h ö r t , besteht v i e l m e h r z u e i n e m w e s e n t l i c h e n T e i l i m Einsatz j e n e r p e r s ö n l i c h e n R e c h t s g ü t e r 5 6 . Z u d e n G r u n d r e c h t e n der P e r s o n s i n d a l l e j e n e Rechte z u zählen, d i e sich a u f d e n Schutz i h r e r physischen u n d psychischen V o r a u s s e t z u n g e n beschränken. Das s i n d i n erster L i n i e d i e i n A r t . 2 A b s . 2 G G geschützt e n Rechte, das A l l g e m e i n e P e r s ö n l i c h k e i t s r e c h t ( A r t . 1 A b s . 1/2 A b s . 1 GG) u n d die G e w i s s e n s f r e i h e i t ( A r t . 4 A b s . 1 GG). D o c h w i r d m a n auch das W o h n u n g s g r u n d r e c h t des A r t . 13 G G u n d d i e i n A r t . 10 G G g e schützten K o m m u n i k a t i o n s g r u n d r e c h t e h i e r h e r rechnen m ü s s e n 5 7 » 5 8 . 56
Dies hat — w e n n auch m i t etwas anderem Akzent — vor allem Welzel betont. Vgl. Welzel, Studien zum System des Strafrechts (1939), i n ders., A b handlungen zum Strafrecht (1975) S. 120 ff. (140). Demgegenüber n i m m t die sog. „Güterabwägungslehre" generell eine K o l l i sion zwischen der Autonomie des Einwilligenden u n d dem v o n i h m (partiell) preisgegebenen Rechtsgut an. Vgl. Noll, Ubergesetzliche Rechtfertigungsgründe (1955) S. 74 ff.; Geppert (Kap. I I A n m . 42) S. 952; Jescheck (Kap. I Anm. 14) S. 303. 57 Der reine Persönlichkeitsbezug des A r t . 13 GG w i r d allerdings fragwürdig, w e n n man m i t BVerfG 32/54 ff. v o m „ w e i t e n " Wohnungsbegriff ausgeht, der auch Betriebs- u n d Geschäftsräume umfaßt; denn dann erhält das Grundrecht als B o l l w e r k gegen die Wirtschaftsaufsicht eminent wirtschaftliche Bedeutung. Vgl. dazu Stein, Die Wirtschaftsauf sieht (1967) S. 125; Battis JuS 1973/25 ff. Aber die vorindustrielle Gleichsetzung von Wohnung u n d Arbeitsplatz i m „ w e i t e n " Wohnungsbegriff überzeugt nur beim altliberalen Justizgrundrecht des A r t . 13 Abs. 2 GG, das bei Überraschungsangriffen auf jede A r t von p r i v a t beherrschten Räumen A r t . 103 Abs. 2 GG ergänzt. Vgl. Amelung Z Z P 88 (1975) S. 74 ff. (80). F ü r das auf den modernen Sozial- u n d Wirtschaftsstaat ausgerichtete Grundrecht des A r t . 13 Abs. 3 GG ist der „ w e i t e " Wohnungsbegriff dagegen abzulehnen. Das ist auch das materielle Ergebnis der Korrekturen, die BVerfG 32/54 (73 ff.) am Text des A r t . 13 Abs. 3 GG v o r n i m m t , u m staatliche Wirtschafts auf sichtsakt e nicht allzu stark zu behindern. Denn nach diesen K o r r e k t u r e n gelten für derartige Maßnahmen i n Betriebsräumen letztlich n u r die Grenzen des A r t . 14 GG. Z u m Ganzen vgl. zuletzt Rohlf, Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre (1980) S. 152 ff. 58 Z u m Persönlichkeitsbezug des A r t . 10 GG vgl. etwa Badura Bonner K o m m e n t a r (Zweitbearbeitung) A r t . 10 GG Rdnr. 26; Dürig, in Maunz/ D ü r i g / Herzog / Scholz A r t . 10 GG Rdnr. 1. Der häufig betonte Zusammenhang m i t A r t . 5 GG darf nicht dazu führen, den Schutzzweck des A r t . 10 GG auf politische Funktionen zu reduzieren. Denn das Grundrecht sichert durch
3 Amelung
84
Kap. I I : Die Zulässigkeit der E i n w i l l i g u n g
N a c h d e m Gesagten ist eine E i n w i l l i g u n g selbst b e i m G r u n d r e c h t d e r Unverletzlichkeit des Lebens ( A r t . 2 A b s . 2 S. 1 G G ) n i c h t p r i n z i p i e l l u n z u l ä s s i g 5 9 . E i n s c h r ä n k u n g e n der V e r f ü g u n g s m a c h t ü b e r das eigene L e b e n k a n n m a n i n e i n e r r e l i g i ö s n e u t r a l e n V e r f a s s u n g n i c h t aus einer H e i l i g u n g a b l e i t e n , d i e diesem G r u n d r e c h t s g u t i n s o w e i t eine besondere Q u a l i t ä t v e r l e i h t , s o n d e r n n u r aus S c h r a n k e n der E i n w i l l i g u n g s f r e i h e i t , d i e h i e r i m ö f f e n t l i c h e n Interesse G r e n z e n setzen 6 0 . Z u b e t o n e n ist, daß es sich d a b e i u m d i e S c h r a n k e n der allgemeinen, i n A r t . 2 Abs. 1 G G gesicherten E i n w i l l i g u n g s f r e i h e i t h a n d e l t . Versuche, i m Recht a u f L e b e n des A r t . 2 A b s . 2 S. 1 G G e i n „Recht a u f d e n T o d " u n t e r z u b r i n g e n 6 1 , v e r k e h r e n d e n S i n n des A r t . 2 A b s . 2 S. 1 G G ohne B e g r ü n d u n g i n sein Gegenteil62. Fraglich ist, ob der für A r t . 2 Abs. 2 S. 1 GG aufgestellte Grundsatz auch beim Verbot der Todesstrafe i n A r t . 102 G G gilt. Praktische Bedeutung könnte diese Frage f ü r die rechtliche Beurteilung des Wunsches eines Schwerstkriminellen gewinnen, seine Tat durch die Teilnahme an einem hochriskanten wissenschaftlichen Versuch zu sühnen. A u f den ersten Blick scheint auch A r t . 102 GG ausschließlich das Individualrechtsgut des Lebens zu schützen. Es fällt aber auf, daß der Wortlaut nicht v o m Schutz dieses Rechtsgutes, sondern von der Beseitigung der staatlichen Kompetenz f ü r eine bestimmte A r t von Rechtsgutsverletzung spricht. Dies deutet darauf hin, daß A r t . 102 GG nicht n u r das I n d i v i d u u m schützen, sondern auch eine objektive Ordnung des Staatslebens schaffen w i l l , die nicht zur Disposition des Einzelnen steht. Der durch das Grundgesetz verfaßte Staat w i l l sich offenbar nicht „ m i t B l u t besudeln". Die verfassungsrechtliche Festlegung dieses Prinzips erk l ä r t sich aus der historischen Situation, i n der die Regelung entstand. Der Mißbrauch der Todesstrafe zwischen 1933 und 1945 löste prinzipielle Zweifel die Schaffung einer Geheimsphäre allgemein die Selbstdarstellung der Person, schützt also den Briefschreiber auch vor der Kenntnisnahme seiner Rechtschreibfehler. Nicht unbedenklich sind daher die Formulierungen bei W. JR. Schmidt N J W 1964/2390 ff. (2392 ff.). A b w . Dürig i n Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz A r t . 2 Abs. 2 GG Rdnr. 12; Martens D Ö V 1976/457 ff. (459); Leisner, Das Recht auf Leben (1976) S. 38. Kritisch dazu Gallas JZ 1960/649 (653 Fn. 33); Hamann/Lenz (Kap. I I A n m . 44) A r t . 2 A n m . Β 8. 60 Z u derartigen Interessen eingehend Hirsch, Festschrift f ü r Welzel (1974) S. 775 ff. (780 ff.). 61 Hamann / Lenz (Kap. I I A n m . 44) A r t . 2 A n m . Β 8 unter unzutreffender Berufung auf BGHSt 11/111 (113); vgl. auch Herzog, A r t . Selbstmord (verfassungsrechtlich), i n K u n s t / Herzog / Schneemelcher (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon (2. A u f l . 1975) Sp. 2289 f. (2290). 62 Kritisch auch Roellecke, Gibt es ein „Recht auf den Tod", i n Eser (Hrsg.) Suizid u n d Euthanasie S. 336 ff. (337 f.). Dagegen leitet Wagner, Selbstmord u n d Selbstmordverhinderung (1975) S. 89/90 i m speziellen F a l l der Verweigerung eines ärztlichen Heileingriffs aus dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit des A r t . 2 Abs. 2 S. 1 2. A l t . GG ein Recht zum Sterben ab. I n der Tat ist dies eine notwendige Reflexwirkung der Befugnis, Eingriffen i n die Körpersphäre zu widersprechen; vgl. auch BGHSt 11/111 (113). E i n eigenständiges Grundrecht, das i n Abwägungen gesondert zu berücksichtigen wäre, folgt daraus aber nicht. Zutr. insoweit Maunz, Staatsrecht (22. Aufl. 1978) S. 126.
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
35
an der Befugnis des Staates aus, i n Ausübung seiner Strafgewalt über das Leben seiner Bürger zu verfügen, u n d dies schlug sich i n der Fassung des A r t . 102 GG nieder. Überdies hatte dieser Mißbrauch die deutsche Staatsgew a l t aufs schwerste desavouiert. I n dieser Lage wollte der neue deutsche Staat nicht allein seine Bürger vor einer Wiederholung der faschistischen Exzesse bewahren, sondern durch eine demonstrative A b k e h r v o n der nationalsozialistischen Strafrechtspraxis zugleich an Legitimation nach innen u n d nach außen gewinnen. H i n t e r A r t . 102 GG steht also auch ein staatliches Selbstdarstellungsinteresse, über das der Einzelne schwerlich verfügen kann. Es w i r d sich zeigen, daß unter einer rechtsstaatlichen Verfassung derartige Selbstdarstellungsinteressen des Staates die Einwilligungsfreiheit auch sonst begrenzen 63 . I m Grundgesetz prägt sich dieser Zug wegen der Besonderheiten der deutschen Geschichte besonders deutlich aus.
Nach dem Vorstehenden ergibt sich die Verfügungsbefugnis des Einzelnen über die Grundrechte der Person aus dem materiellen Gesichtspunkt der Begrenzung ihrer Schutzbereiche. Demgegenüber w i r d von anderer Seite gerade i m Bereich dieser Grundrechte versucht, die Zulässigkeit der Einwilligung aus dem formalen Gesichtspunkt abzuleiten, die Zustimmung des Grundrechtsträgers schließe bereits die Verletzung des Grundrechtstatbestandes aus. Dies gilt in erster Linie von den A r t . 10 und 13 GG 6 4 . Wie erwähnt, sind hiergegen aber Einwände anzumelden. Daß selbst bei einer Einwilligung i n die Besichtigung einer Wohnung die i n Art. 13 GG geschützte Intimität beeinträchtigt wird, wurde schon ausgeführt 65 . Ebenso verlieren Geheimnisse, wie sie i n Art. 10 GG gesichert werden, ihren Geheimnischarakter nicht allein dadurch, daß der Geheimnisträger einen anderen daran teilhaben läßt. Es gehört weder zum Begriff des Geheimnisses, daß nur ein Einzelner von einer geheim gehaltenen Tatsache weiß 6 6 , noch entspricht es dem Sinn des A r t . 10 GG, die Öffnung des Geheimbereichs gegenüber einer einzelnen staatlichen Stelle schon als Beseitigung des ganzen Geheimnisses aufzufassen. Ähnliches gilt von den Geheimnissen, die i m Rahmen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützt werden 6 7 . Schließlich w i r d man auch beim Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit entgegen der bei § 223 StGB verbreiteten Auffassung davon ausgehen müssen, daß selbst eine mit Einwilligung erfolgende Heilmaßnahme den Grundrechtstatbestand verletzt, wenn und weil sie zeitweise die Integrität des Körpers beeinträchtigt 68 . Das Gleiche ist von der freiwil63 s. dazu unten, Kap. I I c aa bei A n m . 125. Dagtoglou (Kap. I A n m . 1) Rdnr. 54. 65 s. oben, Kap. I I 1 c bei A n m . 25. «β Schönke / Schröder / Lenckner § 203 StGB Rdnr. 5 ff. 67 Vgl. dazu etwa Meydam, Die Betriebskrankenkasse 1978/49 ff. (52 f.). β» A b w . Brügmann, N J W 1977/1473 (1475); w i e hier dagegen Dürig, i n Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz A r t . 2 Abs. 2 GG Rdnr. 36/37; vgl. auch BGHSt 11/111 (113/114); Trockel N J W 1970/489 (494). Z u m strafrechtlichen Meinungsstand bezüglich der Auslegung des § 223 StGB vgl. die Nachweise 64
3*
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
ligen Einschließung zu sagen, die trotz der Zustimmung des Eingeschlossenen das Rechtsgut des A r t . 2 Abs. 2 S. 2 GG beeinträchtigt, wenn der Einwilligende den plötzlich auftauchenden Wunsch nach einer Ortsveränderung nicht umgehend verwirklichen kann. Für den Ausschluß des Verletzungstatbestands kommt daher die Einwilligung allenfalls bei der einen oder anderen Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts i n Betracht. bb) Grundrechte der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Kommunikation Mehr Schwierigkeiten bereitet die Frage der Zulässigkeit einer Einwilligung bei der großen Gruppe jener Grundrechte, die die sachlichen Voraussetzungen und die Freiheit der Kommunikation i n politischer, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht schützen. M i t der Möglichkeit individueller Kommunikation gewährleisten diese Grundrechte individuelle Freiheit. Aus der freien Kommunikation entstehen aber Sozialprozesse und Institutionen, denen die Kommunikationsfreiheit — i n den Grenzen der staatlichen Regelungsvorbehalte — eine bestimmte Gestalt verleiht. I n dieser Gestalt bilden sie, etwa als Privatwirtschaft oder als freie Presse, Strukturelemente unserer Gesellschaftsordnung 69 . Als solche sind sie Gegenstand des öffentlichen Interesses, teils als Eigenwerte, teils als Träger erwünschter Funktionen für die Gesamtgesellschaft, weil sie ζ. B. als Voraussetzungen eines demokratischen Staates oder optimaler Bedürfnisbefriedigung gelten. Läuft eine Einwilligung i n die staatliche Beeinflussung dieser Kommunikationsprozesse dem öffentlichen Interesse an der Bewahrung ihrer freiheitlichen Struktur zuwider, so ergeben sich Bedenken gegen die Zulässigkeit einer solchen Erklärung. Der Grundrechtsschutz von Sphären der genannten A r t besagt zunächst freilich nur, daß hier die Freiheit von staatlichem Zwang garantiert w i r d 7 0 . Wo der Staat i n Übereinstimmung m i t den Beteiligten auf diese Bereiche einwirkt, fehlt es aber an solchem Zwang. Grundrechtsdogmatische Einwände gegen die Zulässigkeit einer autonomen E i n w i l ligung können daher erst dann erhoben werden, wenn die Auslegung einer Grundrechtsnorm ergibt, daß sie nicht nur „Zwangsfreiheit", sondern überhaupt „Staatsfreiheit" ihres Schutzbereiches gewährleisten will. „Staatsfreiheit" i n diesem Sinn w i r d dort gefordert, wo ein Grundrecht jede Beeinflussung eines Kommunikationsprozesses nach Maßstäbei Schönke / Schröder / Eser §223 StGB Rdnr. 29 f.; Krey, Strafrecht B T Bd. 1 (1979) S. 74 ff. 69 Eine noch i m m e r unübertroffene Beschreibung dieses Sachverhalts findet sich bei Luhmann, Grundrechte als I n s t i t u t i o n (1965) S. 84 ff., 108 ff. 70 s. dazu auch unten, Kap. I I 3 b aa.
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
37
ben staatlicher Politik verbietet 7 1 . Auch der Begriff der „Neutralitätspflicht" des Staates umschreibt vielfach ein derartiges Verbot 7 2 . Ein öffentliches Interesse an der „Staatsfreiheit" besteht im grundrechtlich geschützten Bereich der politischen Kommunikation. Die Grundrechte i n Art. 5 Abs. 1, 8, 9 Abs. 1, 17, 38 GG sichern nach allgemeiner Auffassung die Voraussetzungen des Prozesses der demokratischen Willensbildung 7 3 . Das demokratische Prinzip der A r t . 20, 21, 28 GG verlangt, daß die politische Willensbildung sich vom Volk zu den Staatsorganen und nicht i n umgekehrter Richtung vollzieht 7 4 . Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Staatsorgane ein Verbot, den Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes so zu beeinflussen, daß dadurch die Herrschaftsmacht i n diesen Organen erhalten bleibt 7 5 . Ist das richtig, so kann es auch dem Einzelnen nicht gestattet sein, dem Staat eine derartige Einflußnahme zu ermöglichen. Die Einwilligung eines Presseunternehmers i n staatliche Zensurmaßnahmen w i r d man daher grundsätzlich als unwirksam anzusehen haben 76 . Das zensierende Staatsorgan handelt trotz der Zustimmung des Betroffenen verfassungswidrig. Aus ähnlichen Gründen ist der Bürger nicht befugt, bei der Stimmabgabe durch Einwilligung über sein Wahlgeheimnis i. S. d. A r t . 38 Abs. 1 GG zu verfügen 77 . Eine solche E i n w i l ligung hätte zur Folge, daß jeder, der sich bei diesem Vorgang nicht ebenfalls mit der Preisgabe des Wahlgeheimnisses einverstanden erklären würde, als möglicher Gegner der i m Staat herrschenden Macht er71 Vgl. dazu BVerfG 20/56 ff. (99). Dieser Begriff der „Staatsfreiheit" hat nichts m i t dem Begriff der „staatsfreien Sphäre" zu tun, w i e er i m A n sdiluß an die Staatslehre des Konstitutionalismus von Carl Schmitt verwendet w i r d . Während der Begriff der „staatsfreien Sphäre" bei Carl Schmitt eine eingriff sir eie Individualsphäre beschreibt, bezeichnet er hier einen von jeder inhaltlichen Beeinflussung freien Sozialprozeß. Vgl. dazu Carl Schmitt, Freiheitsrechte u n d institutionelle Garantien (1931), i n ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze (1958) S. 140 ff. (167); ders., Grundrechte u n d G r u n d pflichten (1932), ebd. S. 181 ff. (207 f.); kritisch Grabitz (Kap. I A n m . 34) S. 20 f., 180 f. 72 Schiaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip (1972) S. 42, 81 f., 104 f., 218 f. 73 BVerfG 20/56 ff. (98); Stein, Staatsrecht (6. A u f l . 1978) S. 126. 74 BVerfG 44/125 ff. (138,174); Seifert, Die politischen Parteien i m Recht der Bundesrepublik Deutschland (1975) S. 71 ff. m. w. N. 75 BVerfG 20/56 ff. (99); 44/125 (139). 7β A b w . Scheuner, W d S t R L 22 (1965) S. 11 A n m . 32; Löf fier, N J W 1969/ 2225 (2228); w o h l auch Ridder, Meinungsfreiheit, i n Neumann / Nipper dey / Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte Bd. I I (1954) S. 243 ff. (280) — alle i m Z u sammenhang m i t der Erörterung des speziellen Falles der „ F r e i w i l l i g e n Filmselbstkontrolle". Z u deren Besonderheiten s. unten A n m . 84. 77 OVG Koblenz, AS 3/194; OVG Lüneburg, OVGE 14/257 ff. (260); DÖV 1964/355; vgl. auch Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 546 ff.
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
scheint. Hieraus würde ein mittelbarer Zwang zur offenen Stimmabgabe entstehen, der nicht nur die Rechte der anderen Stimmbürger beeinträchtigen 78 , sondern i m Widerspruch zum demokratischen Prinzip auch den ganzen Wahlvorgang zugunsten der etablierten Mächte verzerren würde. Etwas anderes dürfte i n dem Bereich gelten, i n dem der Staat ohne Verletzung
seiner
Neutralitätspflicht
auf die politische W i l l e n s b i l d u n g
Einfluß nimmt. Von Bedeutung ist dies etwa für die Verbreitung staatlicher Mitteilungen durch die Presse. Daß staatliche Organe die Öffentlichkeit über ihre Arbeit informieren, ist in der Demokratie grundsätzlich erwünscht 79 . Wie eingangs geschildert mag es hierbei vorkommen, daß ein staatlicher Amtswalter einen Journalisten bittet, ihm eine Meldung über eine solche Information noch einmal vorzulegen, um eine Entstellung durch Übermittlungsfehler zu verhindern 8 0 . Erteilt der Journalist die Einwilligung hierzu, so w i r d man i m Handeln des Amtswalters keine unzulässige Zensurmaßnahme sehen können, solange die Kontrolle sich auf die richtige Wiedergabe seiner Mitteilung beschränkt. Dabei ist zu bedenken, daß eine staatliche Stelle, die derartige Kontrollmöglichkeiten wünscht, die Information i m Weigerungsfall der Öffentlichkeit wahrscheinlich vorenthalten würde. Die Einwilligung beeinträchtigt daher i n solchen Fällen nicht die demokratische Funktion der Pressefreiheit, sondern ist ihr gerade dienlich 8 1 . Eine Pflicht des Staates zur „Neutralität" statuieren auch die Kommunikationsgrundrechte i n A r t . 4 Abs. 1 a. E., 4 Abs. 2 8 2 und 5 Abs. 3 GG 8 3 . Das Grundgesetz w i l l also die religiöse und kulturelle Kommunikation ebenfalls von verzerrenden Einflüssen aus dem staatlichen Bereich freihalten. Eine Einwilligung, die diesem Ziel zuwiderläuft, ζ. B. die Einwilligung eines Künstlers in Maßnahmen der Vorzensur, ist daher unwirksam. Etwas anderes dürfte aber auch hier gelten, wenn der Staat legitimerweise Einfluß nimmt. Man denke etwa an einen Wissenschaftler, der einen staatlichen Forschungsauftrag annimmt und die Veröffent78
s. dazu unten I I 2 c dd bei A n m . 182. » Leisner, Öffentlichkeitsarbeit der Regierung i m Rechtsstaat (1966) S. 83. 80 s. oben, Kap. I 1 bei A n m . 12. 81 Z u r Bedeutung dieses Gedankens für die Zulässigkeit der E i n w i l l i g u n g s. schon oben, Kap. I I 2 a aa bei A n m . 44. A u f dem gleichen Prinzip beruht die Zulassung der E i n w i l l i g u n g eines Behinderten i n die Beeinträchtigung des Wahlgeheimnisses durch eine H i l f s person i n § 33 Abs. 2 B W a h l G (Anhang V I I ) u n d den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften. BVerfG 21/200 (206), BVerwG DÖV 1974/387 (388). es BVerfG 19/206 (216); Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 158 m. w. N. 83 Knies, Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem (1967) S. 171 m. w. N.; Schiaich (Kap. I I A n m . 72) S. 120, 24Ç f t 7
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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lichung der hierbei gewonnenen Ergebnisse dem politischen Ermessen seines Auftraggebers anheim stellt. I n diesem Fall ist es von vornherein kein „wissenschaftsimmanenter", sondern ein spezifisch politischer A n stoß, der die Gewinnung der wissenschaftlichen Information ermöglicht. Die Annahme dieses Auftrags unter Einwilligung in die Zurückhaltung der zu gewinnenden Information verzerrt daher den Wissenschaftsprozeß nicht, sondern nützt ihm, wenn und soweit andernfalls gar nicht in dem fraglichen Bereich geforscht werden würde. Unzulässig wäre freilich die Einwilligung i n eine verfälschende Wiedergabe der Forschungsergebnisse, denn dies würde eine politische Verzerrung der wissenschaftsimmanenten Verarbeitung dieser Ergebnisse zur Folge haben 8 4 . Grundrechte, die die Freiheit der wirtschaftlichen Kommunikation sichern, wie Art. 12 und 14 GG 8 5 , gewährleisten dagegen grundsätzlich nicht „Staatsfreiheit", sondern nur Zwangsfreiheit des Wirtschaftsprozesses i m Rahmen der Gesetzesvorbehalte. Positivrechtliche Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus der Niederlegung des Sozialstaatsprinzips i n A r t . 20 und 28 GG sowie insbesondere aus A r t . 109 Abs. 2 GG. Denn diese verfassungsrechtlichen Regelungen verlangen gerade eine Wirtschaftspolitik, die den Wirtschaftsprozeß auch mit zwangsfreien Mitteln zu steuern sucht 86 . Ein öffentliches Interesse an der „Staatsfreiheit" dieses Prozesses, das der Wirksamkeit einer Einwilligung i n die Beeinflussung des wirtschaftlichen Grundrechtsbereichs entgegensteht, kann daher aus dem Grundgesetz nicht abgeleitet werden. Etwas anderes mag lediglich i m Rahmen der Neutralitätspflichten des A r t . 9 Abs. 3 GG 8 7 gelten, bei dem man sich eine echte Einwilligung allerdings kaum vorstellen kann.
84 U m eine gewisse Neutralität der Einflußnahme bemüht sich auch die „ F r e i w i l l i g e Filmselbstkontrolle" durch eine „pluralistische" Besetzung der zensierenden Gremien (dazu Johanne Noltenius, Die Freiwillige Selbstkontrolle der F i l m Wirtschaft und das Zensurverbot des Grundgesetzes (1958) S. 10 ff.) — ob m i t Erfolg ist angesichts des staatlichen Einflusses allerdings nicht sicher. Eine weitere Besonderheit dieser Zensur ist ihre privatrechtliche u n d privatwirtschaftliche Konstruktion. Das eigentlich Fragwürdige an der Filmselbstkontrolle ist aber, daß man von einer „ f r e i w i l l i g e n " U n t e r werfung unter die Zensur ausgeht, obgleich sie durch ein kartellähnliches Machtgebilde erzwungen w i r d . Vgl. dazu Johanne Noltenius, ebd. S. 124 ff.; Herzog, i n Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz A r t . 5 GG Rdnr. 207 ff. (kritisch zur Freiwilligkeit) sowie die oben Kap. I I A n m . 76 genannten Autoren u n d O L G Frankfurt N J W 1963/112 ff. (die Zulässigkeit bejahend). 85 Luhmann (Kap. I I A n m . 69) S. 108 ff.; ders., Rechtssystem und Rechtsdogmatik (1974) S. 60 ff. 86 Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung (1971) S. 45 ff. ; Stern / Münch / Hansmeyer, Gesetz zur Förderung der Stabilität u n d des Wachstums der Wirtschaft 2. A u f l . (1972) S. 40 ff. 87 Dazu Schiaich (Kap. I I A n m . 72) S. 112 m. w. N.
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung cc) Die institutionellen Garantien der Art. 6 und 7 GG
Noch deutlicher als die Grundrechte der Kommunikation zielen die institutionellen Garantien der A r t . 6 und 7 GG auf die Gewährleistung einer objektiven Ordnung des Soziallebens. Ein Blick auf den Verfassungstext zeigt aber, daß die Einwilligung gleichwohl nicht völlig ausgeschlossen sein kann. Denn i n A r t . 6 Abs. 3 und 7 Abs. 3 S. 3 GG w i r d der Grundrechtsschutz ausdrücklich vom Willen des Grundrechtsträgers abhängig gemacht. Beim Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) ist davon auszugehen, daß eine Einwilligung i n eine vorübergehende Beeinträchtigung zulässig ist. Denn wäre etwa die Zustimmung eines Beamten zur zeitweisen Trennung von der Familie durch eine Abordnung rechtlich nicht möglich, so würden familiäre Bindungen sich zu einer unerträglichen Bürde entwickeln, die die Bereitschaft, sich derartigen Bindungen zu unterwerfen, auf die Dauer schwächen müßte. Insoweit dürfte die Zulassung einer Einwilligung — dem ersten Anschein zuwider — den institutionellen Garantien des A r t . 6 Abs. 1 GG gerade dienlich sein 88 . Andererseits ist zu bedenken, daß die Institutionen der Ehe und der Familie eng m i t der herrschenden Sexualmoral verflochten sind und diese wiederum stark die herkömmlichen Auffassungen vom „Sittengesetz" prägt. Dies legt es nahe, i h m als allgemeiner Schranke der Einwilligungsfreiheit 8 0 i m Bereich des Art. 6 Abs. 1 GG besondere Bedeutung zuzugestehen. Dabei erscheint es angebracht, Begrenzungen der Einwilligungsfreiheit, die sich aus dem überlieferten B i l d von der Ehe ergeben, nicht i n A r t . 6 Abs. 1 GG selbst, sondern i n der Schranke des Sittengesetzes zu lokalisieren. Denn dies verhindert zum einen, daß ein Grundrecht der Freiheit privater Lebensgestaltung 90 unversehens in eine Begrenzung dieser Freiheit umgedeutet wird, und ermöglicht zum anderen, daß Wandlungen i n der ehelichen Sexualmoral offen Rechnung getragen werden kann. Ein Indiz dafür, daß sich bei der Einwilligung solche Wandlungen vollziehen, ist möglicherweise der Pendelschlag i n der strafrechtlichen Beurteilung der Ehegattenkuppelei 01 . es Bei den sog. „Zölibatsklauseln" handelt es sich dagegen nicht u m ein Zulässigkeits-, sondern u m ein Freiwilligkeitsproblem. Denn es geht u m die Frage, ob die Bereitschaft, zeitweise ehelos zu bleiben, f r e i w i l l i g erklärt w i r d , w e n n davon die Begründung der wirtschaftlichen Existenz abhängt. Ebenso BAG 4/274 (279); Erna Schef fier, A r t . Ehe u n d Familie, i n Bettermann / N i p perdey / Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte Bd. I V 1 (2. A u f l . 1972) S. 245 ff. (317 f., 318); undeutlich demgegenüber BVerwG 14/21 ff. 8® s. oben, Kap. I I 2 a bb u n d unten, Kap. I I 2 c cc. 90 Vgl. dazu A r t . 8 M R K , der den Schutz der Familie ausdrücklich i m Z u sammenhang m i t der Unverletzlichkeit der Wohnung u n d dem Schutz des Briefgeheimnisses regelt. 91 Die Verkuppelung des Ehegatten wurde bis zum 4. StrRG v o m 23.11. 1973 (BGBl. I 1725) nach §181 Abs. 1 Nr. 2 a. F. StGB m i t erhöhter Strafe
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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Auch die Elternrechte aus A r t . 6 Abs. 2 und 3 GG unterliegen der Verfügungsmacht ihrer Träger. Für A r t . 6 Abs. 3 GG folgt dies, wie erwähnt, bereits aus dem Wortlaut. Was für das Recht gilt, das K i n d bei sich zu haben, muß aber auch für Rechte auf Pflege und Erziehung gelten. Denn das Recht aus A r t . 6 Abs. 3 GG sichert die faktischen Voraussetzungen für die Ausübung der Rechte aus A r t . 6 Abs. 2 GG. Eine Grenze w i r d der Einwilligungsfreiheit dagegen durch A r t . 7 Abs. 1 GG gezogen, der das Schulwesen der Aufsicht des Staates unterstellt. Der i n dieser Regelung verwendete Begriff der Schulaufsicht ist bekanntlich weiter als der sonst i m öffentlichen Recht übliche Aufsichtsbegriff 0 2 . I m Bereich des staatlichen Schulwesens umfaßt er auch die Befugnis zur positiven Ausgestaltung der schulischen Ordnung 9 3 . Diese Befugnis kann insbesondere m i t der i n A r t . 6 Abs. 2 GG gesicherten Einwilligungsfreiheit der Eltern 9 4 kollidieren. I n der Praxis ergeben sich hieraus Probleme, wenn die Regeln des Schulverwaltungsrechts dem Lehrer eine Züchtigung der Schüler verbieten, die Eltern i h m aber die Züchtigung ihres Kindes gestatten. Die herrschende Lehre geht bei Kollisionen des Elternrechts mit A r t . 7 Abs. 1 GG von einer „Drei-Bereiche-Lehre" aus 95 . Danach gibt es einen Bereich, i n dem ausschließlich der Staat, einen anderen, i n dem ausschließlich die Eltern und einen dritten, i n dem Staat und Eltern m i t einander zu entscheiden haben. Die Schuldisziplin w i r d man dabei dem ersten Bereich ausschließlich staatlicher Gestaltungsmacht zuordnen müssen. Denn es wäre ein pädagogisch untragbarer Zustand, wenn durch elterliche Einwilligungen zwei Gruppen von Schülern entstehen würden, von denen die eine geohrfeigt werden darf, die andere dagegen nicht. Das hat bereit der Bundesgerichtshof hervorgehoben 96 — freilich ohne A r t . 6 Abs. 2/7 Abs. 1 GG zu erwähnen. Elterliche Einwilligungen, die der staatlichen Ausgestaltung der Schuldisziplin zuwiderlaufen, sind also unwirksam.
bedroht, ist dagegen jetzt straflos, sofern nicht ausnahmsweise ein F a l l der Zuhälterei i. S. d. § 181 a Abs. 3 n. F. StGB vorliegt. Eine forcierte ideologische Deutung dieser einschneidenden Veränderung w i r d allerdings durch die Gesetzgebungsgeschichte nicht gerechtfertigt. Vgl. dazu Horstkotte J Z 1974/84 ff. (85); Hanack N J W 1974/1 ff. (5). 02 Maunz, i n Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz A r t . 7 GG Rrdnr. 14. »3 BVerwG 6/101 (104); 18/38 (39); Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 187/188. 94 s. oben, Kap. I I 2 a aa bei A n m . 48. »5 Ossenbühl AöR 98 (1973) S. 361 ff. (369 ff.); Fehnemann D Ö V 1978/489 ff. (492 ff.) m. w. N. 06 BGHSt 12/62 ff. (69 f.). Z u dieser i n der Strafrechtslehre oft mißdeuteten Entscheidung s. auch unten Kap. I I A n m . 235.
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung dd) Justizgrundrechte
Die Justizgrundrechte der Art. 101 ff. GG haben eine ähnliche Doppelnatur wie die Grundrechte der Kommunikation. Sie enthalten einerseits subjektive Berechtigungen, deren Verletzung gemäß A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4a GG durch Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann. Andererseits strukturieren auch sie mit dem gerichtlichen Verfahren einen Sozialprozeß. I m Unterschied zu den Grundrechten der freien Kommunikation ist jedoch der Staat durch seine Gerichtsbarkeit stets an diesem Sozialprozeß beteiligt. Die Justizgrundrechte geben dieser Beteiligung als Verfahrensmaximen 07 ihre rechtsstaatliche Gestalt. Eine Einwilligung hat daher hier nicht die Funktion, den Staat i n einen „gesellschaftlichen" Bereich hineinzuholen, sondern zielt darauf ab, ein staatliches Verfahren zu verändern, indem rechtsstaatliche A n forderungen an das Verhalten der Staatsorgane außer Kraft gesetzt werden. Damit würde das Verfahren aber seine besondere Qualität als rechtsstaatliches Verfahren verlieren. Das kann eine Verfassung, die den Staat als Rechtsstaat konstituiert, nicht hinnehmen. Daher ist eine Einwilligung, die den Schutzbereich der Justizgrundrechte berührt, grundsätzlich unwirksam. Dieses Ergebnis entspricht der herrschenden Meinung i m Streit um die Frage, ob der Verhaftete auf eine Benachrichtigung von Angehörtgen oder Vertrauenspersonen i. S. v. A r t . 104 Abs. 4 GG verzichten kann. Ein solcher Verzicht, der einer Einwilligung i m hier behandelten Sinn ähnelt, w i r d von der herrschenden Auffassung als unwirksam betrachtet 9 8 . Zu Recht w i r d dabei darauf hingewiesen, daß A r t . 104 Abs. 4 GG nicht nur die Interessen des Verhafteten schützt, sondern auch dazu dient, den Staat vor dem Verdacht zu bewahren, er lasse Personen spurlos verschwinden. Die Gegenmeinung erkennt diese Zweckrichtung an, betont aber, daß der Betroffene ein berechtigtes, u. U. sogar grundrechtlich geschütztes Interesse daran haben kann, wirksam auf eine Benachrichtigung Dritter zu verzichten 99 . Dies w i r d vor allem bei der Gefahr einer Ruf- oder Kreditschädigung des Verhafteten und einer Gesundheitsschädigung des Angehörigen angenommen 100 . I n der Tat entsteht i n solchen Fällen ein K o n f l i k t zwischen den Grundrechtsgütern Einzel87 Stein (Kap. I I A n m . 73) S. 57. β» LG Frankfurt N J W 1959/61; Dünnebier JZ 1963/694; ders., i n L o e w e / Rosenberg, StPO Bd. 2 (23. Aufl. 1978) § 114 b StPO Rdnr. 12 m. w. N. Fußn. 3. »» Wagner JZ 1963/689 ff. (691) ; Händel, Festschrift f ü r Krebs (1967) S. 149 ff. (157 ff.); weitere Nachweise bei Dünnebier, i n Loewe / Rosenberg (oben Anm. 98) § 1146 StPO Rdnr. 12 Fußn. 4. m® Die „Menschenwürde" w i r d entgegen den oben A n m . 99 genannten Autoren hierdurch freilich nicht verletzt, sonst verstieße jede öffentliche Strafverhandlung gegen A r t . 1 Abs. 1 GG,
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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ner und der Sorge des Staates um sein rechtsstaatliches Ansehen. Diese widerstreitenden Interessen können aber durch eine angemessene Interpretation des Art. 104 Abs. 4 GG zum Ausgleich gebracht werden. Es ist einerseits nötig, dem Inhaftierten bezüglich der zu benachrichtigenden Person ein Wahl- und Widerspruchsrecht einzuräumen und andererseits den Begriff der „Vertrauensperson" so weit zu fassen, daß der Haftrichter auch Amtsträger der Kirchen, private Organisationen der Gefangenenfürsorge oder ähnliche vom Staat unabhängige Vereinigungen informieren kann, wenn der Gefangene einer Benachrichtigung anderer Personen widerspricht. Weniger einleuchtend mag die These von der Unwirksamkeit einer Einwilligung auf den ersten Blick beim Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und bei der richterlichen Entscheidung über den Entzug der Freiheit (Art. 104 Abs. 2 GG) erscheinen. Sollte es wirklich unzulässig sein, daß ein Angeklagter i n die Vernichtung eines Schreibens einwilligt, mit dem er sich auf die Anklageschrift einläßt, das aber beleidigende Äußerungen enthält, die ihn nach der Absendung reuen? Ist es wirklich unmöglich, sich ohne richterliche Anordnung in freiwilligen Polizeigewahrsam nehmen zu lassen? A u f diese Fragen läßt sich ohne weiteres eine befriedigende Antwort finden, wenn man nur den Schutzbereich der genannten Grundrechte genau genug bestimmt. Art. 103 Abs. 1 GG gibt nur einen Anspruch gegen den Staat auf Gewährung rechtlichen Gehörs 101 . Das Gericht muß also dem Verfahrensbeteiligten nur Gelegenheit zur Äußerung geben und von dieser Verpflichtung kann er es auch nicht entbinden. Ob der Anspruchsinhaber die Gelegenheit nutzt, ist dagegen seine Sache 102 . So wie er aber schweigen darf, kann man ihm auch nicht die Möglichkeit nehmen, eine bereits auf den Weg gebrachte Äußerung mit Hilfe einer Einwilligung i n die Vernichtung eines Schriftstückes wieder zurückzunehmen. Ebenso gilt Art. 104 Abs. 2 GG nur für „Freiheitsentziehungen", also zwangsweise Eingriffe i n das Grundrecht aus A r t . 2 Abs. 2 S. 2 GG. Wer gegen seinen Willen i n Haft genommen wird, kann daher auch nicht auf die Einschaltung des Richters verzichten. Begibt sich ein Bürger dagegen freiwillig in Polizeigewahrsam, so fällt er gar nicht i n den Schutzbereich der N o r m 1 0 3 . 101 Rüping, Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs und seine Bedeutung i m Strafverfahren (1976) S. 144/145 m. w. N. 102 Rüping (oben Anm. 101) S. 145 f. 103 Allerdings folgt aus dem Gesagten, daß eine f r e i w i l l i g i n behördlichen Gewahrsam aufgenommene Person, den Wunsch nach Aufhebung dieses Gewahrsams i n der Frist des A r t . 104 Abs. 2 S. 3 GG realisieren können muß. Ob an den Wochenenden diese Voraussetzungen immer gegeben sind, wäre vor allem i n dem häufig vorkommenden F a l l der f r e i w i l l i g e n Unterbringung psychisch K r a n k e r näher zu prüfen,
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
Noch etwas weiter dürfte die Verfügungsbefugnis des Grundrechtsträgers dort reichen, wo die Verfassung selbst bereits die von ihr aufgestellten Verfahrensregeln relativiert wie beim materiellen Justizgrundrecht des A r t . 13 Abs. 2 GG. Nach dieser Norm darf eine Haussuchung zwar grundsätzlich nur aufgrund einer Anordnung des Richters vorgenommen werden, doch gilt dies nicht, wenn Gefahr i m Verzuge ist. Die staatlichen Vollzugsorgane können demnach schon dort vom Richtervorbehalt abweichen, wo dies den Interessen des Grundrechtsträgers widerspricht. Dann kann man sich schwer vorstellen, daß die Verfassung strenger wertet, wenn ein Grundrechtsträger ausdrücklich kundtut, daß ein Übergehen des Richters seine Interessen nicht verletzt. Diese Ausnahme von der prinzipiellen Unverfügbarkeit der Justizgrundrechte ist bei Beeinträchtigungen der Unverletzlichkeit der Wohnung zwar nicht besonders wichtig. Denn die Preisgabe richterlichen Schutzes dürfte hier fast immer mit der Erteilung der Eintrittserlaubnis an das Vollzugsorgan, also einer freiwilligen Hinnahme der Grundrechtsgutsbeeinträchtigung, zusammenfallen, die nach dem zu A r t . 104 Abs. 2 GG Gesagten ohnehin nicht i n den Schutzbereich der Verfassungsregel fällt. Die These ist aber bedeutsamer für Regelungen des einfachen Gesetzesrechts, die A r t . 13 Abs. 2 GG nachgebildet sind, wie etwa der Richtervorbehalt bei körperlichen Untersuchungen gem. § 81 a StPO. ee) Gleichheitsrechte Wenig Aufmerksamkeit schenkt die Literatur der Frage, ob und inwieweit die Gleichheitsrechte der Einwilligungsfreiheit Grenzen ziehen. Dabei ist die Frage von allgemeiner Bedeutung. Denn jede Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes zielt darauf ab, daß der Einwilligende vom Staat anders behandelt w i r d als ein Mitbürger, der sich auf sein Grundrecht beruft. Der allgemeine Gleichheitssatz des A r t . 3 Abs. 1 GG verbietet allerdings nicht jede Ungleichbehandlung, sondern enthält nach h. M. lediglich ein Verbot willkürlicher Differenzierung 1 0 4 . Der Umstand, daß ein Bürger freiwillig eine Beeinträchtigung seiner Freiheitssphäre hinnimmt, erscheint i. d. R. als sachlicher Grund, ihn anders zu behandeln als denjenigen, der auf seinem Grundrecht beharrt. Daher setzt der allgemeine Gleichheitssatz i. d. R. einer sonst wirksamen Einwilligung keine zusätzlichen Grenzen. Der Schutzbereich des A r t . 3 Abs. 1 GG ist nach dem Gesagten erst betroffen, wenn eine Maßnahme des Staates trotz der Einwilligung des von ihr Betroffenen noch als willkürlich erscheint. Die Kennzeichnung 104 Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 178 ff.; Kloepfer, frage (1980) S. 31 ff. jeweils m. w. N,
Gleichheit als Verfassungs-
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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seines Handelns als „ w i l l k ü r l i c h " desavouiert aber den Staat aufs äußerste. Staatliche Willkürmaßnahmen haben also Schadensfolgen, die weit über den Bereich des einwilligenden Bürgers hinausreichen. Daher kann die Verfassung den Eintritt derartiger Wirkungen nicht i n sein Belieben stellen. Die Einwilligung i n eine willkürliche Ungleichbehandlung ist folglich unwirksam. Praktische Bedeutung erlangt dieses Ergebnis vor allem, wenn ein Bürger i n die Benachteiligung durch einen Träger öffentlicher Gewalt einwilligt, um dadurch von i h m als Kompensation einen Vorteil zu erlangen. Verknüpft der Träger öffentlicher Gewalt die Gewährung des Vorteils, etwa einer Subvention, in sachwidriger Weise mit der einverständlichen Zufügung eines Nachteils, so ist dieser A k t trotz der E i n w i l ligung des Bürgers rechtswidrig. Das sog „Koppelungsverbot" 105 hat eine seiner Wurzeln i m Willkürverbot des A r t . 3 Abs. 1 GG. Entsprechendes gilt für die speziellen Gleichheitsrechte der A r t . 3 Abs. 2 und 3, 6 Abs. 5, 33 Abs. 1 und 2 und 38 GG. Denn i n ihnen formalisiert der Gesetzgeber die Anforderungen an sachlich gerechtfertigtes Staatshandeln und gibt dabei meist ausdrücklich an, in welcher Hinsicht i h m eine Ungleichbehandlung als w i l l k ü r l i c h erscheint 106 . Soweit eine Einwilligung den Schutzbereich solcher Gleichheitsrechte berührt, ist daher auch sie unwirksam. Viele Merkmale, die nach der Anordnung spezieller Gleichheitsrechte nicht als Differenzierungskriterien verwendet werden dürfen, sind überdies typische Kennzeichen sozial benachteiligter Personen. Es sei nur an rassische Minderheiten oder nichteheliche Kinder erinnert. Solche Personen dürften wegen ihrer schwachen sozialen Position oft eher als andere Bürger bereit sein, einem Ansinnen des Staates nachzugeben. Die Unzulässigkeit einer Einwilligung in eine Ungleichbehandlung verhindert daher hier auch die Rechtswirksamkeit einer Erklärung, deren Freiwilligkeit man i n Zweifel ziehen kann. Ähnliches gilt vom Koppelungsverbot, das nicht nur der Vermeidung staatlicher W i l l k ü r , sondern i. d. R. auch der Bekämpfung unsachlichen Drucks auf den Einwilligenden dient 1 0 7 . Gleichheitsgewähr und Freiheitssicherung sind also insoweit eng miteinander verknüpft. los v g l . dazu Dombrowski, Mißbrauch der Verwaltungsmacht (1967); Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des Verwaltungshandelns (1978) S. 390 ff. m. w. N. loe Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 177 ff. io? BVerwG 42/331 ff. (342); Dombrowski (Kap. I I A n m . 105) S. 15. Dieser Aspekt steht i n der L i t e r a t u r zum Koppelungsverbot i m Vordergrund. Es ist aber wichtig, i m Auge zu behalten, daß dieses Verbot nicht n u r dem Schutz der Freiheit dient. Denn damit w i r d vermieden, daß das Postulat der F r e i w i l l i g k e i t einer E i n w i l l i g u n g bei sachwidriger Koppelung überanstrengt w i r d . s. dazu unten, Kap. I I I 2 b bb bei Anm. 29.
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung c) Allgemeine
grundrechtsdogmatische
Zulässigkeitsschranken
Die vorstehenden Ausführungen galten der Frage, inwieweit die Einzelgrundrechte öffentliche Interessen schützen, die als Bestandteile der „verfassungsmäßigen Ordnung" i. S. d. A r t . 2 Abs. 1 GG die E i n w i l l i gungsfreiheit begrenzen. Zur „verfassungsmäßigen Ordnung" muß man aber auch den Grundsatz des Schutzes der Menschenwürde und die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG rechnen. Außerdem setzt A r t . 2 Abs. 1 GG der Einwilligungsfreiheit durch die Schranken des Sittengesetzes und der Rechte anderer Grenzen. I m folgenden ist daher darauf einzugehen, inwieweit sich aus diesen allgemeinen Prinzipien der Grundrechtsdogmatik Schranken der Zulässigkeit ergeben. aa) Die Menschenwürde als Zulässigkeitsschranke? Ob der Schutz der Menschenwürde der Einwilligungsfreiheit Grenzen setzt, ist wenig geklärt. Die herrschende Meinung geht davon aus, daß Art. 1 Abs. 1 GG eine allgemeine Zulässigkeitsschranke enthält 1 0 8 . Es gibt aber auch Stimmen, die meinen, die Zustimmung des Betroffenen schließe stets schon die Verletzung des Rechtsgutes der Menschenwürde aus, so daß i m Ergebnis eine Begrenzung der Einwilligungsfreiheit aus A r t . 1 Abs. 1 GG nicht abgeleitet werden kann 1 0 9 . Eine Diskussion findet zwischen den Verfechtern dieser entgegengesetzten Auffassungen nicht statt, obgleich die praktische Bedeutung der Frage, wie noch zu zeigen sein wird, laufend steigt 1 1 0 . Das Problem w i r d vielfach unter unmittelbarem Rückgriff auf eine ausdrücklich oder stillschweigend vorausgesetzte Anthropologie gelöst 1 1 1 . Dies führt zu Versuchen, den Grundrechtsträger mit Hilfe des A r t . 1 Abs. 1 GG auf ein mehr oder minder bestimmtes Menschenbild festzulegen, das ihn verpflichtet, Handlungen zu unterlassen, die mit der vorausgesetzten Vorstellung von einer achtbaren, „würdigen" Person nicht zu vereinbaren sind 1 1 2 . Die Menschenwürde erscheint dann als los Nipperdey, Die Würde des Menschen, i n Neumann / Nipperdey / Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte Bd. I I (1954) S. 1 ff. (22); Dürig, i n M a u n z / D ü r i g / Herzog / Scholz, A r t . 1 Abs. 1 GG Rdnr. 22; Zippelius, B K A r t . 1 GG Rdnr. 40; m i t Einschränkungen auch Schwabe (Ka.p I A n m . 1) S. 101; i m Strafprozeßrecht z.B. Niese, ZStW 63 (1951) S. 199 ff. (226); Peters, ZStW 87 (1975) S. 663 ff. (677); i m materiellen Strafrecht z.B. Schmidhäuser (Kap. I A n m . 15) S. 272; Maur ach / Sehr oeder, Strafrecht B T (6. A u f l . 1977) S. 119; i m Zivilrecht ζ. B. Fischer, Medizinische Versuche am Menschen (1979) S. 19 m. w. N. 109 Kühne, Strafprozessuale Beweisverbote u n d A r t . 1 Abs. 1 Grundgesetz (1970) S. 100 ff. (sowie S. 103, 114, 120, 127); der Tendenz nach, aber letztlich unentschieden, auch Pietzcker (Kap. I Anm. 1) S. 540 f. no s. unten A n m . 132. m Nachweise bei Badura JZ 1964/337 (339/340).
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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unübersteigbare Grenze der Einwilligungsfreiheit und eine E i n w i l l i gung, die etwa eine persönlichkeitsverändernde Hirnoperation o. ä. betrifft, gilt folglich als unwirksam 1 1 3 . Derartige Auffassungen können sich darauf stützen, daß die Gesellschaft innerhalb gewisser Toleranzen vom Einzelnen unbestreitbar ein „würdiges" Verhalten erwartet. Der Symbolische Interaktionismus macht sogar ein öffentliches Interesse an der Bewahrung der eigenen Würde plausibel, wenn er den Willen und die Fähigkeit, solchen Verhaltenserwartungen zu entsprechen, als Voraussetzung gesellschaftlicher Kommunikation beschreibt 114 . Bei der Anwendung des Grundgesetzes stellt sich aber die Frage, ob derartige Interessen und Erwartungen, die andere an den Grundrechtsträger herantragen, gerade i n A r t . 1 Abs. 1 GG geschützt sind. Denn ein Urteil, das eine Person als „ w ü r d i g " oder „unwürdig" kennzeichnet, ist ein Urteil, das über die Achtung entscheidet, die dieser Person entgegenzubringen ist und damit moralischer Nat u r 1 1 5 . Deshalb liegt es mindestens ebenso nahe, die Erwartung „ w ü r d i gen" Verhaltens unter den Begriff des Sittengesetzes zu subsumieren, das gemäß Art. 2 Abs. 1 GG der freien Entfaltung der Person Schranken zieht 1 1 6 . Eine solche Einordnung würde die „Achtbarkeitsgrenze" der Einwilligungsfreiheit relativieren. Denn wer die Sittenwidrigkeit einer Einwilligung behauptet, muß sich weit eher dem Einwand der Pluralität und Wandelbarkeit sittlicher Anschauungen stellen, als derjenige, der mit der Berufung auf die Menschenwürde gleich nach dem höchsten Wert des Grundgesetzes greift. Die umgangssprachlichen Begriffe von „Würde", „Achtung", „Sittengesetz" und „Moral" sind also weniger trennscharf, als es die Verfassung i n A r t . 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG voraussetzt. Deshalb läßt sich das aufgeworfene Problem mit transpositiven Würde-Konzeptionen allein nicht lösen. Man muß vielmehr auch hier mit juristischen Mitteln zu entscheiden suchen, welches Konzept sich mit dem Grundgesetz verträgt. Von einem solchen Ansatz aus läßt sich eine Begrenzung der E i n w i l l i gungsfreiheit durch den Schutz der Menschenwürde nur auf zweierlei 112 Das gilt vor allem für gewisse Stadien der Gesetzgebung i m Bereich der Sexualdelikte. Vgl. dazu die Nachweise bei Amelung, Rechtsgüterschutz u n d Schutz der Gesellschaft (1972) S. 314. 113 s. dazu unten. 114 v g l . dazu insbesondere Goffman, Interaktionsrituale (1973) passim. 115 Luhmann, Soziologie der Moral, i n L u h m a n n / Pfürtner (Hrsg.), Theorietechnik u n d M o r a l (1978) S. 8 ff. (43 ff., 51 ff.). ne Kennzeichnend für diesen Zusammenhang ist die Gleichsetzung der Sittenwidrigkeit i. S. d. § 226 a StGB m i t der Verletzung der Menschenwürde bei Schmidhäuser (Kap. I A n m . 15) S. 272; ähnlich Carstens, Das Recht der Organtransplantation {1978) S. 80.
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Kap.
: Die Zulässigkeit der Einwilligung
Weise begründen: es müßte entweder nachgewiesen werden, daß Art. 1 Abs. 1 GG Ausdruck öffentlicher Interessen ist, die sich gegebenenfalls auch gegen den Einzelnen richten, oder es müßte sich zeigen lassen, daß die Norm der bevormundenden Haltung eines patriarchalischen Staates entspringt, der behauptet, mit den Interessen seines Bürgers besser umgehen zu können als dieser selbst. Die zuletzt genannte Auslegungsvariante läßt sich wegen der aufklärerisch-emanzipatorischen Ursprünge des Verfassungsschutzes der Menschenwürde 117 von vornherein ausscheiden. Bedenken bestehen aber auch dagegen, Art. 1 Abs. 1 GG als Norm zu interpretieren, die die Freiheit des Einzelnen i m Interesse der Allgemeinheit einschränkt. Solche Bedenken ergeben sich bereits daraus, daß A r t . 1 Abs. 1 GG aus A r t . 1 des Entwurfs von Herrenchiemsee entstand, der ausdrücklich formulierte, daß der Staat für den Menschen da sei und nicht umgekehrt 1 1 8 . I n dieser Formulierung kommt — zumal bei der Weite des alten deutschen Staatsbegriffs 119 — deutlicher als heute zum Ausdruck, daß der Verfassungssatz einseitig die Funktion haben sollte, Ansprüche der Allgemeinheit an das Individuum i n Schranken zu weisen, und nicht, derartige Ansprüche zu etablieren. Wäre die dem A r t . 1 Abs. 1 GG zugrunde liegende Wertung weniger einseitig, so würde die Norm auch zu einem höchst problematischen Zwitter. Denn sie könnte dann einmal für und einmal gegen das Individuum ins Spiel gebracht werden, ohne daß dies — wie sonst bei Grundrechtsnormen — anhand der antagonistischen Beschreibung von Freiheitsrecht und Freiheitsbeschränkung von vornherein erkennbar wäre. Damit müßten aber demjenigen, dessen Freiheit unter Berufung auf A r t . 1 Abs. 1 GG eingeengt wird, die Verheißungen dieses fundamentalen Verfassungssatzes wie ein grandioses Manöver zur Verschleierung staatlicher Zwangsbefugnisse erscheinen. Eine Interpretation, die zu einem solchen Ergebnis gelangt, kann kaum richtig sein. A r t . 1 Abs. 1 GG kann deshalb schwerlich den Sinn haben, den Einzelnen i m Bereich der Einwilligung zu „würdigem", achtbarem Verhalten zu zwingen, das einem bestimmten „Menschenbild" entspricht. Die historischen Funktionen des Menschenwürdesatzes i m Strafverfahren 1 2 0 wie auch seine christlichen Ursprünge 1 2 1 zeigen vielmehr, daß A r t . 1 Abs. 1 GG gerade die Aufgabe hat, selbst demjenigen, der (durch „Verbrechen" oder „Sünde") den an ihn gestellten Er117 Zippelius (Kap. I I A n m . 108) Rdnr. 4 unter Verweis auf Kant. ne v g l . dazu Nawiasky, Grundgedanken des Grundgesetzes f ü r die B u n desrepublik Deutschland (1950) S. 18. h» Vgl. Luhmann (Kap. I I A n m . 69) S. 14 ff. ι 2 0 Nachweise bei Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung T e i l I (1964) S. 80; Henkel, Strafverfahrensrecht (2. Aufl. 1968) S. 52 ff. Vgl. auch BVerfG 30/1 ff. (39). 121 Nachweise bei Zippelius (Kap. I I A n m . 108) Rdnr. 2.
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik Wartungen nicht entspricht, noch einen unabdingbaren Rest staatlicher Achtung zu erhalten, die an nichts anderes als seine Eigenschaft als Mitmensch anknüpft 1 2 2 . Dieses Postulat, auch den Verachteten zu achten 1 2 3 , verlangt vom Staat soziologisch nahezu Unmögliches, aber gerade dies erklärt, weshalb die Institutionalisierung des Verfassungsschutzes der Menschenwürde eine späte Kulturleistung ist, die von vielen geschichtlichen Vorbedingungen abhing. Damit ist also davon auszugehen, daß „würdelose" Einwilligungen nicht durch Art. 1 Abs. 1 GG, sondern allenfalls durch die Schranke des Sittengesetzes i n A r t . 2 Abs. 1 GG für unwirksam erklärt werden 1 2 4 . Dies besagt allerdings noch nicht, daß A r t . 1 Abs. 1 GG Einwilligungen in die Beeinträchtigung der Menschenwürde zuläßt. Denn A r t . 1 Abs. 1 S. 2 GG spricht dafür, daß dieser Verfassungssatz eine objektive Ordnung des Staatslebens schaffen wollte, über die der Einzelne nicht verfügen kann. Überdies hat die Voranstellung des Grundsatzes der Achtung vor der Menschenwürde i n unserer Verfassung deutlich einen demonstrativen Zug, von dem schon bei A r t . 102 GG die Rede w a r 1 2 5 : Der bundesrepublikanische Staat legitimiert sich dadurch, daß er verkündet, er werde die Menschenwürde achten, die von der deutschen Staatsgewalt zuvor mit den Füßen getreten worden war. Dem würde etwa ein Urteil widersprechen, i n dem der Satz stünde, die deutschen Staatsorgane hätten „die Menschenwürde verletzt", doch sei dies rechtmäßig geschehen, weil eine wirksame Einwilligung des Verletzten vorgelegen habe. Ein solcher Satz t r i f f t schon aus rhetorischen Gründen auf Widerstand 1 2 6 und hierfür gibt es einen sachlichen Grund: Ein Staat, der sich als freiheitlicher Rechtsstaat präsentieren w i l l , kann durch seine Verfassung eine „Verletzung der Menschenwürde" niemals legitimieren. Diese Überlegung scheint auf eine Aporie zuzusteuern: Einerseits erscheint es widersinnig, ausgerechnet aus A r t . 1 Abs. 1 GG Freiheitsbeschränkungen abzuleiten, andererseits kann man es sich aber auch nicht gut vorstellen, daß das Grundgesetz i m Fall der Einwilligung eine „Verletzung der Menschenwürde" deckt. Beide Aussagen lassen sich nur dann ohne Widerspruch miteinander vereinbaren, wenn man davon aus122 Diese historisch-hermeneutische Dimension des A r t . 1 Abs. 1 GG v e r nachlässigt Luhmann (Kap. I I A n m . 69), w e n n er S. 67/69 betont, daß m a n seine Würde vor allem durch eigenes Verhalten verlieren kann. Seine Feststellung ist f ü r die Alltagsvorstellung von der Würde zwar nicht zu bestreiten, aber f ü r die Konkretisierung des spezifisch verfassungsrechtlichen Begriffs der Menschenwürde nicht verwertbar. 123 Beispiele bei Badura (Kap. I I A n m . I l l ) S. 341. 124 s. dazu unten S. 56 ff. 12 5 s. oben, Kap. I I 2 b aa bei A n m . 63. ™ Vgl. aber Trockel N J W 1971/217 ff. (219).
4 Amelung
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
geht, daß beim Vorliegen einer Einwilligung des Grundrechtsträgers A r t . 1 Abs. 1 GG gar nicht einschlägig ist, weil eine solche Erklärung stets eine Verletzung des hier geschützten Rechtsguts ausschließt. Zur „Menschenwürde" i. S. d. Grundgesetzes gehört eben ein Stück Autonomie und erst, wo sie mißachtet wird, ist Art. 1 Abs. 1 GG i m Spiel 1 2 7 . Dies gilt jedenfalls, solange überhaupt einem Menschen „Autonomie" zugesprochen werden kann 1 2 8 . Es bleibt die Frage, wie von diesem Standpunkt aus Einwilligungen in Maßnahmen zu beurteilen sind, die die Fähigkeit des Individuums zu autonomer Selbststeuerung unterlaufen oder verändern. Man denke an Einwilligungen, die sich auf die Anwendung eines Lügendetektors, eine Kastration oder die erwähnten persönlichkeitsverändernden Hirnoperationen beziehen. Ist Art. 1 Abs. 1 GG nach dem Gesagten selbst i n diesen Fällen nicht einschlägig, so fragt es sich, welche verfassungsrechtlichen Beurteilungsmaßstäbe dann Platz greifen sollen. Als sachgerechte Lösung erscheint es hier, beim Fehlen einer E i n w i l ligung zwar i n aller Regel eine Verletzung der Menschenwürde, bei ihrem Vorliegen dagegen nur eine Beeinträchtigung jenes persönlichen Schutzbereiches anzunehmen, den das Bundesverfassungsgericht in A r t . 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG ansiedelt, um der Totalwirkung des Art. 1 Abs. 1 GG zu entgehen 129 . Eine solche Abstufung liegt nicht nur in der Konsequenz der Ausgangsthese, sondern sie hält auch Dispositionsspielräume offen, die dem Interesse aller Beteiligten entsprechen. Der Einzelne ist durch die Rücksicht auf seine autonome Entscheidung gegen ungewollte Einbrüche in die Tiefenschichten seiner Person absolut geschützt. Andererseits ist er aber auch nicht prinzipiell gehindert, solche Maßnahmen zuzulassen, wenn sie i n seinem Interesse liegen. Dabei ist daran zu erinnern, daß diese Interessen selbst oft grundrechtlich gesichert sind :— man denke an einen Sexualdelinquenten, der sich durch eine Hirnoperation von seiner sexuellen Perversion befreien w i l l , die ihn immer wieder hinter Gitter bringt 1 3 0 . Der vom Grundgesetz verfaßte Staat kann solche Einwilligungen anerkennen, ohne daß i h m nachgesagt werden kann, er rechtfertige Verletzungen jenes Rechtsgutes, das er in A r t . 1 Abs. 1 GG mit Pathos für „unantastbar" erklärt. Dem 127 Ebenso Kühne (Kap. I I A n m . 109); vgl. auch die Kennzeichnung der Menschenwürde als „Verfügbarkeit über sich selbst" bei Maihof er, Die W ü r de des Menschen (1967) S. 15 ff. sowie Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 540 f. 12 8 Grenzfälle bei Dürig, i n Maunz / D ü r i g / Herzog / Schulz A r t . 1 Abs. 1 G G Rdnrn. 20/25. s. i m übrigen dazu unten S. 53. 12» BVerfG 6/32 (41); 6/389 (433); 27/1 (6 f.); 27/344 (350 f.); 32/373 (378 f.); 35/202 (219 f.); 49/286 (297 f.). 130 Vgl. dazu OLG Hamm N J W 1976/2311; N J W 1980/1909; Koch, Chirurgie der Seele (1976); Adler / Saupe, Psychochirurgie (1979); Ilse Barbey, Bundesgesundheitsblatt 1979/293 ff.
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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einfachen Gesetzgeber bleibt schließlich die Befugnis, durch Ausschöpfung der Gesetzesvorbehalte die Einwilligungsfreiheit i n diesem Bereich nach Kriterien zu regulieren, die i h m von seinem politischen Standort aus als sinnvoll erscheinen. Das demokratische Prinzip legt solche Entscheidungsspielräume nahe, und das Rechtsstaatsprinzip schließt sie nicht aus. Das zeigt die Diskussion um die einverständliche Anwendung des Lügendetektors, die mit rechtsstaatlichen Argumenten sowohl bekämpft als auch befürwortet w i r d 1 3 1 . Die praktischen Anlässe, die hier angesprochenen Fragen durch einfaches Gesetz zu regeln, haben sich i m Zuge des medizinischen Fortschritts laufend vermehrt. So enthalten die neuen Unterbringungsgesetze ζ. T. sehr eingehende Regelungen über die Einwilligung i n persönlichkeitsverändernde Maßnahmen bei der Behandlung psychisch K r a n ker 1 3 2 . Auch das Kastrationsgesetz 133 und — zumindest mittelbar — das Transsexuellengesetz 134 betreffen derartige Probleme. Die erwähnten Unterbringungsgesetze sehen vor, daß medizinische Maßnahmen, die zu wesentlichen und/oder dauerhaften Persönlichkeitsveränderungen führen, mit Einwilligung, aber grundsätzlich auch nur mit Einwilligung, vorgenommen werden dürfen 1 3 5 . Die neuesten Gesetze Hamburgs und Niedersachsens erklären jedoch die Einwilligung in Maßnahmen, die die Persönlichkeit „ i n ihrem Kernbereich verändern", für unwirksam 1 3 6 . Solch ein Vorbehalt mag politisch sinnvoll sein, zumal es um die Erklärungen gefangen gehaltener Personen geht 1 3 7 . Von A r t . 1 Abs. 1 GG gefordert w i r d er aber nach dem Gesagten nicht. Der Gesetzgeber des Kastrationsgesetzes wertet insoweit wohl auch anders. Denn eine einverständliche Entfernung der Keimdrüsen, die das Gesetz — 13 * Vgl. dazu etwa Peters ZStW 87 (1975) S. 663 ff. einerseits; Schwabe N J W 1979/576 ff. andererseits. Die Problematik des Lügendetektors u n d ähnlicher Instrumente ist daneben natürlich auch noch vom Standpunkt des einfachen Gesetzesrechts, insbesondere aus der Sicht der §§ 136/136 a StPO, zu beurteilen. Auch w e n n die Einwilligungsschranke des § 136 a Abs. 3 StPO nicht Ausfluß des A r t . 1 Abs. 1 GG ist, erfüllt sie noch viele spezifisch strafprozessuale Funktionen, die hierbei zu beachten sind. Siehe zu diesen Funktionen etwa Eb. Schmidt SJZ 1949/449 ff. (453); Walder, Die Vernehmung des Beschuldigten (1965) S. 170 ff. sowie unten, Kap. I I 2 c dd. iss Vgl. §§ 21 Abs. 2 Brem. Unterbringungs-G; 35 Abs. 2 u n d 3 Hamb. Psych K G ; 26 Abs. 2 - 4 Nds. Psych K G ; 26 Abs. 2 N R W Psych K G ; 19 Abs. 1 Saarl. UnterbringungsG, alle abgedruckt i m Anhang V I . 133 §§ 2 ff. KastrationsG, abgedruckt i m Anhang I C. ι 3 4 Gesetz v. 10. 9.1980 (BGBl. I S. 1654); dazu BVerfG 49/286 ff.; Walter, JZ 1972/263; Sigusch, N J W 1980/2740. 135 s. oben A n m . 132. i 3 « §§ 35 Abs. 4 Hamb. Psych K G / 26 Abs. 4 Nds. Psych K G (Anhang V I C und E). ist s. dazu unten, Kap. I I I 2 b dd.
*
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der E i n w i l l i g u n g
sogar b e i Gefangenen — z u l ä ß t 1 3 8 , d ü r f t e m i t a l l e n i h r e n N e b e n f o l g e n ebenfalls d e n „ K e r n b e r e i c h " d e r P e r s o n v e r ä n d e r n . Ä h n l i c h e s g i l t v o n d e n i m Transsexuellengesetz vorausgesetzten u n d r e c h t l i c h a n e r k a n n t e n Maßnahmen139. Diese, ζ. T . v o m
Bundesverfassungsgericht
gebilligten
Regelungen
m a c h e n d e u t l i c h , daß schon h e u t e i m G r u n d e j e d e t i e f g r e i f e n d e P e r s ö n l i c h k e i t s v e r ä n d e r u n g zugelassen w i r d , w e n n sie sich ohne u n v e r t r e t b a r e R i s i k e n r e a l i s i e r e n l ä ß t u n d d e r B e t r o f f e n e sie z u r B e s e i t i g u n g schwerer L e i d e n w i r k l i c h w ü n s c h t 1 4 0 . Es ist eben n i c h t a b s o l u t unzulässig, d i e Selbststeuerungsmechanismen eines Menschen m i t dessen E i n w i l l i g u n g z u u n t e r l a u f e n oder z u v e r ä n d e r n , s o n d e r n es k o m m t a u f d i e
Gründe
an, d i e d a f ü r i n s F e l d g e f ü h r t w e r d e n k ö n n e n . Dies zeigt noch e i n m a l , daß d i e E i n w i l l i g u n g s s c h r a n k e n , u m d i e es h i e r geht, sich n i c h t aus A r t . 1 A b s . 1 G G ergeben, der eine R e l a t i v i e r u n g d u r c h „ ü b e r w i e g e n d e I n t e r e s s e n " n i c h t v e r t r ä g t 1 4 1 , s o n d e r n daß diese S c h r a n k e n i m „ S i t t e n gesetz" des A r t . 2 A b s . 1 G G z u l o k a l i s i e r e n sind, das a u f d i e R e c h t f e r t i ge § § 2 f f . KastrationsG ( A n h a n g I C ) ; zur E i n w i l l i g u n g Gefangener
vgl.
§ 3 Abs. 2 KastrationsG. 139 Die L i t e r a t u r (oben A n m . 134) betont zwar, daß Operationen zur Geschlechtsumwandlung, ζ. B. Penis-Amputationen, n u r der äußeren A n g l e i chung an eine seelisch längst abgeschlossene Einfügung i n das andere Geschlecht dienen. Doch k a n n w o h l kein Zweifel daran bestehen, daß auch die äußeren Geschlechtsorgane m i t ihren Funktionen wesentliche Bestandteile der Persönlichkeit i m verfassungsrechtlichen Sinne sind u n d diese durch Eingriffe der genannten A r t daher wesentlich verändert w i r d . Allgemein zur Bedeutung des Körpers für die Person Field, Der Körper als Träger des Selbst, i n Hammerich / K l e i n (Hrsg.), Materialien zur Soziologie des Alltags (20. Sonderheft der KZfSS 1978) S. 244 ff. 140 Es ist daher kennzeichnend, daß die wichtigsten Beispiele, die heute noch f ü r die einwilligungsbegrenzende W i r k u n g des A r t . 1 Abs. 1 GG ins Feld geführt werden — K o p f - u n d Gehirntransplantationen — ζ. Z. utopischer N a t u r sind. Vgl. dazu Fischer (Kap. I I A n m . 108). Wenn Kopftransplantationen technisch realisierbar würden, so w ü r d e n sich m i t ziemlicher Sicherheit alsbald Befürworter dieser Operation bei vom Hals an querschnittsgelähmten Personen finden u n d w e r w ü r d e — eine Lösung der übrigen Transplantationsprobleme vorausgesetzt — sich dem auf die Dauer w i d e r setzen wollen, w e n n der Gelähmte es wünscht? Z u r medizinisch bereits realisierbaren Keimdrüsenübertragung vgl. Fischer (Kap. I I A n m . 108) einerseits, Carstens (Kap. I I A n m . 116) andererseits. Z u r stereotaktischen Hirnoperation s. oben A n m . 130. 141 A b w . Kloepfer, Bundesverfassungsgericht u n d Grundgesetz, Bd. 2 (1976), S. 405 ff. (412), der unter Berufung darauf, daß BVerfG 39/1 (42) das Leben als die „vitale Basis der Menschenwürde" bezeichnet, das Leben über die Menschenwürde stellt. Geht m a n aber v o m Text der Verfassung aus, so k o m m t m a n nicht daran vorbei, daß gem. A r t . 2 Abs, 2 S. 3 GG ein Bürger, etwa als Soldat, w o h l zur Aufopferung seines Lebens, hingegen nicht zur Aufopferung seiner Menschenwürde gezwungen werden kann. M a n kann dies politisch gewiß problematisieren, aber dem idealistischen Z u g des Grundgesetzes, der auch andernorts (ζ. B. i n A r t . 5 Abs. 3 GG) erkennbar ist, entspricht es n u n einmal, daß es die „Basis" eher zu relativieren geneigt ist als den „Uberbau". Kritisch zu Kloepfer auch Schwabe (Kap. 1 A n m . 1) S. 101 A n m . 31.
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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gungsbedürftigkeit derartiger Maßnahmen i m „praktischen Diskurs" verweist 1 4 2 . Unter dem Gesichtspunkt des A r t . 1 GG problematischer sind solche Regelungen der Unterbringungsgesetze, die persönlichkeitsverändernde Maßnahmen ohne Einwilligung des Betroffenen zulassen. So beschränkt § 26 Abs. 2 S. 2 des niedersächsischen Gesetzes über Hilfe für psychisch Kranke das Erfordernis der Einwilligung i n dauerhafte Persönlichkeitsveränderungen auf Fälle, i n denen solche Veränderungen „nachteilig" sind 1 4 3 . Auch eine dauerhafte Persönlichkeitsveränderung, die dem Psychiater als „nicht nachteilig" erscheint, mißachtet aber die Autonomie des Betroffenen, von den Möglichkeiten eines politischen Mißbrauchs dieses Wertbegriffes ganz zu schweigen. Allerdings liegt gerade bei psychisch Kranken die Frage nahe, ob bei ihnen überhaupt die konstitutionellen Voraussetzungen autonomer Entscheidungsmacht gegeben sind. Generell ausschließen läßt sie sich bei dieser Personengruppe sicher nicht. Die Gesetze, die die Frage behandeln, unterstellen mit Recht sogar Entmündigten grundsätzlich die Fähigkeit zur Erteilung oder zumindest zur Versagung einer Einwilligung und verneinen sie erst dann, wenn dem Kranken die Fähigkeit fehlt, Bedeutung und Tragweite der Erklärung zu erfassen 144 . I m letzteren Fall werden „persönlichkeitsverändernde" Maßnahmen auch ohne Einwilligung des Betroffenen zugelassen. Das dürfte mit A r t . 1 GG aber zu vereinbaren sein. Zwar stehen auch Geisteskranke unter dem Schutz dieser Verfassungsnorm 145 , aber persönliche Autonomie kann nur dort geschützt sein, wo sie vorhanden ist. Aus rechtsstaatlichen Gründen wäre allerdings zu wünschen, daß die Fälle fehlender Einwilligungsfähigkeit durch deskriptive Krankheitsbilder festgelegt würden. bb) Die Wesensgehaltssperre des Art. 19 Abs. 2 GG Die Garantie des Wesensgehalts der Grundrechte in A r t . 19 Abs. 2 GG w i r d i. d. R. als Grenze staatlicher „Eingriffsbefugnisse" aufgefaßt 146 . Wie angedeutet, ist aber zweifelhaft, ob eine Rechtsgutsbeeinträchtigung, die auf eine Einwilligung hin erfolgt, überhaupt einen „Eingriff" 142 Beispiele für solche Rechtfertigungsdiskurse bei Hoerster JZ 1971/ 123 ff. (bezügl. der Sterilisation); Walter (Kap. I I A n m . 134) (bezügl. der Geschlechtsumwandlung); allgemein zum Begriff des „praktischen Diskurses" Alexy, Theorie der juristischen Argumentation (1978) S. 53 ff. 1 4 3 Unten Anhang V I E. 1 4 4 §§ 35 Abs. 3 S. 1 Hamb. Psych K G / 26 Abs. 3 S. 1 Nds. Psych K G / 19 Abs. 2 S. 3 Saarld. Psych K G ; teilw. abweichend § 26 Abs. 2 S. 2 N R W Psych K G (alle Anhang VI). Vgl. auch § 3 Abs. 3 KastrationsG (Anhang I C). 145 Dürig, in Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, A r t . 1 Abs. GG Rdnr. 20. u * Vgl. etwa die Nachweise bei Erichsen, N J W 1976/1721 ff. (1722 f.); Bleckmann (Kap. I Anm. 1) S. 265.
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darstellt 1 4 7 . Wortlaut und Sinn des Art. 19 Abs. 2 GG zeigen indessen, daß die Norm ein objektives Prinzip allen Staatshandelns enthält, das schwerlich der Verfügungsgewalt des Einzelnen unterliegen kann. Der Staat darf den Wesensgehalt der Grundrechte „ i n keinem Fall" antasten, wenn er Hechtsstaat bleiben w i l l . Von dieser Verpflichtung zum Respekt vor einem grundrechtlichen Kernbereich kann ihn noch nicht einmal der Gesetzgeber entbinden. Dann ist auch nicht denkbar, daß die Verfassung dem Einzelnen die Rechtsmacht hierzu verschafft 148 . M i t dieser Feststellung ist allerdings noch nicht geklärt, welche Verfügungen des Grundrechtsträgers gem. A r t . 19 Abs. 2 GG als unwirksam anzusehen sind. Es liegt nahe, auf die Wesensgehaltssperre zurückzugreifen, wenn die Einwilligung auf die totale Zerstörung eines individuellen Grundrechtsgutes gerichtet i s t 1 4 9 wie bei der Einwilligung i n die Vernichtung des eigenen Lebens. Denn m i t der unwiderruflichen Zerstörung des Bezugsobjekts geht auch das subjektive Grundrecht unwiderruflich unter. I n dessen zeigt gerade die genauere Betrachtung dieses gravierenden Falles der Grundrechtsgutsvernichtung, daß die Wesensgehaltsgarantie nicht als durchgängige Sicherung eines unverzichtbaren Kernbestands der individuellen Grundrechtsposition verstanden werden kann. Denn wenn A r t . 2 Abs. 2 S. 3 GG dem Gesetzgeber ausdrücklich den „Eingriff" i n das Recht auf Leben erlaubt, kann die Vernichtung individuellen Lebens als solche schwerlich den Wesensgehalt i. S. d. A r t . 19 Abs. 2 GG verletzen 1 5 0 . Ähnliches gilt vom Grundrecht des A r t . 2 Abs. 2 S. 2 GG, bei dem das Bundesverfassungsgericht gezeigt hat, daß der Verfassungsgeber offenbar von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des lebenslangen Entzugs der individuellen Fortbewegungsfreiheit ausging 151 . Die eigentliche Bedeutung des Art. 19 Abs. 2 GG w i r d man deshalb i m Bereich des institutionellen Grundrechtsschutzes zu suchen haben 1 5 2 . Das 147
s. oben Kap. I I 1 b bei A n m . 27 sowie unten, Kap. I I 3 b aa. 8 I m Ergebnis ebenso O L G Frankfurt N J W 1963/112; Bleckmann (Kap. A n m . 1) S. 286. Weitere Nachweise bei Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S, 536 A n m . 40, alle die sog. „Einwilligungstheorie" bei Grundrechtsgutsbeeinträchtigungen i n „besonderen Gewaltverhältnissen" betreffend. 149 So die Lehre v o m „Totalentzug". I n dieser Richtung ζ. B. Stein (Kap. I I A n m . 73) S. 257; vgl. aber auch schon Dürig AöR 81 (1956) S. 117 ff. (136 f.). 150 v g l . dazu zuletzt Tettinger, J Z 1978/128 ff. (132) m. w. N. Selbst Denninger u. a., A l t e r n a t i v e n t w u r f einheitlicher Polizeigesetze des Bundes u n d der Länder (1979) S. 160 sehen i n der Herbeiführung des Tötungserfolges noch keine Verletzung des Wesensgehalts der i n A r t . 2 Abs. 2 S. 1 G G geschützten Grundrechtsposition, sondern messen die Verletzung des A r t . 19 Abs. 2 GG am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Z u r K r i t i k dieser dogmatischen Position s. unten bei A n m . 153 ff. 14
151 BVerfG 45/187 f. (270 f.). ι 5 2 Ebenso Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG (2. A u f l . 1972) S. 236; Jäckel, Grundrçchtsgeltung und Grundreçhtssiçherung
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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g i l t auch f ü r die Z u l ä s s i g k e i t der E i n w i l l i g u n g . So ist es u n t e r sozialstaatlichen V e r h ä l t n i s s e n d e n k b a r , daß d e r Staat die E r t e i l u n g einer E i n w i l l i g u n g i n die B e e i n t r ä c h t i g u n g eines Grundrechtsgutes m i t Geg e n l e i s t u n g e n b e l o h n t , die so v e r l o c k e n d ausgestaltet sind, daß b e i den B ü r g e r n auf b r e i t e r F r o n t d i e Bereitschaft schwindet, das G r u n d r e c h t zu v e r t e i d i g e n . F ü h r t dies dazu, daß das G r u n d r e c h t „ i m L e b e n des Gemeinwesens k e i n e W i r k u n g m e h r e n t f a l t e t " , so ist A r t . 19 Abs. 2 G G v e r l e t z t . Hier, aber eben auch erst h i e r , l i e g t die a l l g e m e i n e objektivrechtliche Grenze, d i e der G r u n d r e c h t s k a t a l o g der E i n w i l l i g u n g s f r e i h e i t setzt. Die skizzierte Grenze der Einwilligungsfreiheit w i r d allerdings i n Frage gestellt, w e n n man m i t einer verbreiteten Auffassung i n A r t . 19 Abs. 2 GG nicht mehr als den Sitz des Übermaßverbots sieht 1 5 3 . Diese Bestimmung des „Wesens" durch eine Relation hat aber zu Recht v i e l K r i t i k auf sich gezog e n 1 5 4 u n d begegnet u. a. auch Bedenken, die sich speziell aus Überlegungen zur individuellen Verfügungsbefugnis über Grundrechtsgüter ergeben. Die Lehre vom Übermaßverbot stammt bekanntlich aus dem Polizeirecht 1 5 5 . Hier w i r d seit langem aus dem Erforderlichkeitsprinzip die Befugnis des Polizeipflichtigen abgeleitet, zur Bekämpfung einer Gefahr ein anderes als das i n der Polizeiverfügung vorgeschriebene M i t t e l einzusetzen, sofern i h n der E i n satz dieses Austauschmittels weniger belastet und es gleich w i r k s a m i s t 1 5 6 . Dabei ist anerkannt, daß die Frage, welches Austauschmittel den Polizeipflichtigen am wenigsten belastet, aus dessen Werthorizont heraus zu beurteilen ist. Der Polizeipflichtige kann daher auch das objektiv stärker belastende M i t t e l zum Austausch anbieten, wenn er sich subjektiv dadurch weniger stark betroffen f ü h l t 1 5 7 . Wie schon Lerche hervorgehoben hat, ist die Befugnis zum Einsatz eines gleichtauglichen Austauschmittels beute Bestandteil des Verfassungsrechts 158 . M a n muß daher davon ausgehen, daß dies auch für die seit langem anerkannte Subjektivierung des Belastungsmaßstabs gilt, zumal kein Grund ersichtlich ist, weshalb dieser Gedanke nicht auch auf andere Bereiche übertragbar sein soll. Wäre freilich A r t . 19 Abs. 2 GG der Standort des i n dieser Weise konkretisierten Übermaßverbotes, so besäße der Einzelne damit die Befugnis, den Wesensgehalt der Grundrechte nach seinem Belieben zu bestimmen. Wie schon ausgeführt, kann dies jedoch nicht der (1967) S. 63, 91; Luhmann AöR 93 (1968) S. 155; vgl. auch Erichsen (Kap. I I Anm. 146) S. 1724 m. w. N. 153 BGHSt 4/375; (377) 4/385 (392); BGH DÖV 1955/729ff. (730f.); weitere Nachweise bei Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht (1961) S. 34 Anm. 21. 154 v g l . dazu Lerche (oben A n m . 153) S. 35 f f ; Bleckmann (Kap. I Anm. 1) S. 265 f. m. w. N. 155
Walter Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung (1913) S. 294 ff.; Lerche (oben Anm. 153) S. 24. 156 § 41 Abs. 2 S. 3 Pr.PVG. Z u r Einordnung dieser Regel i n das Erforderlichkeitsprinzip vgl. Lerche (oben Anm. 153) S. 194. 157 Franzen, Lehrkommentar zum Polizei Verwaltungsgesetz Bd. I I (1934) S. 135; vgl. ferner OVG Münster D Ö V 1962/617; OVG Lüneburg VerwRspr 15/841; Ule/Rasch, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht (1965) §41 Pr.PVG Rdnr. 17 (auf S. 183); Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr Bd. 1 (8. Aufl. 1975) S. 195. iss Lerche (oben Anm. 153) S. 194 f.
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
F a l l sein, wenn noch nicht einmal der demokratische Gesetzgeber diese Befugnis besitzt. Das Ubermaßverbot muß folglich i n anderen Teilen des Grundgesetzes angesiedelt sein 1 5 9 . Dies muß an dieser Stelle klargestellt werden, w e i l die Befugnis zum Angebot eines gleichtauglichen Austauschmittels die Grundlage einer eigenen Einwilligungsform bildet, auf die noch genauer eingegangen werden w i r d 1 6 0 .
cc) Die Schranke des Sittengesetzes Eine weitere Schranke der Einwilligungsfreiheit bildet gem. A r t . 2 Abs. 1 G G das „Sittengesetz" 1 6 1 . Dies ist der Ort, an dem sich entscheidet, ob eine E i n w i l l i g u n g als „würdelos" u n d damit von Verfassung wegen als u n w i r k s a m anzusehen i s t 1 6 2 . Wie erwähnt, besteht vielfach die Neigung, hier A r t . 1 Abs. 1 GG als Zulässigkeitssperre zu bemühen 1 6 3 . Dieser Ansatz versucht durch die Bestimmung des Inhalts einer Freiheitsverbürgung zu erreichen, was nicht Inhalt, sondern Einschränk u n g individueller Freiheit ist: die Berücksichtigung kommunikativer Interessen D r i t t e r 1 6 4 . Eine solche Seitenvertauschung erschwert u n d v e r u n k l a r t die Diskussion. Es w i r d nicht Z w a n g genannt, was Zwang ist, u n d es verschwinden die Momente des formlos fließenden Wandels u n d der Konturenarmut moralischer Bewertungen; denn diese werden i n Tatbestandsmerkmale der A r t . 1 Abs. 1 GG hineingeschmuggelt, die die H e r k u n f t solcher Urteile nicht mehr erkennen lassen. Da das „Sittengesetz" eine Schranke der allgemeinen Einwilligungsfreiheit bildet, ist andererseits aber auch die im Strafrecht nahezu einhellig vertretene These abzulehnen, eine E i n w i l l i g u n g des Verletzten sei trotz Sittenwidrigkeit w i r k s a m 1 6 5 . Diese These beruht darauf, daß Strafrechtslehre u n d -rechtsprechung den Einfluß der Sittenwidrigkeit auf die Zulässigkeit einer E i n w i l l i g u n g einseitig anhand des § 226 a StGB beurteilen. § 226 a StGB erklärt die E i n w i l l i g u n g i n eine Körperverletzung für unwirksam, wenn „die Tat", also die rechtsgutsverletzende Handlung, gegen die guten Sitten verstößt. Diese Regelung ist für die Strafrechtslehre Anlaß für zwei Einschränkungen. E i n m a l w i r d der Geltungsbereich dieser N o r m entgegen früheren Ausdehnungsversu159 Vgl. dazu Grabitz AöR 98 (1973) S. 568 ff. (584). i·® s. dazu unten, Kap. I I I 3. lel Z u m Anwendungsbereich s. oben, Kap. I I 2 a bb bei Anm. 50. 162 s. dazu schon oben, Kap. I I c aa bei Anm. 124. Nachweise oben, Kap. I I 2 c aa i n Anm. 108. 164 s. oben, Kap. I I 2 c aa bei A n m . 114 und 115. i « Β er z y GA 1969/145 ff.; Zipf (Kap. I I A n m . 42) S. 35 ff.; Geppert (Kap. I I Anm. 42) S. 955 ff.; Jescheck (Kap. I Anm. 14) S. 304; Samson SK Rdnr. 45 vor §32 StGB; Stratenwerth (Kap. I Anm. 15) S. 127; Schönke / Schröder / Lenckner Rdnr. 37 vor §§32 ff. StGB m. w. N.; abw. noch heute Baumann, Strafrecht A (8. Aufl. 1977) S. 337/338 sowie früher Maurach, Strafrecht A T (4. Aufl. 1971) S. 345 f.; Welzel, Strafrecht (11. Aufl. 1969) S. 97,
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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chen heute strikt auf Körperverletzungen begrenzt. Das ist sicher richtig, berührt aber nicht den Anwendungsbereich des Verfassungsrechts. Zum anderen w i r d daraus, daß § 226 a StGB nur bei Sittenwidrigkeit der Handlung des Verletzenden eingreift, i m Umkehrschluß gefolgert, daß eine Einwilligung wirksam bleibt, wenn allein die Erklärung des Verletzten sittenwidrig ist 1 6 6 . Bei diesem Schluß w i r d die Schranke des Sittengesetzes in Art. 2 Abs. 1 GG schlicht übergangen 167 . Wahrscheinlich hängt das damit zusammen, daß die hier erörterte Zulässigkeitsschranke nicht in das Konzept einer Wissenschaft paßt, die seit den 60er Jahren gerade unter Berufung auf das Verfassungsrecht bestrebt ist, das Strafrecht von einer moralisierenden Betrachtungsweise zu befreien 1 6 8 . Aber so bedenklich es auch erscheint, einen höchst ungewissen Bestand an gemeinsamen Moralvorstellungen ausgerechnet mit den Mitteln des Strafrechts durchzusetzen — die hiergegen geltend gemachten Bedenken gewinnen juristisch schwerlich an Überzeugungskraft, wenn man eine entgegenstehende Verfassungsnorm einfach ignoriert. Man muß sich dieser Norm schon stellen und kann lediglich versuchen, den rechtlich begründbaren Kern der Einwände gegen ihre A n wendung i n eine einschränkende Auslegung einzubringen. I n dieser Hinsicht ist darauf hinzuweisen, daß eine wegen Sittenwidrigkeit unwirksame Einwilligung deshalb noch nicht notwendig strafrechtlich unbeachtlich sein muß. Kriminelles Unrecht ist nach heute herrschender Auffassung gesteigertes, „strafwürdiges" Unrecht 1 6 9 . Daraus folgt, daß eine Einwilligung, die die Rechtswidrigkeit einer Tat nicht beseitigt, deshalb immer noch die Wirkung haben kann, dieser Tat das besondere Stigma der Strafwürdigkeit zu nehmen 1 7 0 . Dies w i r d man bei einer wegen Sittenwidrigkeit unwirksamen Einwilligung annehmen müssen, denn insoweit gibt § 226 a StGB einen Fingerzeig. Diese Vorschrift zeigt, daß dem Gesetzgeber eine trotz Einwilligung sittenwidrige Tat nur dann als strafwürdig erscheint, wenn sie eine Körperverletzung zum Gegenstand hat 1 7 1 . Andere Taten, die trotz Einwilligung sittenwidrig 166 Z u r Frage der Trennbarkeit beider Urteile vgl. Schönke / Schröder / Eser § 226 a StGB Rdnr. 8 ff. 167 Das überrascht vor allem bei Autoren, die w i e hier die allgemeine Einwilligungsfreiheit i n A r t . 2 Abs. 1 GG lokalisieren. Vgl. etwa Geppert (Kap. I I A n m . 42) S. 955 ff.; Zipf (Kap. I I Anm. 42) S. 35 ff. les Vgl. dazu Amelung (Kap. I I A n m . 112) S. 300 ff., 308 ff.; Hassemer, Theorie u n d Soziologie des Verbrechens (1973).
16» Günther JuS 1978/8 ff. (12 ff.) m. w. N. Z u dieser W i r k u n g spezifisch strafrechtlicher „Strafunrechtsausschließungsgründe" vgl. die demnächst erscheinende Trierer Habilitationsschrift von Günther, Strafrechtswidrigkeit u n d Strafunrechtsausschluß. Den Strafwürdigkeitsgedanken bei § 226 a StGB betont auch BGHSt 4/24 ff. (32). 170
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
sind, etwa Eigentumsverletzungen, hält er also nicht für strafwürdig und erst recht muß dies gelten, wenn nicht die Tat, sondern nur die Erklärung des Opfers gegen das Sittengesetz verstößt. I m Ergebnis ist also festzuhalten, daß eine sittenwidrige Einwilligung zwar grundsätzlich unwirksam ist, aber dieser Umstand allein noch nicht die Strafbarkeit desjenigen begründet, der aufgrund einer solchen Erklärung ein Strafgesetz verletzt. dd) Die Schranke der Rechte anderer Die letzte allgemeine grundrechtsdogmatische Schranke, die A r t . 2 Abs. 1 GG der Einwilligungsfreiheit zieht, ist die Schranke der „Rechte anderer" 172. Sie besagt zunächst, daß der Einwilligende allein zur Verfügung über das beeinträchtigte Rechtsgut befugt sein muß, wenn die Einwilligung wirksam sein soll. Für die herrschende Auffassung ist dies allerdings bei Beeinträchtigungen des Post- und Fernmeldegeheimnisses i. S. d. A r t . 10 GG keineswegs selbstverständlich. Hier stellt sich insbesondere i m Rahmen der staatlichen Überwachung des Fernmeldeverkehrs die Frage, ob die Einwilligung eines einzelnen Gesprächsteilnehmers zur Legitimation gesetzlich nicht vorgesehener Kontrollmaßnahmen ausreicht. Praktisch bedeutsam ist dies ζ. B. beim Anbringen einer sog. „Fangschaltung" zur Aufklärung einer Straftat, die mit Hilfe des Telefons begangen wird; denn hier ist eine Einwilligung der anderen Seite naturgemäß nicht zu erlangen 173 . Die herrschende Lehre nimmt in solchen Fällen an, daß die Einwilligung des einen der beiden Gesprächspartner ausreicht 174 . Zur Begründung w i r d angeführt, der Fernsprechteilnehmer habe gegen seinen Partner keinen Anspruch auf Geheimhaltung; dieser könne D r i t ten über das Gespräch berichten oder sie mithören lassen. Eine solche Argumentation krankt aber an einer rein zivilrechtlichen Betrachtungsweise, die das Grundrecht des nicht einwilligenden Gesprächspartners vernachlässigt 175 . Es mag dahinstehen, ob die Partner eines Telefongesprächs untereinander Ansprüche auf Geheimhaltung gegenüber beliebigen Dritten haben. Fest steht jedenfalls, daß Art. 10 GG dem nicht einwilligenden Gesprächsteilnehmer einen Anspruch gegen den Staat einräumt, Abhörmaßnahmen zu unterlassen. Die Vorstellung, daß 172
Z u m Anwendungsbereich s. oben, Kap. I I 2 a bb A n m . 50. ™ Vgl. dazu O L G Köln N J W 1970/1856; Bay Ob LG J Z 1974/393; Amelung/ Pauli M D R 1980/801 ff. (802). ™ BayObLG JZ 1974/393; V G Bremen N J W 1978/66 ff. (67); OVG Bremen N J W 1980/606 ff. (607); Rochu J W 1932/2685 ff. (2687); Aubert, Fernmelderecht (2. A u f l . 1962) S. 69 f.; Ohnheiser t Postrecht (3. Aufl. 1980) S. 673; weitere Nachweise bei Amelung / Pauli (oben Anm. 1731) S. 801 A n m . 2, Π5 Amelung / Pauli (oben A n m . 173) S. 803,
2. Zulässigkeit und Grundrechtsdogmatik
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ein anderer diesen Anspruch soll zunichte machen können, erscheint nahezu als abwegig 1 7 6 . Ungeklärt ist die Bedeutung der Rechte anderer auch bei der Einwilligung i n staatliche Beeinträchtigungen der räumlichen Privatsphäre i. S. d. A r t . 13 GG. Dabei ist die Frage hier praktisch besonders wichtig, bewohnt doch der größte Teil der Bevölkerung seine Wohnung nicht allein. Strafrechtslehre und -rechtsprechung gehen bei der Auslegung des § 123 StGB davon aus, daß der einzelne Bewohner Dritten den Z u t r i t t zur Wohnung grundsätzlich ohne Zustimmung des Mitbewohners gestatten darf. Lediglich Besucher, die dem Mitinhaber der Wohnung nicht zuzumuten sind, kann ein einzelner Bewohner nicht rechtswirksam einlassen 177 . Diese Einschränkung der freien Einlaßbefugnis ist vorzugsweise gegen Ehestörer entwickelt worden. Dem Mitbewohner unzumutbar ist aber sicher auch ein Polizist, der gegen diesen vorgehen w i l l . Deshalb engt der erwähnte Grundsatz den Anwendungsbereich der Einwilligung i n staatliche Beeinträchtigungen der räumlichen Privatsphäre ganz erheblich ein. Das OLG Stuttgart hat diese Konsequenz freilich nicht gezogen 178 . I n einem von ihm entschiedenen Fall ging es darum, daß ein Ehemann seine Frau nach einem Streit nicht mehr i n die gemeinsame Wohnung ließ, so daß diese bei der Polizei Hilfe suchte, indem sie den Polizisten wahrheitswidrig vortrug, ihr Mann mißhandele i n der Wohnung das gemeinsame Kind. Darauf drangen die Polizisten zur Nachtzeit in die Wohnung ein, obgleich die i n § 25 Abs. 1 BW PolG für ein Eindringen zur Nachtzeit geforderte Lebensgefahr objektiv nicht bestand. Das Gericht erklärte das Vorgehen der Polizisten gleichwohl für rechtmäßig und berief sich dabei auf die Einwilligung der ausgesperrten Ehefrau als Mitinhaberin des Hausrechts. Die Zumutbarkeitsfrage wurde dabei gar nicht aufgeworfen, obgleich § 25 Abs. 1 B W PolG geradezu ein Musterbeispiel für eine gesetzliche Festlegung unzumutbarer Hausrechtsbeeinträchtigungen darstellt. Allerdings muß man sich fragen, ob die heute i m Strafrecht übliche Konstruktion einer selbständigen Einlaßbefugnis und deren Einschränkungen einfach auf A r t . 13 GG übertragen werden könen. Es mag zwar richtig sein, daß derjenige, der beim Betreten einer Wohnung nur die Erlaubnis eines einzelnen Mitbewohners besitzt, grundsätzlich nicht 176 w i e hier Niggl, Postverkehrsgesetze des Deutschen Reiches (3. Aufl. 1928) S. 49 A n m . 3; Βettermann / Loh B B 1968/892 ff. (895); Samson SK §354 StGB Rdnr. 30; Schönke / Schröder / Lenckner §354 StGB Rdnr. 11 a; vgl. auch Amelung / Pauli (oben A n m . 173). 177 OLG Hamm N J W 1955/761; N J W 1965/2068; Schönke / Schröder / Lenckner § 123 StGB Rdnr. 18 m. w. N. 178 QLG Stuttgart, Die Justiz 1972/15Ç ff.
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
i. S. d. § 123 StGB i n diese Wohnung „eindringt". Dafür spricht der Wortlaut der Strafnorm und die üblicherweise fehlende Strafwürdigkeit einer solchen Handlung 1 7 9 . Aber aus dem Fehlen der Strafwürdigkeit als Fehlen gesteigerten Unrechts kann man nicht ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit, insbesondere nicht auf die Verfassungsmäßigkeit einer Handlung schließen 180 . Vielmehr w i r d man auch i m Bereich des A r t . 13 GG davon ausgehen müssen, daß dieses Grundrecht jedem Mitbewohner einen Unterlassungsanspruch gegen den Staat gewährt, über den andere nicht verfügen können, es sei denn, sie sind ausdrücklich oder stillschweigend dazu ermächtigt 1 8 1 . Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen über die Ausübung subjektiver Rechte und schafft klarere Verhältnisse als die vage Zumutbarkeitsklausel, die beliebigen Richterideologien gefällig ist, wie die unterschiedliche Behandlung von unerwünschten Ehestörern und unerwünschten Polizisten durch die Strafgerichte zeigt. Als Grenze der Einwilligungsbefugnis ist die Schranke der Rechte anderer ferner beim Schutz der Äußerungsfreiheit in staatlichen Verfahren von Bedeutung. Beispielsfälle bilden die bereits erwähnte Unverfügbarkeit des Wahlgeheimnisses und die in § 136 a Abs. 3 S. 1 StPO vorgesehene Unbeachtlichkeit einer Einwilligung i n die Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden. Wie schon angedeutet ist die Einwilligung i n eine Aufhebung des Wahlgeheimnisses u. a. deshalb unwirksam, weil sie Rückschlüsse auf die Meinung derer zulassen würde, die staatlichen Stellen eine solche Erklärung verweigern 1 8 2 . Ebenso würde die Erklärung eines Beschuldigten, zum Beweise seiner Unschuld unterwerfe er sich einer verbotenen Vernehmungsmethode, den Verdacht nähren, daß diejenigen, die eine solche E i n w i l ligung versagen, etwas zu verbergen haben 1 8 3 . Die Rechte anderer werden also hier dadurch berührt, daß die Ausübung des Grundrechts bei denen, die die Einwilligung nicht erteilen, ungewollt als Äußerung erscheint und insoweit die volle Freiheit, sich einer Äußerung zu enthalten, nicht mehr gegeben ist. Leitet man hieraus eine absolute Begrenzung der Einwilligungsfreiheit ab, wie dies die herrschende Lehre tut, so kann der Beschuldigte 179 Es ist allerdings sehr zweifelhaft, ob dies auch dann gilt, wenn — w i e i m Falle des OLG Stuttgart — der dem E i n t r i t t widersprechende Hausberechtigte i n der Wohnung ist, der dem E i n t r i t t zustimmende Mitberechtigte aber nicht. Die Zustimmung kann i n einem solchen F a l l w o h l k a u m als t a t bestandsausschließendes Einverständnis angesehen werden, sondern allenfalls als rechtfertigende Einwilligung. ι 8 0 s. dazu schon oben, Kap. I I 2 c cc bei A n m . 169. lei Ebenso V G Berlin D Ö V 1972/103 ff. (104). 182 s. oben, Kap. I I 2 b bb bei A n m . 77 u n d 78. 183 Vgl. dazu Würtenberger J Z 1951/772 ff.; Kohlhaas, Baumann G A 1959/33 ff.; Peters (Kap. I I A n m . 131) S. 676.
JR 1953/450 ff.;
3. Verfassungsprinzipien als Zuiässigkeitskriterien
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hierfür i m Strafprozeß allerdings einen sehr hohen Preis zu zahlen haben. Wie Schwabe hervorgehoben hat, sind Konstellationen denkbar, i n denen alles gegen den Beschuldigten spricht, so daß ihm praktisch nur der Weg bleibt, seine Unschuld durch eine Einwilligung i n die Anwendung eines sog. Polygraphen (Lügendetektors) zu beweisen 184 . Geht man davon aus, daß der Polygraph diese Beweiskraft hat 1 8 5 , so kollidiert i n solchen Fällen das grundrechtlich geschützte Interesse des Beschuldigten an der Vermeidung unverdienter Strafe mit dem Schutz Dritter vor der nachteilsbewehrten Zumutung, sich einem Instrument zu unterwerfen, das ihre Äußerungsfreiheit unterläuft. I n derartigen Extremfällen fragt es sich, ob wirklich beide Interessen optimal berücksichtigt und zu „praktischer Konkordanz" gebracht werden, wenn man die Anwendung des Lügendetektors absolut verbietet. Immerhin entsteht die Beeinträchtigung der Äußerungsfreiheit Dritter i n solchen Fällen erst daraus, daß die Strafverfolgungsorgane anderen Beschuldigten die Anwendung dieses Instruments anbieten und aus der Ablehnung nachteilige Schlüsse ziehen. Das eröffnet die Möglichkeit, die Interessen Dritter nicht einfach durch ein Verbot, sondern durch eine Steuerung des Verhaltens der Ermittlungsorgane zu schützen. So wäre es denkbar, den Lügendetektor i m Extremfall zuzulassen, aber den Strafverfolgungsbehörden zu untersagen, jeweils von sich aus die Anwendung dieses Instruments vorzuschlagen oder gar aus der Reaktion auf die Erwähnung dieser Möglichkeit verwertbare Schlüsse zu ziehen. Ob dieser Weg praktisch wirklich gangbar ist, bedürfte genauerer Untersuchung.
3. Verfassungsprinzipien als Zuiässigkeitskriterien a) Allgemeines Bislang wurde die Zulässigkeit einer Einwilligung i n die Beeinträchtigung von Grundrechtsgütern nur an positiv-rechtlichen Anhaltspunkten geprüft, die sich aus dem Grundrechtskatalog ergaben. Zur „verfassungsmäßigen Ordnung" als Schranke der allgemeinen E i n w i l l i gungsfreiheit i. S. d. A r t . 2 Abs. 1 GG gehören aber auch die objektiven Bindungen des Staatshandelns, wie sie vor allem i n A r t . 20 GG niedergelegt sind. Wer i n eine Grundrechtsgutsbeeinträchtigung durch den Staat einwilligt, steht daher nicht einer mit Privatautonomie ausgestatteten Person gegenüber, sondern einem Rechtssubjekt, das bei allem Tun die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und des Sozialstaates sowie die Kompetenzverteilung eines bundesstaatlich gegliederten Gemeinwesens zu beachten hat. Diese Prinzipien liegen 184 Schwabe (Kap. I I A n m . 131). iss Nachweise zum Streitstand bei Kühne, Strafprozeßlehre (1978) S. 298.
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Kap. I I Die
l i g k e i t der Einwilligung
grundsätzlich nicht i m Verfügungsbereich des Einzelnen und setzen damit der Wirksamkeit einer Einwilligung i n staatliche Rechtsgutsbeeinträchtigungen Grenzen, die bei der Einwilligung i n privates Handeln keine Entsprechung haben. Erkennbar wurde dies bereits beim W i l l k ü r verbot 1 8 6 , bei den in A r t . 101 ff. GG niedergelegten Verfahrensgrundsätzen 187 und bei der Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG 1 8 8 , die alle als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips begriffen werden können. Doch gilt etwa für das Prinzip der Gewaltenteilung oder die bundesstaatliche Kompetenzordnung nichts anderes. Vor unzulässigen Verallgemeinerungen muß man sich freilich auch hier hüten. I n einzelnen Fällen kann sich durchaus ergeben, daß eine spezielle Ausformung eines der genannten Prinzipien ausschließlich dem Bürger zugute kommen soll und daher einer sonst wirksamen E i n w i l l i gung nicht entgegensteht. Dies gilt vor allem von einzelnen Konkretisierungen des Rechtsstaatsprinzips, das geschichtlich gesehen ja kaum etwas anderes darstellt als die Umsetzung des neuzeitlichen Individualismus in die Gestaltung des Staates. Deshalb gilt etwa die Respektierung von grundrechtlich gesicherten Freiheitsräumen mit Recht als wesentlicher Bestandteil eines Rechtsstaates. Wie gezeigt, kann man daraus aber noch nicht die generelle Unwirksamkeit einer Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes ableiten 1 8 9 . I n anderen Fällen kann die Einwilligung zumindest zu einer Modifizierung eines Verfassungsprinzips führen. Dies ist beim Obermaßverbot der Fall. Die Prinzipien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit stehen sicher nicht zur Disposition des Bürgers. Es ist nicht vorstellbar, daß seine Einwilligung Organe des Staates zur Vornahme von Handlungen ermächtigen kann, die „ungeeignet" oder „nicht erforderlich" sind oder „mehr schaden als nützen". Aber bei der Beantwortung der Frage, wie hoch die Nachteile zu bewerten sind, die eine staatliche Maßnahme verursacht, und ob sie die Interessen des Bürgers eher schont als eine andere Handlung, kann die Selbsteinschätzung der Schadensfolgen durch den Betroffenen nicht außer acht gelassen werden. Wie bereits erwähnt ist dies i n der Befugnis des Polizeipflichtigen zum Angebot eines gleichtauglichen Austauschmittels auch seit altersher anerkannt 1 9 0 . Weniger beachtet wird, daß es eine eigenständige Form der Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes gibt, die auf dieser Erwägung beruht. Vor allem i m Recht der Strafsanktionen 186 187 188 i8® ι90
s. oben, Kap. I I 2 b ee. s. oben, Kap. I I 2 b dd sowie Kap. I I 2 b aa bei A n m . 63. s. oben, Kap. I I 2 c bb. s. oben, Kap. I I 1 b u n d 2 b. s. oben, Kap. I I c bb bei Anm. 157.
3. Verfassungsprinzipien als Zuässigkeitskriterien
63
mehren sich Regelungen, die vorsehen, daß vom Vollzug der Strafe ganz oder teilweise Abstand genommen wird, wenn der Betroffene in eine therapeutische Maßnahme einwilligt, die den Zielen der Spezialprävention entspricht 1 9 1 . Von diesem Institut w i r d unter dem Titel der „eingriffsmildernden" Einwilligung noch ausführlicher die Rede sein 1 9 2 . Damit sind die allgemeinen Gesichtspunkte aufgezählt, nach denen die Bedeutung objektiver Bindungen des Staatshandelns für die W i r k samkeit einer Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes zu beurteilen ist. Zwei Verfassungsprinzipien bedürfen insoweit aber noch einer genaueren Betrachtung, weil sie häufiger als Grundlage von Zulässigkeitsbeschränkungen genannt werden. Es sind dies das Gesetzmäßigkeitsprinzip, in dem sich demokratische und rechtsstaatliche Postulate niederschlagen (b) und das Sozialstaatsprinzip (c). b) Zulässigkeit
und Gesetzmäßigkeitsprinzip
aa) Einwilligung und Vorbehalt des Gesetzes „Eingriffe" i n Grundrechte bedürfen der gesetzlichen Grundlage. Dieser Grundsatz ist i n zahlreichen Grundrechten niedergelegt und w i r d als „Allgemeinvorbehalt" nach überlieferter Vorstellung i n Art. 20 Abs. 3 GG vorausgesetzt 193 . Aus i h m folgt zunächst, daß Zulässigkeitsbeschränkungen, die über die verfassungsunmittelbaren Wirksamkeitsgrenzen der Einwilligung hinausgehen, einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Denn wie gezeigt, ist die Einwilligungsfreiheit grundrechtlich gesichert 194 . Das Zitiergebot des A r t . 19 Abs. 1 S. 2 GG braucht allerdings nur beachtet zu werden, wo spezialgrundrechtlich gesicherte Einwilligungsfreiheit beschränkt wird. Einschränkungen der allgemeinen Einwilligungsfreiheit unterliegen dem Zitiergebot nicht, da es die allgemeine Handlungsfreiheit nach herrschender Meinung nicht erfaßt 1 9 5 . Fraglich und umstritten ist, ob der Vorbehalt des Gesetzes auch für Grundrechtsgutsbeeinträchtigungen gilt, die sich auf eine Einwilligung des Grundrechtsträgers stützen. Wäre dies der Fall, so wäre die Einwilligung i n die staatliche Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes nur wirksam, wenn ein Gesetz sie ausdrücklich erwähnt. Ein beträchtlicher Teil der Literatur, insbesondere zu § 340 StGB und zum subordinations191
Vgl. §§ 56 c Abs. 3/183 Abs. 2 StGB (Anhang V A). 192 s. unten, Kap. I I I 3.
ι»» Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 81 f., 207; Erichsen (Kap. I A n m . 1) S. 21 f. m. w. N. 104 s. oben, Kap. I I 2 a aa. 195 BVerfG 10/89 ff. (99); Bethge, DVB1. 1972/305 f. (367 ff.) m. w. N.
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Kap. I I Die
l i g k e i t der E i n w i l l i g u n g
r e c h t l i c h e n V e r w a l t u n g s v e r t r a g , n i m m t dies a n 1 9 6 . D i e Rechtsprechung h e g t h i n g e g e n k e i n e B e d e n k e n , eine gesetzlich n i c h t vorgesehene G r u n d rechtsgutsbeeinträchtigung
ausschließlich d u r c h d i e E i n w i l l i g u n g
des
B e t r o f f e n e n z u r e c h t f e r t i g e n 1 9 7 . Z u g e s p i t z t l a u t e t also d i e Frage, ob es eine „ g e s e t z e s v e r t r e t e n d e " E i n w i l l i g u n g g i b t , d i e das f e h l e n d e E i n g r i f f s gesetz ersetzen k a n n . O r i e n t i e r t m a n sich a n d e r Entstehungsgeschichte des klassischen G e setzesvorbehaltes f ü r „ E i n g r i f f e i n F r e i h e i t u n d E i g e n t u m " , so ü b e r rascht es zunächst, daß sich ausgerechnet aus diesem B e r e i c h S c h r a n k e n f ü r d i e Z u l ä s s i g k e i t e i n e r E i n w i l l i g u n g ergeben sollen. S o w o h l das S t e u e r b e w i l l i g u n g s r e c h t d e r Stände, verfassungsgeschichtlich e i n V o r l ä u f e r des Gesetzesvorbehalts, als auch d i e theoretische B e g r ü n d u n g dieses V o r b e h a l t s d u r c h John Locke b e r u h e n a u f d e m G e d a n k e n , daß R e c h t s b e e i n t r ä c h t i g u n g e n der G e w a l t u n t e r w o r f e n e n n u r m i t d e r e n Z u s t i m m u n g s t a t t h a f t sein s o l l e n 1 9 8 . Diese Z u s t i m m u n g w i r d i n der 196 Speziell zur Einwilligung vgl. Wagner (Kap. I A n m . 1) S. 350, 365; Lackner §340 StGB A n m . 3; w o h l auch Schönke / Schröder / Cramer §340 StGB Rdnr. 5 ( „ n u r erheblich, soweit das öffentliche Recht sie anerkennt") ; Blei, Strafrecht B T (11. Aufl. 1978) S. 49, der freilich schon die Empfehlung einer Schutzimpfung als „besondere öffentlich-rechtliche Zulassung" ansieht (!?). Nachweise f ü r noch restriktivere Formulierungen i m Zusammenhang m i t der Auslegung des § 340 StGB unten, Kap. I I 3 b bb bei A n m . 235. Z u m subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrag vgl. etwa Stern, V e r w A r c h 49 (1958) 106 ff. (145); Willigmann DVB1 1963/229 ff. (232); Bosse, Der subordinationsrechtliche Verwaltungsvertrag als Handlungsform der öffentlichen V e r w a l t u n g (1974) S. 51 ff.; Schenke, JuS 1977/281 ff. (285); Erichsen / Martens, i n dies. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht (4. Aufl. 1979) S. 240 ff. m i t kritischer W ü r d i g u n g der jetzt durch § 56 V w V f G entstandenen Rechtslage. Irreführend ist es aber, w e n n Wagner (Kap. I A n m . 1) S. 364 die Lehre von der „Dispositionsermächtigung" einem überwiegend strafrechtsdogmatisch ausgerichteten P u b l i k u m ohne E r w ä h n u n g von Gegenstimmen, insbesondere aus der Rechtsprechung, als absolut herrschende Auffassung zum subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrag hinstellt. S. dazu die Nachweise i n der folgenden Anmerkung. W BGH(Z) N J W 1964/1177 (bezügl. A r t . 2 Abs. 2 S. 2 GG); Bay ObLG JZ 1964/393; BGH JZ 1965/66 ff. (68); V G Bremen N J W 1978/66 ff. (67); OVG Bremen N J W 1980/606 (607) (alle bezügl. A r t . 10 GG); OLG Stuttgart, Die J u stiz 1972/156 ff. (157); V G Berlin DÖV 1972/103 (104) (beide bezügl. A r t . 13 GG); vgl. auch BGH(Z) VersR 959/355 (bezügl. A r t . 2 Abs. 2 S. 1 GG — k ö r perliche Unversehrtheit); zu der angeblich entgegenstehenden Entscheidung BGHSt 12/62 ff. (69) s. oben, Kap. I I 2 b cc bei A n m . 96 u n d unten, Kap. I I 3 b aa bei A n m . 235. I n der L i t e r a t u r zur E i n w i l l i g u n g ebenso Horn S K § 340 StGB Rdnr. 7, w o h l auch Rudolphi SK Rdnr. 16 vor §§ 331 ff. StGB. Z u m subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrag vgl. etwa BVerwG 42/331 ff. (335); ferner Pieper DVB1. 1967/11 ff. (14); Bleckmann, V e r w A r c h 63 (1972) S. 404 ff. (431 f.); Göldner, JZ 976/352 ff. (355); weitere Nachweise bei Bosse (oben A n m . 196) S. 51 A n m . 31. Allgemein zum „Grundrechtsverzicht" w i e die zitierte Rechtsprechung Schwabe (Kap. I A n m . 1) S. 99; Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 534; w o h l auch Bleckmann (Kap. I A n m . 1) S. 284 ff. i 0 8 Z u m ständischen Steuerbewilligungsrecht vgl. Planitz / Eckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte (3. Aufl. 1971) S. 196, 275; Brunner, L a n d u n d H e r r -
3. Verfassungsprinzipien als Zuässigkeitskriterien
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Form des ständischen Steuerbewilligungsaktes bzw. des Gesetzes erteilt und daher ist die Beeinträchtigung von Untertanenrechten durch den Staat nur dann legitim, wenn er sich hierbei auf eine derartige Kollektivzustimmung stützen kann. Grundlage des Gesetzesvorbehalts ist nach dieser Vorstellung also eine originäre Befugnis der Individuen zur Einwilligung i n eine Beeinträchtigung ihrer Rechte 199 . Mehrheitsprinzip und Repräsentationsgedanke bewirken zwar schon bei Locke, daß Rechtsbeeinträchtigungen, die i n einem Parlamentsgesetz vorgesehen sind, nicht mehr i n jedem Fall vom aktuellen Konsens des betroffenen Bürgers getragen zu sein brauchen 200 . Aber seiner Grundstruktur nach beruht das Eingriffsgesetz auf einer Zusammenfassung von Einwilligungsakten. Denkt man die skizzierte Theorie des Gesetzesvorbehalts zu Ende, so gelangt man zu dem Ergebnis, daß die Einwilligung eines Einzelnen zur Rechtfertigung der Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter ausreichen muß, wenn es am kollektiven Zustimmungsakt des Gesetzes fehlt. Denn das, was die eigentliche Legitimationsgrundlage eines solchen Staatsaktes bildet, der Konsens des Betroffenen, ist hier nicht nur i n einer durch Mehrheitsentscheid vermittelten, sondern in seiner ursprünglichen und aktuellen Form vorhanden. Diese Vorstellung w i r k t auch noch i n der Begriffsbildung des geltenden Verfassungsrechts fort. Zum Begriff des „Eingriffs" i. S. der Lehre vom „Eingriffsvorbehalt" gehört es, daß der Wille des betroffenen Grundrechtsträgers überwunden oder zumindest übergangen wird. Ausdrücklich erwähnt w i r d dieses Begriffselement zwar fast nur noch i n der Lehre vom Grundrechtsverzicht 201 , aber es w i r d überall als selbstverständlich vorausgesetzt; das zeigt ζ. B. die Diskussion über die A n wendung des Eingriffsvorbehalts auf die Ausübung mittelbarer Zwänge durch den modernen Leistungs- und Lenkungsstaat 202 . Ist das Gesagte aber richtig, so schließt eine wirklich autonome Einwilligung des Grundrechtsträgers begrifflich das Vorliegen eines „Eingriffs" aus 2 0 3 . Eine schaft (6. Aufl. 1973) S. 291 ff.; zur Lehre Lockes vgl. John Locke, Z w e i A b handlungen über die Regierung (1698/90), 2. Abhandlung, §§ 134 ff. insbes. § 138 (hier zitiert nach der Suhrkamp-Ausgabe 1977); dazu Jesch, Gesetz u n d V e r w a l t u n g (2. Aufl. 1968) S. 117 ff. 199 Allerdings ist diese Befugnis i n ständischer Zeit höchst unterschiedlich verteilt u n d ζ. T. durch Nothilfepflichten gegenüber dem Landesherrn eingeschränkt. Vgl. Brunner (oben A n m . 198) S. 293 f. so» John Locke (oben A n m . 198) § 140. 201 s. dazu die unten A n m . 203 genannten Autoren. Vgl. ferner die Hinweise auf landesverfassungsrechtliche Normen bei Schwabe (Kap. I A n m . 1) S. 99. 202 Vgl. etwa Menger / Erichsen, V e r w Arch 61 (1970) S. 174 ff. (177); Renck (Kap. I Anm. 24) S. 79 ff.; Schenke, Gew.Arch. 1977/313 ff.; Bleckmann (Kap. I A n m . 11) S. 43 ff. m. w. N.; dazu unten, Kap. I I I 2 b bb. 203 Ebenso Schwabe (Kap. I A n m . 1) S. 99; Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 534; 5 Amelung
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staatliche Maßnahme, die durch eine Einwilligung gestattet wird, „beeinträchtigt" zwar gegebenenfalls ein Grundrechtsgut, „greift" aber nicht i. S. d. Eingriffsvorbehaltes i n das Grundrecht „ein". I n dieser Grenze des Eingriffsbegriffs kommt zum Ausdruck, daß demokratisch vermittelter Konsens als Legitimationsgrundlage einer Grundrechtsgutsverletzung ersetzbar ist, wenn der aktuelle Konsens des Betroffenen die Maßnahme trägt. Man würde die Probleme der Beziehungen zwischen Einwilligung und Eingriffsgesetz freilich unangemessen verkürzen, wenn man den Funktionswandel außer acht ließe, den der Vorbehalt des Gesetzes seit seiner Entstehung erfahren hat 2 0 4 . Bekanntlich wurde seine Geltung i n Deutschland lange Zeit auf „Eingriffe i n Freiheit und Eigentum" beschränkt, weil dies der spezifischen Verfassungslage entsprach, die hier bis 1918 bestand. Diese Lage war dadurch gekennzeichnet, daß es dem Bürgertum zwar gelungen war, die Errichtung von Parlamenten durchzusetzen, der staatliche Apparat aber i m übrigen i n der Hand des Monarchen verblieb. Deshalb lag es nahe, die eigentliche Aufgabe des bürgerlichen Parlaments darin zu sehen, die bürgerliche Gesellschaft vor den aus dem Absolutismus bekannten Übergriffen der monarchischen Staatsbürokratie zu schützen. Diese Beschränkung kann i n der parlamentarischen Demokratie nicht mehr aufrecht erhalten werden. I n dieser Staatsform gilt das Parlament nicht als bloßes Forum bürgerlicher Abwehrinteressen, sondern als politisches Führungsorgan 2 0 5 . Pas Gesetz kann folglich nicht auf die Funktion eines bürgerlichen Abwehrinstruments begrenzt werden, sondern ist zuallererst ein politisches Gestaltungsmittel 2 0 6 . Dem suchen heute verschiedene Formeln Rechnung zu tragen, die die politische Funktion des Gesetzesvorbehalts hervorheben. Die radikalste Folgerung aus dem Funktionswandel des Parlaments zieht die Lehre vom sog. „Totalvorbehalt" 207. Nach ihr ist jede Staatstätigkeit daran gebunden, daß das Parlament als demokratisch legitimiertes Führungsorgan sie durch Gesetz für zulässig erklärt. Aus dieser Auffassung ließe sich möglicherweise die Folgerung ableiten, daß dies auch für die durch eine Einwilligung zugelassene Handlung eines Staatsorgans zu gelten habe. Doch kann hier offen bleiben, ob das w i r k w o h l auch Bleckmann (Kap. I A n m . 1) S. 285/286; zuletzt Rohlf (Kap. I I A n m . 57) S. 222. 204 Dazu zuletzt Henke, AöR 101 (1976) S. 576 ff. (insbes. S. 591); Kisker, N J W 1977/1313 ff. (1314 f.); Krebs, Jura 1979/304 ff. (306 f.) m. w. N. 205 Jesch (Kap. I I A n m . 198) S. 173. 2oe stern, Staatsrecht Bd. 1 (1977) S. 650. 207 Jesch (Kap. I I A n m . 198) S. 205, 227; m i t anderer Begründung auch Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre (1965) S. 113 ff. (143).
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lieh eine zwingende Konsequenz der Lehre wäre. Denn die Theorie des „Tot al Vorbehalts" hat sich i m deutschen Verfassungsrecht nicht durchsetzen können 2 0 8 . Es ist auch mehr als zweifelhaft, ob sie die Fähigkeit des Gesetzgebers zur politischen Führung der anderen Staatsgewalten wirklich i n der erstrebten Weise stärken würde. Denn schon der heutige, enger gefaßte Aufgabenkatalog stellt Anforderungen an das Parlament, denen dieses nur m i t Mühe genügt. Eine größere Rolle spielt daher i n der Diskussion die Ausweitung des Gesetzesvorbehaltes auf die Sicherung politischer Gestaltungsbefugnisse des Parlaments. Aus ihr w i r d z. T. abgeleitet, daß der Einzelne damit die Befugnisse verloren habe, ohne Erlaubnis des Gesetzgebers über seine Grundrechtssphäre zu verfügen 2 0 9 . Denn i m demokratischen Staat diene der Gesetzes vorbehält nicht mehr dem Schutz subjektiver Rechte, sondern der Schaffung einer bestimmten Sozialordnung durch das Parlament. Zur Veränderung dieser Sozialordnung sei nicht der Einzelne, sondern nur das demokratisch legitimierte Führungsorgan des Staates befugt. Ein solcher Schluß wäre i m Bereich der Einwilligung jedoch weit überzogen. Wenn der Gesetzgeber i n der parlamentarischen Demokratie auch neue Funktionen hinzugewonnen hat, so hat er damit seine alte Aufgabe der Regulierung des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger nicht eingebüßt 210 . Die Ermächtigung der Staatsbürokratie zu mehr oder minder „klassischen" Grundrechtseingriffen und die Begrenzung dieser Befugnisse i m Interesse der Individuen ist daher nach wie vor Thema der Gesetzgebung. Die i n den 70er Jahren geführten Auseinandersetzungen um neue Straftatbestände und strafprozessuale Eingriffsermächtigungen, um die Reform des Polizeirechts und um den Datenschutz belegen dies in aller Deutlichkeit. Solchen Regelungen kann man nicht pauschal unterstellen, sie erstrebten die umfassende Ordnung eines Sozialbereichs, über die der Einzelne nicht verfügen kann. Daher läßt sich aus dem Zuwachs an parlamentarischen Gestaltungsbefugnissen die durchgängige Bindung der Einwilligung an eine gesetzliche Ermächtigung nicht ableiten. Ein dritter Versuch geht dahin, den Gesetzesvorbehalt von der engen Bindung an den Eingriffsbegriff zu lösen und ihn statt dessen auf alle Staatsakte zu beziehen, die „grundrechtsrelevant" erscheinen. Damit soll betont werden, daß jede Regelung, die einen grundrechtlichen Schutzbereich berührt, politisch so wichtig ist, daß sie der demokratischen Entscheidung bedarf, betreffe sie nun „klassische" Eingriffe oder 208 Stern (oben A n m . 206) S. 637 m. w. N.; abw. aber noch ders. (Kap. I I A n m . 196) S. 139/140 bei der Behandlung des öffentlich-rechtlichen Vertrages. 209 Schenke, JuS 1977/231 ff. (285 f.) i m H i n b l i c k auf den subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrag. 21 0 Vgl. dazu schon Kupp (oben A n m . 207) S. 136 f. 5*
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nicht 2 1 1 . Ziel dieser Ausweitung ist die Erfassung von Maßnahmen des Leistungsstaates und von sozialgestaltenden Akten, mit denen die Verwaltung die Möglichkeit der Ausübung grundrechtlicher Freiheiten beeinflußt 2 1 2 . Daraus ergeben sich aber auch die Grenzen der Fruchtbarkeit dieses Ansatzes für die Beantwortung der hier aufgeworfenen Frage. Die Ausweitung des Gesetzesvorbehalts auf alle grundrechtsrelevanten Staatsakte bezweckt, dem Gesetzgeber i m Verhältnis zur Verwaltung die grundrechtspolitische Führungsrolle zu sichern. I m Bereich der Einwilligung t r i t t aber mit dem einwilligenden Bürger ein Dritter hinzu, der behauptet, über die Vornahme „grundrechtsrelevanter" Akte entscheiden zu dürfen. Die hierbei zu beantwortende Frage lautet daher, ob nur das Parlament oder auch der Bürger dazu befugt ist, staatliche Exekutivorgane zu einer solchen Maßnahme zu ermächtigen. Diese Fragestellung spielt i n der skizzierten Lehre keine Rolle. Man würde deshalb i n die Fehler der Begriffsjurisprudenz verfallen, wenn man aus ihr die durchgängige Anwendung des Gesetzesvorbehaltes auf die E i n w i l l i gung folgern wollte. Eher könnte man umgekehrt sagen: wenn die Ausweitung des Gesetzesvorbehalts auf alle „grundrechtsrelevanten" Akte irgend etwas für die Einwilligung ergibt, so allenfalls eine A r t von Negativattest. Kernstück dieser Lehre ist, daß sie bereits die bloße Grundrechts,,berührung" mit der politischen Führungsrolle des Parlaments verknüpft. Die Verknüpfung überzeugt — zumal bei der „Wesentlichkeitstheorie" des Bundesverfassungsgerichts 213 — nur dann, wenn sie sich auf eine generelle Bereitschaft des Parlaments bezieht, insoweit auch tatsächlich führen zu wollen. Ein solches Interesse kann man bei vielen sozialpolitischen Fragen voraussetzen. Dagegen kann man sich kaum vorstellen, daß ein Parlamentarier bereit wäre, allein aus Gründen des Wohnungsschutzes darüber zu befinden, ob man einmal außer der Reihe den Bezirksschornsteinfegermeister zur Kontrolle des Kamins i n seine Wohnung bitten darf 2 1 4 . Das Gleiche gilt, wenn man fragt, wer wohl geneigt 211 So m i t unterschiedlicher Akzentuierung BVerfG 47/46 ff. (78 f.); 49/89 (126 ff.); Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 207 (im Rahmen der sog. „Wesentlichkeitstheorie"); Rupp, JuS 1975/609 ff. (616); Krebs, Vorbehalt des Gesetzes u n d Grundrechte (1975) S. 110 ff., 119 ff., 125; ders. (oben A n m . 204) S. 307 f. (als Theorie v o m „Grundrechtsvorbehalt"); vgl. auch Henke (oben A n m . 204) S. 581; Erichsen, Verw.Arch. 67 (1976) S. 93 ff. (98 f.) m i t Nachweisen aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. 212 Rupp, JuS 1975/609 ff. (616). 213 s. oben A n m . 211. 214 Ähnliche Beispiele bei Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 528, 537 (Bitte an die Feuerwehr, ein Wespennetz i m Dachgeschoß zu beseitigen); Schwabe (Kap. I A n m . 1) S. 99 ( E i n w i l l i g u n g eines Wehrpflichtigen i n eine nicht vorgeschriebene Behandlung durch einen Bundeswehrarzt) u n d Horn, SK § 340 StGB Rdnr. 7 (Einwilligung gegenüber einem Amtsarzt). Diese M i n i m a l f ä l l e der E i n w i l l i g u n g i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, f ü r die weder
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wäre, bis zum Erlaß eines entsprechenden Gesetzes dem Wohnungseigentümer eine solche Bitte zu versagen. Dies indiziert, daß hier keine Frage von solcher grundrechtspolitischen Relevanz vorliegt, die eine parlamentarische Befassung unabdingbar erscheinen läßt. Nach alledem bieten der Funktionswandel des Parlaments und die Ausweitungen des Gesetzesvorbehalts keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, daß die Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes heute nur zugelassen werden kann, wenn der Gesetzgeber den Grundrechtsträger ausdrücklich dazu ermächtigt 2 1 5 . Die Handhabung des Instituts durch die Rechtsprechung 216 begegnet insoweit keinen durchgreifenden Bedenken. Dies heißt nicht, daß die skizzierten Entwicklungen auf die Beurteilung der Einwilligung ohne Einfluß sind. Der Hinweis auf die sozialgestaltende Tätigkeit des modernen Parlaments schärft den Blick für öffentliche Ordnungsinteressen, die unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs des Gesetzes einer Einwilligung entgegenstehen können. Die Ausweitung des Gesetzesvorbehalts auf alle Akte von Grundrechtsrelevanz gewinnt dort Bedeutung, wo die Gefahr besteht, daß staatliche Exekutivorgane ihre Maßnahmen lediglich auf scheinbaren Konsens des Grundrechtsträgers stützen. Man denke an die problematischen Fälle der Unterstellung einer Eintrittserlaubnis durch Kriminalbeamte ohne Haussuchungsbefehl oder an die Einwilligung gefangener Personen 217 . I n solchen Fällen ist der Gesetzgeber verpflichtet, den Grundrechtsträger vor letztlich ungewollten Rechtsgutsbeeinträchtigungen zu schützen und seine eigene Führungsrolle bei der Entscheidung grundrechtspolitischer Probleme gegenüber der staatlichen Bürokratie zu behaupten. Allerdings wäre es verfehlt, den gesamten Bereich der Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes zu einer solchen „Grauzone" ungewissen Konsenses zu erklären, wie dies Wagner tut, u m daraus die durchgängige Geltung des Gesetzesvorbehaltes abzuleiten 218 . Insbesondere dort, wo die Initiative vom Grundrechtsträger ausgeht, ist Wagners These eine reine Unterstellung, auf die man rechtliche Folgerungen nicht gründen kann. Deshalb muß es bei der bescheideneren Forderung bleiben, Zonen wirklichen Mißbrauchs des Instituts der Einwilligung zu bereinigen. Selbst dieser begrenzten Ausweitung des Geeine Rechtsgrundlage besteht noch zu erwarten ist, werden von den V e r fechtern m a x i m a l e r Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt (oben A n m . 196) nicht hinreichend beachtet. 215 i m Ergebnis ebenso Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 534; Rohlf (Kap. I I Anm. 57) S. 222; Schwabe (Kap. I A n m . 1) S. 99 ff. m. w. N. auf S. 100. 216 s. dazu oben bei A n m . 196. 217 s. dazu oben, Kap. 1 1 bei A n m . 7 u n d unten, Kap. I I I 2 b dd. 218 Wagner (Kap. I A n m . 1) S. 361 ff. (363 f.).
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
setzesvorbehaltes sind die Parlamente bislang nur i n Ausnahmefällen gerecht geworden 2 1 9 . bb) Einwilligung und Vorrang des Gesetzes Der Vorrang des Gesetzes verlangt, daß die Organe der ausführenden und der rechtsprechenden Gewalt keine Maßnahmen ergreifen, die den Anforderungen eines Gesetzes widersprechen 220 . Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Einwilligung ergibt sich daraus das Problem, inwieweit ein Träger öffentlicher Gewalt von der Regelung eines Gesetzes abweichen darf, wenn der Betroffene sich damit einverstanden erklärt. I n gesetzlich durchnormierten Bereichen w i r f t also auch das Vorrangprinzip die Frage auf, ob eine Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes nur dann zugelassen werden kann, wenn das Gesetz dies vorsieht. Bei der Beantwortung der Frage kommt es darauf an, wann man von einem „Widerspruch" zum Gesetz auszugehen hat. Ist jede Abweichung vom Gesetzeswortlaut ein „Widerspruch" i. S. d. Vorrangprinzips, so kann i n der Tat in gesetzlich geregelten Bereichen die Einwilligung nur zugelassen werden, wenn sie ausdrücklich vorgesehen ist. Indessen dürfte kaum jemand i m Ernst bereit sein, diese Konsequenz zu ziehen. Das zeigt schon die strafrechtliche Behandlung einer Einwilligung, die einem Privaten gegenüber erklärt wird. Ein Straftatbestand wie § 223 StGB enthält eine Eingriffsnorm, die den Richter anweist, i m Falle der Tatbestandsverwirklichung Strafe zu verhängen 221 . Es war aber schon lange vor der Schaffung des § 226 a StGB unbestritten, daß diese Eingriffsnorm vom Richter nicht angewandt werden darf, wenn der Verletzte — etwa gegenüber einem Arzt — in die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit eingewilligt hat 2 2 2 . Zwar geht es i n solchen Fällen nicht u m eine Einwilligung, die gegenüber dem handelnden Staatsorgan abgegeben wird, doch ist dieser Unterschied i m vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Entscheidend ist, daß niemand einen Verstoß gegen das Vorrangprinzip rügt, wenn der Strafrichter ein Gesetz nicht anwendet, weil es dem Sinn der Norm entspricht, beim Vorliegen einer Einwilligung von ihrem Wortlaut abzuweichen. 219 Das wichtigste Beispiel bilden die gesetzlichen Regelungen über die E i n w i l l i g u n g i n die Verarbeitung personenbezogener Daten (Anhang II). Der Einwilligungscharakter der datenschutzrechtlichen Zustimmungserklärungen ist allerdings streitig. Vgl. dazu Simitis, i n Simitis / Damann / M a l l m a n n / Reh, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz (2. Aufl. 1979) § 3 Rdnr. 8 ff., 31 ff. 220 Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 81. 221 Z u r K o n s t r u k t i o n vgl. Amelung N J W 1977/833 ff. (834). 222 RGSt 25/375 ff. (381 f.) ; Frank, Das Strafgesetzbuch f ü r das Deutsche Reich (18. A u f l . 1931), A n m . I I I vor § 52 StGB, A n m . I I 3 vor § 223 StGB,
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Bei der Frage, ob das durch eine Einwilligung erlaubte Staatshandeln dem Gesetz widerspricht, gibt daher nicht der Wortlaut, sondern der Sinn des Gesetzes den Ausschlag 223 . Dem Sinn eines Gesetzes widerspricht es, wenn die Einwilligung öffentlichen Interessen zuwiderläuft, die hinter der Regelung stehen. Der Vorrang des Gesetzes ist die verfassungsrechtliche Grundlage dieses allgemeinen Prinzips der E i n w i l l i gungslehre 224 , das auch für die Einwilligung i n die Beeinträchtigung von Grundrechtsgütern g i l t 2 2 5 . I n der Literatur ist die Tendenz erkennbar, bei der Einwilligung i n staatliche Rechtsgutsbeeinträchtigungen die Bedeutung entgegenstehender öffentlicher Interessen höher zu veranschlagen als bei der E i n w i l l i gung i n vergleichbare Akte von Privaten 2 2 6 . Dies liegt i n der Tat nahe. Denn staatliches Handeln w i r d i. d. R. durch öffentlich-rechtliche Normen geregelt, und hinter ihnen sind eher öffentliche Interessen zu vermuten, denen eine Einwilligung zuwiderläuft, als hinter Normen, die die Beziehungen zwischen Privaten regeln. Hierfür gibt es vor allem drei Gründe. Einmal zeigt die Einschaltung des Staates durch öffentlich-rechtliche Normen vielfach an, daß der Gesetzgeber der Selbstregulierung eines Sachbereichs durch Private nicht mehr vertraut; seine Regelung ist dann Ausdruck von Ordnungsinteressen, die — wie schon erwähnt — durch eine einverständliche Abbedingung der öffentlich-rechtlichen Norm Schaden erleiden können 2 2 7 . Außerdem enthält die Ermächtigung eines Staatsorgans zum Handeln immer auch eine Verteilung von Staatsaufgaben, die nicht ohne weiteres zur Disposition des Einzelnen gestellt werden kann, weil sie nicht 223 Ob für den subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrag das Gleiche gilt, k a n n hier offen bleiben. Die früher vor allem von Stern (Kap. I I A n m . 196) S. 145/146 akzentuierte These, ein Subordinationsverhältnis verlange einen einseitigen Hoheitsakt, w e n n nicht das Gesetz ausdrücklich etwas anderes bestimme, ist durch § 54 S. 2 V w V f G überholt. Z u r heutigen Lage vgl. Meyer / Borgs § 54 V w V f G Rdnr. 50. 22 * Stratenwerth (Kap. I A n m . 15) Rdnr. 369/370. 225 Ebenso für den „Grundrechts(ausübungs)verzieht" allgemein Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 535 f., 539. 226 s. dazu vor allem die oben A n m . 196 und unten Anm. 235 Genannten. 22 7 Vgl. dazu Meyer, i n Meyer / Borgs § 54 V w V f G Rdnr. 52. E i n Beispiel i m Einwilligungsbereich bildet w o h l die — für die sog. „ K r i senintervention" wichtige — B i t t e u m Wiederaufnahme i n den Straf- u n d Maßregel Vollzug. Der Gesetzgeber hat sie i n §125 StrafVollzG (Anhang V C ) bei der Sozialtherapeutischen Anstalt ausdrücklich zugelassen, sie aber aus Kostengründen auf diesen F a l l begrenzt. Es ist allerdings nicht u n u m s t r i t ten, ob sich daraus w i r k l i c h ein absolutes Verbot der Wiederaufnahme i n andere Vollzugsformen ergibt. Vgl. dazu Müller-Dietz, Strafvollzugsrecht (1977) S. 120; Kaiser / Kerner / Schöch, Strafvollzug (2. A u f l . 1977) S.88ff.; Callies, Strafvollzugsrecht (1978) S. 172; vgl. auch Wagner (Kap. I A n m . 1) S. 361, 363, 365, der auf die Bedeutung des § 345 StGB für die Entscheidung dieser Frage verweist.
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seine Sphäre betrifft; dies beschränkt die Zulässigkeit der Einwilligung i n eine Kompetenzüberschreitung 228 . Schließlich dienen Beschränkungen staatlicher Eingriffsermächtigungen oft nicht nur dem Ziel, die Interessen der betroffenen Bürger zu schonen, sondern verfolgen zugleich auch den Zwedç, den Staat vor dem Vorwurf zu schützen, er taste die Sphäre seiner Bürger i n unangemessener Weise an 2 2 9 , öffentliche Interessen dieser A r t stehen ζ. B. hinter den Hegelungen über die körperliche Untersuchung einer Frau in § 81 d StPO und über die Vernehmung des Beschuldigten i n § 136 a Abs. 3 StPO 2 8 0 . Diese Einschränkungen der Einwilligungsfreiheit ähneln denjenigen, die auf der Ebene des Verfassungsrechts bei den A r t . 102 und 104 Abs. 4 GG aufgezeigt wurden 2 3 1 . Verfehlt wäre es jedoch, allein aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter einer Regelung zu schließen, daß eine Dispositionsbefugnis des B ü r gers nicht besteht. Bülow und Apelt haben schon vor Jahrzehnten gezeigt, daß es dispositives öffentliches Recht gibt 2 3 2 . Der Einzelne kann i n die Überschreitung der Grenzen einer Eingriffsermächtigung einwilligen, wo fest steht, daß derartige Einschränkungen ausschließlich in seinem Interesse aufgestellt worden sind. Ähnliches gilt für die Verschiebung von Kompetenzen. Es gibt Kompetenzen, die staatlichen Organen i m Interesse von Individuen eingeräumt werden 2 3 3 oder — wie die einfachgesetzlichen Richtervorbehalte — doch ganz auf den zwangsweisen Eingriff zugeschnitten sind und daher zumindest m i t der freiwilligen Hinnahme einer Grundrechtsgutsbeeinträchtigung ausgeschaltet werden können 2 3 4 . Zu prinzipiell ist auch die Zulässigkeitsschranke, die die herrschende Strafrechtslehre aus der Dogmatik der Amtsdelikte ableitet. Nach Mäurach schützt der Tatbestand eines Amtsdelikts mit Schutzwirkung für Einzelne wie der Tatbestand der Körperverletzung i m A m t (§ 340 StGB) neben dem Individualrechtsgut des Bürgers auch das Vertrauen i n die Reinheit der Amtsführung. Da dieses Vertrauen ein Rechtsgut der A l l gemeinheit ist, folgert Maurach, die Einwilligung habe i m Bereich derartiger Amtsdelikte keine rechtfertigende K r a f t 2 3 5 . N i m m t man hinzu, 228 Das betont v o r allem Kempf, JuS 1972/701 ff. (703) gegen die früher verbreitete „Einwilligungstheorie" der „besonderen Gewaltverhältnisse". 22 » Vgl. dazu auch Wagner (Kap. I A n m . 1) S. 362 ff. 23 Anhang V E. 231 s. oben, Kap. I I 2 b aa bei A n m . 63 und Kap. I I 2 b dd bei A n m . 98. 232 Bülow AcP 64 (1881) S. 1 ff. (9 f., 12 f.) ; Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag (1920) S. 11 ff.; vgl. ferner etwa Stern (Kap. I I A n m . 196) S. 137 ff.; Schlosser, E i n verständliches Parteihandeln i m Zivilprozeß (1968) S. 9; Timmermann, Der baurechtliche Nachbarschutz (1969) S. 53. 233 Knemeyer, D Ö V 1978/11 ff. (14 f.). 234 s. dazu oben, Kap. I I 2 b dd bei A n m . 103. 23 ^ Maurach, Strafrecht B T (5. A u f l . 1969) S. 741; i m Ergebnis ebenso Kohlrausch / Lange § 340 StGB A n m . I I I ; Baldus LK Rdnr. 14 vor § 331 StGB;
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daß Amtsdelikte, die ausschließlich öffentlichen Interessen dienen, der Wirksamkeit einer Einwilligung unstreitig entgegenstehen, so würde nach dieser Auffassung der 28. Abschnitt des StGB (unter Einschluß der §§ 120 Abs. 2, 133 Abs. 3, 203 Abs. 2, 258 a StGB) eine totale Zulässigkeitsschranke der Einwilligung bilden, die allenfalls durch ausdrückliche Handlungsermächtigungen i n anderen Gesetzen durchbrochen werden könnte. Die skizzierte Auffassung überzeugt aber i n dieser Allgemeinheit nicht. Das öffentliche Vertrauen in die Reinheit der Amtsführung kann grundsätzlich nur dann leiden, wenn die Amtshandlung rechtswidrig ist. Die Verletzung dieses Rechtsgutes der Allgemeinheit hängt daher bei einem Amtsverbrechen mit Schutzwirkung für Einzelne i. d. R. davon ab, ob die Verletzung des Individualrechtsgutes als solche rechtswidrig war. Insoweit ist die Beeinträchtigung des Vertrauens der Öffentlichkeit i n die Reinheit der Amtsführung akzessorischer Natur. Folglich entscheiden auch über die Rechtswidrigkeit von Amtsdelikten mit Schutzwirkung für Einzelne grundsätzlich die Prinzipien des Unrechtsausschlusses bei Individualrechtsgutsverletzungen, nach denen eine Einwilligung i. d. R. die Rechtswidrigkeit der Tat beseitigt 2 3 6 . Etwas anderes gilt nur dort, wo der Tatbestand eines Amtsverbrechens öffentliche Interessen schützt, die über das Vertrauen der Allgemeinheit i n die Respektierung der Bürgersphäre durch staatliche Amtswalter hinausreichen. Dies dürfte etwa bei der Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB) der Fall sein 2 3 7 , die auch beim Vorliegen einer Einwilligung des Verfolgten die Kräfte der Strafverfolgungsbehörden in sachwidriger Weise bindet 2 3 8 und dem Ansehen der Staatsorgane schweren Schaden Mösl L K §340 StGB Rdnr. 2; Preisendanz §340 StGB A n m . 4; Bickelhaupt N J W 1967/713 ff. (714 f.); Geppert (Kap. I I A n m . 42) S. 985 Fußn. 181. Die genannten Autoren stützen sich fast durchweg auf BGH St 12/62 ff. (69 f.). Die Entscheidung äußert sich aber gar nicht allgemein zur E i n w i l l i gung bei Amtsdelikten, sondern betrifft die Frage der Übertragbarkeit des elterlichen Züchtigungsrechts auf Lehrer. I n diesem speziellen Zusammenhang verneint die Entscheidung zutreffend die Befugnis der Eltern, i n eine Züchtigung ihrer K i n d e r durch einen Lehrer einzuwilligen, w e i l dies m i t der Schuldisziplin unvereinbar sei (s. dazu oben, Kap. I I 2 b cc). Daß das U r t e i l wegen seiner speziellen Fragestellung die hier skizzierte Auffassung also gar nicht stützt, ist schon von Wagner (Kap. I Anm. 1) S. 351 Anm. 25 und Horn S K §340 StGB Rdnr. 7 hervorgehoben worden. Es ist daher an der Zeit, dieses Fehlzitat zu streichen. Mehrere der oben A n m . 197 zitierten Entscheidungen zeigen vielmehr, daß die Rechtsprechung i n der V e r w i r k lichung des Tatbestandes von §§340, 342 (a. F.), 354 (a. F. u n d n. F.) StGB keine spezielle Schranke f ü r die Zulässigkeit der E i n w i l l i g u n g sieht. Siehe dazu auch unten A n m . 239. 236 i m Ergebnis ebenso Horn, SK, § 340 StGB Rdnr. 7 u n d w o h l auch ιRudolphi, SK Rdnr. 16 vor § 331 StGB. 237 Mösl L K § 344 Rdnr. 7; Horn S K § 344 Rdnr. 10. 238 v g l . dazu auch § 145 d StGB,
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
zufügt. „Einfache" Amtsdelikte mit Schutzwirkung für Einzelne wie §§ 340 oder 354 StGB schützen aber keine derartigen Zusatzinteressen 239 . Ein Amtsarzt, der ohne gesetzliche Ermächtigung, aber m i t der E i n w i l ligung des Betroffenen impft, schadet dem Ansehen des Staates nicht, sondern nützt ihm, und es ist eine ganz absurde Konsequenz der i m Strafrecht herrschenden Meinung, daß dieser Amtsträger sich bei einem so alltäglichen Vorgang strafbar machen soll 2 4 0 . Dann ist noch auf eine Mindermeinung einzugehen, die die These verficht, der Amtsarzt mache sich beim Vorliegen einer E i n w i l l i gung wenigstens dann nach § 340 StGB strafbar, wenn seine Handlung dienstpflichtwidrig w a r 2 4 1 . Selbst diese Auffassung, die der Einwilligung bei den Amtsdelikten immerhin einen gewissen Spielraum läßt, ist je-· doch abzulehnen. Man kann ihr zwar nicht einfach entgegenhalten, daß innerdienstliche Pflichten der Amtsträger i m Außenverhältnis zwischen Staat und Bürger keine Wirkung haben können. Denn das staatliche Interesse an der Einhaltung derartiger Dienstpflichten könnte ja i n § 340 StGB geschützt sein, wie dies bei anderen Amtsdelikten, etwa § 353 a StGB, der Fall ist. Aber es läßt sich leicht zeigen, daß dies nicht der Sinn des § 340 StGB ist. Da eine m i t Einwilligung erfolgende K ö r perverletzung i m A m t die Interessen des Bürgers nicht verletzt, könnte sich das Unrechtsurteil hier nur auf die Dienstpflichtverletzung als solche stützen. Eine Dienstpflichtverletzung ohne Verletzung des Bürgerinteresses an der körperlichen Unversehrtheit erscheint dem Strafgesetzgeber aber offenbar nicht als strafwürdiges Unrecht. Denn sonst hätte er den Versuch der einfachen Körperverletzung i m Amt, der ja sicher dienstpflichtwidrig ist, unter Strafe gestellt. Daß der Strafgesetzgeber dies nicht getan hat, sondern es hier bei disziplinarrechtlichen Reaktionen belassen hat, ist ein deutlicher Beleg dafür, daß das Interes239 Zugelassen w i r d die E i n w i l l i g u n g daher bei §340 von Horn SK §340 StGB Rdnr. 7; bei §354 StGB von Samson, SK §354 StGB Rdnr. 30 sowie i m Ergebnis auch von BGH JZ 1965/66 ff. (68); B a y O b L G J Z 1974/393 u n d Schönke / Schröder f Lenckner §354 Rdnr. 11 a, der freilich ein tatbestandsausschließendes Einverständnis annimmt. 240 Z u diesem Beispiel vgl. auch Horn S K § 340 Rdnr. 7; Blei, Straf recht B Z (11. Aufl. 1978) S. 49. Nach Blei soll zwar die E i n w i l l i g u n g i n eine K ö r p e r verletzung i m A m t an sich nur bei einer besonderen Zulassung durch das öffentliche Recht w i r k s a m sein, doch soll die amtliche Empfehlung einer Schutzimpfung schon eine solche Zulassung enthalten. Hierbei übersieht Blei aber, daß eine amtliche Empfehlung kein (öffentliches) Recht schaffen kann. 241 Zipf (Kap. I I A n m . 42) S. 24. Ä h n l i c h sieht Schmidhäuser, Strafrecht B T (1980) S. 10 eine Körperverletzung, die „Amtspflichten" verletzt, deshalb als u n w i r k s a m an, w e i l die „ A m t s p f l i c h t w i d r i g k e i t " stets die Sittenwidrigkeit i. S. d. § 226 a StGB begründe. Eine solche Gleichsetzung von „Amtspflicht" u n d sittlichem Gebot ist aber gänzlich unhaltbar. Sie wertet den Begriff der „ S i t t e n w i d r i g k e i t " i n unvertretbarer Weise ab und widerspricht überdies den hohen Anforderungen, die Schmidhäuser anderenorts selbst an diesen Begriff stellt. Vgl. dazu Schmidhäuser (Kap. I A n m . 15) S. 272,
3. Verfassungsprinzipien als Zuässigkeitskriterien
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se an der Einhaltung der Dienstpflichten kein eigenständiges, vom geschützten Individualinteresse unabhängiges Rechtsgut des § 340 StGB bildet2413. Als Ergebnis dieses Abschnittes ist danach folgendes festzuhalten: Der Vorrang des Gesetzes setzt der Wirksamkeit einer Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes Grenzen, errichtet aber keine absoluten Zulässigkeitsschranken. Er besagt i m vorliegenden Zusammenhang nicht mehr und nicht weniger, als daß die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes unwirksam ist, wenn sie öffentlichen Interessen zuwiderläuft, denen ein Gesetz zur Durchsetzung verhelfen w i l l . Wann solche Interessen beeinträchtigt werden, ist eine Frage der teleologischen Interpretation der einzelnen Gesetzesnorm. Diese Interpretation entzieht sich jeder pauschalierenden Beurteilung. A l l e i n aus der Zuordnung einer Norm zum öffentlichen Recht kann man ebenso wenig ihre Unabdingbarkeit ableiten wie daraus, daß ihre Übertretung durch den Amtswalter als Amtsverbrechen unter Strafe gestellt ist. Da die Zulässigkeitsschranken, die sich aus dem Vorrang des Gesetzes ergeben, ganz vom Zweck der einzelnen Gesetzesnorm abhängen, läßt sich auch aus diesem Prinzip nicht folgern, daß die einem Staatsorgan erklärte Einwilligung nur dann beachtlich ist, wenn das Gesetz sie ausdrücklich zuläßt. c) Einwilligung
und Sozialstaatsprinzip
Das Sozialstaatsprinzip ist für die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes zunächst rein faktisch von großer Bedeutung. I n faktischer Hinsicht dürfte es einmal die Häufigkeit solcher Erklärungen beeinflussen. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat zur Bewältigung von gesellschaftlichen Problemen, die mit dem „klassischen" Instrumentarium von Befehl und Zwang allein nicht zu bewältigen sind. Dabei ist für den Sozialstaat vielfach kennzeichnend, daß er Leistungen anbietet, die voraussetzen, daß der Bürger sie von sich aus i n Anspruch nimmt. M i t derartigen Leistungen ist aber nicht selten eine Beeinflussung der grundrechtlich geschützten Sphäre verbunden, so daß der Entschluß, die Leistung anzunehmen, eine Einwilligung impliziert. Man denke vor allem an die Annahme therapeutischer Angebote des Sozialrechts 242 und des spezialpräventiven Strafvollzugs 2 4 3 , aber etwa auch an die Kooperation von Staat und Bürger bei der Erziehungshilfe 2 4 4 . I n der Literatur w i r d darauf hingewiesen, daß solche Maßnah24ia i m Ergebnis ebenso Horn SK § 340 Rdnr. 7. 242 Vgl. z. B. §§ 36, 40, 49, 63, 64, 126 BSHG. 243 vgl. insbesondere §§ 56 ff., 123 ff. StrafVollzG. 244 Vgl. §§ 62 ff, JWG,
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Kap. I I Die
l i g k e i t der Einwilligung
men ihren Zweck am besten oder gar ausschließlich dann erreichen, wenn sie in freiwilligem Zusammenwirken mit dem Betroffenen erfolgen 2 4 5 . Auch wenn die hierbei geforderte „Freiwilligkeit" keineswegs immer Freiwilligkeit i m Rechtssinne sein muß 2 4 6 , kann man aus diesem Postulat schließen, daß die reale Bedeutung der Einwilligung i n Grundrechtsgutsbeeinträchtigungen durch das Engagement des Staates bei der Lösung der genannten Probleme beträchtlich gesteigert worden ist. Stärker als dieser Umstand w i r d i n der Literatur betont, daß die Abhängigkeit des Bürgers von den Leistungen des modernen Sozialstaats den Spielraum für die Verweigerung einer vom Staat geforderten Einwilligung einenge 247 . I n der Tat ist völlig unbestreitbar, daß heute jeder Bürger ζ. B. auf die Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge angewiesen ist und damit zugleich das Potential des Staates gewachsen ist, sich den Bürger gefügig zu machen. Das Ausmaß der Abhängigkeit variiert freilich in der Gesellschaft. So w i r d man etwa davon ausgehen müssen, daß sie bei einem Sozialhilfeempfänger größer ist als bei vielen anderen Personen. Doch verschärft diese Ungleichverteilung nur die Probleme, die der reale Sozialstaat für die Einwilligung mit sich bringt. Denn zu der allgemeinen Gefahr, daß er seine Macht zur Erreichung nur scheinbar freiwilliger Einwilligungen einsetzt, t r i t t noch die weitere hinzu, daß er solchen Mißbrauch vor allem zum Nachteil der schwächeren Glieder der Gesellschaft ü b t 2 4 8 . Versucht man anhand dieses Realbefundes die normative Bedeutung des Sozialstaatsprinzips für die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes herauszuarbeiten, so gelangt man zu ambivalenten Ergebnissen. Einerseits verpflichtet das Sozialstaatsprinzip i n den Grenzen seiner (schwachen) Bindungskraft den Staat dazu, Einwilligungen zuzulassen, wenn dadurch einem bedrängten Bürger geholfen werden kann. Zur Illustration braucht man nicht nur jenen sprichwörtlichen Bettler anzuführen, der sich von der Polizei in die Ausnüchterungszelle einschließen lassen w i l l , u m in kalter Regennacht ein Dach über dem Kopf zu haben. Auch ein ausgreifendes sozialpolitisches Ziel wie das der Resozialisierung von Straffälligen schließt vielmehr nahezu zwangsläufig die 24 5 Maas, Soziale Einzelhilfe, i n Friedländer / Pfaffenberger (Hrsg.), G r u n d begriffe und Methoden der Sozialarbeit (2. Aufl. 1969) S. 17 ff. (78 ff.); Abel, Grundriß der Jugendhilfe (3. Aufl. 1978) S. 18, 82 f.; Müller-Dietz, Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionensystems (1979) S. 139, 141, 155. 246 s. dazu unten, Kap. I I I 2 u n d 3. 247 v g l . vor allem Forsthoff, DVB1 957/724 ff.; dazu ausführlich unten, Kap. I I I 1 a. 248 vgl. dazu Mallmann, Zielfunktionen des Datenschutzes (1977) S. 32 ff., der deshalb die Einwilligungsregelung des § 3 Abs. 1 BDSG (Anhang I I A) kritisiert,
3. Verfassungsprinzipien als Zuiässigkeitskriterien
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Schaffung einer Regelung wie § 63 StrVollzG 2 4 9 ein, nach der i m Strafvollzug mit Zustimmung des Strafgefangenen kosmetische Operationen und prothetische Maßnahmen durchgeführt werden sollen, die seiner Wiedereingliederung dienlich sind. Die normativen Zwänge, bei der Verfolgung solcher Ziele einverständliche Lösungen anzustreben, werden noch dadurch verstärkt, daß das Sozialstaatsprinzip nur innerhalb der Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips verwirklicht werden darf 2 5 0 . Dies w i r k t sich vor allem bei medizinischen Maßnahmen aus. Denn es wäre sicher ein Verstoß gegen A r t . 1 Abs. 1 GG, wenn etwa der Leiter einer Justizvollzugsanstalt einen Strafgefangenen, dessen Gesicht ihn abstößt, mit Gewalt auf den Operationstisch befördern dürfte, um ihm auf diese Weise eine Physiognomie zu verschaffen, die seiner Wiedereingliederung eher dienlich erscheint. Andererseits gibt es aber auch Wirksamkeitsbeschränkungen, die sich teils aus dem Sozialstaatsprinzip selbst, teils aus seiner Einbindung i n die rechtsstaatliche Verfassung ableiten. Der erste Problemkreis, in dem das Sozialstaatsprinzip für die W i r k samkeit einer Einwilligung i n staatliche Maßnahmen Bedeutung erlangt, hängt mit der klassischen Aufgabe des sozialen Rechtsstaates zusammen, die realen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Bürger ihre Grundrechte auch ausüben können. A n diesen Voraussetzungen fehlt es dort, wo der Einzelne überhaupt nicht weiß, daß er die von einem Repräsentanten des Staates geforderte Einwilligung auch verweigern kann. Das Sozialstaatsprinzip verbietet es, i n solchen Fällen einfach vom Grundsatz „iura vigilantibus scripta sunt" auszugehen, da angenommen werden muß, daß die Kenntnis der eigenen Rechte vor allem bei sozial schwachen Personengruppen nicht i n ausreichendem Maß vorhanden ist. Insoweit ist das Sozialstaatsprinzip eine der Grundlagen der behördlichen Aufklärungspflicht gegenüber dem E i n w i l l i genden 251 . Sie bindet die Wirksamkeit von Einwilligungen an die Voraussetzung, daß der Einwilligende über seine Befugnis informiert ist, die Zustimmung zu der beabsichtigten Grundrechtsgutsbeeinträchtigung ohne Inkaufnahme rechtlicher Nachteile zu verweigern. Das zweite Wirksamkeitsproblem ergibt sich daraus, daß der reale Sozialstaat — wie erwähnt — Abhängigkeiten schafft, die gegebenenfalls die Freiwilligkeit einer Einwilligung i n Frage stellen. Der damit begründeten Gefahr eines Mißbrauchs dieses Instituts muß mit den Mitteln begegnet werden, die die Staats- und Verwaltungsrechtslehre 249 Anhang V C . 250 Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 87. 251 Zipf (Kap. I I A n m . 42) S. 38; f ü r die allgemeine behördliche Belehrungspflicht teilweise abweichend Krieger, Das Recht des Bürgers auf behördliche A u s k u n f t (1972) S. 127 ff. m. w. N. s. dazu unten, Kap. I I I 2 c cc.
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Kap. I I : Die Zulässigkeit der Einwilligung
i n den vergangenen Jahrzehnten zur Abwehr von Mißbräuchen sozialstaatlicher Macht entwickelt hat. Hier sind insbesondere das Koppelungsverbot und die Ausdehnung des Eingriffsvorbehaltes auf den Entzug existenzwichtiger Leistungen zu nennen 2 5 2 . Sie begrenzen den Begriff der Freiwilligkeit i m Rechtssinne, d. h. Einwilligungen, die der Staat unter Verstoß gegen diese Prinzipien erreicht, sind unwirksam, weil unter unzulässigem Zwang erteilt. Endlich ist nicht auszuschließen, daß der Sozialstaat seine mit Grundrechtsgutsbeeinträchtigungen verbundenen Hilfsangebote so weit ausdehnt und so verlockend ausgestaltet, daß bei den Bürgern die Bereitschaft zur Grundrechtsverteidigung auf breiter Front geschwächt wird. Der sozialstaatliche Anreiz zur Erteilung grundrechtsrelevanter Einwilligungen führt dann zu einer institutionellen Gefährdung der Grundrechte. Diese Gefahr muß durch die Anwendung der liberalen Verfassungsprinzipien abgefangen werden, i n die der Sozialstaatsgrundsatz eingebettet ist. Wie oben bereits ausgeführt, ist hierbei in erster Linie die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG heranzuziehen 253 . Zusammenfassend ist also festzustellen, daß das Sozialstaatsprinzip für die Einwilligung sowohl zulässigkeitsverstärkende als auch w i r k samkeitsbeschränkende Bedeutung hat. Dieser Zwiespalt rührt daher, daß das Sozialstaatsprinzip sich nicht stromlinienförmig in die rechtsstaatliche Verfassung fügt, sondern mit den liberalen Verfassungsprinzipien, die für die Einwilligung gelten, auf höchst unterschiedlichen Ebenen integriert werden muß 2 5 4 . Hinzu kommt, daß die beiden zuerst genannten Wirksamkeitsbeschränkungen letztlich gar nicht mehr die Zulässigkeit, sondern bereits die Freiwilligkeit einer Einwilligung betreffen. Insoweit w i r d einiges von dem, was hier gesagt wurde, in dem nun folgenden Abschnitt noch einmal aufgeworfen werden.
252 s. dazu unten, Kap. I I I 2 b bb. 253 s. oben, Kap. I I c bb bei A n m . 152. 254 Stern (Kap. I I A n m . 206) S. 719 ff.
Kapitel I I I
Die Freiwilligkeit der Einwilligung 1. Einleitende Bemerkungen Bereits bei der Erörterung des Gesetzesvorbehalts ergab sich, daß der demokratische Konsens, der üblicherweise zur Legitimierung einer Grundrechtsgutsbeeinträchtigung notwendig ist, durch den aktuellen Konsens des Grundrechtsträgers ersetzt werden kann, sofern eine Einwilligung nicht gegen die aufgezählten Zulässigkeitsschranken verstößt 1 . Diese Ersatzfunktion kann die Einwilligung freilich nur dann übernehmen, wenn sie wirklich Ausdruck des Konsenses der betroffenen Person ist. Daran fehlt es, wenn die Erklärung auf Zwang, I r r t u m oder Unkenntnis beruht. Positiv kann man auch formulieren: einen wirksamen Ersatz für die fehlende Eingriffsermächtigung bildet die Einwilligung nur dann, wenn sie freiwillig erteilt wird. Der Inhalt dieser Forderung soll i m folgenden genauer untersucht werden. a) Forsthoff s Bedenken gegen die Freiwilligkeit von Zugeständnissen an den Staat Die rechtliche Brisanz des Freiwilligkeitspostulats liegt i n dem offensichtlichen Machtgefälle zwischen Staat und Bürger. Es ist daher nicht verwunderlich, daß häufig überhaupt an der Möglichkeit freiwilliger Dispositionen eines Bürgers gegenüber dem Staat gezweifelt wird. Fast alle diese Äußerungen beziehen sich auf eine Anmerkung Ernst Forsthoff s anläßlich einer frühen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrag 2 . Forsthoff bemerkt hier, i m 19. Jahrhundert sei es noch denkbar gewesen, daß der Bürger dem Staat autonom gegenüber trat. I m 20. Jahrhundert hänge der Einzelne dagegen vom Staat i n derart vielfältiger Weise ab, daß die Anwendung des Grundsatzes volenti non fit iniuria i m Verhältnis zwischen Staat und Bürger ersterem nur allzu leicht die Gelegenheit verschaffen würde, seine Übermacht auszuspielen und den Einzelnen am Ende gesetzwidrig zu benachteiligen. Obgleich Forsthoff dem 1
s. oben, Kap. I I 3 b aa. 2 Forsthoff, DVB1 1957/724 ff.
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Kap. I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
Grundsatz trotzdem noch einen gewissen Anwendungsbereich zugesteht 3 , hat er seinen Bedenken eine so nachdrückliche sozialgeschichtliche Begründung gegeben, daß i n der Folge hieraus mehr oder weniger totale Angriffe gegen den Gedanken einer freiwilligen Zustimmung des Bürgers zu staatlichen Beeinträchtigungen seiner Sphäre abgeleitet worden sind 4 . Das Gewicht der Thesen Forsthoffs soll auch nicht prinzipiell i n Frage gestellt werden. Doch ist seine Gegenüberstellung viel zu holzschnittartig, als daß mit ihr allein die Freiwilligkeitsfrage abschließend beantwortet werden könnte. Dies gilt schon für den sozialgeschichtlichen Ansatz. Für das 20. Jahrhundert sei nur vermerkt, daß etwa marxistische Theoretiker zumindest bezüglich des organisierten Kapitals die heutige Kräfteverteilung zwischen Staat und Privaten gänzlich anders einschätzen5. Aber auch für das 19. Jahrhundert kann man sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, daß Forsthoff die liberale Selbstdarstellung des Bürgertums dieser Zeit m i t dessen realer Situation verwechselt. Immerhin stand damals in Deutschland — anders als i n England und Frankreich — von den beiden führenden bürgerlichen Schichten die eine, das Beamtentum, i n direkter Abhängigkeit vom Staat und die andere, die Unternehmerschaft, verdankte ihren Aufstieg bis zur Jahrhundertmitte weithin gezielter staatlicher Entwicklungshilfe 6 . Die von den Gutsherren bedrängten, u m ihre Existenz ringenden Bauern und die Handwerker, die am liebsten i n der Geborgenheit zünftlerischer Enge verblieben wären, kann man schon gar nicht als Musterbeispiel autonomer Bürger reklamieren 7 , die der öffentlichen Gewalt erhobenen Hauptes gegenübertraten, von den Arbeitern ganz zu schweigen. Ist jedoch Forsthoffs Gegenüberstellung auf beiden Seiten Bedenken aus3 Forsthoff (oben A n m . 2) S. 725. Vgl. auch sein V o t u m f ü r die „ E i n w i l l i gungstheorie" bei Grundrechtsbeeinträchtigungen i m „besonderen Gewaltverhältnis", i n ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts (10. Aufl. 1973) S. 128; kritisch dazu Schick, ZBR 1963/67 ff. (69). 4 So insbesondere Schenke (Kap. I I Anm. 209) S. 286; vgl. ferner etwa Stein AöR 86 (1961) S. 320 ff. (321 f.); Bellstedt D Ö V 1961/161 ff. (169); Schick (oben A n m . 3) S. 69; Bosse (Kap. I I A n m . 196) S. 52; s. auch Wagner (Kap. I A n m . 1) S. 362 ff. 5 Vgl. aus leninistischer Sicht das offizielle Lehrbuch der DDR Grundlagen des Marxismus-Leninismus (1963) S. 314 ff.; f ü r die „westlichen" Richtungen die Nachweise bei Offe, Strukturprobleme des kapitalistischen Staates (1972) S. 66 ff. 6 Ritter, Die Rolle des Staates i n den Frühstadien der Industrialisierung. Die preußische Industrieförderung i n der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1961), insbes. S. 58 ff. 65 ff., 122 ff., 159 ff.; Koselleck, Preußen zwischen Reform u n d Revolution (1967) S. 392 ff., 586 ff., 609 ff. 7 Vgl. dazu Bechtel, Wirtschafts- u n d Sozialgeschichte Deutschlands (1967) S. 331 f., 338 f.
1. Einleitende Bemerkungen
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gesetzt, so erscheint es angebracht, sich von sozialgeschichtlichen Pauschalurteilen dieser A r t fernzuhalten. Statt dessen sollte man — wie gerade Forsthoff es ja auch anderen Orts getan hat 8 — präzis die Entwicklung der sozialstaatlichen Daseinsvorsorge und die allgemeine Zunahme bürokratischer Kontakte zwischen Staat und Bürger als neue freiheitsbedrohende Faktoren beschreiben, die alte, diffuse Abhängigkeiten ersetzt und die klassische Eingriffsmacht des Staates ergänzt haben. Denn dann kann man gegen diese neuen Freiheitsbedrohungen die speziell zu ihrer Abwehr entwickelten Instrumente des Staats- und Verwaltungsrechts einsetzen. Das sind, wie erwähnt, i n erster Linie die Lehre vom Koppelungsverbot und die — freilich noch wenig randscharfe — Ausdehnung des Eingriffsbegriffs auf den Entzug daseinsnotwendiger Leistungen 9 . Die Anwendung dieser Grundsätze mag ebenfalls zu dem Ergebnis führen, daß der moderne Staat nur selten von der Freiwilligkeit eines Zugeständnisses seiner Bürger ausgehen darf. Aber eine solche Aussage beruht dann auf einer spezifisch juristischen Bewältigung des Freiwilligkeitsproblems und nicht auf angreifbaren Pauschalurteilen. Eine spezifisch juristische Lösung der Freiwilligkeitsfrage w i r d auch durch den Stand der Gesetzgebung gefordert. Denn den erwähnten Bedenken zum Trotz geht der Gesetzgeber i n zahlreichen Regelungen davon aus, daß die Bürger der staatlichen Bürokratie freiwillig die Zustimmung zu rechtsgutsbeeinträchtigenden Maßnahmen erteilen. Wie etwa § 67 SGB X 1 0 zeigt, ist dies selbst i m Recht der sozialen Sicherheit, also i n einem Kernbereich der staatlichen Daseinsvorsorge der Fall. Noch nicht einmal die Auslieferung eines Bürgers an die „totale Institution" des Strafvollzuges schließt nach Auffassung des Gesetzgebers freiwillig erteilte Einwilligungen i n weitere Rechtsgutsbeeinträchtigungen aus, sonst hätte er von Bestimmungen wie § 17 Abs. 3 Nr. 4 StrVollzG 1 1 oder der bereits erwähnten Norm des § 63 StrVollzG abgesehen 12 . Für die zahlreichen Einwilligungsnormen i n den Unterbringungsgesetzen 13 gilt das Gleiche. Regelungen dieser A r t erfordern die Erarbeitung rechtlicher Kriterien für die Beurteilung der Freiwilligkeit.
8 Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden V e r w a l t u n g (1959), insbes. S. 22 ff.; ders., Lehrbuch des Verwaltungsrechts (oben A n m . 3) S. 35 ff., 293 ff. 9 s. dazu unten Kap. I I I 2 b aa und bb. 10 A n h a n g I V B. 11 Anhang V C. 12 Anhang V C. 13 A n h a n g V I .
6 Amelung
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Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung b) Der Gang der Untersuchung
Die folgenden Ausführungen versuchen, diesem Ziel i n zwei Denkschritten näher zu kommen. Zunächst ist zu überlegen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Einwilligung eine Eingriffsermächtigung ersetzen kann. Es handelt sich um die Frage nach der Freiwilligkeit der autonomen oder „gesetzesvertretenden" Einwilligung (unten 2). Anhand der hierbei entwickelten Kriterien läßt sich zeigen, daß nicht überall, wo der Gesetzgeber den Begriff der „Freiwilligkeit" oder der „Einwilligung" gebraucht, wirklich eine gesetzesvertretende Einwilligung gemeint ist. Vielmehr werden diese Begriffe auch dort verwendet, wo auf den Grundrechtsträger durchaus Zwang ausgeübt w i r d und die Einwilligung nicht die Funktion hat, über das „ob", sondern nur über das „wie" einer Grundrechtsgutsbeeinträchtigung zu entscheiden. Hierauf w i r d unter dem Stichwort der „eingriffsmildernden" Einwilligung eingegangen werden (unten 3).
2. Die Freiwilligkeit der gesetzesvertretenden Einwilligung a) Freiwilligkeit
als Rechtsbegriff
Das methodische Rüstzeug für die Bestimmung des Freiwilligkeitsbegriffs kann man sich aus einem weit entfernten Bereich verschaffen, i n dem es ebenfalls um die Abgrenzung zwischen „freiwilligem" und „unfreiwilligem" Handeln geht: aus der strafrechtlichen Lehre von der Unfreiwilligkeit eines Rücktritts vom Versuch i. S. d. §§ 46 a. F./ 24 n. F. StGB. Hier hat sich gezeigt, daß es wenig hilft, wenn man Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit rein deskriptiv zu bestimmen sucht, indem man „Autonomie" und „Heteronomie", „zwingende" und „nicht zwingende" Gründe o. ä. einander gegenüberstellt 14 . Zu handhabbaren Formeln gelangte man hier vielmehr erst, als man erkannte, daß es sich bei der Bestimmung des Begriffs der „Freiwilligkeit" um ein normatives Problem handelt 1 5 . „Freiwillig" i. S. d. § 24 StGB agiert, wer 14 Vgl. dazu die K r i t i k an derartigen Bestimmungen bei Ulsenheimer, Grundfragen des Rücktritts vom Versuch i n Theorie u n d Praxis (1976) S. 297 ff.; Rudolphi, SK §24 StGB Rdnr. 21 ff.; m i t Einschränkungen auch Walter, Der R ü c k t r i t t v o m Versuch als Ausdruck des Bewährungsgedankens i m zurechnenden Strafrecht (1980) S. 59 ff. is Grundlegend Roxin ZStW 77 (1965) S. 60 ff. (97 ff.); ders., Festschrift für Heinitz (1972) S. 251 ff. (255 f.); vgl. ferner etwa Ulsenheimer (oben A n m . 14) S. 314 ff.; Rudolphi SK § 24 StGB Rdnr. 25. Z u den methodischen I m p l i k a t i o nen vgl. auch Hassemer, Die F r e i w i l l i g k e i t beim R ü c k t r i t t v o m Versuch. Z u Alltagstheorien u n d Dispositionsbegriffen i n der Strafrechtsdogmatik, i n Lüderssen / Sack (Hrsg.), V o m Nutzen u n d Nachteil der Sozialwissenschaften für das Strafrecht Bd. 2 (1980) S. 229 ff. Teilweise kritisch Walter, Der Rückt r i t t vom Versuch als Ausdruck des Bewährungsgedankens i m zurechnenden
2. Die Freiwilligkeit der gesetzesvertretenden Einwilligung
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aus Gründen zurücktritt, die zeigen, daß er die i n dieser Regelung vorgesehene Straffreiheit verdient, weil eine Bestrafung sinnlos wäre. Ausschlaggebend w i r d damit der Zweck des § 24 StGB, solche Personen der Bestrafung zu entziehen, die mit dem Rücktritt ihre Ungefährlichkeit demonstriert haben. Der Inhalt dieses Freiwilligkeitsbegriffs ist selbstverständlich für das hier zu lösende Problem ohne Bedeutung. Es ist ja gerade die Eigenart des skizzierten Ansatzes, daß er keinen universellen, sondern einen speziell auf die Zwecke des § 24 StGB bezogenen Begriff der Freiwilligkeit anstrebt. Aber ungeachtet der methodischen Divergenzen, die zwischen der Konkretisierung des Staatsrechts und der des Strafrechts bestehen 16 , gibt die Form der Begriffsbestimmung einen wichtigen Fingerzeig. I n juristischen Zusammenhängen geht es offenbar nicht darum, einen allgemeingültigen Begriff der Freiwilligkeit i n soziologischen oder psychologischen Termini zu beschreiben. Vielmehr ist der Begriff der Freiwilligkeit einer Einwilligung wie der Begriff der Freiwilligkeit eines Rücktritts ein Rechtsbegriff, der i m Recht der Einwilligung eine bestimmte normative Aufgabe erfüllt und nach den allgemeinen Regeln der teleologischen Begriffsbildung folglich von dieser Aufgabe her definiert werden muß. Für diese Zwecke ist es nötig, sich auf die Funktion der (gesetzesvertretenden) Einwilligung in die staatliche Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes zu besinnen. Eine solche Einwilligung erlaubt einem Staatsorgan eine Rechtsgutsbeeinträchtigung, wo der Staat nicht gegen den Willen des Rechtsgutsträgers handeln darf, weil i h m eine gesetzliche „Eingriffs-"Befugnis fehlt. Die (gesetzesvertretende) Einwilligung w i r k t mit anderen Worten in einem Bereich, i n dem es einem Staatsorgan verboten ist, in die grundrechtlich geschützte Sphäre „einzugreifen". Die Forderung, daß die Einwilligung „ f r e i w i l l i g " sein soll, hat daher hier den Sinn, daß dieses Eingriffsverbot nicht unterlaufen wird. Dann aber kann m i t der „Freiwilligkeit" einer Einwilligung nur gemeint sein, daß sie vom Staat nicht mit Mitteln erzwungen sein darf, die sein Handeln als „Eingriff" erscheinen lassen. Der Begriff der „Freiwilligkeit" bezeichnet also die Kehrseite des Eingriffsbegriffs. Eine gesetzesvertretende Einwilligung erfolgt nur dann freiwillig, wenn sie frei von Zwängen erteilt wird, die als staatliche „Eingriffe" zu bezeichnen sind.
Strafrecht (1980) S. 62 ff. Eine Übertragung der auf Roxin zurückgehenden Überlegungen auf die E i n w i l l i g u n g i m Bürger-Bürger-Verhältnis versucht jetzt Schimikowski, Experiment am Menschen (1980) S. 31 f. ι * Vgl. dazu etwa Böckenförde N J W 1976/2089 ff. (insbes. S. 2091); Stern (Kap. I I A n m . 206) S. 103 ff. m. w. N. 6*
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Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
M i t den vorstehenden Überlegungen verschiebt sich die Bestimmung des Begriffs der Freiwilligkeit auf vertrautere juristische Gefilde. Eine der einfachen Subsumtion zugängliche Definition ist freilich auf diese Weise nicht gewonnen. Denn läßt sich der Begriff der Freiwilligkeit nur durch den des Eingriffs definieren, so w i r d er m i t all jenen Problemen befrachtet, die sich heute mit dem Eingriffsbegriff verbinden. Diese Probleme haben ihren Ursprung darin, daß die „klassische" Bestimmung des Grundrechtseingriffs als Anwendung von „Befehl und Zwang" heute als unzureichend empfunden wird. Zwar ist diese Definition nicht ohne Wert, weil nach wie vor unstreitig ist, daß i n den von ihr erfaßten Fällen der staatsrechtliche Gesetzesvorbehalt zum Zuge kommt. Doch würde die Schutzwirkung dieses Gesetzesvorbehalts gegenüber den subtileren Grundrechtsbeeinträchtigungen des modernen Leistungs- und Lenkungsstaates versagen, wenn er nur auf „klassische" Eingriffe beschränkt bliebe. Der Eingriffsbegriff ist deshalb bekanntlich ständig ausgedehnt worden 1 7 . Neben den mehr oder minder „klassischen" Tatbeständen der vollstreckbaren Befehle, der Vollstreckungsakte und der Androhung von Nachteilen i m Widerstandsfall erfaßt er heute vor allem Fälle der Versagung von Vorteilen 1 8 sowie beabsichtigte und unbeabsichtigte Nebenwirkungen einer staatlichen Maßnahme, die Grundrechtsgüter beeinträchtigen 19 . Solche Erweiterungen haben den Eingriffsbegriff allerdings um seine Randschärfe gebracht. Die Abgrenzungsprobleme, die sich aus dieser Unschärfe ergeben und für die Bestimmung der Freiwilligkeit einer Einwilligung bedeutsam sind, sollen unter dem Stichwort der „Koppelung" einer Einwilligung an Nachteile und Vergünstigungen erörtert werden. b) Die Koppelung der Einwilligung an Nachteile und Vergünstigungen aa) Der Grundsatz I m Zentrum des „klassischen" Eingriffsbegriffs steht der vollstreckbare Befehl, der es einem Staatsorgan erlaubt, notfalls „eigenhändig" i n die Grundrechtssphäre des Bürgers einzudringen, um hier den erwünschten Erfolg herbeizuführen. Man denke etwa an ein Urteil, das auf Herausgabe einer Sache lautet. Der Staat sucht jedoch die Grundrechtssphäre der Bürger vielfach auch dort zu beeinflussen, wo das Vollstreckungsrecht i h m keine Befugnis gibt, die erstrebten VerändeEine Übersicht bei Bleckmann (Kap. I A n m . 1) S. 230 ff. is Eine Übersicht bei Bleckmann (Kap. I A n m . 11) S. 43 ff.; vgl. auch Henke (Kap. I I A n m . 204) S. 608. i® Vgl. dazu Gallwas, Faktische Grundrechtseingriffe (1970) S. 12 ff.
2. Die Freiwilligkeit der gesetzesvertretenden Einwilligung
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rungen des Grundrechtsgutes selbst zu bewirken. I n solchen Fällen ist der Staat in erster Linie darauf angewiesen, durch Androhung von Nachteilen den Bürger zu einer „Selbstschädigung" 20 zu veranlassen, ζ. B. ihn durch Androhung eines Zwangsgeldes zu bewegen, von einer ehrverletzenden Meinungsäußerung Abstand zu nehmen. Es kommt aber auch vor, daß Nachteile i n Aussicht gestellt werden, um eine Einwilligung des Bürgers in eine Beeinträchtigung von fremder Hand zu erlangen. Man denke nur an einen Studenten, dem die Immatrikulation verweigert wird, wenn er sich nicht einer Röntgen-Reihenuntersuchung unterzieht 2 1 . Enthält die Inaussichtstellung eines solchen Übels einen Grundrechtseingriff, so schließt dies nach dem Gesagten die Freiwilligkeit der Einwilligung aus, und sie darf nur auf diese A r t und Weise erzwungen werden, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. Die Frage nach der Eingriffsqualität ist aber i n diesem Bereich nicht immer einfach zu beantworten. Ist es etwa ein Eingriff in A r t . 13 GG, wenn ein Richter dem Kläger zu verstehen gibt, er werde den Prozeß verlieren, falls er nicht einer Beweisaufnahme in seinem Hause zustimme? Braucht die Verwaltung eine gesetzliche Ermächtigung, wenn sie vor der Vergabe einer Subvention vom Bürger Einsicht i n bestimmte Unterlagen fordert? Wann w i r d m. a. W. die Versagung eines Vorteils zu einem Nachteil, dessen Androhung Eingriffsqualität besitzt? Zur Beantwortung dieser Fragen wendet man sich zunächst am besten solchen Konstellationen zu, i n denen ein Staatsorgan eine Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes m i t der Drohung erwirkt, den Grundrechtsträger i m Weigerungsfall an der Verwirklichung eines anderen subjektiven Rechts zu hindern. Als Beispiel sei an den Studenten erinnert, dem gedroht wird, daß er den A n spruch auf Fortführung seines Studiums nicht verwirklichen kann, wenn er nicht in eine Beeinträchtigung seiner körperlichen Unversehrtheit durch eine Röntgenuntersuchung einwilligt. I n derartigen Fällen hat der Bürger die Befugnis, beide Rechte ungehindert auszuüben, solange nicht ein Gesetz die Ausübung einschränkt. Dann ist es staatlichen Organen auch verboten, den Bürger vor die Wahl zu stellen, nur das eine oder das andere Recht zu verwirklichen, solange ihnen dies nicht ein Gesetz erlaubt. Eine E i n w i l l i gung, die unter Mißachtung dieses Prinzips erwirkt wird, beruht also auf einem Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt und ist deshalb nach dem eingangs Gesagten „unfreiwillig". Bei Einwilligungen, die durch die Androhung eines Eingriffs i n ein anderes Schutzrecht erzwungen so Z u m Begriff s. oben, Kap. I 2 bei A n m . 27. 2i Bad.-Württ.
VCH D Ö V 1979/338 ff,
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Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
werden, wie bei der Androhung einer Eigentumsverletzung durch ein Zwangsgeld, ist dies unmittelbar einsichtig. Die Regel gilt aber auch für die Androhung, einen Vorteil zu versagen, auf den der Bedrohte einen Rechtsanspruch hat, wie i m Falle des Studenten, dem die Immatrikulation verweigert wird, wenn er sich nicht der Röntgenuntersuchung stellt. Die gegenteilige Auffassung des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs belegt nur, wie rasch bei den Gerichten die rechtsstaatlichen Sicherungen versagen, wenn staatliche Organe mit nur halbwegs subtilen Zwängen eine Einwilligung erwirken 2 2 . bb) Die Freiwilligkeit der Einwilligung bei der Vergabe von Subventionen Größere Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung der Freiwilligkeit einer Einwilligung, deren Erlangung vom Staat m i t der Zubilligung eines Vorteils verknüpft wird, auf den der Bürger keinen Anspruch hat. Diese Frage stellt sich i n erster Linie bekanntlich dort, wo die Verwaltung die Gewährung einer Subvention davon abhängig macht, daß der Bürger in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes einwilligt, ζ. B. Einblick i n ein nach Art. 14 GG geschütztes Geschäftsgeheimnis gewährt. Aus dem oben entwickelten Grundgedanken folgt, daß die Einwilligung immer dann unfreiwillig ist, wenn die Verweigerung der Subvention einen Grundrechtseingriff darstellt. Wann dies der Fall ist, ist umstritten 2 3 . Es würde zu weit führen, darauf i m einzelnen einzugehen. Einigermaßen breite Ubereinstimmung läßt sich aber wohl darüber herstellen, daß es bei der Entscheidung über eine Subvention zumindest dann um einen Grundrechtseingriff geht, wenn von ihr die Ausübung eines Grundrechts abhängt oder wenn sie den Wettbewerb verzerrt und daher vorauszusehen ist, daß sie die w i r t schaftliche Existenz übergangener Wettbewerber bedroht 2 4 . 22 Bad.-Württ, VGH (oben A n m . 21) m i t sehr kritischer A n m e r k u n g von v. Olshausen D Ö V 1979/340 ff. (341). Ähnliche Beispiele aus der Rechtsprechung der Sozialgerichte bei Lerche, Schutz der Persönlichkeitssphäre i m Bereich der sozialen Sicherheit, Schriftenreihe des deutschen Sozialgerichtsverbandes Bd. 9 (1972) S. 94 ff. (101 A n m . 22). 23 Vgl. dazu etwa Röttgen, Die Fondsverwaltung i n der Bundesrepublik Deutschland (1965) S. 64 f.; Zacher, W d S t R L 25 (1967) S. 308 ff. (338 f.); Menger / Erichsen, V e r w A r c h 61 (1970) S. 174 ff. (177); Schetting, Rechtspraxis der Subventionierung (1973) S. 143 ff. (insbes. S. 163 ff.); Schenke, GewArch 1977/ 313 ff.; Bleckmann (Kap. I A n m . 11) S. 43 ff. (insbes. S. 54 ff.); Henke, Das Recht der Wirtschaftssubventionen als öffentliches Vertragsrecht (1979) S. 252 ff. (insbes. S. 262 ff.). 24 Der Text verfolgt m i t dieser Auffassung eine mittlere Linie. I n der L i t e r a t u r gehen die Meinungen bis heute w e i t auseinander. Gegen jegliche A n w e n d u n g von Einwilligungsgrundsätzen ζ. B. Zacher (oben A n m . 23) S. 339; Bleckmann (Kap. I A n m . 11) S. 56; für die A n w e n d u n g des Grundsatzes volenti non fit i n i u r i a ohne die i m Text enthaltenen Einschränkungen Köttgen (oben A n m . 23) S. 65; Henke (oben A n m . 23) S. 26Ç.
2. Die Freiwilligkeit der gesetzesvertretenden E i n w i l l i g u n g 8 7 Viele Wirksamkeitsbeschränkungen, denen Einwilligungen unterworfen sind, die i m Zusammenhang mit der Subventionsgewährung verlangt werden, beruhen allerdings gar nicht auf dem Erfordernis der Freiwilligkeit, sondern auf objektiven Bindungen des Staatshandelns, die nicht zur Disposition des Bürgers stehen 25 . Man denke an den in der Einleitung gebildeten Fall, i n dem ein Kultusministerium vor der Gewährung eines Druckkostenzuschusses zu einer Dissertation Einblick i n die Korrespondenz des Doktoranden m i t seinen angeblich zahlungsunwilligen Eltern verlangt 2 6 . Dieses Verlangen berührt nach herrschender Auffassung Rechte der Eltern aus Art. 10 GG, über die der Doktorand nicht verfügen kann 2 7 . Soll die Einsichtnahme daneben dazu dienen, etwas über die politischen Auffassungen der Beteiligten zu erfahren, so verstößt sie wegen der Verfolgung sachfremder Zwecke außerdem gegen das Willkürverbot 2 8 . Dies führt zu der Feststellung, daß die Einwilligung unwirksam ist, ohne daß der Frage nachgegangen werden muß, ob sie freiwillig erteilt wurde oder nicht. Es ist wichtig, dies i m Auge zu behalten, da eine Besinnung auf die objektiven Bindungen des Staatshandelns den Begriff der Freiwilligkeit bzw. der Unfreiwilligkeit davor bewahrt, daß er zum Schutze des einwilligenden Grundrechtsträgers überanstrengt wird. Denn i n dem genannten Fall w i r d man sehr darüber streiten können, ob es zur Ausübung der Grundrechte des Doktoranden aus Art. 5 Abs. 3/12 Abs. 1 GG wirklich unerläßlich ist, daß seine Dissertation statt i n der üblichen und billigen Form der fotomechanischen Vervielfältigung als Druckwerk publiziert wird. Verneint man dies aber, so ist seine Einwilligung nach den oben genannten Grundsätzen freiwillig. Beim sog. „Koppelungsverbot" bereitet die Abgrenzung der objektiven Zulässigkeitsschranken von der Freiwilligkeitsfrage allerdings Schwierigkeiten. Dies liegt daran, daß dieses Verbot — wie bereits angedeutet — zwei Wurzeln hat 2 9 . Als Verbot der sachfremden Verbindung von Verwaltungszwecken hat es einen Ursprung i m W i l l k ü r verbot. Durch die Verkoppelung zweier Einflußmöglichkeiten kann aber auch Druck auf den Betroffenen ausgeübt werden und insoweit 25
s. dazu oben, Kap. I I 2 c u n d 3 a. s. oben, Kap. 11 bei A n m . 11. 27 Z u m Schutz des unverschlossenen Briefes durch A r t . 10 GG vgl. Badura, B K (Zweitbearbeitung) A r t . 10 GG, Rdnrn. 28/29; Pappermann, i n v . M ü n c h (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar A r t . 10 GG Rdnr. 11; abw. Dürig, in Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz A r t . 10 GG, Rdnr. 13. — Z u der i m Text bezeichneten Einwilligungsschranke vgl. auch Bleckmann (Kap. I A n m . 11) S. 56 und- oben, Kap. I I 2 c dd. 2 » Vgl. dazu auch Schetting (oben A n m . 23) S. 168 ff. sowie oben, Kap. I I 2 b ee und 3 a. 2» s. oben, Kap. I I 2 b ee bei A n m . 107, 26
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Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
ist das Erfordernis der Freiwilligkeit einer Einwilligung berührt. Doch mag dieses Problem hier ungelöst bleiben, weil ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot der Einwilligung i n jedem Fall die Wirksamkeit nimmt. cc) Die Koppelung der Einwilligung an Beweisnachteile und Verdächtigungen Ein praktisch häufiger Fall, i n dem eine Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsguts verlangt wird, ist die Verbindung eines solchen Verlangens m i t der Androhung von Beweisnachteilen. Für eine beweispflichtige Partei hängt u. U. der Gewinn eines Prozesses davon ab, daß sie i n eine Beeinträchtigung ihrer Grundrechtssphäre einwilligt. Eine solche Interdependenz entsteht dann, wenn die Partei zur Begründung ihres Anspruchs Tatsachen vortragen muß, deren Vorliegen nur dadurch überprüft werden kann, daß man i n ihre grundrechtlich geschützte Geheimsphäre eindringt. Man denke an einen Hauseigentümer, der i m Schadenersatzprozeß gegen einen Installateur behauptet, dieser habe eine Heizanlage in fehlerhafter Weise eingebaut. Bestreitet der Installateur, so geraten für den Kläger zwei Hechte i n Kollision. Denn er kann den Anspruch gegen den Klagegegner i n diesem Fall nur verwirklichen, wenn er die Beweisaufnahme i n seinem Haus zuläßt, also insoweit davon absieht, sich auf das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung zu berufen. Eine Einwilligung i n die Beeinträchtigung des Wohnungsgrundrechts, die der Richter unter Hinweis auf diesen Zusammenhang erreicht, ist deshalb nach den hier entwickelten Kriterien unfreiwillig 3 0 . Die rechtliche Grundlage für die Erzwingung des grundrechtsbeeinträchtigenden Augenscheinsbeweises liegt nicht i n der Einwilligung, sondern i n der Regelung der Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob der geltend gemachte Anspruch wirklich existiert. Denn der Kläger steht zumindest unter den Zwangswirkungen des Kostenrisikos. Mehr Aufmerksamkeit als bei der beweisbelasteten Partei hat der angesprochene Fragenkreis bei der nicht beweisbelasteten Partei gefunden. So hatte ζ. B. der Bundesgerichtshof über einen Streit zu entscheiden, i n dem ein OHG-Gesellschafter auf die i h m vertraglich zustehende Zulassung zur Geschäftsführung klagte, gegen den aber die Mitgesellschafter einwandten, er leide an persönlichen Defekten, die seinen Anspruch ausschlössen31. Nach den allgemeinen Regeln über die Beweislast i m Zivilprozeß war es hier Sache der Mitgesellschafter, 80 I m Ergebnis ebenso v. Meiss, Die persönliche Geheimsphäre und' deren Schutz i m prozessualen Verfahren (1975) S. 94, 31 BGH N J W 1953/1491 f t
2. Die Freiwilligkeit der gesetzesvertretenden E i n w i l l i g u n g 8 9 den Beweis zu führen, daß der Kläger zur Geschäftsführung nicht geeignet war. Doch setzte ein solcher Beweis voraus, daß der Kläger sich mit einer Begutachtung seiner Person einverstanden erklärte. Die Rechtsprechung erklärt heute i n solchen Fällen die nicht beweisbelastete Partei grundsätzlich für verpflichtet, die Untersuchung einschließlich körperlicher Eingriffe zu erdulden und sanktioniert einen Verstoß gegen diese Pflicht m i t Prozeßnachteilen 32 . Hinter einem solchen Nachteil steht letztlich das Risiko des Prozeßverlustes, also die Gefahr, daß der Gegner einen Titel erstreitet, der ihm den Zugriff auf die Vermögensrechte oder die Einwirkung auf andere Rechte der nicht beweisbelasteten Partei erlaubt. Diese w i r d durch die von der Rechtsprechung entwickelte Mitwirkungspflicht vor die Alternative gestellt, ob sie der Beeinträchtigung ihrer Grundrechtssphäre durch eine Beweiserhebung oder durch ein späteres Urteil den Vorzug geben soll. Einverständniserklärungen, die auf diese Weise erzwungen werden, sind ebenfalls unfreiwillig 3 3 . I m Ergebnis ist also festzuhalten, daß Augenscheinsbeweise, die durch die Androhung von Beweisnachteilen erzwungen werden, nicht durch eine Einwilligung legitimiert werden, sondern durch prozessuale Mitwirkungspflichten oder -lasten, die sich aus dem materiellen Recht und dem Verfahrensrecht ergeben 34 . A u f die Frage, ob die Recht32 BGH N J W 1958/1491 ff.; BGH L M Nr. 5 zu §286 (B); BGH N J W 1972/ 1131 ff.; zustimmend Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Z i v i l prozesses (1976) S. 20; kritisch Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien (1976) S. 234 ff. 33 Den Eingriffscharakter betonen auch Gerhardt, AcP 169 (1969) S. 289 ff. (309); Stürner (oben A n m . 32) S. 94. 34 I n der strafrechtlichen Diskussion u m die sog. „Leichenblutentnahmefälle" ist dies nicht hinreichend beachtet worden. I n diesen Fällen geht es u m die Strafbarkeit der Repräsentanten von Berufsgenossenschaften, die bei tödlichen Unfällen i m Straßenverkehr oft ohne E i n w i l l i g u n g der Angehörigen eine Entnahme von Leichenblut veranlassen, u m festzustellen, ob wegen alkoholbedingten Eigenverschuldens der Rentenanspruch der Hinterbliebenen entfällt. Das OLG Frankfurt N J W 1975/271 ff. hat erklärt, die Vertreter der Berufsgenossenschaften machten sich i n solchen Fällen nicht nach § 168 StGB strafbar, denn sie seien durch § 34 StGB gerechtfertigt (einschränkend OLG Frankfurt, N J W 1977/859). Geilen, JZ 1975/380 ff. (383) hat dem m i t dem A r g u m e n t widersprochen, der E i n g r i f f sei nicht „erforderlich" i. S. d. § 34 StGB, w e i l die Berufsgenossenschaft sich nach herrschender Meinung auf eine Beweislastumkehr wegen Beweisvereitelung berufen könne, w e n n die Hinterbliebenen die Zustimmung zur Versicherungssektion verweigerten. Dem hat wiederum Roxin, JuS 1976/505 entgegengehalten, die E i n w i l l i gung der Angehörigen könne eine solche Maßnahme gar nicht rechtfertigen, w e i l sie nicht f r e i w i l l i g erfolge, w e n n sie unter dem Druck des drohenden Verlustes existenzsichernder Rentenansprüche erteilt werde. Aber auf die Frage, ob die E i n w i l l i g u n g f r e i w i l l i g erteilt w i r d , k o m m t es beim Argument Geilens gar nicht an. Denn die Einholung einer „ E i n w i l l i g u n g " , die er als Alternative zur eigenmächtigen Versicherungssektion benennt, ist n u r die Geltendmachung einer prozessualen Mitwirkungspflicht u n d allein deren Voraussetzungen entscheiden über die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Versicherungsagenten,
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Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
sprechung bei der Annahme solcher Pflichten den staatsrechtlichen Eingriffsvorbehalt i n hinreichendem Maß beachtet, kann hier nicht näher eingegangen werden 3 5 . Der aufgestellte Grundsatz gilt für alle Prozeßarten. I m Strafprozeßrecht dürfte i h m freilich kaum praktische Bedeutung zukommen. Denn hier ist die Androhung echter Beweisnachteile wegen des Prinzips der materiellen Wahrheit und des Grundsatzes i n dubio pro reo unzulässig und daher kein taugliches Zwangsmittel 3 6 . Dafür drohen dem Bürger, der i m Zusammenhang m i t einem Strafverfahren eine Einwilligung verweigert, u. U. ähnliche, nicht weniger gravierende Nachteile. Wer sich auf eine entsprechende Bitte hin weigert, durch eine Einwilligung — etwa in eine Identifizierungsmaßnahme — an der Aufklärung einer Straftat mitzuwirken, gerät leicht in den Verdacht, selbst an dieser Tat beteiligt gewesen zu sein. Ein solcher Vedacht bildet aber in etlichen strafprozessualen Ermächtigungsnormen die ausschlaggebende Voraussetzung für die Zulässigkeit zwangsweiser Aufklärungsmaßnahmen, die die Grundrechtssphäre des Bürgers berühren 3 7 . Daher steht dieser i m Strafverfahren u. U. vor der Wahl, entweder einzuwilligen oder einzelne Grundrechte dem zwangsweisen Zugriff der Strafverfolgungsorgane preiszugeben. Eine Einwilligung, die in einer solchen Zwangslage erteilt wird, ist nach dem eingangs entwickelten Grundprinzip nicht freiwillig erklärt 3 8 . 35 Dazu Gerhardt (Anm. 33) S. 309; Stürner (Anm. 32) S. 94 ff.; 256 A n m . 83. Stürner w i l l den Vorbehalt des Gesetzes i n voller Strenge nur bei v o l l streckbaren Pflichten und i m Prozeß zwischen Staat u n d Bürger angewendet wissen. Bei nicht vollstreckbaren Pflichten soll — zumindest vorerst — eine Analogie zu positiven Einzelregelungen ausreichen, aus denen sich eine Mitwirkungspflicht ergibt. Bei der Zustimmung der beweispflichtigen Partei wäre zu prüfen, ob es sich nicht u m eine „eingriffsmildernde" E i n w i l l i g u n g (unten, Kap. I I I 3) handelt. 36 Vgl. aber Laxer N J W 1977/1139, der aus §231 StPO ableitet, daß ein p a r t i e l l verhandlungsunfähiger Angeklagter, der seine Wohnung nicht verlassen kann, einer Verhandlung i n der Wohnung zustimmen muß, w e n n er die negativen Folgen des § 231 Abs. 2 StPO — Verhandlung ohne den A n geklagten — vermeiden w i l l . Zweifelnd Kleinknecht § 231 StPO Rdnr. 8. 37 Dies gilt i n erster L i n i e für die Haussuchung i. S. d. § 102 StPO u n d f ü r solche Eingriffsermächtigungen, die an die Beschuldigten-Eigenschaft anknüpfen wie §§ 81 a, 81 b, 99 StPO. 38 Presseberichte über eine Ermittlungsaktion i m Saarland zeigen, daß diese Erkenntnis sich auch i n der Praxis durchzusetzen beginnt. Bei dieser Ermittlungsaktion ging es u m die A u f k l ä r u n g eines Doppelmordes i n einer kleinen saarländischen Gemeinde. Die K r i m i n a l p o l i z e i vermutete, daß der Täter aus dem Ort stammte. Sie forderte daher die 750 männlichen E i n wohner auf, sich f r e i w i l l i g Fingerabdrücke abnehmen zu lassen, die m i t einem am Tatort aufgefundenen Abdruck verglichen werden sollten. Die A k t i o n wurde jedoch sehr rasch wieder abgesagt, w e i l Bedenken gegen die F r e i w i l l i g k e i t der E i n w i l l i g u n g entstanden. Vgl. Trierischer Volksfreund V. 21. 3.1980; FAZ vom 22. 3.1980 S. 7,
2. Die Freiwilligkeit der gesetzesvertretenden E i n w i l l i g u n g 9 1 dd) Die Freiwilligkeit der Einwilligung gefangener Personen Eine besondere Herausforderung für die Dogmatik des Freiwilligkeitsbegriffs bilden jene bereits erwähnten Regelungen, die selbst bei inhaftierten Personen von der Möglichkeit einer Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes ausgehen. Auch hier gilt der eingangs aufgestellte Grundsatz, daß die Einwilligung dann unfreiwill i g ist, wenn sie durch die Androhung des Verlustes einer anderen subjektiven Berechtigung des Einwilligenden erzwungen wird. Schwierigkeiten bereitet aber die Realisierung dieses Prinzips i n einer geschlossenen Anstalt. Denn hier hängt der Einzelne bei der Ausübung seiner Rechte in so umfassender Weise von den Repräsentanten einer „totalen Institution" ab, daß diese ihn durch kaum kontrollierbaren Druck leicht zu Erklärungen bringen können, die nicht i n seinem, wohl aber i n ihrem Interesse liegen 3 9 . Es liegt deshalb nahe, Einwilligungen in diesem Bereich von vornherein als unfreiwillig und deshalb als unwirksam abzutun 4 0 . Aber das wäre eine allzu schlichte Lösung. Denn es wäre höchst problematisch, einem Gefangenen nur deshalb, weil er gefangen ist, auch noch die Möglichkeit zu nehmen, sich für eine Heilbehandlung oder ähnliche Maßnahmen zu entscheiden, die der Wahrung von Interessen dienen, deren Beeinträchtigung durch den Zweck der Inhaftierung nicht zu rechtfertigen ist. Wie schon angedeutet, hat der Gesetzgeber sich von derart einfachen Lösungen auch fern gehalten. Untersucht man die vielen verstreuten Normen, die seit dem Niedergang der Lehre vom „besonderen Gewaltverhältnis" zur Einwilligung zwangsweise festgehaltener Personen ergangen sind, so zeichnen sich drei Arten von Einwilligungen ab, die in der Gesetzgebung eine unterschiedliche Behandlung erfahren. Die erste Gruppe von Einwilligungsregelungen betrifft Erklärungen, die man als unmittelbar eigennützig bezeichnen kann, weil der vom Einwilligenden zugelassene A k t selbst dem Zustimmenden einen Vorteil bringt. Zu nennen sind hier einmal die §§17 Abs. 3 Nr. 4 / 5 8 / 6 3 StrafVollzG 4 1 , die von der Möglichkeit einer freiwilligen Zustimmung des Gefangenen zur Unterbringung in Einzelhaft und zu Maßnahmen 39 Z u m Begriff der totalen I n s t i t u t i o n und ihrer Soziologie umfassend Goffman, Asyle (1972), insbes. S. 15 ff. Goffmans Begriff der totalen I n s t i t u t i o n ist allerdings weiter als der der geschlossenen Anstalt. Aus dem U m stand der Inhaftierung ergeben sich daher u. U. Besonderheiten, die nicht f ü r alle sonst vergleichbaren Einrichtungen gelten. Siehe dazu auch unten, Anm. 47. 40 Vgl. dazu die Nachweise bei Adler / Saupe (Kap. I I A n m . 130) S. 252. 4 * Anhang V Ç.
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Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
der medizinischen Versorgung ausgehen. Ferner gehören die Heilbehandlungsregelungen i n den Unterbringungsgesetzen hierher 4 2 . Der Gesetzgeber läßt i n diesen Normen unmittelbar eigennützige E i n w i l l i gungen durchweg zu, ja setzt ihre Zulässigkeit zuweilen stillschweigend voraus und regelt lediglich Folgeprobleme wie Kostenfragen 43 . Sein großzügiger Umgang mit solchen Einwilligungen 4 4 dürfte zum einen auf dem erwähnten Gedanken der Vermeidung sinnwidriger Deprivationen beruhen, zum anderen aber auch auf einer Vermutung der Freiwilligkeit. Denn bei einer Einwilligung, die unmittelbar dem Eigeninteresse dient, kann man selbst i n einer „totalen Institution" noch i m Grundsatz davon ausgehen, daß der Einwilligende sie auch wirklich wünscht. Eine Widerlegung i m Einzelfall w i r d dadurch natürlich nicht ausgeschlossen. Die zweite Gruppe gesetzlicher Normierungen betrifft fremdnützige Einwilligungen. Zu nennen sind hier einmal die Regelungen der §§ 40 Abs. 1 Nr. 3 A M G / 41 Abs. 2 StrahlenschutzVO über die Einwilligung Gefangener in medizinische Experimente 4 5 . Aber auch § 136 a Abs. 3 StPO 4 6 w i r d man hierher rechnen müssen, denn er betrifft Erklärungen, für die fast nur zwangsweise festgehaltene Personen i n Betracht kommen. Die genannten Normen erklären die Einwilligung für unwirksam. Dahinter steht eine Vermutung der Unfreiwilligkeit. Bei Einwilligungen, die dem Gefangenen keinen unmittelbaren Nutzen bringen, liegt der Gedanke nahe, daß sie entweder auf den ungreifbaren Zwängen totaler Institutionen beruhen oder durch die Überlegung motiviert sind, sich auf diese Weise die Freilassung zu erdienen 47 . Auch i m zuletzt genannten Fall erfolgt die Einwilligung unfreiwillig. Denn der Gefangene opfert hier ein Persönlichkeitsrecht für die V e r w i r k lichung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG auf.
42 Vgl. z.B. §21 Abs. 2 Brem. Unterbr. G; §35 Abs. 2 - 4 Hamb. Psych. K G ; 26 Abs. 2 N R W Psych. K G ; § 19 Saarld. UnterbringungsG — alle abgedruckt i m Anhang V I . « Vgl. §§ 58/63 StrafVollzG (Anhang V C). 44 Vgl. auch noch § 15 Abs. 3 S. 1 M E PolG (Anhang I I I A). 45 Anhang I A u n d B . 46 Anhang V B. 47 Dies w i r d i n der rechtswissenschaftlichen Diskussion des Humanexperiments allgemein hervorgehoben. Vgl. dazu schon Heinitz, JR 1951/333 (334); Böth, N J W 1967/1493 (1495); ferner heute Deutsch, Das Recht der klinischen Forschung am Menschen (1979) S. 78 f., 114 f., 144; Schimikowski, Experiment am Menschen (1980) S. 28 ff. Siehe auch Fischer (Kap. I I A n m . 108) S. 33 f., der unter Hinweis auf amerikanische Studien allerdings Zweifel anmeldet, ob fundamentale Unterschiede zwischen Gefangenschaft u n d stationärer Behandlung bestehen. Dem ist m. E. entgegenzuhalten, daß ein stationär behandelter K r a n k e r i m m e r h i n die Anstalt wechseln kann, ein Gefangener aber nicht.
2. Die Freiwilligkeit der gesetzesvertretenden E i n w i l l i g u n g 9 3 Zustimmungserklärungen, die der Gefangene i n Erwartung einer derartigen Kompensation abgibt, werden vom Gesetzgeber allerdings nicht durchweg als unbeachtlich abgestempelt. Eine dritte Gruppe von Normen erkennt vielmehr in Einzelfällen solche mittelbar eigennützigen Einwilligungen an. Dies zeigen die §§ 3 Abs. 2 KastrationsG 4 8 und 148 Abs. 2 StPO 4 9 . Die Regelung des § 3 Abs. 2 KastrationsG erklärt die Einwilligung eines Gefangenen in eine Kastration für beachtlich, obgleich man weiß, daß gefangene Sexualstraftäter einer solchen Operation i n aller Regel nur deshalb zustimmen, weil sie sich eine Entlassung gem. §§57 oder 67 e StGB erhoffen 50 . Nach §148 Abs. 2 StPO dürfen Schriftstücke und andere Gegenstände, die der Verteidiger einem des Terrorismus verdächtigen Untersuchungshäftling zuleiten will, nur dann ausgehändigt werden, wenn der Inhaftierte sich mit einer richterlichen Kontrolle einverstanden erklärt. I n beiden Fällen bringt der durch die Einwilligung zugelassene A k t selbst — also die Kastration bzw. die Briefkontrolle — dem Gefangenen keinen Vorteil. Aber die „Gegenleistung" — die Entlassung bzw. die Aushändigung der Verteidigerpost — ist dem Einwilligenden dienlich. Da der Gefangene auf diese „Gegenleistungen" an sich einen grundrechtlich gesicherten A n spruch hat, er sie aber nur durch Aufopferung eines anderen Grundrechtsguts erkaufen kann, erfolgen die entsprechenden Einwilligungen nicht freiwillig. Sie schließen jedoch andere Grundrechtseingriffe aus, die dem Gefangenen härter erscheinen, oder mildern solche Eingriffe zumindest ab. Es handelt sich daher um Fälle der „eingriffsmildernden" Einwilligung. Versucht man aus dieser Ubersicht über die Gesetzgebung und ihre Gründe verallgemeinerungsfähige Prinzipien für die Behandlung der Einwilligung gefangener Personen abzuleiten, so ergibt sich folgendes: Bei der unmittelbar eigennützigen Einwilligung kann man offenbar von der Freiwilligkeit ausgehen, solange nicht besondere, i m Einzelfall begründete Umstände dies ausschließen. Eine ausdrückliche gesetzliche Zulassung erscheint nicht unbedingt notwendig. Bei rein fremdnützigen Einwilligungen ist dagegen mangels eines eigenen Interesses des Gefangenen zu befürchten, daß die i n der geschlossenen Anstalt gegebene Zwangslage der eigentliche Auslöser der Erklärung ist. Wenn eine solche Einwilligung zugelassen werden soll, bedarf dies einer gesetzlichen Regelung, die Vorkehrungen dafür trifft, daß der Gefangene auch wirklich frei entscheiden kann 5 1 ; das ist eine Konsequenz des oben entwickelten Prinzips, daß in Grauzonen unsicherer Freiwilligkeit der « Anhang I C. 4» A n h a n g V B. 50 Vgl. Bockelmann, Das Strafrecht des Arztes, i n Ponsold (Hrsg.), L e h r buch der Gerichtlichen Medizin (3. A u f l . 1967) S. 1 ff. (22 A n m . 22). si Vgl. dazu auch Kohlhaas, N J W 1967/1489 (1490); Deutsch (oben Anm. 44)
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Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
Gesetzgeber zum Grundrechtsschutz verpflichtet ist 5 2 . Mittelbar eigennützige Einwilligungen gefangener Personen schließlich sind Fälle der „eingriffsmildernden" Einwilligung und beurteilen sich nach den dort darzustellenden Grundsätzen 53 . Bei der unmittelbar eigennützigen Einwilligung stellt sich dann noch das Problem, daß u. U. unsicher ist, ob die mit der Einwilligung zugelassene Maßnahme dem Einwilligenden wirklich Nutzen bringen wird. Ist das Personal der Anstalt aber an der Maßnahme interessiert, so besteht gerade i n solchen Fällen die Gefahr, daß die Einflußkanäle der totalen Institution dazu benutzt werden, von dem Gefangenen eine Einwilligung zu erwirken, die seinen Interessen letztlich gar nicht entspricht. Man denke an einen Anstaltsarzt, der einen Gefangenen zu einer riskanten oder schmerzhaften Operation drängt, an der er ein wissenschaftliches Interesse hat oder die er deshalb wagen w i l l , weil sie i m Erfolgsfall in der K l i n i k Platz schafft. Für einen speziellen Risikofall dieser A r t t r i f f t § 41 A M G 5 4 i n rigoroser Weise Vorkehrungen. § 41 A M G überträgt das i n § 40 Abs. 1 Nr. 3 A M G aufgestellte Verbot pharmazeutischer Versuche an Gefangenen auch auf sog. Heilversuche, d. h. auf die Erprobung von Medikamenten, die dem Erkrankten potentiell nützlich sind. Diese Regelung schafft zwar klare Verhältnisse, ist aber unangemessen starr. Denn sie läuft letztlich darauf hinaus, daß eine inhaftierte Person nicht nur die Freiheit, sondern auch noch Heilungschancen verliert, die anderen Personen offen stehen, ohne daß der Grund der Inhaftierung diese zusätzliche Deprivation in irgend einer Weise rechtfertigt 5 5 . Einen angemesseneren Ausgleich der Interessen schafft demgegenüber die Regelung des § 26 Abs. 2 PsychKG NRW 5 6 . Diese Bestimmung sieht vor, daß ärztliche Eingriffe, die mit erheblichen Gefahren oder Persönlichkeitsveränderungen verbunden sind, nicht nur der E i n w i l l i gung des Untergebrachten, sondern auch der Zustimmung des „Gerichtsärztlichen Ausschusses" bedürfen 57 . Durch die Einschaltung dieses S. 114 ff.; Schimikowski (oben A n m . 44) S. 34 ff. Deutsch u n d Schimikowski verweisen auf amerikanische Vorbilder. 52 s. oben, Kap. I I 3 b aa bei Anm. 217. 53 s. dazu unten, Kap. I I I 3. 54 Anhang I A. 55 Kritisch auch Deutsch, Medizin u n d Forschung (1978) S. 48; Fischer (Kap. I I Anm. 108) S. 67. Da der Gefangene ein durch A r t . 2 Abs. 2 S. 1 GG gesichertes Recht auf die Wiederherstellung seiner Gesundheit hat (s. oben, Kap. I 2 a aa bei A n m . 44), ist zweifelhaft, ob eine so rigorose Behinderung seiner Heilungschancen überhaupt verfassungsmäßig ist. 5« Anhang V I F. 57 Vgl. dazu den Beschluß des Preußischen Staatsministeriums v. 30. 4. 1921 (PrGS N W S. 38) und die Anweisungen für den Gerichtsärztlichen Ausschluß v. 14. 3.1970 (JMB1 N R W S. 113).
2. Die Freiwilligkeit der gesetzesvertretenden E i n w i l l i g u n g 9 5 Gremiums w i r d dafür Sorge getragen, daß die Anstaltsleitung ihren Einfluß nicht zur Erwirkung von Einwilligungen verwendet, die den Interessen des Gefangenen letztlich widersprechen könnten 5 8 . Gleichzeitig hält die Vorschrift dem Untergebrachten aber alle Heilmethoden offen, die neutrale Fachleute für vertretbar halten. Man w i r d sagen müssen, daß der Staat verpflichtet ist, überall vergleichbare Vorkehrungen zu schaffen, wo dem einwilligenden Gefangenen bleibende Nachteile drohen. Immerhin ist der Staat selbst es, der die einschlägigen Einrichtungen schafft. Damit übernimmt er auch die Verantwortung dafür, daß dem Insassen einer solchen Institution keine unangemessenen Schäden zugefügt werden. Unterläßt der Gesetzgeber es, den Gefangenen hiergegen zu sichern, so w i r d man Schäden, die sich aus der Realisierung eines unvertretbaren Risikos ergeben, nicht dem Gefangenen, sondern dem Staat anlasten müssen. ee) „Gewissenszwänge" M i t der Verneinung der Freiwilligkeit einer Einwilligung, die ein Bürger unter dem Einfluß besonderer institutioneller Abhängigkeit oder i n einer bestimmten Verdachtslage erklärt, werden bereits einigermaßen subtile Zwänge erfaßt und vom Grundrechtsträger abgewehrt. Es fragt sich aber, ob es nicht nötig ist, auf diesem Weg noch einen Schritt weiter zu gehen und die Freiwilligkeit einer gesetzesvertretenden Einwilligung auch dann auszuschließen, wenn der Staat reinen „Gewissenszwang" ausübt. Diese Frage liegt deshalb nahe, weil die entschädigungsrechtliche Rechtsprechung derartige Zwänge anerkennt 5 9 . Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist ein Impfschaden bekanntlich schon dann ein „abgenötigtes" Sonderopfer i. S. d. § 75 Einl PrALR, wenn der Staat die Impfung empfohlen und dadurch „Gewissenszwänge" erzeugt hat 6 0 . Sogar das bloße „psychologische Abfordern" einer Impfung durch ein Merkblatt, das ihre Vorzüge für die Allgemeinheit scharf von ihrer geringen Gefährlichkeit abhebt, soll die Freiwilligkeit des Opfers ausschließen und für die Gewährung eines Aufopferungsanspruchs ausreichen 61 . Auf die Freiwilligkeit der gesetzesvertretenden Einwilligung lassen sich derartige Formeln freilich nur übertragen, wenn dies methodisch zulässig ist. Wie oben gezeigt, ist der Freiwilligkeitsbegriff ein normase Parensen, Die Unterbringung Geistes- u n d Suchtkranker (1972) S. 319. 5» Nachweise bei Kr eft, öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen (1980) Rdnr. 151. eo BGHZ 24/45 ff. 6i BGHZ 31/187 ff. (191).
Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung tiver, durch seine juristische Funktion geprägter Begriff 6 2 . I m Bereich der gesetzesvertretenden Einwilligung erfüllt er aber eine andere A u f gabe als i m Recht der Aufopferungsentschädigung. Bei der gesetzesvertretenden Einwilligung entscheidet die Freiwilligkeit darüber, ob eine Grundrechtsgutsbeeinträchtigung legitim ist, weil sie auf dem Konsens zwischen Staat und Bürger beruht. Bei der Aufopferung geht es dagegen nicht um die Legitimierung einer Grundrechtsgutsverletzung, sondern um die Verwirklichung des Gleichheitssatzes durch Ausgleich eines Sonderopfers. Dies legt es nahe, den Begriff des „abgenötigten" Sonderopfers i. S. d. § 75 Einl P r A L R auf alle Ungleichheiten auszudehnen, die durch eine staatliche Empfehlung verursacht wurden und vom Geschädigten zumindest i m Ergebnis nicht gewollt waren. Einschränkungen des Freiwilligkeitsbegriffs, die hieraus resultieren, haben m i t den Zwecken, die das Freiwilligkeitspostulat bei der gesetzesvertretenden Einwilligung erfüllt, kaum etwas zu tun. Solange „Gewissenszwänge", die einen Aufopferungsanspruch begründen, nicht aus besonderen Gründen Eingriffsstärke erreichen, beseitigen sie daher noch nicht die Wirksamkeit einer gesetzesvertretenden Einwilligung 6 3 . Die Einwilligung taugt also trotz derartiger „Zwänge" noch immer als Legitimationsgrundlage einer gesetzlich nicht legitimierten Grundrechtsgutsbeeinträchtigung. Diese Divergenz der Untergrenzen des Freiwilligkeitsbegriffs geht letztlich auf die Grundprinzipien der Ordnung unseres Gemeinwesens zurück. Der soziale und demokratische Rechtsstaat lebt von der Solidarität seiner Bürger wie von ihrer Bereitschaft, ihre Freiheit zu behaupten. Einem Sozialstaat ist es angemessen, daß er denjenigen, der seinen Appell zur Solidarität befolgt, nicht allein läßt, wenn sich hieraus Schadensfolgen ergeben, die niemand wünschte. Aber Rechtsstaat und Demokratie beruhen auch darauf, daß man dem Bürger die Kraft zutraut, sich einem rein moralischen Ansinnen zu widersetzen, wenn ihm das angesonnene Verhalten widerstrebt. c) Anforderungen
an die Einzelerklärung
Die vorstehenden Ausführungen waren durch die Frage ausgelöst worden, welche Folgerungen sich speziell daraus ergeben, daß der Begriff der Freiwilligkeit von dem Begriff des Eingriffs und seinen Problemen abhängt. Es ist aber noch nötig, die wichtigsten allgemeinen Anforderungen zu formulieren, denen die einzelne freiwillig erteilte Einwilligung genügen muß. Dies soll i m folgenden geschehen. β2 s. oben, Kap. I I I 2 a. es Vgl. dazu auch die Formulierung bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht (2. A u f l . 1978) S. 82, der hoheitliche Zwang i. S. d. Aufopferungsrechts sei nicht auf den „Rechtszwang" beschränkt.
2. Die Freiwilligkeit der gesetzesvertretenden Einwilligung aa) Einwilligung und Nichtausübung Die Einwilligung und ihr Gegenstück, die Geltendmachung des Grundrechts durch den Grundrechtsträger, sind nur Extremfälle praktisch möglicher Reaktionen auf die Bedrohung eines Grundrechtsgutes. Zwischen diesen beiden Polen liegt die bloße Hinnahme einer Rechtsgutsbeeinträchtigung, bei der der Betroffene aus irgendwelchen Gründen auf Widerspruch verzichtet, obgleich er mit der Maßnahme keineswegs einverstanden ist. Solche Passivität w i r d von den Repräsentanten staatlicher Gewalt leicht als Einwilligung gedeutet. So glaubte ζ. B. der Bundesgerichtshof darin, daß der Angeklagte der Verlesung eines Briefes i n der Hauptverhandlung nicht widersprach, bereits einen „Verzicht" auf das Brief- und Postgeheimnis erblicken zu können 6 4 . Ähnlich betrachtete das Hamburger Hochschulamt die Inanspruchnahme einer Universitätsklinik schon als konkludente Einwilligung i n die Weitergabe der Krankengeschichten an die Aufsichtsbehörde 65 . Auch die K r i m i nalbeamten, die von einer Eintrittserlaubnis ausgehen, wenn der Wohnungsinhaber nicht sofort die Tür vor ihnen zuschlägt, gehören i n diesen Zusammenhang 66 . Derartige Folgerungen aus dem bloßen Faktum der widerspruchslosen Hinnahme einer Grundrechtsgutsbeeinträchtigung sind abzulehnen 6 7 . Grundrechte beruhen auf Normen des objektiven Rechts, die den Handlungsspielraum staatlicher Organe beschränken. Eine staatliche Maßnahme, die diesen Normen widerspricht, ist daher auch dann grundrechtswidrig, wenn der Betroffene sich nicht ausdrücklich auf sein Recht beruft. Die Nichtausübung eines Grundrechts kann Gründe haben, die von der Unkenntnis bis zur Scheu vor zeitlichem oder finanziellem Aufwand reichen. Nur eine Erklärung des Verfügungsberechtigten, die eindeutig Ausdruck seiner Zustimmung ist, kann aber die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes beseitigen. Mehr als das Erfordernis der Eindeutigkeit läßt sich aus dem Gesagten freilich nicht ableiten. Weitergehende Anforderungen, die die Beachtung einer Erklärung als Einwilligung an das Erfordernis der Ausdrücklichkeit oder gar der Schriftlichkeit binden, bedürfen der A n erkennung durch ein Gesetz. Das ergibt sich aus dem Gedanken der Rechtsklarheit sowie daraus, daß Formvorschriften, die Wirksamkeitsvoraussetzungen aufstellen, die allgemeine Einwilligungsfreiheit ein64 BGH JZ 1965/66 ff. (68) m i t kritischer A n m e r k u n g von Evers. «5 Berichtet von Kreuzer N J W 1975/2232 (2235). 66 s. dazu oben, Kap. 1 1 bei A n m . 7. 67 Ebenso z.B. Evers JZ 1965/68; Dahs N J W 1968/414; Peters JR 1969/ 232 ff. (233); Kreuzer (oben A n m . 65) S. 2235 f.; Loewe / Rosenberg / Meyer, §81 a StPO Rdnr. 10, § 81 c StPO Rdnr. 5, §105 StPO Rdnr. 1; Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 548. 7 Amelung
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Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
schränken. I n Bereichen, i n denen eine besondere Gefahr mißbräuchlicher Interpretation der Nichtausübung besteht, ist der Gesetzgeber nach dem zum Gesetzesvorbehalt Gesagten allerdings verpflichtet, Formvorschriften zu erlassen, die den Mißbrauch ausschließen 68 . Ein Vorbild für die Erfüllung dieser Verpflichtung bieten die Datenschutzgesetze 60 . bb) Der I r r t u m über die Freiwilligkeit Einen Sonderfall der Nichtausübung bilden jene Konstellationen, in denen der Grundrechtsträger eine Grundrechtsgutsbeeinträchtigung hinnimmt, weil er irrtümlich davon ausgeht, zur Duldung verpflichtet zu sein. Hier muß entschieden werden, ob der Bürger oder der Staat m i t dem Irrtumsrisiko belastet werden soll. I n der Praxis entstehen Irrtümer dieser A r t am ehesten dort, wo ein mit Befehlsgewalt ausgestatteter Repräsentant des Staates einen Bürger auffordert, i n eine Beeinträchtigung seiner Grundrechtssphäre einzuwilligen. I n solchen Fällen ist für den Bürger oft schwer zu erkennen, ob die Aufforderung, die an ihn gerichtet wird, einen Befehl darstellt, der ihn bindet, oder lediglich eine Bitte ist, die er auch abschlagen kann. Es sei insoweit nur an den mehrfach erwähnten Alltagsfall eines uniformierten Polizisten erinnert, der an der Wohnungstür klingelt und höflichst um Einlaß bittet, um eine Haussuchung durchzuführen. Ist der Polizist nicht i m Besitz des nach § 105 Abs. 1 StPO erforderlichen Haussuchungsbefehls eines Richters, so ist sein Gesuch um Einlaß eine echte Bitte. Ist dagegen Gefahr i m Verzuge und ist der Polizist Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft i. S. d. § 152 GVG, so ist seine „ B i t t e " nur ein freundlich verpackter Befehl; denn der Polizist ist unter diesen Umständen befugt, die Haussuchung auch ohne richterliche Anordnung vorzunehmen (§ 105 Abs. 1 S. 1 letzte A l t . StPO). Der Wohnungsinhaber kann aber in aller Regel nicht erkennen, was mit der „Bitte" des Polizisten nun eigentlich gemeint ist. I m Zweifel dürfte er sie als Befehl auffassen, dem tunlichst nachzukommen ist. Interpretiert er dabei fälschlich eine echte Bitte als Befehl, so stellt sich die Frage, ob der Polizist noch behaupten kann, die Einwilligung des Wohnungsinhabers rechtfertige sein gesetzlich nicht gedecktes Vorgehen. Die Einwilligung eines Bürgers, der eine Bitte fälschlich als staatlichen Befehl versteht, beruht auf der Fehlvorstellung, es gebe keine tragbare Alternative. Ein solcher Fehler beeinflußt die Willensbildung, und der Irrtum, den er hervorruft, ist folglich ein sog. Motivirrtum. es s. oben, Kap. I I 3 b aa bei A n m . 217. β» Vgl. ζ. B. §§ 3 Abs. 2/9 Abs. 2 BDSG; 5 Abs. 2 u. 3 Rhld.-Pf. L D a t G — abgedruckt i m Anhang I I A u n d C.
2. Die Freiwilligkeit der gesetzesvertretenden Einwilligung
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Von den Ausnahmen i n §§119 Abs. 2/123/2078 ff. BGB abgesehen, gilt ein derartiger I r r t u m i m Zivilrecht als unbeachtlich. Doch lassen sich Grundsätze, die für die Willenserklärung des bürgerlichen Rechts gelten, nicht einfach auf eine Einwilligung übertragen, die i m Einzugsbereich des öffentlichen Rechts erteilt w i r d 7 0 . Denn als bloße E i n w i l l i gung schafft sie keine rechtliche Bindung für die Zukunft, sondern nur eine Erlaubnis für die Gegenwart, und als Erklärung an einen Träger öffentlicher Gewalt ist sie in eine Rechtsbeziehung eingebettet, i n der einseitige Eingriffe nicht prinzipiell verboten, sondern durchaus üblich sind. Die zuletzt erwähnte Besonderheit schließt es auch aus, die Grundsätze, die für die Einwilligung i m Bürger-Bürger-Verhältnis gelten, unbesehen auf die staatsgerichtete Einwilligung zu übertragen 71 . Von Interesse bleibt freilich, daß das Zivilrecht i n § 119 Abs. 2 BGB den M o t i v i r r t u m dann für beachtlich erklärt, wenn er eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Vertragsgegenstandes betrifft. Dem liegt offenbar die Vorstellung zugrunde, daß ein Motivirrtum, der für die angeknüpfte Rechtsbeziehung typisch ist, Beachtung finden soll. Denn auf einen typischen M o t i v i r r t u m kann der Erklärungsgegner sich grundsätzlich einstellen und durch Anlieferung hinreichender Informationen selbst etwas zu seiner Vermeidung tun. Dies t r i f f t aber auch für den I r r t u m zu, den ein mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteter Amtswalter hervorruft, wenn er einen Bürger zur Erteilung einer Einwilligung veranlaßt. Denn es ist ein typisches Risiko einer solchen Aufforderung, daß sie als Befehl mißverstanden werden kann, und der Amtswalter hat es i n der Hand, einen solchen I r r t u m zu verhindern. Hinzu kommt, daß der Amtswalter mit der Aufforderung das I r r tumsrisiko stets selbst begründet und hierbei die Grenzen zur Drohung verschwimmen 72 . Bedenkt man schließlich, daß das Sozialstaatsprinzip es ohnehin verbietet, i m Verhältnis zwischen Staat und Bürger einfach vom Grundsatz „iura vigilantibus scripta sunt" auszugehen 73 , so spricht alles dafür, nicht den Irrenden, sondern den Auffordernden m i t den Folgen eines Motivirrtums zu belasten, der auf die geschilderte Weise entsteht. Die Einwilligung kann also i n einem solchen Fall der Beeinträchtigung der Grundrechtssphäre nicht den Makel der Rechtswidrigkeit nehmen. I m Bereich des § 105 StPO w i r d dies auch grundsätzlich anerkannt 7 4 . 70 Ä h n l i c h Krause V e r w A r c h 61 (1970) S. 297 ff. (335 f.) unter spezieller Erwähnung des M o t i v i r r t u m s . 71 Verkannt w i r d dies von BGH(Z) N J W 1964/1177 (1178). Z u m M o t i v i r r t u m i m Bürger-Bürger-Verhältnis zuletzt Kühne (Kap. I A n m . 15) S. 244 f. m. w. N. 72 Z u r Drohung i m Bürger-Bürger-Verhältnis Arzt, Willensmängel bei der E i n w i l l i g u n g (1970) S. 33 ff. 73 s. oben, Kap. I I 3 c bei A n m . 251. 7*
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Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
Weniger eindeutig zu entscheiden, aber gewiß auch ungleich seltener sind Fälle, in denen ein Grundrechtsträger von sich aus einem Hoheitsträger die Möglichkeit zur Beeinträchtigung seiner Grundrechtssphäre eröffnet, weil er irrtümlich glaubt, dazu verpflichtet zu sein. Hier ist der Repräsentant staatlicher Gewalt nicht „Verursacher" der Grundrechtsgutsbeeinträchtigung und er hat auch nicht notwendig einen uneinholbaren Vorsprung an Informationen, denn die konkreten Umstände, auf denen der I r r t u m beruht, liegen in der Sphäre des Bürgers. Immerhin bleibt aber bei jedem spezialisierten Staatsorgan ein Uberschuß an rechtlichen Informationen, und da die Vertreter derartiger Organe gehalten sind, die Sphäre der Bürger auch nicht fahrlässig zu verletzen, w i r d man sie nur bei einem unerkennbaren I r r t u m vollständig vom Irrtumsrisiko entlasten können 7 5 . cc) Die Pflicht zur Aufklärung über die Freiwilligkeit W i l l sich der staatliche Amtswalter von dem Irrtumsrisiko befreien, so muß er den Grundrechtsträger darüber aufklären, daß es i h m frei steht, ob er die Grundrechtsgutsbeeinträchtigung hinnehmen w i l l oder nicht. Aus der Belastung mit dem Risiko des Irrtums über die Freiwilligkeit folgt also eine entsprechende Aufklärungslast des Amtswalters. Sie ist letztlich Ausfluß seiner Pflicht, rechtswidrige Beeinträchtigungen des Grundrechtsgutes zu unterlassen und kann deshalb auch als „Aufklärungspflicht" bezeichnet werden 7 6 . Grundlage der Pflicht des Staates zur Unterlassung rechtswidriger Grundrechtsgutsbeeinträchtigungen ist das rechtsstaatliche Prinzip, daß solche Akte nur erlaubt sind, wenn eine gesetzliche Ermächtigung oder der Konsens des Verfügungsberechtigten vorhanden ist 7 7 . Insoweit bildet das Rechtsstaatsprinzip die letzte Wurzel der Aufklärungspflicht. Bei ihrer inhaltlichen Ausgestaltung spielt aber auch das Sozialstaatsprinzip eine Rolle 7 8 . Denn es beeinflußt die Verteilung des Informations- und Irrtumsrisikos, an das die Aufklärungspflicht anknüpft und — wie zu zeigen sein w i r d — auch den Umfang der geforderten A u f klärung. Voraussetzungen und Grenzen der Aufklärungspflicht ergeben sich aus ihrer Begründung. 74 Loewe / Rosenberg / Meyer, §105 StPO Rdnr. 1; Kleinknecht §105 StPO Rdnr. 2; vgl. auch BGH(Z) N J W 1964/1177 ff. (1178) zum I r r t u m über die F r e i w i l l i g k e i t einer Freiheitsentziehung. 75 Vgl. dazu auch Krieger, Das Recht des Bürgers auf behördliche Ausk u n f t (1972) S. 49 ff. m. w. N. ™ Vgl. dazu Steindorff, JZ 1963/370. 77 s. oben, Kap. I I 3 b aa. 78 s. dazu schon oben, Kap. I I 3 c bei Anm. 251.
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Aufklärungspflichtig ist danach zunächst einmal jede zur E i n w i l l i gung auffordernde Person, die dem Bürger i n Ausübung ihres Amtes gegenübertritt, das sie zur Erteilung oder Vollziehung staatlicher Befehle berechtigt. Über den Charakter der Aufforderung aufzuklären hat danach ζ. B. der ermittelnde Kriminalpolizist, der eine Wohnung betreten w i l l und wegen § 101 Abs. 3 StrVollzG ζ. B. auch der in einer Strafvollzugsanstalt tätige Arzt. Hingegen t r i f f t den Arzt eines kommunalen Krankenhauses die geschilderte Aufklärungspflicht nicht, denn er besitzt keine Hoheitsbefugnisse gegenüber dem Patienten 7 0 . Abweichend davon w i r d man dort, wo der Bürger von sich aus die rechtsgutsbeeinträchtigende Maßnahme anregt, die Aufklärungspflicht nicht auf Staatsorgane beschränken können, die hoheitliche Eingriffsbefugnisse besitzen, liegt doch der I r r t u m des Grundrechtsträgers hier gerade in der fälschlichen Unterstellung derartiger Kompetenzen. Da das Staatsorgan i n solchen Fällen das Irrtumsrisiko aber nur trägt, wenn der I r r t u m erkennbar war 8 0 , werden auch hier staatliche Stellen ohne Eingriffsbefugnisse i. d. R. besser da stehen als solche mit Befehls- oder Zwangsgewalt. Denn nichthoheitlich handelnden Organen des Staates muß der Gedanke besonders fern liegen, daß der Bürger ihnen einen Einbruch i n seine Grundrechtssphäre nur deshalb ermöglicht, weil er sich fälschlich für duldungspflichtig hält. Zweifel bestehen beim gerichtlichen Sachverständigen. Dieser hat grundsätzlich keine Zwangsbefugnisse. Andererseits zeigen die §§ 81/ 81 a/81 c StPO und 372 a ZPO, daß Sachverständige, die Ärzte sind, vielfach beim Vollzug von staatlichen Zwangsmaßnahmen mitwirken. Deshalb w i r d man zumindest Ärzte in der Rolle des Sachverständigen als verpflichtet ansehen müssen, die Freiwilligkeit einer von ihnen angeregten Einwilligung sicherzustellen, sofern nicht bereits das Gericht oder ein sonstiges Staatsorgan für eine entsprechende Aufklärung gesorgt hat 8 1 . Gesetzlich niedergelegt ist die Pflicht zur Aufklärung über die Freiwilligkeit der Einwilligung i n den neuen Datenschutzgesetzen 82 . Hinsichtlich des Umfanges der Aufklärungspflicht enthält das rheinlandpfälzische Datenschutzgesetz eine kleine, aber interessante Besonderheit. Während die meisten Datenschutzgesetze nur vorsehen, daß der 7» Z u r Aufklärungspflicht des Amtsarztes vgl. BGH(Z) VersR 1959/355. so s. oben, Kap. I I I 2 c bb bei A n m . 75. 81 Diese Aufklärungspflicht besteht unabhängig von der i m Strafprozeßrecht v i e l diskutierten Streitfrage, i n w i e w e i t den Sachverständigen spezielle strafprozessuale Aufklärungspflichten treffen. Siehe dazu unten, bei A n m . 85/86. 82 Vgl. z.B. §§9 Abs. 2 BDSG; 10 Abs. 2 N R W ; 5 Abs. 2 Rhld.-Pf. L D a t G — alle abgedruckt i m A n h a n g I I .
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Betroffene auf die Freiwilligkeit seiner Erklärung hingewiesen wird, verlangt der rheinland-pfälzische Gesetzgeber zusätzlich einen Hinweis darauf, daß dem Bürger „aus der Verweigerung der Einwilligung keine Nachteile entstehen" 83 . Diese Formel ist „sozialstaatsadäquat", denn sie trägt dem von Forsthoff hervorgehobenen Umstand Rechnung, daß der Einzelne sich bei Zugeständnissen an den Staat heute vor allem durch die Furcht vor dem Verlust sozialstaatlicher Gewährungen unter Druck gesetzt sieht 8 4 . Wo ein solcher Hinweis fehlt, bleibt zweifelhaft, ob das m i t der Aufklärung über die Freiwilligkeit erstrebte Ziel der Entlastung vom Irrtumsrisiko überhaupt erreicht wird. Denn da die Pflicht zur Aufklärung über die Freiwilligkeit nur Ausfluß der allgemeinen Pflicht des Staates zur Unterlassung von Grundrechtsverletzungen ist, kommt den gesetzlichen Vorschriften über die A u f klärungspflicht nur deklaratorische Bedeutung zu. Weitergehende Aufklärungspflichten können sich aus speziellen öffentlich-rechtlichen Regelungen über die Belehrung des Bürgers ergeben, wie sie sich ζ. B. in §§ 25 VwVfG/13 ff. SGB 1/89 AO/81 c und 136 StPO finden. A u f diese Spezialnormen soll hier nicht näher eingegangen werden. Notwendig erscheint nur der Hinweis, daß solche Spezialregelungen nicht für Umkehrschlüsse benutzt werden dürfen, die sich gegen die hier behandelte Pflicht zur Aufklärung über die Unerzwinglichkeit einer Einwilligung richten. Denn diese Aufklärungspflicht gilt auch ohne ausdrückliche gesetzliche Fixierung. Wenn also § 81 c Abs. 3 StPO vorsieht, daß der Zeuge über sein Untersuchungsverweigerungsrecht aus § 52 StPO belehrt werden soll, so schließt dies nicht aus, daß auch Personen, die aus anderen Gründen die Untersuchung verweigern dürfen, über die Freiwilligkeit ihrer Einwilligung informiert sein müssen. Entgegenstehende Auffassungen, die zeitweise i m Strafprozeßrecht vertreten wurden 8 5 , sind abzulehnen 86 . dd) Die durch Täuschung erschlichene Einwilligung Die Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes beruht auch dann nur auf scheinbarem Konsens, wenn sie durch Täuschung erschlichen wird. Die Frage, wie eine solche Einwilligung zu behandeln ist, hat praktische Bedeutung vor allem für die Tätigkeit der Nachrichtendienste und für die sog. „verdeckte Fahndung" i m Rahmen der Bekämpfung krimineller Organisationen. Denn das „Ein8« § 5 Abs. 2 S. 2 Rhld.-Pf. L D a t G (Anhang I I C). 84 s. oben, Kap. I I I 1 a. 85 BGHSt 13/394 ff. (398 f.) m i t insoweit zustimmender A n m e r k u n g von Heinitz JR 1960/226 ff. (228). 86 Ebenso unter Aufgabe seiner früher abweichenden Auffassung Heinitz, Festschrift f ü r Engisch (1969) S. 693 ff. (700 f.).
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schleusen" von Ermittlungsbeamten oder V-Leuten i n eine verdächtige Personengruppe gelingt i. d. R. nur, wenn die Verdächtigen darüber getäuscht werden, daß sie grundrechtlich geschützte Geheimsphären dem Einblick staatlicher Organe öffnen 87 . I m Strafrecht ist grundsätzlich anerkannt, daß eine auf Täuschung beruhende Einwilligung die Rechtswidrigkeit der durch sie zugelassenen Handlung nicht beseitigt. Doch stellen sich hierbei zwei Probleme. Einmal muß entschieden werden, ob der Täuschende stets nach dem Straftatbestand zu bestrafen ist, der das irrtümlich preisgegebene Rechtsgut schützt oder ob bei Täuschung über eine versprochene Gegenleistung nicht lediglich eine Betrugsstrafbarkeit i n Betracht kommt 8 8 . Zum anderen gewinnt bei der Täuschung für viele Strafrechtler die Unterscheidung zwischen rechtfertigender Einwilligung und tatbestandsausschließendem Einverständnis Bedeutung 89 . Denn es kann sein, daß auch ein durch Täuschung erschlichenes Einverständnis noch die Erfüllung des Tatbestandes einer Strafnorm ausschließt. So ist ζ. B. nach verbreiteter Auffassung derjenige, der eine Eintrittserlaubnis in eine Wohnung erschleicht, nicht nach § 123 StGB strafbar, weil er nicht i m Sinne dieser Strafnorm i n die Wohnung „eindringt" 9 0 . Diese Fragen machen deutlich, daß es sich bei der grundrechtsbezogenen Einwilligung u m ein eigenständiges Rechtsinstitut handelt. Denn i m Staatsrecht hat man die Entscheidungsprobleme der Strafrechtslehre nicht. I m Verfassungsrecht kommt es ausschließlich darauf an, zu verhindern, daß staatliche Organe sich durch eine Einwilligung Befugnisse erschleichen, die das Grundgesetz ihnen nicht einräumt. Wo staatsrechtliche Handlungsbeschränkungen durch Täuschung umgangen werden, sind daher Einwilligungen generell unwirksam 9 1 . So mag 87 Z u den Nachrichtendiensten vgl. etwa Evers, Privatsphäre u n d Ä m t e r für Verfassungsschutz (1960) S. 141 ff. (147 ff.); Rottmann AöR 88 (1963) S. 227 ff. (236 ff.); Schatzschneider, Ermittlungstätigkeit der Ä m t e r f ü r V e r fassungsschutz u n d Grundrechte (1979) S. 263 ff.; Schlink N J W 1980/552 ff. (insbes. S. 556 ff.); zur verdeckten Fahndung vgl. etwa O L G München N J W 1972/2275; Amelung / Schall, JuS 1975/565 ff. 88 Dazu Arzt (Kap. I I I A n m . 72) S.20ff.; Kühne (Kap. I A n m . 15) S. 244, 246. 8 ® Jescheck (Kap. I A n m . 14) S. 300; Schönke / Schröder f Lenckner, Rdnr. 52 vor §§32 ff. StGB m. w. N.; abweichend z.B. Kühne (Kap. I A n m . 15) S. 241 ff. 90 So z.B. Lackner, §123 StGB A n m . 3; Schönke / Schröder / Lenckner, §123 StGB Rdnr. 20 m . w . N . ; abw. O L G München, N J W 1972/2225; Rudolph,i S K §123 Rdnr. 18. Z u der i n Amelung / Schall (oben, A n m . 79) S. 567 vertretenen Auffassung s. unten, A n m . 92. »i Des Rückgriffs auf das Täuschungsverbot des § 136 a StPO bedarf es für dieses Ergebnis nicht. Die Streitfrage, ob die Vorschrift auch auf den Verfassungsschutz A n w e n d u n g findet — vgl. dazu Evers (oben A n m . 79) S. 154 ff. einerseits, Rottmann (oben A n m . 79) S. 234 andererseits — ist i n soweit ohne Belang.
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Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
es zwar zutreffen, daß ein Polizist, der sich als vorgeblicher Hippie i n die Wohnung eines Rauschgifthändlers einschleicht, nicht wegen eines Hausfriedensbruches bestraft werden kann. Aber daß hierbei das Grundrecht des A r t . 13 GG verletzt wird, wenn es an einer gesetzlichen Handlungsermächtigung fehlt, sollte man nicht bestreiten 92 . „Eingriffe" können allerdings grundsätzlich durch ein Gesetz legitimiert werden. Das legt den Gedanken nahe, das Handeln aufgrund erschlichener Einwilligung wenigstens dann zuzulassen, wenn ein Gesetz den Staat dazu ermächtigt. Diese Auffassung scheint sich i m Recht der Nachrichtendienste und wohl auch i n der Diskussion um die „verdeckte Fahndung" auszubreiten 93 . Eine solche Legitimierung heimlicher Grundrechtseingriffe öffentlicher Organe ist jedoch nur i n Ausnahmefällen und nur unter besonderen Vorkehrungen zulässig. Einmal sind wegen der Wehrlosigkeit des Grundrechtsträgers an die Erforderlichkeit strenge Anforderungen zu stellen. Ferner muß der Gesetzgeber das Zitiergebot des A r t . 19 Abs. 1 GG beachten 94 und schließlich muß er — etwa durch Schaffung von Mitteilungspflichten — dafür Sorge tragen, daß die Rechtsschutzgarantie des A r t . 19 Abs. 4 GG zumindest i m Nachhinein nicht gänzlich leer läuft 9 5 . Dies sind die Mindestanforderungen an die Publizität staatlichen Handelns, die der demokratische Rechtsstaat für jene heimlichen Auseinandersetzungen aufstellt, bei denen eine Ermächtigung öffentlicher Organe zur Täuschung der Bürger ernsthaft erwogen werden kann.
®2 Ungenau u n d irreführend ist es daher, wenn Kleinknecht, § 102 StPO Rdnr. 11 das Einschleusen von Polizeispitzeln i n eine Wohnung für zulässig erklärt, sofern damit „ k e i n Hausfriedensbruch" verbunden ist. Staatliche Organe dürfen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht n u r keine Strafnormen, sondern überhaupt keine öffentlich-rechtlichen Handlungsbeschränkungen übertreten. Dies muß betont werden, w e i l der Bereich des Strafbaren enger ist als der der allgemein öffentlich-rechtlichen Handlungsverbote. Ich selbst habe dies i n Amelung / Schall (oben A n m . 79) S. 567 freilich nicht k l a r genug erkannt u n d daher eine Auffassung mitgetragen, die durch die Ausdehnung des § 123 StGB auf eine erschlichene E i n w i l l i g u n g dem Grundrecht aus A r t . 13 GG hinreichenden Schutz gegen Polizeispitzel verschaffen wollte. A n dieser Auffassung halte ich nicht fest. F ü r die Nachrichtendienste vgl. Schlink (oben A n m . 87) S. 554 f. F ü r die „verdeckte Fahndung" hat jüngst der Vizepräsident des Bundeskriminalamtes eine besondere Ermächtigung gefordert. Vgl. Ermisch, Was erwartet die Polizei von der K r i m i n a l p o l i t i k ? Vortrag auf der Arbeitstagung des B K A v. 10. -13.11.1980 „Polizei u n d K r i m i n a l p o l i t i k " , M a n u s k r i p t S. 16 (erscheint demnächst i m Sammelband unter dem T i t e l der Tagung i n der Schriftenreihe des B K A ) . Das übersieht Schlink (oben A n m . 87) S. 557, w e n n er i n einer N o r m w i e § 3 Abs. 3 BVerfSchG schon eine hinreichende Grundlage f ü r den durch Täuschung e r w i r k t e n Einlaß i n eine Wohnung erblickt, w Alg V o r b i l d vgl. §§ 101 StPO/5 Abs. 5 G IQ,
3. Die ,}eingriffsmildernde" Einwilligung
105
3. Freiwilligkeit und Zwang bei der „eingriffsmildernden" Einwilligung a) Eingriffsmilderung
als
Einwilligungsprinzip
Wie eingangs bereits erwähnt, wäre die Bestimmung des Freiwilligkeitsbegriffs unvollständig, wenn nicht am Ende noch darauf hingewiesen würde, daß dort, wo das geschriebene oder ungeschriebene Hecht eine Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes vorsieht, u. U. gar nicht die autonome, gesetzesvertretende Einwilligung, sondern ein ganz anderes Institut gemeint ist. Ein gutes Beispiel für die Mehrdeutigkeit des Begriffs der „Freiwilligkeit" und entsprechender Gesetzesformulierungen ist die Regelung des § 94 StPO 9 6 . Nach § 94 Abs. 1 StPO sind strafprozessuale Beweisobjekte von den Strafverfolgungsorganen sicherzustellen. Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie — wie § 94 Abs. 2 StPO sich ausdrückt — nicht „ f r e i w i l l i g " herausgegeben, so werden sie nach dieser Regelung beschlagnahmt. Erklärt der Gewahrsamsinhaber schlicht, er stimme der Mitnahme des Beweisobjektes zu, so hat die „Herausgabe" die äußere Gestalt einer Einwilligung. Wenn § 94 Abs. 2 StPO aber von der „Freiwilligkeit" derartiger Akte spricht, so kann damit schwerlich gemeint sein, daß der Gewahrsamsinhaber frei von staatlichen Zwängen handeln muß. Denn nach der Formulierung des § 94 Abs. 2 StPO kann ja das Herausgabeverlangen ohne weiteres mit Hilfe einer Beschlagnahme durchgesetzt werden. Der Gewahrsamsinhaber hat also gar nicht die Wahl, ob seine Sachherrschaft durch einen Repräsentanten der Strafverfolgungsbehörden aufgehoben wird. Die Freiwilligkeit seiner Entscheidung bezieht sich vielmehr nur noch darauf, wie dies zu geschehen hat, d. h. auf die Frage, ob eine bloße Sicherstellung i. S. d. § 94 Abs. 1 StPO stattfindet oder eine Beschlagnahme i. S. d. § 94 Abs. 2 StPO 9 7 . Wenn eine Bestimmung des öffentlichen Rechts von einer E i n w i l l i gung des Bürgers, „freiwilliger" M i t w i r k u n g oder ähnlichem spricht, ist daher stets anhand des Kontextes zu prüfen, ob damit eine Entscheidung über das „ O b " oder über das „Wie" einer Beeinträchtigung von Grundrechtsgütern gemeint ist. Insbesondere in Regelungen der staatlichen Vollstreckung finden sich vielfach Normen, die einerseits keinen Zweifel daran lassen, daß die Grundrechtssphäre des Bürgers i n irgendeiner Weise angetastet werden soll, andererseits aber die A r t der Beeinträchtigung von einer Einverständniserklärung des Grund®« A n h a n g V B. 97 v g l . dazu schon Amelung
(Kap. I I A n m . 221) S. 840,
106
Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
rechtsträgers abhängig machen. So bestimmt § 183 Abs. 3 StGB 9 8 , daß das Gericht die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gegen einen Exhibitionisten zur Bewährung aussetzen kann, wenn zu erwarten ist, daß der Täter nach einer längeren Heilbehandlung keine exhibitionistischen Handlungen mehr vornehmen wird. Hier w i r d der Täter praktisch vor die Wahl gestellt, ob er gemäß § 56 c Abs. 3 Nr. 1 bzw. Abs. 4 StGB 9 9 in eine Heilbehandlung einwilligen w i l l oder die gemäß § 183 Abs. 1 StGB verwirkte Freiheitsstrafe verbüßt. Ähnliche Ziele verfolgt z. B. § 13 U Z w G des Bundes, wenn er vor dem Gebrauch der Schußwaffe gegen einen Flüchtenden (§10 Abs. 1 Nr. 2 UZwG) eine entsprechende Androhung verlangt. Hiermit soll dem Bedrohten ein letztes Mal vor Augen geführt werden, daß es ihm „frei steht", in die Beeinträchtigung seiner Fortbewegungsfreiheit einzuwilligen oder eine Gesundheitsbeeinträchtigung zu riskieren 1 0 0 . Der tragende Gedanke solcher Regelungen ist nicht die Erwägung, daß der Konsens des verfügungsbefugten Grundrechtsträgers eine fehlende Eingriffsermächtigung zu ersetzen vermag, sondern der Gedanke des Übermaßverbots — genauer: das Erforderlichkeitsprinzip. Steht fest, daß ein Bürger eine Beeinträchtigung seiner Grundrechtssphäre erdulden muß, so w i r d die Gesamtheit seiner Rechtsgüter meist schonender behandelt, wenn er an einer solchen Beeinträchtigung m i t w i r k t und sie nicht allein einem staatlichen Vollzugsorgan überläßt. Denn einmal weiß der Duldungspflichtige selbst am besten, welche A r t der Rechtsgutsbeeinträchtigung ihn am wenigsten t r i f f t 1 0 1 , und außerdem kann er durch seine M i t w i r k u n g die Nebenfolgen staatlicher Zwangsanwendung vermeiden. Diese Vorteile bedenkt i m Grunde schon jeder Schuldner, der zahlt, um die Pfändung wertvoller Erinnerungsstücke oder die Durchsuchung seiner Wohnung nach § 758 ZPO zu verhindern. Wo solche Formen der M i t w i r k u n g die Gestalt einer Einwilligung annehmen, kann man daher von einer „eingriffsmildernden" Einwilligung sprechen. Die eingriffsmildernde Einwilligung unterscheidet sich von der autonomen, gesetzesvertretenden Einwilligung sowohl nach ihren Wirksamkeitserfordernissen als auch nach ihren Rechtsfolgen. Die Wirksamkeit der eingriffsmildernden Einwilligung hängt nicht vom Fehlen „eingreifenden" staatlichen Zwanges ab. Ein Mindestmaß an Zwang in Gestalt einer drohenden Grundrechtsbeeinträchtigung ist vielmehr eine begriffliche Voraussetzung dieser Einwilligungsform. Die Verantwortung für die Anwendung des Zwanges verbleibt beim »s Anhang V A. Anhang V A . loo Krey / Meyer, ZRP 1973/1 ff. (3). i ° i s, dazu oben, Kap. I I 2 c bb bei Anm. 157.
3. Die eingriffsmildernde" Einwilligung
107
Staat. Deshalb kann er Rechtsfolgen, die an solche Zwangsanwendung anknüpfen, nicht einfach auf den einwilligenden Grundrechtsträger abwälzen, wie dies bei der gesetzesvertretenden Einwilligung geschieht. Neben dem Grundsatz möglichster Milde staatlichen Zwangs sind aber auch andere Prinzipien für die rechtliche Ausgestaltung der eingriffsmildernden Einwilligung von Bedeutung. Einmal bedarf aller staatlicher Zwang der Legitimierung durch ein Gesetz; deshalb ist das Gesetzmäßigkeitsprinzip zu beachten. Zum anderen wäre es sinnlos, von einer eingriffsmildernden „Einwilligung" zu reden, wenn nicht auch bei dieser Erklärung noch ein Rest von Freiheit des Grundrechtsträgers zu respektieren wäre. Die konkrete rechtliche Gestalt der eingriffsmildernden Einwilligung w i r d daher durch ein Zusammenspiel des Übermaßverbots, des Gesetzmäßigkeitsprinzips und des Autonomiegedankens geprägt. Es liegt auf der Hand, daß dieses Zusammenspiel nicht frei von Wertkonflikten sein kann. Jeder der genannten Grundsätze setzt den anderen Grenzen und schränkt ihre Geltung u. U. erheblich ein. Dadurch entstehen unterschiedliche Mischungsverhältnisse, die hier als „Nebenfolgen vermeidende" und als „Hauptfolgen vermeidende" Einwilligung voneinander getrennt behandelt werden sollen. b) Die „Nebenfolgen
vermeidende"
Einwilligung
Die Einwilligung kann sich einmal auf die Beeinträchtigung desjenigen Grundrechtsgutes richten, das nach dem Inhalt einer öffentlich-rechtlichen Eingriffsermächtigung von einem Träger hoheitlicher Befugnisse angetastet werden darf. Musterfall ist die bereits erwähnte Regelung des § 94 StPO 1 0 2 . Sie erlaubt den Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf das Eigentum an einem Beweisobjekt, und genau auf diese Beeinträchtigung richtet sich die Einwilligung, wenn der Eigentümer gem. § 94 Abs. 2 StPO „freiwillig" der Mitnahme des Objektes zustimmt. Man kann diesen Typ als „Nebenfolgen vermeidende" Einwilligung bezeichnen. Die „Nebenfolgen vermeidende" Einwilligung w i r d fast ausschließlich vom Übermaßverbot und vom Gesetzmäßigkeitsprinzip geprägt. Für den Grundrechtsträger hat eine solche Erklärung den Sinn, den Einsatz staatlicher Zwangsgewalt mit seinen schädlichen Auswirkungen auf weitere Rechtsgüter zu verhindern — i m Falle des § 94 Abs. 2 StPO also etwa einer Haussuchung nach § 102 ff. StPO zuvorzukommen. Diese Schutzwirkung ist Ausfluß des Erforderlichkeitsprinzips. Da 102 Anhang V B,
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Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
es sich hierbei um ein Verfassungsprinzip handelt, w i r d man jedes Staatsorgan für verpflichtet erachten müssen, vor dem Vollzug eines Eingriffsgesetzes den Grundrechtsträger zur Erteilung einer „Nebenfolgen vermeidenden" Einwilligung oder zu einem ähnlichen M i t w i r kungsakt aufzufordern, sei dies nun, wie i n § 13 U Z w G des Bundes, ausdrücklich durch einfaches Gesetz bestimmt oder nicht 1 0 3 . Voraussetzung ist lediglich, daß eine solche M i t w i r k u n g ohne Nachteil für die Erreichung des Eingriffszweckes möglich ist 1 0 4 . I m übrigen w i r d das Geschehen ganz durch die gesetzliche Eingriffsermächtigung bestimmt. Denn alles, was die Einwilligung zuläßt, ist im Falle ihrer Verweigerung auch durch die Anwendung des Gesetzes zu erreichen. Entsprechend gering ist die Freiheit des Grundrechtsträgers. I h m verbleibt so wenig Entscheidungsmacht, daß mancher überhaupt die Verwendung des Begriffs der „Einwilligung" für problematisch halten mag. Immerhin ist aber zu betonen, daß zur Erreichung einer „Nebenfolgen vermeidenden" Einwilligung kein anderer Zwang als der i m Gesetz vorgesehene ausgeübt werden darf. Insoweit ist also ein Rest an Autonomie des Bürgers durchaus zu respektieren. Ein Polizist, dem eine förmliche Beschlagnahme zu viele Umstände macht, darf den Eigentümer nicht dadurch zur Einwilligung in die Mitnahme dieses Gegenstandes zwingen, daß er ihm mit einer Verhaftung droht, obgleich deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Bei der Beurteilung der Rechtsfolgen der „Nebenfolgen vermeidenden" Einwilligung bleibt zu beachten, daß der Eintritt der „Hauptfolge" letztlich erzwungen wird. Es gelten daher grundsätzlich alle Rechtsfolgen, die an einen zwangsweisen Grundrechtseingriff anknüpfen. I m Beispielsfall des § 94 StPO stellt deshalb § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über die Entschädigung von Strafverfolgungsmaßnahmen 1 0 5 zu Recht die Sicherstellung der Beschlagnahme gleich. Versäumt andererseits ein Staatsorgan die Einholung einer „Nebenfolgen vermeidenden" Einwilligung, obgleich dies möglich wäre, so muß der Staat für Schäden, die daraus entstehen, nach den Grundsätzen der Haftung für rechtswidriges Handeln einstehen 106 .
103 Ebenso Müller, i n M ü l l e r / Sax / Paulus Rdnr. 13 vor §94 StPO; abw. Loewe / Rosenberg / Meyer §94 StPO Rdnr. 16; zurückhaltend auch Bay Ob LGSt Bd. 20 (a.F.) S. 152 ff. (153); Bay O b L G N J W 1960/1583 ff. 104 Diese wichtige Einschränkung haben das Bay ObLG N J W 1960/1583 ff. (1584) u n d w o h l auch Loewe / Rosenberg / Meyer bei ihren Vorbehalten gegen den i m Text verfochtenen Grundsatz i m Sinn. los Gesetz v. 18. 3.1971 ( B G B l I S. 157). io« A b w . spricht Bay ObLG Bd. 20 (a. F.) S. 152 ff. (153) n u r von der V e r letzung einer „Obliegenheit",
3. Die eingriffsmildernde" Einwilligung c) Die „Hauptfolgen
vermeidende"
109
Einwilligung
Weit interessanter ist der zweite Typ der eingriffsmildernden Einwilligung, den man kontrastierend als „Hauptfolgen vermeidende" Einwilligung bezeichnen kann. Hier wendet der Grundrechtsträger einen gesetzlich zugelassenen Eingriff i n ein bestimmtes Grundrecht ab, indem er stattdessen die Beeinträchtigung eines anderen Grundrechtsgutes anbietet. Man denke an den Exhibitionisten, der nach §183 Abs. 3 StGB i n eine Heilbehandlung einwilligt, um der Vollstrekkung einer Freiheitsstrafe zu entgehen. Der an sich zulässige Eingriff in die Fortbewegungsfreiheit (die „Hauptfolge") w i r d hier dadurch vermieden, daß der Täter einer Beeinträchtigung seiner Körper- und Intimsphäre zustimmt 1 0 7 . Auch diese Form der Einwilligung hat für den Grundrechtsträger den Sinn, sich die Vorteile des Übermaßverbots zunutze zu machen. Das Urteil über die Erforderlichkeit w i r d hier aber durch eine stark subjektiv gefärbte Komponente beeinflußt. Denn es w i r d dem Eingriffsunterworfenen überlassen festzulegen, welche Rechtsgutsbeeinträchtigung als die schonendste A r t des Umgangs mit seinen Rechtsgütern gelten soll, weil er am besten weiß, welche Einbuße ihn am wenigsten trifft. Dieser „subjektive" Einschlag hat zur Folge, daß das Ubermaßverbot von den Staatsorganen selbst dort beachtet werden muß, wo „objektiv" unsicher ist, ob der Grundrechtsträger mit der Einwilligung nicht das wertvollere Gut preisgibt 1 0 8 . Bietet etwa der Sexualstraftäter die Kastration an, um gem. § 57 Abs. 3 S. 1 StGB die Voraussetzungen für die Aussetzung des Strafrestes zu schaffen, so ist dies aus Gründen des Erforderlichkeitsprinzips zu beachten, obgleich man sehr darüber streiten kann, ob die Zeugungsfähigkeit nicht gegenüber dem Gewinn an Fortbewegungsfreiheit das „objektiv" wertvollere Gut darstellt. Insoweit w i r d das Übermaßverbot durch den Respekt vor der Entscheidung des Eingriffsunterworfenen, also letztlich durch das Autonomieprinzip modifiziert. Aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip folgt zunächst, daß die Wirksamkeit einer „Hauptfolgen vermeidenden" Einwilligung davon abhängt, ob der Eingriff, der durch sie abgewendet werden soll, eine gesetzliche Grundlage hat. Fraglich ist, wie es sich auf die Einwilligung auswirkt, daß das geltende Recht Urteile und Verwaltungsakte in bestimmten 107 s. dazu oben, Kap. I I I 3 a bei A n m . 98; weitere gesetzlich geregelte Fälle sind §§ 56 c Abs. 3 u n d 4 StGB (Anhang V A ) ; 148 Abs. 2 StPO (Anhang V B); 3 Abs. 2 KastrationsG (Anhang I C). 108 Dies w i r d i n der polizeirechtlichen D o k t r i n zum Recht auf den Einsatz eines gleichtauglichen Einsatzmittels seit langem als Bestandteil des E r f o r derlichkeitsprinzips anerkannt. Nachweise oben, Kap. I I 2 e b b A n m . 157; s. auch oben, Kap. I I 3 a bei A n m . 190.
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Kap. I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
Grenzen auch dann als wirksam ansieht, wenn ihnen eine solche Grundlage fehlt, sie also rechtswidrig sind. Hier ist daran zu erinnern, daß die „Hauptfolgen vermeidende" Einwilligung letztlich immer den vollstreckungsrechtlichen Eingriff i n ein Grundrechtsgut abmildern w i l l . Soweit also die Vollstreckung eines Urteils oder Verwaltungsaktes zulässig ist, w i r d man daher auch die Einwilligung als wirksam ansehen müssen. Soweit freilich dem Betroffenen aus der zulässigen Vollstreckung eines rechtswidrigen Titels Ersatzansprüche o. a. erwachsen, werden sie durch die eingriffsmildernde Einwilligung nicht ausgeschlossen — i m Gegensatz zur gesetzesvertretenden Einwilligung hat sie eben nicht die Wirkung, Defizite in den gesetzlichen Grundlagen des Staatshandelns abzugleichen. Schwierigkeiten bereitet die Frage, inwieweit Zulässigkeit und Grenzen der „Hauptfolgen vermeidenden" Einwilligung durch das Gesetz vorgezeichnet werden müssen. Einmal könnte sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergeben, daß die Einwilligung nur zulässig ist, wenn das Gesetz sie ausdrücklich zuläßt. Die Zwecke des Eingriffsvorbehalts stützen eine solche Forderung jedoch kaum. Der rechtsstaatliche Zweck des Eingriff s Vorbehalts liegt darin, den Bürger darüber zu informieren, welche Grundrechtsbeeinträchtigungen er hinnehmen muß 1 0 9 . Rechtsgutsbeeinträchtigungen, die er durch eine „Hauptfolgen vermeidende" Einwilligung zuläßt, muß er aber nicht hinnehmen, denn er kann es ja beim Eintritt der „Hauptfolge" belassen. Die demokratische Funktion des Eingriffsvorbehalts liegt darin, daß i m demokratischen Prozeß darüber entschieden werden soll, welche Grundrechte i n bestimmten Situationen zur Disposition staatlicher Organe stehen sollen 1 1 0 . Bei der „Hauptfolgen vermeidenden" Einwilligung stehen aber die Rechtsgüter, deren Beeinträchtigung der Einwilligende ersatzweise zuläßt, nicht zur Disposition staatlicher Organe, sondern ihre Aufopferung unterliegt der Entscheidungsmacht des Einzelnen. Der Respekt vor der Autonomie des Grundrechtsträgers beschränkt also die Geltung des Eingriffsvorbehalts auf die Forderung, daß lediglich der Eingriff, der durch die Einwilligung abgewendet werden soll, in einer gesetzlichen Ermächtigung geregelt sein muß. Weitaus größere Bedenken ergeben sich aus dem Vorrang des Gesetzes. Denn wenn ein Organ der Exekutive oder der Judikative ein anderes Rechtsgut des Bürgers i n Anspruch nimmt, als das Gesetz vorschreibt, so könnte man darin einen A k t des Ungehorsams gegenüber dem demokratischen Gesetzgeber sehen. Das spricht dafür, die io» Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 204. no Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 207.
3. Die eingriffsmildernde" Einwilligung
111
„Hauptfolgen vermeidende" Einwilligung nur dann zuzulassen, wenn das Gesetz sie ausdrücklich vorsieht. Schwierigkeiten entstehen aber daraus, daß die hier behandelte Form der Einwilligung auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruht. Dieser Grundsatz gilt als Verfassungsprinzip 111 , und seine Anforderungen haben daher höheren Rang als Befehle, die i n Ermächtigungen einfacher Gesetze enthalten sind. Dies spricht dafür, die „Hauptfolgen vermeidende" Einwilligung auch dann zuzulassen, wenn eine ausdrückliche Erlaubnis des Gesetzgebers nicht vorliegt. Die Kollision zwischen dem Vorrang des Gesetzes und dem Ubermaßverbot, die sich damit abzeichnet, dürfte jedoch oft nur eine scheinbare sein. Denn der Gehorsam, den der Vorrang des Gesetzes von den Staatsorganen fordert, hat letztlich den Sinn, die Erreichung der Ziele zu gewährleisten, die der Gesetzgeber verfolgt 1 1 2 . Soweit mit der „Hauptfolgen vermeidenden" Einwilligung das gleiche Ziel erreicht w i r d wie mit dem vorgeschriebenen Eingriff, bleibt daher der Gehorsam gegenüber dem Gesetzgeber i m Grunde unangetastet. Die Erreichung des gesetzlich vorgegebenen Ziels ist aber zugleich auch unabdingbare Grenze des Grundsatzes der Anwendung des schonendsten Mittels, auf dem die „Hauptfolgen vermeidende" Einwilligung beruht. Ein Mittel, das Rechtsgüter des Eingriffsunterworfenen zwar schont, aber nicht erreicht, was das Gesetz erreichen w i l l , ist nicht durch diesen Grundsatz gedeckt 113 . Wenn die Beachtung der „Hauptfolgen vermeidenden" Einwilligung von einem Staatsorgan keinen Ungehorsam gegenüber dem Gesetz verlangt, ist aber auch kein ausdrücklicher Dispens von diesem Gehorsam nötig. Etwas anderes gilt für eine Einwilligung, die eine Zielverschiebung zur Folge hat. Diese Einschränkung gewinnt vor allem dort Bedeutung, wo der Gesetzgeber mit einem Grundrechtseingriff mehrere Zwecke verfolgt, wie etwa mit der Strafe, die nach geltendem Recht dem Schuldausgleich, der Speziai- und der Generalprävention dient 1 1 4 . Hier ist es so gut wie undenkbar, daß eine „Hauptfolgen vermeidende" Einwilligung geeignet ist, alle Ziele, die der Gesetzgeber erstrebt, i n gleicher Weise zu erreichen wie der gesetzlich vorgeschriebene Volii n Hesse (Kap. I I A n m . 15) S. 77. 112 s. dazu schon oben, Kap. I I 3 b bb. 113 So für das als Ersatz angebotene Austauschmittel allgemein OVG Lüneburg, OVGE 10/341 ff.; O V G Lüneburg, Verw. Rspr. 15/841; speziell zur eingriffsmildernden E i n w i l l i g u n g vgl. jetzt O L G Hamm, N J W 1980/1909 ff. (Einwilligung eines Sexualstraftäters i n eine stereotaktische Hirnoperation als unzureichende Voraussetzung f ü r die Aussetzung der Sicherungsverwahrung gem. § 67 d Abs. 2 StGB). 114 Vgl. §§46 Abs. 1/47 Abs. 1/56 Abs. 1 und 2 StGB; Jescheck (Kap. I Anm. 14) S. 701 ff.
112
Kap. I I I : Die Freiwilligkeit der Einwilligung
zug. Die „Hauptfolgen vermeidende" Einwilligung bedarf daher i n diesem Bereich der ausdrücklichen gesetzlichen Genehmigung, denn wenn man sie zuläßt, räumt man unvermeidlich einem der Strafzwecke den Vorrang vor den anderen ein. Diese politische Funktion der Zulassung t r i t t bei der gesetzlichen Behandlung des Instituts auch ganz deutlich hervor. M i t den erwähnten Einwilligungsregelungen der §§ 56 c Abs. 3 und 4/183 Abs. 3 StGB gibt der Gesetzgeber den Belangen der Spezialprävention den Vorzug vor den Zwecken des Schuldausgleichs und der Generalprävention 115 . Vorstellbar ist aber auch eine „Hauptfolgen vermeidende" Einwilligung, die gerade umgekehrt den Schuldausgleich gegenüber den anderen Strafzwecken hervorhebt. Man denke an eine Regelung, die Strafgefangenen anheim gibt, sich an medizinischen Versuchen zu beteiligen und ihnen dafür eine vorzeitige Haftentlassung i n Aussicht stellt. I n einem solchen Fall nimmt der Einwilligende das Risiko eines Körperschadens auf sich, um den „Hauptfolgen" der Strafe zu entgehen, ohne daß dadurch seine Resozialisierung gefördert wird. I m Ergebnis laufen Regelungen, die solches zulassen, auf eine potentielle Körperstrafe hinaus 1 1 6 und dies dürfte u. a. die Zurückhaltung erklären, die der deutsche Gesetzgeber mit den §§ 40 AMG/41 StrahlenschutzVO insoweit übt. Es bleibt die Frage nach der Bedeutung des Autonomieprinzips. Wie schon angedeutet, prägt es durch die subjektive Bestimmung des schonendsten Mittels in gewisser Weise das Erforderlichkeitsprinzip u m 1 1 7 . Außerdem führt es dazu, daß der Gesetzesvorbehalt nur für den an sich vorgesehenen Eingriff gilt, nicht aber auch für die durch die Einwilligung zugelassene Rechtsgutsbeeinträchtigung. Zu verdeutlichen bleibt nur noch, weshalb und i n welchem Umfang dem Grundrechtsträger überhaupt Autonomie unterstellt werden darf. Nach dem Gesagten ist der Grundrechtsträger nicht frei in der Entscheidung, ob überhaupt i n seine Rechtssphäre eingegriffen wird. Soweit es den Zielen des Gesetzes oder der besonderen Zulassungsregelung entspricht, hat er aber die Freiheit zu entscheiden, welches seiner Rechtsgüter von der Beeinträchtigung betroffen werden soll. Für diesen Rest an Freiheit gilt alles, was zur autonomen, gesetzesvertretenden Einwilligung gesagt wurde. Insbesondere gilt auch hier, daß zur E r w i r kung der Einwilligung kein zusätzlicher Zwang ausgeübt werden darf, der i m Gesetz nicht vorgesehen ist. Insoweit läßt sich sagen, daß die „Hauptfolgen vermeidende" Einwilligung zwar unter Zwang erfolgt, aber nicht erzwungen werden darf 1 1 8 . ne Vgl. dazu etwa Schönke / Schröder / Stree § 56 c StGB Rdnr. 1; Horstkotte, J Z 1974/84 ff. (89 f.). ne Vgl. dazu auch Deutsch (Kap. I I I A n m . 47) S. 78. 117 s. oben, Kap. I I 2 e b b bei A n m . 157; Kap. I I 3 a bei A n m . 190; Kap. I I I 3 c bei A n m . 108.
3. Die eingriffsmildernde" Einwilligung
113
Bedeutsam ist dies vor allem für die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 3 Abs. 2 KastrationsG 1 1 9 , nach dem i m Ergebnis auch die i n der Hoffnung auf Entlassung erklärte Einwilligung eines Gefangenen in eine Kastration als wirksam anzusehen ist 1 2 0 . Wegen der tiefgreifenden Persönlichkeitsveränderung, die eine solche Maßnahme hervorruft, stellt sich die Frage, ob hier nicht A r t . 1 Abs. 1 GG verletzt wird. Denn wie gezeigt, widersprechen Einbrüche i n den Kernbereich der Persönlichkeit nur dann nicht A r t . 1 Abs. 1 GG, wenn dies unter Achtung der Entscheidungsmacht des Grundrechtsträgers geschieht 121 . Es fragt sich deshalb, ob die Autonomie eines Sexualdelinquenten noch hinreichend respektiert wird, wenn man i h m die Freiheit läßt, zwischen der vollen Straf- bzw. Maßregelverbüßung und der Kastration zu wählen. Da die Einwilligung i n die Kastration nicht durch Straferhöhungen oder sonstigen Druck erzwungen werden darf 1 2 2 , w i r d man dies bejahen können. M i t § 3 Abs. 2 KastrationsG zwingt der Gesetzgeber den Gefangenen nicht zur Kastration, sondern eröffnet i h m nur einen Ausweg, legitimem staatlichen Zwang zu entkommen. Soll die Achtung vor der Menschenwürde nicht — ihrer Schutzrichtung zuwider — zu einer Last für den Menschen werden 1 2 3 , w i r d man die Freiheit, zwischen der Erduldung legitimen Zwangs und einer einschneidenden Persönlichkeitsveränderung zu entscheiden, noch als ein mit A r t . 1 Abs. 1 GG zu vereinbarendes Maß an Autonomie anzusehen haben 1 2 4 . Vor sachwidrigem Druck in der Gefangenschaft w i r d der Betroffene durch die Einschaltung der Gutachterstelle nach § 5 KastrationsG geschützt.
u« I m Ergebnis ebenso Eb. Schmidt, JZ 1963/375 ff. (376) bezügl. der E i n w i l l i g u n g eines Untersuchungshäftlings i n seine Kastration. Ii» Anhang I C. 120 s. oben, Kap. 1 1 bei A n m . 9; Kap. I I I 2 b d d bei A n m . 50. 121 s. oben, Kap. I I 2 c aa bei A n m . 129. 122 BGHSt 4/113 (118). 1 2 3 s. dazu oben, Kap. I I 2 c aa bei A n m . 117. 124 So i m Ergebnis auch die herrschende Auffassung i n Rechtsprechung u n d Lehre. Vgl. BGHSt 19/201 ff. (206); OLG Hamburg, J Z 1963/374; O L G Frankfurt, N J W 1967/687 ff.; O L G Stuttgart, N J W 1968/1200; Eb. Schmidt, JZ 1963/375 ff. (376); kritisch f ü r Untersuchungshäftlinge wegen der besonderen psychischen Situation vor der Hauptverhandlung Krause, M o S c h r K r i m 50 (1967) S. 240 ff. Da der Bundesgerichtshof die Besonderheiten der eingriffsmildernden E i n w i l l i g u n g nicht erkennt, versucht er allerdings auf höchst problematische Weise, sie als „normale" E i n w i l l i g u n g hinzustellen. Die E i n w i l l i g u n g eines Gefangenen i n die Kastration soll deshalb f r e i w i l l i g sein, w e i l der „ a n erkannte Sühnezweck der Strafe" darauf beruhe, „daß der Betroffene das Strafübel nicht gezwungenermaßen, sondern k r a f t freien, unerzwingbaren Entschlusses als gerecht h i n n i m m t u n d seine Tat auf diese Weise sühnt". Hier w i r d eine idealistische Straftheorie dazu verwendet, reale Zwänge h i n wegzudisputieren. 8 Amelung
Kapitel I V
Schluß M i t dem Vorstehenden sollen die Ausführungen zur Dogmatik der Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes abgeschlossen werden. Wer sie mit strafrechtlichen Darstellungen der Einwilligung des Verletzten vergleicht, erkennt rasch, daß hier nur ein Teil der Hechtsprobleme behandelt wurde, die dieses Institut aufwirft. Doch ging es i m Vorstehenden nur darum, die wichtigsten Probleme zu behandeln, die sich speziell bei grundrechtsbezogenen Einwilligungen ergeben. Statt weitere Einzelfragen zu erörtern, sollen deshalb am Ende noch einige allgemeinere Bezüge des Themas angesprochen werden. 1. Zur Bedeutung des Themas für die Dogmatik des Verfassungsrechts Schon eingangs war behauptet worden, daß die praktische Bedeutung des Instituts der Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes ständig zugenommen hat 1 . Die wohl wichtigste U r sache für diese Entwicklung hat die Untersuchung der Beziehungen zwischen der Einwilligung und dem Sozialstaatsprinzip freigelegt 2 . Seit der Staat als Sozialstaat die Garantie für die Existenz seiner Bürger übernommen hat, haben sich die Anlässe vermehrt, die es dem Einzelnen ratsam erscheinen lassen, von der Behauptung eines Grundrechtsgutes abzusehen, um dadurch staatliche Hilfe zu ermöglichen. Aus dieser Sicht erscheint die Frage, wann jenem Bürgerinteresse nachgegeben werden kann und wann die liberalen Prinzipien unserer Verfassung i h m Grenzen setzen, geradezu als ein Grundproblem des sozialen Rechtsstaates. Dabei verbietet es die verfassungsrechtliche Verankerung der Einwilligungsfreiheit 3 und des Sozialstaatsprinzips, die Artikulation solcher Interessen von vornherein als illegitim oder als Dekadenzerscheinung abzutun. Die Erkenntnis, daß der Bürger auch einmal ein legitimes Interesse daran haben kann, von der Behauptung eines Grundrechts abzusehen, 1 2 3
s. oben, Kap. 11. s. oben, Kap. I I 3 c. s. oben, Kap. I I 2 a aa.
1. Bedeutung für die Dogmatik des Verfassungsrechts
115
ist allerdings zwangsläufig eine späte Einsicht. Dies hat die staatsrechtliche Behandlung des Problems behindert. I n einer historischen Situation, i n der die Grundrechte entdeckt oder — wie i n Deutschland nach 1945 — wiederentdeckt werden, w i r d zunächst verständlicherweise ihr Wert für den Bürger betont. Das verstellt den Blick dafür, daß ein solches Hecht auch einmal zur Last werden kann. Hinzu kommt, daß der wohl einflußreichste deutsche Staatsrechtler dieses Jahrhunderts, Smend, die Grundrechtstheorie in den Versuch einspannte, die politisch rückständige Bevölkerung Deutschlands an die politische K u l t u r einer rechtsstaatlichen Demokratie heranzuführen 4 . Von einem solchen Ansatz aus kann die Geltendmachung der Grundrechte als eine A r t von Bürgerpflicht erscheinen. Das hat anti-individualistische Denkweisen begünstigt, die das Interesse an der Erhaltung der Verfassungsstruktur ohne jede Abwägung über ein i m Einzelfall abweichendes Individualinteresse stellen 5 . Die Einsicht in die Bedeutung des hier behandelten Phänomens setzt außerdem ein angemessenes Begriffsinstrumentarium voraus. Der Begriff der Einwilligung ist aber kein genuin staatsrechtsdogmatischer Begriff. Er ist noch nicht einmal ein Begriff des Verwaltungsrechts, das auf der unterverfassungsrechtlichen Ebene die Perspektive der Staatsrechtler prägt, weil sie es i m akademischen Betrieb vertreten. Die Lehre von der Einwilligung w i r d eben i n erster Linie von der Strafrechtswissenschaft bearbeitet. Seit das Scheitern der Revolution von 1848 den frühliberalen Bemühungen um eine Vereinigung von Staatsund Strafrechtslehre ein politisches Ende setzte, hat die Strafrechtswissenschaft aber fast jeden Einfluß auf die Fortbildung der Dogmatik des Staatsrechts verloren 6 . Die Staatsrechtslehre empfängt von der Strafrechtsdogmatik seit langem kaum noch Anregungen und sie beschäftigt sich i m Gefolge dieser Entwicklung auch nur noch i n Ausnahmefällen m i t „liberalen Abwehrrechten", die für den Strafrechtler, 4 Vgl. insbesondere Smend, Das Recht der freien Meinungsäußerung, i n ders. (Kap. I I A n m . 12) S. 89 ff. (92 f.); dazu Klein (Kap. I I A n m . 12) S. 28 f. 5 s. oben, Kap. I I 1 b bei A n m . 12. 6 F ü r den Frühliberalismus sei etwa auf Feuerbach, Jordan, Welcher u n d — zuletzt — Zachariae verwiesen, die sich sowohl u m die F o r t b i l d u n g des Straf- u n d Strafprozeßrechts als auch u m die E n t w i c k l u n g der Staats- bzw. Staatsrechtslehre i n liberalem Geist bemühten. Einiges dazu bei Eb. Schmidt, Einführung i n die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege (3. Aufl. 1965) S. 232 ff., 282 ff. Der einzige wegweisende staatsrechtliche Beitrag eines Strafrechtlers i m 20. Jahrhundert, Radbruchs Parteienlehre, ist dagegen v ö l l i g unabhängig von spezifisch strafrechtlichen Fragestellungen aus rein rechtsphilosophischen Erwägungen erwachsen. Vgl. dazu Radbruch, Die politischen Parteien i m System des deutschen Verfassungsrechts, i n Anschütz / Thoma (Hrsg.), Handbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. 1 (1930) S. 285 ff.; ders., Rechtsphilosophie (8. Aufl. 1973) S. 152 ff.
8*
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Kap. IV: Schluß
insbesondere für den Strafprozessualisten, i m Vordergrund stehen und bei denen sich die Probleme der Einwilligung vor allem stellen. Es bleibt hervorzuheben, daß diese Entfremdung nicht nur die Bewältigung rechtsstaatlicher, sondern auch die Durchdringung sozialstaatlicher Probleme des Verfassungsrechts behindert. Die zunehmende praktische Bedeutung der Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes ist Teil des Prozesses der Verflechtung von Staat und Gesellschaft, der durch die Realisierung des Sozialstaatsprinzips wesentlich mitverursacht wird. Diese Verflechtung ist so eng geworden, daß i n dem hier behandelten Bereich die auf archaische Direktbeziehungen spezialisierte Dogmatik des Strafrechts über den angemesseneren Begriffsapparat verfügt als das Verwaltungsrecht. Denn die Dogmatik des Verwaltungsrechts kreist um den Begriff des Verwaltungsaktes oder — i m hier angesprochenen Bereich — um den des verwaltungsrechtlichen Vertrages, während sie für direktere Beziehungen zwischen Staat und Bürger kaum mehr bereit hält als die wissenschaftlich wenig durchdrungene Lehre vom unmittelbaren Zwang und die spät entdeckte Restkategorie des „Realaktes". So gewinnt die Dogmatik des gewiß in vieler Hinsicht urtümlicheren Rechtsgebiets unerwartete Aktualität. 2. Zur Bedeutung der Einwilligung für die Lehre vom Grundsatz volenti non fit iniuria im öffentlichen Recht Die Fruchtbarkeit des hier entwickelten Ansatzes reicht dabei noch über den engeren Bereich der Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes hinaus. Es läßt sich zeigen, daß sie sich auf den gesamten Bereich der Lehre vom Grundsatz volenti non fit iniuria i m öffentlichen Recht erstreckt. Wie eingangs angeführt, w i r d der Grundsatz von der Staatsrechtslehre herkömmlich i n der Lehre vom „Grundrechtsverzicht" behandelt 7 . Dieser Ansatz leidet entweder unter der Absurdität oder unter der allzu großen Komplexität des untersuchten Gegenstandes. Meistens krankt er an beidem zugleich. Absurd ist der Gegenstand des Grundrechtsverzichts i m engen Sinne dieses Begriffs. Denn ihm ist die Unwirksamkeit gleichsam auf die Stirn geschrieben. Aus diesem rein negativen Ergebnis lassen sich positive Gesichtspunkte für die rechtliche Beurteilung verwandter Erscheinungen nicht ableiten. 7
s. oben, Kap. I I 1 a.
3. Allgemeine Rechtfertigungsgründe im öffentlichen Recht
117
Zu komplex ist der Gegenstandsbereich der Lehre vom „Grundrechtsausübungsverzicht", i n der die sonstigen Phänomene behandelt werden, für die der Grundsatz „volenti non fit iniuria" bedeutsam ist 8 . Der Begriff des „Grundrechtsausübungsverzichts" reicht von der Einwilligung und der Genehmigung über den subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrag bis zum Verwaltungsakt auf Unterwerfung und zum freiwillig begründeten „Sonderstatus". Wer Aussagen machen will, die auf so viele verschiedenartige Institute zutreffen sollen, kann über mehr oder weniger inhaltsarme Abstraktionen kaum hinausgelangen 9 . Demgegenüber legt der hier verfolgte Ansatz es nahe, jene Institute nicht aus der luftigen Höhe der Verallgemeinerung, sondern sie umgekehrt von ihren Einzelbestandteilen her zu analysieren. Die E i n w i l ligung ist sozusagen das „Urphänomen" des Grundsatzes volenti non fit iniuria, das als Grundbestandteil in vielen komplexeren Instituten enthalten ist, die diesem Grundsatz subsumiert werden. Wo sie nicht vorkommt, w i r d sie durch die ähnlich einfach gebauten Elemente der Selbstschädigung oder der Genehmigung vertreten. Nach der öffentlich-rechtlichen Analyse der Einwilligung müßten daher in einem zweiten Schritt die Abweichungen untersucht werden, die sich bei der Beurteilung dieser weiteren Grundelemente ergeben. Danach wären die Besonderheiten herauszuarbeiten, die zu beachten sind, wenn Elemente der Unwiderruflichkeit und der Verpflichtung hinzutreten. Eine solche Untersuchung würde die Bausteine zusammentragen, aus denen i n unterschiedlichen Mischungsverhältnissen komplexere Institute wie der subordinationsrechtliche Verwaltungsvertrag zusammengesetzt sind 1 0 . Die Kriterien für die Beurteilung dieser Phänomene ergeben sich aus dem Zusammenspiel ihrer Grundelemente, und erst derjenige, der dieses Zusammenspiel analysiert, gelangt zu einer Lehre vom Grundsatz volenti non fit iniuria i m öffentlichen Recht, die Einheit und Vielfalt ihres Gegenstandes i n gleicher Weise zu bewältigen vermag. 3. Die Einwilligung und das Problem der Anwendbarkeit allgemeiner Rechtfertigungsgründe im öffentlichen Recht Wer auf die Vorzüge eines von der Strafrechtsdogmatik bearbeiteten Instituts für die Lösung staatsrechtlicher Probleme verweist, muß freilich auch etwas zu den Grenzen der Ubertragbarkeit sagen. Dies ist 8
s. oben, Kap. I I 1 a bei A n m . 9. Dies ist Pietzcker (Kap. I A n m . 1) S. 532 entgegenzuhalten, 10 Ansätze dazu bei Schwabe (Kap. I A n m . 1) S. 97 ff.
9
118
Kap. IV: Schluß
um so wichtiger, als die Strafrechtslehre der Bundesrepublik die allgemeinen Rechtfertigungsgründe ζ. T. i n wenig reflektierter Weise zur Beurteilung öffentlich-rechtlicher Sachverhalte herangezogen hat. Daß dies grundsätzlich unzulässig ist, ist an anderer Stelle dargelegt worden 1 1 . Dann stellt sich die Frage, mit welchem Recht und in welchen Grenzen gerade der Gedanke der Einwilligung auf Probleme mit grundrechtsdogmatischem Bezug angewendet werden darf. Zur A n t w o r t ist zunächst darauf zu verweisen, daß die Einwilligung unter den allgemeinen Rechtfertigungsgründen eine Sonderstellung einnimmt. Die Einwände gegen die Übertragung von Rechtfertigungsnormen wie §§ 32 und 34 StGB ins öffentliche Recht gründen sich darauf, daß diese Normen dann zu öffentlich-rechtlichen Eingriffsermächtigungen werden. Diese Einwände entfallen bei der Einwilligung 1 2 . Denn wie gezeigt, sind staatliche Grundrechtsgutsbeeinträchtigungen, die sich auf eine Einwilligung stützen, keine „Eingriffe" i. S. d. staatsrechtlichen Gesetzesvorbehalts 13 . Hinzu kommt, daß die Einwilligung i n die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes m i t dem Institut der Einwilligung des Verletzten i m Bürger-Bürger-Verhältnis nicht identisch ist. Die Strafrechtslehre hat zwar einige Grundstrukturen des Einwilligungsgedankens herausgearbeitet, die — ebenso wie i m zivilrechtlichen Deliktsrecht — auch für das öffentliche Recht fruchtbar gemacht werden können. M i t einer schlichten Übertragung strafrechtlicher Doktrinen in die Grundrechts11 Vgl. dazu Amelung (Kap. I I A n m . 221) S. 833 ff.; ders., N J W 1978/623 f. A u f die Diskussion, die sich i m Anschluß an diese Untersuchungen e n t w i k kelt hat, kann hier nicht i m einzelnen eingegangen werden. Die strafrechtlichen Gegenargumente (vgl. z.B. Lange N J W 1978/784 ff.; Schaff stein, Schröder-Gedächtnisschrift (1978) S. 97 ff.; Gössel, JuS 1979/162 ff.) leiden nach w i e vor an der Verkürzung der verfassungsrechtlichen Problematik, insbesondere an der Vernachlässigung des demokratischen Prinzips u n d seines Einflusses auf die Lehre v o m Gesetzesvorbehalt. Bedenkenswert ist allenfalls die These, die Rechtfertigungsgründe kämen zwar nicht als Eingriffsermächtigungen i n Betracht, könnten aber die in~ dividuelle Strafbarkeit des handelnden Amtsträgers beseitigen. Vgl. ζ. B. Böckenförde, N J W 1978/1181 ff. (1883). Diese These erfordert allerdings eine eingehende Auseinandersetzung m i t dem Prinzip der „Einheit der Rechtsordnung", an der es meist fehlt. Vgl. aber Kirchhof, Unterschiedliche Rechtsw i d r i g k e i t e n i n einer einheitlichen Rechtsordnung (1978) sowie demnächst Günther (Kap. I I A n m . 170). Die Lehre von einem „ungeschriebenen" Staatsnotrecht schließlich, die n u n mehr wieder hervorgeholt w i r d u n d angeblich i n § 34 StGB eine beispielhafte Formulierung gefunden haben soll (so zuletzt Stern, Staatsrecht Bd. 2 [1980] S. 1328 ff. m. w. N.) diskreditiert die Notstandsgesetzgebung von 1968 als verfassungspolitisches Betrugsmanöver u n d damit letztlich sich selbst. Aufschlußreiche Nachweise zum Streitstand am Ende der Weimarer Rep u b l i k bei Huber, Festschrift f ü r Weber (1974) S. 31 ff. (35 f.) 12 Vgl. dazu schon Amelung (Kap. I I A n m . 221) S. 840, I s S. oben, Kap. I I 3 b aa,
3. Allgemeine Rechtfertigungsgründe im öffentlichen Recht
119
dogmatik darf ein solches Verfahren aber nicht verwechselt werden. Vielmehr erzwingen die speziellen Prinzipien, die für das StaatBürgerverhältnis gelten, die Umformung allgemeiner und die Entwicklung besonderer Regeln, aus denen zwei eigenständige Rechtsinstitute des öffentlichen Rechts entstehen. Bei der „eingriffsmildernden" Einw i l l i g u n g 1 4 liegt dies unmittelbar auf der Hand. Für die gesetzesvertretende Einwilligung 1 5 braucht insoweit nur auf die Besonderheiten verwiesen zu werden, die sich ζ. B. bei der Anwendung der Sittenwidrigkeitsschranke 16 und bei der Aufklärungspflicht 1 7 ergeben. Auch die Strafrechtslehre hat bei der Behandlung der Einwilligung freilich wenig auf solche Besonderheiten geachtet, obgleich ihr das Recht der Amtsverbrechen, das Sanktionenrecht und das Recht der strafprozessualen Grundrechtseingriffe dafür manchen Anlaß böten. So dürfte ein engerer Kontakt zwischen Staatsrechts- und Strafrechtswissenschaft i n diesem Bereich für beide Seiten von Vorteil sein.
14 is ie 17
s. s. s. s.
oben, Kap. I I I oben, Kap. I I I oben, Kap. I I oben, Kap. I I I
3. 2. 2 c cc. 2 c cc.
Anhang Auswahl gesetzlicher Regelungen der Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes I. Arztrecht A. Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. 8.1976 (BGBl I S. 2445) § 40 Allgemeine Voraussetzungen (1) Die klinische Prüfung eines Arzneimittels darf bei Menschen n u r durchgeführt werden, w e n n u n d solange 1. die Risiken, die m i t i h r f ü r die Person verbunden sind, bei der sie durchgeführt werden soll, gemessen an der voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels f ü r die Heilkunde ärztlich vertretbar sind, 2. die Person, bei der sie durchgeführt werden soll, ihre Einwilligung hierzu erteilt hat, nachdem sie durch einen Arzt über Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung aufgeklärt worden ist, 3. die Person, bei der sie durchgeführt werden soll, nicht auf gerichtliche oder behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt ist, 4. sie von einem A r z t geleitet w i r d , der mindestens eine zweijährige Erfahrung i n der klinischen Prüfung von A r z n e i m i t t e l n nachweisen kann,
§ 41 Besondere Voraussetzungen A u f eine klinische Prüfung bei einer Person, die an einer K r a n k h e i t leidet, zu deren Behebung das zu prüfende A r z n e i m i t t e l angewendet werden soll, findet § 40 Abs. 1 bis 3 m i t folgender Maßgabe Anwendung:
B. Strahlenschutzverordnung vom 13.10.1976 (BGBl I S. 2919) § 41 A n w e n d u n g radioaktiver Stoffe i n der medizinischen Forschung (1) Dem A n t r a g auf Erteilung einer Genehmigung zum Umgang m i t radioa k t i v e n Stoffen f ü r die Anwendung i n der medizinischen Forschung darf, falls i m übrigen die Voraussetzungen f ü r die Erteilung der Ge-
121
Anhang nehmigung wenn . . .
nach
§ 3 Abs. 1 erfüllt
sind,
nur
stattgegeben
werden,
8. der Proband seine Einwilligung persönlich und schriftlich erteilt hat. Die E i n w i l l i g u n g k a n n jederzeit formlos widerrufen werden. V o r der E i n w i l l i g u n g ist der Proband durch den das Forschungsvorhaben leitenden A r z t oder einen von diesem beauftragten A r z t über Wesen, Bedeutung, Tragweite u n d Risiken der A n w e n d u n g der radioaktiven Stoffe u n d über die Möglichkeit des Widerrufs aufzuklären. Der Proband hat zu erklären, ob an i h m bereits radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlen angewandt worden sind. Über die A u f k l ä r u n g u n d die E r k l ä r u n g des Probanden ist eine Niederschrift zu fertigen. Die E i n w i l l i g u n g ist n u r wirksam, w e n n der Proband geschäftsfähig u n d i n der Lage ist, das Risiko der A n w e n d u n g der radioaktiven Stoffe f ü r sich einzusehen u n d seinen W i l l e n hiernach zu bestimmen, 9. die nach dem Stand von Wissenschaft u n d Technik erforderlichen Meßgeräte, Kalibrierpräparate, Kalibrierlösungen u n d K a l i b r i e r phantome vorhanden sind u n d ihre sachgerechte A n w e n d u n g sichergestellt ist, 10. die erforderliche Vorsorge für die E r f ü l l u n g gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen getroffen ist. (2) An Personen, die auf gerichtliche oder behördliche Anordnung verwahrt sind, dürfen radioaktive Stoffe in der medizinischen Forschung nicht angewendet werden. C. Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden vom 15. August 1969 (BGBl I S. 1143) § 2 Voraussetzungen der Kastration (1) Die Kastration durch einen A r z t ist nicht als Körperverletzung strafbar, wenn 1. der Betroffene
einwilligt
(§3),
2. die Behandlung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt ist, u m bei dem Betroffenen schwerwiegende K r a n k heiten, seelische Störungen oder Leiden, die m i t seinem abnormen Geschlechtstrieb zusammenhängen, zu verhüten, zu heilen oder zu lindern, 3. der Betroffene das 25. Lebensjahr vollendet hat, 4. f ü r i h n körperlich oder seelisch durch die Kastration keine Nachteile zu erwarten sind, die zu dem m i t der Behandlung angestrebten E r folg außer Verhältnis stehen, u n d 5. die Behandlung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vorgenommen w i r d . (2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1,3 bis 5 ist die Kastration durch einen Arzt auch dann nicht als Körperverletzung strafbar, wenn bei dem Betroffenen ein abnormer Geschlechtstrieb gegeben ist, der nach seiner Persönlichkeit und bisherigen Lebensführung die Begehung rechtswidriger Taten im Sinne der §§ 175 bis 179,183, 211, 212,
122
Anhang 223 bis 226 des Strafgesetzbuches erwarten läßt, und die Kastration nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt ist, um dieser Gefahr zu begegnen und damit dem Betroffenen bei seiner künftigen Lebensführung zu helfen. § 3 Einwilligung
(1) Die E i n w i l l i g u n g ist unwirksam, wenn der Betroffene nicht vorher über Grund, Bedeutung u n d Nachwirkungen der Kastration, über andere i n Betracht kommende Behandlungsmöglichkeiten sowie über sonstige Umstände aufgeklärt worden ist, denen er erkennbar eine Bedeutung für die E i n w i l l i g u n g beimißt. (2) Die Einwilligung des Betroffenen ist nicht deshalb unwirksam, weil er zur Zeit der Einwilligung auf richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. (3) Ist der Betroffene nicht fähig, G r u n d u n d Bedeutung der Kastration v o l l einzusehen u n d seinen W i l l e n hiernach zu bestimmen, so ist die Kastration n u r dann zulässig, wenn 1. der Betroffene m i t i h r einverstanden ist, nachdem er i n einer seinem Zustand entsprechenden Weise aufgeklärt worden ist u n d wenigstens verstanden hat, welche unmittelbaren Folgen eine Kastration hat, und 2. der Betroffene einen V o r m u n d oder Pfleger erhalten hat, zu dessen Aufgabenbereich die Angelegenheit gehört, u n d dieser i n die Behandlung e i n w i l l i g t , nachdem er i m Sinne des Absatzes 1 aufgeklärt worden ist. (4) Ist der Betroffene unfähig, die unmittelbaren Folgen einer Kastration zu verstehen, so ist die Kastration durch einen A r z t unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Nr. 2 zulässig, w e n n sie nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt ist u n d vorgenommen w i r d , u m eine lebensbedrohende K r a n k h e i t des Betroffenen zu verhüten, zu heilen oder zu lindern. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ist nicht anzuwenden. § 4 Andere Behandlungsmethoden (1) Die §§ 2 u n d 3 Abs. 1 bis 3 gelten entsprechend für eine gegen die A u s w i r k u n g e n eines abnormen Geschlechtstriebes gerichtete ärztliche Behandlung eines Mannes oder einer Frau, m i t der nicht beabsichtigt ist, die Keimdrüsen dauernd funktionsunfähig zu machen, die aber eine solche Folge haben kann. Die Behandlung ist auch zulässig, w e n n der Betroffene noch nicht fünfundzwanzig Jahre alt ist. (2) Ist der Betroffene unfähig, die unmittelbaren Folgen der Behandlung u n d einer etwaigen Funktionsunfähigkeit der Keimdrüsen einzusehen, so ist die Behandlung i m Sinne des Absatzes 1 unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Nr. 2 zulässig, wenn sie nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt ist u n d vorgenommen w i r d , u m eine schwerwiegende K r a n k h e i t des Betroffenen zu verhüten, zu heilen oder zu lindern,
Anhang
123
(3) Ist der Betroffene minderjährig, so ist die E i n w i l l i g u n g seines gesetzlichen Vertreters i n jedem Falle erforderlich. § 3 Abs. 2 Nr. 2 ist nicht anzuwenden. Steht dem gesetzlichen Vertreter eines M i n d e r j ä h r i g e n nicht gleichzeitig die Sorge f ü r die Person des M i n d e r j ä h r i g e n zu oder ist neben i h m noch ein anderer sorgeberechtigt, so ist auch die E i n w i l l i gung des Sorgeberechtigten erforderlich. Die E i n w i l l i g u n g ist u n w i r k sam, w e n n der Einwilligende nicht i m Sinne des § 3 Abs. 1 aufgeklärt worden ist. D. Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten vom 23. 7.1953 (BGBl I S. 700) § 17 Zwangsmaßnahmen (1) Die Befolgung der Vorschriften der §§3 bis 5 u n d 8 kann nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen m i t Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Soweit i n diesen Fällen andere M i t t e l zur Durchführung der Behandlung u n d zur Verhütung der Ansteckung nicht ausreichen, ist die Anwendung unmittelbaren Zwanges zulässig. § 18 bleibt unberührt. (2) Ärztliche Eingriffe, die mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind, dürfen nur mit Einwilligung des Kranken vorgenommen werden. Bei welchen ärztlichen Eingriffen diese Voraussetzungen vorliegen, bestimmt der Bundesminister des Inneren m i t Zustimmung des Bundesrates durch Hechtsverordnung.
II. Datenschutzrecht A. Gesetz zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten — BDSG — vom 27.1.1977 (BGBl I S. 201) § 3 Zulässigkeit der Datenverarbeitung Die Verarbeitung personenbezogener Daten, die von diesem Gesetz geschützt werden, ist in jeder ihrer in § 1 Abs. 1 genannten Phasen nur zulässig, wenn (1) dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder (2) der Betroffene
eingewilligt
hat.
Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist; wird die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt, ist der Betroffene hierauf schriftlich besonders hinzuweisen. § 9 Datenspeicherung u n d -Veränderung (1) Das Speichern u n d das Verändern personenbezogener Daten ist zulässig, w e n n es zur rechtmäßigen E r f ü l l u n g der i n der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist.
124
Anhang
(2) Werden Daten beim Betroffenen auf Grund einer Hechtsvorschrift erhoben, dann ist er auf sie, sonst auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hinzuweisen. B. Gesetz zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung (Datenschutzgesetz NordrheinWestfalen — DSG NW) vom 19.12.1978 (GVB1 S. 640) § 3 Zulässigkeit der Datenverarbeitung Die Verarbeitung personenbezogener Daten, die von diesem Gesetz geschützt werden, ist in jeder ihrer in § 1 Abs. 1 genannten Phasen nur zulässig, wenn 1. dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder 2. der Betroffene eingewilligt hat. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist; wird die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt, ist der Betroffene hierauf schriftlich besonders hinzuweisen. Der Betroffene ist in geeigneter Weise über die Bedeutung der Einwilligung aufzuklären.
§ 10 Datenspeicherung u n d -Veränderung (1) Das Speichern u n d das Verändern personenbezogener Daten ist zulässig, w e n n es zur rechtmäßigen E r f ü l l u n g der i n der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist. (2) Werden Daten beim Betroffenen auf Grund einer Rechtsvorschrift erhoben, dann ist er auf sie, sonst auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hinzuweisen. Dem Betroffenen dürfen aus einer Verweigerung der Einwilligung keine Rechtsnachteile entstehen. C. Landesgesetz zum Schutz des Bürgers bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (Landesdatenschutzgesetz — LDatG) Rheinland-Pfalz vom 21.12.1978 (GVB1 S. 749) § 5 Datenspeicherung und -Veränderung (1) Das Speichern u n d Verändern personenbezogener Daten ist zulässig, w e n n es zur rechtmäßigen E r f ü l l u n g der i n der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist. (2) Werden personenbezogene Daten aufgrund einer Rechtsvorschrift erhoben, ist der Betroffene darauf hinzuweisen, aufgrund welcher Rechtsvorschrift er zur A u s k u n f t verpflichtet ist. Besteht keine Rechtsvorschrift, ist er darauf hinzuweisen, daß die Datenspeicherung nur mit seiner Einwilligung zulässig ist und ihm wegen einer Verweigerung der Einwilligung keine Nachteile entstehen. (3) Die Einwilligung bedarf der Schriftform, wenn nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist; wird die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt, ist der Betroffene hierauf schriftlich besonders hinzuweisen,
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Anhang I I I . Polizeirecht A. Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes (Stand 1978) § 15 Behandlung festgehaltener Personen
(1) W i r d eine Person auf G r u n d von §9 Abs. 2 Satz 3, §11 Abs. 3 oder §13 festgehalten, ist i h r unverzüglich der G r u n d bekanntzugeben. (2) Der festgehaltenen Person ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen, soweit dadurch der Zweck der Freiheitsentziehung nicht gefährdet w i r d . Unberührt bleibt die Benachrichtigungspflicht bei einer richterlichen Freiheitsentziehung. Die Polizei soll die Benachrichtigung übernehmen, w e n n die festgehaltene Person nicht dazu i n der Lage ist, von dem Hecht nach Satz 1 Gebrauch zu machen u n d die Benachrichtigung ihrem mutmaßlichen W i l l e n nicht widerspricht. Ist die festgehaltene Person minderjährig, entmündigt oder unter vorläufige Vormundschaft gestellt, so ist i n jedem Falle unverzüglich derjenige zu benachrichtigen, dem die Sorge f ü r die Person obliegt. (3) Die festgehaltene Person soll gesondert, insbesondere ohne ihre Einwilligung nicht in demselben Raum mit Straf- oder Untersuchungsgefangenen untergebracht werden. Männer u n d Frauen sollen getrennt untergebracht werden. Der festgehaltenen Person dürfen n u r solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Freiheitsentziehung oder die Ordnung i m Gewahrsam erfordert. § 19 Betreten u n d Durchsuchung von Wohnungen (1) Die Polizei kann eine Wohnung treten und durchsuchen, w e n n
ohne Einwilligung
des Inhabers
be-
1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich i n i h r eine Person befindet, die nach § 11 Abs. 3 vorgeführt oder nach § 13 i n Gewahrsam genommen werden darf, 2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich i n i h r eine Sache befindet, die nach § 21 Nr. 1 sichergestellt werden darf, oder 3. das zur A b w e h r einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist. Die Wohnung umfaßt die W o h n - u n d Nebenräume, A r beits·, Betriebs- u n d Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum. § 45 Z u m Schadensausgleich verpflichtende Tatbestände (1) Erleidet jemand infolge einer rechtmäßigen Inanspruchnahme nach § 6 einen Schaden, ist i h m ein angemessener Ausgleich zu gewähren. Das gleiche gilt, w e n n jemand durch eine rechtswidrige Maßnahme der Polizei einen Schaden erleidet.
126
Anhang
(2) Der Ausgleich ist auch Personen zu gewähren, die mit Zustimmung der Polizei bei der Erfüllung polizeilicher Aufgaben freiwillig mitgewirkt oder Sachen zur Verfügung gestellt haben und dadurch einen Schaden erlitten haben. (3) Weitergehende Ersatzansprüche, insbesondere aus Amtspflichtverletzung, bleiben unberührt. B. Bundesgrenzschutzgesetz vom 18. 8.1972 (BGBl I S. 1834)
§ 22 Obhut (1) Der Bundesgrenzschutz kann eine Person in Obhut nehmen, wenn das zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist und der Betroffene darum nachgesucht hat. A u f seinen Wunsch ist der Betroffene unverzüglich zu entlassen. (2) Die i n Obhut genommene Person ist auf Wunsch von anderen gesondert unterzubringen. I m übrigen gilt § 21 entsprechend.
C. Polizeiverwaltungsgesetz von Rheinland-Pfalz in der Fassung vom 29. 6.1973 (GVB1 S. 180) mit Änderungen § 3 Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Behandlung (1) Die Polizei ist ermächtigt, die Identität einer Person festzustellen, w e n n dies zur E r f ü l l u n g ihrer Aufgaben erforderlich ist. (2) Z u r Sicherung privater Rechtsansprüche darf die Polizei die Identität einer Person feststellen, w e n n der Anspruch glaubhaft erscheint u n d ohne die Feststellung die Gefahr besteht, daß die Durchsetzung des A n spruches vereitelt oder wesentlich erschwert w i r d . (3) Maßnahmen zum Zwecke des Erkennungsdienstes können ohne Einwilligung des Betroffenen außer im Falle des § 81b der StrafprozeßOrdnung auch vorgenommen werden, wenn dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich erscheint. § 17 Polizeiliche Durchsuchung von Personen u n d Gegenständen Die Polizei darf Durchsuchungen von Personen oder Gegenständen ohne Einwilligung des Betroffenen vornehmen, w e n n dies erforderlich ist, u m Gegenstände aufzufinden, die nach §9 sichergestellt werden können oder u m eine i n einem willenlosen Zustand befindliche Person oder eine Leiche zu identifizieren.
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Anhang IV. Sozialrecht Α. Sozialgesetzbuch — Allgemeiner Teil — (SGB I ) vom 11.12.1975 (BGBl I S. 3015) § 63 Heilbehandlung
Wer wegen K r a n k h e i t oder Behinderung Sozialleistungen beantragt oder erhält, soll sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers einer H e i l behandlung unterziehen, w e n n zu erwarten ist, daß sie eine Besserung seines Gesundheitszustands herbeiführen oder eine Verschlechterung v e r h i n dern w i r d . § 65 Grenzen der M i t w i r k u n g (1) Die Mitwirkungspflichten nach §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit 1. ihre E r f ü l l u n g nicht i n einem angemessenen Verhältnis zu der i n Anspruch genommenen Sozialleistung steht oder 2. ihre E r f ü l l u n g dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden k a n n oder 3. der Leistungsträger sich durch einen geringeren A u f w a n d als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen K e n n t nisse selbst beschaffen kann. (2) Behandlungen
und
Untersuchungen,
1. bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, 2. die mit erheblichen
Schmerzen verbunden
3. die einen erheblichen deuten, können abgelehnt
Eingriff
nicht
sind oder
in die körperliche
Unversehrtheit
be-
werden.
(3) Angaben, die den Antragsteller, den Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Zivilprozeßordnung) der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen, können verweigert w e r den. B. Sozialgesetzbuch — (SGB X ) Zehntes Buch — Verwaltungsverfahren, Schutz der Sozialdaten, Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten vom 18. 8.1980 (BGBl I S. 1468) § 67 Grundsatz Eine Offenbarung von personenbezogenen Daten oder Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen ist n u r zulässig, 1. soweit
der Betroffene
im Einzelfall
eingewilligt
hat oder
2. soweit eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis nach §§ 68 bis 77 vorliegt.
128
Anhang
Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist; wird die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt, ist der Betroffene hierauf schriftlich besonders hinzuweisen.
V. Strafrecht A. Strafgesetzbuch vom 15. 5.1871 i. d. F. vom 2.2.1975 (BGBl I S. 1) § 56 c Weisungen (1) Das Gericht erteilt dem Verurteilten f ü r die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, w e n n er dieser H i l f e bedarf, u m keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. (2) Das Gericht k a n n den Verurteilten namentlich anweisen, 1. Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, A r b e i t oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen V e r h ä l t nisse beziehen, 2. sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden, 3. m i t bestimmten Personen oder m i t Personen einer bestimmten Gruppe, die i h m Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen, 4. bestimmte Gegenstände, die i h m Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder 5. Unterhaltspflichten nachzukommen. (3) Die Weisung, 1. sich einer Heilbehandlung oder 2. in einem geeigneten zu nehmen, darf nur mit Einwilligung
oder einer Entziehungskur
Heim oder einer geeigneten des Verurteilten
erteilt
zu
unterziehen
Anstalt
Aufenthalt
werden.
(4) Macht der Verurteilte entsprechende Zusagen für seine künftige Lebensführung, so sieht das Gericht i n der Regel von Weisungen vorläufig ab, wenn die Einhaltung der Zusagen zu erwarten ist. § 183 Exhibitionistische Handlungen (1) E i n Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische H a n d l u n g belästigt, w i r d m i t Freiheitstrafe bis zu einem Jahr oder m i t Geldstrafe bestraft.
Anhang (2) Die Tat w i r d n u r auf A n t r a g verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von A m t s wegen f ü r geboten hält. (3) Das Gericht kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe auch dann zur Bewährung aussetzen, wenn zu erwarten ist, daß der Täter erst nach einer längeren Heilbehandlung keine exhibitionistischen Handlungen mehr vornehmen wird. (4) Absatz 3 gilt auch, w e n n ein M a n n oder eine Frau wegen einer e x hibitionistischen Handlung — nach einer anderen Vorschrift, die i m Höchstmaß Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe androht, oder — nach § 174 Abs. 2 Nr. 1 oder § 176 Abs. 5 Nr. 1 bestraft w i r d . § 226 a E i n w i l l i g u n g des Verletzten Wer eine Körperverletzung m i t E i n w i l l i g u n g des Verletzten v o r n i m m t , handelt n u r dann rechtswidrig, w e n n die Tat trotz der E i n w i l l i g u n g gegen die guten Sitten verstößt. B. Strafprozeßordnung vom 1.2.1877 i. d. F. vom 7.1.1975 (BGBl I 129, 650)
§ 81a Körperliche Untersuchung des Beschuldigten (1) Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die f ü r das Verfahren von Bedeut u n g sind. Z u diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben u n d andere körperliche Eingriffe, die von einem A r z t nach den Regeln der ärztlichen K u n s t zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. (2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft u n d ihren Hilfsbeamten (§ 152 des Gerichts Verfassungsgesetzes) zu.
§ 81c Untersuchung anderer Personen (1) Andere Personen als Beschuldigte dürfen, w e n n sie als Zeugen i n Betracht kommen, ohne ihre Einwilligung n u r untersucht werden, soweit zur Erforschung der Wahrheit festgestellt werden muß, ob sich an i h r e m Körper eine bestimmte Spur oder Folge einer Straftat befindet. (2) Bei anderen Personen als Beschuldigten sind Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung u n d die Entnahme von Blutproben ohne Einwilligung des zu Untersuchenden zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten und die Maßnahme zur Erforschung der Wahrheit unerläßlich ist. Die Untersuchungen u n d die Entnahme von Blutproben dürfen stets n u r von einem A r z t vorgenommen werden. 9 Amelung
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(3) Untersuchungen oder Entnahmen von Blutproben können aus den gleichen Gründen w i e das Zeugnis verweigert werden. Haben Minderjährige oder wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigte Personen wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche von der Bedeutung ihres Weigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so entscheidet der gesetzliche Vertreter; §52 Abs. 2 Satz 2 u n d Abs. 3 gilt entsprechend. Ist der gesetzliche Vertreter von der Entscheidung ausgeschlossen (§ 52 Abs. 2 Satz 2) oder aus sonstigen Gründen an einer rechtzeitigen Entscheidung gehindert und erscheint die sofortige Untersuchung oder Entnahme von Blutproben zur Beweissicherung erforderlich, so sind diese Maßnahmen n u r auf besondere A n o r d n u n g des Richters zulässig. Der die Maßnahmen anordnende Beschluß ist u n anfechtbar. Die nach Satz 3 erhobenen Beweise dürfen im weiteren Verfahren nur mit Einwilligung des hierzu befugten gesetzlichen Vertreters verwertet werden. (4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 u n d 2 sind unzulässig, wenn sie dem Betroffenen bei Würdigung aller Umstände nicht zugemutet werden können. (5) Die A n o r d n u n g steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung, von den Fällen des Absatzes 3 Satz 3 abgesehen, auch der Staatsanwaltschaft u n d ihren Hilfsbeamten (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu. (6) Bei Weigerung des Betroffenen gilt die Vorschrift des § 70 entsprechend. Unmittelbarer Zwang darf n u r auf besondere A n o r d n u n g des Richters angewandt werden. Die Anordnung setzt voraus, daß der Betroffene trotz Festsetzung eines Ordnungsgeldes bei der Weigerung beharrt oder daß Gefahr i m Verzuge ist. § 81 d Untersuchung einer F r a u (1) K a n n die körperliche Untersuchung einer Frau das Schamgefühl verletzen, so w i r d sie einer F r a u oder einem A r z t übertragen. A u f Verlangen der zu untersuchenden F r a u soll eine andere Frau oder ein A n gehöriger zugelassen werden. (2) Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn die zu untersuchende Untersuchung einwilligt.
Frau in die
§ 94 Beweisgegenstände (1) Gegenstände, die als Beweismittel f ü r die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind i n V e r w a h r u n g zu nehmen oder i n anderer Weise sicherzustellen. (2) Befinden sich die Gegenstände i n dem Gewahrsam einer Person u n d werden sie nicht f r e i w i l l i g herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme. (3) Die Absätze 1 u n d 2 gelten auch für Führerscheine, die der Einziehung unterliegen.
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§ 136 a Verbotene Vernehmungsmittel (1) Die Freiheit der Willensentschließung u n d der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Mißhandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von M i t t e l n , durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose. Z w a n g darf n u r angewendet werden, soweit das Strafverfahrensrecht dies zuläßt. Die Drohung m i t einer nach seinen Vorschriften unzulässigen Maßnahme u n d das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils sind verboten. (2) Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten beeinträchtigen, sind nicht gestattet. (3) Das Verbot der Absätze 1 und 2 gilt ohne Rücksicht auf die Einwilligung des Beschuldigten. Aussagen, die unter Verletzung dieses Verbots zustande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, w e n n der Beschuldigte der Verwertung zustimmt. § 148 Verkehr m i t dem Verteidiger (1) Dem Beschuldigten ist, auch w e n n er sich nicht auf freiem Fuß befindet, schriftlicher u n d mündlicher Verkehr m i t dem Verteidiger gestattet. (2) Befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß und ist Gegenstand der Untersuchung eine Straftat nach § 129 a des Strafgesetzbuches, so sind Schriftstücke und andere Gegenstände zurückzuweisen, sofern sich der Absender nicht damit einverstanden erklärt, daß sie zunächst einem Richter vorgelegt werden. Das gleiche g i l t unter den Voraussetzungen des Satzes 1 f ü r den schriftlichen Verkehr zwischen dem Beschuldigten u n d einem Verteidiger i n einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren. Ist der schriftliche Verkehr nach Satz 1 oder 2 zu überwachen, so sind für das Gespräch zwischen dem Beschuldigten u n d dem Verteidiger Vorrichtungen vorzusehen, die die Übergabe von Schriftstücken u n d anderen Gegenständen ausschließen.
C. Strafvollzugsgesetz vom 13. 3.1976 (BGBl I 581, ber. S. 2088) § 17 Unterbringung während der A r b e i t und Freizeit (1) Die Gefangenen arbeiten gemeinsam. Dasselbe g i l t für Berufsausbildung, berufliche Fortbildung, Umschulung sowie arbeitstherapeutische u n d sonstige Beschäftigung während der Arbeitszeit. (2) Während der Freizeit können die Gefangenen sich i n der Gemeinschaft m i t den anderen aufhalten. F ü r die Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen k a n n der Anstaltsleiter m i t Rücksicht auf die r ä u m lichen, personellen u n d organisatorischen Verhältnisse der Anstalt besondere Regelungen treffen. 9*
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(3) Die gemeinschaftliche Unterbringung Freizeit kann eingeschränkt werden,
während
der
Arbeitszeit
und
1. w e n n ein schädlicher Einfluß auf andere Gefangene zu befürchten ist, 2. w e n n der Gefangene nach § 6 untersucht w i r d , aber nicht länger als zwei Monate, 3. wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert oder 4. wenn der Gefangene
zustimmt. § 58 Krankenpflege
Der Gefangene erhält Krankenpflege v o m Beginn der K r a n k h e i t an; sie umfaßt insbesondere 1. ärztliche u n d zahnärztliche Behandlung, 2. Versorgung m i t Arznei-, Verband-, H e i l m i t t e l n u n d Brillen, 3. Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel, 4. Zuschüsse zu den Kosten f ü r Zahnersatz u n d Zahnkronen oder Übernahme der gesamten Kosten, 5. Belastungserprobung u n d Arbeitstherapie, soweit die Belange des V o l l zuges dem nicht entgegenstehen. § 63 Ärztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung Mit Zustimmung des Gefangenen soll die Vollzugsbehörde ärztliche Behandlung, namentlich Operationen oder prothetische Maßnahmen durchführen lassen, die seine soziale Eingliederung fördern. Er ist an den Kosten zu beteiligen, w e n n dies nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gerechtfertigt ist u n d der Zweck der Behandlung dadurch nicht i n Frage gestellt wird. § 125 Aufnahme auf freiwilliger Grundlage (1) I n die Anstalt k a n n ein früherer Untergebrachter auf seinen A n t r a g vorübergehend wieder aufgenommen werden, w e n n das Z i e l seiner Behandlung erneut gefährdet u n d ein Aufenthalt i n der Anstalt aus diesem Grunde gerechtfertigt ist. Die Aufnahme ist jederzeit widerruflich. (2) Gegen den Aufgenommenen dürfen Maßnahmen des Vollzuges nicht m i t unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. (3) A u f seinen A n t r a g ist der Aufgenommene unverzüglich zu entlassen. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend f ü r frühere Strafgefangene, die nach ihrer Verlegung (§ 9) aus der sozialtherapeutischen Anstalt entlassen worden sind.
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VI. Unterbringungsrecht A. Baden-Württemberg: Gesetz über die Unterbringung von Geisteskranken und Suchtkranken vom 16.5.1955 (GBl S. 87) § 3 Unterbringung auf A n t r a g (1) Eine Unterbringung von A m t s wegen findet nicht statt, wenn eine psychiatrische Krankenanstalt einen K r a n k e n auf A n t r a g aufnimmt. Das Verfahren auf Unterbringung von A m t s wegen ruht, wenn der A n trag nach der Aufnahme eines K r a n k e n gestellt w i r d . (2) Bei Kranken, die keinen Vertreter i n den ihre Person betreffenden A n gelegenheiten haben, sind zur Stellung des Antrags nach Abs. 1 berechtigt: 1. die Eltern, Ehegatten oder A b k ö m m l i n g e ; 2. beim Fehlen oder bei Verhinderung der i n Nr. 1 bezeichneten A n tragsberechtigten die m i t der Fürsorge für den Unterzubringenden befaßte Person oder Behörde. (3) Bei Kranken, die einen Vertreter i n den ihre Person betreffenden A n gelegenheiten haben, sind, w e n n dieser die Unterbringung nicht v e r anlassen k a n n oder w i l l , antragsberechtigt: 1. bei Personen, die nach den fürsorgerechtlichen Bestimmungen hilfsbedürftig sind, der unterstützungspflichtige Fürsorgeverband; 2. bei Fürsorgezöglingen die Fürsorgeerziehungsbehörde, 3. bei Straf- u n d Untersuchungsgefangenen u n d bei Insassen von A r beitshäusern die zuständige Behörde. (4) Der A n t r a g ist schriftlich bei der psychiatrischen Krankenanstalt zu stellen, i n welcher der K r a n k e aufgenommen werden soll oder i n w e l cher er sich aufhält. Als A n t r a g ist auch die schriftliche E i n w i l l i g u n g eines Antragsberechtigten m i t der Anstaltsaufnahme anzusehen. Dem A n t r a g ist ein ärztliches Zeugnis über die K r a n k h e i t u n d die N o t w e n digkeit der Anstaltsfürsorge beizufügen. (5) Die psychiatrische Krankenanstalt legt den A n t r a g m i t dem ärztlichen Zeugnis und einer eigenen gutachtlichen Äußerung über die Notwendigkeit der Anstaltsfürsorge unverzüglich dem zuständigen Amtsgericht vor. Dieses hat spätestens am Tage nach dem Eingang des Antrags über die Zulässigkeit der Unterbringung zu entscheiden.
§6 Entlassung Die in psychiatrischen Krankenanstalten untergebrachten Personen gegen ihren Willen nicht mehr zurückgehalten werden, wenn
dürfen
1. sie als nicht k r a n k i m Sinne dieses Gesetzes erkannt werden oder nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Anstaltsleiters nicht mehr anstaltsbedürftig sind. Ist eine A n o r d n u n g nach § 3 Abs. 1 ergangen, so ist die untere Verwaltungsbehörde zu hören;
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2. der Antrag (§4) zurückgenommen worden ist oder der Antragsteller die Entlassung verlangt; 3. die v o m Gericht festgesetzte höchstzulässige Dauer der Unterbringung (§ 16) beendet ist; 4. die Unterbringungsanordnung (§ 3 Abs. 1) oder die richterliche Entscheidung (§3 Abs. 2, § 4 Abs. 5 u n d §5 Abs. 3) aufgehoben worden ist; 5. die Zulässigkeit der Unterbringung durch richterliche Entscheidung abgelehnt worden ist. § 7 Fürsorgliche Zurückhaltung (1) Liegen nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Anstaltsleiters i n den Fällen des § 6 Nr. 2 oder 3 die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 3 Abs. 1 vor, so k a n n der K r a n k e fürsorglich i n der Anstalt zurückgehalten werden. (2) Dasselbe gilt, w e n n ein K r a n k e r i n einer psychiatrischen K r a n k e n anstalt m i t seinem W i l l e n aufgenommen w u r d e u n d i n dem Zeitpunkt, i n dem er seine Entlassung verlangt, nach pflichtgemäßem Ermessen des Anstaltsleiters die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 vorliegen. (3) § 5 Abs. 2 u n d 3 findet entsprechende Anwendung. B. Bremen: Unterbringungsgesetz vom 16.10.1962 (GBl S. 203)
§ 21 Anstaltsordnung, ärztliche Heilbehandlung (1) Der Untergebrachte unterliegt der Anstaltsordnung. Die Unterbringung umfaßt auch die Behandlung durch ein nach den Regeln der ärztlichen K u n s t gebotenes u n d zulässiges Heilverfahren. (2) Ärztliche Eingriffe, die mit Lebensgefahr oder mit erheblicher Gefahr für die Gesundheit verbunden sind oder die Persönlichkeit tiefgreifend verändern, dürfen nur mit Einwilligung des Untergebrachten vorgenommen werden. Kann der Untergebrachte die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und der Einwilligung nicht beurteilen, so ist der Wille des Personensorgeberechtigten maßgebend. Einer E i n w i l l i g u n g bedarf es nicht, w e n n sie nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, ohne daß durch den Aufschub das Leben oder die Gesundheit des Untergebrachten erheblich gefährdet w i r d . C. Hamburgisches Gesetz über Helfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten vom 22.9.1977 (GVB1 S. 261) § 7 Durchführung der Aufgabe (1) Z u r Durchführung der vor sorgenden Hilfe sind bei der zuständigen Behörde regelmäßig Sprechstunden unter der L e i t u n g eines i n der Psychiatrie erfahrenen Arztes abzuhalten. Sie dienen dazu, i m Einzelf a l l festzustellen, ob u n d i n welcher Weise geholfen werden kann, ob
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eine Beratung Erfolg gehabt hat und ob weitere Betreuungsmaßnahmen zu treffen sind. (2) Erforderlichenfalls sind auch Hausbesuche durchzuführen. Die Beauftragten der zuständigen Behörde haben das Recht, zur Verhütung von dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit u n d Ordnung die Wohnung, i n der die betroffene Person lebt, zu betreten. § 8 Maßnahmen der zuständigen Behörde (1) Sind gewichtige Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß eine Person wegen einer Psychose, einer psychischen Störung, die i n ihrer A u s w i r k u n g einer Psychose gleichkommt, einer Suchtkrankheit oder wegen Schwachsinns sich selbst schwerwiegenden persönlichen Schaden zufügen oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gefährden droht, k a n n die zuständige Behörde diese Person zu einer Untersuchung i n der Sprechstunde der Behörde auffordern. Folgt die Person der Aufforderung nicht, soll durch Beauftragte der zuständigen Behörde, die mit der vorsorgenden Betreuung von psychisch Kranken betraut sind, ein Hausbesuch durchgeführt werden; § 7 Abs. 2 Satz 2 g i l t entsprechend. Erscheint eine Untersuchung erforderlich, so ist diese von einem A r z t vorzunehmen. Ist ein Hausbesuch undurchführbar oder unzweckmäßig oder kann während des Hausbesuchs die erforderliche Untersuchung nicht vorgenommen werden, soll versucht werden, sich auf andere Weise von dem Gesundheitszustand der Person einen Eindruck zu verschaffen. (2) In der Aufforderung nach Abs. 1 Satz 1 ist der betroffenen Person anheimzustellen, sich von einem Arzt ihrer Wahl untersuchen zu lassen. Sie hat den Namen u n d die Anschrift dieses Arztes der zuständigen Behörde mitzuteilen u n d den A r z t zu ermächtigen, die zuständige Behörde darüber zu unterrichten, ob weitere Maßnahmen erforderlich erscheinen. Sofern es erforderlich erscheint, soll der A r z t der betroffenen Person empfehlen, sich ärztlich behandeln zu lassen. Ist zu erwarten, daß die Untersuchung unverzüglich durchgeführt u n d die zuständige Behörde über das Ergebnis unterrichtet w i r d , so hat sie bis zu diesem Zeitpunkt von weiteren Maßnahmen nach Abs. 1 abzusehen. (3) Die zuständige Behörde hat die Maßnahmen nach Abs. 1 durchzuführen, w e n n die sofortige Untersuchung aus Gründen, die eine besondere E i l bedürftigkeit rechtfertigen, erforderlich ist. Abs. 2 findet dann keine Anwendung. (4) Das Ergebnis der Untersuchung nach Abs. 1 teilt die zuständige Behörde der untersuchten Person durch den untersuchenden A r z t m i t . So*fern es erforderlich scheint, soll der untersuchten Person empfohlen werden, sich ärztlich behandeln zu lassen. Begibt sie sich nach der Untersuchung i n ärztliche Behandlung, t e i l t die Behörde den U n t e r suchungsbefund dem behandelnden A r z t m i t . § 35 Behandlung der psychischen E r k r a n k u n g (1) Der Untergebrachte w i r d wegen der Erkrankung, die zu seiner U n t e r bringung geführt hat, nach den anerkannten Regeln der ärztlichen
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Anhang K u n s t behandelt; die Behandlung schließt die dazu notwendige U n t e r suchung ein.
(2) Handelt es sich bei der Behandlung um einen operativen Eingriff oder ist sie mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit des Untergebrachten verbunden oder würde sie die Persönlichkeit des Untergebrachten wesentlich oder auf Dauer verändern, so darf sie nur mit Einwilligung des Untergebrachten und nur dann vorgenommen werden, wenn sie nicht außer Verhältnis zu dem zu erwartenden Erfolg steht. (3) Ist der Untergebrachte in den Fällen des Absatzes 2 nicht fähig, Grund, Bedeutung und Tragweite der Behandlung einzusehen oder seinen Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen, so ist die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters in den persönlichen Angelegenheiten maßgebend. Besitzt der Untergebrachte zwar die in Satz 1 genannten Fähigkeiten, ist er aber minderjährig, wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt oder nach § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unter vorläufige Vormundschaft gestellt, so ist neben der Einwilligung des Untergebrachten die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters in den persönlichen Angelegenheiten erforderlich. (4) Die Einwilligung Untergebrachten sam.
in eine Behandlung, in ihrem Kernbereich
welche die Persönlichkeit des verändern würde, ist unwirk-
§ 36 Andere ärztliche Behandlungen (1) Wegen anderer als der i n § 35 genannten Erkrankungen ist eine ärztliche Untersuchung u n d Behandlung bei Lebensgefahr oder bei Gefahr f ü r die Gesundheit anderer Personen auch ohne E i n w i l l i g u n g des U n tergebrachten oder seines gesetzlichen Vertreters zulässig. Eine zwangsweise Ernährung ist zulässig, wenn dies zur A b w e n d u n g einer Gefahr f ü r das Leben oder die Gesundheit des Untergebrachten erforderlich ist. (2) Die Zwangsmaßnahme muß f ü r die Beteiligten zumutbar sein. Sie darf insbesondere das Leben des Untergebrachten nicht gefährden. (3) Die Maßnahmen dürfen n u r auf A n o r d n u n g u n d unter L e i t u n g eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung erster H i l f e f ü r den Fall, daß ein A r z t nicht rechtzeitig erreichbar u n d m i t einem A u f schub Lebensgefahr verbunden ist. D. Hessen: Gesetz über die Entziehung der Freiheit geisteskranker» geistesschwacher, rausch- oder alkoholsüchtiger Personen vom 19.5.1952 (GVB1 S. 111) § 17 Der Untergebrachte unterliegt der Anstaltsordnung. Die Unterbringung u m faßt auch die Behandlung mittels eines H e i l - oder Entziehungs ver fahr ens. Ärztliche Eingriffe, die mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind, dürfen nur mit Einwilligung des Untergebrachten oder seines gesetzlichen Vertreters vorgenommen werden. Bei welchen ärztlichen Eingriffen diese Voraussetzungen vorliegen, bestimmt die Landesregierung durçh Rechtsverordnung.
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Anhang E. Niedersächsisches Gesetz fiber Hilfe für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen vom 30.5.1978 (GVB1 S. 443) § 7 Untersuchung, M i t t e i l u n g
(1) Bestehen Anhaltspunkte dafür, daß jemand wegen einer K r a n k h e i t , Störung oder Behinderung i m Sinne des § 1 Nr. 1 sich oder anderen schwerwiegenden Schaden zuzufügen droht, so k a n n er zu einer ärztlichen Untersuchung geladen oder zum Zwecke seiner Untersuchung durch einen A r z t i n seiner Wohnung aufgesucht werden. (2) Ergeben sich aus dem Verhalten des Betroffenen dringende A n h a l t s punkte dafür, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen, so k a n n er zu einer ärztlichen Untersuchung vorgeführt werden. Der Betroffene hat die Untersuchung zu dulden u n d an i h r m i t z u w i r k e n . (3) Der A r z t teilt das Ergebnis der Untersuchung dem Betroffenen m i t , sow e i t es ärztlich zu verantworten ist. Ist der Betroffene zuvor regelmäßig von einem anderen Arzt behandelt worden, so ist auch diesem der Untersuchungsbefund mitzuteilen, es sei denn, daß der Betroffene widerspricht.
§ 26 Ärztliche Behandlung (1) Der Untergebrachte erhält während der Unterbringung die nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst gebotene Heilbehandlung. (2) Die Heilbehandlung ist dem Untergebrachten zu erläutern, soweit dies ärztlich zu verantworten ist. Der Untergebrachte hat die notwendigen Maßnahmen der Heilbehandlung zu unterstützen. Erfordert die Behandlung einen operativen Eingriff oder ist sie mit Gefahr für Leben oder Gesundheit des Untergebrachten verbunden oder würde sie seine Persönlichkeit wesentlich oder auf Dauer nachteilig verändern, so darf sie nur mit seiner Einwilligung und nur dann vorgenommen werden, wenn sie nicht außer Verhältnis zu dem zu erwartenden Erfolg steht. (3) Ist der Untergebrachte in den Fällen des Absatzes 2 nicht fähig, Grund, Bedeutung und Tragweite der Behandlung einzusehen oder seinen Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen, so ist die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters in den persönlichen Angelegenheiten maßgebend. Besitzt der Untergebrachte zwar die in Satz 1 genannten Fähigkeiten, ist er aber minderjährig, wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt oder nach § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuches unter vorläufige Vormundschaft gestellt, so ist neben der Einwilligung des Untergebrachten die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters in den persönlichen Angelegenheiten erforderlich. (4) Die Einwilligung Untergebrachten sam,
in eine Behandlung, in ihrem Kernbereich
welche die Persönlichkeit des verändern würde, ist unwirk-
138
Anhang F. Nordrhein-Westfalen: Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten vom 2.12.1969 (GVB1 S. 872)
§8 Durchführung der Aufgabe (1) Z u r Durchführung der vorsorgenden Hilfe sind bei den Gesundheitsämtern regelmäßige Sprechstunden unter der L e i t u n g eines i n der Psychiatrie erfahrenen Arztes abzuhalten. Sie dienen dazu, i m Einzelf a l l festzustellen, ob u n d i n welcher Weise geholfen werden kann, ob eine Beratung Erfolg gehabt hat oder ob weitere Betreuungsmaßnahmen zu treffen sind. (2) Erforderlichenfalls sind auch Hausbesuche durchzuführen. Die Beauftragten des Gesundheitsamtes haben das Recht, zur Verhütung von dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit u n d Ordnung die Wohnung, i n der die betroffene Person lebt, zu betreten. (3) Die vorsorgende Hilfe soll sich auch auf eine Verhaltensunterweisung des häuslichen Personenkreises erstrecken. § 9 Maßnahmen des Gesundheitsamtes Sind gewichtige Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß eine Person wegen einer Psychose, einer psychischen Störung, die i n ihrer A u s w i r k u n g einer Psychose gleichkommt, einer Suchtkrankheit oder wegen Schwachsinns sich selbst schwerwiegenden persönlichen Schaden zuzufügen oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu gefährden droht, k a n n das Gesundheitsamt diese Person zu einer Untersuchung i n der Sprechstunde des Gesundheitsamtes auffordern. Folgt die Person der Aufforderung nicht, ist möglichst ein Hausbesuch durchzuführen. Ist ein Hausbesuch undurchführbar oder untunlich oder k a n n während des Hausbesuches die erforderliche U n t e r suchung nicht vorgenommen werden, ist die Person erneut aufzufordern. Folgt die Person dieser Aufforderung nicht, kann das Gesundheitsamt sie durch die örtliche Ordnungsbehörde zur Untersuchung vorführen lassen. Die Untersuchung ist von einem A r z t vorzunehmen.
§ 26 Ärztliche Heilbehandlung (1) Während der Unterbringung w i r d eine nach den Regeln der ärztlichen Kunst gebotene u n d rechtlich zulässige Heilbehandlung vorgenommen, soweit dies m i t dem Zweck der Unterbringung vereinbar ist. (2) Ärztliche Eingriffe, die mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind oder die Persönlichkeit wesentlich verändern, dürfen nur mit Einwilligung der betroffenen Person und mit Zustimmung des Gerichtsärztlichen Ausschusses vorgenommen werden. Bei Volljährigen, welche die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und der Einwilligung nicht beurteilen können, sowie bei Minderjährigen ist für die Einwilligung der Wille des gesetzlichen Vertreters maßgebend,
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G. Saarland: Unterbringungsgesetz vom 10.12.1962 (ABl 1970 S. 22) § 19 Ärztliche Behandlung u n d Anstaltsordnung (1) Der K r a n k e unterliegt der Anstalts- u n d Hausordnung der K r a n k e n anstalt, i n der er untergebracht ist. Die Unterbringung umfaßt auch die Behandlung durch ein nach den Regeln der ärztlichen K u n s t gebotenes u n d zulässiges Heilverfahren. Ärztliche Eingriffe, die mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit des Kranken verbunden sind oder die Persönlichkeit wesentlich verändern, dürfen nur mit Einwilligung des Kranken vorgenommen werden. Kann der Kranke die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffs und der Einwilligung nicht beurteilen, so ist der Wille desjenigen maßgebend, dem die gesetzliche Vertretung in den persönlichen Angelegenheiten des Kranken zusteht. (2) Über Einwendungen des K r a n k e n entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges; die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar. Das Gericht ist nicht befugt, die nach Abs. 1 Satz 3 oder 4 erforderliche E i n w i l l i g u n g zu ärztlichen Eingriffen zu ersetzen.
V I I . Wahlrecht Bundeswahlgesetz vom 1.9.1975 (BGBl I S. 2325) § 33 Wahrung des Wahlgeheimnisses (1) Es sind Vorkehrungen dafür zu treffen, daß der Wähler den S t i m m zettel unbeobachtet kennzeichnen u n d i n den Umschlag legen kann. F ü r die Aufnahme der Umschläge sind Wahlurnen zu verwenden, die die Wahrung des Wahlgeheimnisses sicherstellen. (2) Ein Wähler, der des Lesens unkundig oder durch körperliches Gebrechen behindert ist, den Stimmzettel zu kennzeichnen, in den Wahlumschlag zu legen, diesen dem Wahlvorsteher zu übergeben oder selbst in die Wahlurne zu legen, kann sich der Hilfe einer Person seines Vertrauens bedienen.
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